kurdischer nationalismus – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Thu, 06 Feb 2025 16:34:15 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png kurdischer nationalismus – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Für die globale Vernetzung von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/07/31/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/ Wed, 31 Jul 2024 03:49:40 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=758 Die massenmörderische Krisen- und Kriegsdynamik des globalen Kapitalismus schreit geradezu nach einer planetaren Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen. Das Weltproletariat wird erbarmungslos von der Weltbourgeoisie verheizt. Der Klassenkampf des Proletariats wird noch immer innerhalb des reproduktiven Rahmens des Kapitalismus geführt, dessen Perspektive für die ProletarierInnen nur Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, staatliche Elendsverwaltung, eine sich vertiefende ökosoziale Kriese und Krieg beziehungsweise einen asozialen Frieden bedeuten kann.

Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien) ist der bürokratische Ausdruck der den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen des proletarischen Klassenkampfes. Die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate integrierten sich mehrheitlich in den Kapitalismus und wurden Fleisch von seinem Fleische. Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus (Linke Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und Linkskommunismus) sind entweder selbst Teil des kapitalistischen Problems oder außerstande eine revolutionäre Alternative zu Kapital, Staat und institutionalisierter ArbeiterInnenbewegung zu entwickeln.

Letzteres trifft besonders auf den Linkskommunismus zu. Er ist aufgrund seines Antiparlamentarismus, seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit und seiner Ablehnung der nationalen Befreiung/Selbstbestimmung zu radikal, um sich in den Kapitalismus zu integrieren, aber zu parteimarxistisch-ideologisch borniert, um den konterrevolutionären Charakter des staatstragenden Bolschewismus ab 1917 zu erkennen und zu begreifen, dass die politische Partei grundsätzlich eine bürgerlich-bürokratische Organisationsform ist, die nur den Kapitalismus reproduzieren, aber eben nicht revolutionär überwinden kann. Das peinliche Rumgeeiere in der Staatsfrage – der berühmt-berüchtigte „Halbstaat“, den die LinkskommunistInnen in der Revolution aufmachen wollen –, ist eine antirevolutionäre Tendenz. Erstens kann es nur ganze Staaten geben und zweitens sind die immer konterrevolutionär!

Eine globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen als organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus ist also absolut notwendig. Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) strebt mittelfristig eine globale Föderation dieser revolutionären Kräfte an.

Keine bürokratisch-zentralistische und ideologisch-dogmatische „Internationale“!

Wir streben keine bürokratisch-zentralistische Internationale an, mit einem riesigen globalen Apparat, der die einzelnen Sektionen in den verschiedenen Nationen anführt. Nein, die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen, die wir mittelfristig und geduldig mit euch zusammen aufbauen wollen, soll klar und eindeutig mit der bürokratisch-zentralistischen und ideologisch-dogmatischen Tradition der parteimarxistischen (sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen) vier Internationalen brechen. Selbstverständlich soll sie sich auch von internationalen anarchosyndikalistischen und linkskommunistischen Zusammenschlüssen unterscheiden.

Die globale Vernetzung soll die unterschiedlichen theoretisch-kulturellen Ursprünge und Traditionen nicht einebnen, sondern produktiv zusammenführen. Sie soll praktische Gemeinschaftserlebnisse von Individuen und Kleingruppen sowie die inhaltliche Diskussion zwischen ihnen ermöglichen und damit Vereinzelung überwinden. Ganz auf der kollektiven Solidarität der Individuen und Gruppen beruhen. Einzeln und frei wie ein Baum, dabei geschwisterlich wie ein Wald!

Natürlich ist dabei auch eine Beliebigkeit zu verhindern. Die Vernetzung von revolutionären Gruppen und Individuen kann kein Selbstzweck, sondern muss die gemeinsame praktisch-geistige Vorbereitung auf die mögliche Weltrevolution sein.

Diskussionsgrundlage für einen inhaltlichen Minimalkonsens einer globalen Föderation von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen

Damit die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen eine klare organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus werden kann, muss sie auf klaren Grundprinzipien beruhen. Die AST schlägt zur Diskussion folgende Punkte vor.

1. Für die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion. Die Warenproduktion basiert auf global voneinander getrennten kleinbürgerlichen und kapitalistischen Wirtschaftseinheiten, die ihre Produkte mittels der Ware-Geld-Beziehung austauschen müssen. Das Geld ist der verselbständigte Ausdruck des Tauschwertes. Basis des Tauschwertes ist der Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit einer Ware. Je höher der Produktionswert einer Ware ist, umso höher ist in der Regel auch ihr Tauschwert. Außerdem wird der Tauschwert auch durch die Marktkonkurrenz aus Nachfrage und Angebot bestimmt.

Indem das sich revolutionär selbst aufhebende Proletariat die Produktionsmittel und die soziale Infrastruktur in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und den Staat zerschlägt, schafft es die Voraussetzungen für die Aufhebung des Tauschwertes. Überwindung des Tauschwertes heißt, dass in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft die Produkte nicht getauscht – auch nicht durch einen Naturaltausch ohne Geld! – sondern gesamtgesellschaftlich kollektiv-solidarisch verteilt werden. Die Individuen sind keine passiven Objekte der gesamtgesellschaftlichen Leitung und Planung der Produktion sowie der Verteilung der Produkte, sondern deren aktive Subjekte.

RevolutionärInnen kritisieren jegliche „Vergesellschaftung“ innerhalb von Warenproduktion und Staat als Scheinalternative. GenossInnenschaften und „selbstverwaltete“ Betriebe innerhalb des Kapitalismus sind im besten Falle kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion und gehen fließend in Kapitalgesellschaften über.

2. Für die revolutionäre Zerschlagung aller Staaten. Staaten sind grundsätzlich sozialreaktionäre Gewaltapparate von Klassengesellschaften. Im Kapitalismus sind die Staaten die politischen Gewaltapparate der Kapitalvermehrung. Es kann keine „progressiven“ oder „sozialistischen“ Staaten geben. Das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat muss den Staat zerschlagen! Die „Halbstaaten“ einer angeblichen „Übergangsgesellschaft“, die der Linkskommunismus herbeiphantasiert, kann es nicht geben. Zwischen dem kapitalistischen Staat und der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft gibt es keine staatsförmige „Übergangsgesellschaft“, sondern „nur“ die mögliche revolutionäre Zerschlagung des Staates! Den Staat zu zerschlagen, heißt die gesamtgesellschaftlich-kollektive Organisation des Lebens ohne Gewaltapparate und BerufspolitikerInnen.

Da das Proletariat eines Landes, einer Gruppe von Ländern, eines Kontinents unmöglich mit der sozialen Revolution warten kann, bis ihre Klassengeschwister weltweit so weit sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Zerschlagung der Nationalstaaten sein. In der Weltrevolution wird es also sowohl schon mögliche klassen- und staatenlose Gemeinschaften als auch noch kapitalistische Staaten geben. Der revolutionäre Kampf gegen die Konterrevolution – sowohl von marodierenden Banden als auch von Staaten – beruht auf der kollektiven Militanz des sich selbst revolutionär aufhebenden Proletariats beziehungsweise der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft, aber nicht auf von der Gesellschaft getrennten Gewaltapparaten. Letztere wären der reproduzierte Staat. In der Praxis wird es schwer werden, notwendige revolutionäre Gewalt gegen die Konterrevolution auszuüben, ohne den Staat zu reproduzieren. Aber der reproduzierte Staat ist die Konterrevolution! Deshalb kompromissloser Kampf gegen die linkskommunistische Ideologie von dem „Halbstaat“ in der angeblichen „Übergangsperiode“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus! Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn alle kapitalistischen Staaten revolutionär zerschlagen sind.

3. Gegen die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien). Gewerkschaften sind der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes des Proletariats innerhalb des Kapitalismus. Im frühen Kapitalismus ging die Bourgeoisie noch total repressiv gegen den proletarischen Klassenkampf vor. Streiks und Gewerkschaften waren absolut verboten. Doch große Teile der herrschenden Klasse erkannten in einem sozialen Lernprozess – auch aufgrund des Druckes des klassenkämpferischen Proletariats – dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten ist. So wurde in den verschiedenen Staaten der reproduktive Klassenkampf und die Gewerkschafen unter bestimmten Bedingungen legalisiert. Der Klassenkampf wurde verrechtlicht und damit tendenziell entradikalisiert. Die Gewerkschaften wurden durch das durch staatliche Gesetze regulierte Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das Sitzen von Gewerkschaftsbonzen in den Aufsichtsräten der Konzerne zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung.

Die meisten Gewerkschaften sind durch einen antagonistischen Klassengegensatz geprägt. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Apparate der hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht (mehr) zum Proletariat gehören – und auf der anderen die ehrenamtlichen FunktionärInnen und die lohnabhängige Basis als Manövriermasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist es, sich vollständig in den kapitalistischen Staat zu integrieren.

Gewerkschaften können grundsätzlich nur einen reproduktiv-sozialreformistischen Klassenkampf um höhere Löhne, für kürzere Arbeitszeiten und eine geringere Arbeitsintensität sowie gegen die Angriffe von Kapital und Staat innerhalb des Kapitalismus, aber eben keinen revolutionären für die klassen- und staatenlose Gesellschaft führen. Selbstverständlich gibt es zwischen ihnen große Unterschiede. So gibt es total sozialreaktionäre Gewerkschaften, die völlig in die jeweiligen Staaten integriert sind und auch deren imperialistischen Kriege unterstützen, aber auch Basisgewerkschaften, die gegen Aufrüstung, Waffenhandel und Krieg einen pazifistisch-reformistischen Klassenkampf führen.

Die Behauptungen des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine Anpassung an das Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit des Proletariats wurde der Anarchosyndikalismus selbst zu einer Strömung des globalen Gewerkschaftsreformismus. Gewerkschaften sind die Organisationsform des reproduktiven Klassenkampfes innerhalb des Kapitalismus, aber eben keine revolutionären zur dessen Zerschlagung. Gewerkschaften können nicht revolutionär und revolutionäre Klassenkampforganisationen (siehe Punkt 5) keine Gewerkschaften sein!

In nichtrevolutionären Zeiten können RevolutionärInnen einfache Mitglieder von Gewerkschaften sein. Aber sie dürfen keine neben- oder hauptamtlichen Funktionen in ihnen übernehmen. Gewerkschaften müssen grundsätzlich durch revolutionäre Klassenkampforganisationen, die sich allerdings erst möglicherweise in der sozialen Revolution herausbilden können, ersetzt werden. Berits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus entwickelt sich die proletarische Selbstorganisation als Alternative zur Gewerkschaftsbürokratie (siehe Punkt 5). Völlig in den kapitalistischen Staat integrierte Gewerkschaftsapparate, die auch imperialistische Kriege unterstützen, müssen aktiv in der sozialen Revolution zerschlagen werden!

Politische Parteien bildeten sich ab dem 19. Jahrhundert zu zwar nicht absolut notwendigen, doch weit verbreiteten Basiseinheiten der bürgerlichen Politik. Parlamentarische Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen. In ihnen konkurrieren die politischen Parteien in Form von freien Wahlen um die Beherrschung des Staatsapparates. Freie Wahlen machen aus ProletarierInnen Stimmvieh, dass ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInne,n dazu ermächtigt, entweder den kapitalistischen Staat zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Neben den Demokratien gab und gibt es noch faschistische und marxistisch-leninistische (siehe Punkt 4) Einparteiendiktaturen.

Politische Parteien sind klassengespalten in bürgerlich-bürokratische Apparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen und -ideologInnen auf der einen und der kleinbürgerlich-proletarischen Basis auf der anderen Seite. Mensch kann zwischen kleinbürgerlich-radikalen Protest-/Aufstandsparteien und großbürgerlichen Systemparteien unterscheiden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich sozialdemokratische Massenparteien als politischer Flügel der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Einige von ihnen betrogen sich selbst und das Proletariat mit einer „revolutionären“ Ideologie, die aber nicht mit ihrer Praxis des parlamentarischen Sozialreformismus übereinstimmte, sondern diese verschleierte. Sie nahmen an Wahlen teil und integrierten sich immer stärker in das parlamentarische System. Die bürgerlich-bürokratischen Apparate der sozialdemokratischen Parteien strebten als Haupttendenz an, von der Bourgeoisie voll anerkanntes Regierungspersonal des kapitalistischen Staates zu werden.

Für die europäische Sozialdemokratie kam dieser Moment im Jahre 1914, den Beginn des Ersten Weltkrieges und der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die meisten europäischen sozialdemokratischen Parteien unterstützten den Ersten Weltkrieg auf der Seite ihres jeweiligen Nationalstaates. Nur pazifistische und radikale Teile der Sozialdemokratie waren gegen die Kriegsbeteiligung. Während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise wurde die Sozialdemokratie – besonders die deutsche SPD – offen konterrevolutionär, die blutig das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat niederschlug. Heute ist die Sozialdemokratie vollständig in den Kapitalismus integriert.

Infolge der europäischen revolutionären Nachkriegskrise spaltete sich der radikale Flügel der Sozialdemokratie weltweit sowohl als Partei-„Kommunismus“ als auch als Rätekommunismus ab. In einigen Nationen entstanden marxistisch-leninistische Parteidiktaturen (siehe Punkt 4). In hochentwickelten privatkapitalistischen Demokratien integrierten sich marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien in das parlamentarische System. Indem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus an parlamentarischen Wahlen teilnehmen, helfen sie dabei die Demokratie als Diktatur des Kapitals praktisch-geistig zu reproduzieren und die ProletarierInnen zum Stimmvieh abzurichten und braven demokratischen StaatsbürgerInnen zu erziehen.

Die sich vernetzenden Gruppen des revolutionären Anarchismus und des antileninistischen Kommunismus lehnen die politische Partei als Organisationsform des klassenkämpferischen Proletariats und der revolutionären Minderheiten ab. Ihre Kleingruppen sind weder Gewerkschaften noch politische Parteien und sie streben es auch nicht an, es zu werden.

4. Revolutionärer Antileninismus. Die politische Machtübernahme der bolschewistischen Partei im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – stellte keine „proletarische Revolution“ dar, wie der Parteimarxismus einschließlich des Linkskommunismus behauptet, sondern der Prologder staatskapitalistischen Konterrevolution. Das sozialreaktionäre Lenin-Trotzki-Regime zerschlug die Sowjets als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Ab der Verstaatlichung der Großindustrie im Frühsommer 1918 war es staatskapitalistisch. Es folgten weitere sozialreaktionäre politische Machteroberungen von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten und die Herausbildung staatskapitalistischer Regimes in Euroasien, Afrika und auf Kuba.

Die ultrazentralistischen und überbürokratischen staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse begünstigten die ursprüngliche, nachholende und beschleunigte Industrialisierung von einstigen Agrarnationen, aber auf Dauer konnten sie nicht der Konkurrenz des hochentwickelten Privatkapitalismus standhalten, weshalb sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Reformfraktionen entwickelten und die politische Macht eroberten. Diese transformierten dann den Staats- in den Privatkapitalismus. In der Sowjetunion und in Osteuropa zerfielen die marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen. In China, Vietnam und auf Kuba wurde und wird das Kapital unter der Herrschaft der marxistisch-leninistischen Parteien privatisiert.

