kritik der wissenschaft – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Thu, 06 Feb 2025 16:34:15 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png kritik der wissenschaft – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://swiderstand.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritikdestrotzkismus/ Wed, 09 Aug 2023 10:48:31 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=657 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

Innerhalb des Privatkapitalismus betrieb und betreibt der Trotzkismus eine Politik des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus einschließlich von Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie und dem Marxismus-Leninismus. Besonders letzteres war selbstmörderisch. So war der Trotzkismus in Vietnam in den 1930er Jahren relativ stark. Doch er ging eine Einheitsfront mit den StalinistInnen ein. Letztere bauten in den 1940er Jahren die Guerillaorganisation Viet Minh auf, die auch blutig gegen TrotzkistInnen vorging.

Nach Trotzkis Ansicht hätte auch in Deutschland nur eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus die Machtübergabe an die Nazis verhindern können. Eine Einheitsfront aus jenen zwei bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten, die real arbeitsteilig-konkurrenzförmig die kampflose Kapitulation des Proletariats organisiert hatten?! Wirkliche RevolutionärInnen traten für den selbstorganisierten Klassenkampf – unabhängig von und gegen die Partei- und Gewerkschaftsapparate – gegen Weimarer Republik und Nazis ein. Aus revolutionärer Perspektive hätte der Faschismus in Deutschland nur verhindert werden können, wenn das Proletariat die Weimarer Republik vor der Machtübertragung an die Nazis revolutionär zerschlagen und damit die Voraussetzung für eine klassen- und staatenlosen Gemeinschaft geschaffen hätte. Sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteiapparate konnten und können nur den Kapitalismus in privater oder verstaatlichter Form reproduzieren.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Jahre 1933 hielt Trotzki die von Moskau geführte „Kommunistische“ Internationale nicht mehr für reformierbar. Er trat jetzt für den Aufbau einer „Vierten Internationale“ ein, die offiziell 1938 gegründet wurde und später in mehrere globalen trotzkistischen Zusammenschlüsse zerfiel. Heute ist der Trotzkismus in seinen Hauptströmungen stark sozialdemokratisiert. So wirken in Deutschland in der Partei Die Linke, die einige Bundesländer und Kommunen mitregiert, also zum Politpersonal der Bourgeoisie gehört, auch einige TrotzkistInnen mit. Auch die radikalere trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die die Anpassung anderer Trotzkismen an Die Linke scharf kritisiert, nimmt selbst am politischen Wahlzirkus teil. Bei parlamentarischen Wahlen sind ProletarierInnen nichts als Stimmvieh, die ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, ermächtigen zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Indem die SGP an Parlamentswahlen teilnimmt, hilft sie dabei das demokratische Regime in diesem Land zu reproduzieren, auch wenn sie keine Chance auf Parlamentsmandate hat.

Die meisten trotzkistischen Strömungen erzeugen zum Beispiel in der BRD Illusionen in die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die durch das Tarifvertragsgeschäft, das Sitzen ihrer FunktionärInnen in den Aufsichtsräten der Konzerne (Wirtschaftsdemokratie) sowie in den sozialpartnerschaftlich-reformistischen Betriebs- und Personalräten (Arbeitsdemokratie) tief in das deutsche Nationalkapital und in viele Einzelkapitale als Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung integriert sind. Zwar schimpfen die TrotzkistInnen auf die Gewerkschaftsbürokratie, doch erzeugen die meisten von ihnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit der Gewerkschaften. Ja, TrotzkistInnen übernehmen ehren- und gar hauptamtliche Funktionen in ihnen.

Antipolitische SozialrevolutionärInnen gehen von einem antagonistischen Klassengegensatz in den Gewerkschaften aus. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen bilden – und auf der anderen Seite die lohnabhängige Basis. Dieser Klassengegensatz entfaltet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Oft entwickelt sich in längeren, noch offiziell von den Gewerkschaften „geführten“ Arbeitsniederlegungen die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite. In wilden Streiks, die sich ohne oder gar gegen die Gewerkschaften entwickeln, kommt die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats klar zum Ausdruck. Sowohl auf informelle Weise als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees.

Gewerkschaftsfeindliche SozialrevolutionärInnen können in nichtrevolutionären Zeiten Mitglieder in Gewerkschaften sein. Sie dürfen aber keine Illusionen in deren sozialemanzipatorische und klassenkämpferische Reformierbarkeit schüren und keine ehren- oder gar hauptamtliche Funktionen in ihnen übernehmen. SozialrevolutionärInnen streben langfristig die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaften an.

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Neue Broschüre: Kritik der Globalen Politik I https://swiderstand.blackblogs.org/2022/09/03/neue-broschuere-kritik-der-globalen-politik-i/ Sat, 03 Sep 2022 12:04:02 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=444 Unsere neue Broschüre „Kritik der Globalen Politik I“ (ca. 135 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Allgemeine Betrachtung über die sozialreaktionäre kapitalistische Modernisierung
1. Die industriekapitalistische Produktionsweise
2. Die bürgerlichen Staaten und ihr Internationalismus
3. Bürgerliche Staatsformen und politische Parteien
4. Staatsinterventionismus
5. Imperialismus und nationale „Befreiung“ als Durchsetzungsformen des Weltkapitalismus
6. Reproduktiver Klassenkampf und Gewerkschaften
7. Der Parteimarxismus als kapitalistische Modernisierungsideologie
8. Kapitalistisches Patriarchat und bürgerliche Frauenemanzipation
9. Der nachmarxistische und nachanarchistische Kommunismus

Krieg und Frieden in Afghanistan
1. Afghanistan zwischen Britisch-Indien und Russland
2. Afghanistan nach dem Zweiten Weltkrieg
3. Der marxistisch-leninistische Staatsstreich
4. Die internationale Aufrüstung des Islamismus
5. Die Intervention des sowjetischen Imperialismus
6. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen
7. Der US-Imperialismus und Al-Qaida
8. Die westliche Besatzung von Afghanistan
9. Die sozialökonomische und politische Entwicklung in Afghanistan unter westlicher Besatzung
10. Die Taliban wieder an der Macht
11. Afghanistan im Zusammenhang des zweiten Kalten Krieges

Der Libanon in der Krise
1. Kurze Geschichte des Libanon
2. Die tiefe Krise des Libanon ab 2019
3. Die Explosion der organisierten Verantwortungslosigkeit
4. Die soziale Protestbewegung vom 17. Oktober 2019
5. Die langfristige sozialrevolutionäre Krisenlösung

Politische Machtkämpfe in Bolivien
1. Das linksreaktionäre Morales-Regime
2. Der rechtsreaktionäre Putsch
3. Das rechtsreaktionäre Regime
4. Der erneute Wahlsieg der Linksreaktion
5. Fazit

