antizionismus – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Mon, 23 Sep 2024 20:02:47 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png antizionismus – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Das Elend der Kapitalvermehrung I https://swiderstand.blackblogs.org/2024/02/07/neue-broschuere-das-elend-der-kapitalvermehrung-i/ Wed, 07 Feb 2024 23:05:25 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=732 Unsere neue Broschüre „Das Elend der Kapitalvermehrung I“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Die sozialstaatlich-karitative Verwaltung des kapitalistisch produzierten Elends

I. Die kapitalistisch-politische Produktion des Elends

1. Die kapitalistisch-politische Ausbeutung der Lohnabhängigen

2. Die „Freisetzung“ auf den Arbeitsmärkten

3. Die Ruinierung von produktions- und handelsmittelbesitzenden KleinbürgerInnen

4. Elend und „Armut“

II. Die sozialpolitische Verwaltung des Elends

1. Der Soziallohn

2. Sozialstaatliche Transferzahlungen an Langzeitarbeitslose

3. Der Sozialstaat als Gewaltapparat

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den Sozialstaat

5. Die UNO als globales Sozialamt

III. Die menschlichen Objekte der sozialstaatlichen Elendsverwaltung

1. Erkrankte Menschen

2. Menschen mit Behinderung

3. Kinder und Jugendliche

4. RentnerInnen

5. Erwerbslose Menschen

6. Fliehende und geflohene Menschen

7. Inhaftierte Menschen

Immobilieneigentum, Mietverhältnisse und Obdachlosigkeit

1. Das Eigentum an Wohnungen

2. Mietverhältnisse

3. Obdachlosigkeit

4. Staatliche Bau- und Mietenpolitik sowie Obdachlosenverwaltung

5. Wohn- und mietenpolitischer Sozialreformismus

6. Die sozialrevolutionäre Lösung der Wohnungsfrage

Die Digitalisierung der Kapitalvermehrung

I. Gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung

1. Wissenschaftlich-technische Aspekte der Digitalisierung

2. Sozialökonomische Aspekte der Digitalisierung

3. Sozialpsychologische Aspekte der Digitalisierung

II. Der kapitalistische Staat und die Digitalisierung

1. Die Digitalisierung der staatlichen Infrastruktur

2. Die Optimierung der staatlichen Überwachung

3. Die staatliche Subventionierung und Regulierung des digitalen Privatkapitals

4. Die zwischenstaatliche Konkurrenz um die Digitalisierung

III. Klassenkampf und Digitalisierung

1. Die Digitalisierung als Instrument im Klassenkampf von oben

2. Die Digitalisierung und der Klassenkampf der Lohnabhängigen und prekären Selbständigen

3. Obdachlosigkeit

Das Elend für große Teile des Weltproletariats, die sich den Bau eines eigenen Hauses entweder nicht leisten können oder wollen, besteht also im Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Ein Mangel, der sich grundsätzlich nur sozialrevolutionär durch die Aufhebung des Wohnungsmietverhältnisses als Teil der Ware-Geld-Beziehungen lösen lässt (siehe Kapitel 6 dieser Schrift).

Zum sozialen Elend des Weltproletariats gehört auch die Obdachlosigkeit. Dies ist eine globale Lebenslage, in der Menschen keinen festen Wohnsitz haben und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten. In den Industriestaaten ist die Mehrzahl der obdachlosen Menschen männlich. Unter den alleinstehenden Obdachlosen sind etwa 80 Prozent Männer. In der BRD hatten 2022 607.000 Menschen nach Angaben der regierenden Charaktermasken dieses Staates keine eigene Wohnung. Ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebten in diesem Land rund 50.000 Menschen.

Dieter Rheinisch schrieb im Dezember 2023 über die Zunahme der Obdachlosigkeit in Großbritannien und Irland: „Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen in England nimmt dramatisch zu. Dieses Jahr (2023) werden laut einer neuen Studie 309.550 Menschen Weihnachten auf der Straße, in Notunterkünften oder im Auto verbringen müssen. Auch in Irland spitzt sich die Lage zu. (…)

So ist in England die Zahl der Obdachlosen innerhalb eines Jahres um 14 Prozent gestiegen, teilte die Hilfsorganisation Shelter am Donnerstag (14. Dezember 2023) mit. Einer von 182 Menschen ist betroffen. Bei Kindern ist das Verhältnis noch dramatischer: Eines von 85 Kindern in England ist wohnungs- oder obdachlos. Offizielle Regierungsdaten zeigen, dass derzeit eine Rekordzahl von 139.000 Kindern in provisorischen Unterkünften lebt.

Die Zahlen von Shelter zeigen, dass vor allem die Obdachlosigkeit in den vergangenen zwölf Monaten stark zugenommen hat: Mehr als 3.000 Menschen schlafen jede Nacht auf der Straße. Das ist ein Anstieg von 26 Prozent in nur einem Jahr. Fast 280.000 Menschen leben darüber hinaus derzeit in unsicheren und gesundheitsschädlichen Notunterkünften. Außerdem zeigen Zahlen der Regierung, dass fast die Hälfte der Familien in provisorischen Unterkünften seit mehr als zwei Jahren dort leben, schreibt Shelter. Hinzu kommen 20.000 Menschen in Heimen oder betreuten Unterkünften.

,Obwohl unsere Analyse die umfassendste Übersicht über die in England registrierte Obdachlosigkeit ist, ist die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher, da einige Formen der Obdachlosigkeit, wie z. B. ,Sofasurfenʻ, nicht dokumentiert sindʻ, betonte Shelter-Direktorin Polly Neate bei der Vorstellung des Berichts. ,Chronisch unzureichende Investitionen in den sozialen Wohnungsbau haben dazu geführt, dass sich die Menschen die explodierenden privaten Mieten nicht mehr leisten können und die Obdachlosigkeit auf ein Rekordniveau gestiegen istʻ, so Neate weiter. (…)

Ähnlich problematisch ist die Situation in Irland, wo die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ebenfalls rapide ansteigt. (…) Die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen dort liegt derzeit bei fast 15.000 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte auch hier um ein Vielfaches höher liegen.“ (Dieter Rheinisch, Weihnachten auf der Straße, in: junge Welt vom 18. Dezember 2023, S. 9.)

Formularbeginn

Damit hinter den Zahlen die wirklichen Menschen deutlich werden, wollen wir hier die Schilderung der ehemaligen Obdachlosen Rachel Moran aus Irland wiedergeben. Rachel Moran wuchs in einer Familie mit psychisch kranken Eltern auf. Als der Vater Selbstmord beging, wurde für sie die Situation mit der Mutter unerträglich. Sie befreite sich 1989/90 mit 14 aus der Familie und geriet in die gefühlskalte Verwaltung des Sozialstaates und schließlich in die Obdachlosigkeit.

Sie schrieb später darüber: „Nur wenige Monate nach dem Selbstmord meines Vaters verließ ich mein Elternhaus. Die Paranoia meiner Mutter und ihr Hang, nach Sündenböcken zu suchen, hatten innerhalb weniger Wochen den Siedepunkt erreicht und konzentrierten sich voll auf mich. Sie bombardierte mich jeden einzelnen Tag mit Verbalattacken. Wenn wir uns heftig stritten, was andauernd der Fall war, spuckte sie regelmäßig den Hinweis aus, ich solle zu einem Sozialarbeiter gehen und mir ein Heim suchen. Je mehr ich über ihren Hinweis nachdachte, desto mehr leuchtete er mir ein. Mir graute davor, in die Welt hinauszugehen und mich allein durchzuschlagen, aber mein Leben zuhause war schlichtweg unerträglich, und ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte, also tat ich genau das, was sie mir nahelegte. Ich ging zum Gesundheitszentrum unseres Viertels und bat um ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter. Ich kam mir dabei sehr zielstrebig vor, so als würde ich mein Leben selbst in die Hand nehmen, sackte aber zusammen, als ich der Sozialarbeiterin unter Tränen erklärte, weshalb ich da war. Ich sagte immer wieder: ,Ich muss da raus, ich muss da endlich raus.ʻ Innerhalb einer Woche hatte sie mich tatsächlich da rausgeholt. Damit begann die schwindelerregende Erfahrung, unter staatlicher Vormundschaft zu leben.

Die erste Unterbringung, an die ich vermittelt wurde, war ein von der Heilsarmee betriebenes Heim im Stadtzentrum, das Lefroy House hieß. Im Laufe der darauffolgenden achtzehn Monate war ich immer wieder obdachlos, im Alter von vierzehn bis fünfzehneinhalb Jahren. Fast jedes Mal, wenn mein Aufenthalt in einem Heim oder in einer Pension endete, war ich wieder obdachlos. Zu Beginn meiner Phasen im äußersten Elend führte ich ein sehr einsames Leben, gab mich mit niemandem ab, ging auf niemanden zu, bat nicht um Hilfe und erhielt folglich auch keine.

Mal riss ich von Heimen aus, mal wurde ich rausgeworfen. Ich war nie gewalttätig, jedoch absolut unnachgiebig, wenn es um Regeln ging, denen ich mich nicht unterwerfen wollte. Ich war sehr willensstark und keineswegs auf den Mund gefallen. Trotz alledem kann ich einige Gründe nicht akzeptieren, die vorgebracht wurden, um mich vor die Tür zu setzen. Zu diesen Gründen gehörte, dass ich einmal mit nur einen Schuh an den Füßen ankam, weil ich kurz zuvor verprügelt worden war, oder dass man mich ein anderes Mal erwischte, in meinem Zimmer Tabletten in einem Glas gehortet zu haben, für den Fall, dass ich eventuell einmal Selbstmord begehen wollte. Ich hatte schon in meiner Kindheit Selbstmordgedanken gehabt. (…)

Der erste Schock, als ich obdachlos wurde, war die kontinuierliche, unablässige Notwendigkeit, ständig unterwegs zu sein. Die Suche nach Orten, an denen man einfach nur sein konnte, stellte ein weitaus größeres Problem dar, als ich es mir zuvor hätte träumen lassen. Nirgendwo, wo man hingeht, wird man in Ruhe gelassen. Diesen Luxus kann man nirgendwo erwarten, schließlich sind einem alle privaten Orte der Welt verschlossen, und alle öffentlichen Orte bieten keinerlei Privatsphäre. Viele der letzteren gewähren einem nicht einmal Zutritt.

Was das Problem betrifft, einen Platz zum Schlafen zu finden, so deckt buchstäblich nichts die Bedürfnisse ab, die selbst die mickrigste und schäbigste Bruchbude erfüllt. Kein einziger Platz bietet Trockenheit, Sicherheit, Sauberkeit, Wärme und einen Minimalkomfort. Eine Parkbank mag trocken sein, wenn es nicht regnet, sie mag sogar sauber sein, wenn man Glück hat, aber sie ist weder sicher noch warm, noch bequem. Eine Stelle unter einem Busch ist vielleicht trocken, falls man das Wetter auf seiner Seite hat, aber sie ist weder sicher noch sauber, noch warm, noch bequem.

Ich habe an vielen Plätzen dieser Art geschlafen und einer war so erbärmlich wie der andere. Einmal schlief ich in einem Bus, der in einem Depot mit offenen Türen abgestellt worden war. Als ich aufwachte, fuhr ich in den frühen Morgenstunden über die damals noch grünen Felder von Westdublin. Ich hatte keinen Schimmer, wo ich war, und es war ein unsanftes Erwachen, aber ich fand, dass es sich gelohnt hatte. Es war die bequemste Nacht seit Langem.

Einmal fiel ich für etwa eine halbe Stunde auf dem kalten Fliesenboden einer Toilette bei McDonaldʻs auf der OʻConnell Street in einen unruhigen Schlaf. Die Nacht zuvor hatte ich keinen Schlafplatz finden können und war zutiefst erschöpft, also ging ich zu McDonaldʻs, kaum, dass sie geöffnet hatten, um Egg McMuffins zum Frühstück zu verkaufen. Ich dachte, wenigstens auf der Toilette hätte ich einen sicheren Raum für mich. Ich wurde von einer Mitarbeiterin, die hereingekommen war, um die Toiletten zu reinigen, aus dem Schlaf gerissen und rausgeworfen. Das führt mich zur wahren und schlimmsten Verheerung, die die Obdachlosigkeit mit sich bringt: die Einsamkeit. Es ist die Erfahrung, dass man absolut unerwünscht ist, dass die eigene, bloße Anwesenheit an allen Orten und in allen Situationen ein unerquicklicher Umstand ist. Egal, wo man sich als obdachlose Person befindet, man ist immer unwillkommen. Wenn ein Mensch obdachlos ist, so sinkt sein gefühlter Wert für die Gesellschaft auf null. Er existiert nicht. Ihrem Selbstgefühl nach sind solche Menschen wertlos und missliebig, soziale Parias, Verstoßene, Außenseiter, deren bloßer Körper ein unerwünschter Störfaktor ist, den sie mit sich herumtragen müssen, wohin sie auch gehen. Sie sind im wortwörtlichsten Sinne unerwünscht. Sie sind die verkörperte Überflüssigkeit. Ich habe all diese Gefühle zu spüren bekommen, als ich obdachlos war. Das tun alle obdachlosen Menschen. Es ist unumgänglich.“ (Rachel Moran, Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution, Tectum Verlag, Marburg 2015, S. 63-68.)

Rachel Moran entkam der Obdachlosigkeit, indem sie mit 15 Jahren in die Prostitution geriet, aus der sie sich dann nach sieben Jahren ebenfalls befreite…

Aber Obdachlose sind nicht nur leidende Menschen, sie sind auch Teil des globalen proletarischen Klassenkampfes. Johannes Schulten schrieb 2009 über den Wohnungsnotstand, staatliche Repression und den sozialen Widerstand in Sao Paulo/Brasilien: „In der brasilianischen 20-Millionen-Metropole Sao Paulo herrscht akuter Wohnraumnotstand. Allein in Stadtkern mangelt es nach offiziellen Angaben an 600 000 Wohnungen. Städtische ,Aufwertungsprogrammeʻ trieben die Mieten in den letzten Jahren in die Höhe. Die Immobilienspekulation boomt. Während inzwischen sogar Mittelstandsfamilien ihre Stadtwohnungen nicht mehr bezahlen können und an die Peripherie übersiedeln, bleibt für die stetig wachsende Zahl der Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Schattenwirtschaft verdienen, häufig nur die Favela. Aber auch in den brasilianischen Slums wird der Platz knapp. Innerhalb der letzten 20 Jahre sind die städtischen Elendsviertel fünfmal schneller gewachsen als die gesamte Metropolenregion. In den etwa 1600 Favelas im Großraum Sao Paulo leben bis zu 1,2 Millionen Menschen.

Wo staatlicherseits wenig Abhilfe zu erwarten ist, gehen Obdachlosenorganisationen seit einigen Jahren dazu über, sich den benötigten Wohnraum einfach anzueignen. Gruppen wie die 1997 gegründete Bewegung obdachloser Arbeiter (MSTS), ein Ableger der Landlosenorganisation MST, verlassen die Favelas und besetzen nicht genutztes Land in den Vorstädten.

Eine dieser Siedlungen befindet sich im Viertel Capao Redondo im Süden von Sao Paulo. Vor zwei Jahren (2007) besetzten etwa 600 Familien hier nicht genutztes Privatgelände, dass sich im Besitz eines nationalen Busunternehmens befindet. Inzwischen ist die Zahl der Familien, die dort leben, auf über 800 angewachsen. Für die Stadtverwaltung gilt die Siedlung jedoch immer noch als illegal. Am vergangenen Montag (24. August 2009) war es dann soweit. Unter dem Einsatz von Tränengas und Blendgranaten stürmten etwa 250 Polizisten der brasilianischen Militärpolizei das Gelände. Die Bewohner verteidigten sich mit dem, was sie hatten: Es flogen Steine und Molotow-Cocktails; Autos, Reifen und Schrott dienten als Barrikaden. Nach sechs Stunden war das Spektakel vorbei, der Widerstand der rund 500 Verteidiger gebrochen. Die Bulldozer rollten ein. Einen Tag später, am Dienstag (25. August 2009) stand kein Haus mehr.

Wie sehr solche Aktionen zum Alltag in Brasilien gehören, zeigt die Reaktion eines Polizeikommandeurs. Auf die Journalistenfrage, ob die Räumung angesichts der Ausschreitungen nicht abgebrochen werden müsse, antwortete er lapidar: ,Ein wenig Widerstand ist für uns normalʻ. Einen Grund, die Aktion abzubrechen, sehe er nicht. Was bleibt, waren Dutzende verhaftete Favela-Bewohner, einige Verletzte. Am Mittwoch (26. August 2009) befanden sich nach Aussagen verschiedener Obdachlosenorganisationen immer noch 500 Familien auf dem Gelände. Einen Ort, wohin sie gehen könnten, haben sie nicht.“ (Johannes Schulten, Bulldozer statt Recht auf Wohnen, in der junge-Welt-Beilage faulheit & arbeit vom 29./30. August 2009, S. 5.)

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Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:05:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=724 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

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Neue Broschüre: Antinationale Schriften V https://swiderstand.blackblogs.org/2020/12/20/neue-broschure-antinationale-schriften-v/ Sun, 20 Dec 2020 01:05:38 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=306 Unsere neue Broschüre „Antinationale Schriften V“ (ca. 133 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Extreme RechtsnationalistInnen in heutigen Demokratien
1. Demokratische Nationen
2. Die Relativität von „extrem“ und „rechts“ im Nationalismus
3. Demokratisch-faschistische Sozialreaktion
4. Rechtsnationale Parteien in der BRD
5. Rechte Regierungen
6. Rechtsreaktionäre Straßenbewegungen
7. Rechtsnationalistischer Terror
8. Wie der linksbürgerliche Antifaschismus den Rechtsnationalismus stärkt
9. Revolutionärer Kampf gegen die Nation

Kritik des bürgerlichen Internationalismus
1. Der Internationalismus der Nationen
2. Der Imperialismus erkämpft das Menschenrecht
3. Das Völkerrecht als zwischenstaatliche Benimmregeln
4. Die Institutionalisierung des bürgerlichen Internationalismus: Die UNO
5. Politisch korrekter Multikulti-Internationalismus
6. „Proletarischer Internationalismus“ = bürgerlicher Linksnationalismus
7. Antinational-sozialrevolutionärer Universalismus

Der globale Konkurrenzkampf der Nationalismen (2018-2020)
I. Ökonomische Konkurrenz und Wirtschaftskriege
1. Freihandelskonkurrenz und Protektionismus
2. Wirtschaftskriege
3. Politisch motivierte Wirtschaftssanktionen
II. Politisch-diplomatische Konflikte und Propagandakriege
1. Imperialistische Einmischung in andere Nationen
2. Poltisch-diplomatische Auseinandersetzungen und Propagandakriege rund um
das Coronavirus
III. Aufrüstung, Säbelrasseln und Krieg
1. Wettrüsten und militärische Präsenz
2. Gewaltsame Grenzkonflikte
3. Aggressionen unterhalb der Schwelle eines offiziellen Krieges
4. Das Gemetzel in Syrien
5. Der Krieg in Libyen
6. Die Gewalt in Jemen
IV. Nationalstaatliche Konflikte im westlich-imperialistischen Bündnissystem
1. Auseinandersetzungen zwischen den USA und der EU
2. Konflikte innerhalb der NATO
3. Streitigkeiten in der EU
4. Der Austritt Großbritanniens aus der EU
V. Nationalistische Auseinandersetzungen innerhalb von Staaten beziehungsweise
besetzten Gebieten
1. Türkischer Rechtsnationalismus und kurdischer Linksnationalismus
2. Zionismus und palästinensischer Nationalismus
3. Nationalistischer Zank in Großbritannien

 

Die Relativität von „extrem“ und „rechts“ im Nationalismus

RechtsnationalistInnen vertreten das „extrem“, was die politische Mitte in „gemäßigt“-patriotischer Form zelebriert und viele „radikale Linke“ ausgliedern und auf bestimmte Staaten des Auslandes projizieren: Die Hingabe zur Nation. Die politische Mitte und die Linke bekämpfen die „extreme Rechte“ von nationaldemokratischen Positionen aus. Ökoliberale vertreten in Deutschland keinen „arisch-weißen“ Blut-und-Boden-Nationalismus, sondern einen demokratisch-antifaschistischen Verfassungspatriotismus. Mit „Nie wieder Auschwitz!“ auf den Lippen führte der erste grüne Außenminister der BRD, Joschka Fischer, 1999 die deutsche Nation in ihren ersten „richtigen“ Krieg nach 1945. Es ging gegen Serbien und um das nationale Selbstbestimmungsrecht des Kosovo auf einen eigenen Mafia-Staat. Das Führen dieses Krieges galt übrigens nicht als „extrem“. Und schon gar nicht war es „rechts“. Sondern das war die Wahrnehmung politischer Verantwortung für die Menschenrechte. Der Kriegsgegner wurde nicht rassistisch beleidigt, so etwas machen nur RechtsextremistInnen. Es wurde lediglich festgestellt, dass die regierenden Charaktermasken Serbiens irgendwie den deutschen Nazis von einst ähnelten. Der serbische Kriegsgegner war extrem nationalistisch! Aber die Grünen sind das doch nicht. Die wollen eine offene Welt – und treten offensiv für die Interessen der multikulturellen und sexualtoleranten deutschen Nation ein. Kriege führen für die Nation und kapitalistische Interessen, das haben ökoliberale VerfassungspatriotInnen – für das deutsche Grundgesetz, gegen Menschenrechtsverletzungen im Ausland! – nicht schlechter drauf als „extreme RechtsnationalistInnen“. Die Grünen sind da sogar einige Schritte voraus. Immerhin haben sie schon Kriege in staatlicher Verantwortung mitorganisiert, die AfD bisher noch nicht.