5. Für die klassenkämpferische Selbstorganisation und die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats. Das Proletariat kann nur in klassenkämpferischer Selbstorganisation seine Interessen und Bedürfnisse gegen Kapital und Staat durchsetzen. Die klassenkämpferische Selbstorganisation richtet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Besonders in längeren Arbeitsniederlegungen, die offiziell von den Gewerkschaften geführt werden, entwickeln sich teilweise Formen der Doppelherrschaft. Auf der einen Seite die Selbstorganisation der Basis und auf der anderen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Die höchste Form nimmt die Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf in gewerkschaftsunabhängigen wilden Streiks an. Ist die Arbeitsniederlegung relativ kurz und sind die Belegschaften verhältnismäßig klein, reicht oft bereits die informelle Selbstorganisation der Lohnabhängigen. Dauert der wilde Streik jedoch länger und/oder stehen größere beziehungsweise mehrere Belegschaften in ihm, dann werden offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig.

Revolutionäre Kleingruppen orientieren sich auf die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats, lehnen aber den Anspruch auf dessen „Führung“ ab. Ihre Funktion ist es praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Wohl wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des Proletariats dessen eigener praktischer Kampf ist. RevolutionärInnen lehnen jede Stellvertreterpolitik gegenüber dem Proletariat einschließlich des Guerillakrieges getrennt vom Klassenkampf ab.

In außerordentlichen Situationen kann sich der proletarische Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisieren. Dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. Wir verstehen darunter die Organisation der Revolution. Diese wird sowohl durch die informelle Aktion des Proletariats als auch durch offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation geprägt sein. Die Aufgabe der revolutionären Klassenkampforganisation wird die Aufhebung der Warenproduktion (Punkt 1) und die revolutionäre Zerschlagung des Staates (Punkt 2) sein. Gelingt dies, dann transformiert sich die revolutionäre Klassenkampforganisation in die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Die revolutionäre Klassenkampforganisation ist also die Selbstaufhebung des Proletariats als Prozess.

Diese revolutionäre Organisation des Proletariats kann nur die Warenproduktion aufheben und den Staat zerschlagen, wenn sie ganz auf der kollektiv-solidarischen Selbstorganisation der Klasse ohne bürokratische Apparate und BerufspolitikerInnen beruht. Hauptamtliche Gewerkschafts- und ParteifunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen haben in der revolutionären Klassenkampforganisation des Proletariats nichts zu suchen! Revolutionäre Kleingruppen der vorrevolutionären Zeit gehen in der revolutionären Klassenkampforganisation auf. Diese kann nur die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären, wenn sie bereits mit deren Organisationsprinzipien schwanger geht.

Wir wissen nicht, wie die zukünftige revolutionäre Klassenkampforganisation aussehen wird. Die ArbeiterInnen- und Soldatenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) waren nur potenziell und tendenziell revolutionär. Sie hatten sich noch nicht das klare Ziel der Aufhebung der Warenproduktion und der revolutionären Zerschlagung des Staates gestellt. Und sie wurden zum Beispiel in Russland zuerst von menschewistischen und „sozialrevolutionären“ BerufspolitikerInnen deformiert, die versuchten die Sowjets in den proprivatkapitalistischen Staat zu integrieren. Später wurden bolschewistische BerufspolitikerInnen in den Sowjets immer stärker. Die Bolschewiki forderten demagogisch: „Alle Macht den Sowjets!“ Als sie dann mit Hilfe der Sowjets die politische Macht erobert hatten, zerschlugen sie diese als Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes. Daraus gibt es nur eine Lehre zu ziehen: BerufspolitikerInnen raus aus der revolutionären Klassenkampforganisation! Allen politischen Parteien – auch den linkskommunistischen – und Gewerkschaften einschließlich der anarchosyndikalistischen, die die Führung des revolutionären Proletariats anstreben, muss ordentlich auf die Finger geklopft werden!

6. Revolutionäre Kritik des Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien und Mobilisierung für die Demokratie. RevolutionärInnen lehnen Einheits- und Volksfronten mit bürgerlichen Kräften – einschließlich der Sozialdemokratie, des Marxismus-Leninismus und des Trotzkismus gegen den Neofaschismus ab. Sie bekämpfen ihn auf klassenkämpferisch-revolutionärer Grundlage.

Das ist die Lehre aus dem spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939), bei dem die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – von den StalinistInnen und SozialdemokratInnen über die linkssozialistische POUM bis zur anarchosyndikalistischen CNT – mit anderen bürgerlichen Kräften eine Volksfront bildete, gegen die die Generäle unter Franco putschten. Die Volksfront führte sowohl einen innerkapitalistischen und sozialreaktionären BürgerInnenkrieg gegen die putschenden Generale als auch einen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat und den linken Flügel der Volksfront (POUM und Basis der CNT). Den Klassenkampf von oben gewann die Volksfront, während sie den BürgerInnenkrieg gegen Franco verlor. RevolutionärInnen mussten sowohl die Volksfront als auch die putschenden Generäle bekämpfen.

7. Gegen nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung/Autonomie. Die Nationen sind Zwangs- und Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit. Ihr organisierender Kern ist der Nationalstaat. Nationen beruhen ökonomisch auf der erfolgreichen Vermehrung des Nationalkapitals, politisch auf der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und ideologisch auf den Nationalismus. Der Letztgenannte integriert die Lohnabhängigen in die jeweiligen Nationalstaaten und spaltet das Weltproletariat. Dieses wird in der globalen Interaktion der Nationen – sowohl kooperative Konkurrenz als auch konkurrenzförmige Kooperation – erbarmungslos verheizt. Die ProletarierInnen werden durch den Nationalismus in blutigen Gemetzeln aufeinandergehetzt – im Interesse des Weltkapitalismus.

RevolutionärInnen bekämpfen die nationalistische Benachteiligung und Unterdrückung von kulturellen, sprachlichen und religiösen Minderheiten sowie den Rassismus gegen Menschen mit bestimmten Hautfarben. Aber auch dagegen, dass aus diesen Minderheiten durch nationalistische Politik neue Nationen geformt werden. Für die dann entweder Autonomie in bestehenden Nationalstaaten verlangt und durchgesetzt (wie zum Beispiel „die KurdInnen“ im Nordirak und in Syrien) oder einen neuen unabhängigen Nationalstaat aufgemacht werden. Nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung und Autonomie kann nur Kapital und Staat reproduzieren, aber eben nicht überwinden. Gegen nationalistische Unterdrückung hilft keine nationale „Befreiung“, sondern nur die soziale Befreiung von der Nation durch die mögliche Weltrevolution und die globale klassen- und staatenlose Gemeinschaft. In der globalen Konkurrenz der Nationen unterstützen die RevolutionärInnen keinen, sondern bekämpfen alle.

8. Gegen den Pazifismus. Der (klein)bürgerliche Pazifismus tritt für den bürgerlichen Frieden sowohl innerhalb der als auch zwischen den kapitalistischen Staaten ein. Doch dieser ist lediglich die nichtmilitärische Form der Konkurrenz aller gegen alle. Er ist asozial und gewalttätig. Im Inneren beruht er auf dem staatlichen Gewaltmonopol und in der Außenpolitik auf Aufrüstung. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist nicht die Alternative zum Krieg, sondern dessen Quelle.

Der Pazifismus verlangt die freiwillige, kooperative und nennenswerte Abrüstung der kapitalistischen Staaten. Doch die ist aufgrund der globalen Konkurrenz illusorisch. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben: die Zerschlagung aller Staaten durch die mögliche globale Revolution. Kompromissloser Klassenkrieg! Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie!

9. Grundsätzliche Kritik sowohl des kapitalistischen Patriarchats als auch der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus. Für den revolutionären Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat. Das kapitalistische Patriarchat ist sowohl klassenübergreifend als auch klassenspezifisch. Frauen sind innerhalb der Bourgeoisie (Kapitalistinnen, Managerinnen, Berufspolitikerinnen und Spitzenbeamtinnen) unterrepräsentiert, während die Proletarierinnen einer sexistischen Extrauausbeutung unterworfen werden. So sind zum Beispiel Frauenlöhne durchschnittlich niedriger als Männerlöhne. Ein Ausdruck des kapitalistischen Patriarchats ist auch, dass die meisten biosozialen Reproduktionstätigkeiten (einkaufen, reinigen der Wohnung, Pflege von kranken und/alten Menschen, Beaufsichtigung und Erziehung von Kindern…) sowohl innerfamiliär als auch durch Lohnarbeit durchschnittlich hauptsächlich von Frauen verrichtet werden. Weitere Aspekte des kapitalistischen Patriarchats sind die Degradierung der Frauenkörper zum Sexualobjekt – besonders in Pornographie und Prostitution –, patriarchal-sexistische Gewalt gegen Frauen einschließlich von Femiziden sowie staatliche Repression gegen Abtreibungen.

Der (klein)bürgerliche Feminismus kämpft für Gleichberechtigung von Frauen und Männern innerhalb des Kapitalismus und damit der Klassenspaltung. Er erkämpfte in seiner Geschichte das Frauenwahlrecht, die Zulassung von Frauen zu bestimmten Berufen und immer mehr Berufspolitikerinnen und Wirtschaftsmanagerinnen. Und auch die sexistische Extraausbeutung der Frauen konnte abgemildert werden. Die völlige Durchsetzung der bürgerlichen Frauenemanzipation innerhalb des Kapitalismus würde bedeuten, dass Frauen innerhalb der Bourgeoisie nicht mehr unterrepräsentiert und die Proletarierinnen nicht mehr sexistisch extra ausgebeutet werden sowie die biosozialen Reproduktionstätigkeiten gleichmäßig unter den Geschlechtern, aber ungleichmäßig zwischen den Klassen verteilt werden. Die Durchsetzung von Punkt eins ist wahrscheinlicher als der Punkte 2 und 3. Jedoch haben die Proletarierinnen nichts davon, wenn sie von mehr Politikerinnen regiert, von Kapitalistinnen ausgebeutet und von Chefinnen herumkommandiert werden. Der bürgerliche Feminismus führt geradewegs zur „feministischen Außenpolitik“ kapitalistisch-imperialistischer Staaten…

Auch wenn der (klein)bürgerliche Feminismus es noch so sehr leugnet: es gibt auch weiblichen Sexismus gegen Männer. Klar, die bürgerliche Kleinfamilie ist grundsätzlich – auch von ihrer Geschichte her – patriarchal und vom männlichen Sexismus geprägt. Aber es gibt auch zwischenmenschliche Beziehungen, in denen Frauen Männer unterdrücken. Und auch sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen. Dieser weibliche Sexismus kommt auch teilweise im (klein)bürgerlichen Feminismus zum Ausdruck. Zum Beispiel wenn in der feministischen Ideologie teilweise unterschwellig anklingt, aber manchmal auch offen behauptet wird: Frauen sind die besseren Menschen. Oder wenn einige Feministinnen gegen trans Frauen als „Männer in Frauenkleidern“ hetzen. Das ist nicht „nur“ transfeindlich, sondern auch sexistisch gegen Männer. RevolutionärInnen bekämpfen den weiblichen Sexismus genauso konsequent wie den männlichen.

RevolutionärInnen stellen der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus grundsätzlich den revolutionären Kampf gegen das Patriarchat gegenüber. Durch die soziale Revolution sowie die klassen- und staatenlose Gemeinschaft können viele biosoziale Reproduktionstätigkeiten, die im Kapitalismus hauptsächlich innerfamiliär und von Frauen verrichtet werden, auf freiwilliger Grundlage vergesellschaftet und auf alle Geschlechter fair verteilt werden. Nur durch die revolutionäre Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung sowie des sozialen und sexuellen Elends kann auch die Prostitution überwunden werden. Ihr staatliches Verbot, die Teile des Feminismus fordern, können diese nur in den Untergrund treiben und das Leben der Prostituierten erschweren.

10. Gegen heterosexuelle und geschlechtliche Normierungen – aber auch gegen die verlogene staatliche „Regenbogentoleranz“ und kleinbürgerliche Identitätspolitik. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die staatliche Repression gegen Menschen, die der heterosexuellen und binären Geschlechternorm nicht entsprechen – homo-/bisexuelle, nichtbinäre und trans Menschen – in jenen Ländern, wo diese besteht, als auch die verlogene „Regenbogentoleranz“ von in dieser Frage liberaleren Nationen und Staatenbündnisse. Grundsätzlich braucht der Kapitalismus keine heterosexuellen und geschlechtlichen Normierungen. Solange Schwule, Lesben, nichtbinäre und trans Menschen durch fleißige Produktion und aufgeschlossenem Konsum das Kapital vermehren sowie brave StaatsbürgerInnen sind, ist für den modernen Liberalismus alles in Ordnung. Liberale Staaten und Staatenbündnisse wie die Europäische Union (EU) machen auch die „Regenbogentoleranz“ zur imperialistischen Waffe gegen Staaten, mit denen sie aus anderen Gründen konkurrieren und die repressiv die heterosexuelle und geschlechtliche Normierung durchsetzen.

RevolutionärInnen unterschieden zwischen biologischen Geschlechtern, sozialen Geschlechterrollen und individuellen Geschlechtsidentitäten. Soziale Geschlechterrollen wollen sie durch die soziale Revolution aufheben (siehe Punkt 9), während sie alle individuelle Geschlechtsidentitäten tolerieren, solange die sich nicht gegen andere richten. Soll jede/r nach seiner/ihrer Fasson glücklich werden. Aber RevolutionärInnen wissen auch, dass im Kapitalismus alle Identitäten – unter anderem „Nation“, Hautfarbe, Religion, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuell Geschlechtsidentität sowie sexuelle Orientierung – zu Kostümen im Konkurrenzkampf aller gegen alle werden. Der rechtskonservativ-neofaschistische Konkurrenzchauvinismus gegen „AusländerInnen“, „Nichtweiße“, Homosexuelle, nichtbinäre und trans Menschen genau wie die linksliberale Hetze gegen „cis-Männer“ und „alte, weiße Männer“ – damit die jungen, „nichtweißen“ Frauen innerhalb von KleinbürgerInnentum und Bourgeoisie ordentlich Karriere machen können. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die rechtskonservativ-neofaschistische als auch die linksliberale Identitätspolitik als Konkurrenzchauvinismus und Spaltung des Weltproletariats.