Die bürgerlichen Staaten und ihr Internationalismus

Der bürgerliche Staat ist im Privatkapitalismus (siehe zum Staatskapitalismus Kapitel 7) der ideelle Gesamtkapitalist, der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Er übt sowohl ein Geld- als auch ein Gewaltmonopol aus. Als politischer Gewaltapparat überführt er das Geld in seine Nationaluniform, die Währung. In der Europäischen Union (EU), einer imperialistischen Zweckgemeinschaft einiger Staaten dieses Kontinents, haben sich mehrere Länder auf die gemeinsame Währung des Euro, geeinigt. Die grenzenlos-expansive Vermehrung des Geldes in seiner jeweiligen Nationaluniform ist das oberste Staatsprogramm der politischen Gewaltapparate. Der bürgerliche Staat formiert die Einzelkapitale auf seinem Territorium zum gesellschaftlichen Gesamtkapital, zum Nationalkapital.
Das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates sorgt für inneren Frieden. Auch in Demokratien kümmern sich hochgerüstete Geheimdienste und Bullerei darum, dass das Staatsvolk, die Nation, friedlich bleibt. Die Nation ist ein Kunstprodukt kapitalistischer Politik. Sie ist eine lediglich indirekte Vergesellschaftung der untereinander konkurrierenden Marktsubjekte und der gegeneinander kämpfenden Klassen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – über Ware-Geld-Beziehungen und den politischen Gewaltapparat. Eine Nation ist eine scheinbare Gemeinschaft und ein gemeinschaftlicher Schein. Letzterer wird durch die Ideologie des Nationalismus erzeugt. Er produziert die Illusion, dass UnterdrückerInnen und Unterdrückte, AusbeuterInnen und Ausgebeutete, einer untrennbaren Schicksalsgemeinschaft angehören können. Nationen beruhen also nicht nur auf politische Gewalt – verkörpert im Nationalstaat –, sondern auch auf die ideologische Illusion einer Gemeinschaft. Die bürgerlichen Marktsubjekte – einschließlich der ProletarierInnen (siehe Kapitel 1) – fliehen aus der Kälte des Konkurrenzindividualismus in die scheinbare Wärme der Nation.
Viele kapitalistische Nationen berufen sich ideologisch auf dominierende Sprach- und Kulturgemeinschaften, zum Beispiel der Staat BRD auf die deutsche Sprache und Kultur. Die vorkapitalistisch entstandenen Sprach- und Kulturgemeinschaften sind jedoch nicht mit den kapitalistischen Nationen identisch. Besonders deutlich wird das bei Nationen, die ursprünglich aus ganz vielen unterschiedlichen Sprach- und Kulturgemeinschaften zusammengesetzt wurden, wie die US-amerikanische. Manchmal ist auch eine bestimmte Religion besonders eng mit bestimmten Sprach- und Kulturgruppen verbunden. Eine solche Rolle füllt zum Beispiel in Polen der Katholizismus aus. Oder der Hindunationalismus in Indien, der sich besonders aggressiv gegen die muslimische Minderheit im Land richtet. Gemeinsame Religion, Sprache und Kultur sollen die Menschen ideologisch verbinden, die sich als Marktsubjekte und unterschiedliche Klassen gegeneinander bekämpfen.
Und das gelingt auch in der Regel in relativ stabilen kapitalistischen Nationen – solange der Klassenkampf zwischen Kapital und Lohnarbeit reproduktiv (siehe Kapitel 6) und auch der Konkurrenzkampf zwischen den politischen Strömungen friedlich bleibt. Ist letzteres nicht mehr gewehrleistet, dann sind das staatliche Gewaltmonopol und die Einheit der Nation durch BürgerInnenkrieg gefährdet. Durch solche innerstaatlichen Gemetzel fühlen sich natürlich auch oft ausländische Staaten eingeladen, sich bewaffnet in die BürgerInnenkriege einzumischen. Wir werden das am Beispiel des afghanischen und libanesischen BürgerInnenkrieges ausführlicher beschreiben (siehe die Kapitel 3-9 des Textes Krieg und Frieden in Afghanistan sowie das Kapitel 1 der Schrift Der Libanon in der Krise).
Innerstaatlicher Frieden erfordert also ein praktisch durchgesetztes staatliches Gewaltmonopol. Es sichert, dass sich die StaatsbürgerInnen als Konkurrenzsubjekte legal nicht gegenseitig verprügeln und töten dürfen. Illegal machen sie das natürlich in einem gewissen Umfang. Der innere Frieden in kapitalistischen Staaten ist also gewissermaßen ein latenter BürgerInnenkrieg niederer Intensität. Legal zuschlagen und töten dürfen nur die offiziellen Hooligans des Staates, die Bullen, SoldatInnen und GeheimdienstlerInnen.
Der bürgerliche Staat ist Schiedsrichter des permanenten Konkurrenzkampfes der Einzelkapitale und der Marktsubjekte. In dieser Funktion als ideeller Gesamtkapitalist macht er den Einzelkapitalen und Konkurrenzindividuen Vorgaben, was sie im ständigen Gegeneinander tun dürfen und was nicht.
Als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung schützt er alle Eigentumsformen der Warenproduktion grundsätzlich gegen das eigentumslose Proletariat. Am Anfang illegalisierten auch demokratische Staaten den proletarischen Klassenkampf total. Inzwischen kontrollieren demokratische Staaten durch ein Streikrecht, ein Tarifvertragssystem und in die Nationalkapitale integrierte bürgerlich-bürokratische Gewerkschaftsapparate wesentlich besser und effektiver das klassenkämpferische Proletariat (siehe Kapitel 6).
Als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung nimmt der bürgerliche Staat auch direkt und indirekt an der Ausbeutung der Lohnarbeit teil. Besitzt der Staat industrielle Produktions-, Transport und Verkehrsmittel, mit und an denen LohnarbeiterInnen Mehrwert produzieren, den sich der politische Gewaltapparat aneignet, dann reden wir von Staatskapitalismus. Staatsbesitz an Aktien an oder von gesamten kapitalistischen Unternehmen ist institutionelles Eigentum. Nicht individuelle Personen besitzen Produktionsmittel oder Anteile an kapitalistischen Unternehmen, sondern der überpersönliche politische Gewaltapparat. Aber die regierenden BerufspolitikerInnen und das Management verstaatlichter kapitalistischer Unternehmen üben die EigentümerInnenfunktionen des Staates aus. Besitzt der politische Gewaltapparat nur eine Minderheit der industriellen Produktionsmittel beziehungsweise der Aktien, dann haben wir eine staatskapitalistische Tendenz innerhalb des Privatkapitalismus vor uns. Übt der Staat jedoch ein Eigentumsmonopol in der Industrie aus, dann ist dies Ausdruck einer staatskapitalistischen Produktionsweise (siehe Kapitel 7).
Neben den Mehrwert produzierenden ProletarierInnen in Staatsfirmen beutet der politische Gewaltapparat auch im Privatkapitalismus auch die Arbeitskraft von staatlich dienenden Lohnabhängigen aus. Letztere produzieren weder Tausch- noch Mehrwert, sondern Gebrauchswerte. Zum Beispiel vermitteln die LehrerInnen in staatlichen Schulen das jeweilige Wissen, was die Arbeitskräfte, Marktsubjekte und StaatsbürgerInnen in ihren Funktionen unbedingt benötigen. Oder die Bullen, die für den Staat für „innere Sicherheit“ sorgen. Diese staatlich dienenden Lohnabhängigen sind klassenmäßig von den regierenden BerufspolitikerInnen, die als ManagerInnen des Staates zur Bourgeoisie gehören, getrennt. Letztere halten die großen Reden und werden auch wesentlich besser bezahlt als die staatlich dienenden LohnarbeiterInnen, obwohl diese die eigentliche Arbeit verrichten. Darin besteht die Ausbeutung der staatlich dienenden Lohnabhängigen durch den politischen Gewaltapparat, auch wenn sie keinen Mehrwert produzieren, sondern aus dem staatlich angeeigneten Mehrwert bezahlt werden. Staatlich dienende Lohnabhängige werden vom dialektischen Widerspruch beherrscht, dass sie einerseits teilweise repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat vorgehen – zum Beispiel die Bullen – anderseits aber auch einen reproduktiven Klassenkampf um Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen gegen das regierende BerufspolitikerInnentum als Management des ideellen Gesamtkapitalisten führen.
Durch die Besteuerung seiner BürgerInnen eignet sich der bürgerliche Staat indirekt einen Teil des Mehrwertes an. Besteuert der politische Gewaltapparat den Geldlohn, dann lässt er faktisch Mehrwert für sich produzieren und realisieren. Bei der Besteuerung des Konsums der Lohnabhängigen verwandelt er einen Teil des Lohnes in staatlich angeeigneten Mehrwert. Die Steuern, die die Bourgeoisie – KapitalistInnen, ManagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen – zahlt, stellt eine Umverteilung des Mehrwertes an den politischen Gewaltapparat dar. Sowohl die besteuerten Gewinne der KapitalistInnen sowie die Gehälter der ManagerInnen, hohen BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen als auch die Steuern, die die Bourgeoisie auf ihren Konsum zahlt, haben die Lohnabhängigen erarbeitet. Die Lohnabhängigen werden also nicht nur als Steuerzahlende, sondern auch als SteuerproduzentInnen vom kapitalistischen Staat ausgebeutet. Die Steuern, die das produktions- und handelsmittelbesitzende KleinbürgerInnentum (KleinbäuerInnen, HandwerkerInnen, KleinhändlerInnen und FreiberuflerInnen) auf dessen Gewinn und Konsum zahlt, hat es sowohl teilweise selbst erarbeitet als auch stammt es zu einem anderen Teil aus dem Mehrwert, den die von ihm ausgebeuteten Lohnabhängigen produziert und realisiert haben.
Der politische Gewaltapparat verteilt den angeeigneten Mehrwert um. Ein Teil fließt als eine Art Soziallohn an die Lohnabhängigen zurück. Das sind die scheinbar kostenlosen beziehungsweise zwar gebührenpflichtigen, aber nicht kostendeckenden Dienstleistungen des Staates an die Lohnabhängigen, wie zum Beispiel der Schulunterricht auch für proletarische Kinder. Scheinbar kostenlos sind diese Dienstleistungen, weil die Lohnabhängigen sie ja in ihrer Funktion als Steuerzahlende und SteuerproduzentInnen erarbeitet haben. Teilweise bekommen auch nichtlohnarbeitende Schichten des Proletariats wie Erwerbslose und RentnerInnen als ehemalige LohnarbeiterInnen steuerfinanzierte staatliche Transferzahlungen. Zum Beispiel in Deutschland an Langzeitarbeitslose und staatliche Finanzflüsse an die gesetzliche Rentenversicherung. Ein anderer Teil der staatlichen Zahlungen an Erwerbslose und RentnerInnen stammt also in der BRD aus der gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Außerdem gibt es in Deutschland noch die Kranken-, die Pflege- und die Unfallversicherung. Bis auf die Unfallversicherung zahlen sowohl die Lohnarbeit anmietenden „ArbeitgeberInnen“ als auch die Lohnabhängigen Beiträge. Aber natürlich wurden auch die Beiträge der AusbeuterInnen an die gesetzlichen Sozialversicherungen von den Lohnabhängigen selbst erarbeitet. Der Soziallohn und die Transferzahlungen an die nichtlohnarbeitenden Schichten des Proletariats stellen nichts anderes als staatliche Elendsverwaltung und das Eingeständnis dar, dass der ausgezahlte Geldlohn nicht zur biosozialen Reproduktion des Proletariats bei allen möglichen Risiken des Daseins im Kapitalismus ausreicht. Große Teile der politischen Linken bekommen es fertig, den Sozialstaat für „fortschrittlich“ zu halten, obwohl er auf der sozialreaktionären kapitalistischen Ausbeutung von Lohnarbeit beruht.
Ein anderer Teil des staatlich angeeigneten Mehrwertes fließt als Subvention an das Privatkapital. Übrigens stellen Staatsaufträge an das Privatkapital keine Umverteilung des Mehrwertes, sondern die Umwandlung seiner Form dar. Der Staat eignet sich den Mehrwert in Form von Geld an. Kauft er jetzt bei privatkapitalistischen Rüstungsunternehmen Mordwerkzeug ein, dann hat er nun ein Mehrprodukt zum Tauschwert des von ihm bezahlten Preises. Bezahlt der politische Gewaltapparat aber einen viel höheren Preis für Rüstungsgüter, als die eigentlich wert sind, dann haben wir es mit einer versteckten Subvention zu tun. In hoch entwickelten kapitalistischen Industriestaaten entwickelte sich ein Militärisch-Industrieller Komplex aus Militär, Politik sowie privatkapitalistischen Rüstungs- und SöldnerInnenfirmen heraus. Der Militärisch-Industrielle Komplex ist ein Ausdruck des kapitalistischen Imperialismus. Unter modernem Imperialismus verstehen wir die ökonomische, politisch-diplomatische, propagandistisch-ideologische und militärisch-kriegerische Expansion sowohl von einzelnen Nationalkapitalen/-staaten als auch von Blöcken (zum Beispiel EU und NATO als kollektive Organe des westlichen Imperialismus).
Der Imperialismus ist eine aggressiv-expansive Form des bürgerlichen Internationalismus. Letzterer ist die globale Interaktion der Nationalkapitale und -staaten. Die globale Interaktion der Nationen beruht auf kooperativer Konkurrenz und konkurrenzförmiger Kooperation der Nationen. Sowohl der Frieden zwischen Staaten als nichtmilitärische Form der Konkurrenz als auch der Krieg sind Ausdrucksweisen des bürgerlichen Internationalismus. Der bürgerliche Frieden trägt in sich den imperialistischen Krieg wie die Wolke den Regen. Im Weltkapitalismus kann der Frieden nur Zwischenkrieg sein. Der Frieden bereitet den nächsten Krieg und der Krieg den nächsten Frieden vor. Ein Ausschluss des Krieges und eine kollektive freiwillige Abrüstung der kapitalistischen Staaten bei deren Weiterexistenz ist das größte Ideal des kleinbürgerlichen Pazifismus, welches jedoch an der Realität der zwischenstaatlichen Konkurrenz nur scheitern kann. Es gibt nur eine Möglichkeit der globalen Abrüstung der Staaten: ihre Zerschlagung durch die Weltrevolution und die Herausbildung einer klassen- und staatenlosen planetaren Solidargemeinschaft (siehe Kapitel 5 der Schrift Der Libanon in der Krise). Dieses Ziel stellt sich der sozialrevolutionäre Universalismus als Todfeind des bürgerlichen Nationalismus und Internationalismus.
Ökonomischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus ist der Welthandel und der produktive Kapitalexport (ausländische Direktinvestitionen). Politischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus und zugleich die Verkörperung der größten Ideale der Weltbourgeoisie, wie der Weltfrieden, die Menschenrechte und des Völkerrechtes stellen die Vereinten Nationen (UNO) dar. Bevor wir die UNO auseinandernehmen – vorerst leider nur theoretisch – wollen wir uns die drei genannten Ideale der Weltbourgeoisie etwas genauer ansehen. Die „Bewahrung des Weltfriedens“, welche sich die UNO auf ihre Fahnen schreibt, ist natürlich eine Fata Morgane der bürgerlichen Ideologieproduktion. Irgendwo auf dieser kapitalistisch-durchgeknallten Welt wird der Konkurrenzkampf immer militärisch ausgetragen. Und das, was nicht existieren kann, kann natürlich auch nicht bewahrt werden. In einer Zeit, wo die imperialistischen Staaten über Massenvernichtungswaffen verfügen, mit der sie die ganze Weltbevölkerung auslöschen können, ist die Verhinderung eines atomaren Overkills das Einzige, was bisher möglich war. Und diese Möglichkeit beruht einzig auf der Gewissheit, dass in einem direkten Krieg zwischen Atomwaffenstaaten derjenige, der als erster den Atomcolt zieht, als zweiter stirbt. Aber die indirekten Stellvertreterkriege gingen im ersten und zweiten Kalten Krieg munter weiter (siehe die Texte über Afghanistan und den Libanon).
Die Menschenrechte sind das größte Ideal der Weltbourgeoisie. Also schauen wir uns diese genauer an. Sie sind die ideologisierte Praxis der Staaten, nämlich festzulegen, welche Rechte ihre Insassen haben. Rechte sind staatlich anerkannte Bedürfnisse. Menschenrechte beruhen also auf dem staatlichen Gewaltmonopol. Nach dem Ideal haben alle Menschen in der kapitalistischen Internationale – die Gesamtheit der bürgerlichen Nationalstaaten – die gleichen Rechte. Was sie jedoch in der Geschichte nicht hatten. Am Anfang des Kapitalismus hatten Frauen zum Beispiel nicht die gleichen Rechte wie Männer. Und in den USA, die sich von Anfang an zu den Menschenrechten bekannten, wurden „schwarze“ Menschen sogar bis 1865 versklavt und auch später hatten sie lange nicht die gleichen Rechte wie „weiße“ StaatsbürgerInnen. Das Gleiche gilt für die amerikanischen UreinwohnerInnen, die massakriert, vertrieben und in Reservate interniert wurden.
Aber selbst, wo alle Menschen gemäß dem Ideal in einem bürgerlichen Staat die gleichen Rechte haben, dann kann das nur die rechtliche Gleichheit auf der Grundlage sozialer Ungleichheit sein. So haben in einem bürgerlichen Rechtsstaat alle Menschen das Recht kapitalistische Unternehmen zu gründen. Das ist die rechtliche Gleichheit. Die soziale Ungleichheit sorgt dafür, dass Bourgeois kapitalistische Unternehmen gründen und die ProletarierInnen in ihnen ausgebeutet werden. In Frankreich, wo die Bourgeoisie, als sie Ende des 18. Jahrhunderts an die politische Macht kam (siehe Kapitel 3), die heiligen Menschenrechte verkündete, verbot sie im Namen dieses heiligsten Ideals dem Proletariat jegliche Klassenkampforganisation. Damit sagte sie ganz unverblümt: Die Menschenrechte sind unvereinbar mit den Klasseninteressen des Proletariats. Heute sagt das die Bourgeoisie meistens nicht mehr so deutlich. Umso wichtiger ist es, dass diese Tatsache von proletarischen RevolutionärInnen unmissverständlich in der größten Klarheit ausgesprochen wird. Es ist unmöglich, eine Revolution gegen den Kapitalismus zu machen mit bürgerlichen Idealen im Kopf. Nur SozialdemokratInnen betteln bei der Bourgeoisie für Menschenrechte auch für ProletarierInnen. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats ist dagegen mit der praktizierten bürgerlichen Ideologie der Menschenrechte unvereinbar.
Aber für das politisierte KleinbürgerInnentum sowie für das sozialreformistische Bewusstsein des Proletariats stellen die Menschenrechte selbstverständlich auch das Heiligste des Heiligen dar. Es ist das ideale Maß, an der die Praxis des staatlichen Gewaltmonopols gemessen wird. Wie gesagt, die Menschenrechte sind die ideologisierte Praxis des staatlichen Gewaltmonopols. Globale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben dann auch nichts Grundsätzliches am Gewaltmonopol der bürgerlichen Staaten auszusetzen. Sie kritisieren lediglich die „unverhältnismäßige“ Gewalt der offiziellen Hooligans des Staates, wobei sie zu Vertreterinnen eines gesunden Verhältnisses staatlicher Gewalt werden. Was es natürlich nur in der Ideologie geben kann. So fordern die menschenrechtsbewegten KleinbürgerInnen immer von den repressiven Staatsorganen, deren Job es ist, Menschen im Auftrag des Staates zu verletzen und zu töten, doch bitteschön die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben einzuhalten. Ein Fulltimejob in einer kapitalistischen Konkurrenz- und Klassengesellschaft, in der sich die Menschen permanent verletzen und töten. Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Leben gilt in der Ideologie universal, indem es praktisch permanent nicht gilt. Das Verletzen von Menschen ist im Kapitalismus Alltag, das Verletzen von Menschenrechten dagegen ein schweres Verbrechen. Das einzige Menschenrecht, was wirklich praktisch universell gilt, ist das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln, welches in der Praxis das Recht ist, eigentumslose proletarische Menschen auszubeuten. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Eine soziale Revolution ist auch eine gegen die Menschenrechte als ideologisierte Praxis und praktizierte Ideologie des Kapitalismus!
Indem das höchste Organ des bürgerlichen Internationalismus, die UNO, sich zu der weltweiten Geltung der Menschenrechte bekennt, ist sie ein Subjekt des Menschenrechtsimperialismus. Sie ist berechtigt, sich im Namen der Menschenrechte in die Nationalstaaten einzumischen und diese wegen Verletzung dieses heiligsten Ideals zu kritisieren. Dieses Recht maßt sich auch der westliche Menschenrechtsimperialismus an. Da die Menschenrechte universell sind, sind auch nach westlichen IdeologInnen EU und NATO für deren globalen Durchsetzung zuständig. So formulierte die Außenministerin des deutschen Imperialismus, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), zum Beispiel: „Das ist doch die Stärke der Menschenrechte: Unteilbarkeit, egal an welchen Fleckchen der Welt man lebt.“ (Zitiert nach junge Welt vom 2. Juni 2022, S. 4). Menschen, ihr seid arme Schweine! Egal, wo ihr lebt, den Baerböcken (m/w/d) des
westlichen Menschenrechtsimperialismus werdet ihr nicht entkommen!
Indem imperialistische Staaten sich für die Menschenrechte in anderen Nationen zuständig fühlen, dehnen sie das, was sie im eigenen nationalen Laden gewohnheitsmäßig tun, nämlich die Rechte ihrer BürgerInnen durch ihren politischen Gewaltapparat zu bestimmen, auch auf das konkurrierende Ausland aus. Sie stellen fest, dass andere Staaten die universellen Menschenrechte ihrer StaatsbürgerInnen nicht anerkennen und interpretieren das als Recht, sich im Namen des heiligsten Ideals des Globus in die inneren Angelegenheiten der betreffenden Nationen einzumischen. Dies kann sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Sind die Beziehungen zu einem Staat eher kooperativ, dann kann die Aufforderung der westlich-imperialistischen MenschenrechtsfreundInnen an andere Nationen, doch bitte schön die Menschenrechte einzuhalten, in einem Nebensatz untergebracht werden. Überwiegt aber die Konkurrenz, wie zum Beispiel im Verhältnis des kollektiven Westens zu Russland und China im zweiten Kalten Krieg, dann kann eine richtige aggressive Kampagne im Namen der Menschenrechte geführt werden. Dies ist dann nichts anderes als propagandistisch-ideologischer Imperialismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen sowohl den westlichen Menschenrechtsimperialismus als auch die inneren Zustände in Russland und China, so wie in allen Staaten der kapitalistischen Internationale. Letzteres selbstverständlich nicht im Namen der Menschenrechte, sondern aus einem sozialrevolutionären Universalismus heraus.
Außerdem ist die UNO auch eine Verkörperung des Völkerrechtes. Was ist das Völkerrecht? Nun, die „Völker“ sind die klassengespaltenen Insassen der bürgerlichen Staaten. Nach der bürgerlichen Ideologie sind die „Völker“ die Subjekte des Staates. Das ist natürlich Unsinn. Bürgerliche Staaten sind nicht der politische Ausdruck der klassenneutralen „Völker“, sondern der politische Gewaltapparat der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Das Völkerrecht ist also das Recht der Staaten. Ein Recht, was in der Ideologie über ihnen stehen soll. Damit ist das Völkerrecht mehr praktizierte Ideologie als ideologisierte Praxis. Denn damit das Völkerrecht wirklich materiell durchgesetztes Recht werden kann, muss es eine Weltregierung geben, die das erstgenannte auch global in allen Staaten durchsetzen kann. Eine solche Weltregierung kann es nicht geben, die zwischenstaatliche Konkurrenz macht sie zur Unmöglichkeit. Es gibt nur die UNO als eine Organisation des Internationalismus der Nationalstaaten.
Eines der wichtigsten Prinzipien des Völkerrechtes ist zum Beispiel das Verbot von Führen von Angriffskriegen, es sei denn die UNO hat diese ermächtigt. Dieses Verbot hindert die imperialistischen Staaten nicht daran, Angriffskriege gegen andere Nationen zu führen. Zum Beispiel der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien 1999 oder die Invasion Russlands in der Ukraine im Jahre 2022. Beide imperialistische Aggressionen wurden nicht von der UNO gedeckt, waren also völkerrechtswidrig. Das Völkerecht ist eine Patrone des propagandistisch-ideologischen Imperialismus. Als die NATO 1999 gegen Jugoslawien Krieg führte, war das Völkerrecht eine Waffe des Kremls, der die Aggression des kollektiven Westens ablehnte. 2022, als russische Truppen in der Ukraine einfielen, verurteilte dies der westliche Imperialismus als völkerrechtswidrig. Und bewaffnete den ukrainischen Nationalismus, der natürlich wie alle Nationalismen sozialreaktionär ist. Dadurch führten NATO und EU einen indirekten Stellvertreterkrieg gegen den russischen Imperialismus, der durch einen Wirtschaftskrieg ergänzt wurde. SozialrevolutionärInnen müssen Russland, den ukrainischen Nationalismus und EU/NATO als Kriegstreiber kompromisslos bekämpfen
Das Völkerrecht als bürgerliches Ideal interessiert uns nicht die Bohne. Wir bekämpfen die imperialistischen Kriege, weil in ihnen das Leben und die Gesundheit der kleinbürgerlichen/proletarischen Zivilbevölkerung für kapitalistische und politische Interessen geopfert werden. Mit dem Völkerrecht unter dem Arm lassen sich keine imperialistischen Kriege bekämpfen – aber rechtfertigen. So gingen die Kriege des US-Imperialismus gegen Nordkorea (1950-1953) – nachdem dieser Staat zuerst Südkorea angegriffen hatte – und gegen den Irak 1991, zuvor hatte im August 1990 das irakische Regime Kuwait annektiert, völkerrechtlich voll in Ordnung, weil die UNO zu diesen Gemetzeln ermächtigt hatte. Das Gleiche gilt für die Besatzung Afghanistans durch den westlichen Imperialismus von 2001 bis 2021 (siehe Kapitel 8 der Schrift Krieg und Frieden in Afghanistan).
Die UNO ist als höchste Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus alles andere als eine idyllische „Völkerfamilie“. Sie ist hierarchisch gegliedert. In ihr geben die stärksten Imperialismen den Ton an. Macht kommt auch in der UNO aus der Atombombe. So sind die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – die übrigens mit einem Vetorecht ausgestattet sind und auf diese Weise Beschlüsse der UNO gegen ihre Interessen verhindern können – die Atomwaffenmächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Die UNO war und ist – besonders während der zwei Kalten Kriege – ein Austragungsort unterschiedlicher imperialistischer Interessen. Außerdem ist sie so etwas wie ein internationales Sozialamt, die das Elend des Weltkapitalismus ein wenig eindämmt und verwaltet.