Wir haben weiter oben die demokratische Nation als staatliche Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Lohnarbeit beschrieben. Dieser dienen Grüne und SozialdemokratInnen nicht weniger patriotisch als die rechtsnationale AfD. Auch das „sozialistische“ Kuba ist eine solche Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Lohnarbeit. Das Proletariat wird jedoch auf Kuba noch vorwiegend vom „sozialistischen“ (= kapitalistischen) Staat ausgebeutet. Viele „radikale Linke“, die mit der deutschen Nation nicht so viel anfangen können, projizieren ihre heißen patriotischen Gefühle auf Kuba. Das nennen diese LinksnationalistInnen dann „proletarischen Internationalismus“ (siehe Kapitel 6 der Schrift Kritik des bürgerlichen Internationalismus).
Ökoliberale Grüne und kubaverliebte Linke sind also nicht weniger national als die Naziformationen NPD, „Die Rechte“ und „Der III. Weg“. Nur eben anders national. Von einem proletarisch-revolutionären Klassenstandpunkt aus sind allerdings die Unterschiede zwischen „gemäßigten PatriotInnen“ und „extremen RechtsnationalistInnen“ recht unerheblich. Beide binden das Proletariat an den Nationalstaat. Und der „proletarische Internationalismus“ des Marxismus-Leninismus ist nichts anderes als widerlicher Linksnationalismus! Die Übergänge zwischen „gemäßigt“ und „extrem“ sowie zwischen „rechts“, „mittig“ und „links“ sind im Nationalismus sehr fließend.
Auch wenn dies so ist, gibt es jedoch gewisse Unterschiede zwischen einem liberal-multikulturellen Verfassungspatriotismus, wie er von mittig-linken NationaldemokratInnen vertreten wird, und einem rassistisch durchsetzen Nationalismus. Ersterer integriert zum Beispiel „Afrodeutsche“ in die Nation, letztere grenzt sie rassistisch aus. Aber da die Nation als solche sozialreaktionär ist, ist es auch sowohl die Integration in diese als auch die Ausgrenzung aus dieser.

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Neue Broschüre: Kritik des Linksnationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2019/07/31/neue-broschuere-kritik-des-linksnationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2019/07/31/neue-broschuere-kritik-des-linksnationalismus/#respond Wed, 31 Jul 2019 08:17:16 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=162 Unsere neue Broschüre „Kritik des Linksnationalismus“ (ca. 126 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) auch als E-Book über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

1. Nationalkapitalistische Demokratien als politische Diktaturen

2. Nationalkapitalistischer „Sozialismus“

3. Globale Kooperation und Konkurrenz zwischen privat- und
staatskapitalistischen Nationen

4. Die mühsame Herausbildung des antinationalen Kommunismus

5. LinksdemokratInnen sind strukturelle NationalistInnen

6. Nationaldemokratischer Antifaschismus

7. Nationalkapitalistischer „Antiimperialismus“

8. Linksnationale Hetze gegen unsere migrantischen Klassengeschwister

9. „Weltoffenheit“ als politisch korrekter Nationalismus

10. EU-Patriotismus und nationale Austrittsbewegungen

Nationalkapitalistischer „Antiimperialismus“

Imperialismus ist die sozialökonomische, politisch-diplomatische, ideologisch-propagandistische und militärisch-kriegerische Expansion der Nationalkapitale und -staaten. Sozialrevolutionärer Antiimperialismus ist der konsequente Kampf gegen alle Nationalismen und für die globale klassen- und staatenlose Gesellschaft. Linksnationaler „Antiimperialismus“ ist dagegen die Unterstützung von Nationalismen, die noch keinen eigenen Staat hervorgebracht haben, wie der katalanische und der palästinensische, oder „progressiver Regierungen“ gegen den westlichen Imperialismus. Immer seitenverkehrt zum westlichen Imperialismus lehnen linksnationale „AntiimperialistInnen“ manchmal allerdings auch nationale „Befreiung“ ab. So verteidigten viele von ihnen in den 1990er Jahren Serbien/Jugoslawien gegen separatistische Nationalismen und den NATO-Krieg, während SozialrevolutionärInnen alle kriegführenden Seiten bekämpften.
Dieser linke „Antiimperialismus“ ist nicht „nur“ nationalkapitalistisch, sondern auch proimperialistisch. Er unterstützt Imperialismen gegen andere. So unterstützte der linksnationale Proimperialismus in der Vergangenheit die staatskapitalistische Sowjetunion und/oder das maoistische China. Der moskautreue Partei-„Kommunismus“ (D„K“P) verteidigte den sowjetischen Imperialismus von Anfang bis zum Ende. Die MaoistInnen der MLPD stehen hinter Moskau bis 1956, der „Entstalinisierung“ der UdSSR durch Chruschtschow, und hinter Peking bis zum Tod Maos. Die „K“PD/ML stellte sich hinter das staatskapitalistische Albanien, das 1960 mit Moskau und 1978 mit Peking brach und sich in Jugoslawien imperialistisch einmischte, indem es den kosovoalbanischen Nationalismus unterstützte. Gemeinsames Band der verfeindeten MarxistInnen-LeninistInnen ist es jedoch, die imperialistische Eroberung Osteuropas als Vorgarten des sowjetischen Imperialismus während des Zweiten Weltkrieges als antifaschistische Befreiung hochzujubeln. Und auch der Trotzkismus verteidigte „kritisch“ die „bürokratisch entarteten ArbeiterInnenstaaten“ gegen den privatkapitalistischen Imperialismus.
Doch während „radikalere“ MarxistInnen-LeninistInnen und TrotzkistInnen wenigstens den heutigen privatkapitalistischen russischen und chinesischen Imperialismus bekämpfen, sitzen D„K“P und junge Welt tief in den Arschlöchern der Moskauer und Pekinger Machthaber. Die widerliche junge Welt verteidigt sogar die blutige Niederschlagung der Studierendenbewegung – an deren Rande auch einige ArbeiterInnenaktivistInnen agierten – durch China im Juni 1989, die 421 Menschen das Leben kostete. Damals war die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus schon im vollen Gange, aber noch lange nicht beendet. Die Studierenden verlangten von den regierenden Partei-„KommunistInnen“ nicht nur „Marktwirtschaft“, sondern auch Demokratie als Staatsform. Die Auseinandersetzung war also eine innerhalb der proprivatkapitalistischen Sozialreaktion. SozialrevolutionärInnen hätten am Rande der Studierendenbewegung antikapitalistische Positionen vertreten müssen. (Siehe zu den damaligen Ereignissen: Nelke, Der chinesische Kapitalismus. 2. Teil. Von 1979 bis heute, Soziale Befreiung 2016, S. 77-82.)
Der Linksreaktionär Gerhard Feldbauer verteidigte in der jungen Welt vom 4. Juni 2019 das partei-„kommunistische“ Massaker an der prodemokratischen Studierendenbewegung. Seine „antiimperialistische“ Rechtfertigung der Blutorgie des chinesischen Imperialismus: „Hätte die chinesische Führung vor 30 Jahren der Konterrevolution nachgegeben, hätte das zu einem verheerenden Bürgerkrieg mit Millionen Toten führen können, der die Welt in unvorhersehbarer Weise destabilisiert hätte. Mit der Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und ihres eigenständigen Weges zu einer sozialistischen Gesellschaft hat die Volksrepublik auf dem Tiananmen-Platz (der Ort des Massakers, Anmerkung von Nelke) dieser brandgefährlichen Entwicklung auf internationaler Ebene Einhalt geboten. Auf dieser Grundlage ist sie heute ein Sicherheitsfaktor für Nordkorea, Verbündete bei der Verteidigung der Unabhängigkeit Kubas und Venezuelas sowie anderer Staaten in Lateinamerika, Afrika und Asien. Damit ist die Volksrepublik heute ein Hoffnungsträger, der den USA in ihren Weltherrschaftsstreben einen Riegel vorschiebt.“ (Gerhard Feldbauer, Es drohte ein Bürgerkrieg, in: junge Welt vom 4. Juni 2019, S. 6.) China, Kuba, Venezuela und deren „antiimperialistischer“ Schwanz sind Teil des nationalkapitalistischen Alptraums, Herr Feldbauer!
Diese linksnationalen ProimperialistInnen verteidigen oder verharmlosen auch die Annexion der Krim durch das Putin-Regime 2014 oder dessen militärische Unterstützung Syriens ab 2015. Besonders widerliche „AntiimperialistInnen“ nennen die Annexion der Krim durch Russland eine Befreiung. So gaben Ralf Rudolph und Uwe Markus im Jahre 2017 ein Buch heraus, was sie „Die Rettung der Krim“ nannten. Mit „Rettung“ war die imperialistische Annexion der Halbinsel durch Russland gemeint. Der jungen Welt gefiel das so gut, dass sie dieses proimperialistische Machwerk am 7. August 2017 mit einem Vorabdruck von Teilen daraus würdigten.
„Kritische“ FreundInnen des russischen Imperialismus raunen stattdessen, dass die Annexion der Krim „völkerrechtlich fragwürdig“ gewesen sei. Nun, das Völkerrecht als Sammelsurium zwischenstaatlicher Benimm-Regeln interessiert uns nicht die Bohne. Mit dem „Völkerrecht“ unter dem Arm den Imperialismus zu kritisieren überlassen wir kleinbürgerlichen IdealistInnen. Wir bekämpfen den kapitalistischen Imperialismus, weil er im Interesse der Bourgeoisie die ProletarierInnen im Frieden und Krieg gegeneinander aufhetzt. Große Teile des linksnationalen „Antiimperialismus“ bekämpfen dagegen nur den westlichen Imperialismus. Diese unterstützen den russischen und chinesischen Imperialismus als Feinde ihrer Feinde. Für diese Schwachmaten ist ein Imperialismus, der sich gegen den Westen richtet, ein „Antiimperialismus“. So schrieb der junge-Welt-Autor Reinhard Lauterbach mit Bezug auf Russland von einem „erzwungenen Antiimperialismus“. (Reinhard Lauterbach, Erzwungener Antiimperialismus, in: junge-Welt-Beilage XXIV. Internationale Rosa Luxemburg Konferenz vom 12./13. Januar 2019, S. 8/9.) Gemeint ist damit, dass die Offensive des westlichen Imperialismus gegen Russland, die besonders in der Ostausdehnung von EU und NATO zum Ausdruck kam, Russland zur Gegenoffensive veranlasste. Doch diese Gegenoffensive Russlands ist imperialistisch und eben kein „erzwungener Antiimperialismus“, Herr Lauterbach!
Sozialrevolutionärer Antiimperialismus kämpft auch nicht für Frieden zwischen den Nationalstaaten, sondern bereitet den möglichen proletarischen Klassenkrieg gegen diese vor. Der bürgerliche Frieden ist lediglich der nichtmilitärische Konkurrenzkampf zwischen den Nationen und absolut asozial-gewalttätig. Er ist eine besondere Form des kapitalistischen Klassenkrieges gegen das Proletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – immer auf Kosten des Proletariats. Und zu diesem Pack, zur linken Fraktion des Kapitals, gehört auch die D„K“P. Diese forderte im Wahlkampf zum Europaparlament 2019 „Frieden mit Russland!“ Doch der Frieden unserer Ausbeuter ist der gemeinsame Klassenkrieg gegen uns! Der reaktionäre Nationalpazifismus der D„K“P ist nur die andere Seite der Medaille des linksnationalen Militarismus, mit dem Kriege angeblich „fortschrittlicher“ Staaten unterstützt werden.

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Neue Broschüre: Zionismus und arabischer Nationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/#respond Mon, 04 May 2015 07:48:21 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=104 Unsere neue Broschüre: „Zionismus und arabischer Nationalismus“ (ca. 121 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

 

Inhalt

Einleitung

I. Europäischer Antijudaismus, Zionismus und palästinensischer Nationalismus vor 1948
1. Von der relativen Assimilation der Juden in Westeuropa zum massenmörderischen Antijudaismus
2. Die Symbiose aus Antijudaismus und Zionismus
3. Osmanisches Reich, britischer Imperialismus, Zionismus, palästinensischer Nationalismus und Faschismus
4. Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg

II Israel, der palästinensische Nationalismus und arabische Staaten
1. Der Krieg von 1948/49
2. Der Sechstage-Krieg von 1967
3. Der Krieg von 1973
4. Die Formierung des modernen palästinensischen Nationalismus
5. Der globale Krieg zwischen Israel und dem palästinensischen Exil-Nationalismus
6. Israel und die Besetzten Palästinensischen Gebiete (BPG)
7. Israel, die PLO und Jordanien
8. Israel, der palästinensische Nationalismus und Ägypten
9. Israel, die PLO und der Libanon
10. Israel, der palästinensische Nationalismus und Syrien

III Der sozialreaktionäre Charakter Israels
1. Auschwitz und Israel
2. Israel, das Judentum, der nichtjüdische Prozionismus und der Antijudaismus
3. Israel als eigenwilliger Wachhund des US-Imperialismus
4. Die Vermehrung des israelischen Nationalkapitals
5. Die israelische Apartheid-Demokratie

IV Die sozialrevolutionäre Nullstaatenlösung
1. Die mögliche Formierung des Weltproletariats zum revolutionären Subjekt
2. Die revolutionäre Zerschlagung aller Nationalismen

Von der relativen Assimilation der Juden in Westeuropa zum massenmörderischen Antijudaismus