11. Grundsätzliche Kritik des bürgerlichen „Umweltschutzes“ innerhalb des Kapitalismus. Für die Reinigung des Planeten von kapitalistischem Dreck! Das kapitalistische Produktionsverhältnis, in dem sich alles um die grenzenlose Vermehrung des Tauschwertes/Geldes dreht, ist absolut sozialreaktionär und zerstörerisch gegen die pflanzliche und tierische Mitwelt. Die massenhafte Vergiftung, Zubetonierung, Vermüllung und Entwaldung unseres Planeten, der Klimawandel und das massenhafte Artensterben sind lebensgefährliche Ausdrücke der vom Kapitalismus permanent produzierten sozialökologischen Krise. Die technokratischen Versuche der kapitalistischen Staaten den Klimawandel zumindest einzudämmen, verschärfen diese Krise nur. Elektromobilität statt Verbrennungsmotor! Auf dass der lebensgefährliche, ressourcenverschwenderische und zerstörerische, aber eben auch sehr profitable Individualverkehr weiter reproduziert wird. Und Wälder für neue Autobahnen weichen müssen. Eindämmung des Klimawandels durch Windräder in „Naturschutzgebieten“! So sehen die „Lösungen“ der kapitalistischen Technokratie aus.

Auch die klassenübergreifende Umweltbewegung ist aus sich heraus nicht in der Lage, die kapitalistische Vernichtung der pflanzlichen und tierischen Mitwelt sowie den Klimawandel aufzuhalten. Nur die mögliche Weltrevolution kann durch die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsverhältnisse die ökosoziale Krise eindämmen. Dies spricht nicht dagegen, dass RevolutionärInnen an lokalen Bewegungen gegen konkrete kapitalistische Naturzerstörungen teilnehmen, um radikalisierende Impulse zu geben. Aber sie müssen immer die strukturelle kleinbürgerliche Beschränktheit auch der radikalsten klassenübergreifenden Umweltbewegung kritisieren. In der institutionalisierten Umweltbewegung, also in den verschiedenen kleinbürgerlichen Vereinen, haben RevolutionärInnen grundsätzlich nichts verloren.

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Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:05:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=724 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

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Neue Broschüre: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://swiderstand.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritikdestrotzkismus/ Wed, 09 Aug 2023 10:48:31 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=657 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

Innerhalb des Privatkapitalismus betrieb und betreibt der Trotzkismus eine Politik des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus einschließlich von Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie und dem Marxismus-Leninismus. Besonders letzteres war selbstmörderisch. So war der Trotzkismus in Vietnam in den 1930er Jahren relativ stark. Doch er ging eine Einheitsfront mit den StalinistInnen ein. Letztere bauten in den 1940er Jahren die Guerillaorganisation Viet Minh auf, die auch blutig gegen TrotzkistInnen vorging.

Nach Trotzkis Ansicht hätte auch in Deutschland nur eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus die Machtübergabe an die Nazis verhindern können. Eine Einheitsfront aus jenen zwei bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten, die real arbeitsteilig-konkurrenzförmig die kampflose Kapitulation des Proletariats organisiert hatten?! Wirkliche RevolutionärInnen traten für den selbstorganisierten Klassenkampf – unabhängig von und gegen die Partei- und Gewerkschaftsapparate – gegen Weimarer Republik und Nazis ein. Aus revolutionärer Perspektive hätte der Faschismus in Deutschland nur verhindert werden können, wenn das Proletariat die Weimarer Republik vor der Machtübertragung an die Nazis revolutionär zerschlagen und damit die Voraussetzung für eine klassen- und staatenlosen Gemeinschaft geschaffen hätte. Sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteiapparate konnten und können nur den Kapitalismus in privater oder verstaatlichter Form reproduzieren.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Jahre 1933 hielt Trotzki die von Moskau geführte „Kommunistische“ Internationale nicht mehr für reformierbar. Er trat jetzt für den Aufbau einer „Vierten Internationale“ ein, die offiziell 1938 gegründet wurde und später in mehrere globalen trotzkistischen Zusammenschlüsse zerfiel. Heute ist der Trotzkismus in seinen Hauptströmungen stark sozialdemokratisiert. So wirken in Deutschland in der Partei Die Linke, die einige Bundesländer und Kommunen mitregiert, also zum Politpersonal der Bourgeoisie gehört, auch einige TrotzkistInnen mit. Auch die radikalere trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die die Anpassung anderer Trotzkismen an Die Linke scharf kritisiert, nimmt selbst am politischen Wahlzirkus teil. Bei parlamentarischen Wahlen sind ProletarierInnen nichts als Stimmvieh, die ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, ermächtigen zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Indem die SGP an Parlamentswahlen teilnimmt, hilft sie dabei das demokratische Regime in diesem Land zu reproduzieren, auch wenn sie keine Chance auf Parlamentsmandate hat.

Die meisten trotzkistischen Strömungen erzeugen zum Beispiel in der BRD Illusionen in die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die durch das Tarifvertragsgeschäft, das Sitzen ihrer FunktionärInnen in den Aufsichtsräten der Konzerne (Wirtschaftsdemokratie) sowie in den sozialpartnerschaftlich-reformistischen Betriebs- und Personalräten (Arbeitsdemokratie) tief in das deutsche Nationalkapital und in viele Einzelkapitale als Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung integriert sind. Zwar schimpfen die TrotzkistInnen auf die Gewerkschaftsbürokratie, doch erzeugen die meisten von ihnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit der Gewerkschaften. Ja, TrotzkistInnen übernehmen ehren- und gar hauptamtliche Funktionen in ihnen.

Antipolitische SozialrevolutionärInnen gehen von einem antagonistischen Klassengegensatz in den Gewerkschaften aus. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen bilden – und auf der anderen Seite die lohnabhängige Basis. Dieser Klassengegensatz entfaltet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Oft entwickelt sich in längeren, noch offiziell von den Gewerkschaften „geführten“ Arbeitsniederlegungen die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite. In wilden Streiks, die sich ohne oder gar gegen die Gewerkschaften entwickeln, kommt die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats klar zum Ausdruck. Sowohl auf informelle Weise als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees.

Gewerkschaftsfeindliche SozialrevolutionärInnen können in nichtrevolutionären Zeiten Mitglieder in Gewerkschaften sein. Sie dürfen aber keine Illusionen in deren sozialemanzipatorische und klassenkämpferische Reformierbarkeit schüren und keine ehren- oder gar hauptamtliche Funktionen in ihnen übernehmen. SozialrevolutionärInnen streben langfristig die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaften an.

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Neue Broschüre: Antinationale Schriften IV https://swiderstand.blackblogs.org/2019/10/17/neue-broschuere-antinationale-schriften-iv/ https://swiderstand.blackblogs.org/2019/10/17/neue-broschuere-antinationale-schriften-iv/#respond Thu, 17 Oct 2019 17:03:22 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=163 Unsere neue Broschüre „Antinationale Schriften IV“ (ca. 126 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) auch als E-Book über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen .

 

Inhalt

Einleitung

Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen

1. Spanischer Kolonialismus
2. Portugiesischer Kolonialismus
3. Französischer Kolonialismus
4. Britischer Imperialismus
5. US-Imperialismus
6. Deutscher/EU-Imperialismus
7. Sowjetischer/Russischer Imperialismus
8. Chinesischer Imperialismus

Der Kapitalismus in Lateinamerika

1. Das allgemeine Wesen des Kapitalismus
2. Der lateinamerikanische Nationalismus
3. Die nationalkapitalistische Entwicklung Lateinamerikas
5. Linker Sozialreformismus als Teil der kapitalistischen Elendsverwaltung
6. Die mögliche soziale Revolution in Lateinamerika

Rechts- und Linksreaktion in Lateinamerika

1. Zur politischen Konkurrenz zwischen lechts und rinks in Lateinamerika
2. Kuba
3. Chile
4. Nikaragua
5. Venezuela
6. Brasilien
7. Argentinien

Nikaragua

Ab 1893 regierte in Nikaragua die liberale Fraktion der herrschenden kapitalistischen Klasse. Kern war die Kaffee-Oligarchie, die vom Export dieses Genussmittels lebte. Im Jahre 1909 unterstützte der US-Imperialismus einen Aufstand von General Juan José Estrada, Gouverneur an der Miskitoküste, gegen Präsident Zelaya. Estrada wurde durch die Hilfe Washingtons neuer Präsident. 1911 trat Estrada zugunsten von Adolfo Díaz zurück. Der Konservative Díaz war noch eine offensichtlichere Marionette des US-Imperialismus. Bis zu seiner Machtübernahme war er Buchhalter eines US-Bergbauunternehmens, das nach Nikaragua Kapital exportierte, um den Profit zu importieren. Díaz nahm 1911 bei US-Banken Millionenkredite auf und überließ als Sicherheit der US-Regierung die direkte Kontrolle der nikaraguanischen Zolleinnahmen. Im Jahre 1912 unterstützte Washington seine nikaraguanische Marionette mit US-Marines gegen ein aufständisches Heer des bisherigen Kriegsministers Luís Mena. Die US-Marines landeten am 14. August 1912 in Nicaragua und besetzten die Städte Managua, Granada und León. Der US-Imperialismus behielt Nikaragua bis 1933 besetzt und unterstützte in der Regel die konservativen Regierungen gegen liberale Rebellen.
Die Liberalen und Konservativen führten von 1926 bis 1929 einen BürgerInnenkrieg als einen innerkapitalistischen Konkurrenzkampf um die Staatsmacht. Auch der General Augusto César Sandino gehörte am Anfang zur liberalen Fraktion des Kapitals. Nachdem der persönliche Abgesandte des US-Präsidenten Calvin Coolidge dem Anführer der Liberalen, General José María Moncada die Präsidentschaft versprochen hatte, erzwang er den Pakt von Espino Negro, in dem die Entwaffnung der Liberalen festgeschrieben wurde und der den BürgerInnenkrieg damit faktisch beendete. Doch Sandino führte weiterhin einen Guerilla-Krieg gegen die regierende Rechtsreaktion und den US-Imperialismus. Seit 1927 bauten die USA in Nikaragua die „Nationalgarde“ (Guardia Nacional de Nicaragua) auf, deren Oberbefehl sie ihrem Vertrauten, Anastasio Somoza García, zusprachen. Diese Washington hörige Nationalgarde übte gleichzeitig die Armee- und die Polizeifunktion aus. Zum Präsidenten wurde in einer von den USA durchgeführten Wahl der Schwiegeronkel Somozas, der Liberale Juan Bautista Sacasa, gewählt. Als der US-Imperialismus im Jahre 1933 seine Truppen aus Nikaragua abzog, legten auch Sandino und seine Guerilla die Waffen nieder und gingen mit Sacasa am 2. Februar 1933 ein Friedensabkommen ein. Doch Somozas Nationalgarde hielt die Friedensbestimmungen nicht ein und bekämpfte Sandinos Truppen weiterhin. Ein Jahr nach dem Friedensabkommen lud Somoza Sandino und seine engsten Offiziere zu einem Bankett, bei dem sie auf seine Veranlassung am 21. Februar 1934 ermordet wurden. 1937 putschte sich Somoza an die Macht. Diese behielt die Familie Somoza bis 1979.
1961 gründete sich in Nikaragua die kleinbürgerlich-radikale Guerilla-Organisation FSLN (SandinistInnen), die einen bewaffneten Kampf gegen das rechtsreaktionäre Somoza-Regime führte. Der bewaffnete Kampf um die Beherrschung des Staates ist vom Ziel her grundsätzlich sozialreaktionär, nur die Zerschlagung des Staates durch das sich selbst aufhebende Proletariat kann möglicherweise wirklich revolutionär sein. Die FSLN benutzte objektiv die bäuerliche Bevölkerung als Manövriermasse für einen innerkapitalistischen Konkurrenzkampf um die Staatsmacht. Dieser war durch die Krise des Somoza-Regime für die sandinistische FSLN erfolgreich. Am 19. Juli 1979 eroberte sie die Staatsmacht. Daniel Ortega wurde die regierende Charaktermaske Nikaraguas.
Das sandinistische Regime (1979-19090) verkörperte eine staatsinterventionistische und -kapitalistische Tendenz im Rahmen des Privatkapitalismus – und war somit absolut sozialreaktionär. Der staatskapitalistische Sektor erzeugte Mitte der 1980er Jahre 40 Prozent des Bruttosozialproduktes. Noch heute wird das sandinistische Regime von der internationalen Linksreaktion „kritisch“ oder kritiklos abgefeiert. Die Zeitschrift Wildcat – die dafür bekannt ist, zwischen linksreaktionären und sozialrevolutionären Positionen hilflos hin und her zu schwanken – schrieb über das erste sandinistische Regime: „Neben revolutionärer Rhetorik und Symbolik sah das soziale Maximalprogramm Agrarreform, Alphabetisierung, Gesundheitsversorgung, vorsichtige Verstaatlichung der Bodenschätze sowie Demokratisierung vor. In einem Land mit der Geschichte Nikaraguas durchaus radikale Vorhaben.“ Doch die von Wildcat hier hochgelobte „Radikalität“ bewegte sich im Rahmen des Privatkapitalismus. Innerbürgerlicher „Fortschritt“ ist jedoch immer im Rahmen der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei gefangen und deshalb grundsätzlich sozialreaktionär. Auch das Regime der SandinistInnen war ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats.
Doch im Gegensatz zu völlig reaktionäre „AntiimperialistInnen“, die die Maßnahmen des sandinistischen Regimes gegen das Proletariat entweder leugnen oder mit der imperialistischen Aggression der USA ab 1981 (siehe Kapitel 5 unseres Textes Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen) rechtfertigen, kritisiert Wildcat diese – wenn auch nicht mit der notwendigen Schärfe und Konsequenz: „Bereits vor der Phase des offenen konterrevolutionären Kriegs niedriger Intensität (finanziert und bewaffnet aus den USA über ihren Stützpunkt Honduras) gegen ,die Revolution‘, also vor 1981 verteidigte die FSLN häufig auf repressive Weise ihren Alleinanspruch auf Absicherung ,des Prozesses‘: Arbeiterstreiks in einem großen Zuckerbetrieb wurden niedergeschlagen, spontane Landbesetzungen rückgängig gemacht, Gewerkschaftswahlen manipuliert, eine linke Zeitung sowie die dazugehörige Organisation verboten, die Abtreibung aus Rücksicht auf die katholische Kirche geächtet.
Die offizielle Losung für das Jahr 1980 lautete düster: ,Arbeit, Disziplin, Produktivität‘. Das 60-köpfige Zentralkomitee der Partei, die sandinistische Versammlung, wurde ernannt. Das Neunergremium der FSLN-Führung (…) blieb unantastbar, gottgleich. Massenmobilisierungen dienten zur öffentlichen Absegnung bereits gefällter Entscheidungen. Es herrschte die Vorstellung, möglichst alles zentralisiert zu kontrollieren. Das mündete in undurchschaubare bürokratische Strukturen, die Eigeninitiative abwürgten. Mit dem Krieg der Contra bekam diese Praxis eine Legitimation, die nicht mehr kritisierbar war.
Nach einem neunjährigen Abnutzungskrieg verlor die FSLN – für sie selber völlig überraschend die Präsidentschaftswahlen 1990. Zwei Faktoren waren ausschlaggebend: Die vielen Toten, die entgegen der Propaganda täglich in den Armenvierteln Managuas beerdigt werden mussten, sowie die – von der FSLN bis zuletzt geleugnete – Beteiligung eines Teils der Landbevölkerung an konterrevolutionären Aktivitäten im Norden.“ (Von der Fokus-Theorie zum Volkskrieg langer Dauer, in: Wildcat Nr. 103 vom Frühjahr 2019, S. 65.)
Dieser Artikel verbreitet nicht die sozialrevolutionäre Schlussfolgerung, dass jeder Staat und damit auch jede Regierung nur kapitalistisch-sozialreaktionär sein kann. Er seziert lediglich an den Symptomen der regierenden strukturellen Linksreaktion in Nikaragua. Die Kritik am Sandinismus fällt durch eine schwammige Wortwahl auf. So wird die bewaffnete Rechtsreaktion „Konterrevolution“ genannt. Konterrevolution ist die Reaktion gegen eine revolutionäre Kraft. Aber der Sandinismus verkörperte in der Wirklichkeit nicht die soziale Revolution, sondern er gehörte zur linken Fraktion des Kapitals. Die Menschen, die im Konflikt zwischen Rechts- und Linksreaktion beziehungsweise zwischen US-Imperialismus und nikaraguanischen Nationalismus starben, waren die Opfer eines innerkapitalistischen politischen Konkurrenzkampfes. Wildcat fehlt es an revolutionärer Konsequenz, dies eindeutig so zu sehen und so zu sagen.
Ab 1990 wurde also der Sandinismus von der regierenden Rechtsreaktion abgelöst. Diese war das Wahlbündnis UNO (Unión Nacional Opositora). Die UNO verhinderte einen BürgerInnenkrieg mit den linksreaktionären SandinistInnen, indem sie Humberto Ortega (den Bruder von Daniel Ortega) zum obersten Befehlshaber der Streitkräfte machte. Auch sonst hatte die sandinistische FSLN wichtige Funktionen in den rechtsreaktionären Regierungen ab 1990. Mensch kann von einer regelrechten Kumpanei des Sandinismus mit der regierenden Rechtsreaktion sprechen. Diese führten einen neoliberalen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat. Die kapitalistische Privatwirtschaft wurde durch Entstaatlichungen ab 1996 gestärkt, die Preise für die Grundnahrungsmittel stiegen, die Agrarreform wurde rückgängig gemacht und Kindergärten geschlossen. Die Folge dieses brutalen Klassenkrieges von oben war die Zunahme des Elends. Es stiegen die Arbeitslosigkeit, die Analphabetenrate und die Kindersterblichkeit.
Unter der Präsidentschaft Bolaños (2001-2005) beendete die regierende Rechtsreaktion die Kooperation mit der FSLN, die wieder einen auf Opposition machte – bis sie abermals im Jahre 2005 innerhalb des Wahlrummels die Staatsmacht eroberte. Daniel Ortega wurde wieder regierende Charaktermaske Nikaraguas, in dieser Funktion wurde er auch vom demokratischen Wahlzirkus 2011 und 2016 bestätigt. Um sich als soziale Wohltäterin aufzuspielen und dies in Stimmzettel für sich umzuwandeln, milderte das Ortega-Regime zuerst etwas das kapitalistische Elend – was aber selbstverständlich erhalten blieb. So wurde ein Null-Hunger-Programm aufgelegt, durch das Schulkinder unentgeltlich täglich eine Mahlzeit bekamen. Außerdem wurden Gesundheitsvorsorge und Bildung wieder kostenlos. Die regierende Linksreaktion spielte sich auch als Wohltäterin der kleinen und mittleren BäuerInnen sowie UnternehmerInnen auf, die Land und Kredite zu niedrigen Zinsen bekamen, aber als Gegenleistung in die FSLN eintreten mussten.
Im April 2018 ging das Ortega-Regime im Klassenkampf von oben in die Offensive, indem es die Rente um fünf Prozent kürzte. Daraufhin entwickelte sich eine Protestbewegung. Die regierende Linksreaktion ging mit tödlicher bewaffneter Gewalt gegen die Proteste vor, die auch nicht abflammten als das Ortega-Regime die Rentenreform zurücknahm. Im Juli 2018 gelang es dem Regime nach über 200 Toten wieder für eine Friedhofsruhe zu sorgen. Der Fakt, dass dieser Protest von der Rechtsopposition und dem westlichen Menschenrechts-Imperialismus in ihrem politischen Konkurrenzkampf gegen das Ortega-Regime instrumentalisiert wurde, musste für den reaktionärsten Teil des linksnationalen „Antiimperialismus“ herhalten, um die Repression der bluttriefenden FSLN zu unterstützen. Widerliches linksreaktionäres Pack!