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Neue Broschüre: Antinationale Schriften I https://swiderstand.blackblogs.org/2014/04/13/neue-broschuere-antinationale-schriften-i/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/04/13/neue-broschuere-antinationale-schriften-i/#comments Sun, 13 Apr 2014 20:21:06 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=82 Unsere neue Broschüre: „Antinationale Schriften I“ (ca. 121 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Zur Ökonomie und Psychologie des Nationalismus

1. Nationalkapitale und Nationalstaaten
2. Individualismus und Nationalismus
3. Reproduktiver Klassenkampf und Nationalismus
4. Die Weltrevolution als Zerschlagung aller Nationalstaaten

Die Herausbildung des vietnamesischen Nationalstaates

1. Vietnam als französische Kolonie
2. Vietnam im Zweiten Weltkrieg
3. Das nordvietnamesische Regime
4. Der britische Imperialismus in Südvietnam
5. Der französische Krieg gegen Vietnam
6. Die Intervention des US-Imperialismus
7. Die kleinbürgerliche politische Linke als Lautsprecher des
vietnamesischen Nationalismus

Die bundesdeutsche Annexion der DDR

1. BRD und DDR im Kalten Krieg
2. Die Todeskrise des ostdeutschen Staatskapitalismus
3. Die Grenzöffnung
4. Erste Avancen der Sowjetunion an die BRD
5. Proprivatkapitalistische Illusionen in der DDR
6. Die kleinbürgerliche DDR-Opposition
7. Die Offensive der bundesdeutschen Bourgeoisie
8. Moskau verkauft die DDR
9. Der friedliche Anschluss der DDR

Der westliche Menschenrechts-Imperialismus in Aktion

1. Die westlichen Menschenrechtsimperialismen
2. Syrien
3. Ukraine/Krim

Ukraine/Krim (Auszug)