Das alte Judentum war ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk, deren sozialökonomische Basis sich in der jüdischen Religion ideologisch spiegelte. So wie auch der evangelische Protestantismus – besonders der Calvinismus – die sozialpsychologischen Bedürfnisse der christlichen Bourgeoisie befriedigte. Was war die Funktion von vorindustriekapitalistischen Handelsvölkern wie den Juden? Sie verkörperten bis zum 11. Jahrhundert den verselbständigten Tauschwert, das Geld, in einer Agrargesellschaft, die noch weitgehend von der Naturalproduktion beherrscht war. Im europäischen Feudalismus spielte in der Landwirtschaft das Geld keine Rolle. Die BäuerInnen produzierten fast alles selbst was sie brauchten und die Abgaben an die Feudalherren wurden auch in Form von Naturalabgaben geleistet. Die Feudalherren brauchten allerdings Geld zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach orientalischen Luxusgütern. Hier kam das Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk ins Spiel. Es handelte mit Luxusgütern und stellte den Feudalherren durch Wucher Geld zur Verfügung.
Den Christen war es von der Kirche verboten Zins zu nehmen. So betrieben oft Juden im Auftrag und im Interesse der Feudalherren Finanzgeschäfte. Dafür wurden die Juden oft zum Sündenbock für die Misswirtschaft. Das feudale System wusch sich rein, indem es auf den schmutzigen Juden verwies. Die Judenverfolgung hatte auch damals schon – trotz der irrationalen Ideologie, die sie produzierte – einen rationalen, die Herrschaft sichernden Kern. In der ständischen Gesellschaft des Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk verrechtlicht und zementiert.
Im Gegensatz zu einer Verschwörungslegende des Antijudaismus waren die Juden eben nicht die „ErfinderInnen“ des modernen europäischen Kapitalismus, sondern sie wurden im Gegenteil mit der Herausbildung einer christlichen Handels- , Finanz- und schließlich Industriebourgeoisie ziemlich an den Rand gedrängt und Verfolgungen sowie Vertreibungen ausgesetzt. Zuerst wurden die Juden von einer ab dem 11. Jahrhundert entstehenden christlichen Handelsbourgeoisie aus dem Handel verdrängt. Es blieb ihnen oft nur noch das Wuchergeschäft. Der Antijudaismus ist eine extrem ideologisch verzerrte Widerspiegelung der Tatsachen, dass die Juden durch ihr Handelsmonopol bis zum 11. Jahrhundert den Tauschwert in einer noch vorwiegend von der Naturalwirtschaft geprägten Gesellschaft verkörperten und dann, als das Geld immer stärker den Feudalismus aushöhlte und zerstörte, von einer christlichen Handelsbourgeoisie immer mehr in den Wucher verdrängt wurden. Aber im modernen Kapitalismus verkörpern die Juden nicht mehr und nicht weniger das Geld als alle anderen Sprach-, Religions- und Kulturgemeinschaften auch.
In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden ab dem 12. Jahrhundert aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. Die jüdische Religionsgemeinschaft wurde immer stärker von der anderen Bevölkerung isoliert. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto). So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken jüdischen Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen. Joachim Kahl bemerkt zu Recht: „So umfassend wurden die Juden ausgerottet, dass die Katastrophe dieser Jahre auf faschistische Pogrome unter Hitler vorausweist.“ (Joachim Kahl, Das Elend des Christentums, Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg, 1968/1993 S. 48.)
Mit der Entwicklung des Industriekapitalismus und der Entstehung moderner demokratischer Rechtsstaaten als den effektivsten politischen Formen der sozialen Diktatur des Kapitals in Westeuropa, bestand für die Juden Westeuropas immer stärker sowohl die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit sich als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk aufzuheben und sich in die entstehenden Nationalstaaten zu assimilieren. Bei einer geglückten Assimilation würden die Juden sich sozial in die drei Hauptklassen Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat spalten und als Religions- und Kulturgemeinschaft die Religionsfreiheit genießen. Die Juden würden sich durch den Nationalismus in erster Linie als FranzösInnen, EngländerInnen, Deutsche usw. fühlen, und ihr Judentum wäre wie jede Religion Privatsache. Diese Assimilation war auch im 19. Jahrhundert in Westeuropa relativ erfolgreich. Doch diese relative Assimilation war auch in Westeuropa immer wieder durch mal stärkere und mal schwächere Schübe des Antijudaismus geprägt. Besonders das KleinbürgerInnentum – aber auch Teile des Proletariats und der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – waren durchaus anfällig gegenüber dieser chauvinistischen Ideologie.
In Osteuropa –besonders im zaristischen Russland – war der Kapitalismus zu schwach entwickelt, um das Judentum zu assimilieren. Der Kapitalismus war zwar auch dort Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts schon so stark, dass es massenhaft das jüdische Kleinhandwerk ruinierte, aber eben zu schwach, um das ruinierte jüdische KleinbürgerInnentum vollständig in ein Proletariat transformieren zu können. Das erzeugte in der jüdischen Bevölkerung –besonders im russisch annektierten Teil Polens – eine große Arbeitslosigkeit und ein für das Kapital unproduktives Elend. Zwar entwickelte sich auch ein jüdisches Proletariat, doch das wurde vorwiegend im zugrunde gehenden jüdischen Kleinhandwerk ausgebeutet. Im russisch annektierten Teil Polens verboten die polnischen Berufsgewerkschaften bis zum Sturz des Zarismus den jüdischen ProletarierInnen die Arbeit in der Industrie. Der überlebte Zarismus versuchte sich zu erhalten, indem er die soziale Wut – besonders der BäuerInnen –auf die Juden lenkte. Die Organisation bzw. Duldung antijüdischer Pogrome hatte für den russischen Zarismus eine herrschaftsstabilisierende Funktion. Er schürte auch die antijüdische Verschwörungsideologie nach Leibeskräften und produzierte das antijüdische Machwerk Protokolle der Weisen von Zion. Diese Hetzschrift gehörte international zur Lieblingslektüre aller Judenhasser, unter ihnen auch Adolf Hitler.
Die Nichtintegration der Juden im ökonomisch unterentwickelten Osteuropa hatte drei Folgen: Die Emigration nach Westeuropa, in die USA und nach Palästina, die Entstehung einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die Entwicklung des jüdischen Nationalismus, des Zionismus. Mit den beiden letztgenannten Folgen werden wir uns in den folgenden Kapiteln dieses Teiles auseinandersetzen. Hier wollen wir uns mit der Emigration osteuropäischer Juden und Jüdinnen nach Westeuropa und dem Anwachsen des Antijudaismus als chauvinistischer Reaktion auf die osteuropäisch-jüdische Migration beschäftigen. Die Ankunft jüdischer MigrantInnen aus Osteuropa stärkte auch in Westeuropa den Antijudaismus als reaktionäre chauvinistische Konkurrenzideologie. Mehrere europäische Nationalstaaten versuchten die jüdische Emigration gesetzlich einzuschränken. So erließ Großbritannien 1905 das berüchtigte Fremdengesetz, mit dem den osteuropäischen Juden und Jüdinnen die Migration auf die Insel verunmöglicht wurde.
Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand aus der Nichtassimilation der Juden und Jüdinnen durch den noch schwachen osteuropäischen Kapitalismus und die Rückgängigmachung der relativen Assimilation durch den deutschen Krisenkapitalismus in seiner NS-faschistischen Form und schließlich im antijüdischen Massenmord. Die relative Assimilation der Juden in Westeuropa im 19. Jahrhundert beruhte auf der beschleunigten Kapitalvermehrung. Doch diese beschleunigte Kapitalvermehrung geriet ab 1914 in die strukturelle Profitproduktionskrise. Diese war in erster Linie ein Ausdruck des tendenziellen Falles der Profitrate, dem Verhältnis zwischen den Kosten der kapitalistischen Produktion (Produktionsmittel- und Lohnkosten) und ihren Gewinnen. Diese Profitrate fällt tendenziell durch zwei gesellschaftliche Prozesse. Der eine Prozess ist die zunehmende Mechanisierung und Automatisierung der kapitalistischen Produktionsweise, bei der immer mehr Funktionen der menschlichen Arbeitskräfte (ProletarierInnen, menschliches produktives Kapital) zur Funktion der Maschinerie (sachliches produktives Kapital) werden. Dadurch steigen tendenziell die Produktionsmittelkosten schneller und stärker an als die Gewinne. Die Folge ist ein tendenzieller Fall des Verhältnisses zwischen den Kosten der kapitalistischen Produktion und ihren Gewinnen (Profitrate). Diesem Fall der Profitrate können die KapitalistInnen entgegenwirken, indem sie die Ausbeutungsrate (Mehrwertrate) als Verhältnis zwischen den Lohnkosten und dem vom Proletariat erzeugten Mehrwert, den sich die Bourgeoisie aneignet, erhöhen. In der selbstreproduktiven Arbeitszeit erzeugt das Proletariat einen Wert, der den Lohnkosten entspricht, während es in der Mehrarbeitszeit den Gewinn für das Kapital produziert. Der Kampf um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, also der reproduktive Klassenkampf des Proletariats im Rahmen des Kapitalismus, lässt die Mehrwertrate und damit auch die Profitrate sinken. Die KapitalistInnen müssen durch das Senken des Reallohnes sowie durch Arbeitsverdichtung oder unbezahlte Arbeitsverlängerung danach streben, die Mehrwertrate zu erhöhen, die wichtigste Gegentendenz zum Fall der Profitrate. Die strukturelle Profitproduktionskrise führt also zur Verschärfung des Klassenkampfes.
Während die Erhöhung der Ausbeutung des Proletariats die wichtigste Gegentendenz zum tendenziellen Fall der Profitrate darstellt, ist die Erhöhung der Profitmasse bei einer fallenden Profitrate eine wichtige Kompensation. Größere Kapitale erzielen eine größere Profitmasse. Neben dem einfachen Wachstum der Kapitale, führt das Schlucken von kleinerem und kriselndem Kapital durch größeres und ökonomisch potenteres Kapital zur weiteren Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Gerät der Kapitalismus in eine strukturelle Profitproduktionskrise, verschärft sich also der Konkurrenzkampf enorm. Sowohl zwischen KapitalistInnen und KleinbürgerInnen innerhalb der einzelnen Nationalkapitale/Nationalstaaten als auch die imperialistische Konkurrenz zwischen den letztgenannten. Und damit laden sich auch alle chauvinistischen Konkurrenzideologien wie Nationalismus, Rassismus und Antijudaismus auf. Konkurrenz gibt es nicht nur zwischen KapitalistInnen und KleinbürgerInnen, sondern auch zwischen ProletarierInnen auf dem Arbeitsmarkt. Der permanente Konkurrenzkampf innerhalb des Kapitalismus, wozu auch der imperialistische Krieg zwischen Staaten gehört, ist potenziell und tendenziell massenmörderisch und entfesselte während der strukturellen Profitproduktionskrise zwischen 1914 und 1945 seine bisher gewaltigste zivilisationsbarbarische Zerstörungskraft. Dazu gehören die beiden von Deutschland begonnenen Weltkriege, die aber auch von Seiten aller seiner Feinde – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – imperialistisch-reaktionäre Kriege waren, der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden durch den deutschen NS-Faschismus und das atomare Massaker des US-Imperialismus in Japan. Beide Weltkriege waren vor allem ein ultrabrutaler Klassenkampf von oben, bei denen sich die ProletarierInnen zum Wohle des Weltkapitalismus gegeneinander massakrierten. Diese Tatsache zu verschleiern, ist bis auf den heutigen Tag das dreckige Geschäft von Neofaschismus und einem großen Teil des Antifaschismus, der sich auf die Seite der imperialistischen Kriegsgegner des NS-Faschismus stellt. Wer Hiroshima und Auschwitz gegeneinander in Stellung bringt und so relativiert, dem gehört das Maul gestopft!
Sowohl die beschleunigte Kapitalvermehrung als auch die strukturelle Profitproduktionskrise sind durch die Konjunkturzyklen geprägt (Aufschwung und Krise). Allerdings sind in der strukturellen Profitproduktionskrise die Aufschwünge weniger expansiv, dafür aber die Krisen häufiger und tiefer. Der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus gerieten ab 1914 in die strukturelle Profitproduktionskrise, die in einer Konjunkturkrise zum Ausdruck kam. Der Erste Weltkrieg war für das globale Rüstungskapital ein gefundenes Fressen und bescherte dem US-Nationalkapital ein Extraaufschwung, während Europa in Blut und organisiertem Chaos versank. Der Krieg führte zur Verschärfung des Klassenkampfes, der in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) mündete, die jedoch der globale Kapitalismus konterrevolutionär löste – dazu gehörte auch der bolschewistische Staatskapitalismus in „Sowjet“-Russland, welcher 1921 die Kronstädter Matrosen als Avantgarde der Revolution massakrierte. Zwischen 1923 und 1929 stabilisierten sich der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus etwas – um dann 1929 in der Weltwirtschaftskrise zu landen.
Diese Krise machte in Deutschland den NS-Faschismus als kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung im Interesse der Bourgeoisie groß. Der NS-Faschismus war Fleisch vom Fleische des deutschen KleinbürgerInnentums, das durch die Weltwirtschaftskrise massenhaft ruiniert wurde. Die ruinierten KleinbürgerInnen konnten nicht in der ArbeiterInnenklasse aufgehen, da diese selbst unter der Massenarbeitslosigkeit litt. Der Antijudaismus der Nazis entsprach den sozialökonomischen und sozialpsychologischen Bedürfnissen der von der Krise bedrohten KleinbürgerInnen. Wenn jemand vernichtet werden sollte, dann nicht sie, sondern die jüdische Konkurrenz! Kauft nicht bei Juden, sondern bei braven „arischen“ Deutschen! Die KleinbürgerInnen projizierten massenhaft ihren ganzen Hass auf die Juden, ihre eigene Geldgier auf die „Geldjuden“, ihre Angst und Abscheu vor dem klassenkämpferischen Proletariat in den „jüdischen Bolschewismus“, ihre Enttäuschung in die Weimarer „Judenrepublik“ – die sie nicht retten wollte oder konnte – und das angeblich „jüdische“ Bankkapital, bei dem sie massenhaft verschuldet waren.
Keine Klasse beherrscht die Kapitalvermehrung, auch die KapitalistInnen werden von ihr beherrscht. Sie werden vom Aufschwung emporgehoben – und dann in die Krise geschleudert. Für die KleinbürgerInnen fällt die Höhe des Aufschwunges wesentlich niedriger, dafür aber der Fall umso tiefer aus. Von der sozialökonomischen und psychologischen Vernichtung bedroht, wollen sie überleben, indem sie andere vernichten. Eine Zwischenstellung zwischen dem Großkapital, dass es besonders in der Krise massenhaft ruiniert, und dem Proletariat, das es embryonal ausbeutet, einnehmend, lief das KleinbürgerInnentum während der Weltwirtschaftskrise in Deutschland im Interesse der Bourgeoisie antijüdisch und antikommunistisch Amok und machte den NS-Faschismus zu einer Massenbewegung. Als die deutsche Bourgeoisie 1933 den Nazis die politische Macht übergab wurde ihr Antijudaismus zur massenmörderischen Gewalt. Der Antijudaismus wurde wie die Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg und die Zerschlagung der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung (Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Partei-„Kommunismus“) zur völkischen Krisenlösungsstrategie der Nazis. Indem die Bourgeoisie ihre Herrschaftsform von der Demokratie zum NS-Faschismus transformierte, entwickelte sich der NS-Faschismus aus einer kleinbürgerlichen Massenbewegung in eine großbürgerliche politische Strömung.
Beim staatlichen Antijudaismus der Nazis verschmolz die kalte technokratische Rationalität der Kapitalvermehrung mit einer überfanatischen irrationalen Vernichtungsideologie und gipfelte schließlich im kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden. Die Verdrängung der Juden und Jüdinnen durch den NS-Staat aus Wirtschaft, Politik und Kultur, eröffnete neue Karrieren für „arische“ Deutsche, besonders für überzeugte Nazis. Die jüdische Bourgeoisie wurde im Interesse ihrer „arischen“ Konkurrenz enteignet, wodurch die Konzentration und Zentralisation des Kapitals zunahm. So schufen die Nazis massenhaft für das Kapital unproduktive jüdische Armut. Der Kapitalismus vernichtete und vernichtet massenhaft unproduktive Armut, indem er die Armen mehr oder weniger sich selbst überlässt. Ein monströser Massenmord! Die modernen Sozialstaaten in den kapitalistischen Metropolen mildern den Terror gegen das nichtlohnarbeitende Proletariat etwas ab – aber nur SozialdemokratInnen kommen auf die Idee, die Tatsache, dass die entwickelten kapitalistischen Staaten ihre Armen nicht mehr massenhaft verhungern und erfrieren, sondern sie auf niedrigem Niveau dahinvegetieren lassen, als „zivilisatorische Errungenschaft“ zu feiern. Doch die Nazis waren keine SozialdemokratInnen, sie waren konsequente SozialdarwinistInnen. Nachdem sie den Jüdinnen und Juden die sozialökonomische Grundlage ihrer Existenz genommen hatten, vernichteten sie sie physisch. Die Nazis waren die ultrafanatischen Übertreiber jenes kapitalistischen Sozialdarwinismus, der sonst die Menschen durch die unsichtbare Hand des Marktes tötete und noch immer tötet.
Die physische Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden begann mit dem Zweiten Weltkrieg. Das hatte sehr viel mit der ultrafanatisch-antijüdischen ideologischen Verklärung dieses imperialistischen Gemetzels durch die Nazis zu tun. Für diese stellte der Zweite Weltkrieg ein Endkampf zwischen „arischen Herrenmenschen“ und „jüdischen Untermenschen“ dar, wodurch die sozialökonomische Basis des Blutbades als militärischer Konkurrenzkampf zwischen imperialistischen Staaten extrem ideologisch verschleiert wurde. Als diese extrem irrationale Ideologie zur massenmörderischen Gewalt wurde, überlagerte sie auch den rationalen Zweck des Krieges, nämlich die konkurrierenden Staaten militärisch zu besiegen. Deportationszüge mit europäischen Juden in die Vernichtungsstätten erhielten Vorrang gegenüber militärischen Transporten.
Beim kapitalistisch-industriellen Massenmord verschmolz die Rationalität der Kapitalvermehrung untrennbar mit der massenmörderischen Irrationalität des fanatischen Judenhasses. Einige Juden wurden von der SS an das deutsche Kapital (z.B. Krupp) als SklavInnen verkauft, wo das „Judenmaterial“ zu Tode gearbeitet wurde. Aus Geld muss mehr Geld gemacht werden! Dass ist der massenmörderische kategorische Imperativ des Kapitals. Und wenn noch so viele Menschen sterben müssen! Wer zählt die Millionen SklavInnen und LohnarbeiterInnen, die das Kapital in seiner Geschichte weltweit zu tote gearbeitet hat?! Nein, der Massenmord des deutschen NS-Faschismus war kein Zivilisationsbruch, er war der bisher extremste Ausdruck der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei.
Auschwitz als Zivilisationsbruch zu bezeichnen, heißt davon zu abstrahieren, dass sich das Kapital nur durch die Auftürmung von Leichenbergen vermehrte und vermehrt. In der Fabrik und auf den Schlachtfeldern unzähliger Kriege wurden in der Geschichte Millionen Menschen zum Wohle der Kapitalvermehrung umgebracht. In einer Geschichte voller Gemetzel ist das größte Gemetzel kein Zivilisationsbruch! Außerdem ist das Gerede vom „Zivilisationsbruch“ extrem eurozentristisch. Im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) wurden zum Wohle der europäisch-weißen kapitalistischen Zivilisation Menschen nichtweißer Hautfarbe massenhaft massakriert. Die IndianerInnen Nordamerikas wurden fast ausgerottet. Die Nazis haben ihren Massenmord mitten in Europa organisiert, das war das Neue. Außerdem nutzten sie für ihre Mordorgie die modernen kapitalistischen Produktivkräfte, die immer auch Zerstörungskräfte gegen das arbeitende Proletariat und die Natur waren und sind. Diesen Zusammenhang soll das moralisierende Gerede über den angeblichen „Zivilisationsbruch“ verschleiern. Der klebrige Moralismus dient auch hier der Verteidigung der alltäglichen kapitalistischen Zivilisationsbarbarei und seiner technokratischen Todesfabrikation.
Doch die materialistische Geschichtsbetrachtung zieht den moralisierenden Schleier, den die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz über den kapitalistisch-industriellen Massenmord als untrennbaren Teil ihrer Vergangenheit legt, erbarmungslos beiseite. Im Gegensatz zu vielen linken KleinbürgerInnen, die sich formal zum Marxismus bekennen, aber zu moralisieren anfangen wenn es richtig wehtut, halten wir gegen das unerträgliche bürgerliche Geschwätz, dass Auschwitz nicht erklärbar sei, daran fest, dass die materialistische Geschichtsbetrachtung auch den kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden erklären kann und muss. Die bürgerlich-idealistische Verklärung und Mythologisierung von Auschwitz dient nur der Bourgeoisie. Das Proletariat braucht Klarheit über die kapitalistische Welt, in der es schuftet, leidet und stirbt – aber eben auch lebt, liebt, lacht und kämpft!
Auschwitz verkörpert auf ideologisch extrem verzerrte Weise den Konkurrenz- und Klassenkampf von oben in einer der krisenhaftesten Zeiten des Kapitalismus, der seine Zivilisationsbarbarei extrem verschärfte, und in Deutschland in NS-faschistischer Form zugleich rational-technokratisch-kalt und irrational-ideologisch durchdrehend die Krise zu lösen versuchte. Durch den Judenhass wurde der Konkurrenzkampf auf völkisch-rassistische Art und Weise gelöst, eine für das Kapital unproduktive jüdische Armut geschaffen und diese technokratisch vernichtet, woran auch das Kapital verdiente. Und nicht nur das Kapital. Nach der Deportation der deutschen Jüdinnen und Juden wurden ihre Haushalte versteigert. An den Versteigerungen nahmen Menschen aller Klassen und Schichten teil. So stärkte sich die „Volksgemeinschaft“ als Scheinrealität und realer Schein durch den rassistischen Ausschluss der Juden als Beutegemeinschaft der Aasgeier. Es darf aber nicht vergessen werden, dass es auch im NS-Faschismus vor dem Zweiten Weltkrieg den Klassenkampf deutscher ArbeiterInnen gab (siehe dazu Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf, in: Schriften zum Klassenkampf III, Soziale Befreiung, Nürnberg 2014, S. 71-78.) Der NS-Antijudaismus stärkte schon während der Weimarer Republik den Kapitalismus ideologisch, indem er den „arischen schaffenden“ Industriekapitalismus gegen das „raffende jüdische Finanzkapital“ ausspielte.
Im Zweiten Weltkrieg triumphierte global der Klassenkampf von oben gegen das Proletariat. Das Proletariat tötete und wurde getötet im Interesse der einzelnen Nationalstaaten, die ihren blutigen Konkurrenzkampf ausfochten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden war Teil des imperialistischen Gemetzels. Der antifaschistische Imperialismus der staatskapitalistischen Sowjetunion und der privatkapitalistischen Demokratien machte vor dem Gemetzel seine Geschäfte mit dem NS-Faschismus auf Kosten des Proletariats, so wie er nach dessen Beginn seinen militärischen Konkurrenzkampf gegen die Nazis zum Leidwesen der proletarisierten und kleinbürgerlichen Menschen ausgefochten hatte. Die imperialistischen Demokratien bombardierten deutsche ZivilistInnen, aber nicht die antijüdischen faschistischen Massenmordzentren.
Auch der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden verkörperte nicht nur auf die Art und Weise den ideologisch extrem verzerrten Klassenkampf von oben, indem er das von den Nazis völkisch-technokratisch geschaffene unproduktive jüdische Elend sehr zum Vorteil einiger Privatkapitale auslöschte. Die Nazis projizierten auch ihren nationalistischen Hass auf den „proletarischen Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung auf das gesamte Judentum. Der „proletarische Internationalismus“ war und ist stark beschränkt, weil er nicht konsequent den kapitalistischen Nationalismus hinter sich lässt. Deshalb ist er aus antinational-sozialrevolutionärer Sicht scharf zu kritisieren (siehe dazu die Kapitel I.2 und IV.2). Aber es muss auch bedacht werden, dass der „proletarische Internationalismus“ für viele jüdische ArbeiterInnen und Intellektuelle (Rosa Luxemburg, Karl Radek, Leo Trotzki…) in Osteuropa eine relativ progressive Form war, mit der sie ihre Nichtassimilation und den blutigen Antijudaismus verarbeiten konnten, ohne jüdische NationalistInnen (ZionistInnen) zu werden. Die Nazis projizierten ihren leidenschaftlich-krankhaften Hass gegen den proletarischen Internationalismus auf alle Juden, von denen viele in Westeuropa sich leidenschaftlich-reaktionär zu den Nationen bekannten, in denen sie lebten, oder jüdische NationalistInnen/ ZionistInnen waren. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch ideologisch extrem verzerrt gegen den proletarischen Internationalismus.