….

Im Kapitel 6 unserer Schrift Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen haben wir bei der Schilderung des imperialistischen Druckes der damals sozialdemokratisch regierten BRD auf das erste sandinistische Regime (1979-1990) bereits ein ehemaliges Mitglied der Nikaragua-Solidaritätsbewegung zitiert – versehen mit einigen kritischen Anmerkungen. Über den von uns zitierten Autoren heißt es in Wildcat: „Der Autor war zwischen 1982 und 1990 in der Nikaragua-Solidaritätsbewegung aktiv und vertrat lange die Linie, jede öffentliche Kritik an der FSLN spiele ,dem Imperialismus‘ in die Hände.“ (Rückblicke mit Ecken und Kanten, a.a.O., S. 64.) Wenn Menschen sich radikalisieren und Irrtümer überwinden, ist das immer toll. Auch der Autor dieser Zeilen, Nelke, war in den 1990er Jahren Mitglied in sozialdemokratischen Organisationen (PDS, SAV) – gehörte also objektiv zum proletarischen Schwanz der linken Fraktion des Kapitals. Der Selbstkritik des ehemaligen Aktivisten der Nikaragua-Solidaritätsbewegung fehlt es allerdings an sozialrevolutionärer Konsequenz. So können wir bei ihm nirgendwo lesen, dass die „Solidarität“ mit einem bürgerlich-kapitalistischen Staat wie dem sandinistischen Nikaragua grundsätzlich sozialreaktionär war. Auch wird von ihm nicht reflektiert, dass die „Nikaragua-Solidaritätsbewegung“ der 1980er Jahre objektiv eine Schwanzfeder der linken Fraktion des Kapitals war.
Trotz dieser prinzipiellen Kritik halten wir die Ausführungen des ehemaligen Mitglieds der Nikaragua-Solidaritätsbewegung für sehr interessant, so dass wir Auszüge davon hier widergeben wollen: „Die (Nikaragua-) Solidaritätsbewegung war auch ein Ausdruck der Abwendung von den Verhältnissen in der BRD, wo die Massen als integriert und korrumpiert galten. Die eigenen (aufgegebenen) Revolutionshoffnungen wurden einem Ministaat in 10 000 km Entfernung aufgebürdet. Durch den Mythos des bewaffneten Kampfs, der als Gipfel der Radikalität galt, konnte in Nikaragua ein linkssozialdemokratisches Programm als ,soziale Revolution‘ gelten. (…)
Der Aufbau des neuen Staates in Nikaragua wurde von der Solidaritätsbewegung ohne offene Kritik mitgetragen. Obwohl sich die Solidaritätsbewegten (im Vergleich zu Kuba) relativ unkontrolliert im Land bewegen konnten, ignorierten sie jede FSLN-unabhängige oder gegen diese gerichtete Mobilisierung. Es gab lange den stillschweigenden Konsens, über unangenehme Themen öffentlich nicht zu reden, auch wenn z. B. die Widerstände gegen die Agrarreform unübersehbar waren (…). Der Übergang von einem von außen angeheizten und organisierten gegenrevolutionären Krieg zu einer Art ,Bürgerkrieg‘ in einigen ländlichen Gebieten wurde verdrängt.
Die internationale Solidaritätsbewegung sollte idealtypisch befehlsempfangende Unterorganisation der FSLN im jeweiligen Land sein. Das funktionierte in Italien und Frankreich mit ihren starken KPs recht gut. In der BRD war die ,apparatunabhängige‘ Solidarität stark. Versuche der FSLN, mit ihrem umfassenden Kontrollanspruch alle Gruppen einem zentralistisch-hierarchischen Modell zu unterwerfen, schlugen fehl. (…) Die unabhängige Bewegung in der BRD wollte eine eigenständige politische Kraft bleiben. Aber sie unterstützte die FSLN insofern weitgehend, als sie oft geschwiegen oder nur in Hinterzimmergesprächen Kritik geübt hat. Das galt auch, als Mitte der 1980er Gelder aus der internationalen Kampagne ,Nikaragua muss überleben‘ für die Renovierung der nikaraguanischen Botschaft benutzt wurden. (…)
Die Arbeitsbrigaden konnten diese Muster etwas aufbrechen. Vor allem als Propagandainstrument gegen den Contra-Krieg konzipiert, hatten sie einen unvorhergesehenen Nebeneffekt. Die BrigadistInnen sollten in der BRD von den Greueltaten der Contra und den daraus resultierenden schwierigen Lebensbedingungen auf dem Land berichten. Sie wurden aber vor allem Zeugen der Realität: Entscheidungsstrukturen, Hierarchien, Verhalten der überwiegend jungen städtischen Kader der FSLN etc. Hier wurde die romantische Vorstellung vom ,neuen Menschen‘ bei vielen Solidaritätsbewegten gründlich entzaubert.
Die Wahlniederlage der FSLN im Februar 1990 war ein Schock für die Solidaritätsbewegung. Der von der SPD organisierte Wahlkampf unter der Parole ,todo será mejor‘ (,alles wird besser‘) hatte zwar intern Kritik ausgelöst, und die Konzentration auf FSLN-Chef Daniel Ortega (der als Macho-Figur ,el gallo‘ in jedes nikaraguanische Dorf einritt und dort die Miss Sandinista wählen ließ) führte zu Protesten. Aber auch die ,unabhängige‘ Strömung der Solidaritätsbewegung hatte den Wahlkampf der Regierungspartei FSLN unterstützt, da nur dadurch ,die Weiterentwicklung der Revolution‘ unterstützt werden könne.
In der Zeit zwischen Wahlen und Regierungsübernahme der Rechtsopposition verteilte die FSLN Grundstücke, Häuser, Autos an verdiente Parteimitglieder, damit die ,Somozisten‘ nicht zu viel in die Hände fallen konnte, so die spätere Legitimation. Das Volk ging dabei leer aus.“ (Rückblicke mit Ecken und Kanten, a.a.O., S. 63/64.)
Die Verwendung des schwammigen und klassenneutralen Begriffs des „Volkes“ – das Berufungsobjekt aller Rechts- und LinksnationalistInnen schlechthin! – durch den ehemaligen Aktivisten der „Nikaragua-Solidaritätsbewegung“ weist wie vieles andere auf seine mangelnde vollständige Abnabelung vom linksreaktionären „Antiimperialismus“ hin.