Ab November 2013 spitzte sich der Konflikt zwischen dem westlichen Menschenrechts-Imperialismus und dem imperialistischen Russland um die Ukraine enorm zu. Um diese Zuspitzung zu verstehen, müssen wir zuerst die Vorgeschichte dieser imperialistischen Rauferei analysieren.
Der ukrainische Nationalismus konnte sich erst in den 1990er Jahren einen eigenständigen und einigermaßen stabilen Nationalstaat schaffen. Davor war die Ukraine Spielball anderer Imperialismen, genauer Spielball des deutschen, österreichisch-ungarischen, polnischen und russischen/sowjetischen Imperialismus. Schauen wir uns die wechselhafte Geschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert etwas genauer an. Der erste „unabhängige“ ukrainische Nationalstaat entstand im Januar 1918 im Ersten Weltkrieg unter massiver Geburtshilfe des deutschen Imperialismus. Im Osten und im Zentrum der Ukraine, einschließlich der Hauptstadt Kiew, hatte allerdings der prostaatskapitalistische Bolschewismus die Macht. Deshalb diente sich die gutsbesitzende-proprivatkapitalistische Sozialreaktion an den deutschen Imperialismus und Österreich-Ungarn an. Im Austausch gegen Lebensmittellieferungen marschierten die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen in die Ukraine ein und drangen von dort aus weiter nach Osten vor. Am 1. März 1918 eroberte der deutsche Imperialismus Kiew. Dieser Offensive war das bolschewistische Lenin/Trotzki-Regime nicht gewachsen. Es schloss am 3. März unter dem Druck der Mittelmächte den Raubfrieden von Brest-Litowsk, welcher auch die „Unabhängigkeit“ der Ukraine, also deren Abhängigkeit von Deutschland und Österreich-Ungarn, garantierte. Die Westukraine wurde nach der Niederlage von Deutschland und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg von Polen erobert, während die Ostukraine nach dem bolschewistischen Sieg im BürgerInnenkrieg (1918-1921) Bestandteil der staatskapitalistischen Sowjetunion wurde. Nachdem der deutsche NS-Faschismus und der Kreml durch den Hitler-Stalin-Pakt 1939 Polen imperialistisch aufgeteilt hatten, geriet auch die Westukraine in die Hände des sowjetischen Imperialismus.
Der ukrainische Nationalismus, dessen Wiege die Westukraine war und der sich besonders blutig während des Zweiten Weltkrieges entlud, war extrem antijüdisch, antipolnisch und antirussisch. Nicht wenige ukrainische NationalistInnen kollaborierten während des Überfalles des deutschen Imperialismus auf die UdSSR mit den Hitlerfaschisten. Die SS Galizien war blutige Verkörperung dieser Kollaboration. Der Führer der ukrainisch-nationalistischen Nazikollaborateure von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Stepan Bandera, ist nicht nur für den heutigen faschistischen Flügel des ukrainischen Nationalismus sondern auch für viele prowestliche DemokratInnen ein Nationalheld, während er für nicht wenige heutige ostukrainisch-prorussische Kräfte ein „Verräter“ darstellt. In einem Lied der OUN-Milizen hieß es: „Die Juden werden wir abschlachten, die Polen erdrosseln, aber die Ukraine müssen wir erkämpfen.“ So sangen sie nicht nur, so handelten sie auch. Die OUN war eindeutig an Hitlerdeutschland ausgerichtet, auch wenn die deutschen Nazis Bandera drei Jahre einsperrten, nachdem er am 30 Juni 1941 die Unabhängigkeit der Ukraine proklamiert hatte.
Doch der heutige prowestliche und antirussische demokratische Nationalismus braucht die OUN als Teil seiner Gründungsmythologie. So schrieb die ukrainische Kyivipost in einer „Top Ten der Lügen des Kremls“: „Faschisten sind keine Banderisten, und Banderisten sind keine Faschisten. Wäre Stepan Pandera, Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten, ein Faschist gewesen, er würde doch wohl keine drei Jahre von 1941 bis 1944 in einem deutschen Nazigefängnis verbracht haben (…)“ (Zitiert nach Thomas Eipeldauer, Faschistische Hegemonie, in: junge Welt vom 8./9. März 2014, S. 11.) Die Argumentation ist natürlich ziemlich fadenscheinig. Denn natürlich verhafteten die FaschistInnen auch FaschistInnen, so wie StalinistInnen StalinistInnen liquidierten und DemokratInnen heute noch repressiv gegen DemokratInnen vorgehen.
Nachdem der antifaschistische sowjetische Imperialismus seine früheren faschistischen Spießgesellen 1945 besiegt hatte, war der bewaffnete ukrainische Nationalismus aber noch nicht am Ende. Bis in die 1950er Jahre hinein kämpften die ukrainischen NationalistInnen in der Westukraine bewaffnet gegen den sowjetischen Imperialismus. Letzterer krönte seinen militärischen Sieg über die westukrainischen NationalistInnen mit der Ermordung Banderas. 1959 wurde der ukrainische Nationalist in München durch einen KGB-Agenten liquidiert.
Doch nach dem Zerfall der staatskapitalistischen UdSSR schlug auch die späte Geburtsstunde des ukrainischen Nationalstaates. Am 24. August 1991 verabschiedete das Kiewer Parlament die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine. Während die Sowjetunion die praktische Gesamtkapitalistin auf ihrem Territorium war und die alten privatkapitalistischen Nationalstaaten die ideellen Gesamtkapitalisten darstellen, verkörperten die nachsowjetischen Nationalstaaten einschließlich der Ukraine während der Phase der Reprivatisierung des Kapitals die reellen Gesamtkriminellen. Die neue ukrainische Bourgeoisie als herrschende Klasse des neuen Nationalstaates setzte sich aus der kriminellen Unterwelt und der alten ehemaligen sowjetischen Partei- und Staatsbürokratie (Nomenklatura) zusammen. Wir wollen das an Hand zwei bekannter ukrainischer PolitikerInnen verdeutlichen. Da haben wir zum Beispiel die Gasprinzessin Julia Timoschenko. Laut Reinhard Lauterbach „verkörpert Julia Timoschenko, Jahrgang 1959, idealtypisch die Nomenklatura-Privatisierung der neunziger Jahre. Sie hatte das historische Glück, in den Perestroika-Jahren einen einflussreichen Schwiegervater zu haben: den für Kultur zuständigen Referenten des Dnipropetrowsker Gebietsparteikomitees. Gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann verdiente sie ihr Startkapital mit dem Verkauf von – den Umständen nach –Schwarzkopien westlicher Filme, auf deren lizensierte Kopien der hochgestellte Verwandte Zugriff hatte. Später handelte sie u.a. mit Grubenholz und russischem Gas und stieg im Clan des Dnipropetrowsker Paten Pawlo Lasarenko zur Nummer zwei auf. Als der damalige Präsident Leonid Kutschma Lasarenko 1999 als geschäftlichen Konkurrenten aus dem Verkehr zog, verlor Julia Timoschenko die für ihre Geschäfte notwendige politische Protektion. Daraufhin legte sie eine 180-Grad-Drehung von der Schattenunternehmerin zur Sauberfrau hin und bekämpfte in mehreren Regierungsämtern diejenigen Oligarchen, die geschäftlich mehr Glück gehabt hatten als sie. Ihr Insiderwissen kam ihr dabei zugute – auch persönlich.“ (Reinhard Lauterbach, Eine Frau mit Vergangenheit, in: junge Welt vom 24. Februar 2014, S. 3.)
Über den langjährigen Gegner im innerkapitalistischen Fraktionskampf von Timoschenko, dem Ende Februar 2014 von der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion gestürzten Expräsidenten Wiktor Janukowitsch, schrieb Lauterbach: „Der aus kleinkriminellem Milieu über Türsteherjobs und Personenschutz neureicher Unternehmer aus dem Kohlenrevier des Donbass zum Politiker aufgestiegene Zwei-Meter-Mann war in seiner Kariere immer nur der Strohmann Mächtigerer, die hinter ihm standen. Über seine Unbildung kursieren Legenden, über seine Korruptheit und Geldgier auch. An letzterem ist wahrscheinlich viel dran. Vor den Toren von Kiew ließ er sich auf 34 Hektar Grund eine Residenz bauen, die schon als ,ukrainisches Versailles‘ bezeichnet wird. Seinem Sohn ermöglichte er den Aufstieg in die Oligarchie mit einem zuletzt auf mehrere hundert Millionen Dollar bezifferten Vermögen. Wahrscheinlich hat dies dazu beigetragen, dass die älteren Oligarchen beschlossen, sich seiner zu entledigen oder ihm zumindest seine Grenzen zu zeigen.“ (Reinhard Lauterbach, Verbrannter Strohmann – Wiktor Janukowitsch und sein Erbe, in: junge Welt vom 24. Februar 2014, S. 3.)
Ja, in dem neuen privatkapitalistischen Nationalstaat Ukraine wurden und werden die Fraktionskämpfe innerhalb der Bourgeoisie etwas härter ausgetragen als im „alten Europa“. Auch die geopolitische Ausrichtung des neuen Nationalstaates zwischen der EU und Russland war Teil des innerkapitalistischen Konkurrenzkampfes der ukrainischen Bourgeoisie und ihres jeweiligen politischen Personals. Während die westukrainische Bourgeoisie und deren Kopf- und Handlanger eher prowestlich geprägt ist, nahmen die verfeindeten Klassengeschwister in der Ostukraine eher einen prorussischen Standpunkt ein. In der Ostukraine ist auch Russisch eine weit verbreitete Sprache. Da hinter der jeweiligen Fraktion der ukrainischen Bourgeoisie also jeweils der westliche Menschenrechts-Imperialismus oder das imperialistische Russland standen, war der Fraktionskampf zwischen ost- und westukrainischer Bourgeoisie zugleich ein internationalisierter Konflikt zwischen dem Westen und Russland. Gleichzeitig war dieser imperialistisch-innerkapitalistische Kampf um die Macht in der Ukraine ein ethnisch verbrämter Kampf, die jeweiligen nationalistischen Phrasen dienten dazu die kleinbürgerlichen und proletarischen Massen ideologisch in das jeweilige Lager zu ziehen. Auch in diesem Fall war die nationalistische Ideologie-Produktion mal wieder sehr erfolgreich.
So wurde also der Fraktionskampf zwischen der eher prowestlichen westukrainischen Bourgeoisie und deren verfeindeten prorussischen Klassengeschwistern in der Ostukraine auch ein geographisch-ethnischer Konflikt. Die Ostukraine ist dabei wesentlich sozialökonomisch reicher und industrialisierter als der Westen des Landes. Der linksnationale prorussische „Antiimperialist“ Rainer Rupp schrieb über die geographisch-soziale Spaltung der Ukraine: „Laut offiziellen Zahlen des Statistischen Dienstes der Ukraine trägt die im Osten angesiedelte Schwerindustrie mindestens dreimal mehr zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei als es die Landwirtschaft und die Kleinbetriebe im Westen tun. So haben Regionen im Osten in der Regel ein weitaus höheres Pro-Kopf-Einkommen. Für das Jahr 2011 werden zum Beispiel 4748 Dollar in der östlichen Region Dniperpropetrowsk, eines der wichtigsten Industriezentren der Ukraine, genannt, während das Pro-Kopf-Einkommen in der Region Lwiw im Westen der Ukraine (…) mit 2312 Dollar weniger als die Hälfte betrug. Die übrigen Westregionen sind noch viel ärmer. Von einigen Ausnahmen um Kiew abgesehen liegt die Mehrheit der größten ukrainischen Unternehmen im Osten. Es sind Bergbau- und Stahlunternehmen, weiterverarbeitende Betriebe und Energieunternehmen. Sie exportieren hauptsächlich nach Russland.“ (Rainer Rupp, Sitzt der Westen am kürzeren Hebel?, in: junge Welt vom 25. Februar 2014, S. 3.)
Der westliche Menschenrechts-Imperialismus und die westukrainische Bourgeoisie konnten 2004/2005 mit der von diesen Kräften großzügig gesponserten „Orangen-Revolution“ gegen das vorwiegend von der ostukrainischen Bourgeoisie getragenen und eher prorussischen Janukowitsch-Regime der Partei der Regionen einen wesentlichen Sieg davontragen. Eine Charaktermaske der prowestlichen „Orangen-Revolution“ war neben dem neuen Präsidenten Wiktor Juschtschenko die Gasprinzessin Julia Timoschenko. Interne Rivalitäten zwischen Juschtschenko und Timoschenko und einige Korruptionsskandale sorgten mit dafür, dass die revolutionären Orangen nach nur fünf Jahren schon wieder verfault waren. 2010 wurde dann Wiktor Janukowitsch durch freie Wahlen demokratisch zur neuen regierenden Charaktermaske der Ukraine ermächtigt. Hinter Janukowisch stand lange Zeit der „Pate von Donezk“, der Oligarch Rinat Achmetow. Janukowitsch gelang es auch seit 2004 die „Kommunistische“ Partei der Ukraine („K“PU) in sein politisches Boot zu holen.
In dem Machtkampf mit dem prowestlichen Flügel der ukrainischen Bourgeoisie zog Janukowitsch nicht gerade die Samthandschuhe an. Besonders hart ging Janukowitsch gegen Timoschenko vor, er ließ „die Staatsanwaltschaft in ihrer Vergangenheit wühlen. Zum Verhängnis wurde ihr schließlich ein Gasdeal, den sie 2009 mit Wladimir Putin abgeschlossen hatte und an dem sich eine in der Schweiz angesiedelte Vermittlerfirma dumm und dämlich verdiente. Wegen Veruntreuung von Staatsmitteln und Amtsmissbrauch wurde sie zu sieben Jahren Haft verurteilt.“ (Reinhard Lauterbach, Eine Frau mit Vergangenheit, a.a.O.) Doch nun begann – besonders der deutsche – westliche Menschenrechts-Imperialismus für Frau Timoschenko seine Stimme zu erheben. Aber gleichzeitig war dem bundesdeutschen Imperialismus Timoschenkos Vaterlandspartei nicht verlässlich genug. So entstand mit der UDAR unter Führung des Boxers Witali Klitschko mit massiver Unterstützung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung eine weitere Formation im Kampf um die Menschenrechte. Gleichzeitig sollte Janukowitsch aber auch mit viel Druck dazu gebracht werden, die Ukraine stärker in das EU-Einflussgebiet zu führen. Diese Doppelstrategie Berlins – sowohl auf die Regierung als auch auf die Opposition zu setzen – ging zunächst wegen der Offensive des russischen Imperialismus nicht auf.
Janukowitsch versuchte zwischen der EU und dem russischen Imperialismus zu lavieren. Doch das war Ende 2013 nicht mehr möglich, weil sowohl der westeuropäische als auch der russische Imperialismus die Ukraine ganz und ausschließlich in seinem Einflussgebiet haben wollte. Die EU wollte mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen abschließen. Assoziierungsabkommen schließt die EU im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik ab, um außerhalb der EU liegende Nationalstaaten besser in das Einflussgebiet ihres sozialökonomischen Imperialismus zu bekommen. Vor der Ukraine schlossen bereits 16 Staaten mit der EU solche Assoziierungsprogramme ab. Offiziell geht es natürlich um solche edlen Dinge wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit – und natürlich auch um mehr Marktfreiheit. „Was nicht gesagt wird ist, dass das Hauptmotiv der wirtschaftlichen Integration darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, Ökonomien in die expandierende Wirtschaft des Imperiums (der EU) einzugliedern und Zugang zu natürlichen Ressourcen in der energiereichen Nachbarschaft zu erhalten. Die riesige Ansammlung vom Wohlstand und wirtschaftlicher Macht der EU hat ihr einen Hebel gegeben, um marktfreundliche Reformen einschließlich Privatisierung, Handelsliberalisierung und der Übernahme der EU-Regulationsmechanismen durchzusetzen und gleichzeitig die weiterführenden Debatten in den peripheren Gesellschaften zu umgehen.“ (Bogdana Dimitrovova, Imperial re-bordering of Europe: the case oft he European Neigherhood, in: Campridge Review of International Affairs, Nr. 2/2012, S. 254.)
Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU über ein Assoziierungsabkommen fanden ab 2005 statt, sowohl als die erstere von dem prowestlichen Orangen-Regime regiert wurde als auch unter dem Regime des „prorussischen Diktators“ Janukowitsch. Ab 2012 war der Vertrag unterschriftsreif. Er sieht unter anderem die Absenkung der jeweiligen Zölle um 99,1 Prozent (Ukraine) und 98,1 Prozent (EU), die weitgehende Beseitigung von Mengenbegrenzungen und anderer so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse vor. Auch war ein „freier und fairer Wettbewerb“ zwischen EU-Firmen und ukrainischen Unternehmen vorgesehen –wie viele von den letzteren diesen freien Konkurrenzkampf aushalten werden, steht in den Sternen. Dieses Abkommen ist also vor allem ein Risiko für die ostukrainische Industrie. Das hielt wohl auch Janukowitsch unter anderem davor ab, den Vertrag mit der EU zu unterschreiben.
Zumal der russische Bär bedrohlich zu brummen anfing und auch schon seine scharfen Krallen zeigte. Teil des imperialistischen Kampfes um die Ukraine war, dass die prorussische Ideologie-Produktion die Gefahren des Assoziierungsabkommens mit der EU für die Ukraine in den düstersten Farben mahlte. So schrieb Putins Berater für eurasische Integrationsfragen, Sergej Glasjew: „Wenn die Ukraine die Vereinbarung über die Assoziation mit der EU unterzeichnet und sich in diese nicht gleichberechtigte Freihandelszone begibt, so wird sie bis 2020 im Wirtschaftswachstum und in der Handelsbilanz ein Minus erhalten. Wir schätzen die Verluste auf etwa minus 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Bis 2020 wird eine Verdrängung ukrainischer Waren vom eigenen Markt, begleitet von einem Wirtschaftsrückgang und einer Verringerung der Entwicklungsmöglichkeiten erfolgen.“ (Stimme Russlands, 7.11.2013, Zitiert nach: Jürgen Wagner, Ungehemmter Warenverkehr, in: junge Welt vom 5. Februar 2014, S. 10.)
Stattdessen versuchte der russische Imperialismus der Ukraine seinen eigenen eurasischen Wirtschaftsblock, die von ihm dominierte Zollunion aus Russland, Belarus und Kasachstan schmackhaft zu machen. Anfang 2014 gingen wohl über 30 Prozent der ukrainischen Exporte in die Staaten dieser Zollunion, während 25 Prozent in die EU gingen. Moskau und die EU stellten also die Ukraine vor die Wahl: Entweder Assoziierungsabkommen oder Beitritt zur eurasischen Zollunion. Mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche ging der russische Imperialismus dazu über, die Ukraine aus dem potenziellen Einflussgebiet der EU zu ziehen. „Russland (…) schwang zwar durchaus die Peitsche, indem es bereits im Sommer 2013 mit Sanktionen drohte. Andererseits vergaß es aber auch nicht das Zuckerbrot, indem es früh beträchtliche Vergünstigungen in Aussicht gestellt hatte. Das führte mittlerweile dazu, dass russisches Gas nun um ein Drittel günstiger geliefert wird (Kostenersparnis allein 2014: umgerechnet drei Milliarden US-Dollar), und Moskau zugesagt hat, ukrainische Staatsanleihen in Höhe von 15 Milliarden Dollar aufzukaufen.“ (Jürgen Wagner, Ungehemmter Warenverkehr, a.a.O., S. 11.) Wie unschwer zu erkennen ist, wurden diese oben zitierten Sätze geschrieben, wo Janukowitsch noch nicht gestürzt worden war. Aber dieses gleichzeitige Krallenzeigen und freundliche Brummen des russischen Bären war erst mal von Erfolg gekrönt: Janukowitsch entschied sich Ende November 2013 gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU – und damit für Moskau.
Diesen wichtigen Etappensieg des russischen Imperialismus nahm jedoch der westeuropäische Imperialismus nicht so einfach hin, wie auch im Sturmgeschütz der der deutschen Demokratie, im Spiegel, zu lesen war: „,Die Tür für die Ukraine bleibt offen‘, betonte Merkel nach der Pleite mehrfach. Man sei weiterhin gesprächsbereit. Das klang nach mühsamer Gesichtswahrung, wie sie nach Niederlagen üblich ist. Aber es heißt auch: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Und die Kanzlerin will vor der nächsten Runde eine neue Figur ins Spiel bringen: Witali Klitschko.“ (Spiegel 50/2013, Zitiert nach: Jürgen Wagner, Ungehemmter Warenverkehr, a.a.O., S. 10.)
In der Tat: Nachdem die Ukraine sich im November 2013 von der EU abgewandt und stärker in das russische Einflussgebiet zurückgekehrt ist, machte der westliche Menschenrechts-Imperialismus und die prowestliche Opposition auf dem Kiewer Maidan dem Janukowitsch-Regime das Leben schwer. Es entwickelte sich eine prowestlich-nationalistische Straßenbewegung, sowohl mit einem neoliberalen als auch einem faschistischen Flügel. Den prowestlich-neoliberalen Flügel der Opposition haben wir schon oben beschrieben, beschreiben wir jetzt den faschistischen Flügel genauer.
Schon vor der Entstehung der sozialreaktionären Straßenbewegung auf dem Maidan bestand die faschistische Partei Swoboda (Freiheit). Diese NeofaschistInnen stehen in der Tradition der ukrainischen Nazi-Kollaborateure um die SS-Division „Galizien“. Sie betreiben eine extrem antirussisch-antijüdische Propaganda und üben auf der Straße Terror aus. So behauptete der Swoboda-Führer Oleg Tiahnibok 2004, dass die Ukraine von einer „russisch-jüdischen Mafia“ regiert werde, gegen die mensch zum Maschinengewehr greifen müsse wie die einstige SS-Division „Galizien“. Später distanzierte sich Swoboda offiziell rein formell vom Antijudaismus. Diese offizielle Distanzierung reichte den ukrainischen DemokratInnen und auch den bundesdeutschen Grünen, wie wir weiter unten noch sehen werden. Die zwei größten demokratischen Oppositionsparteien der Ukraine, „Vaterland“ und UDAR, paktierten im Parlament offen mit Swoboda. Alle drei Oppositionsparteien schufen am 17. Dezember 2012 im Parlament einen gemeinsamen Oppositionsrat. Swoboda pflegte über Jahre hinweg enge Beziehungen zur NPD in Deutschland.
Mit der sozialreaktionären Straßenbewegung auf dem Maidan entwickelte sich Ende November 2013 auch eine neue faschistische Formation, der Prawy Sektor (Rechter Sektor). Zum Kern des Rechten Sektors gehören die FaschistInnen um die Ukrainische Nationalversammlung – Ukrainische Nationale Selbstverteidigung (UNA-UNSO), die 1990 in Lwiw gegründet wurde. Die UNA-UNSO kämpfte in den nationalistischen BürgerInnenkriegen, die sich infolge des Zerfalls des sowjetischen Staatskapitalismus und der Neuformation nachsowjetischer privatkapitalistischer Nationalstaaten entwickelten, auf der Seite antirussischer Kräfte. So schickte die UNA-UNSO Milizionäre in die BürgerInnenkriege in Georgien und in Tschetschenien. Der besonders brutale Kommandant des rechten Sektors, Alexander Musitschko, sagte bereits im Jahre 2007, er würde „gegen Kommunisten, Juden und Russen kämpfen, solange Blut in meinen Adern fließt“. Auch zwischen der UNA-UNSO und der NPD bestanden gute Kontakte.
Dass die FaschistInnen schließlich die Bewegung auf dem Maidan dominieren konnten, hat verdammt viel mit dem grundsätzlich reaktionären Charakter dieser Straßenbewegung zu tun. Sie war von Anfang an vom ukrainischen Nationalismus geprägt. Dass sich dieser Nationalismus gleichzeitig in die Arme des westlichen Imperialismus warf, war nur scheinbar ein Widerspruch. Die Ukraine liegt geographisch zwischen zwei großen imperialistischen Blöcken, der Europäischen Union und Russland. Eine Unabhängigkeit zwischen beiden Blöcken ist objektiv nicht möglich. Das Lavieren zwischen EU und Russland war aber auch nicht mehr länger durchzuhalten, nachdem sich der imperialistische Konflikt um die Ukraine 1913 zuspitzte. So entschieden sich die regierenden Charaktermasken der ukrainischen Nation im November 2013 gegen die EU, während der oppositionelle westukrainische Nationalismus objektiv als fünfte Kolonne Brüssels und Berlins agierte. Auch Washington begann sich massiv einzumischen und aus sicherer Entfernung vom Brandherd viel offensiver als die EU die nationalistisch-sozialreaktionäre Bewegung zu unterstützen.
Viele kleinbürgerliche und proletarische Individuen gingen aus sozialem Frust gegen das Janukowitsch-Regime auf den Maidan. Doch ihr sozialer Frust war von Anfang an durch den Nationalismus ideologisch entfremdet. Sie kämpften vorwiegend nicht für sich selbst und ihre Interessen, sondern für „ihre“ Nation, die Ukraine. Doch wenn kleinbürgerliche und proletarische Individuen für „ihre“ Nation kämpfen, trampeln sie objektiv auf ihren eigenen sozialen Interessen herum. Denn die ukrainische Nation kann nur leben, indem sie große Teile des KleinbürgerInnentums und des Proletariats in das nackte Elend treibt. National agierende KleinbürgerInnen und ProletarierInnen können gar nichts anderes sein als Manövriermasse im innerkapitalistischen Gerangel. In diesem Falle waren die KleinbürgerInnen und ProletarierInnen auf dem Maidan nichts anderes als die Manövriermasse des prowestlichen Flügels der ukrainischen Bourgeoisie und des westlichen Menschenrechts-Imperialismus gegen den prorussischen Flügel der ukrainischen Bourgeoisie und das imperialistische Russland. Im Kampf zwischen Regime und Opposition traten die FaschistInnen am offensivsten auf. Jede größere Straßenbewegung – sei sie nun progressiv oder reaktionär – spült immer die entschiedensten, offensivsten und militantesten Kräfte nach oben. Die ukrainischen FaschistInnen wurden als Avantgarde einer grundsätzlich sozialreaktionären Bewegung groß.
Und als solche gingen sie im Verlauf dieser Bewegung auch gegen linksradikale KleinbürgerInnen und klassenkämpferischen ProletarierInnen, den linken Flügel des Maidan, vor. Der Kern jeder progressiven Bewegung ist das Proletariat, welches massenhaft die Arbeit niederlegt und aus den Fabriken und Büros auf die Straßen und Plätze strömt, um seinen sozialen Protest zum Ausdruck zu bringen. Der Kern und die Avantgarde der prowestlich-nationalistischen Straßenbewegung auf dem Maidan waren dagegen FaschistInnen. Wenn einige russische und ukrainische „RevolutionärInnen“ nicht mehr den Klassenunterschied zwischen einer proletarisch-klassenkämpferischen und einer bürgerlich-nationalistisch-proimperialistischen Bewegung erkennen können und den reaktionären Maidan „revolutionär“ verklären, zeigt das nur den geistigen Bankrott des kleinbürgerlichen Radikalismus.
Die FaschistInnen missachteten in der Praxis immer erfolgreicher das staatliche Gewaltmonopol des Janukowitsch-Regimes. So eskalierte im Februar 2014 der Machtkampf, der von beiden Seiten bewaffnet geführt wurde. Selbst VertreterInnen des EU-Imperialismus halten es möglich, dass in diesem Machtkampf faschistische Scharfschützen am 20. Februar sowohl auf staatliche Repressionsorgane als auch auf die Bevölkerung schossen, um den Konflikt weiter zuzuspitzen. Sie wollten mit aller Gewalt ein Kompromiss zwischen dem demokratischen Flügel der Bewegung und Janukowitsch verhindern. Vaterland und UDAR waren grundsätzlich zu einem solchen Kompromiss bereit, standen aber auch unter dem enormen Druck der sozialreaktionären Straßenbewegung. Der westliche Menschenrechts-Imperialismus, der in inneren Angelegenheiten in den eigenen Nationalstaaten auch bei geringeren Anlässen von der repressiven Toleranz zur toleranzlosen Repression übergeht, wollte dem Janukowitsch-Regime die offensive Verteidigung des staatlichen Gewaltmonopols nicht erlauben. Aufgrund dieses imperialistischen Druckes war Janukowitsch zu Kompromissen mit dem demokratischen Flügel der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion bereit.
Der europäische Imperialismus, der grundsätzlich bereit ist FaschistInnen in seine Strategie einzubinden, aber natürlich auch oft seine eigenen demokratischen Spielchen den faschistischen Methoden des Machtkampfes vorzieht, versuchte durch eine letzte diplomatische Initiative den Machtkampf in der Ukraine in feinere Kanäle als den unmittelbaren physischen Straßenkampf zu lenken. Der deutsche Außenminister Frank Walter-Steinmeier und sein polnischer Kollege Radoslaw Sikorski erreichten in der Nacht vom 20. zum 21. Februar in Kiew ein Kompromiss zwischen politischer prowestlicher Opposition und dem Janukowitsch-Regime. Doch der EU-Versuch, den Machtkampf in der Ukraine nach alteuropäisch-demokratischen Spielregeln zu führen, war zum Scheitern verurteilt. Die FaschistInnen vom Rechten Sektor ließen sich als Avantgarde des Maidan nicht darauf ein. Der Konflikt hatte sich schon zu sehr zugespitzt, als dass er sich durch EU-Diplomatie lösen ließe. Im Laufe der eskalierenden Konfrontation zwischen der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion und dem Janukowitsch-Regime, liefen große Teile des Staatsapparates zu ersterer über. Auch der bisherige wichtigste Hintermann von Janukowitsch, der Oligarch Rinat Achmetow, soll sich laut Reinhard Lauterbach „schon sehr früh gegen eine gewaltsame Beendigung der Maidan-Proteste ausgesprochen“ (Reinhard Lauterbach, Verbrannter Strohmann – Wiktor Janukowitsch und sein Erbe, a.a.O.) haben. Die FaschistInnen waren als Avantgarde des Maidan fest entschlossen Jnukowitsch zu stürzen, der sich in diesem Machtkampf nicht mehr auf seine Hintermänner und auf den Staatsapparat verlassen konnte. Seine Stunden waren gezählt.
So gelang es der sozialreaktionären Straßenbewegung mit den FaschistInnen als deren Avantgarde am 22. Februar 2013 Wiktor Jnukowitsch zu stürzen. Aus dem siegreichen Kampf im Machtkampf ging die neue Übergangsregierung hervor, welche vorwiegend von Timoschenkos Partei „Vaterland“ und Swoboda getragen wird. Die Superwaffe Merkels, Klitschko, manövrierte sich derweil sehr gekonnt selbst ins Aus. Der Mann bewies, dass Boxen nicht die gesündeste Sportart für das Oberstübchen ist. Klitschko wollte doch so gern Präsidentschaftskandidat der prowestlichen DemokratInnen bei den nächsten freien Wahlen werden, doch auch die inzwischen aus dem Knast geholte Frau Timoschenko war auf diesen Posten scharf. Aus Protest, dass die Vaterlandspartei nicht Timoschenko als Präsidentschaftskandidatin zurückzog, beteiligte sich Berlins Superstratege auch nicht an der neuen Übergangsregierung, die gar nicht weiß, was ihr dadurch entgeht. Wenn auch die neue Regierung sehr gerne auf Klitschko verzichtete, nahm sie jedoch die Dienste der einstigen Hintermänner Janukowitschs aus der Oligarchie genauso gerne in Anspruch. Viele von ihnen wurden Gouverneure des neuen Regimes. Diese neue Regierung wurde natürlich umgehend von der USA und der EU anerkannt, während Russland selbstverständlich dem real vollzogenen Machtwechsel nicht seinen diplomatischen Segen erteilte.
Während die FaschistInnen von Swoboda Regierungsfunktionen übernahmen, weshalb wir die „Übergangsregierung“ als demokratisch-faschistische Sozialreaktion bezeichnen, überzogen die StraßenfaschistInnen des Maidan nach dem Sieg über Janukowitsch die ukrainische Gesellschaft mit Gewalt. Diese richtete sich sowohl gegen die Denkmäler des sowjetischen Imperialismus als auch gegen Menschen –gegen die ehemaligen UnterstützerInnen des Janukowitsch-Regimes, gegen die Partei der Regionen, die „K“PU, prorussische Kräfte, Juden, Linke und auch gegen jene Charaktermasken des ukrainischen Staatsapparates, die nach Ansicht der FaschistInnen nicht national-chauvinistisch und antirussisch genug waren. „Ein in Lederjacken gekleideter Stoßtrupp unter Leitung des ,Swoboda‘-Abgeordneten Igor Miroschnitschenko überfiel am Mittwoch (19. März 2014) den Direktor des staatlichen ukrainischen Fernsehens NTKU in seinem Büro, verprügelte ihn und zwang ihn unter unflätigen Beschimpfungen, ein Rücktrittsgesuch aufzusetzen. Anlass für den Überfall war die Übertragung eines Konzerts aus Moskau, die das Staatsfernsehen von dem maidan-freundlichen Privatsender espresso.tv übernommen hatte. Der Fernsehsender Tonis wurde von bewaffneten Kämpfern des ,Rechten Sektors‘ besetzt. Diese legten dem Sender eine ,redaktionelle Zusammenarbeit‘ mit der Schlägertruppe nahe. Der Kanal gehörte bis zum Staatsstreich dem Sohn des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch.“ (Reinhard Lauterbach, Putschisten ohne Basis, in: junge Welt vom 20. März 2014, S. 1.)