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Individualismus und Nationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2014/06/22/individualismus-und-nationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/06/22/individualismus-und-nationalismus/#respond Sun, 22 Jun 2014 21:46:28 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=89 fifa

Das kleinbürgerliche Subjekt flieht gewohnheitsmäßig aus der realen individuellen Einsamkeit ideologisch in die „nationale Gemeinschaft“. Doch diese individuelle Flucht in die „nationale Gemeinschaft“ kann nur eine illusorische sein, da die Nation nichts anderes als die über die Ware-Geld-Beziehung und den Staat hergestellte indirekte Vergesellschaftung von atomisierten Konkurrenzindividuen ist. So funktioniert der Nationalismus sozialpsychologisch wie eine Droge: als Flucht aus der Realität. Sehr „schön“ ist das bei internationalen Sportevents zu beobachten, wenn verdammt viele atomisierte Konkurrenzindividuen dem sportlichen Sieg „ihrer“ Nation entgegenfiebern. Fast die gesamte Nation badet im Meer von Nationalfahnen. Da wird auch schon mal das kleinfamiliäre Wohnzimmer verlassen, um gemeinschaftlich Sieg oder Niederlage der Nation zu erleben. Wildfremde Menschen, die sich sonst mit dem Arsch nicht angucken, fallen sich in die Arme… Ganz so spontan ist das Ganze nicht. Privatkapitalistische und staatliche Medien schüren aus Leibeskräften diese nationale Besoffenheit. Auch harmlos ist es nicht. Es ist nie harmlos, wenn bürgerliche Konkurrenzindividuen in die reale Scheingemeinschaft der Nation flüchten.
In der Realität bleiben die in die Scheinrealität und den realen Schein der Nation flüchtenden Individuen atomisierte Marktsubjekte. Viele „helfen“ sich dadurch, dass sie noch stärker zur Droge Nationalismus greifen. Da die Nation eine reale Scheingemeinschaft atomisierter Marktsubjekte ist, brauchen sowohl die Nationen als auch die über diese nur indirekt vergesellschafteten Konkurrenzindividuen dringend „Feinde“. Denn nichts schweißt so sehr zusammen wie gemeinsame Feinde. Auch reale Kampfgemeinschaften, wie zum Beispiel das klassenkämpferische Proletariat, werden durch reale Feinde – in diesem Fall der kapitalistische Klassenfeind –zusammengehalten. Wenn jedoch kleinbürgerliche und proletarische Individuen zur Droge Nationalismus greifen, um aus der Realität zu flüchten, haben sie es meistens nicht real mit wirklichen Feinden zu tun, sondern mit den „Feinden“ der „Nation“. Wenn bürgerliche Konkurrenzindividuen in die Scheingemeinschaft der Nation flüchten, tun sie das nicht gerade selten auf sadistische Weise. Sie lassen sich vom Staat und dem Chef auf der Arbeit verdammt viel gefallen. Da entsteht verdammt viel Frust. Dieser wird dann auf die „AusländerInnen“, „linke Chaoten“ und „Sozialschmarotzer“ kanalisiert. Dieses sadistische Abreagieren an den „Feinden der Nation“ erfolgt sowohl in Stammtischreden als auch in aktiver Form des neofaschistisch-rassistischen Straßenterrors.
Auch politisch linke Individuen flüchten in die Scheingemeinschaft der Nation. Dabei bleiben die linken KleinbürgerInnen natürlich immer politisch korrekt und antifaschistisch, aber auch der politisch-korrekte und antifaschistische Nationalismus ist als eine Durchsetzungsform des Kapitalismus sozialreaktionär. So konnten in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts bis 1989 westdeutsche Linksintellektuelle ihre Ideologie auf die staatskapitalistische und antifaschistische DDR projizieren und ideelle BürgerInnen des „besseren Deutschland“ werden. Jene LinksbürgerInnen, die die DDR und Sowjetunion nicht so toll fanden, flüchteten halt ideologisch in andere staatskapitalistische Nationen wie Jugoslawien, China oder Albanien. Auch die Flucht linksbürgerlicher Individuen in andere staatskapitalistische Nationen verlief nicht ohne sadistische Reflexe, die sich gegen die kleinbürgerlich-proletarische Bevölkerung der staatskapitalistischen Nationen richteten, die sich gegen diese Staaten wehrten. Als die kleinbürgerlich-proletarische Bevölkerung der DDR die Schnauze voll vom „Sozialismus“ hatten und ihn mehrheitlich – mit mehr oder weniger proprivatkapitalistischen Illusionen beladen – den Rücken zukehrten, entlud sich viel Verachtung der westdeutschen Linksintellektuellen auf die ostdeutsche Bevölkerung, die „für ein paar Bananen“ den „Sozialismus“ und Antifaschismus verrieten.
Der Anschluss der DDR an die BRD brachte auch das linke „Antideutschtum“ hervor. Diese Ideologie ist geradezu ein Paradebeispiel für nationalen Sadomasochismus. Die hochmoralischen „antideutschen“ Konkurrenzindividuen leiden ja so schrecklich-genussvoll an Deutschland. Doch auch sie sehnen sich nach nationaler Nestwärme, wie fast alle kleinbürgerlichen Marktsubjekte. Aber die deutsche Nation ist viel zu schmutzig für die „antideutschen“ Edelmenschen, also flüchten sie ideologisch in die zionistische Edelnation, nach Israel. So wie die ideologischen Absonderungen des Antijudaismus nichts über die Juden sagt, aber alles über den Antijudaismus, ist es auch mit dem „antideutschen“ Prozionismus. Die „Antideutschen“ projizieren ihren Sadismus auf den Staat Israel und die massenmörderische Verteidigung seines Existenzrechtes. „Israel, sei stark für mich erbärmlichen Kleinbürger. Töte für meine Sehnsucht nach Nation!“ Das ist die wahre Botschaft der „antideutschen“ Ideologie. So verteidigen die „Antideutschen“ fanatisch Israel – wenn es sein muss, bis der letzte Palästinenser tot am Boden liegt.
Auch ProletarierInnen flüchten als atomisierte Marktsubjekte in die nationale Scheingemeinschaft – mit all den oben beschriebenen sozialpsychologischen Folgen. Aber es gilt immer zu beachten, dass die proletarischen Individuen durch praktischen Klassenkampf auch in einer realen Solidargemeinschaft gegen die Bourgeoisie aufgehen können. Doch so tendenziell und potenziell revolutionär das Proletariat als kollektives Klassenkampfsubjekt auch ist, so latent reaktionär sind auch die proletarischen Individuen als Marktsubjekte. Auch ProletarierInnen sind als VermieterInnen ihrer Arbeitskraft und als KäuferInnen auf den Konsumgütermärkten kleinbürgerliche Konkurrenzindividuen, die ihren Konkurrenzkampf um Jobs weitverbreitet auch nationalistisch und rassistisch führen. Inländische Arbeitsplätze nur oder in erster Linie für InländerInnen! Für diese nationalistische und rassistische Propaganda sind ProletarInnen weltweit sehr empfänglich. Auch auf den Konsumgütermärkten führen die „inländischen“ ProletarierInnen nicht gerade selten einen nationalistischen/rassistischen Konkurrenzkampf gegen „die AusländerInnen“. Da sich viele „inländischen“ ProletarierInnen im Unterbewusstsein dazu entschieden haben, einen rassistischen Konkurrenzkampf zu führen, nehmen sie auch nur das wahr, was sie sehen und hören wollen. So sehen sie nur „AusländerInnen“, die „viel reicher“ sind als mensch selbst ist. Warum ist mensch als „Inländer/in“ also arm? Weil „die AusländerInnen“ reich sind und vom Staat das Geld in den Arsch geschoben bekommen! Hat ein/e Ausländer/in Arbeit, nimmt er/sie „InländerInnen“ den Job weg, hat er/sie keine Arbeit, lebt er/sie auf Kosten „der Nation“.
Wie wir weiter oben schon schrieben, führt die individuelle Marktsubjektivität der Lohnabhängigen nach der erfolgreichen Vermietung der Arbeitskraft zur kollektiven Ausbeutungsobjektivität des Proletariats im kapitalistischen Produktionsprozess. Doch die Kollektivität des Proletariats am Arbeitsplatz wird von einer fremden Klassenmacht organisiert, vom Kapital. Lohnarbeit ist grundsätzlich sozial fremdbestimmt. Was und wie produziert wird, entscheiden in der Regel nicht die LohnarbeiterInnen sondern die KapitalistInnen vermittelt über große und kleine Chefs. Bei moderneren Formen des Managements soll der Lohnabhängige zwar möglichst frei und eigenverantwortlich arbeiten, aber auch die flexibelste Form der kapitalistischen Arbeitsorganisation kann nichts am grundsätzlich fremdbestimmten Charakter der Lohnarbeit ändern. Selbstbestimmt den Reichtum einer fremden Klasse, der Bourgeoisie, vermehren – das ist der Widerspruch zwischen bürgerlicher Ideologie-Produktion und realem kapitalistischen Produktionsprozess. Im letzteren sind die LohnarbeiterInnen entfremdet von der eigenen Arbeitskraft, über die jetzt das Kapital für eine gewisse Zeit verfügt, von den Produktionsmitteln, die kapitalistisches Eigentum sind, und den Produkten der eigenen Arbeit, das als Warenkapital den kapitalistischen BesitzerInnen gehört. Auch als StaatsbürgerInnen sind die LohnarbeiterInnen von sich selbst und ihren Interessen und Bedürfnissen entfremdet. Als StaatsbürgerInnen haben sie vor allem die Aufgabe Steuern zu zahlen und als WählerInnen die regierenden Charaktermasken des Nationalkapitals zu ermächtigen. Dafür dürfen sie natürlich auch demonstrieren und auch unter bestimmten Bedingungen streiken gehen. Doch da kann es ihnen schon passieren, dass sie von einem Bullen mit einem Gummiknüppel geschlagen werden. Sowohl der Polizist als auch der Gummiknüppel werden übrigens aus den von den LohnarbeiterInnen produzierten Mehrwert bezahlt.
Die LohnarbeiterInnen sind also am Arbeitsplatz und in der Politik von sich selbst, ihrer Arbeit und den von ihnen selbst gewählten PolitikerInnen sozial entfremdete Wesen. Nicht wenige ArbeiterInnen nehmen diese reale soziale Entfremdung auch instinktiv bzw. vorbewusst in Form von relativ unbestimmten Gefühlen wahr. Doch diese vorbewusste Wahrnehmung der sozialen Entfremdung durch die ProletatarierInnen ist nicht nur die Quelle für ein mögliches materialistisch-sozialrevolutionäres Klassenbewusstsein, sondern auch ein Anknüpfungspunkt für die verschiedensten nationalistischen Ideologien, welche die reale soziale Entfremdung zur „nationalen Entfremdung“ uminterpretieren. Die ArbeiterInnen, die sich entfremdet fühlen, nehmen sich dann nationalistisch als „Fremde“ im „eigenen“ Land wahr.
Diese nationalistische Ideologisierung der realen sozialen Entfremdung funktioniert sowohl innerhalb imperialistischer Nationalstaaten wie BRD und USA als auch bei „unterdrückten nationalen Minderheiten“ wie zum Beispiel „den Basken“ in Spanien in der Gegenwart oder „den Kosovo-Albanern“ in der ehemaligen serbischen Provinz – bevor diese mit Hilfe des westlichen Menschenrechtsimperialismus die nationale Unabhängigkeit erkämpften. Nicht wenige proletarische NationalistInnen fühlen sich in der BRD und USA wegen „der vielen AusländerInnen“ beziehungsweise der „Kanaken“ und „Nigger“ als „Fremde“ im „eigenen“ Land. Dieser Nationalismus ist natürlich überwiegend politisch rechts besetzt, während der baskische Nationalismus, der oft ganz politisch korrekt und antirassistisch daherkommt, auch stark links besetzt ist. Aber auch er beruht auf der nationalistischen Uminterpretation der realen sozialen Entfremdung und ist damit eindeutig sozialreaktionär. Denn ein „unabhängiges Baskenland“, wie es der Linksnationalismus anstrebt, kann auch nur ein kapitalistischer Staat sein. Dass auch gerade in der „nationalen Frage“ politisch links dort ist, wo der Daumen politisch rechts ist, zeigt recht anschaulich die Geschichte der kosovo-albanischen Nationalbewegung. Während sie sich in der Zeit des albanischen Staatskapitalismus „marxistisch-leninistisch“ gab, um die Unterstützung des albanischen Vaterlandes zu bekommen, streifte sie nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Staatskapitalismus ihre „marxistisch-leninistische“ Hülle ab wie eine sich häutende Schlange. Der militaristische Arm des kosovo-albanischen Nationalismus, UCK, wurde schließlich im NATO-Krieg gegen Serbien/Restjugoslawien von 1999 zum bewaffneten Träger der universellen Menschenrechte des Westens. Vor, während und nach dem NATO-Krieg wurde allerdings auch deutlich, dass diese Menschenrechte für Serben, Juden und Roma nicht oder nur eingeschränkt im Kosovo galten.
Sowohl der Links- als auch der Rechtsnationalismus bedienen sich bei der nationalistischen Uminterpretation der realen sozialen Entfremdung auch einer sozialdemagogischen „antikapitalistischen“ und manchmal regelrecht arbeitertümelnden Rhetorik, mit der sich die Nationalismen selbst und das Proletariat betrügen. Doch es gibt keine soziale Befreiung im nationalen Rahmen. Der deutsche Rechtsnationalismus ist ebenso ein demagogischer Klassenfeind des Proletariats wie der baskische Linksnationalismus, auch wenn sich beide mitunter noch so gut hinter einer „proletarischen“ Maske verstecken. So rief die neofaschistische Partei „Die Rechte“ für den 1. Mai in Dortmund 2014 unter dem Motto „Gegen Kapitalismus und Ausbeutung – heraus zum Arbeiterkampftag“ zum Aufmarsch auf. Nicht weniger demagogisch ist die „antikapitalistische“ Rhetorik der linksnationalistischen baskischen Gewerkschaft mit dem bezeichnenden Namen Langile Abertzaleen Batzordeak (LAB, auf Deutsch: Ausschuss der patriotischen ArbeiterInnen). Nun, „patriotische ArbeiterInnen unterdrückter Nationen“ werden maximal Manövriermasse eines sich neu formierenden und sich staatliche Souveränität erkämpfenden Nationalkapitals, dabei Nation und Staat, Kapital und Lohnarbeit und Ware und Geld reproduzierend

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Neue Broschüre: Antinationale Schriften I https://swiderstand.blackblogs.org/2014/04/13/neue-broschuere-antinationale-schriften-i/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/04/13/neue-broschuere-antinationale-schriften-i/#comments Sun, 13 Apr 2014 20:21:06 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=82 Unsere neue Broschüre: „Antinationale Schriften I“ (ca. 121 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Zur Ökonomie und Psychologie des Nationalismus

1. Nationalkapitale und Nationalstaaten
2. Individualismus und Nationalismus
3. Reproduktiver Klassenkampf und Nationalismus
4. Die Weltrevolution als Zerschlagung aller Nationalstaaten

Die Herausbildung des vietnamesischen Nationalstaates

1. Vietnam als französische Kolonie
2. Vietnam im Zweiten Weltkrieg
3. Das nordvietnamesische Regime
4. Der britische Imperialismus in Südvietnam
5. Der französische Krieg gegen Vietnam
6. Die Intervention des US-Imperialismus
7. Die kleinbürgerliche politische Linke als Lautsprecher des
vietnamesischen Nationalismus

Die bundesdeutsche Annexion der DDR

1. BRD und DDR im Kalten Krieg
2. Die Todeskrise des ostdeutschen Staatskapitalismus
3. Die Grenzöffnung
4. Erste Avancen der Sowjetunion an die BRD
5. Proprivatkapitalistische Illusionen in der DDR
6. Die kleinbürgerliche DDR-Opposition
7. Die Offensive der bundesdeutschen Bourgeoisie
8. Moskau verkauft die DDR
9. Der friedliche Anschluss der DDR

Der westliche Menschenrechts-Imperialismus in Aktion

1. Die westlichen Menschenrechtsimperialismen
2. Syrien
3. Ukraine/Krim

Ukraine/Krim (Auszug)