5. Venezuela

Über das in Venezuela seit 1998 existierende linksreaktionäre Regime in Venezuela wurde in dem Kapitel 5 der Schrift Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen schon alles Wesentliche geschrieben: Es versuchte, durch Ölexport finanziert, ein wenig Sozialstaatspolitik als kapitalistische Elendsverwaltung zu betreiben, um das Proletariat zu befrieden. Begleitet war diese bürgerliche Politik mit übler demagogischer „antiimperialistischer“ und „antikapitalistischer“ Rhetorik. Über diese Sozialstaatspolitik schrieben die italienischen LinkskommunistInnen von Battaglia Comunista im Jahre 2017: „Zu einem wirklichen sozialen Fortschritt, den das Chavez-Regime angeblich ausgezeichnet haben soll, ist es nie gekommen. Der Kampf gegen den Analphabetismus, die Eindämmung der Gewalt in den Großstädten und die Verbesserung der miserablen Lebensbedingungen in den Favelas sind größtenteils Projekte auf dem Papier geblieben. Das Wenige was getan wurde, zielte lediglich darauf ab, sich eine soziale Basis unter den Millionen verzweifelter Menschen zu verschaffen, die auf die falsche Hoffnung setzten, dass das Programm von Chavez zwar nicht den Himmel auf Erden, aber zumindest ein wenig Verbesserung bewirken könnte. Das Programm, was zu seiner Wiederwahl führte, musste zwar den weitverbreiteten Illusionen einige Tropfen aus den Öl-Einnahmen zugestehen, doch der Großteil floss in den Regierungsapparat, wo sich eine neue Staatsbourgeoisie hemmungslos bereicherte und die Finanzspekulation wie in jedem anderen kapitalistischen Land ihre Blüten trieb. Der einzige Unterschied bestand darin, dass all das als ,sozialistisches Experiment‘ ausgegeben wurde. Als der Rohölpreis drastisch einbrach, lagen die Mängel und Schwächen des Regimes hinsichtlich des Bildungssektors, der Gesundheitsversorgung und dem Kampf gegen Armut zutage. Laut einem Bericht der Caritas (…) gibt es in Venezuela Hinweise auf eine chronische Unterernährung von Kindern. In einigen Regionen habe diese nach internationalen Standards ein kritisches Niveau erreicht: ,Es gibt gefährliche und irreversible Überlebensstrategien in wirtschaftlicher, sozialer und gesundheitlicher Hinsicht, und was besonders besorgniserregend ist, ist der Verzehr von Nahrungsmitteln, die auf der Straße aufgelesen werden.‘ (http://www.caritas.org/2017/05/children-face-hunger-crisis-in-venezuela-as-malnutrition-soars/) Nach einer Umfrage im venezolanischen Bundesstaat Miranda haben 86% der Kinder Angst, nicht genug zu essen zu haben. 50% von ihnen mussten hungrig zu Bett gehen, da nichts zum Essen im Hause war. Die Regionaldirektorin von Amnesty International, Erika Guevara, berichtete im Juni 2016: ,Das Krankenhaus ‚JM de los Rios‘ in Caracas war der Stolz des Landes und ein Vorbild für Pädiatrische Pflege. Heute ist es ein tragisches Symbol für die Krise in dem lateinamerikanischen Land. Die Hälfte des großen Gebäudes ist zusammengebrochen, an den Wänden blättert die Farbe ab, die Fußböden sind überflutet und die Zimmer in so schlechten Zustand, dass sie nicht mehr genutzt werden können. Das Krankenhaus ist nur noch zur Hälfte in Betrieb, hunderte Kinder werden behandelt. Aber aufgrund des Fehlens dringend benötigter Medikamente und grundlegender medizinischer Versorgung haben ihre Mütter schon aufgegeben nach ihnen zu fragen. Der Mangel an medizinischer Versorgung ist nur ein Aspekt der tiefen humanitären Krise, die das Land seit drei Jahren im Griff hält. Diese Tragödie hätte verhindert werden können. Jahrelang verfügte das Land über eine der weltweit größten Ölvorkommen. Aber der plötzliche Fall des Ölpreises hat eine Wirklichkeit offenbart, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt: Die venezolanische Regierung hat vergessen, in die Infrastruktur zu investieren. Ein Land, dass bisher von Nahrungsmitteln bis hin zu Medikamenten alles importierte, kann sich nicht einmal mehr Antibiotika leisten. Die Folgen sind katastrophal. Nach venezolanischen Berechnungen fehlen dem Land 80% der Lebensmittel und Medikamente, die es braucht. In Venezuela gibt es eine der höchsten Sterberaten in der Welt. Ärzte die mit so einem Mangel konfrontiert sind, müssen improvisieren um Leben zu retten und unter Bedingungen arbeiten, die einem Kriegsgebiet gleichen. Private Krankenhäuser stehen bei der Beschaffung dringendst benötigten Medikamente vor ähnlichen Problemen. Das Leitungspersonal der Geburtsklinik ,Conception Palacios‘, einer der größten des Landes, erzählten uns, dass im ersten Quartal 2016, 101 Neugeborene gestorben sind. Das sind doppelt so viele wie in der gleichen Periode im vergangenen Jahr. Im gleichen Krankenhaus sind seit Anfang 2016 ca. 100 Frauen bei der Geburt gestorben. Das Fehlen einer offiziellen Statistik zeigt, dass die Regierung von Nicolas Maduro, die internationale Hilfsleitungen ablehnt, ihre innenpolitischen Gegner für die schrecklichen Zustände verantwortlich machen möchte.‘ (http://aristeguinoticias.com/2206/mundo/venezuela-en-cuidados-intensivos-articulo-de-erika-guevara-rosas/)
In der Reportage ,Las Voces del Haber‘ (Stimmen des Hungers) des venezolanischen Journalisten Fernando Girón sind Szenen zu sehen, in denen Kinder mit Raubvögeln um ein paar Schweineknochen kämpfen, die ein Metzger weggeworfen hatte. ,Der Hunger in Venezuela ist kein Spaß. Der Mangel an Nahrungsmitteln hat undenkbare Grenzen überschritten und Menschen brechen bei dem Versuch ihren Familien etwas zu Essen zu besorgen vor Erschöpfung regelrecht zusammen.‘ (http://www.el-nacional.com/noticias/crisis-humanitaria/las-voces-del-hambre-reportaje-que-muestra-crisis-venezolana_83027 )
Unter dem Chavez-Regime konnte dank der Öl-Einnahmen in relativ hohen Maße Kapital akkumuliert werden, allerdings ohne selbst eine mittelmäßige industrielle Entwicklung voranzubringen. Stattdessen wurden einige Krümel den ,kleinen Leuten‘ gegeben, um sich ihre Wahlstimmen zu sichern, während die Öleinnahmen die mit dem Regime verbundene ,Staatsnomenklatura‘ aus hohen Offizieren, Bankern, Managern und allerlei Spekulanten bereicherte. In der Zeitspanne von 2003 bis 2013 flossen 180 Milliarden Dollar aus Venezuela in die Finanzspekulation ,made in USA‘.
Dieser Kapitalflucht lag der Skandal mit strukturierten Anleihen zugrunde, die wiederum Ausdruck der korrupten Verwaltung der Öl-Einnahmen war, und von staatlichen Stellen gedeckt wurde, da es sich aus ihrer Sicht um einen ganz normalen Vorgang handelte. Auch in der öffentlichen Meinung fand dieser Skandal milde Beurteilung und wurde als Einzelfall abgetan, da schließlich auch niemand verurteilt wurde. Ebenso wenig wurde der gesellschaftliche Schaden dieser vom Staat als Ganzes ausgelösten Spekulationsbewegung jemals ermittelt.“ (http://gis.blogsport.de/2017/06/30/venezuela-der-bolivarische-weg-zum-sozialismus-in-der-sackgasse/#more-442)
Das Sinken des Ölpreises hat der chavistischen Kapitalvermehrungsstrategie und die Befriedung der Armen das Genick gebrochen. Doch wie das global generell der Fall ist, begünstigte auch der Niedergang des linksreaktionären Regimes in Venezuela bei der weltweiten Schwäche antipolitisch-sozialrevolutionärer Strömungen die rechtsreaktionäre politische Opposition in diesem Staat. So konnte die rechte Opposition bei den Parlamentswahlen am 6. Dezember 2015 eine Zweidrittelmehrheit erringen. Nun etablierte sich eine Doppelherrschaft. Während die ChavistInnen weiterhin den Staatsapparat beherrschten, dominierte die rechte politische Opposition das Parlament. Doch der Oberste Gerichtshof Venezuelas erkannte die Wahl von vier Abgeordneten – von denen drei der rechtsreaktionären Opposition angehörten – nicht an. Dadurch ging die Zweidrittelmehrheit der rechten politischen Opposition im Parlament wieder flöten.
Selbstverständlich versuchte die rechte politische Opposition diesen Sieg bei den Parlamentswahlen zu nutzen, um das chavistische Regime zu stürzen. Die Wortführer der rechten politischen Opposition wie Freddy Guevara von der Partei Voluntad Popular (Volkswille) forderten monatelang die sofortige Durchführung von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen. Das von der politischen Rechtsreaktion beherrschte Parlament wurde jedoch vom linksreaktionären Regime weitgehend umgangen, indem das regierungstreue Oberste Gericht im Oktober 2016 beschloss, dass der Staatsapparat sein Budget per Dekret am Parlament vorbei beschließen könne. Am 9. Januar 2017 erklärte das rechte Parlament den linken Präsidenten Maduro für abgesetzt. Daraufhin entzog das linksreaktionäre Oberste Gericht am 29. März 2017 allen ParlamentarierInnen die Immunität sowie dem Parlament alle Kompetenzen
Das linksreaktionäre Regime entmachtete das von der rechtsreaktionären politischen Opposition beherrschte Parlament, in dem es dieses weitgehend durch die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung am 30. Juli 2017 ausschaltete. Diese Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung wurde wiederum von der rechten politischen Opposition boykottiert. Auch der westliche US- und EU-Imperialismus bekämpften diese neue Institution des Chavismus. Kaum war die verfassungsgebende Versammlung gewählt, versetzte sie der rechtsreaktionären politischen Konkurrenz auch schon einen Tritt gegen das Schienenbei. Während das chavistische Regime die Regionalwahlen über Monate immer weiter verschob, verlegte die verfassungsgebende Versammlung sie am 12. August vom 10. Dezember 2017 auf Oktober dieses Jahres vor. Damit sollten die Teile der rechten politischen Opposition geschwächt werden, die an den Regionalwahlen teilnehmen wollten. Auf diese Weise sollte ihnen die Vorbereitungszeit auf die Regionalwahlen gekürzt werden.
Die Doppelherrschaft entlud sich in einem BürgerInnenkrieg zwischen Rechts- und Linksreaktion. Die Fußtruppen der rechtsreaktionären Straßenbewegung gegen das chavistische Regime besteht überwiegend aus StudentInnen und Angehörigen des KleinbürgerInnentums. Neben gewaltsamen Straßendemonstrationen griffen Teile der Rechtsreaktion die linksreaktionäre Regierung auch offen militärisch an. So drangen am 6. August 2017 rund 20 Bewaffnete in den Stützpunkt Paramacay nahe der Stadt Valencia westlich von Caracas ein, der Angriff konnte jedoch vom linksreaktionären Regime zurückgeschlagen werden. Während des Angriffes kursierte im Internet ein Video, in dem mehrere Uniformierte erklärten, dass sie Venezuela zur Demokratie zurückführen wollten. Sie riefen auch zur landesweiten Erhebung gegen Präsident Maduro auf. Dies wäre kein Staatsstreich, sondern eine bürgerliche und militärische Aktion zur Wiederherstellung der Verfassungsordnung, behauptete ein Mann, der sich als Exoffizier der Nationalgarden vorstellte.
Der Chef der von der rechten Opposition beherrschten Nationalversammlung, Juan Guaidó, ernannte sich selbst am 23 Januar 2019 zum Übergangspräsidenten Venezuelas. Die Rechtsopposition ging also gegenüber der regierenden Konkurrenz zu einer putschistischen Politik über, die auch noch sehr kläglich daherkam. Maduro blieb real an der Macht. Am 30. April 2019 versuchte in Venezuela die Rechtsreaktion durch einen Militärputsch an die politische Macht zu gelangen, scheiterte jedoch kläglich.
Wie wir bereits im Kapitel 5 des Textes Rechts- und Linksreaktion in Lateinamerika geschrieben haben, spielt der US-Verbündete Kolumbien eine große Rolle als Schutzmacht der venezolanischen rechten Opposition. Als Teile der ehemaligen FARC-Guerilla im Spätsommer 2019 wieder den bewaffneten Kampf aufnahmen (siehe Kapitel 1 dieses Textes), warf die regierende Rechtsreaktion in Kolumbien ihrer linken Konkurrenz in Venezuela vor, dies zu unterstützen. Kolumbien begann Anfang September 2019 einen Propagandakrieg gegen Venezuela. Der kolumbianische Schwanz versuchte mit dem US-amerikanischen Hund zu wedeln und forderte Washington auf, Venezuela auf die Liste der Staaten zu setzen, die den Terrorismus unterstützen. Nach der Offensive Kolumbiens im Propaganda-Krieg, rasselte das linksreaktionäre venezolanische Regime mit dem Säbel und gab Anfang September 2019 die zweithöchste Alarmstufe Orange für die an der Grenze zum konkurrierenden Nachbarstaat stationierten Truppen aus. Daraufhin erklärte die vom US-Imperialismus dominierte „Organisation Amerikanischer Staaten“ den militärischen Beistand gegen Venezuela. Mitte September 2019 tauchten dann Fotos auf, die den selbsternannten „Übergangspräsidenten“ Guaidó in gemeinsamen Posen mit kolumbianischen Paramilitärs zeigten. Guaidó behauptete, er hätte nicht gewusst mit wem er da zusammen fotografiert wurde.

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Neue Broschüre: Schriften zum Imperialismus https://swiderstand.blackblogs.org/2018/06/05/neue-broschuere-schriften-zum-imperialismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2018/06/05/neue-broschuere-schriften-zum-imperialismus/#respond Mon, 04 Jun 2018 23:02:21 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=151 Unsere neue Broschüre „Schriften zum Imperialismus“ (ca. 122 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) auch als E-Book über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Zur Sozialökonomie des Imperialismus

1. Imperialismus: Expansion des Nationalkapitals
2. Die imperialistische Rivalität um Rohstoffquellen
3. Export und Import von Waren
4. Kapitalexport und -import
5. Imperialistische Geopolitik

Frieden und Krieg

1. Der bürgerliche Frieden als nichtmilitärische Form des kapitalistische Konkurrenzkampfes
2. Der imperialistische Krieg als militärische Form des kapitalistischen Konkurrenzkampfes
3. Die Kapitalvermehrung im Frieden und Krieg
4. Der Klassenkampf im Frieden und Krieg
5. Kritik des kleinbürgerlichen Pazifismus
6. Kritik der kleinbürgerlich-radikalen Militanz und des linksreaktionären Militarismus
7. Proletarisch-revolutionäre Klassenkampf-Militanz

„Antiimperialismus“ und Antiimperialismus

1. Kritik des linksnationalen „Antiimperialismus“
2. Sozialrevolutionärer Antiimperialismus

Die Ostexpansion von EU und Nato

1. Der privatkapitalistische Sieg im ersten Kalten Krieg
2. Zerfall und imperialistische Zerschlagung Jugoslawiens
3. Die Osterweiterung von NATO und EU
4. Der Konflikt um die Ukraine/Krim
5. Der zweite Kalte Krieg

Imperialismus und Islamismus

1. Islam und Islamismus
2. Afghanistan
3. Irak
4. Syrien
5. Islamistische Anschläge in den imperialistischen Zentren

Der bürgerliche Frieden als nichtmilitärische Form des kapitalistischen Konkurrenzkampfes

Der bürgerliche Frieden ist die nichtmilitärische Form des kapitalistischen Konkurrenzkampfes. Erstens innerhalb der Nationalstaaten und zweitens zwischen ihnen. Bei der Untersuchung des bürgerlichen Friedens innerhalb der Staaten beschränken wir uns auf privatkapitalistische Nationen. Der Konkurrenzkampf innerhalb der kapitalistischen Nationen ist auch in seiner friedlichen Form gewalttätig. Wer in dem obigen Satz puren Unsinn sieht und behauptet, so etwas wie eine friedliche Gewalttätigkeit gäbe es gar nicht, hat nicht verstanden was bürgerlicher Frieden ist. Bürgerlicher Konkurrenzkampf ist absolut gewalttätig. Und der Frieden ist im Kapitalismus nur die nichtmilitärische Form des Konkurrenzkampfes.
Bürgerlicher Konkurrenzkampf ist allgegenwärtig. Es konkurrieren untereinander sowohl die kapitalistischen und kleinbürgerlichen EigentümerInnen der Produktionsmittel als auch die produktionsmittellosen ProletarierInnen. Die ProduktionsmitteleigentümerInnen konkurrieren auf den Warenmärkten und die ProletarierInnen auf den Arbeits- und Konsumgütermärkten. Diese Konkurrenz wird durch sozialdarwinistische, nationalistische, rassistische und sexistische Ideologie aufgeladen und können zur entsprechenden Gewalt führen. Besonders von Abstiegsängsten geplagte Konkurrenzindividuen schlagen sowohl im übertragenen als auch im buchstäblichen Sinne wild um sich. VerliererInnen des ökonomischen Konkurrenzkampfes können sich in Amokläufen als SiegerInnen fühlen. Auch die nichtökonomischen Beziehungen – einschließlich vieler so genannter Liebesbeziehungen – zwischen den Menschen sind von Besitzdenken, Konkurrenz (Eifersucht) Instrumentalisierung und Gewalt geprägt, bei denen überwiegend Männer Täter und Frauen Opfer sind.
Durch die kapitalistisch-patriarchale Gewalt gibt es auch im bürgerlichen Frieden Tote. Aber Mord- und Todschlag werden in der Regel vom bürgerlichen Staat als Beziehungsformen der StaatsbürgerInnen illegalisiert. Es gilt das staatliche Gewaltmonopol. Also das morden und totschlagen ist im inneren bürgerlichen Frieden nur dem Staat erlaubt. Er ist der Schiedsrichter des bürgerlichen Konkurrenzkampfes, der darüber gewalttätig wacht, dass der Kampf aller gegen alle eingedämmt und relativ friedlich bleibt. Der bürgerliche Frieden ist überhaupt nur relativ friedlich – im Verhältnis zum offenen Krieg. Er ist also innerhalb der kapitalistischen Nationen sehr gewalttätig. Der bürgerliche Frieden ist ein Krieg niederer Intensität. Steigt die Intensität der Gewalt an, geht der innere Frieden einer Nation in den BürgerInnenkrieg über.
Auch zwischen den bürgerlichen Nationen – einschließlich der staatskapitalistischen – war und ist der bürgerliche Frieden die nichtmilitärische Form des kapitalistischen Konkurrenzkampfes, was auch diplomatisch-politischen, ideologisch-propagandistischen und Wirtschaftskrieg einschließt. Der bürgerliche Frieden ist also absolut gewalttätig. Die Grenzen zum imperialistischen Krieg sind sehr fließend. Sehr „schön“ ist dies am Kalten Krieg zu erkennen. In Europa war die Zeit des ersten Kalten Krieges (1947-1989/1991) zugleich eine Zeit des Friedens. Frieden und Krieg sind zwei Durchsetzungsformen von Kapitalismus und Imperialismus – und damit Ergänzungs- und Übergangszustände, aber eben keine absoluten Gegensätze.
Bürgerlicher Frieden ist hochgerüstet und bewaffnet. Er ist globalgeschichtlich betrachtet Zwischenkrieg. Der Frieden im Kapitalismus ist immer Ergebnis des vorigen Krieges und Vorbereitung auf den nächsten. Manchmal ist bürgerlicher Frieden auch ein einseitiger imperialistischer Krieg – wie im Verhältnis der BRD zu Restjugoslawien im Kosovokrieg von 1999 oder zum imperialistisch besetzten Afghanistan –, wo die Angreifer-Nation kein Ort des offenen Gemetzels wird.