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https://swiderstand.blackblogs.org/2014/04/13/neue-broschuere-antinationale-schriften-i/feed/ 2
Vortrag bei der Literatrurmesse https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/#respond Fri, 08 Nov 2013 00:39:33 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=76 Wir veröffentlichen hier den Vortrag, den unser Genosse Nelke auf der Literaturmesse im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ in Nürnberg, den 2. November 2013 gehalten hat.

Streik Israel
Mitarbeiter israelischer Fluggesellschaften protestieren gegen das Billigflugabkommen zwischen Israel und der EU AFP

Der Titel dieser Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats“ ist bewusst gewählt. Er macht deutlich, dass Juden im 20. Jahrhundert nicht nur Opfer waren, sondern auch selbstbewusste Subjekte des proletarischen Klassenkampfes. Die Broschüre zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Erstens wird in ihr nicht der Begriff „Antisemitismus“ benutzt, sondern der ältere Begriff „Antijudaismus“. Wir unterscheiden weiterhin zwischen religiösen und rassistischen Antijudaismus. Der „Antisemitismus“-Begriff wird von uns aus zwei Gründen verworfen. Erstens ist er ungenau. So sind die Juden und Jüdinnen nicht die einzigen Semiten, aber der Begriff „Antisemitismus“ umfasst nur die chauvinistische Feindseligkeit gegen Juden. Zweitens ist der Antisemitismusbegriff zu einer politischen Waffe zionistischer und prozionistischer Kräfte geworden. So gilt im bundesdeutschen Politmainstream bereits eine „unangemessene“ Kritik an Israel als „antisemitisch“. Wie viel Kritik an Israel angemessen ist, entscheiden dann die zionistischen und prozionistischen Kräfte. Die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz, ist heutzutage fast hundertprozentig prozionistisch, so wie sie zwischen 1933 und 1945 fast hundertprozentig antijüdisch war. „Solidarität mit Israel!“ ist für die deutsche Bourgeoisie taktisch klug und eine gute Waschanlage, um sich vom Dreck und Blut ihrer faschistischen Vergangenheit reinzuwaschen. Doch inzwischen sind die Hände der demokratischen deutschen Bourgeoisie reichlich beschmiert mit neuem Dreck und neuem Blut, wozu auch die mordbübische Solidarität mit Israel gehört. Die so genannten „Antideutschen“ sind in dieser Frage der Lautsprecher der deutschen Bourgeoisie.
Wir SozialrevolutionärInnen üben an Israel und am Zionismus die einzig angemessene Kritik, die für uns möglich ist: Wir sind für die Zerschlagung des Staates Israel durch die soziale Revolution, so wie alle Nationalstaaten als Machtapparate des Kapitals vom Weltproletariat zerschlagen werden müssen, wenn es sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien will. Die soziale Revolution ist die Zerschlagung von Nationalstaaten, aber nicht deren Neugründung. Deshalb bekämpfen wir auch den palästinensischen Nationalismus konsequent antinational. Denn jede bürgerliche Nation ist die Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Arbeit. Für Lohnabhängige ist der Staat somit die politische Verlängerung der kapitalistischen Fabrik. Nationale Befreiung reproduziert die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats. So werden jetzt die schwarzen ArbeiterInnen in Südafrika nicht mehr von den Bullen des Apartheit-Regimes massakriert, sondern von den Bullen des ANC-Regimes. Diese grundsätzliche antinationale Haltung ist eine weitere Besonderheit dieser Broschüre. Sie unterscheidet sich eindeutig vom nationalistischen Krampf, der auch von einem Großteil der kleinbürgerlichen politischen Linken produziert wird.
Bevor in der Broschüre der Kampf des jüdischen Proletariats im zaristischen Russland und im unabhängigen Zwischenkriegspolen beschrieben wird, stellen wir die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen.
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt im Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des dortigen Kapitalismus nicht möglich. Die in Osteuropa nichtmögliche Assimilation der Jüdinnen und Juden machte diese zum Hassobjekt einer feudal-kapitalistischen Sozialreaktion, besonders im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen. Pogrom ist ein russisches Wort, das in die Weltkultur einging. In diesen Pogromen wurden jüdische Geschäfte geplündert, jüdische Frauen vergewaltigt und jüdische Menschen ermordet. Für den Zarismus war die Organisation von Pogromen auch ein Blitzableiter, um die soziale Wut der Bauern, die durch feudale Ausbeutung und durch Unterdrückung des zaristischen Staates geschürt wurde, auf die Juden zu lenken. Auch Dank antijüdischer Pogrome konnte sich der überlebte Zarismus noch bis 1917 halten.
Die Juden in Osteuropa waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer Nichtassimilation durch den ökonomisch noch zu schwachen Kapitalismus weitgehend auf die jüdische Kleinindustrie bzw. dem jüdischen Kleinhandel angewiesen – die immer weniger in der Lage waren, die Menschen zu ernähren und zunehmend von der großkapitalistischen Konkurrenz vernichtet wurde, was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus. Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse.
Aber auch DemokratInnen betrieben im Westeuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine massive antijüdische Politik, die sich gegen die osteuropäisch-jüdische Emigration richtete. So beschloss zum Beispiel das britische Parlament im Jahre 1902 das Aliens Exclusion Bill.
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus, mit dem Ziel in Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen, war eine Reaktion des bürgerlichen Teils des Judentums auf dessen Nichtassimilation in Osteuropa und den wachsenden Antijudaismus in Westeuropa. Wie jeder bürgerliche Nationalismus, der sich noch keinen Staat schaffen konnte, strebte der Zionismus als Ideologie und Politik der jüdischen Bourgeoisie danach, das „eigene“ Kapital und die „eigene“ Arbeit erst noch ursprünglich zu einer nationalen Schicksalsgemeinschaft zu verschmelzen. Er war das Ziel der zionistischen Bourgeoisie das jüdische Proletariat selbstverantwortlich in einem „eigenen“ Staat auszubeuten. Damit war der Zionismus wie jeder Nationalismus objektiv der Hauptfeind des „eigenen“, in diesem Fall des jüdischen Proletariats, und für das Weltproletariat ein Feind unter vielen.
Wie jeder Nationalismus erzeugte der Zionismus den realen Schein und die Scheinrealität einer nationalen Schicksalsgemeinschaft, in diesem Fall zwischen jüdischer Bourgeoisie und jüdischem Proletariat. Der Zionismus hatte für den Weltkapitalismus die wichtige Funktion jüdische ArbeiterInnen überall auf der Welt von der Perspektive des gemeinsamen Klassenkampfes mit ihren nichtjüdischen KollegInnen abzulenken und das jüdische Proletariat für die Neugründung eines zionistischen Nationalstaates zu mobilisieren. Auch so genannte linke Strömungen im Zionismus, wie zum Beispiel die Hashomer Hatzair predigten vor dem nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden den jüdischen ArbeiterInnen in der kapitalistischen Welt, dass sie sich vom Klassenkampf fernhalten sollten – und auch vom aktiven Kampf gegen den Antijudaismus.
Durch die ideologische Offensive geistig total verwirrt, ist es bei einem nicht geringen Teil der kleinbürgerlichen politischen Linken in Deutschland Mode, den Zionismus gegen revolutionäre Kritik in Schutz zu nehmen. Er sei eine natürliche Reaktion auf den Antijudaismus. Das ist aufgrund der Tatsache, dass der Zionismus mit den schlimmsten Judenschlächtern systematisch paktierte, um seinen Judenstaat zu verwirklichen, eine sehr grobe Geschichtsfälschung. Der Zionismus trat manchmal in Worten gegen die rassistische Judenfeindschaft auf, aber in der Praxis wurde der erste durch den letzteren gestärkt. Der Judenhass diente den ZionistInnen als Beweis dafür, dass die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die bestehenden Staaten unmöglich wäre und deshalb ein besonderer jüdischer Staat gebraucht würde. So waren der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die bürgerliche Assimilation der jüdischen Bevölkerung in den westeuropäischen Nationalstaaten die beiden Hauptfeinde des Zionismus. Das sprachen die führenden ZionistInnen auch offen aus. So formulierte der ehemalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Zionistischen Weltorganisation, Nahum Goldmann: „Die Gefahr der Assimilation der jüdischen Gemeinschaft unter den Völkern, in deren Mitte sie leben, ist sehr viel ernster als die äußere Bedrohung durch den Antisemitismus.“ (Le Monde, 13.1.1966, zitiert nach Nathan Weinstock, Le sionisme contre israel, Paris 1966, S. 38.) Auch der Gründungsvater des Zionismus, Herzl, kämpfte nicht gegen den Antijudaismus, sondern predigte bereits 1895 die passive Anpassung an ihn, was dann später zum praktischen Programm des Zionismus wurde.
Die ZionistInnen stimmten vor der Staatsgründung Israels mit den Judenhassern darin überein, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland keine Deutschen, in Frankreich keine Franzosen usw. seien. Nun, als proletarische RevolutionärInnen fühlen wir uns auch nicht als Deutsche, Franzosen usw., sondern als Teil des globalen Proletariats, und wir bekämpfen sowohl die Integration von ProletarierInnen in den jeweiligen Nationalstaat, als auch die rassistische Ausgrenzung „ausländischer“ Klassengeschwister. Doch als der Zionismus als jüdischer Nationalismus in der Vergangenheit gegen die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die jeweiligen Nationalstaaten zu Felde zog, begünstigte er eindeutig den Antijudaismus. Ja, einige ZionistInnen paktierten offen mit den Judenhassern. Die Broschüre belegt eindeutig den grundsätzlich sozialreaktionären Charakter des Zionismus und dass dieser bereit war mit dem reaktionärsten Pack zusammenzuarbeiten, angefangen über den Zarismus, dem britischen Imperialismus und den italienischen Faschismus bis hin zu den deutschen Nazis.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden. Im Gegensatz zur groß- und kleinbürgerlichen Ideologieproduktion, für die Auschwitz die Symbolisierung des unerklärlichen Bösen darstellt, erläutern wir in dieser Broschüre wie die faschistische Irrationalität, die am brutalsten am industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen zum Ausdruck kommt, sich durchaus mit der Rationalität der Kapitalvermehrung verband und sowohl mit dem innerkapitalistischen Konkurrenzkampf als auch mit dem Klassenkampf von oben in enger Verbindung stand. So konnten sich deutsche „arische“ KapitalistInnen und KleinbürgerInnen bei der so genannten Arisierung der deutschen Wirtschaft jüdisches Kapital aneignen. Der faschistische Massenmord an den osteuropäischen Juden beendete auch deren Klassenkampf gegen den Antijudaismus.
Denn eine andere Folge der Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden Osteuropas war neben der Entstehung des Zionismus die Herausbildung eines besonderen jüdischen Proletariats in Osteuropa, welches vor und während der russischen Revolution von 1905 oft militante Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, staatliche Unterdrückung und mörderischen Antijudaismus in Form der Pogrome führte. Besonders in jenen Gebieten Osteuropas, welche sich der russische Zarismus einverleibt hatte, lebte ein besonders großes und klassenkämpferisches jüdisches Proletariat. Dieses jüdische Proletariat lebte, arbeitete und kämpfte in einem Gebiet, das sich von Litauen im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden und von Polen im Westen bis nach Weißrussland und der Ukraine im Osten erstreckte. Den Kampf dieses Proletariats beschreiben wir in der Broschüre genauer.
Ein bürokratisch und ideologisch entfremdeter Ausdruck dieses jüdischen klassenkämpferischen Proletariats im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen war die Existenz einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, des Bundes. Wir kritisieren den Bund als eine sozialdemokratische Partei, die auf der einen Seite einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und auf der anderen Seite eine proletarische Basis hervorbrachte, also die Klassenspaltung in den eigenen Reihen reproduzierte. Wir erkennen aber an, dass der Bund einen militanten Kampf gegen alle reaktionären Judenhasser führte: gegen den russischen Zarismus, gegen polnische Chauvinisten und gegen den deutschen Faschismus. Der Bund wurde jedoch auch immer jüdisch-nationaler im Verlauf seiner Entwicklung, was wir aus einer antinationalen Haltung heraus klar kritisieren. Auch muss beachtet werden dass auch jüdische Intellektuelle und ProletarierInnen Russlands und Polens außerhalb des Bundes in der russischen und polnischen ArbeiterInnenbewegung wirkten. Es ist bemerkenswert, dass die bekanntesten osteuropäisch-jüdischen Intellektuellen der internationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki, nicht Teil des Bundes waren. Das lehnten beide auf Grund ihres „proletarischen Internationalismus“ ab. Beide versuchten sich in die jeweiligen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen zu assimilieren. Aber beide blieben wegen ihrer Radikalität Außenseiter dieser institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – und beide waren auch unfähig diese wirklich zu verlassen wie die rätekommunistischen ArbeiterInnen und Intellektuellen. So blieben Luxemburg und Trotzki der kleinbürgerlich-radikale Rand der institutionalisierten Arbeiterinnenbewegung, eines Apparates, der schließlich auch sie ausspuckte und blutig zermalmte.
Der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, welcher natürlich von heutigen SozialrevolutionärInnen scharf dafür kritisiert werden muss, dass er nicht konsequent antinational war, wurde wegen ihrer Nichtintegration in die osteuropäischen Nationen besonders von osteuropäischen jüdischen ArbeiterInnen und Intellektuellen getragen. Bei diesen war der „proletarische Internationalismus“ eine relativ progressive sozialpsychologische Verarbeitung ihrer Nichtassimilation. Bürgerliche NationalistInnen projizierten ihren Hass auf die „vaterlandslosen Gesellen“ zunehmend auf das ganze Judentum. Auch Hitler gehörte zu ihnen. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Damit projizierte Hitler seinen Hass auf die jüdischen InternationalistInnen auf das gesamte Judentum, also auch auf Menschen, die sich in die jeweiligen bürgerlichen Nationalstaaten assimiliert hatten und sich auch in den jeweils herrschenden Nationalismus integriert hatten oder einem jüdischen Nationalismus (Zionismus) frönten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch gegen den proletarischen Internationalismus. Durch die Staatswerdung des Zionismus und dessen Dominanz im Judentum geriet auch die progressive Tradition jüdischer InternationalistInnen in Vergessenheit. Wir verteidigen kritisch das progressive Erbe der jüdischen InternationalistInnen gegen Antijudaismus und Zionismus.
Nein, die Nazis haben die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus nicht erfunden. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie ließ am 15. Januar 1919 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch die Freikorps ermorden. Als ideologische Vorbereitung dieses Mordes veröffentlichte die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts am 12. Januar 1919 ein antikommunistisches, rassistisches und antijüdisches Gedicht, in dem die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus“ hochgekocht wurde, indem die beiden bolschewistischen Funktionäre Trotzki und Radek bei ihren kaum bekannten jüdischen Namen benannt wurden: „Ich sah der Massen mörderischer Streife,/ sie folgten Karl, dem blinden Hödur nach,/ sie tanzten nach des Rattenfängers Pfeife,/ die ihnen heuchlerisch die Welt versprach./ Sie knieten hin vor blutigen Idolen,/ bauchrutschend vor der Menschheit Spott und Hohn,/ vor Russlands Asiaten und Mongolen,/ vor Braunstein (Trotzki), Luxemburg und Sobelsohn (Radek)./ O, kehret um ihr aufgehetzten Horden!/ Ihr ruft nach Freiheit, nur um sie zu morden.“ (Vorwärts Nr. 34, 12.1.1919.) Die deutsche Sozialdemokratie als Wegbereiterin des faschistischen Antijudaismus!
Viele jüdische RevolutionärInnen fielen der kapitalistischen Konterrevolution und dem deutschen Faschismus als deren ultrafanatischen Höhepunkt zum Opfer. Ihnen haben wir unsere Broschüre gewidmet. Ihr Kampf gegen Kapitalismus, Antijudaismus und Zionismus ist auch unser Kampf. Nieder mit dem Bündnis aus deutscher Bourgeoisie und dem zionistischen Regime Israels! Hoch, die antinationale Solidarität!