Ab November 2013 spitzte sich der Konflikt zwischen dem westlichen Menschenrechts-Imperialismus und dem imperialistischen Russland um die Ukraine enorm zu. Um diese Zuspitzung zu verstehen, müssen wir zuerst die Vorgeschichte dieser imperialistischen Rauferei analysieren.
Der ukrainische Nationalismus konnte sich erst in den 1990er Jahren einen eigenständigen und einigermaßen stabilen Nationalstaat schaffen. Davor war die Ukraine Spielball anderer Imperialismen, genauer Spielball des deutschen, österreichisch-ungarischen, polnischen und russischen/sowjetischen Imperialismus. Schauen wir uns die wechselhafte Geschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert etwas genauer an. Der erste „unabhängige“ ukrainische Nationalstaat entstand im Januar 1918 im Ersten Weltkrieg unter massiver Geburtshilfe des deutschen Imperialismus. Im Osten und im Zentrum der Ukraine, einschließlich der Hauptstadt Kiew, hatte allerdings der prostaatskapitalistische Bolschewismus die Macht. Deshalb diente sich die gutsbesitzende-proprivatkapitalistische Sozialreaktion an den deutschen Imperialismus und Österreich-Ungarn an. Im Austausch gegen Lebensmittellieferungen marschierten die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen in die Ukraine ein und drangen von dort aus weiter nach Osten vor. Am 1. März 1918 eroberte der deutsche Imperialismus Kiew. Dieser Offensive war das bolschewistische Lenin/Trotzki-Regime nicht gewachsen. Es schloss am 3. März unter dem Druck der Mittelmächte den Raubfrieden von Brest-Litowsk, welcher auch die „Unabhängigkeit“ der Ukraine, also deren Abhängigkeit von Deutschland und Österreich-Ungarn, garantierte. Die Westukraine wurde nach der Niederlage von Deutschland und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg von Polen erobert, während die Ostukraine nach dem bolschewistischen Sieg im BürgerInnenkrieg (1918-1921) Bestandteil der staatskapitalistischen Sowjetunion wurde. Nachdem der deutsche NS-Faschismus und der Kreml durch den Hitler-Stalin-Pakt 1939 Polen imperialistisch aufgeteilt hatten, geriet auch die Westukraine in die Hände des sowjetischen Imperialismus.
Der ukrainische Nationalismus, dessen Wiege die Westukraine war und der sich besonders blutig während des Zweiten Weltkrieges entlud, war extrem antijüdisch, antipolnisch und antirussisch. Nicht wenige ukrainische NationalistInnen kollaborierten während des Überfalles des deutschen Imperialismus auf die UdSSR mit den Hitlerfaschisten. Die SS Galizien war blutige Verkörperung dieser Kollaboration. Der Führer der ukrainisch-nationalistischen Nazikollaborateure von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Stepan Bandera, ist nicht nur für den heutigen faschistischen Flügel des ukrainischen Nationalismus sondern auch für viele prowestliche DemokratInnen ein Nationalheld, während er für nicht wenige heutige ostukrainisch-prorussische Kräfte ein „Verräter“ darstellt. In einem Lied der OUN-Milizen hieß es: „Die Juden werden wir abschlachten, die Polen erdrosseln, aber die Ukraine müssen wir erkämpfen.“ So sangen sie nicht nur, so handelten sie auch. Die OUN war eindeutig an Hitlerdeutschland ausgerichtet, auch wenn die deutschen Nazis Bandera drei Jahre einsperrten, nachdem er am 30 Juni 1941 die Unabhängigkeit der Ukraine proklamiert hatte.
Doch der heutige prowestliche und antirussische demokratische Nationalismus braucht die OUN als Teil seiner Gründungsmythologie. So schrieb die ukrainische Kyivipost in einer „Top Ten der Lügen des Kremls“: „Faschisten sind keine Banderisten, und Banderisten sind keine Faschisten. Wäre Stepan Pandera, Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten, ein Faschist gewesen, er würde doch wohl keine drei Jahre von 1941 bis 1944 in einem deutschen Nazigefängnis verbracht haben (…)“ (Zitiert nach Thomas Eipeldauer, Faschistische Hegemonie, in: junge Welt vom 8./9. März 2014, S. 11.) Die Argumentation ist natürlich ziemlich fadenscheinig. Denn natürlich verhafteten die FaschistInnen auch FaschistInnen, so wie StalinistInnen StalinistInnen liquidierten und DemokratInnen heute noch repressiv gegen DemokratInnen vorgehen.
Nachdem der antifaschistische sowjetische Imperialismus seine früheren faschistischen Spießgesellen 1945 besiegt hatte, war der bewaffnete ukrainische Nationalismus aber noch nicht am Ende. Bis in die 1950er Jahre hinein kämpften die ukrainischen NationalistInnen in der Westukraine bewaffnet gegen den sowjetischen Imperialismus. Letzterer krönte seinen militärischen Sieg über die westukrainischen NationalistInnen mit der Ermordung Banderas. 1959 wurde der ukrainische Nationalist in München durch einen KGB-Agenten liquidiert.
Doch nach dem Zerfall der staatskapitalistischen UdSSR schlug auch die späte Geburtsstunde des ukrainischen Nationalstaates. Am 24. August 1991 verabschiedete das Kiewer Parlament die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine. Während die Sowjetunion die praktische Gesamtkapitalistin auf ihrem Territorium war und die alten privatkapitalistischen Nationalstaaten die ideellen Gesamtkapitalisten darstellen, verkörperten die nachsowjetischen Nationalstaaten einschließlich der Ukraine während der Phase der Reprivatisierung des Kapitals die reellen Gesamtkriminellen. Die neue ukrainische Bourgeoisie als herrschende Klasse des neuen Nationalstaates setzte sich aus der kriminellen Unterwelt und der alten ehemaligen sowjetischen Partei- und Staatsbürokratie (Nomenklatura) zusammen. Wir wollen das an Hand zwei bekannter ukrainischer PolitikerInnen verdeutlichen. Da haben wir zum Beispiel die Gasprinzessin Julia Timoschenko. Laut Reinhard Lauterbach „verkörpert Julia Timoschenko, Jahrgang 1959, idealtypisch die Nomenklatura-Privatisierung der neunziger Jahre. Sie hatte das historische Glück, in den Perestroika-Jahren einen einflussreichen Schwiegervater zu haben: den für Kultur zuständigen Referenten des Dnipropetrowsker Gebietsparteikomitees. Gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann verdiente sie ihr Startkapital mit dem Verkauf von – den Umständen nach –Schwarzkopien westlicher Filme, auf deren lizensierte Kopien der hochgestellte Verwandte Zugriff hatte. Später handelte sie u.a. mit Grubenholz und russischem Gas und stieg im Clan des Dnipropetrowsker Paten Pawlo Lasarenko zur Nummer zwei auf. Als der damalige Präsident Leonid Kutschma Lasarenko 1999 als geschäftlichen Konkurrenten aus dem Verkehr zog, verlor Julia Timoschenko die für ihre Geschäfte notwendige politische Protektion. Daraufhin legte sie eine 180-Grad-Drehung von der Schattenunternehmerin zur Sauberfrau hin und bekämpfte in mehreren Regierungsämtern diejenigen Oligarchen, die geschäftlich mehr Glück gehabt hatten als sie. Ihr Insiderwissen kam ihr dabei zugute – auch persönlich.“ (Reinhard Lauterbach, Eine Frau mit Vergangenheit, in: junge Welt vom 24. Februar 2014, S. 3.)
Über den langjährigen Gegner im innerkapitalistischen Fraktionskampf von Timoschenko, dem Ende Februar 2014 von der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion gestürzten Expräsidenten Wiktor Janukowitsch, schrieb Lauterbach: „Der aus kleinkriminellem Milieu über Türsteherjobs und Personenschutz neureicher Unternehmer aus dem Kohlenrevier des Donbass zum Politiker aufgestiegene Zwei-Meter-Mann war in seiner Kariere immer nur der Strohmann Mächtigerer, die hinter ihm standen. Über seine Unbildung kursieren Legenden, über seine Korruptheit und Geldgier auch. An letzterem ist wahrscheinlich viel dran. Vor den Toren von Kiew ließ er sich auf 34 Hektar Grund eine Residenz bauen, die schon als ,ukrainisches Versailles‘ bezeichnet wird. Seinem Sohn ermöglichte er den Aufstieg in die Oligarchie mit einem zuletzt auf mehrere hundert Millionen Dollar bezifferten Vermögen. Wahrscheinlich hat dies dazu beigetragen, dass die älteren Oligarchen beschlossen, sich seiner zu entledigen oder ihm zumindest seine Grenzen zu zeigen.“ (Reinhard Lauterbach, Verbrannter Strohmann – Wiktor Janukowitsch und sein Erbe, in: junge Welt vom 24. Februar 2014, S. 3.)
Ja, in dem neuen privatkapitalistischen Nationalstaat Ukraine wurden und werden die Fraktionskämpfe innerhalb der Bourgeoisie etwas härter ausgetragen als im „alten Europa“. Auch die geopolitische Ausrichtung des neuen Nationalstaates zwischen der EU und Russland war Teil des innerkapitalistischen Konkurrenzkampfes der ukrainischen Bourgeoisie und ihres jeweiligen politischen Personals. Während die westukrainische Bourgeoisie und deren Kopf- und Handlanger eher prowestlich geprägt ist, nahmen die verfeindeten Klassengeschwister in der Ostukraine eher einen prorussischen Standpunkt ein. In der Ostukraine ist auch Russisch eine weit verbreitete Sprache. Da hinter der jeweiligen Fraktion der ukrainischen Bourgeoisie also jeweils der westliche Menschenrechts-Imperialismus oder das imperialistische Russland standen, war der Fraktionskampf zwischen ost- und westukrainischer Bourgeoisie zugleich ein internationalisierter Konflikt zwischen dem Westen und Russland. Gleichzeitig war dieser imperialistisch-innerkapitalistische Kampf um die Macht in der Ukraine ein ethnisch verbrämter Kampf, die jeweiligen nationalistischen Phrasen dienten dazu die kleinbürgerlichen und proletarischen Massen ideologisch in das jeweilige Lager zu ziehen. Auch in diesem Fall war die nationalistische Ideologie-Produktion mal wieder sehr erfolgreich.
So wurde also der Fraktionskampf zwischen der eher prowestlichen westukrainischen Bourgeoisie und deren verfeindeten prorussischen Klassengeschwistern in der Ostukraine auch ein geographisch-ethnischer Konflikt. Die Ostukraine ist dabei wesentlich sozialökonomisch reicher und industrialisierter als der Westen des Landes. Der linksnationale prorussische „Antiimperialist“ Rainer Rupp schrieb über die geographisch-soziale Spaltung der Ukraine: „Laut offiziellen Zahlen des Statistischen Dienstes der Ukraine trägt die im Osten angesiedelte Schwerindustrie mindestens dreimal mehr zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei als es die Landwirtschaft und die Kleinbetriebe im Westen tun. So haben Regionen im Osten in der Regel ein weitaus höheres Pro-Kopf-Einkommen. Für das Jahr 2011 werden zum Beispiel 4748 Dollar in der östlichen Region Dniperpropetrowsk, eines der wichtigsten Industriezentren der Ukraine, genannt, während das Pro-Kopf-Einkommen in der Region Lwiw im Westen der Ukraine (…) mit 2312 Dollar weniger als die Hälfte betrug. Die übrigen Westregionen sind noch viel ärmer. Von einigen Ausnahmen um Kiew abgesehen liegt die Mehrheit der größten ukrainischen Unternehmen im Osten. Es sind Bergbau- und Stahlunternehmen, weiterverarbeitende Betriebe und Energieunternehmen. Sie exportieren hauptsächlich nach Russland.“ (Rainer Rupp, Sitzt der Westen am kürzeren Hebel?, in: junge Welt vom 25. Februar 2014, S. 3.)
Der westliche Menschenrechts-Imperialismus und die westukrainische Bourgeoisie konnten 2004/2005 mit der von diesen Kräften großzügig gesponserten „Orangen-Revolution“ gegen das vorwiegend von der ostukrainischen Bourgeoisie getragenen und eher prorussischen Janukowitsch-Regime der Partei der Regionen einen wesentlichen Sieg davontragen. Eine Charaktermaske der prowestlichen „Orangen-Revolution“ war neben dem neuen Präsidenten Wiktor Juschtschenko die Gasprinzessin Julia Timoschenko. Interne Rivalitäten zwischen Juschtschenko und Timoschenko und einige Korruptionsskandale sorgten mit dafür, dass die revolutionären Orangen nach nur fünf Jahren schon wieder verfault waren. 2010 wurde dann Wiktor Janukowitsch durch freie Wahlen demokratisch zur neuen regierenden Charaktermaske der Ukraine ermächtigt. Hinter Janukowisch stand lange Zeit der „Pate von Donezk“, der Oligarch Rinat Achmetow. Janukowitsch gelang es auch seit 2004 die „Kommunistische“ Partei der Ukraine („K“PU) in sein politisches Boot zu holen.
In dem Machtkampf mit dem prowestlichen Flügel der ukrainischen Bourgeoisie zog Janukowitsch nicht gerade die Samthandschuhe an. Besonders hart ging Janukowitsch gegen Timoschenko vor, er ließ „die Staatsanwaltschaft in ihrer Vergangenheit wühlen. Zum Verhängnis wurde ihr schließlich ein Gasdeal, den sie 2009 mit Wladimir Putin abgeschlossen hatte und an dem sich eine in der Schweiz angesiedelte Vermittlerfirma dumm und dämlich verdiente. Wegen Veruntreuung von Staatsmitteln und Amtsmissbrauch wurde sie zu sieben Jahren Haft verurteilt.“ (Reinhard Lauterbach, Eine Frau mit Vergangenheit, a.a.O.) Doch nun begann – besonders der deutsche – westliche Menschenrechts-Imperialismus für Frau Timoschenko seine Stimme zu erheben. Aber gleichzeitig war dem bundesdeutschen Imperialismus Timoschenkos Vaterlandspartei nicht verlässlich genug. So entstand mit der UDAR unter Führung des Boxers Witali Klitschko mit massiver Unterstützung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung eine weitere Formation im Kampf um die Menschenrechte. Gleichzeitig sollte Janukowitsch aber auch mit viel Druck dazu gebracht werden, die Ukraine stärker in das EU-Einflussgebiet zu führen. Diese Doppelstrategie Berlins – sowohl auf die Regierung als auch auf die Opposition zu setzen – ging zunächst wegen der Offensive des russischen Imperialismus nicht auf.
Janukowitsch versuchte zwischen der EU und dem russischen Imperialismus zu lavieren. Doch das war Ende 2013 nicht mehr möglich, weil sowohl der westeuropäische als auch der russische Imperialismus die Ukraine ganz und ausschließlich in seinem Einflussgebiet haben wollte. Die EU wollte mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen abschließen. Assoziierungsabkommen schließt die EU im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik ab, um außerhalb der EU liegende Nationalstaaten besser in das Einflussgebiet ihres sozialökonomischen Imperialismus zu bekommen. Vor der Ukraine schlossen bereits 16 Staaten mit der EU solche Assoziierungsprogramme ab. Offiziell geht es natürlich um solche edlen Dinge wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit – und natürlich auch um mehr Marktfreiheit. „Was nicht gesagt wird ist, dass das Hauptmotiv der wirtschaftlichen Integration darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, Ökonomien in die expandierende Wirtschaft des Imperiums (der EU) einzugliedern und Zugang zu natürlichen Ressourcen in der energiereichen Nachbarschaft zu erhalten. Die riesige Ansammlung vom Wohlstand und wirtschaftlicher Macht der EU hat ihr einen Hebel gegeben, um marktfreundliche Reformen einschließlich Privatisierung, Handelsliberalisierung und der Übernahme der EU-Regulationsmechanismen durchzusetzen und gleichzeitig die weiterführenden Debatten in den peripheren Gesellschaften zu umgehen.“ (Bogdana Dimitrovova, Imperial re-bordering of Europe: the case oft he European Neigherhood, in: Campridge Review of International Affairs, Nr. 2/2012, S. 254.)
Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU über ein Assoziierungsabkommen fanden ab 2005 statt, sowohl als die erstere von dem prowestlichen Orangen-Regime regiert wurde als auch unter dem Regime des „prorussischen Diktators“ Janukowitsch. Ab 2012 war der Vertrag unterschriftsreif. Er sieht unter anderem die Absenkung der jeweiligen Zölle um 99,1 Prozent (Ukraine) und 98,1 Prozent (EU), die weitgehende Beseitigung von Mengenbegrenzungen und anderer so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse vor. Auch war ein „freier und fairer Wettbewerb“ zwischen EU-Firmen und ukrainischen Unternehmen vorgesehen –wie viele von den letzteren diesen freien Konkurrenzkampf aushalten werden, steht in den Sternen. Dieses Abkommen ist also vor allem ein Risiko für die ostukrainische Industrie. Das hielt wohl auch Janukowitsch unter anderem davor ab, den Vertrag mit der EU zu unterschreiben.
Zumal der russische Bär bedrohlich zu brummen anfing und auch schon seine scharfen Krallen zeigte. Teil des imperialistischen Kampfes um die Ukraine war, dass die prorussische Ideologie-Produktion die Gefahren des Assoziierungsabkommens mit der EU für die Ukraine in den düstersten Farben mahlte. So schrieb Putins Berater für eurasische Integrationsfragen, Sergej Glasjew: „Wenn die Ukraine die Vereinbarung über die Assoziation mit der EU unterzeichnet und sich in diese nicht gleichberechtigte Freihandelszone begibt, so wird sie bis 2020 im Wirtschaftswachstum und in der Handelsbilanz ein Minus erhalten. Wir schätzen die Verluste auf etwa minus 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Bis 2020 wird eine Verdrängung ukrainischer Waren vom eigenen Markt, begleitet von einem Wirtschaftsrückgang und einer Verringerung der Entwicklungsmöglichkeiten erfolgen.“ (Stimme Russlands, 7.11.2013, Zitiert nach: Jürgen Wagner, Ungehemmter Warenverkehr, in: junge Welt vom 5. Februar 2014, S. 10.)
Stattdessen versuchte der russische Imperialismus der Ukraine seinen eigenen eurasischen Wirtschaftsblock, die von ihm dominierte Zollunion aus Russland, Belarus und Kasachstan schmackhaft zu machen. Anfang 2014 gingen wohl über 30 Prozent der ukrainischen Exporte in die Staaten dieser Zollunion, während 25 Prozent in die EU gingen. Moskau und die EU stellten also die Ukraine vor die Wahl: Entweder Assoziierungsabkommen oder Beitritt zur eurasischen Zollunion. Mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche ging der russische Imperialismus dazu über, die Ukraine aus dem potenziellen Einflussgebiet der EU zu ziehen. „Russland (…) schwang zwar durchaus die Peitsche, indem es bereits im Sommer 2013 mit Sanktionen drohte. Andererseits vergaß es aber auch nicht das Zuckerbrot, indem es früh beträchtliche Vergünstigungen in Aussicht gestellt hatte. Das führte mittlerweile dazu, dass russisches Gas nun um ein Drittel günstiger geliefert wird (Kostenersparnis allein 2014: umgerechnet drei Milliarden US-Dollar), und Moskau zugesagt hat, ukrainische Staatsanleihen in Höhe von 15 Milliarden Dollar aufzukaufen.“ (Jürgen Wagner, Ungehemmter Warenverkehr, a.a.O., S. 11.) Wie unschwer zu erkennen ist, wurden diese oben zitierten Sätze geschrieben, wo Janukowitsch noch nicht gestürzt worden war. Aber dieses gleichzeitige Krallenzeigen und freundliche Brummen des russischen Bären war erst mal von Erfolg gekrönt: Janukowitsch entschied sich Ende November 2013 gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU – und damit für Moskau.
Diesen wichtigen Etappensieg des russischen Imperialismus nahm jedoch der westeuropäische Imperialismus nicht so einfach hin, wie auch im Sturmgeschütz der der deutschen Demokratie, im Spiegel, zu lesen war: „,Die Tür für die Ukraine bleibt offen‘, betonte Merkel nach der Pleite mehrfach. Man sei weiterhin gesprächsbereit. Das klang nach mühsamer Gesichtswahrung, wie sie nach Niederlagen üblich ist. Aber es heißt auch: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Und die Kanzlerin will vor der nächsten Runde eine neue Figur ins Spiel bringen: Witali Klitschko.“ (Spiegel 50/2013, Zitiert nach: Jürgen Wagner, Ungehemmter Warenverkehr, a.a.O., S. 10.)
In der Tat: Nachdem die Ukraine sich im November 2013 von der EU abgewandt und stärker in das russische Einflussgebiet zurückgekehrt ist, machte der westliche Menschenrechts-Imperialismus und die prowestliche Opposition auf dem Kiewer Maidan dem Janukowitsch-Regime das Leben schwer. Es entwickelte sich eine prowestlich-nationalistische Straßenbewegung, sowohl mit einem neoliberalen als auch einem faschistischen Flügel. Den prowestlich-neoliberalen Flügel der Opposition haben wir schon oben beschrieben, beschreiben wir jetzt den faschistischen Flügel genauer.
Schon vor der Entstehung der sozialreaktionären Straßenbewegung auf dem Maidan bestand die faschistische Partei Swoboda (Freiheit). Diese NeofaschistInnen stehen in der Tradition der ukrainischen Nazi-Kollaborateure um die SS-Division „Galizien“. Sie betreiben eine extrem antirussisch-antijüdische Propaganda und üben auf der Straße Terror aus. So behauptete der Swoboda-Führer Oleg Tiahnibok 2004, dass die Ukraine von einer „russisch-jüdischen Mafia“ regiert werde, gegen die mensch zum Maschinengewehr greifen müsse wie die einstige SS-Division „Galizien“. Später distanzierte sich Swoboda offiziell rein formell vom Antijudaismus. Diese offizielle Distanzierung reichte den ukrainischen DemokratInnen und auch den bundesdeutschen Grünen, wie wir weiter unten noch sehen werden. Die zwei größten demokratischen Oppositionsparteien der Ukraine, „Vaterland“ und UDAR, paktierten im Parlament offen mit Swoboda. Alle drei Oppositionsparteien schufen am 17. Dezember 2012 im Parlament einen gemeinsamen Oppositionsrat. Swoboda pflegte über Jahre hinweg enge Beziehungen zur NPD in Deutschland.
Mit der sozialreaktionären Straßenbewegung auf dem Maidan entwickelte sich Ende November 2013 auch eine neue faschistische Formation, der Prawy Sektor (Rechter Sektor). Zum Kern des Rechten Sektors gehören die FaschistInnen um die Ukrainische Nationalversammlung – Ukrainische Nationale Selbstverteidigung (UNA-UNSO), die 1990 in Lwiw gegründet wurde. Die UNA-UNSO kämpfte in den nationalistischen BürgerInnenkriegen, die sich infolge des Zerfalls des sowjetischen Staatskapitalismus und der Neuformation nachsowjetischer privatkapitalistischer Nationalstaaten entwickelten, auf der Seite antirussischer Kräfte. So schickte die UNA-UNSO Milizionäre in die BürgerInnenkriege in Georgien und in Tschetschenien. Der besonders brutale Kommandant des rechten Sektors, Alexander Musitschko, sagte bereits im Jahre 2007, er würde „gegen Kommunisten, Juden und Russen kämpfen, solange Blut in meinen Adern fließt“. Auch zwischen der UNA-UNSO und der NPD bestanden gute Kontakte.
Dass die FaschistInnen schließlich die Bewegung auf dem Maidan dominieren konnten, hat verdammt viel mit dem grundsätzlich reaktionären Charakter dieser Straßenbewegung zu tun. Sie war von Anfang an vom ukrainischen Nationalismus geprägt. Dass sich dieser Nationalismus gleichzeitig in die Arme des westlichen Imperialismus warf, war nur scheinbar ein Widerspruch. Die Ukraine liegt geographisch zwischen zwei großen imperialistischen Blöcken, der Europäischen Union und Russland. Eine Unabhängigkeit zwischen beiden Blöcken ist objektiv nicht möglich. Das Lavieren zwischen EU und Russland war aber auch nicht mehr länger durchzuhalten, nachdem sich der imperialistische Konflikt um die Ukraine 1913 zuspitzte. So entschieden sich die regierenden Charaktermasken der ukrainischen Nation im November 2013 gegen die EU, während der oppositionelle westukrainische Nationalismus objektiv als fünfte Kolonne Brüssels und Berlins agierte. Auch Washington begann sich massiv einzumischen und aus sicherer Entfernung vom Brandherd viel offensiver als die EU die nationalistisch-sozialreaktionäre Bewegung zu unterstützen.
Viele kleinbürgerliche und proletarische Individuen gingen aus sozialem Frust gegen das Janukowitsch-Regime auf den Maidan. Doch ihr sozialer Frust war von Anfang an durch den Nationalismus ideologisch entfremdet. Sie kämpften vorwiegend nicht für sich selbst und ihre Interessen, sondern für „ihre“ Nation, die Ukraine. Doch wenn kleinbürgerliche und proletarische Individuen für „ihre“ Nation kämpfen, trampeln sie objektiv auf ihren eigenen sozialen Interessen herum. Denn die ukrainische Nation kann nur leben, indem sie große Teile des KleinbürgerInnentums und des Proletariats in das nackte Elend treibt. National agierende KleinbürgerInnen und ProletarierInnen können gar nichts anderes sein als Manövriermasse im innerkapitalistischen Gerangel. In diesem Falle waren die KleinbürgerInnen und ProletarierInnen auf dem Maidan nichts anderes als die Manövriermasse des prowestlichen Flügels der ukrainischen Bourgeoisie und des westlichen Menschenrechts-Imperialismus gegen den prorussischen Flügel der ukrainischen Bourgeoisie und das imperialistische Russland. Im Kampf zwischen Regime und Opposition traten die FaschistInnen am offensivsten auf. Jede größere Straßenbewegung – sei sie nun progressiv oder reaktionär – spült immer die entschiedensten, offensivsten und militantesten Kräfte nach oben. Die ukrainischen FaschistInnen wurden als Avantgarde einer grundsätzlich sozialreaktionären Bewegung groß.
Und als solche gingen sie im Verlauf dieser Bewegung auch gegen linksradikale KleinbürgerInnen und klassenkämpferischen ProletarierInnen, den linken Flügel des Maidan, vor. Der Kern jeder progressiven Bewegung ist das Proletariat, welches massenhaft die Arbeit niederlegt und aus den Fabriken und Büros auf die Straßen und Plätze strömt, um seinen sozialen Protest zum Ausdruck zu bringen. Der Kern und die Avantgarde der prowestlich-nationalistischen Straßenbewegung auf dem Maidan waren dagegen FaschistInnen. Wenn einige russische und ukrainische „RevolutionärInnen“ nicht mehr den Klassenunterschied zwischen einer proletarisch-klassenkämpferischen und einer bürgerlich-nationalistisch-proimperialistischen Bewegung erkennen können und den reaktionären Maidan „revolutionär“ verklären, zeigt das nur den geistigen Bankrott des kleinbürgerlichen Radikalismus.
Die FaschistInnen missachteten in der Praxis immer erfolgreicher das staatliche Gewaltmonopol des Janukowitsch-Regimes. So eskalierte im Februar 2014 der Machtkampf, der von beiden Seiten bewaffnet geführt wurde. Selbst VertreterInnen des EU-Imperialismus halten es möglich, dass in diesem Machtkampf faschistische Scharfschützen am 20. Februar sowohl auf staatliche Repressionsorgane als auch auf die Bevölkerung schossen, um den Konflikt weiter zuzuspitzen. Sie wollten mit aller Gewalt ein Kompromiss zwischen dem demokratischen Flügel der Bewegung und Janukowitsch verhindern. Vaterland und UDAR waren grundsätzlich zu einem solchen Kompromiss bereit, standen aber auch unter dem enormen Druck der sozialreaktionären Straßenbewegung. Der westliche Menschenrechts-Imperialismus, der in inneren Angelegenheiten in den eigenen Nationalstaaten auch bei geringeren Anlässen von der repressiven Toleranz zur toleranzlosen Repression übergeht, wollte dem Janukowitsch-Regime die offensive Verteidigung des staatlichen Gewaltmonopols nicht erlauben. Aufgrund dieses imperialistischen Druckes war Janukowitsch zu Kompromissen mit dem demokratischen Flügel der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion bereit.
Der europäische Imperialismus, der grundsätzlich bereit ist FaschistInnen in seine Strategie einzubinden, aber natürlich auch oft seine eigenen demokratischen Spielchen den faschistischen Methoden des Machtkampfes vorzieht, versuchte durch eine letzte diplomatische Initiative den Machtkampf in der Ukraine in feinere Kanäle als den unmittelbaren physischen Straßenkampf zu lenken. Der deutsche Außenminister Frank Walter-Steinmeier und sein polnischer Kollege Radoslaw Sikorski erreichten in der Nacht vom 20. zum 21. Februar in Kiew ein Kompromiss zwischen politischer prowestlicher Opposition und dem Janukowitsch-Regime. Doch der EU-Versuch, den Machtkampf in der Ukraine nach alteuropäisch-demokratischen Spielregeln zu führen, war zum Scheitern verurteilt. Die FaschistInnen vom Rechten Sektor ließen sich als Avantgarde des Maidan nicht darauf ein. Der Konflikt hatte sich schon zu sehr zugespitzt, als dass er sich durch EU-Diplomatie lösen ließe. Im Laufe der eskalierenden Konfrontation zwischen der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion und dem Janukowitsch-Regime, liefen große Teile des Staatsapparates zu ersterer über. Auch der bisherige wichtigste Hintermann von Janukowitsch, der Oligarch Rinat Achmetow, soll sich laut Reinhard Lauterbach „schon sehr früh gegen eine gewaltsame Beendigung der Maidan-Proteste ausgesprochen“ (Reinhard Lauterbach, Verbrannter Strohmann – Wiktor Janukowitsch und sein Erbe, a.a.O.) haben. Die FaschistInnen waren als Avantgarde des Maidan fest entschlossen Jnukowitsch zu stürzen, der sich in diesem Machtkampf nicht mehr auf seine Hintermänner und auf den Staatsapparat verlassen konnte. Seine Stunden waren gezählt.
So gelang es der sozialreaktionären Straßenbewegung mit den FaschistInnen als deren Avantgarde am 22. Februar 2013 Wiktor Jnukowitsch zu stürzen. Aus dem siegreichen Kampf im Machtkampf ging die neue Übergangsregierung hervor, welche vorwiegend von Timoschenkos Partei „Vaterland“ und Swoboda getragen wird. Die Superwaffe Merkels, Klitschko, manövrierte sich derweil sehr gekonnt selbst ins Aus. Der Mann bewies, dass Boxen nicht die gesündeste Sportart für das Oberstübchen ist. Klitschko wollte doch so gern Präsidentschaftskandidat der prowestlichen DemokratInnen bei den nächsten freien Wahlen werden, doch auch die inzwischen aus dem Knast geholte Frau Timoschenko war auf diesen Posten scharf. Aus Protest, dass die Vaterlandspartei nicht Timoschenko als Präsidentschaftskandidatin zurückzog, beteiligte sich Berlins Superstratege auch nicht an der neuen Übergangsregierung, die gar nicht weiß, was ihr dadurch entgeht. Wenn auch die neue Regierung sehr gerne auf Klitschko verzichtete, nahm sie jedoch die Dienste der einstigen Hintermänner Janukowitschs aus der Oligarchie genauso gerne in Anspruch. Viele von ihnen wurden Gouverneure des neuen Regimes. Diese neue Regierung wurde natürlich umgehend von der USA und der EU anerkannt, während Russland selbstverständlich dem real vollzogenen Machtwechsel nicht seinen diplomatischen Segen erteilte.
Während die FaschistInnen von Swoboda Regierungsfunktionen übernahmen, weshalb wir die „Übergangsregierung“ als demokratisch-faschistische Sozialreaktion bezeichnen, überzogen die StraßenfaschistInnen des Maidan nach dem Sieg über Janukowitsch die ukrainische Gesellschaft mit Gewalt. Diese richtete sich sowohl gegen die Denkmäler des sowjetischen Imperialismus als auch gegen Menschen –gegen die ehemaligen UnterstützerInnen des Janukowitsch-Regimes, gegen die Partei der Regionen, die „K“PU, prorussische Kräfte, Juden, Linke und auch gegen jene Charaktermasken des ukrainischen Staatsapparates, die nach Ansicht der FaschistInnen nicht national-chauvinistisch und antirussisch genug waren. „Ein in Lederjacken gekleideter Stoßtrupp unter Leitung des ,Swoboda‘-Abgeordneten Igor Miroschnitschenko überfiel am Mittwoch (19. März 2014) den Direktor des staatlichen ukrainischen Fernsehens NTKU in seinem Büro, verprügelte ihn und zwang ihn unter unflätigen Beschimpfungen, ein Rücktrittsgesuch aufzusetzen. Anlass für den Überfall war die Übertragung eines Konzerts aus Moskau, die das Staatsfernsehen von dem maidan-freundlichen Privatsender espresso.tv übernommen hatte. Der Fernsehsender Tonis wurde von bewaffneten Kämpfern des ,Rechten Sektors‘ besetzt. Diese legten dem Sender eine ,redaktionelle Zusammenarbeit‘ mit der Schlägertruppe nahe. Der Kanal gehörte bis zum Staatsstreich dem Sohn des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch.“ (Reinhard Lauterbach, Putschisten ohne Basis, in: junge Welt vom 20. März 2014, S. 1.)