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Linke Regierungspolitik ist kapitalistische Politik! https://swiderstand.blackblogs.org/2017/11/25/linke-regierungspolitik-ist-kapitalistische-politik/ https://swiderstand.blackblogs.org/2017/11/25/linke-regierungspolitik-ist-kapitalistische-politik/#respond Fri, 24 Nov 2017 23:54:17 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=147 Der Staat im Industriezeitalter: Ideeller oder praktischer Gesamtkapitalist

Politik ist die staatsförmige Organisation der Klassengesellschaft. Der Staat ist ein repressiver Gewaltapparat. Eine staatsförmig organisierte Gesellschaft ist immer eine in Klassen zerrissene. Eine, in der die herrschende Klasse einen Gewaltapparat zur Niederhaltung der unterdrückten und ausgebeuteten Klasse braucht. Eine staatsförmige Gesellschaft kann nur sozialreaktionär sein. Es gab, gibt und es wird niemals „fortschrittliche“ Staaten geben!

In unserer Zeit des triumphierenden Weltkapitalismus und des globalen Marktes muss ein Staat kapitalistisch sein, um sich in der imperialistischen Konkurrenz behaupten zu können. Und in der Tat: Alle Industriestaaten waren und sind kapitalistisch. Nur in den Hirnen und den Märchenbüchern politischer linker KleinbürgerInnen und in dem hirnlosen Wutgeheul von AntikommunistInnen kann es „sozialistische“ oder „ArbeiterInnenstaaten“ geben.

Der Staat ist im Industriezeitalter der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. In der „klassischen westeuropäisch-nordamerikanischen Form des Kapitalismus ist das Kapital (das Geld, die Waren und die Produktionsmittel) in privaten Händen oder in Aktiengesellschaften konzentriert. Aber auch hier gab und gibt es staatliche Firmen, in denen das Kapital von diesem politischen Gewaltapparat organisiert wurde und wird. In diesen Fällen können und müssen SozialrevolutionärInnen von Staatskapitalismus reden.
Jeder Staat muss also im Industriezeitalter notwendig kapitalistisch sein, wenn er im imperialistischen Konkurrenzkampf erfolgreich sein will. Nicht ganz unwichtig ist für uns nur folgender Unterschied: Überwiegt das Privateigentum an Produktionsmitteln, dann ist der Staat ideeller Gesamtkapitalist. Übt der Staat ein absolutes Eigentumsmonopol an industriellen Produktionsmitteln aus, dann ist er praktischer Gesamtkapitalist. Beide Formen des kapitalistischen Staates wurden und werden von der politischen Linken regiert. Der Staat als Produktionsmittelbesitzer ist absolut reaktionär. So war es bei der staatlichen Bundespost in der BRD, aber auch in angeblich „sozialistischen“ Ländern, die in Wirklichkeit staatskapitalistisch waren beziehungsweise noch immer sind: die Sowjetunion unter Lenin/Trotzki bis Gorbatschow, China bis 1978 und das von den LinksreaktionärInnen heiß geliebte Kuba bis heute. Die kleinbürgerliche politische Linke sieht jedoch in ihrer Mehrheit in staatlichen Firmen keine kapitalistische Ausbeutung des Proletariats, sondern „öffentliches Eigentum“ und Errungenschaften, die es unbedingt gegen den „Neoliberalismus“ zu verteidigen gelte.

Die ProletarierInnen, also die Menschen die keine Produktionsmittel besitzen, sind gezwungen ihre Arbeitskraft an die BesitzerInnen der Produktionsmittel (PrivatkapitalistInnen, KleinbürgerInnen oder der kapitalistische Staat) zu vermieten. Während des kapitalistischen Produktionsprozesses werden die ProletarierInnen ausgebeutet. Sie produzieren mehr Tauschwert in Form von Waren und warenförmigen Dienstleistungen als sie an Lohn kosten. Die ProletarierInnen sind während des Arbeitsprozesses entfremdet. Von den Produktionsmitteln, die das Eigentum ihrer AusbeuterInnen darstellen, von den Produkten ihrer Arbeit als fremden Warenkapital und von ihrer eigenen Arbeitskraft, die sie vermietet haben. Das Proletariat produziert das eigene Elend und den kapitalistischen Reichtum. Lohnarbeit ist das produktive Elend des Proletariats.

Die Seele der kapitalistischen Elendsverwaltung: Die Sozialdemokratie

Linke Regierungen innerhalb des Privatkapitalismus können wir als sozialdemokratische zusammenfassen. Die Sozialdemokratie ist die Seele der kapitalistischen Elendsverwaltung. Für SozialdemokratInnen ist sozial das, was Arbeit schafft. Und leben können sollen die Proleten von ihrer Arbeit auch noch. Sonst fehlt die „soziale Gerechtigkeit“, ein ganz großes sozialdemokratisches Ideal. Verwirklicht wird dieses große Ideal in der sozialdemokratischen Realpolitik. Der mitunter nur relativ kleine Unterschied zwischen gesetzlichen Mindest- und Hungerlöhnen ist die realpolitisch verwirklichte soziale Gerechtigkeit. Ja, die Sozialdemokratie ist die Seele der kapitalistischen Elendsverwaltung. Vom „schwedischen Modell“ des Sozialstaates im 20. bis zum „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ des linksreaktionären Regimes in Venezuela. Im letztgenannten Staat bereicherten sich die linken Politbonzen am Ölreichtum, gaben aber auch ein wenig nach unten weiter. Soziale Gerechtigkeit! Sozial ist, was kapitalistische Arbeit schafft. Demokratie ist die Diktatur des Kapitals über das Proletariat. Und die Sozialdemokratie die gefährlichste Waffe der Bourgeoisie.

Denn die Sozialdemokratie ist auch die harte Faust der Kapitalvermehrung. Die deutsche SPD ist dafür das beste Beispiel. Von 1914 bis 1918 schlug ihr linkes Herz ganz fest für das deutsche Vaterland. Und in der revolutionären Nachkriegskrise (1918-1923) vermochte nur die SPD mit sozialer Demagogie und blutigem Terror unter dem revolutionären Proletariat aufzuräumen. Ja, wer SozialdemokratInnen als Personal hat, braucht eigentlich keine FaschistInnen mehr. Doch die Bourgeoisie übertreibt zuweilen gnadenlos. So wechselte sie zwischen 1933 und 1945 das (sozial-)demokratische in das nationalsozialistische Dienstpersonal um. Doch die deutsche Bourgeoisie hat aus der Vergangenheit gelernt. Nazis dürfen mit geheimdienstlichen Segen morden, aber nicht mehr regieren. Regieren dürfen jetzt aber natürlich gerne wieder SozialdemokratInnen. Sie dürfen bis zur Schwindsucht dem Kapital dienen. Nach dem imperialistischen Krieg gegen Jugoslawien, Hartz IV und anderen Ausdrücken sozialdemokratischer Realpolitik ist von der SPD nicht mehr viel übriggeblieben.

Aber da gibt es ja noch die Linkspartei, dieses Zerfallsprodukt aus SPD und staatskapitalistischer SED. Und ein paar sozialdemokratisierte TrotzkistInnen sind auch noch dabei. Was für eine Hoffnungsträgerin! Besonders für die kleinbürgerliche Bewegungslinke. Nach einer Zeit der politischen Selbstbefriedigung, die mit dem realen Klassenkampf in diesem Land und woanders rein gar nichts zu tun hat, kann mit einer klugen Orientierung auf die zweite deutsche Sozialdemokratie noch mal richtig Kariere gemacht werden. Nein, keine Bewegung hat diese Bewegungslinke so gut drauf wie die, die zu den Futternäpfen der Bourgeoisie führt. Und die Linkspartei ist auch so ein Seelchen der kapitalistischen Elendsverwaltung. Einfach putzig, wie sie in der Opposition lauter schöne Dinge eines behaglich eingerichteten Kapitalismus verlangt – und wenn sie dann in ostdeutschen Bundesländern mitregiert knallharte Privatisierungs- und Kürzungspolitik umsetzt. Wem das von den linken KleinbürgerInnen alles zu reformistisch ist, kann revolutionsromantisch und internationalistisch die regierende Sozialdemokratie in Venezuela „verteidigen“ oder den auch sehr sozialdemokratischen „kurdischen Befreiungskampf“ in Syrien unterstützen. Einmal (Venezuela) im Gegensatz, und einmal (der kurdische Nationalismus in Syrien) im Einklang mit dem US-Imperialismus. Doch der sozialdemokratische Internationalismus – der mit einer revolutionär-antinationalen Haltung nicht das Geringste zu tun hat und der sich darin erschöpft regierende LinksnationalistInnen im Ausland zu unterstützen – kennt weder Logik noch Klassenunterschiede.

Partei-„Kommunismus“ ist rotlackierter Antikommunismus!

Parteien sind Grundeinheiten der bürgerlichen Politik, die untereinander um die Staatsmacht konkurrieren. Sie sind klassengespalten. An der Spitze stehen die Politbonzen, unten ist die kleinbürgerlich-proletarische Parteibasis. So ist es in der CDU und in der SPD. Selbstverständlich auch in der Linkspartei. Und die ehemaligen beziehungsweise noch immer existierenden „Kommunistischen“ Staatsparteien (zum Beispiel: „K“PdSU in der Sowjetunion, die „K“PCh in China) tickten und ticken auch nicht anders. Politische Parteien sind grundsätzlich bürgerlich und vermögen nur den Kapitalismus zu reproduzieren, niemals aber diesen aufzuheben. „Kommunistische“ Parteien waren und sind die verlogensten aller bürgerlichen Parteien. Sie organisierten in den staatskapitalistischen Ländern die Ausbeutung des Proletariats – bis zum blutigen Massenterror. Staatskapitalistische Regimes und die politische Regierungslinke, die diese regierten oder regieren, waren und sind strukturelle KlassenfeindInnen des Proletariats. Auch linke Oppositionspolitik, die sich – in welcher „kritischen“ Form auch immer – positiv auf von Linken regierte Staates bezieht, gehört zur kapitalistischen Sozialreaktion.

Doch der Staatskapitalismus war nur eine besondere Produktionsweise, um eine ursprüngliche Industrialisierung beschleunigt nachzuholen. Er ist nach dieser ursprünglichen Industrialisierung nicht konkurrenzfähig mit dem Privatkapitalismus. Aufgrund dessen entstanden und entstehen in den „kommunistischen“ Regierungsparteien staatskapitalistischer Regimes proprivatkapitalistische „Reformfraktionen“. Diese privatisieren früher oder später das Kapital wieder (Gorbatschow und Jelzin in der UdSSR/Russland, die „K“P Chinas ab 1979). China ist inzwischen ein von einer „Kommunistischen“ Partei regiertes privatkapitalistisches Land. Doch Teile der Linksreaktion unterstützen China bis heute. Auch in Kuba hat die Transformation zum Privatkapitalismus bereits eingesetzt.

Für die globale klassen- und staatenlose Gesellschaft!

Für SozialrevolutionärInnen sind die von der politischen Linken regierten Staaten nichts anderes wie die von rechten und mittigen politischen Strömungen beherrschten Gewaltapparate: absolut zu bekämpfende Institutionen. Sozialrevolutionäre Antipolitik erstrebt die globale Zerschlagung aller Staaten durch das revolutionäre Proletariat. Ob nun BRD, USA, Israel, Russland, China, Kuba oder Venezuela: Nieder mit dem Staat, es lebe die globale klassen- und staatenlose Gesellschaft!

Die globale soziale Revolution als eine permanente Kette der Zerschlagung aller Nationalstaaten ist eine Möglichkeit, die sich durch die Zuspitzung des Klassenkampfes in außergewöhnlichen Situationen entwickeln kann. Wenn sich das Proletariat von der kapitalistischen Ausbeutung befreien will, muss es die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft überführen und alle Eigentumsformen der kapitalistischen Warenproduktion (Privat-, Genossenschafts- und Staatseigentum) aufheben.

Nieder mit der kapitalistischen Rechts- und Linksreaktion!
Es lebe die globale soziale Revolution!

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Neue Broschüre: Antinationale Schriften II https://swiderstand.blackblogs.org/2015/02/23/neue-broschuere-antinationale-schriften-ii/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/02/23/neue-broschuere-antinationale-schriften-ii/#respond Mon, 23 Feb 2015 21:00:52 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=102 Unsere neue Broschüre aus der Reihe Antinationale Schriften (ca. 120 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

 

Inhalt

Einleitung

Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats

1. Der kurdische Nationalismus
2. Der Imperialismus, der IS und der kurdische Nationalismus
3. Hoch die antinationale Solidarität!

Nationalistische und rassistische Repression der „internationalen Gemeinschaft“

1. Internationale Repression gegen das migrantische Proletariat
2. Nationalistische Repression gegen MigrantInnen in der BRD
3. Weißer Rassismus und schwarzer Nationalismus in den USA

Einleitung

Mit der Herausgabe der Antinationalen Schriften bekämpfen wir konsequent den Nationalismus. Israelfahnen sind für uns genauso ein optisches Brechmittel wie Deutschlandfahnen. Auch bekämpfen wir den Nationalismus von unterdrückenden Staaten genauso konsequent wie den von nationalen Befreiungsbewegungen, die noch für einen eigenen Staat kämpfen. Der palästinensische Nationalismus zum Beispiel kann die soziale Unfreiheit der palästinensischen ProletarierInnen nur reproduzieren.
In der Schrift Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats nehmen wir eine Projektionsfläche der kleinbürgerlichen politischen Linken kritisch unter die Lupe. In diesem Text weisen wir nach, dass der kurdische Nationalismus und damit auch sein Lautsprecher, die kleinbürgerliche politische Linke, in imperialistische Strategien eingebunden sind. Der linksbürgerliche „Antiimperialismus“ liegt schon halb mit dem Imperialismus im Bett. Einige Teile der Linken sind bereits zur Paarung bereit, andere zieren sich noch etwas…
Nationalstaaten sind die Durchsetzungsformen des globalen Kapitalismus. Durch den Nationalismus soll das jeweilige inländische KleinbürgerInnentum und Proletariat in das Nationalkapital integriert werden, während das unerwünschte „ausländische“ Proletariat auf die sozialdarwinistisch-nationalistische Repression trifft. Das ist ein globales Phänomen des Weltkapitalismus, wie wir in der Schrift Nationalistische und rassistische Repression der „internationalen Gemeinschaft“ ausführlicher darlegen werden. Auch die ethnische und rassistische Aufhetzung des jeweiligen Kernes einer Nation (wie zum Beispiel der weiße Rassismus in den USA gegen nationalistisch und rassistisch diskriminierte Minderheiten) funktioniert nach wie vor auch bestens in Demokratien, wie dieser Text ebenfalls aufzeigt.
Hoch die antinationale Solidarität!
ProletarierInnen aller Länder, vereinigt euch!