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Neue Broschüre: Schriften zum Klassenkampf II https://swiderstand.blackblogs.org/2013/05/26/neue-broschuere-schriften-zum-klassenkampf-ii/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/05/26/neue-broschuere-schriften-zum-klassenkampf-ii/#comments Sun, 26 May 2013 18:16:34 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=61 Unsere zweite Broschüre der Serie Schriften zum Klassenkampf ist da. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

Klassenkämpfe in Ungarn (1918-1989)

1. Die Entstehung des ungarischen Proletariats
2. Das „unabhängige“ Ungarn
3. Die „Ungarische Räterepublik“ als Keimform eines staatskapitalistischen Regimes
4. Das Horthy-Regime
5. Ungarn im Zweiten Weltkrieg
6. Die Verstaatlichung des ungarischen Kapitals
7. Der ArbeiterInnenaufstand von 1956
8. Ungarns Weg zum Privatkapitalismus

Klassenkämpfe im staatskapitalistischen Polen

1. Der polnische Staatskapitalismus in der Geschichte der globalen Kapitalvermehrung
2. Das polnische und das globale Proletariat
3. Klassenkämpfe im Jahre 1956
4. Das proletarische Bewusstsein der 1960er Jahre
5. Die StudentInnenbewegung von 1968
6. Der proletarische Klassenkampf von 1969 bis 1971
7. Klassenkämpfe im Jahre 1976
8. Massenstreiks, Solidarność und die Privatisierung des Kapitals

Klassenkämpfe in der Thüringer Kaliindustrie

1. Die BRDigung der DDR
2. Privatisierung und Vernichtung des ostdeutschen Kapitals
3. Privatisierung und Vernichtung der Thüringer Kaliindustrie
4. Klassenkämpfe in Bischofferode
5. Der Klassenkampf der Merkerser Kalikumpel
6. Nachträge