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https://swiderstand.blackblogs.org/2014/04/13/neue-broschuere-antinationale-schriften-i/feed/ 2
Vortrag bei der Literatrurmesse https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/#respond Fri, 08 Nov 2013 00:39:33 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=76 Wir veröffentlichen hier den Vortrag, den unser Genosse Nelke auf der Literaturmesse im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ in Nürnberg, den 2. November 2013 gehalten hat.

Streik Israel
Mitarbeiter israelischer Fluggesellschaften protestieren gegen das Billigflugabkommen zwischen Israel und der EU AFP

Der Titel dieser Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats“ ist bewusst gewählt. Er macht deutlich, dass Juden im 20. Jahrhundert nicht nur Opfer waren, sondern auch selbstbewusste Subjekte des proletarischen Klassenkampfes. Die Broschüre zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Erstens wird in ihr nicht der Begriff „Antisemitismus“ benutzt, sondern der ältere Begriff „Antijudaismus“. Wir unterscheiden weiterhin zwischen religiösen und rassistischen Antijudaismus. Der „Antisemitismus“-Begriff wird von uns aus zwei Gründen verworfen. Erstens ist er ungenau. So sind die Juden und Jüdinnen nicht die einzigen Semiten, aber der Begriff „Antisemitismus“ umfasst nur die chauvinistische Feindseligkeit gegen Juden. Zweitens ist der Antisemitismusbegriff zu einer politischen Waffe zionistischer und prozionistischer Kräfte geworden. So gilt im bundesdeutschen Politmainstream bereits eine „unangemessene“ Kritik an Israel als „antisemitisch“. Wie viel Kritik an Israel angemessen ist, entscheiden dann die zionistischen und prozionistischen Kräfte. Die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz, ist heutzutage fast hundertprozentig prozionistisch, so wie sie zwischen 1933 und 1945 fast hundertprozentig antijüdisch war. „Solidarität mit Israel!“ ist für die deutsche Bourgeoisie taktisch klug und eine gute Waschanlage, um sich vom Dreck und Blut ihrer faschistischen Vergangenheit reinzuwaschen. Doch inzwischen sind die Hände der demokratischen deutschen Bourgeoisie reichlich beschmiert mit neuem Dreck und neuem Blut, wozu auch die mordbübische Solidarität mit Israel gehört. Die so genannten „Antideutschen“ sind in dieser Frage der Lautsprecher der deutschen Bourgeoisie.
Wir SozialrevolutionärInnen üben an Israel und am Zionismus die einzig angemessene Kritik, die für uns möglich ist: Wir sind für die Zerschlagung des Staates Israel durch die soziale Revolution, so wie alle Nationalstaaten als Machtapparate des Kapitals vom Weltproletariat zerschlagen werden müssen, wenn es sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien will. Die soziale Revolution ist die Zerschlagung von Nationalstaaten, aber nicht deren Neugründung. Deshalb bekämpfen wir auch den palästinensischen Nationalismus konsequent antinational. Denn jede bürgerliche Nation ist die Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Arbeit. Für Lohnabhängige ist der Staat somit die politische Verlängerung der kapitalistischen Fabrik. Nationale Befreiung reproduziert die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats. So werden jetzt die schwarzen ArbeiterInnen in Südafrika nicht mehr von den Bullen des Apartheit-Regimes massakriert, sondern von den Bullen des ANC-Regimes. Diese grundsätzliche antinationale Haltung ist eine weitere Besonderheit dieser Broschüre. Sie unterscheidet sich eindeutig vom nationalistischen Krampf, der auch von einem Großteil der kleinbürgerlichen politischen Linken produziert wird.
Bevor in der Broschüre der Kampf des jüdischen Proletariats im zaristischen Russland und im unabhängigen Zwischenkriegspolen beschrieben wird, stellen wir die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen.
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt im Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des dortigen Kapitalismus nicht möglich. Die in Osteuropa nichtmögliche Assimilation der Jüdinnen und Juden machte diese zum Hassobjekt einer feudal-kapitalistischen Sozialreaktion, besonders im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen. Pogrom ist ein russisches Wort, das in die Weltkultur einging. In diesen Pogromen wurden jüdische Geschäfte geplündert, jüdische Frauen vergewaltigt und jüdische Menschen ermordet. Für den Zarismus war die Organisation von Pogromen auch ein Blitzableiter, um die soziale Wut der Bauern, die durch feudale Ausbeutung und durch Unterdrückung des zaristischen Staates geschürt wurde, auf die Juden zu lenken. Auch Dank antijüdischer Pogrome konnte sich der überlebte Zarismus noch bis 1917 halten.
Die Juden in Osteuropa waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer Nichtassimilation durch den ökonomisch noch zu schwachen Kapitalismus weitgehend auf die jüdische Kleinindustrie bzw. dem jüdischen Kleinhandel angewiesen – die immer weniger in der Lage waren, die Menschen zu ernähren und zunehmend von der großkapitalistischen Konkurrenz vernichtet wurde, was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus. Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse.
Aber auch DemokratInnen betrieben im Westeuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine massive antijüdische Politik, die sich gegen die osteuropäisch-jüdische Emigration richtete. So beschloss zum Beispiel das britische Parlament im Jahre 1902 das Aliens Exclusion Bill.
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus, mit dem Ziel in Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen, war eine Reaktion des bürgerlichen Teils des Judentums auf dessen Nichtassimilation in Osteuropa und den wachsenden Antijudaismus in Westeuropa. Wie jeder bürgerliche Nationalismus, der sich noch keinen Staat schaffen konnte, strebte der Zionismus als Ideologie und Politik der jüdischen Bourgeoisie danach, das „eigene“ Kapital und die „eigene“ Arbeit erst noch ursprünglich zu einer nationalen Schicksalsgemeinschaft zu verschmelzen. Er war das Ziel der zionistischen Bourgeoisie das jüdische Proletariat selbstverantwortlich in einem „eigenen“ Staat auszubeuten. Damit war der Zionismus wie jeder Nationalismus objektiv der Hauptfeind des „eigenen“, in diesem Fall des jüdischen Proletariats, und für das Weltproletariat ein Feind unter vielen.
Wie jeder Nationalismus erzeugte der Zionismus den realen Schein und die Scheinrealität einer nationalen Schicksalsgemeinschaft, in diesem Fall zwischen jüdischer Bourgeoisie und jüdischem Proletariat. Der Zionismus hatte für den Weltkapitalismus die wichtige Funktion jüdische ArbeiterInnen überall auf der Welt von der Perspektive des gemeinsamen Klassenkampfes mit ihren nichtjüdischen KollegInnen abzulenken und das jüdische Proletariat für die Neugründung eines zionistischen Nationalstaates zu mobilisieren. Auch so genannte linke Strömungen im Zionismus, wie zum Beispiel die Hashomer Hatzair predigten vor dem nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden den jüdischen ArbeiterInnen in der kapitalistischen Welt, dass sie sich vom Klassenkampf fernhalten sollten – und auch vom aktiven Kampf gegen den Antijudaismus.
Durch die ideologische Offensive geistig total verwirrt, ist es bei einem nicht geringen Teil der kleinbürgerlichen politischen Linken in Deutschland Mode, den Zionismus gegen revolutionäre Kritik in Schutz zu nehmen. Er sei eine natürliche Reaktion auf den Antijudaismus. Das ist aufgrund der Tatsache, dass der Zionismus mit den schlimmsten Judenschlächtern systematisch paktierte, um seinen Judenstaat zu verwirklichen, eine sehr grobe Geschichtsfälschung. Der Zionismus trat manchmal in Worten gegen die rassistische Judenfeindschaft auf, aber in der Praxis wurde der erste durch den letzteren gestärkt. Der Judenhass diente den ZionistInnen als Beweis dafür, dass die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die bestehenden Staaten unmöglich wäre und deshalb ein besonderer jüdischer Staat gebraucht würde. So waren der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die bürgerliche Assimilation der jüdischen Bevölkerung in den westeuropäischen Nationalstaaten die beiden Hauptfeinde des Zionismus. Das sprachen die führenden ZionistInnen auch offen aus. So formulierte der ehemalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Zionistischen Weltorganisation, Nahum Goldmann: „Die Gefahr der Assimilation der jüdischen Gemeinschaft unter den Völkern, in deren Mitte sie leben, ist sehr viel ernster als die äußere Bedrohung durch den Antisemitismus.“ (Le Monde, 13.1.1966, zitiert nach Nathan Weinstock, Le sionisme contre israel, Paris 1966, S. 38.) Auch der Gründungsvater des Zionismus, Herzl, kämpfte nicht gegen den Antijudaismus, sondern predigte bereits 1895 die passive Anpassung an ihn, was dann später zum praktischen Programm des Zionismus wurde.
Die ZionistInnen stimmten vor der Staatsgründung Israels mit den Judenhassern darin überein, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland keine Deutschen, in Frankreich keine Franzosen usw. seien. Nun, als proletarische RevolutionärInnen fühlen wir uns auch nicht als Deutsche, Franzosen usw., sondern als Teil des globalen Proletariats, und wir bekämpfen sowohl die Integration von ProletarierInnen in den jeweiligen Nationalstaat, als auch die rassistische Ausgrenzung „ausländischer“ Klassengeschwister. Doch als der Zionismus als jüdischer Nationalismus in der Vergangenheit gegen die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die jeweiligen Nationalstaaten zu Felde zog, begünstigte er eindeutig den Antijudaismus. Ja, einige ZionistInnen paktierten offen mit den Judenhassern. Die Broschüre belegt eindeutig den grundsätzlich sozialreaktionären Charakter des Zionismus und dass dieser bereit war mit dem reaktionärsten Pack zusammenzuarbeiten, angefangen über den Zarismus, dem britischen Imperialismus und den italienischen Faschismus bis hin zu den deutschen Nazis.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden. Im Gegensatz zur groß- und kleinbürgerlichen Ideologieproduktion, für die Auschwitz die Symbolisierung des unerklärlichen Bösen darstellt, erläutern wir in dieser Broschüre wie die faschistische Irrationalität, die am brutalsten am industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen zum Ausdruck kommt, sich durchaus mit der Rationalität der Kapitalvermehrung verband und sowohl mit dem innerkapitalistischen Konkurrenzkampf als auch mit dem Klassenkampf von oben in enger Verbindung stand. So konnten sich deutsche „arische“ KapitalistInnen und KleinbürgerInnen bei der so genannten Arisierung der deutschen Wirtschaft jüdisches Kapital aneignen. Der faschistische Massenmord an den osteuropäischen Juden beendete auch deren Klassenkampf gegen den Antijudaismus.
Denn eine andere Folge der Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden Osteuropas war neben der Entstehung des Zionismus die Herausbildung eines besonderen jüdischen Proletariats in Osteuropa, welches vor und während der russischen Revolution von 1905 oft militante Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, staatliche Unterdrückung und mörderischen Antijudaismus in Form der Pogrome führte. Besonders in jenen Gebieten Osteuropas, welche sich der russische Zarismus einverleibt hatte, lebte ein besonders großes und klassenkämpferisches jüdisches Proletariat. Dieses jüdische Proletariat lebte, arbeitete und kämpfte in einem Gebiet, das sich von Litauen im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden und von Polen im Westen bis nach Weißrussland und der Ukraine im Osten erstreckte. Den Kampf dieses Proletariats beschreiben wir in der Broschüre genauer.
Ein bürokratisch und ideologisch entfremdeter Ausdruck dieses jüdischen klassenkämpferischen Proletariats im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen war die Existenz einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, des Bundes. Wir kritisieren den Bund als eine sozialdemokratische Partei, die auf der einen Seite einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und auf der anderen Seite eine proletarische Basis hervorbrachte, also die Klassenspaltung in den eigenen Reihen reproduzierte. Wir erkennen aber an, dass der Bund einen militanten Kampf gegen alle reaktionären Judenhasser führte: gegen den russischen Zarismus, gegen polnische Chauvinisten und gegen den deutschen Faschismus. Der Bund wurde jedoch auch immer jüdisch-nationaler im Verlauf seiner Entwicklung, was wir aus einer antinationalen Haltung heraus klar kritisieren. Auch muss beachtet werden dass auch jüdische Intellektuelle und ProletarierInnen Russlands und Polens außerhalb des Bundes in der russischen und polnischen ArbeiterInnenbewegung wirkten. Es ist bemerkenswert, dass die bekanntesten osteuropäisch-jüdischen Intellektuellen der internationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki, nicht Teil des Bundes waren. Das lehnten beide auf Grund ihres „proletarischen Internationalismus“ ab. Beide versuchten sich in die jeweiligen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen zu assimilieren. Aber beide blieben wegen ihrer Radikalität Außenseiter dieser institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – und beide waren auch unfähig diese wirklich zu verlassen wie die rätekommunistischen ArbeiterInnen und Intellektuellen. So blieben Luxemburg und Trotzki der kleinbürgerlich-radikale Rand der institutionalisierten Arbeiterinnenbewegung, eines Apparates, der schließlich auch sie ausspuckte und blutig zermalmte.
Der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, welcher natürlich von heutigen SozialrevolutionärInnen scharf dafür kritisiert werden muss, dass er nicht konsequent antinational war, wurde wegen ihrer Nichtintegration in die osteuropäischen Nationen besonders von osteuropäischen jüdischen ArbeiterInnen und Intellektuellen getragen. Bei diesen war der „proletarische Internationalismus“ eine relativ progressive sozialpsychologische Verarbeitung ihrer Nichtassimilation. Bürgerliche NationalistInnen projizierten ihren Hass auf die „vaterlandslosen Gesellen“ zunehmend auf das ganze Judentum. Auch Hitler gehörte zu ihnen. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Damit projizierte Hitler seinen Hass auf die jüdischen InternationalistInnen auf das gesamte Judentum, also auch auf Menschen, die sich in die jeweiligen bürgerlichen Nationalstaaten assimiliert hatten und sich auch in den jeweils herrschenden Nationalismus integriert hatten oder einem jüdischen Nationalismus (Zionismus) frönten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch gegen den proletarischen Internationalismus. Durch die Staatswerdung des Zionismus und dessen Dominanz im Judentum geriet auch die progressive Tradition jüdischer InternationalistInnen in Vergessenheit. Wir verteidigen kritisch das progressive Erbe der jüdischen InternationalistInnen gegen Antijudaismus und Zionismus.
Nein, die Nazis haben die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus nicht erfunden. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie ließ am 15. Januar 1919 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch die Freikorps ermorden. Als ideologische Vorbereitung dieses Mordes veröffentlichte die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts am 12. Januar 1919 ein antikommunistisches, rassistisches und antijüdisches Gedicht, in dem die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus“ hochgekocht wurde, indem die beiden bolschewistischen Funktionäre Trotzki und Radek bei ihren kaum bekannten jüdischen Namen benannt wurden: „Ich sah der Massen mörderischer Streife,/ sie folgten Karl, dem blinden Hödur nach,/ sie tanzten nach des Rattenfängers Pfeife,/ die ihnen heuchlerisch die Welt versprach./ Sie knieten hin vor blutigen Idolen,/ bauchrutschend vor der Menschheit Spott und Hohn,/ vor Russlands Asiaten und Mongolen,/ vor Braunstein (Trotzki), Luxemburg und Sobelsohn (Radek)./ O, kehret um ihr aufgehetzten Horden!/ Ihr ruft nach Freiheit, nur um sie zu morden.“ (Vorwärts Nr. 34, 12.1.1919.) Die deutsche Sozialdemokratie als Wegbereiterin des faschistischen Antijudaismus!
Viele jüdische RevolutionärInnen fielen der kapitalistischen Konterrevolution und dem deutschen Faschismus als deren ultrafanatischen Höhepunkt zum Opfer. Ihnen haben wir unsere Broschüre gewidmet. Ihr Kampf gegen Kapitalismus, Antijudaismus und Zionismus ist auch unser Kampf. Nieder mit dem Bündnis aus deutscher Bourgeoisie und dem zionistischen Regime Israels! Hoch, die antinationale Solidarität!