Nelke, im Februar 2015

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Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus III https://swiderstand.blackblogs.org/2015/02/12/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-iii/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/02/12/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-iii/#comments Wed, 11 Feb 2015 23:15:43 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=101 Wir veröffentlichen hier die Fortsetzung des Artikels „Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus“. Der letzte Teil unseres Textes „Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats“ „Hoch die antinationale Solidarität!“ könnt ihr hier bei der „Sozialen Befreiung“ zu Ende lesen.

                                                                                       

    „Unverschleierte“ Frauen der YPJ-Einheiten. Kobanê 2014

Die linksbürgerlichen Lautsprecher des syrisch-kurdischen Nationalismus sind besonders über die bewaffneten Frauen der YPJ völlig aus dem Häuschen. Sie wollen wieder einfach nicht den dialektischen Zusammenhang von nationalem Militarismus und bürgerlicher Frauenemanzipation, welche die YPJ symbolisiert, verstehen. Es war lange Zeit eine patriarchalische Rollenteilung in den Nationalismen Praxis, nämlich dass die Männer an die Front gingen und die Frauen sich vorwiegend der biosozialen Reproduktion in den Familien widmeten. Doch die kapitalistische und bürgerlich-frauenemanzipative Modernisierung brachte auch in einigen Nationalismen die Frauen auf die Schlachtfelder, auf denen sie im Interesse des Nationalstaates/Nationalkapitals töten und sterben konnten und sollten. So gilt im zionistischen Israel für beide Geschlechter die Wehrpflicht. Es liegt auf der Hand, dass proletarische RevolutionärInnen sowohl den sexistischen Ausschluss von Frauen als auch deren Integration in den bürgerlich-nationalen Militarismus bekämpfen müssen. Proletarische RevolutionärInnen setzen sich dafür ein, dass Proletarierinnen von den Männern der Klasse als gleichberechtige – auch militante – Klassenkämpferinnen anerkannt werden. Die YPJ ist sowohl eine bürgerlich-frauenemanzipative als auch eine nationale Militärformation. Deshalb bekämpfen wir sie von einem proletarisch-revolutionärem Klassenstandpunkt aus als eine bürgerlich-reaktionäre Organisation. Doch wir haben ja schon oben gesehen, dass die linken KleinbürgerInnen den reaktionären Charakter des syrisch-kurdischen Nationalismus völlig verklären, um diesen zu unterstützen.
Aber selbst wenn mensch den Fakt anerkennt, dass im nordsyrischen Kurdengebiet Rojava sich eine kurdisch-nationale Durchsetzungsform des Kapitalismus entwickelt und alle „antikapitalistischen Perspektiven“ nichts als Projektionen linker KleinbürgerInnen darstellen, sollten RevolutionärInnen nicht trotzdem die modern-demokratischen Staatsvorstellungen des kurdischen Linksnationalismus gegen den ultrabrutalen und fanatisch mordenden IS als „kleineres Übel“ verteidigen? Ein entschiedenes Nein! Wer immer nur vermeintlich kleinere Übel verteidigt, hilft mit das Grundübel zu reproduzieren. Im Konkurrenzkampf der Nationalismen kann es für SozialrevolutionärInnen kein kleineres Übel geben. Über die Nationalismen herrscht die Weltbourgeoisie (KapitalistInnen, ManagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen sowie hohe StaatsbeamtInnen und Militärs) über das Weltproletariat (die globale ArbeiterInnenklasse und die weltweiten nichtlohnarbeitenden Unterschichten, die über keine eigenen Produktionsmittel verfügen). Auch die kurdischen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen in Rojava sind für die Politbonzen der PYD nur Manövriermasse ihres demokratisch-autonomen Unterstaates im Rahmen des syrischen Nationalstaates. Der syrisch-kurdische Nationalismus ist Teil des Grundübels, nämlich dass sich das Weltproletariat im Konkurrenzkampf der Nationalismen zur Reproduktion des Weltkapitalismus verheizen lässt. Nein, wir müssen gegen den Kapitalismus mit all seinen Nationalismen und all seinen politischen Fraktionen kämpfen, wenn das permanente Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat aufhören soll!
Ein klarer Kampf gegen die imperialistische Kriegsallianz in Syrien und im Irak und eine gleichzeitige Unterstützung des kurdischen Linksnationalismus, der Teil dieser Allianz ist, ist objektiv unmöglich. Doch Teile der linken KleinbürgerInnen versuchen das objektiv Unmögliche. Heraus kommen dabei subjektive Eiertänze. Auch die „antiimperialistische“ und gleichzeitig prokurdische junge Welt, die zu Beginn der US-Luftangriffe auf den IS in Syrien diese noch als „völkerrechtswidrig“ kritisiert hatte, geriet nach der Kooperation zwischen dem syrisch-kurdischen Nationalismus und dem US-Imperialismus in ein argumentatives Dilemma. Vor der direkten Kooperation zwischen syrisch-kurdischen Linksnationalismus und US-Imperialismus lautete die Kritik der jungen Welt noch: Der US-Imperialismus bombardiert Öl-Raffinerien, die sich unter IS-Kontrolle befinden, lässt aber Kobani im Stich (siehe dazu: André Scheer, Kampf um Kobani, in: junge Welt vom 26./27. September 2014, S. 1.) Das ist schon keine klare Kritik am US-Krieg als solchen, sondern nur noch daran wie dieser geführt wurde. In diesem Fall fraß die prokurdische Linie den stramm antiamerikanischen Kurs der jungen Welt auf. So lautete dann auch die Unterschlagzeile des Artikels Kurden verteidigen Kobani vom 29. September 2014 auf Seite 1 Kritik an mangelnder Unterstützung durch US-geführte Koalition. Zwischendurch wurde mit dem Artikel Krieg gegen die Bevölkerung. Syrien: US-Luftangriffe auf IS-Terroristen treffen vor allem Zivilisten von Rainer Rupp in der jungen Welt vom 30. September 2014 noch einmal einigermaßen klar gegen den Krieg als solchen Stellung bezogen. Das lag daran, dass der Autor Rainer Rupp mehr antiamerikanisch – dieser Antiamerikanismus ist natürlich von einem antinationalen Standpunkt auch zu kritisieren – als prokurdisch ist.
Nach Beginn der Kooperation zwischen den beiden Fraktionen des Weltkapitals war die junge Welt natürlich unfähig klar und eindeutig die reaktionäre kurdisch-imperialistische Allianz zu kritisieren. Wenn jetzt der US-Imperialismus den IS vor Kobani bombardierte, wurde nicht mehr der Krieg als solcher kritisiert, sondern dass er zu „ineffektiv“ war. Als sich der große Fan des kurdischen Linksnationalismus, Nick Brauns, in der jungen Welt vom 2./3. Oktober 2014 mit einem Artikel unter der vielsagenden Überschrift Luftangriffe nutzlos zu Wort meldete, fraß die prokurdische wiedermal die grundsätzliche Antikriegs-Haltung der Zeitung auf. SozialrevolutionärInnen kritisieren immer an einem Krieg, dass er kapitalistischen und politisch-nationalen Interessen nutzt. Dass er „nutzlos“ sei, ist dagegen ein pazifistisches Vorurteil. Doch Herr Brauns wollte mit diesem Artikel nur deutlich machen, dass nach seiner Meinung der US-Krieg zu diesem Zeitpunkt noch kaum dem syrisch-kurdischen Nationalismus nutzte. So schrieb er: „Zwar bombardierten US-Kampfflugzeuge nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums auch IS-Ziele bei Kobani. Doch soll laut Augenzeugenberichten der IS bis auf zwei oder drei Kilometer an die Stadt herangerückt sein, so dass zwischen den Kämpfern beider Seiten Sichtkontakt bestehe.“ (Nick Brauns, Luftangriffe nutzlos, in: junge Welt vom 2./3. Oktober 2014, S. 6.) Brauns kritisierte in dem Artikel Unter einem Dach in der jungen Welt vom 17. Oktober 2014 auch nicht die Einbindung des syrisch-kurdischen Linksnationalismus in die von den USA geführte imperialistische Allianz gegen den IS, sondern stellt diese nur fest. Außerdem zitiert er kommentarlos den Vizeaußenminister des Kantons Kobani, Idris Nassen, der von der Imperialistischen Allianz forderte: „Wir brauchen mehr Luftangriffe, aber auch mehr Waffen und Munition, um sie am Boden bekämpfen zu können.“
Durch solche Artikel wurde die angeblich „antiimperialistische“ junge Welt indirekt zu einem Teil der imperialistischen Allianz in Syrien. Wer hätte das gedacht, dass in der so oft plump antiamerikanisch agierenden jungen Welt mal der US-Imperialismus als „kleineres Übel“ dargestellt wird! Eine klare Haltung gegen alle imperialistischen Kriege sieht anders aus! Diese ist allerdings nur bei einem antinational-sozialrevolutionären Standpunkt möglich.

…..