Der ArbeiterInnenaufstand von 1956

Bis 1953 war auch der ungarische Staatskapitalismus durch ultrarepressiven stalinistischen Terror geprägt, welchem auch Angehörige der herrschenden Partei- und Staatsbürokratie zum Opfer fielen. Das Proletariat wurde durch den Kurs der forcierten Industrialisierung und das Primat auf die Entwicklung der Schwerindustrie extrem durch Überarbeit und Unterkonsum ausgebeutet. Der „ungarische Stalin“, also die oberste regierende Charaktermaske des Partei- und Staatsapparates, war bis 1953 Matyas Rakosi. Danach war auf der Basis der Reproduktion der staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse auch in Ungarn eine gewisse „Entstalinisierung“ angesagt. Der „Reformer“ Imre Nagy wurde im Juli 1953 Ministerpräsident Ungarns. Der Kollektivierung der Landwirtschaft wurde die ultrarepressive Spitze genommen, die Internierungslager wurden geschlossen, auch sonst wurde der stalinistische Terror entschärft und die totale Bevorzugung der Schwerindustrie wurde gelockert. Doch der Stalinist Rakosi, der Parteichef blieb, ging am 1. Dezember im Politbüro zum Gegenangriff gegen Nagy über. Am 14. April 1955 musste Letzterer auf Druck des stalinistischen Apparates alle Ämter aufgeben. Doch Rakosi konnte sich ebenfalls nicht mehr lange halten. Er fiel im Jul 1956 einer Entstalinisierung zum Opfer und wurde durch Ernö Gerö ersetzt.
Doch der 1955 entmachtete Ministerpräsident wurde durch eine parteiinterne intellektuelle Opposition unterstützt. Ausdruck dieser intellektuellen Parteiopposition war der 1955 gegründete Petöfi-Kreis. Dessen Ideologie-Produktion war eine krude Mischung aus Marxismus-Leninismus und kleinbürgerlich-demokratischen Phrasen. Doch der Petöfi-Kreis wurde im Oktober 1956 zur geistigen Initialzündung zur Entstehung einer kleinbürgerlich-demokratischen Studierendenbewegung, deren organisatorischer Ausdruck der am 16. Oktober gegründete Freie Studentenverband MEFESZ wurde. Die Studierendenbeweg organisierte auch die Budapester Demonstration vom 23. Oktober 1956, bei der das Stalin-Denkmal zerstört wurde und es zu bewaffneten Kämpfen zwischen Demonstrierenden und der Geheimpolizei A.V.O vor dem Rundfunkgebäude kam. Die staatskapitalistische Sozialreaktion konnte nicht mehr mit Gerö an der Spitze erfolgreich den Klassenkampf von oben gegen das Proletariat führen, was ab dem 23. Oktober das Gravitationszentrum der sich entwickelnden Revolution wurde. Am 24. Oktober wurde Nagy abermals zum Ministerpräsident Ungarns ernannt. Dessen Regime lavierte zwischen der staatskapitalistischen beziehungsweise sich formierenden privatkapitalistischen Sozialreaktion einerseits und dem klassenkämpferischen Proletariat andererseits.
Das führte trotz großer Illusionen in das Nagy-Regime seinen eigenen Kampf. Ab dem 24. Oktober bildeten sich überall im Land ArbeiterInnenräte, welche oftmals das alte Management in den Betrieben davonjagte. Das Nagy-Regime erklärte am selben Tag das Standrecht. Das Proletariat antwortete mit dem Generalstreik. Am 25. Oktober kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der sowjetischen Armee in Ungarn. Einige sowjetische Soldaten liefen zum klassenkämpferischen Proletariat über. Lediglich die ungarische Geheimpolizei A.V.O. kämpfte an der Seite des sowjetischen Imperialismus und verrichtete blutige Massaker an der aufständischen Bevölkerung, welche wiederum teilweise zur Lynchjustiz gegen die verhasste Geheimpolizei überging. Den bewaffneten Kampf gegen A.V.O. und sowjetischen Imperialismus führten vor allem das hart ausgebeutete Jungproletariat.
In der Ungarischen Revolution von 1956 wurde wieder das Dilemma von spontan im Klassenkampf entstandenen Organen der proletarischen Selbstorganisation deutlich, die zwar oft instinktiv das im Klassenkampf notwendige taten, während gleichzeitig in den Köpfen der kämpfenden ProletarierInnen noch massenhaft bürgerliche Ideologie reproduziert wurde. So übernahmen die ArbeiterInnenräte spontan massenhaft die Produktionsmittel in ihre kollektive Verfügungsgewalt. Das war richtig, doch zur sozialen Emanzipation des Proeltariats von Ausbeutung und Unterdrückung reichte Spontaneität und Klasseninstinkt nicht aus. Zur Weiterführung der sozialen Revolution, also zur Zerschlagung des Staatskapitalismus und zur Schaffung einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft wäre ein Höchstmaß an sozialrevolutionärem Bewusstsein nötig gewesen. In der Normalität der Klassengesellschaft reproduzieren die meisten ArbeiterInnen die Politik, das heißt, sie akzeptieren, dass es BerufspolitikerInnen gibt, welche in ihrem Namen regieren. In einer Demokratie ermächtigen die ArbeiterInnen als Stimmvieh die sie regierenden PolitikerInnen. Im ungarischen Staatskapitalismus gab es keine freien Wahlen und kein pluralistisches Mehrparteiensystem, über die die kapitalistische Ausbeutung im Privatkapitalismus politisch organisiert wird. Es gab eine brutale „kommunistische“ Einparteiendiktatur, welche die staatskapitalistische Ausbeutung des Proletariats organisierte. Die primitive Machtausübung im Staatskapitalismus ließen im Proletariat demokratische Illusionen in freie Wahlen und Mehrparteiensystem entstehen, obwohl sie doch in Form der ArbeiterInnenräte das potenzielle Mittel in den Händen hielten, sich ein selbstbestimmtes Leben in einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft aufzubauen – ohne BerufspolitikerInnen! Diese demokratische Illusionen machte sich Imre Nagy zu Nutze, indem er am 3. November 1956 von der „kommunistischen“ Parteidiktatur zur demokratischen Mehrparteienkabinett, bestehend aus der transformierten staatskapitalistischen Herrschaftspartei, der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei, der Partei der kleinen Landwirte und der Sozialdemokratie, überging. Das Proletariat Ungarns hegte große Illusionen in das Nagy-Regime.
Allerdings traten während der Revolution von 1956 viele ArbeiterInnen und Jugendliche subjektiv gegen die Reprivatisierung des Kapitals auf, der sie aber objektiv durch ihre demokratischen und nationalen Illusionen Vorschub gaben. So erklärten die Revolutionsräte des Komitats Borsod-Abauj-Zemplen: „Wir weisen jeden Restaurationsversuch zurück, der auf die Wiederherstellung der Herrschaft der Großgrundbesitzer, der Fabrikanten und Bankiers abzielt.“ Der Schriftsteller Laszlo Nemeth erklärte am 1. November 1956: „Wir müssen auf der Hut sein, das, während das Volk, das zu den Waffen gegriffen hat, seine volle Aufmerksamkeit auf den Abzug der sowjetischen Truppen richtet, die neuen Postenjäger (…) aus der Revolution keine Konterrevolution machen und den ungarischen Freiheitskampf des Jahres 1956 nicht auf den Kurs von 1920 bringen.“ (Zitiert nach György Litvan, Janos M. Bak (Hg.), Die Ungarische Revolution 1956. Reform –Aufstand –Vergeltung, Passagen Verlag, Wien 1994, S. 112.) Der Intellektuelle brachte ideologisch entfremdet das zum Ausdruck, was viele ArbeiterInnen dachten oder instinktiv fühlten. Der „Kurs von 1920“ war der konterrevolutionäre Terror des Horthy-Regimes, den wir weiter oben beschrieben haben. „Die neuen Postenjäger“ waren die PolitikerInnen des sich während der Revolution von 1956 herausbildenden demokratischen Mehrparteiensystems.
Selbst die ungarischen demokratischen Antikommunisten György Litvan und Janos M. Bak mussten in ihrem Buch Die Ungarische Revolution 1956 zugeben, dass damals keine soziale und politische Kraft offen die Privatisierung des Kapitals verlangten, was für diese Herren natürlich die einzige Alternative zum Staatskapitalismus war und ist. Sie versuchten sich das zu erklären, dass ihre stramm antikkommunistische Linie damals nicht massenwirksam vertreten wurde: „Man darf auch die alten sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Traditionen, die mit der Zerschlagung der Organisationen 1948 nicht in Vergessenheit geraten waren, nicht unterschätzen. Obwohl die Sozialdemokratische Partei 1956 verhältnismäßig spät auf der politischen Bühne erschien und – aus verständlichen Gründen – sehr zurückhaltend agierte, waren alte Gewerkschaftsmitglieder in den Arbeiterräten zahlreich vertreten, die die Idee des Sozialismus nicht erst in ihrer pervertierten Form kennengelernt und die traditionellen Werte wie Arbeitersolidarität, Gewerkschaftsorganisation, Kampf gegen Ausbeutung und Großkapital auch in den Jahren der Unterdrückung der freien Gewerkschaften noch keineswegs vergessen hatten.
Viele der aktiven Teilnehmer der Revolution auch außerhalb der Arbeiterschaft waren durch diese Tradition motiviert, um für eine freie sozialistische Gesellschaft, für den – wie man glaubte – ,wahren‘ Sozialismus einzutreten. Obwohl man sicher annehmen kann, dass dies nicht dem Ideal der gesamten Bevölkerung entsprach, war für die Situation 1956 doch charakteristisch, dass es keine ernstzunehmenden Kräfte oder Persönlichkeiten gab, die für die Alternative, welche heute als die einzig mögliche erscheint, also für das kapitalistische Wirtschaftssystem mit uneingeschränkter Marktwirtschaft und umfassender Privatisierung, eingetreten wären. Freilich wäre es ein eitles Unterfangen, darüber zu spekulieren, wie bald nach einem Sieg der Revolution ganz neue und möglicherweise viel mehr traditionelle, bürgerliche Programme auf die Tagesordnung gesetzt worden wären. Die ,vorkommunistische‘ Zeit von 1945-1948, oder gar vor 1944 war ja noch gar nicht so weit in die Vergangenheit gerückt, als das die damalige politischen und wirtschaftlichen Modelle nicht wohl bekannt und –mutatis mutandis –wünschenswert hätten erscheinen können.“ (Ebenda, S. 115.)
Dass die ungarischen AntikommunistInnen das ultrareaktionäre Horthy-Regime, dessen brutalen Klassenkampf gegen das Proletariat wir in diesem Text schilderten, idealisierten, wundert nicht. Jeder klassenbewusste Proletarier und jede klassenbewusste Proletarierin konnte nur gegen die Restauration der privatkapitalistischen Verhältnisse sein. Genau vor solchen Leuten wie György Litvan und Janos M. Bak haben damals 1956 die ArbeiterInnenräte gewarnt. Und heute, nach dem Sieg der privatkapitalistischen Sozialreaktion in Ungarn, schreiben solche Leute Bücher, welche die Revolution von 1956 hochleben lassen!
Mensch darf aber auch nicht den Fehler machen, das Bewusstsein des ungarischen Proletariats während der Revolution von 1956 zu idealisieren. Weiter oben haben wir schon dargestellt, dass den ArbeiterInnenräten eine bewusste sozialrevolutionäre Perspektive fehlte und ohne eine solche das klassenkämpferische Proletariat nur der Bauer im Schachspiel der rivalisierenden Kapitalfraktionen sein kann. Hätte die Sowjetarmee nicht die Revolution von 1956 in Blut ertränkt, wären mit Sicherheit das Nagy-Regime und die Sozialdemokratie zum trojanischen Pferd der Reprivatisierung des Kapitals geworden. Staatstragende Politik kann im Zeitalter des Kapitalismus nur kapitalistisch sein, weil die PolitikerInnen als Charaktermasken der Politik von der direkten Aneignung des proletarisch produzierten Mehrwertes durch die Verstaatlichung der Produktionsmittel oder durch die indirekte Aneignung des privatkapitalistisch produzierten Mehrwertes in Form von Steuern, Gebühren und den Verkauf von Staatsanleihen auf den Finanzmärkten leben. Politik kann das Kapitalverhältnis nicht aufheben, weil sie direkt oder indirekt von ihm lebt. Die Sozialdemokratie ist grundsätzlich proprivatkapitalistisch. Nur während der revolutionären Nachkriegskrise in Ungarn hat sie sich kurzzeitig für eine staatskapitalistische Wende entschieden. Dann war sie weder proprivatkapitalistisch –um dann vom staatskapitalistischen Partei-„Kommunismus“ geschluckt zu werden. Die sich 1956 neubildende Sozialdemokratie bildete sich während einer Krise des Staatskapitalismus, sie hätte also mit großer Wahrscheinlichkeit wieder eine proprivatkapitalistische Politik betrieben.
Auch das Nagy-Regime war aus heutiger Sicht auf dem Weg zum Privatkapitalismus. So trat es am 1. November aus Protest gegen sowjetische Panzertruppenbewegungen gegen Ungarn in Rumänien und der Sowjet-Ukraine ab dem 31. Oktober aus dem Militärbündnis der osteuropäischen staatskapitalistischen Regimes, dem Warschauer Pakt, aus. Das Regime ließ Ungarn für „neutral“ erklären und ersuchte die UNO zur Anerkennung der Neutralität. Doch in der internationalen Politik, diesem Gewaltverhältnis und hierarchischer Rangordnung der Nationalstaaten kann es keine wirkliche Neutralität geben. Die UNO, dieses hierarchische Schiedsgericht der Nationalstaaten um Hilfe anzubetteln, hieß in Wirklichkeit sich bei den privatkapitalistischen Nationen Lieb Kind zu machen. Zwar setzte Nagy auch seine Hoffnungen in das staatskapitalistische Tito-Regime Jugoslawiens. Doch nach dem Bruch zwischen Stalin und Tito im Jahre 1948, kam es unter Chruschtschow wieder zu einer gewissen Annäherung zwischen den beiden staatskapitalistischen Ländern. Nach György Litvan und Janos M. Bak gab Tito Chruschtschow insgeheim Grünes Licht für die sowjetische Invasion in Ungarn, da ein Mehrparteiensystem für ihn unannehmbar war. (Ebenda, S. 101/102.) Wäre die sowjetische Invasion nicht erfolgt, wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer außenpolitischen Annäherung des Nagy-Regimes an den privatkapitalistischen Westen gekommen. Auch innenpolitisch war die Hinwendung zur westlichen Mehrparteien-Demokratie eine Hinwendung zur politischen Herrschaftsform des Privatkapitalismus. Doch Privatkapitalismus und parlamentarische Demokratie reproduzieren sich gegenseitig.
Nur das Proletariat kann Kapitalismus und bürgerliche Politik revolutionär aufheben. Dazu muss es sich jedoch zu einem hohen antikapitalistischen, antipolitischen und antinationalen Bewusstsein hin kämpfen. Sozialrevolutionäre Gruppen, die nicht parteimäßig organisiert sein dürfen, weil sie sonst die bürgerliche Politik reproduzieren, müssen die praktischen Erfahrungen des Proletariats mit der Politik als struktureller Klassenfeindin des Proletariats verallgemeinern und zu einem klaren antipolitischen Bewusstsein verdichten. Diese sozialrevolutionäre Antipolitik verschmelzt in sich die materialistische Analyse der Politik mit den antipolitischen Instinkten des Proletariats. Proletarische RevolutionärInnen betreiben keine „Agitation“ und „Propaganda“ im Proletariat, wie die kleinbürgerliche politische Linke, sondern diskutieren mit ihren KollegInnen, um so zur Radikalisierung ihres Bewusstseins beizutragen. Auch wirkliche sozialrevolutionäre Intellektuelle haben mit der leninistischen Ideologie gebrochen, dass sie die revolutionäre Theorie von außen in das Proletariat hineinzutragen haben. Träger der sozialen Revolution sind die proletarischen RevolutionärInnen. Kern der sozialrevolutionären Antipolitik ist die Zerschlagung des Staates und die Aufhebung der Politik durch die Diktatur des Proletariats. Die Diktatur des Proletariats kann nichts anderes sein als die militante Form des selbstorganisierten proletarischen Klassenkampfes. Die Organe der proletarischen Selbstorganisation, im konkreten Fall der Ungarischen Revolution von 1956 die ArbeiterInnenräte, hätten bewusst auch die „neue“ Politik, die bewusst oder unbewusst nach der Privatisierung des Kapitals strebte, aufheben müssen. Doch Aufhebung der Politik ist nur als Aufhebung des Kapitalismus und Selbstaufhebung des Proletariats möglich. Die Organe der proletarischen Selbstorganisation müssen die Produktionsmittel in ihre kollektiven Verfügungsgewalt nehmen, den Staat zerschlagen und die kapitalistische und kleinbürgerliche Warenproduktion aufheben. Die Revolution beginnt in einem oder mehreren Ländern, muss aber, wenn sie siegreich sein will, zur Weltrevolution werden.
In Ungarn 1956 gab es ArbeiterInnenräte als Organe der proletarischen Selbstorganisation im Klassenkampf, die sich auch schon instinktiv der Produktionsmittel kollektiv bemächtigten. Diese ArbeiterInnenräte bekannten sich auch mehrheitlich gegen eine Privatisierung des Kapitals –aber sie hatten keine klare Perspektive zur revolutionären Zerschlagung des Staatskapitalismus und zur Schaffung einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft. Und es fehlte eine bewusste sozialrevolutionäre Strömung in Ungarn, welche die praktischen Erfahrungen des Klassenkampfes theoretisch verallgemeinerte und die materialistische Analyse mit dem proletarischen Klassenkampfinstinkt zu einem klaren sozialrevolutionären Bewusstsein verschmolz und scharf gegen alle groß- und kleinbürgerlichen Ideologien auftrat. Eine bewusste sozialrevolutionäre Kraft, welche für diese klare Kampfperspektive innerhalb der ArbeiterInnenräte und des kämpfenden Proletariats eingetreten wäre. Das Fehlen einer solchen, im Proletariat verankerten bewusst sozialrevolutionären Strömung, machte sich während der Revolution von 1956 tragisch bemerkbar. Das Proletariat Ungarns reproduzierte während der Revolution von 1956 noch massenhaft bürgerliche Ideologie. Die gefährlichsten waren Demokratie und Nationalismus. Doch das Proletariat kann sich nur von Ausbeutung und Elend befreien, indem es den Nationalstaat zerschlägt und alle PolitikerInnen durch die Aufhebung der Politik entmachtet, nicht indem es die PolitikerInnen durch demokratische Wahlen zur Herrschaft ermächtigt und einen „nationalen Befreiungskampf“ gegen ausländische Imperialismen führt.
Auch international war die sozialrevolutionäre Bewegung in einer tiefen Krise. Einige ausländische SozialrevolutionärInnen kritisierten nicht wirklich die Reproduktion bürgerlicher Ideologie durch das ungarische Proletariat während der Revolution von 1956, sondern idealisierten dessen Bewusstsein und verteidigten es gegen die staatskapitalistische Ideologie-Produktion, welche die Ereignisse von 1956 als „konterrevolutionär“ abqualifizierte. Um die staatskapitalistische Ideologie-Produktion als solche zu kritisieren, brauchte es aber keine Idealisierung des proletarischen Bewusstseins. Im Gegenteil, proletarische und intellektuelle RevolutionärInnen müssen das bestehende Klassenbewusstsein, was immer auch eine mehr oder minder große Reproduktion der bürgerlichen Ideologie einschließt, kritisieren, um bei der Radikalisierung des Klassenbewusstseins zu helfen. Dieser Kritik auszuweichen, um das bestehende Klassenbewusstsein gegen bestimmte Fraktionen der bürgerlichen Sozialreaktion zu verteidigen, heißt objektiv der ideologischen Beeinflussung des Proletariats durch andere Fraktionen der bürgerlichen Sozialreaktion Vorschub zu leisten.
Konkret auf Ungarn 1956 bezogen heißt das, dass ausländische SozialrevolutionärInnen, welche nicht bewusst die nationalistischen Tendenzen und die demokratischen Illusionen im Bewusstsein des ungarischen Proletariats klar und eindeutig kritisierten, objektiv der privatkapitalistischen Sozialreaktion Kopflangerdienste leisteten. In diese Falle rannten zum Beispiel die beiden subjektiven Sozialrevolutionäre Andy Anderson und Claude Lefort. So schrieb Andy Anderson über die demokratischen Illusionen des ungarischen Proletariats im Jahre 1956: „Die verschiedenen Programme (der ArbeiterInnenräte) forderten auch Erhöhungen der Löhne und Renten, doch waren dies nie die wichtigsten Programmpunkte. Viele umfassten auch Forderungen nach ,parlamentarischer Demokratie‘. Verschiedene Erklärungen sprachen Nagy das Vertrauen aus. Bevor nun die ,revolutionären Sozialisten‘ ihre Hände vor Entsetzen über den Kopf zusammenschlagen, sollten sie daran denken, dass im Vergleich zu den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die vor dem Oktober 1956 in Ungarn herrschten, auch ein derartiges liberales Programm revolutionär sein musste. Unter solchen Bedingungen haben demokratische Parolen eine explosive Wirkung. Sie waren ein großer Schritt nach vorn. Sie führten zur Zerstörung eines totalitären Staatsapparates.“ (Andy Anderson, Die Ungarische Revolution 1956, a.a.O., S. 122/123.)
Liberale Programme im Staatskapitalismus führten zur Demokratie als politischer Form der Reprivatisierung des Kapitals, zur Reproduktion der kapitalistischen Ausbeutung und für große Teile des Proletariats zu nacktem Elend. ArbeiterInnen, die im Staatskapitalismus für liberale Programme kämpfen, sind Opfer ihrer eigenen Illusionen, aber keine selbstbewussten Subjekte ihrer sozialen Befreiung. Anstatt Anderson auf den großen Widerspruch hinwies, der zwischen der realen Gestaltungsmöglichkeit der ArbeiterInnenräte als Organe der sozialen Befreiung und der Jämmerlichkeit des demokratischen Programmes, welches dem Proletariat die Rolle von Stimmvieh in freien Wahlen zur Ermächtigung von PolitikerInnen zuweist, bestand, reproduzierte Anderson die Illusionen des ungarischen Proletariats von 1956 in liberale Programme. Liberale Programme können überall auf der Welt nur die kapitalistische Ausbeutung reproduzieren.
Claude Lefort verteidigte folgendermaßen die Reproduktion des Nationalismus im Bewusstsein des Proletariats: „Diese Bewegung (von 1956) umfasst nun neue soziale Schichten. Zunächst war sie hauptsächlich eine Bewegung der Fabriken, bis auf Budapest, wo (…) Studenten, Angestellte, Kleinbürger sich an der Seite der Arbeiter befinden. Sie äußerte sich durch das Auftauchen der Räte. Aber der erste Rückzug der Regierung (…), die Bildung einer Koalitionsregierung (…) ermutigen alle Schichten der Bevölkerung sich zu erheben, denn der Sieg scheint allen greifbar nah zu sein. (…) Es ist ganz offenkundig, dass diese anderen Bevölkerungsschichten und besonders die Bauern vor allem für die demokratischen und nationalen Forderungen empfänglich sind. Doch diese Forderungen finden auch in der Arbeiterklasse große Resonanz, weil sie die Zerstörung des alten totalitären Staates bedeuten. Die Arbeiter sind für die Unabhängigkeit Ungarns mit Blick auf die russische Ausbeutung, (…). (…) Diese Verwirrung wird durch die von der russischen Armee ausgehenden Bedrohung gesteigert, denn alle müssen gleichzeitig die Fahne der nationalen Unabhängigkeit hochhalten.“ (Claude Lefort, Der ungarische Aufstand, in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit Nr. 16, Germinal Verlag, Fernwald (Annerod) 2001, S. 330/331.)
Nein, nicht alle müssen im Kampf gegen ausländische Imperialismen die nationale Unabhängigkeit hochhalten. RevolutionärInnen dürfen genau dies nicht tun. Sie müssen darauf hinweisen, dass der sowjetische Imperialismus sich durch ungleichen Handel mit Ungarn einen Teil des vom ungarischen Proletariat produzierten Mehrwertes aneignete und dass das ungarische Proletariat sich nur durch sozialen Kampf gegen ungarischen Nationalstaat und sowjetischen Imperialismus von Ausbeutung und Unterdrückung hätte befreien können. So lange das Proletariat im Kampf gegen ausländische Imperialismen nationale Illusionen hegt, reproduziert es geistig den bürgerlichen Nationalstaat, der von kapitalistischer Ausbeutung lebt. Ein Proletariat, welches nationale Ideologie reproduziert, kann sich nicht sozial von Kapital und Staat befreien, sondern bleibt objektiv ein Bauer im Schachspiel der Nationalkapitale. Das nationaldemokratische Programm vieler ArbeiterInnenräte von 1956 begünstigte objektiv die Reprivatisierung des Kapitals, auch wenn viele ArbeiterInen subjektiv das damals nicht wollten.
Nun ja, Andy Anderson und Claude Lefort begingen ihre schweren Fehler vor 1989, dem Jahr des Sieges der privatkapitalistischen Sozialreaktion in Osteuropa, den wir bewusst erlebten und reflektierten. 1956 triumphierte in Ungarn noch mal die staatskapitalistische Sozialreaktion. Ab vier Uhr morgens des 4. November ließ der sowjetische Imperialismus seine Truppen auf Budapest marschieren. Nur eine Stunde nach dem Beginn der sowjetischen Invasion bildete sich das prostaatskapitalistische und moskautreue Marionettenregime von Janos Kadar. Das Regime von Imre Nagy fügte sich kampflos der sowjetischen Invasion und begab sich in die jugoslawische Botschaft. Nagy und andere Mitglieder der gestürzten Regierung bekamen von – dem ein doppeltes Spiel treibenden –Jugoslawien politisches Asyl. Doch das Proletariat Ungarns gab sich nicht so schnell geschlagen. Der sowjetische Imperialismus und das Kadar-Regime konnten den bewaffneten Widerstand gegen die staatskapitalistische Konterrevolution erst am 11. November 1956 im wesentlichen brechen. Nach einem Geheimbericht des Statistischen Landesamtes wurden in bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den staatskapitalistischen Repressionsorganen und dem militanten Widerstand vom 23. Oktober bis zum 11. November 1956 1330 ArbeiterInnen, 44 Studierende und 196 Kinder unter 14 Jahren getötet.
Doch das Ende des bewaffneten Kampfes war nicht das Ende des sozialen Widerstandes. Die ArbeiterInnenräte führten noch einen langen und zähen Kampf –auch in Form von Streiks –gegen das Kadar-Regime. Doch schließlich gelang es der staatskapitalistischen Restauration durch Scheinverhandlungen mit kompromisslerisch-opportunistischen Kräften innerhalb der ArbeiterInnenräte und durch brutale Repression den selbstorganisierten proletarischen Klassenkampf im Jahre 1957 zu zerschlagen. Der staatskapitalistischen Konterrevolution fielen viele Menschen zum Opfer. Bei Gefechten mit den Sowjettruppen wurden nicht wenige Widerständige nach der Gefangennahme ermordet. Mitglieder der ArbeiterInnenräte wurden eingesperrt und zum Teil hingerichtet. Die Repression des Kadar-Regimes gegen die TeilnehmerInnen an der Revolution von 1956 dauerte bis zum Frühjahr 1963. „Allein 1957 wurden Verfahren aus politischen Gründen in 20 000 Fällen eingeleitet, aber die Justiz ,schaffte‘ eine Verurteilung nur in etwa 6000 Fällen.“ (György Litvan, Janos M. Bak (Hg.), Die Ungarische Revolution 1956, a.a.O., S. 151.)