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Auschwitz und die Staatsgründung Israels https://swiderstand.blackblogs.org/2013/04/09/auschwitz-und-die-staatsgruendung-israels/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/04/09/auschwitz-und-die-staatsgruendung-israels/#respond Tue, 09 Apr 2013 07:53:43 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=56 Wir veröffentlichen hier einen Auszug aus der Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ über Auschwitz und die Staatsgründung Israels. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.


Die Exodus bei ihrer Ankunft im Hafen von Haifa, 20. Juli 1947
Der faschistische Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden stärkte ausgerechnet jene politische Strömung innerhalb der jüdischen Weltbewegung, die am reaktionärsten war und auch kaum gegen den faschistischen Judenhass wirklich ankämpfte: den Zionismus. Keine politische Kraft instrumentalisiert Auschwitz für reaktionäre Ziele so pervers wie der jüdische Nationalismus und der Staat Israel. Doch zur historischen Wahrheit gehört auch, dass der Zionismus mit den deutschen Nazis paktierte. Untersuchen wir also das Wechselverhältnis zwischen Auschwitz und dem Zionismus als Vorgeschichte des Staates Israel.
Die deutsche Zionistische Vereinigung für Deutschland (ZVfD) führte in der Weimarer Republik noch nicht mal einen antifaschistischen Kampf – einen revolutionären Kampf konnte sie als bürgerliche Organisation natürlich nicht führen – gegen die Nazis. Der Historiker Stephen Poppel führte in seinem Buch Zionism in Germany aus, dass die Jüdische Rundschau, die Zeitung des ZVfD „bis 1931 nicht damit begann, sich systematisch und detailliert mit der antijüdischen Agitation und Gewalt auseinander zu setzen“. (Stephen Poppel, Zionism in Germany 1897-1933. The Shaping of a Jewish Identity, The Jewish Publication Society, Philadelphia 1977, S. 119.) Das ist noch sehr gelinde ausgedrückt. So drückte der führende ZVfD-Funktionär Siegfried Moses das Desinteresse des deutschen Zionismus an der Bekämpfung des Antijudaismus aus: „Für uns ist eben die Bekämpfung des Antisemitismus nicht eine zentrale Aufgabe von gleich bleibender Tragweite und gleich bleibenden Gewicht, wie es für uns die Palästina-Arbeit und in etwas anderem Sinne auch die Gemeindearbeit ist.“ (Jüdische Rundschau vom 25.7.1930.) Hier wird deutlich ausgesprochen, dass für die ZionistInnen der Kampf um einen jüdischen Staat in Palästina stets Vorrang gegenüber den (bürgerlichen) Kampf gegen den Antijudaismus hatte.
Deshalb konnten die deutschen ZionistInnen auch keinen gemeinsamen Kampf mit jüdischen AssimilationistInnen, die sich als „Deutsche“ sahen, gegen den Antijudaismus führen. Der bürgerliche Kampf gegen den Antijudaismus ist der Kampf für die Integration der Juden in die bestehenden Nationalstaaten und dessen Verteidigung. Doch der Zionismus strebte die Gründung eines jüdischen Nationalstaates an und bekämpfte die Assimilation stärker als den Antijudaismus (siehe dazu Kapitel I.4). Er stimmte mit dem Nazi-Antijudaismus darin überein, dass Juden in Deutschland keine „Deutschen“ seien. Nun, aus antinational-sozialrevolutionärer Sicht waren sowohl die die jüdischen AssimilationistInnen als auch die ZionistInnen bürgerliche NationalistInnen. Doch einen antinational-sozialrevolutionären Standpunkt, der im erklärten Ziel der Zerschlagung aller Nationalstaaten zum Ausdruck kommt, vertrat damals nur eine verschwindend kleine Minderheit in Deutschland. Aber nur ein solcher hätte dem praktischen Kampf gegen den Nazi-Antijudaismus die nötige geistige Klarheit geben können. Doch einen solchen Kampf hätte nur ein sozialrevolutionäres Proletariat führen können. Doch den ersten revolutionären Anlauf des modernen Proletariats in Deutschland wurde von Sozialdemokratie und Partei-„Kommunismus“ in Blut und Sozialreformismus erstickt. Diese Niederlage noch in den Knochen wurde das Proletariat in Deutschland von SPD und „K“PD in die kampflose Kapitulation gegenüber den Nazis geführt.
Doch wenn nicht das Proletariat – und jüdische ArbeiterInnen als Teil von ihm – die Nazis stoppen konnte, so konnten es bürgerliche Juden erst recht nicht. Den jüdischen AssimilationistInnen in Deutschland wurde der materielle Boden entzogen, als der Nationalsozialismus die Assimilation der Juden in Deutschland rückgängig machte. Die ZionistInnen des ZVfD erhofften sich davon anfangs noch eine Stärkung des jüdischen Nationalismus und boten den Nazis die Zusammenarbeit an. Dabei gaben sie den Nazis noch Recht in ihrem Antijudaismus und bezogen klar Stellung gegen die bisherige Assimilation der Juden in der Weimarer Republik. So heißt es in der offiziellen Äußerung der Zionistischen Vereinigung für Deutschland zur Stellung der Juden im neuen deutschen Staat vom 21. Juni 1933: „Der Zionismus täuscht sich nicht über die Problematik der jüdischen Situation, die vor allem in der anormalen Berufsschichtung und in dem Mangel einer nicht in der eigenen Tradition verwurzelten geistigen und sittlichen Haltung besteht. Der Zionismus erkannte schon vor Jahrzehnten, dass als Folge der assimilatorischen Entwicklung Verfallserscheinungen eintreten mussten, die er durch die Verwirklichung seiner, das jüdische Leben von Grund aus ändernden Forderung zu überwinden sucht. Wir sind der Ansicht, dass eine den nationalen Staat wirklich befriedigende Antwort auf die Judenfrage nur herbeigeführt werden kann, wenn die auf gesellschaftliche, kulturelle und sittliche Erneuerung der Juden hinzielende jüdische Bewegung dabei mitwirkt, ja, dass eine solche nationale Erneuerung erst die entscheidenden sozialen und seelischen Voraussetzungen für alle Regelungen schaffen muss. Der Zionismus glaubt, dass eine Wiedergeburt des Volkslebens, wie sie im deutschen Leben durch Bindung an die christlichen und nationalen Werte erfolgt, auch in der jüdischen Volksgruppe vor sich gehen müsse. Auch für den Juden müssen Abstammung, Religion, Schicksalsgemeinschaft und Artbewusstsein von entscheidender Bedeutung für seine Lebensgestaltung sein. Dies erfordert Überwindung des im liberalen Zeitalter entstandenen egoistischen Individualismus durch Gemeinsinn und Verantwortungsfreudigkeit.“ (Zitiert nach: Lenni Brenner, Zionismus und Faschismus, a.a.O., S. 351.) Diese „Äußerung“ des deutschen Zionismus gipfelte im Bekenntnis: „Der Zionismus will die Auswanderung der Juden nach Palästina so gestalten, dass dadurch eine Entlastung der jüdischen Position in Deutschland erfolgt.“ (Ebenda, S. 352.)
Der 1937 Deutschland verlassende Rabbi und Zionist Joachim Prinz schrieb über die allgemeine Stimmung des Zionismus während der ersten Monate 1933 in Deutschland: „Jeder in Deutschland wusste, dass nur die Zionisten die Juden gegenüber der Nazi-Regierung verantwortlich vertreten konnten. Wir alle waren sicher, dass die Regierung eines Tages eine Konferenz mit den Juden am runden Tisch einberufen würde, auf der – nachdem die Unruhen und Grausamkeiten der Revolution vorbei wären – der neue Status der deutschen Juden diskutiert werden könnte. Die Regierung erklärte höchst feierlich, dass es kein anderes Land in der Welt gäbe, das so ernsthaft versuchte, das Judenproblem zu lösen wie Deutschland. Lösung der Judenfrage? Das war unser zionistischer Traum! Wir hatten das Bestehen der Judenfrage nie bestritten! Dissimilation? Das war unser eigener Aufruf! (…) In einer Erklärung, bemerkenswert für ihren Stolz und Würde, forderten wir eine Konferenz.“ (Joachim Prinz, Zionism under the Nazi Goverment, in: Young Zionist vom November 1937.)
Und die Nazis begünstigten auch die ZionistInnen gegenüber anderen jüdischen Strömungen, so ähnlich wie die weißen Sklavenhalter in den USA die Haussklaven gegenüber den Feldsklaven begünstigten. Die deutschen Nazis traten auch mit der Zionistischen Weltorganisation in Geschäftsbeziehungen, welche jüdische Menschen und jüdisches Geld nach Palästina brachten (siehe dazu Kapitel I.7). Nein, es ist nicht übertrieben, wenn wir den Zionismus als Hauptfeind des jüdischen Proletariats bezeichnen. Stets war er bereit dazu, mit den größten europäischen Judenmördern zu paktieren, dadurch das jüdische Proletariat gegenüber dem mörderischen Antijudaismus zu entwaffnen und es in Palästina auf dessen palästinensischen Klassengeschwister zu hetzen. Dadurch kreuzten sich in den 1930er Jahren der nationalsozialistische Antijudaismus und der Zionismus bei der bürgerlichen Lösung der so genannten „Judenfrage“.
Am weitesten in der Kollaboration mit dem deutschen Faschismus gingen die deutschen zionistischen RevisionistInnen, die eine Fraktion innerhalb des ZVfD darstellten. Die deutschen RevisionistInnen interpretierten die Machtübergabe an Hitler durch die deutsche Bourgeoisie als Niederlage ihrer ideologischen jüdischen Gegner und als Bestätigung ihrer eigenen zionistisch-faschistischen Ideologie. Sie gingen in ihrer Anpassung an die Nazis noch wesentlich weiter als der Rest des ZVfD und deren Sprachrohr, die Jüdische Rundschau. Sie begannen auch den Stil der Nazis zu imitieren.
Als der jüdische Bankier Georg Kareski sah, wie seine nichtjüdischen Klassengeschwister und ehemaligen Anhänger der einstigen katholischen Zentrumspartei mit den Nazis paktierten oder sich diesen sogar anschlossen, wurde er von dem Wunsch beseelt zum zionistischen Schwanz des deutschen Faschismus zu werden. Kareski wurde Revisionist und bald ihr Führer. Im Mai 1933 organisierte er sogar einen Putschversuch gegen die Berliner Jüdische Gemeinde, den Richard Lichtheim so beschrieb: „Der von Natur aus rücksichtslose und zur Demagogie neigende Georg Kareski war der Ansicht, die Zionisten hätten die Gelegenheit verpasst, sich durch einen revolutionären Akt an die Spitze des deutschen Judentums zu stellen. Mit Hilfe einer Anzahl junger Leute vom ,Betar‘ (paramilitärische Organisation des zionistischen Revisionismus, Anmerkung von Nelke) (…), ,besetzte‘ Kareski im Jahre 1933 das Gebäude der Jüdischen Gemeinde in Berlin, musste sich aber bald wieder entschließen, es zu räumen, da Gemeindemitglieder nicht mitspielen wollten. Die Folge dieses törichten Streichs war sein Ausschluss aus der Z.V.f.D. Anfangs hatte Kareski wohl geglaubt, dass der Zeitgeist solches Vorgehen verlange und dass die überlebten Vorstellungen des bürgerlich-liberalen Judentums auf so gewaltsame Weise zugunsten der zionistisch-nationalen Auffassung korrigiert werden müssten. In den folgenden Jahren geriet er in ein bedenkliches Abhängigkeitsverhältnis zur Gestapo, der er sich mitsamt seiner Betar-Gruppe als den wahren Repräsentanten der dem Nationalsozialismus entsprechenden radikal-zionistischen Auffassung zu empfehlen suchte…“ (Richard Lichtheim, Die Geschichte des deutschen Zionismus, Verlag Rubin Mass, Jerusalem 1954, zitiert nach: Lenni Brenner, Zionismus und Faschismus, a.a.O., S. 184.)
Die RevisionistInnen wurden nach dem missglückten Putsch in der Berliner Jüdischen Gemeinde aus dem ZVfD ausgeschlossen. Kareski formierte den deutschen Revisionismus zur Staatszionistischen Organisation. Die organisatorische Abspaltung in Deutschland beschleunigte auch die internationale Loslösung des Revisionismus von der Zionistischen Weltorganisation WZO. 1934 gründeten die RevisionistInnen die Neue Zionistische Organisation (NZO) (siehe dazu das Kapitel I.4). In Deutschland führten die RevisionistInnen unter Kareski mit Unterstützung der Nazis einen regelrechten Krieg gegen ihre zionistische Konkurrenz. Durch die internationale Abspaltung des Revisionismus von der WZO standen die revisionistischen Juden auch außerhalb des sozialökonomischen Paktes zwischen WZO und dem deutschen Faschismus, das in den 1930er Jahren jüdisches Geld und jüdische Menschen aus Deutschland nach Palästina transformierte. Das Palästina-Amt, das Auswanderungsbüro der Jewish Agency mit Sitz in Berlin-Charlottenburg, bekam von der WZO die Anweisung, Betar-Mitglieder von der Erteilung eines Ausreisezertifikats nach Palästina auszuschließen. Daraufhin gingen die revisionistischen StaatszionistInnen mit körperlicher Gewalt gegen die Mitglieder des ZVfD vor. Die StaatszionistInnen beschimpften ihre Konkurrenz von der ZVfD als „marxistische Schweine“. Die Nazis schlossen im Juni 1934 zeitweise das ZVfD-Hauptgebäude. Die StaatszionistInnen wendeten sich an die Nazis mit der Bitte ihnen das Palästina-Amt zu übergeben. Die deutschen FaschistInnen bevorzugten in der Regel den Staatszionismus gegenüber dem ZVfD, aber der letztere machte den Nazis klar, dass der WZO die Übergabe des Palästina-Amtes an den Revisionismus nicht akzeptieren würde und es im Folge davon keine Palästina-Zertifikate mehr für deutsche Juden geben würde und damals wollte die NSDAP-Führung die Juden noch vertreiben und noch nicht vergasen. So gaben sie in dieser Frage nach.
Aber ansonsten begünstigte der Nationalsozialismus den Staatszionismus. So informierte am 13. April 1935 die Gestapo die normale Polizei, Kareskis Anhänger bekämen von nun an „ausnahmsweise und stets widerrufbar, die Erlaubnis, ihre Mitglieder, (…), innerhalb ihrer Räumlichkeiten Uniformen tragen zu lassen, (…), da die Staatszionisten sich als diejenige Organisation erwiesen haben, die versuchte, ihre Mitglieder auf jede mögliche Art und Weise, selbst illegal, nach Palästina zu bringen und die durch ihre ehrliche Arbeit für die Emigration den Interessen der Reichsregierung an einer Entfernung der Juden aus Deutschland auf halbem Weg entgegenkommt. Das Erlaubnis zum Tragen von Uniformen soll die Mitglieder der deutsch-jüdischen Organisationen anspornen, sich den staatszionistischen Jugendgruppen anzuschließen, in denen sie stärker dazu gedrängt würden, nach Palästina zu emigrieren.“ (Kurt Grossmann, Zionists and non-Zionists under Nazi Rule in the 1930s, in: Herzl Yearbook, Vol. 4 (1961/62), S. 341/342.)
Die Kollaboration der deutschen RevisionistInnen mit den Nazis war für den internationalen Führer des Revisionismus, Jabotinky, zu viel. Während er die Zusammenarbeit der italienischen RevisionistInnen mit dem Duce tolerierte, war er nicht dazu bereit, die Kollaboration seiner deutschen Anhänger mit den Nazis politisch zu decken. Er wurde zu einem Kritiker des Hitlerfaschismus und griff die Kollaboration der WZO mit dem deutschen Faschismus hart an (siehe dazu Kapitel I.7). Jabotinsky konnte auch den wichtigen revisionistischen Führer und zeitweiligen glühenden Hitlervehrer Abba Achimeir davon überzeugen, dass es nicht klug war, Hitler weiter öffentlich zu loben. Doch Kareski wurde zum zionistischen Schwanz der Nazis. Trotzdem war er auf dem Kongress der revisionistischen Weltorganisation, NZO, 1935 in Wien ein gern gesehener Gast. Lenni Brenner schrieb über die Beziehung Kareskis zum internationalen Revisionismus: „Als die Revisionisten sich entschieden hatten, den Boykott gegen die Nazis zu unterstützen, hatten sie ihren deutschen Ableger formal aus der Bewegung ausgeschlossen, um ihn zu schützen und so war es offensichtlich, dass Kareski dort (dem NZO-Kongress in Wien 1935, Anmerkung von Nelke), war, um im Auftrag der Gestapo gegen den Boykott zu intervenieren. Die besorgte Mitgliedschaft wollte sich von den Staatszionisten distanzieren und erzwang eine Resolution, dass es unter den gegebenen Umständen keine revisionistische Bewegung in Deutschland gab und geben konnte. Kareski beging den Fehler, zu dem darauf folgenden Betar-Kongress in Krakau in Begleitung eines bekannten jüdischen Gestapo-Agenten anzureisen und einige deutsche Betarim unterrichteten Jabotinsky davon. Man forderte Kareski auf, den Kongress zu verlassen und Jabotinsky war gezwungen, ihn aufzufordern, sich öffentlich zu rechtfertigen und jede Verbindung zu den Nazis zu dementieren. Später jedoch, im Jahre 1936, benutzte Jabotinsky Kareski als Vermittler gegenüber einem deutschen Verlagshaus, das die Rechte an einem seiner Bücher hielt. Jabotinsky übernahm nach den Ereignissen in Krakau keine weitere Verantwortung für Kareski, doch solange er in Deutschland war, hielt Kareski Kontakt zu der Minderheit in der weltweiten revisionistischen Bewegung, die sich weiterhin mit seiner pro-nazistischen Linie einverstanden erklärte…“ (Lenni Brenner, Zionismus und Faschismus, a.a.O., S. 195/196.)
Durch das Paktieren des Zionismus mit dem deutschen Faschismus wurde dessen massenmörderischer Antijudaismus nicht im Geringsten abgeschwächt. Im Gegenteil, er half den Nazis dabei den kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen vorzubereiten und zu organisieren. Indem der Zionismus in den 1930er Jahren die Vertreibung der deutschen Juden und Jüdinnen zusammen mit den Nazis organisierte, stumpfte er selbst den bürgerlich-jüdischen Widerstand in Deutschland ab – abgesehen davon, dass er sich mal wieder als Hauptfeind des jüdischen Proletariats erwies. Dadurch hat der Zionismus indirekt Auschwitz mit vorbereitet.
Nicht wenige zionistische PolitikerInnen übten sich während des Judenpogroms in Deutschland vom 9/10. November 1938 darin, den Nazi-Terror kleinzureden, und sich gegen den Aufnahme von deutschen Juden und Jüdinnen in anderen westlichen Nationalstaaten zu wenden – weil sie nicht wollten, dass sich die internationale jüdische Spendenbereitschaft von Palästina weg- und Europa zuwende. So schrieb der Zionist Ben Gurion im Dezember 1938 an andere ZionistInnen: „Wenn die Juden zwischen den Flüchtlingen, der Rettung von Juden vor den Konzentrationslagern und der Unterstützung des Aufbaus eines Nationalmuseums in Palästina wählen müssen, wird das Mitleid die Oberhand gewinnen, und die ganze Energie der Menschen wird in die Rettung von Juden aus den verschiedenen Ländern fließen. Der Zionismus wird von der Tagesordnung gestrichen werden (…). Wenn wir eine Trennung zwischen dem Flüchtlings- und dem Palästinaproblem zulassen, dann setzen wir die Existenz des Zionismus aufs Spiel.“ (Zitiert nach Arie Bober, The Other Israel, New York 1972, S. 171.)
Aus diesem Grunde stellte sich auch Ben Gurion am 7. Dezember 1938 gegen einen britischen Plan, der nach den Judenpogromen vom 9./10. November vorsah, die Einwanderung mehrerer tausend deutsch-jüdischer Kinder zu genehmigen: „Wenn ich wüsste, dass es durch Transporte nach England möglich wäre, alle (jüdischen) Kinder zu retten, durch Transporte nach Palästina aber nur die Hälfte, würde ich mich für Letzteres entscheiden. Denn wir müssen nicht nur das Leben dieser Kinder abwägen, sondern auch die Geschichte des Volkes Israel.“ (Zitiert nach John Rose, Mythen des Zionismus, a.a.O., S. 220/221.) Die Rettung von Juden vor der industriellen Vernichtung war für den Zionismus zweitrangig, das wichtigste war für ihn jüdische Menschen und jüdisches Geld nach Palästina zu bringen.
Aus demselben Grunde taten zionistische FunktionärInnen alles, als die ersten Informationen über den industriellen Massenmord an den europäischen Juden in das Ausland drangen, um das Ausmaß des faschistischen Terrors zu verharmlosen und kleinzureden. Die ersten Berichte über Judenmorde des deutschen Imperialismus in der Ukraine erschienen in der westlichen Presse im Oktober 1941. Im Januar 1942 veröffentlichte der jetzt wieder mit Deutschland verfeindete sowjetische Imperialismus einen ausführlichen Bericht über den faschistischen Judenmord in der Ukraine, die so genannte „Molotow-Verlautbarung“. Die WZO in Palästina bezeichnete die „Molotow-Verlautbarung“ als „bolschewistische Propaganda“. (Yoav Gelber, Zionist Policy and the Fate of European Jewry (1939-1942), Yad Vashem Studies, Vol. XIII, S. 190.)
Vom Zionismus wird heute die Organisation der illegalen Auswanderung einer Minderheit von europäischen Juden und Jüdinnen während ihrer industriellen Massenvernichtung als ihr Beitrag bezeichnet, um diesen Massenmord abzumildern. In Wirklichkeit verstärkten die ZionistInnen mit der Auslese – wer nach Palästina durfte und wer sterben musste –den Klassencharakter des faschistischen Judenmordes. Die ZionistInnen –und das gilt sowohl für die „ArbeiterInnenzionistInnen“ als auch für die RevisionistInnen – retteten nicht die kranken, schwachen, alten, assimilierten und armen Jüdinnen und Juden, sondern nur gesunde, junge Juden und möglichst hebräisch sprechende ZionistInnen. In Ungarn kam es zu einer direkten Kollaboration des Zionismus mit den Nazis bei der Organisierung des kapitalistisch-industriellen Massenmordes an den ungarischen Jüdinnen und Juden. Als die Nazis am 19. März 1944 Ungarn besetzten, bedeutete das für 450 000 ungarische Juden den Tod. Für die Deportation der ungarischen Juden in die NS-Vernichtungslager war Adolf Eichmann verantwortlich. Er war sehr besorgt, dass die Todeszüge mit ungarischen Juden zu Aufständen in Ungarn führen könnten. Doch zum Glück der Nazis gab es den kooperationsbereiten ungarischen Zionisten Rezso Kasztner. Der Deal bestand darin, dass ein Zug von Kasztner ausgewählter Juden in die „neutrale Schweiz“ fahren konnte, während er den Nazis half, die für die Deportation notwendige Ordnung herzustellen.
Eichmann beschrieb den Deal mit Kasztner folgendermaßen: „Dieser Dr. Kasztner war ein junger Mann etwa in meinem Alter, ein eiskalter Anwalt und fanatischer Zionist. Er erklärte sich bereit, dabei behilflich zu sein, die Juden davon abzuhalten, sich gegen die Deportation zu wehren – und sogar für Ordnung in den Sammellagern zu sorgen – wenn ich beide Augen zudrücken und ein paar Hundert oder Tausende jungen Juden erlauben würde, illegal nach Palästina auszuwandern. Das war ein gutes Angebot. 15.000 oder 20.000 Juden – letztlich könnten es auch ein paar mehr gewesen sein – für Ordnung in den Lagern, der Preis erschien mir nicht zu hoch. (…) Ich glaube, dass Kasztner Tausende oder Hunderttausende von seinem Blut geopfert hätte, um sein politisches Ziel zu erreichen. Er interessierte sich nicht für die alten Juden oder für die, die sich in der ungarischen Gesellschaft assimiliert hatten. Aber er versuchte unglaublich hartnäckig, biologisch wertvolles jüdisches Blut zu retten – das heißt menschliches Material, das zu harter Arbeit und zur Fortpflanzung geeignet war. So sagte er: ,Sie können die anderen haben, aber geben sie mir diese Gruppe.‘ Und da Kasztner uns einen großen Dienst erwiesen hatte, indem er uns half, die Deportationslager ruhig zu halten, ließ ich diese Gruppe entkommen. Schließlich gab ich mich nicht mit kleinen Gruppen von eintausend Juden oder so ab.“ (Adolf Eichmann, I Transported Them tot he Butcher, in: Life vom 5. Dezember 1960, S. 146.)
Nirgendwo kreuzten sich die zwei reaktionären Lösungswege der so genannten „Judenfrage“, der des faschistischen Massenmordes und der zionistische eines jüdischen Staates so offensichtlich wie in Ungarn. Im Jahre 1944 fuhren viele Züge mit Juden aus Ungarn heraus. Die meisten Juden wurden in den Tod transportiert. Doch ein Zug mit zionistischer Prominenz sicherte für diese das Überleben. Kasztner sicherte das Überleben der zionistischen Prominenz Ungarns und half dafür den Nazis, andere ungarische Juden und Jüdinnen zu vergasen. Und Kasztner war der SS dafür so dankbar, dass er auch nach dem Zweiten Weltkrieg zu Gunsten des SS-Obersturmführers Hermann Krumey, der in Nürnberg auf seinen Prozess wartete, eidesstattlich versicherte: „In einer Zeit, da Leben und Tod vieler von ihm abhingen, hat Krumey seine Pflichten in einem lobenswerten Geist guten Willens verrichtet.“ (Zitiert nach Lenni Brenner, Zionismus und Faschismus, a.a.O., S. 341.) Kasztner verhinderte auch, dass SS-Oberst Becher gehenkt wurde, indem er eidesstattlich behauptete, dass dieser Nazi alles Menschenmögliche getan habe, um die Juden zu retten.
Am 14. Mai 1948 wurde der zionistische Staat Israel proklamiert. In ihm lebten Überlebende der faschistischen Judenverfolgung und die zionistischen Kollaborateure zusammen. Das führte notwendigerweise zu sozialen Konflikten. Diese wurden, so wie es sich für die einzige Demokratie im Nahen Osten gehört, auf rechtstaatliche Weise gelöst. Im Jahre 1953 führte die Regierung von Ben-Gurion einen Prozess gegen den Flugblattautor Malchiel Gruenwald wegen Beleidigung. Gruenwald hatte in einem Flugblatt richterweise Kasztner als Kollaborateur bezeichnet. Doch Kasztners Kollaboration mit dem deutschen Faschismus befand sich im Einklang mit der Hauptlinie des Zionismus. Deshalb stellte sich der „ArbeiterInnenzionismus“ mit der ganzen Autorität des israelischen Staates hinter ihn. Doch die Fakten sprachen zu sehr gegen Kasztner –und damit gegen den Zionismus und den Staat Israel. Am 21. Juni 1953 entschied der Richter Halevi, dass Kasztner nicht verleumdet worden war, dass dieser jedoch bei seinen Taten nicht von der Absicht auf finanziellen Gewinn geleitet worden sei. Doch die „ArbeiterInnenzionistInnen“ konnten das Urteil nicht akzeptieren und gingen in Revision, denn mit Kasztner könnten sie jetzt alle potenziell ungestraft als Kollaborateure bezeichnet werden. Der Revision wurde stattgegeben, und der Streit vor Gericht ging in eine neue Runde.
Es ging also dem israelischen Rechtstaat in den 1950er Jahren darum, dass mensch zionistische Kollaborateure mit dem deutschen Faschismus nicht so nennen durfte. Selbstverständlich konnte Kasztner in der einzigen Demokratie im Nahen Osten für die Mitorganisation des Mordes an 450 000 ungarischen Juden nicht rechtstaatlich zur Verantwortung gezogen werden. Doch er wurde zu Verantwortung gezogen. Am 3. März 1957 wurde Kasztner von Zeev Eckstein erschossen. Eckstein wurde, wie es sich für einen demokratischen Rechtstaat gehört, wegen Mordes verurteilt. Doch mit Kasztners Tod war die rechtstaatliche Klärung der Frage, ob mensch zionistische Kollaborateure mit dem Nationalsozialismus in Israel auch ungestraft so nennen durfte, noch nicht beendet. Das Gericht entschied am 17. Januar 1958 mit drei gegen zwei Stimmen, dass Kasztners Verhalten während des Zweiten Weltkrieges in Ungarn nicht als Kollaboration bezeichnet werden könne. Es entschied aber mit allen fünf Stimmen, dass Kasztner Meineid begannen habe, als er zu Gunsten von SS-Oberst Becher intervenierte.
Der israelische Generalstaatsanwalt Chaim Cohen musste während des Prozesses offen zugeben: „Eichmann, der Vernichtungschef, wusste, dass die Juden sich friedlich verhalten und keinen Widerstand leisten würden, wenn er ihnen erlaubte, die prominenten Persönlichkeiten unter ihnen zu retten, dass der ,Zug der Prominenten‘ auf Eichmanns Anweisung hin organisiert wurde, um die Ausrottung des ganzen Volkes zu erleichtern.“ Die zionistische Elite Ungarns blieb am Leben und half dafür den Nazis die ungarischen Juden und Jüdinnen zu ermorden. Doch Cohen betrachtete das Verhalten von Kasztner zu Recht im Einklang stehend mit dem Gesamtverhalten des Zionismus während des kapitalistisch-industriellen Massenmordes an den europäischen Juden und Jüdinnen: „Kasztner hat nicht mehr und nicht weniger getan, indem er diese Juden gerettet und nach Palästina gebracht hat … Man darf es riskieren –eigentlich ist man dazu verpflichtet, dieses Risiko einzugehen –viele zu verlieren, um einige zu retten… Es war immer unsere zionistische Tradition, bei der Organisation der Emigration die wenigen aus den vielen herauszufiltern. Aber sind wir deshalb Verräter?“ (Zitiert nach Lenni Brenner, Zionismus und Faschismus, a.a.O., S. 340.)
Lenni Brenner schrieb über die Verteidigung von Kasztner durch den Arbeiterzionismus: „Der Verrat eines einzelnen Zionisten an den Juden hätte keinerlei besondere Bedeutung gehabt: Keine Bewegung ist verantwortlich für die Taten Abtrünniger. Doch die Arbeiterzionisten betrachteten Kasztner nie als Verräter. Im Gegenteil, sie bestanden darauf, dass, wenn er schuldig wäre, sie es auch wären.“ (Lenni Brenner, Zionismus und Faschismus, a.a.O., S. 342.) Ja, die so genannten „ArbeiterInnenzionistInnen“ gehörten zu den Todfeinden des Weltproletariats! Wir stimmen Lenni Brenner auch im Folgenden zu: „Doch der bei weitem wichtigste Aspekt der Kasztner-Gruenwald-Affäre lag darin, dass durch sie die Arbeitsphilosophie der WZO während der gesamten Nazizeit offengelegt wurde: die Inkaufname des Verrats an vielen im Interesse einer selektiven Immigration nach Palästina.“ (Ebenda.) Der Verrats-Begriff passt hier nicht. Zionistische PolitikerInnen waren und sind wie alle anderen auch nur ihren eigenen Interessen und denen der Kapitalvermehrung verpflichtet. Sie schufen einen jüdischen Staat und gingen dabei über unzählige jüdische und palästinensische Leichen. ZionistInnen den Verrat an Juden vorzuwerfen, heißt einen jüdisch-nationalen Standpunkt einzunehmen.
Doch dieses Kapitel wäre unvollständig wenn wir nicht noch kurz auf den Aufstand im Warschauer Ghetto im April 1943 eingehen würden, über den wir noch ausführlicher im Kapitel III.2 schreiben werden. Dieser Aufstand stand unter jungzionistischer Führung. Wir sind keine AntifaschistInnen, welche SozialreaktionärInnen abfeiern, sobald diese sich gegen den Faschismus wenden. Den Zionismus kritisieren wir grundsätzlich als sozialreaktionäre jüdisch-nationalistische Ideologie und Praxis, weshalb wir auch die zionistische Führung des Aufstandes im Warschauer Ghetto als dessen reaktionäre Tendenz ansehen. Wir reden durch diese Analyse keineswegs die progressive Tendenz des Aufstandes klein. Es ist klar, dass die prozionistische Geschichtsschreibung besonders den Aufstand im Warschauer Ghetto in den leuchtensten Farben ausschmückt, um die Geschichte der Kollaboration des Zionismus mit dem deutschen Faschismus vor und während des kapitalistisch-industriellen Massenmordes an den europäischen Jüdinnen und Juden zu überpinseln. Auf die Rolle der überwiegend zionistischen Judenräte im faschistisch besetzten Polen gehen wir noch ausführlicher im Kapitel III.2 ein.
Fazit: Der Zionismus half dabei Auschwitz zu organisieren und heute instrumentalisiert er den kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden für seinen massenmörderischen Imperialismus, der ohne Gaskammern als Mordinstrumente auskommt und deshalb im Rahmen des demokratischen Antifaschismus fleißig relativiert und verharmlost werden kann. Die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete und ehemals faschistische Bourgeoisie, ihre „antideutschen“ Lakaien und weitere moralisierende antifaschistische KleinbürgerInnen stehen fest an der Seite Israels. Sie stehen hinter jenem Israel, was nichts anderes als ein durch antipalästinensischen Rassismus zusammengehaltenes Zwangskollektiv aus Kapital und Arbeit ist. Linke „AntiimperialistInnen“ unterstützen mehr oder weniger „kritisch“ den palästinensischen Nationalismus. Jenen palästinensischen Nationalismus, der wie jeder andere sozialreaktionär ist, der der Hauptfeind des palästinensischen und ein Feind des Weltproletariats darstellt und starke antijüdisch-chauvinistische Tendenzen hat. Wir SozialrevolutionärInnen Deutschlands und Israels bereiten die Sprengung dieser zwei Nationalstaaten durch das Proletariat vor, während unsere palästinensischen GesinnungsgenossInnen gegen die Neugründung eines palästinensischen Staates kämpfen. Alle Staaten müssen sterben, damit wir leben können. Hoch die antinationale Solidarität!