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Für welche Bildung wollen wir streiken? https://swiderstand.blackblogs.org/2011/08/07/fuer-welche-bildung-wollen-wir-streiken/ https://swiderstand.blackblogs.org/2011/08/07/fuer-welche-bildung-wollen-wir-streiken/#respond Sun, 07 Aug 2011 21:34:26 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/2011/08/07/fuer-welche-bildung-wollen-wir-streiken/ Es ist notwendig und richtig gegen die neuen Hochschulreformen (Studiengebühren, Turboabitur usw.) Widerstand zu leisten (z.B. Unistreiks, Besetzungen und Straßenblockaden). Aber unsere Kritik und Wut richtet sich nicht nur gegen die Reformen. Eine radikale Bildungskritik kann niemals auf die kritische Analyse des Schul- und Hochschulsystems beschränkt bleiben, es ist notwendig die gesellschaftlichen, die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen der Bildung zu betrachten.

Stelle dir vor das bürgerliche Bildungssystem wäre abgeschafft, die Notenbewertung und der daraus folgende Leistungsdruck und die Selektion gehören der Geschichte an. Die Bildung in diesem System ist ein Fundament zur Klassenselektion und entsprechend wird dies ein Traum bleiben, solange es Klassen geben wird. In dieser Klassengesellschaft, wo geistige und körperliche Arbeit weitgehend getrennt sind, ist die Mehrheit der Leute gezwungen sich zu verkaufen, gleichgültig ob das im Büro oder auf dem Bau ist. Einige Wenige werden dank ihrer sozialen Herkunft, oder ihrer Art sich hoch zu schleimen, zu OrganisatorInnen und MitverwalterInnen dieser Ausbeutung und Unterdrückung.

Ganze bürgerliche Wissenschaft den Interessen des Kapitals unterworfen

Die humane Wissenschaft rechtfertigt ideologisch das kapitalistische System, in dem z. B. die SoziologInnen behaupten, dass die moderne bürgerliche Gesellschaft vollendete menschlichen Emanzipation und alternativlos sei. Die ÖkonomInnen versuchen besonders nach dem Zerfall des staatskapitalistischen Ostblocks (für sie „Kommunismus“) uns einzureden, dass die „freie Marktwirtschaft“ das beste Wirtschaftssystem der Geschichte sei. Sogar bei Naturwissenschaften geht es bei den theoretischen und praktischen Forschungen irgendwann darum, die gewonnenen Erkenntnisse für kapitalistische Interessen zu gebrauchen.

Ingenieure entwickeln Maschinen mit denen die ArbeiterInnen besser ausgebeutet und überflüssig gemacht werden. Während Informatiker bessere Programme entwickeln, mit denen uns die Chefs am Arbeitsplatz und der Staat an öffentlichen Plätzen besser beobachten können. Das kapitalistische Verwertungsprinzip macht jede menschliche Entdeckung (z. B. Gentechnik) zu einem Fluch für die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten.

Nur in einer Gesellschaft in der das Kapitalverhältnis aufgehoben ist und die menschlichen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen, kann das ganze menschliche Wissen vergesellschaftet und auch wirklich zum Wohle aller eingesetzt werden. Automatisierung dient dann dazu, die Menschen von unnützen und stupiden Tätigkeiten zu befreien, statt, wie es im Kapitalismus üblich ist, mehr Arbeitslose zu produzieren. Techniken wie die Genetik werden dann nicht mehr zur Manipulation von Erbgut von Menschen, Pflanzen und Tieren missbraucht, sondern ausschließlich für medizinische Zwecken eingesetzt. Obwohl eine Milliarde Menschen hungern, wird ein großer Teil vernichtet damit die Preise nicht ins Bodenlose fallen und die Lebensmittelkonzerne(z B. Nestle) weiter Profite erwirtschaften. Das verrückteste daran ist, dass die WissenschaftlerInnen in den Interessen des Kapitals die Pflanzen genetisch manipulieren um sie noch widerstandsfähiger und optisch „schöner“ zu machen.

Die Abschaffung der Warenproduktion und des Staates wird auch radikal das Lernen verändern

Nicht nur das dreigliedrige Schulsystem wird abgeschafft, sonder auch die allgemeine Trennung zwischen Schulen und Unis wird aufgehoben. Das bedeutet auch die Beseitigung der heutigen künstlichen Trennung zwischen geistiger und materiell-praktischer Produktion. Wir können so aktiv mit bestimmen, ob wir an einem Tag im Klassenzimmer hocken und Theorie machen oder uns praktisch in vergesellschafteten Betrieben weiterbilden. Wir freien SchülerInnen und ProduzentInnen werden dann unseren Lernplan und Alltag selbst bestimmen, d. h. wir werden in kleinen Gruppen entscheiden, ob wir im Freien, zu Hause oder sonst wo uns bilden und nicht wie heute im Klassenzimmer eingesperrt sein. Der Druck in einer bestimmten Zeit bestimmte Aufgaben und Themen zu beherrschen fällt weg. LehrerInnen sind dann auch keine angsteinflössenden Autoritätspersonen mehr, sondern frei gewählte BeraterInnen und HelferInnen. Damit wird die in der kapitalistischen Gesellschaft entstehende Teilung von eingebildeten „Fachidioten“ und „bildungsfernen Schichten“ aufgehoben.

Für die Verschmelzung von SchülerInnen/StudentInnenbewegung mit dem proletarischem Klassenkampf!

Die Art und Weise wie in dieser Gesellschaft produziert wird, wirkt sich damit auch auf das Bildungssystem und deren ganzen Lerninhalt aus. Deshalb können kapitalistische Arbeitsprozesse und das staatliche Schulsystem nur durch gemeinsame Aktionen von ArbeiterInnen, SchülerInnen und StudentInnen aufgehoben werden. Wir dürfen deshalb nicht nur auf uns schauen, sondern müssen unseren Widerstand mit denen der ArbeiterInnen verknüpfen.Erste Ansätze von SchülerInnen und StudentInnen sich mit dem Klassenkampf der Lohnabhängigen zu solidarisieren, müssen gestärkt und weiter vorangetrieben werden. Auch dürfen GewerkschaftsbürokratInnen von uns nicht als unsere „InteressenvertreterInnen“ akzeptiert werden. Denn diese Damen und Herren sind „konstruktive“ Co-ManagerInnen der kapitalistischen Ausbeutung. Ein selbstbestimmtes und kreatives Lernen und Tätig sein ist nur jenseits von Staat und Markt möglich. Nieder mit dem staatlichen Bildungssystem – für ein selbstbestimmtes Lernen und Tätig sein in einer klassenlosen Gesellschaft!

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Nicht nur gegen Studiengebühren! https://swiderstand.blackblogs.org/2011/08/07/nicht-nur-gegen-studiengebuehren/ https://swiderstand.blackblogs.org/2011/08/07/nicht-nur-gegen-studiengebuehren/#respond Sun, 07 Aug 2011 21:23:08 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/2011/08/07/nicht-nur-gegen-studiengebuehren/ „Bildung kann wesentlicher Faktor der Aufklärung über den wahren Zustand der entfremdeten Gesellschaft sein… nicht aber eigene revolutionäre Kraft.“ (Karl Marx, Grundrisse der politischen Ökonomie 1857/ 58).

Das Bildungswesen in Deutschland ist, wie für kapitalistische Staaten charakteristisch, ausschließlich Kapitalinteressen unterworfen. Die Bildungseinrichtung Schule ist neben den Faktoren Familie, Freundeskreis, Kindergarten die erste staatliche Zwangs-Institution, die sich der „Zurichtung“ junger Menschen dient. Zurichtung bedeutet in diesem Sinne, dass die Grundregeln der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft (Leistungs- und Anpassungsfähigkeit, Autoritätshörigkeit, Konkurrenzdenken, Gesetzestreue etc.) in der Schule mehr oder weniger offensichtlich anerzogen werden.
Betrachtet mensch Bildungsstruktur, lassen sich natürlich differenzierte, vielschichtige Abläufe erkennen (auch emotional-positive), die jedoch immer wieder auf die oben genannten, dem Kapitalismus immanenten Mechanismen und Maximen zurückgeführt werden können und müssen. Als Beispiel seien hier Noten als Druckmittel zur Verinnerlichung des Konkurrenz- und Leistungsprinzips, die Schulordnung als repressiver Verhaltensnormierungs-Gesetzeskatalog, die Geschlechterprägung in Klassenkollektiven genannt.

Eine radikale Bildungskritik kann niemals auf die kritische Analyse der Struktur, der internen Funktionsweise von Schule beschränkt bleiben, es ist notwendig die gesellschaftlichen, die ökonomischen, politischen, rechtlichen und institutionellen, Rahmenbedingungen von Bildung zu betrachten.

Schule wird traditionell als geistesgeschichtlich-kulturelles Phänomen gefasst – in geisteswissenschaftlichen Überlegungen ist die zentrale Funktion der Schule die Überführung des Kindes aus dem Familienkreis in die Willensform des öffentlichen Lebens. „Die Schule organisiere den Übergang vom Spiel zum Ernst der Arbeit.“ (Zitat aus einem pädagogischen Handbuch). Ein junger Mensch tritt also in die Institution Schule ein, um innerhalb von 9 bis 13 Jahre genormt zu werden, also zum loyalen Staatsbürger/ zur loyalen Staatsbürgerin erzogen zu werden, der/ die existiert, um den gesellschaftlichen Ist-Zustand in seinen Grundzügen zu erhalten bzw. noch zu optimieren (denken wir an die durch menschliche Arbeitskraft geschaffenen technischen und kulturellen Innovationen). Das Ziel von Schule ist also das Formen von Menschen, die die herrschende Ordnung anerkennen und natürlich nach Qualifikationen streben, die verwertbar machen. Um dies zu veranschaulichen soll im Folgenden die Entstehung des öffentlichen, allgemein bildenden Schulwesens im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Kapitalismus nachvollzogen werden.

Der Staat befriedigt mit seinem Bildungswesen seinen Bedarf an StaatsbürgerInnen, die zum einen die Mechanismen der Demokratie, vor allem das Wählen als höchstes demokratische Recht zur „Teilhabe an und Mitgestaltung von Gesellschaft“ anerkennen, zum anderen, spezifische Kompetenzen erlernend, als Humankapital ihre Arbeitskraft auf dem Markt zum Verkauf anbieten. Dass ein Mensch im kapitalistischen Sinne ein „zweckmäßiges Dasein“ fristet, wenn er/ sie arbeitet ist das perverse Charakteristikum dieser Gesellschaftsform. Menschen derart zu indoktrinieren, dass sie Arbeit als Lebenszweck anerkennen, daran haben Schule und Uni einen erheblichen Anteil.

Die beschriebene formale Konstruktion des Bildungssystems folgt einer kapitalistischen Logik. In einer funktionierenden Gesellschaft muss es sowohl Menschen geben, die die anfallenden „Drecksarbeiten“ ausführen, als auch Menschen, die sog. „Kopfarbeit“ leisten und z.B. Technologie weiterentwickeln und der Gesellschaft ihre kreativen Ideen zur Verfügung stellen. Die Besetzung dieser Positionen wird mittels einer selektiven Ausbildung gesteuert.

Emanzipatorische Bildungskritik stellt dem an Kapitalinteressen orientierten Bildungswesen eine qualitativ hochwertige, am Menschen ausgerichtete Bildung als Selbstzweck und nicht als Rüstzeug für ein Leben im Kapitalismus entgegen! Konsequent argumentiert, Bildung als Bestandteil der Gesellschaft betrachtet, kann ein freiheitliches und emanzipatorisches Bildungssystem nicht kapitalismusimmanent funktionieren. Die Notwendigkeit bleibt in diesem Sinne: Nieder mit dem Kapitalismus!

Die Art und Weise wie in dieser Gesellschaft produziert wird wirkt sich damit auch auf das Bildungssystem und deren ganzen Lerninhalt aus. Deshalb können kapitalistische Arbeitsprozesse und Schulsystem nur durch gemeinsame Aktionen von ArbeiterInnen, SchülerInnen und StudentInnen umgestaltet werden. Wir dürfen deshalb nicht nur auf uns schauen sondern müssen unseren Widerstand mit denen der ArbeiterInnen verknüpfen.

Bildung ist genau wie jede Institution, jedes Individuum nur ein Bestandteil der gesellschaftlichen Verhältnisse, also der herrschenden KAPITALISTISCHEN Verhältnisse. Eine Bildung im Kapitalismus muss im Endeffekt eine Bildung für den Kapitalismus bleiben!

Ein selbstbestimmtes und kreatives Lernen und Tätig sein ist nur jenseits von Staat und Markt möglich. Nieder mit dem staatlichen Bildungssystem – für ein selbstbestimmtes Lernen in einer klassenlosen Gesellschaft!


Einige wütende SchülerInnen und StudentInnen

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