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Inhalt

Einleitung

I. Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

1. Das Judentum und der Antijudaismus
2. Die Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden in Osteuropa
3. Die jüdische Emigration aus Osteuropa
4. Der Zionismus
5. Der sozialrevolutionäre Universalismus und die nationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen
6. Die jüdische institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung
7. Faschismus, jüdischer Widerstand und Zionismus
8. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden
9. Auschwitz und die Staatsgründung Israels
10. Den toten jüdischen ProletarierInnen lebendig gedenken

II. Der Kampf des jüdischen Proletariats in Russland

1. Der Zarismus, das jüdische Proletariat und der Zionismus
2. Antijudaismus und Zionismus im russischen BürgerInnenkrieg (1918-1921)

III. Der Kampf des jüdischen Proletariats in Polen (1918-1945)

1. Jüdisches Proletariat und Zionismus in Polen (1918-1939)
2. Das jüdische Proletariat und der polnische Zionismus unter der faschistischen Besatzung (1939-1945)

I. Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Um den Kampf des jüdischen Proletariats in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verstehen, ist es notwendig sich die so genannte „jüdische Frage“ in diesem Zeitraum zu veranschaulichen.

1. Das Judentum und der Antijudaismus

Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen. Joachim Kahl bemerkt zu Recht: „So umfassend wurden die Juden ausgerottet, dass die Katastrophe dieser Jahre auf faschistische Pogrome unter Hitler vorausweist.“ (Joachim Kahl, Das Elend des Christentums, 1968/1993 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, S. 48.)
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Der Kirchenreformator schrieb in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen im Jahre 1543: „Erstlich, dass man ihre Synagoga oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich … Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre… Zum dritten, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten… Zum vierten, dass man ihren Rabbinern bei Leib und Seele verbiete hinfort zu lehren…, dass man ihnen verbiete, bei uns und dem Unsern öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren, bei Verlust Leibes und Lebens… Und nochmals, dass ihnen verboten werde, den Namen Gottes vor unsern Ohren zu nennen…, der Juden Maul soll nicht wert gehalten werden bei uns Christen, dass es Gott sollte vor unseren Ohren nennen, sondern, wer es von den Juden hört, dass er`s der Obrigkeit anzeige oder mit Saudreck auf ihn werfe… Zum fünften, dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe… Zum sechsten, dass man ihnen den Wucher verbiete und nehme ihnen alle Barschaft und Kleinode an Silber und Gold, und lege es beiseite zu verwahren… Zum siebten, dass man den jungen, starken Juden und Jüdinnen in die Hände gebe Flegel, Axt, Spaten… und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiße der Nasen…“(Zitiert nach Hans-Joachim Kraus, Kirche und Synagoge, in: Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Eine Vorlesungsreihe. Hamburg 1961, S. 45 f.) Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die evangelische Reformation des Christentums war eine bürgerliche Veränderung der Religion, als ideologischer Überbau des damaligen Handels- und Manufakturkapitalismus, der sich im Schoße der feudalen Gesellschaft entwickelte. Die Reformation in Deutschland war also ein ideologischer Ausdruck der sozialen Emanzipationsbestrebungen der deutschen Bourgeoisie gegenüber der Feudalgesellschaft. Luther war der Ideologe der sich entwickelnden deutschen Bourgeoisie. Die Bourgeoisie stand zwischen feudaler Reaktion und der antifeudalen und in Ansätzen schon antibürgerlichen kleinbürgerlich-vorindustrieproletarischen Straßenbewegung. So lange sie nicht die sozialökonomische und politische Macht besaß, gegen feudale Reaktion und antifeudal-antibürgerliche Straßenbewegung die Staatsmacht zu ergreifen, unterstützte die Bourgeoisie die erstere gegen die letztere, wenn diese zu radikal auftrat. Das geschah auch im deutschen BäuerInnenkrieg (1524-1526), wo sich die deutsche Bourgeoisie mit der feudalen Reaktion gegen die aufständischen BäuerInnen und das damalige Land- und Stadtproletariat verbündete. Dieses Bündnis wurde auch von Luther ideologisch in seiner Hetze gegen die aufrührerischen BäuerInnen reproduziert. Seinen Antijudaismus und seine Hetze gegen die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Straßenbewegung kann mensch also als feudal-bürgerliche Sozialreaktion bezeichnen.
In England und Frankreich entwickelte sich die jeweilige Bourgeoise zu einer so starken sozialökonomischen und politischen Macht, dass sie im 17. Jahrhundert (England) und Ende des 18. Jahrhunderts (Frankreich) gegen feudale Sozialreaktion und die antifeudal-antibürgerliche Straßenbewegung die Staatsmacht erobern konnte. Besonders die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt in Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des Kapitalismus nicht möglich (siehe dazu Kapitel I.2), was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus (siehe Kapitel I.3). Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse. Hier ein Zitat von Hitler, was das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.
Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“ Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte.
Der antijüdische negative Geldfetischismus wurde von den Nazis in einen völkischen „Antikapitalismus“ transformiert, der zwischen „arischen“ schaffenden Kapital und jüdischen „raffenden“ Kapital unterschied. Dabei konnte der deutsche Faschismus an die sonstige bürgerliche Ideologieproduktion anknüpfen, unter anderem vom Mythos des „produktiven“ Kapitals im Gegensatz zum Geldkapital. Indem der moderne Industriekapitalist zur Vermehrung seines Kapitals beim Bankkapital einen Kredit aufnimmt, muss der Profit, welcher vom Proletariat produziert wird, zwischen Industrie- und Bankkapital geteilt werden. Die Zinsen für den Kredit zahlt der Industriekapitalist aus dem Profit. Industrielles und zinstragendes Kapital leben also beide von der Ausbeutung des Proletariats, welches den Profit produziert. Produktiv ist weder der Industrie- noch der Bankkapitalist, sondern das Proletariat. Der bürgerliche Mythos vom „produktiven“ Industriekapitalisten im Gegensatz zum „raffenden“ Bankier verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats. Dieser Mythos muss nicht zwangsläufig eine ideologische Begründung des Antijudaismus liefern, aber im konkreten Fall der Nazis und vieler anderer Judenhasser tat er es. Es ist aber sachlich falsch, wenn linke WertkritikerInnen und „Antideutsche“ die ideologische Gegenüberstellung von „produktivem“ Kapital und Geldkapital generell als „strukturellen Antisemitismus“ bezeichnen. Antijüdisch wird diese ideologische Gegenüberstellung nur dann, wenn das moderne zinstragende Geldkapital sozialdemagogisch mit dem Judentum gleichgesetzt wird, so wie es der europäische Antijudaismus sehr massenwirksam zwischen 1929 und 1945 tat.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden (siehe Kapitel I.8).
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus (siehe zu diesem Kapitel I.4), schuf im Jahre 1948 einen Nationalstaat (siehe Kapitel I.9). Dieser jüdische Nationalstaat ist so wie jeder andere grundsätzlich sozialreaktionär. Ja, der Zionismus war eine sozialreaktionäre Lösung der so genannten „jüdischen Frage“, indem er eine „palästinensische Frage“ schuf. Das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk existiert heute nicht mehr. Es ist vollständig in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft aufgespalten. Das Judentum ist heute in den modernen Kapitalismus und die internationale imperialistische Weltordnung integriert. In Israel bildet es eine Staatsnation. In den meisten bürgerlichen Nationalstaaten sind die Juden und Jüdinnen weitgehend assimiliert und bilden eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Doch es gibt noch immer Antijudaismus, sowohl in Europa als auch in arabischer Form. Der arabische Antijudaismus ist typischer Chauvinismus des völkisch-nationalen Konkurrenzkampfes, der teilweise auch ideologisch an den „alten“ europäischen Antijudaismus anknüpft. Der Kampf gegen Antijudaismus und Zionismus bleibt also eine wichtige Aufgabe für SozialrevolutionärInnen überall auf der Welt (siehe Kapitel I.10).

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