Gerade der BürgerInnenkrieg in Syrien und die Einmischung der imperialistischen Regional- und Weltmächte zeigt, dass die verschiedenen nationalen und politischen Fraktion des Weltkapitals mal kooperieren und mal konkurrieren – und zwar immer auf Kosten der kleinbürgerlichen und proletarischen Zivilbevölkerung. Und in Syrien verfeindete Mächte, wie Russland und die Türkei, können außerhalb dieses BürgerInnenkrieges fette Handelsbeziehungen noch fetter gestalten. Russland stützt im syrischen BürgerInnenkrieg das Assad-Regime und die Türkei gehört inzwischen zu dessen ärgsten Feinden. Doch Syrien ist nur ein Schlachtfeld im mal blutigen und mal friedlichen Spiel der Imperialismen. Neben Syrien gibt es da noch die Ukraine, wo die EU/NATO auf der einen und Russland auf der anderen Seite ihre imperialistischen Konflikte austragen (siehe dazu den Text Der westliche Menschenrechtsimperialismus in Aktion, a.a.O., S. 97-121). Die gegenseitigen schweren Wirtschaftssanktionen zwischen dem Westen und Russland im Verlauf des Jahres 2014 haben alle beteiligten Nationalkapitale stark geschwächt. Russland muss sich nach anderen Handelspartnern umsehen und ist beim NATO-Mitglied Türkei fündig geworden. So einigten sich die Türkei und Russland Anfang Dezember 2014 auf eine Verdreifachung des Handels bis 2023. Während der Handel zwischen den beiden Nationen im Jahre 2013 bei einem Volumen von umgerechnet 33 Milliarden Dollar lag, soll dieser im Jahre 2023 100 Milliarden Dollar betragen.
Auch die Schwesterparteien PKK und PYD ziehen nicht immer an einem Strang. In der gleichen Zeit, also Ende November 2014, wo die Türkei über die IS die Position der PYD weiter destabilisierte, flirtete Herr Öcalan nach einer kurzen Beziehungskrise wieder heftig mit der türkischen Regierung. Wir wollen dies an Hand von zwei junge Welt-Artikeln deutlich machen.
Nick Brauns schrieb über IS-Angriffe vom türkischen Territorium aus auf Kobani Ende November 2014: „Erstmals seit Ausbruch der Kämpfe um Kobani (Ain Al-Arab) vor zweieinhalb Monaten hat die Terrororganisation ,Islamischer Staat‘ (IS) die belagerte Stadt im Norden Syriens von türkischem Territorium aus unter Beschuss genommen. Die Stadt werde nun von vier Seiten angegriffen, berichtete eine Sprecherin der Partei der Demokratischen Union (PYD) in Kobani am Samstag (29. November 2014) gegenüber dem kurdischen Fernsehsender Ronahi TV.
Der Angriff hatte demnach am Samstag (29. November 2014) um fünf Uhr früh mit der Detonation eines aus der Türkei kommenden, mit Sprengstoff beladenen Lastwagens am Grenzübergang Mürsitpinar begonnen. Der auf syrischer Seite von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG kontrollierte Übergang ist die einzige Versorgungsroute für die belagerte Stadt. Auch zwei Selbstmordattentäter sprengten sich dort nach Angaben des Pressezentrums der YPG in die Luft. Anschließend hätten IS-Kämpfer von türkischer Seite aus die Innenstadt von Kobani mit Granatwerfern beschossen. Rund 50 Dschihadisten sollen sich auf türkischem Boden in staatlichen Getreidesilos sowie in zwei von der Armee evakuierten Dörfern verschanzt haben.
Eine Stunde vor Beginn der IS-Offensive wurde die Stromversorgung für die nahe Kreisstadt Suruc und mehrere Dörfer entlang der Grenze zu Syrien abgeschaltet, in denen Aktivisten seit Monaten Wache halten, um Grenzübertritte von Dschihadisten zu verhindern. Mitarbeiter des staatlichen Stromversorgungsunternehmens gaben gegenüber Firat News an, dass sie den Befehl dazu ,von oben‘ erhalten hätten. Der Gouverneur der Provinz Sanliurfa, Izzettin Kücük, habe ihn bestätigt, dass der IS von Suruc aus Kobani angegriffen habe, erklärte der Parlamentsabgeordnete der linken kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), Ibrahim Ayhan. Sprecher des Generalstabs und der türkischen Regierung wiesen die Berichte als ,Lüge‘ zurück. Von Firat News veröffentlichte Videoaufnahmen zeigen allerdings, wie aus Richtung der Getreidesilos auf die YPG-Kämpfer gefeuert wird.
Nach YPG-Angaben konnte der Angriff am Grenzübergang ebenso zurückgeschlagen werden wie eine zeitgleiche IS-Offensive an der Süd- und Ostseite der Stadt. Trotz großer Verluste würde der IS jedoch weiter Verstärkung bekommen, berichtete die Kommandantin der den YPG angeschlossenen Frauenverteidigungseinheiten YPJ in Kobani, Meysa Abdo, gegenüber Firat News. Dabei handele es sich vor allem um ausländische Dschihadisten.“ (Nick Brauns, Angriff aus der Türkei, in: junge Welt vom 1. Dezember 2014, S. 2.)
Wir sehen hier deutlich, wie der türkische Imperialismus über den IS den syrisch-kurdischen Nationalismus schwächt. Doch das hält den türkisch-kurdischen Nationalismus nicht davon ab, auf die starken Flirtsignale Ankaras in dessen Richtung grundsätzlich positiv zu reagieren. Nur einen Tag später konnten wir folgenden Artikel von Nick Brauns darüber in der jungen Welt lesen: „Die Arbeiterpartei Kurdistans und die islamisch-konservativen AKP-Regierung wollen trotz jüngster Spannungen einen neuen Anlauf zur Lösung der kurdischen Frage nehmen. ,Der Zug ist wieder im Gleis‘, kommentierte Vizeministerpräsident Yallcin Acdogan während einer AKP-Versammlung in Kocaeli am Sonntag (30. November 2014) die Wiederaufnahme der Friedensbemühungen.
Eine Delegation von Parlamentariern der links-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) hatte am Samstag (29. November 2014) erstmals nach mehreren Wochen wieder den inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen können. Öcalan habe sich mit Regierungsvertretern auf einen ,Plan für einen Friedens- und demokratischen Verhandlungsprozess‘ geeinigt, der bald der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt werde, erklärte die HDP-Delegation am Sonntag (30. November).
Wenn beide Seiten den Prozess ernsthaft betrieben, könnte es eine Regelung innerhalb von fünf Monaten geben, habe sich Öcalan überzeugt gezeigt. Dabei bestünde der PKK-Vorsitzende auf ,rechtliche Garantien‘ für einen solchen Prozess. So sei es sein Fehler gewesen, ohne rechtliche Absicherungen 2009 eine Gruppe von unbewaffneten Guerillakämpfern als vertrauensbildendes Zeichen in die Türkei zurückgeschickt zu haben, übte Öcalan Selbstkritik. Die Gruppe war nach ihrem Grenzübertritt aus dem Irak zwar begeistert empfangen doch später von der Polizei inhaftiert worden.
Notwendig sei zudem ein Komitee zur Überwachung eines ,konsolidierten Waffenstillstandes‘. PKK-Führungskader Cemil Bayik hatte im November (2014) bereits angedeutet, die USA könnten eine solche ,dritte Partei‘ sein – ein Vorschlag, der von Seiten der türkischen Regierung zurückgewiesen wurde. Auch Oppositionsführer Kemal Kihcdaroglu von der kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) erklärte, seine Partei stände dafür nicht zur Verfügung. Anstatt hinter verschlossenen Türen mit Öcalan zu verhandeln, müssten die Diskussionen öffentlich im Parlament geführt werden.
Die Friedensgespräche von Geheimdienstvertretern mit Öcalan hatten nach einer Guerillaoffensive im Herbst 2012 begonnen. Zum kurdischen Neujahrsfest Newroz im März 2013 hatte Öcalan die Guerilla zum Verlassen der Türkei aufgerufen, um Raum für eine politische Lösung zu schaffen. Die PKK stoppte ihren Rückzug allerdings nach einem halben Jahr, weil die Regierung laut der Partei die Friedensphase zum Bau zahlreicher neuer Militärstützpunkte auf den von der PKK geräumten Positionen nutzte.
Nach Beginn des von der Türkei logistisch unterstützten Großangriffs des Islamischen Staates (IS) auf die syrisch-kurdische Stadt Kobani hatte die PKK Ende September ihren Waffenstillstand für obsolet erklärt. Die türkische Armee flog ihrerseits einen Luftangriff auf PKK-Stellungen.
Dass es der AKP mit der Fortsetzung des Friedensprozesses um mehr als einen Zeitgewinn vor der Parlamentswahl im Juni geht, darf angesichts ihrer fortdauernden Unterstützung für die IS-Kämpfer, die am Wochenende Kobani von türkischem Territorium aus angreifen konnten, bezweifelt werden. Vielmehr scheint Ankara darauf zu setzen, mit einer Schwächung der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien Öcalan zu mehr Kompromissbereitschaft bei den Verhandlungen zu zwingen.
Allerdings räumte selbst ein Kommentator der regierungsnahen Tageszeitung Sabah ein, dass die von der AKP als zentral verstandene Entwaffnung zu einem Zeitpunkt unrealistisch erscheint, an dem Kurden im Nahen Osten anhaltenden Angriffen von Dschihadisten ausgesetzt sind. Gleichzeitig ist eine Rückkehr zum Krieg für die PKK – deren Guerilla heute an mehreren Fronten im Irak und in Syrien gegen den IS kämpft – keine ernsthafte Option. Vielmehr nutzt die PKK die Friedensphase zum Aufbau ziviler Strukturen einschließlich kommunaler Räte und eigener Sicherheitskräfte, die die für ,autonom‘ erklärten Viertel kurdischer Städte schützen.“ (Nick Brauns, „Der Zug ist wieder im Gleis“, in: junge Welt vom 2. Dezember 2014, S. 7.)
Die kommunalen Räte, die Nick Brauns am Ende seines Artikels erwähnt, sind ganz normale kapitalistisch-demokratische Staatsorgane einer kurdisch-nationalen Autonomie innerhalb der Türkei, ihr linken TraumtänzerInnen! Weiter oben im Artikel von Brauns ging auch ganz klar hervor, dass die PKK darauf setzt den US-Imperialismus als Vermittler in das Boot der national-kurdischen Autonomie zu holen, so wie ja auch die PYD in Syrien Teil der von den USA geführten imperialistischen Allianz gegen den IS ist. Und die kleinbürgerliche politische Linke ist in ihrer Funktion als Lautsprecher des kurdischen Nationalismus zumindest indirekt Teil dieser imperialistischen Allianz. Es ist natürlich auch klar, dass der türkische Nationalstaat die Einmischung der USA in innere Angelegenheiten möglichst gering halten will. Es ist aber interessant, das am gleichen Tag, nämlich am 29. November 2014, wo der IS vom türkischen Boden aus gegen den syrisch-kurdischen Nationalismus eine Offensive startete, die türkisch-kurdischen Nationalisten ihr Oberhaupt Öcalan nach mehreren Wochen wieder besuchen durften. Der türkische Staat versuchte hier eindeutig PKK und PYD ein wenig zu spalten. Auch geht aus dem Artikel hervor, dass der türkische Staat immer dann Friedensgespräche mit Öcalan aufnimmt, wenn die PKK gerade in die militärische Offensive geht und das Geplauder mit Öcalan dazu nutzt zur bewaffneten Gegenoffensive überzugehen
Fazit: Die internationalen Beziehungen der Nationalismen sind also sowohl durch Kooperation als auch durch Konkurrenz geprägt, bei denen das Weltproletariat im Frieden und Krieg verheizt wird. Und das funktioniert solange wie sich die ProletarierInnen als „Türken“, „Kurden“, „US-Amerikaner“ „Deutsche“ usw. fühlen und auch so aufspielen und sich nicht als Teile des Weltproletariats begreifen und auch so handeln! Sich als Teil des Weltproletariats zu verstehen und auch so zu handeln ist der höchste Ausdruck des revolutionären Klassenbewusstseins, nur eine kleine Minderheit besitzt es zurzeit. Nur durch eine Verschärfung des Klassenkampfes durch außergewöhnliche Umstände zur sozialen Revolution kann dieses Bewusstsein massenhaft und damit zur materiellen Gewalt werden. Nein, wir proletarische RevolutionärInnen warten nicht passiv auf die Revolution. Wir bereiten sie durch bewusste Teilnahme am reproduktiven Klassenkampf aktiv vor. Genau wie unser sozialrevolutionärer Universalismus, dessen Subjekt das Weltproletariat ist, die globale Zerschlagung aller Nationalismen geistig vorbereitet.
Die kleinbürgerliche politische Linke hilft dagegen den Weltkapitalismus zu reproduzieren, indem sie angeblich „fortschrittliche“ Nationen gegen „reaktionäre“ Nationen verteidigt – ohne begreifen zu wollen, dass alle Nationalismen sozialreaktionär sind. Ihr „Antiimperialismus“ schreckt noch nicht einmal davor zurück, die BRD aufzufordern zugunsten des kurdischen Nationalismus imperialistischen Druck auf die Türkei auszuüben! So stellte die „antiimperialistische“ junge Welt dem uns bereits bekannten kurdischen Linksnationalisten aus München, Mehmet Derik, folgende Frage: „Sollten westliche Regierungen mehr Einfluss auf die Türkei nehmen – und wenn ja, wie?“ Eine sehr verräterische Frage für eine angeblich „antiimperialistische“ Zeitung. Derik gab darauf eine eindeutig proimperialistische Antwort: „USA und Deutschland setzen leider deutlich mehr auf eine strategische Zusammenarbeit der NATO-Partner, zwar spricht man mit der Türkei, schöpft aber seine Einflussmöglichkeiten bei weitem nicht aus. Militärische, politische und ökonomische Zusammenarbeit will der Westen offenbar nicht aufs Spiel setzen. Unsere Hauptforderung ist: Waffenlieferungen in die Türkei, nach Saudi-Arabien, Katar und in den gesamten mittleren Osten sind sofort einzustellen. Das beste Druckmittel aber wäre, in Deutschland das PKK-Verbot aufzuheben, um den Kampf der Kurden zu legitimieren.“ („Den Kampf der Kurden legitimieren“, a.a.O.) Diese „antiimperialistischen“ KleinbürgerInnen kritisieren also nicht die imperialistischen Beziehungen zwischen USA und BRD auf der einen Seite und der Türkei auf der anderen. Nein, sie wünschen sich imperialistischen Druck der USA und der BRD auf die Türkei zugunsten des kurdischen Nationalismus, während wir proletarischen RevolutionärInnen sowohl Kooperation als auch die Konkurrenz der Nationalismen grundsätzlich bekämpfen.
Die kleinbürgerliche politische Linke trifft seit der Eingemeindung des kurdischen Nationalismus durch die imperialistische Allianz gegen den IS, die auch die BRD zur Verstärkung ihres Einflusses im Irak nutzt, auch auf offene Ohren bei einem Teil des politischen und ideologieproduzierenden Personals der Bourgeoisie mit ihrer Forderung das PKK-Verbot aufzuheben, wie folgender Artikel des PKK-nahen Kleinbürgers Nick Brauns deutlich macht: „Mit einer Demonstration wollen linke und kurdische Organisationen am Samstag (den 28. November 2014) in Frankfurt am Main gegen das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans protestieren. Zudem soll Solidarität mit ,Revolution in Rojava‘ bekundet werden, die im Norden Syriens unter der politischen Führung einer Schwesterorganisation der PKK eine auf multiethnischen Volksräten basierenden Selbstveraltungsregion gebildet hat. (Anmerkung von Nelke: Über die prokurdische Nebelproduktion der linken KleinbürgerInnen haben wir weiter oben bereits alles Notwendige geschrieben.) Die Region wird mittlerweile von den dschihadistischen Kämpfern des Islamischen Staates (IS) schwer bedrängt.
Am 26. November 1993 erließ der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) ein Betätigungsverbot gegen die PKK. ,Die politische Agitation der PKK und ihr nahestehender Organisationen hat zwischenzeitlich ein außenpolitisch nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht‘, wurde das Verbot vom Innenministerium als außenpolitische Rücksichtnahme auf den NATO-Partner Türkei begründet. Nach Angaben der Bundesregierung wurden seit 1996 mehr als 100 Funktionäre der Arbeiterpartei verurteilt, vielfach zu Haftstrafen. Allein in den letzten zehn Jahren sind mehr als 4.500 Strafverfahren mit PKK-Bezug geführt worden, etwa weil Demonstranten den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan hochleben ließen.
Doch seit diesem Sommer (2014) ist die Debatte um die Aufhebung des PKK-Verbots in der Bundesrepublik neu entfacht. Hintergrund ist der erfolgreiche Widerstand der Guerilla gegen das Vordringen der IS im Nordirak und in Syrien sowie die Rettung zehntausender Jesiden und Angehöriger weiterer religiöser und ethnischer Minderheiten. ,Die PKK gehört zu Deutschland‘ titelte die taz. Vor 20 Jahren hatte es von dem Blatt noch ,linke‘ Flankendeckung für die staatliche Verfolgung der kurdischen Bewegung gegeben. (Anmerkung von Nelke: Die liberalen ÖkoimperialistInnen von der taz haben halt guten Instinkt dafür, welche ausländischen Nationalismen jeweils mit dem inländischen Nationalismus kompatibel sind, also zu Deutschland gehören. Dass kann sich mit der Außenpolitik Deutschlands auch mal schlagartig ändern. Herr Brauns, der linke internationalistische Lautsprecher des kurdischen Nationalismus und natürlich „Antiimperialist“, sitzt im Kampf gegen die IS indirekt auf einmal im selben Boot wie der deutsche Imperialismus. Deshalb kann er auch nur die Anti-PKK-Haltung der liberalen ÖkoimperialistInnen der Vergangenheit kritisieren, aber nicht die Pro-PKK-Haltung der Gegenwart, die diese Leute heute einnehmen. Aus antinational-sozialrevolutionärer Sicht ist sowohl die Anti- als auch die Pro-PKK-Haltung von deutschen NationalistInnen als jeweilige Ausgestaltung des deutschen Imperialismus zu kritisieren. Doch Herr Braus ist ja nur ein armseliger Lautsprecher des kurdischen Nationalismus, der zurzeit mit dem deutschen Imperialismus indirekt in einem Boot sitzt. Und so passt er sich an jene Teile des politischen und ideologieproduzierenden Personals der Bourgeoisie an, um die PKK – diesen sozialreaktionären Verein kurdischer NationalistInnen – in Deutschland wieder zu legalisieren.) SPD-Vize Rolf Mützenich plädierte ebenso wie führende Grünen-Politiker angesichts der laufenden Friedensgespräche zwischen Abdullah Öcalan und der türkischen Regierung für eine Neubewertung der PKK. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder dachte sogar über Waffenlieferungen an die PKK im Kampf gegen den IS nach.
Die Linksfraktion im Bundestag berät derzeit über einen Antrag, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, das PKK-Verbot aufzuheben und sich für eine Streichung der kurdischen Organisation von der EU-Terrorliste einzusetzen. Am Mittwoch beteiligten sich Abgeordnete der Linkspartei zudem am ,öffentlichen Solidaritätsplakatieren‘ von stilisierten PKK-Sternen. Organisiert wurde die Aktion durch ein –vom Studentenverband SDS initiierten –Bündnis. (Anmerkung von Nelke: Diese naive Solidarität linker KleinbürgerInnen mit der PKK ist selbstverständlich sozialreaktionär.)
Vertreter der Friedensbewegung, darunter der Völkerrechtler Norman Paech, Peter Strutinsky vom Bundesausschuss Friedensratschlag und Laura von Wimmersberg von der Berliner Friedenskoordination, haben eine Online-Petition gegen das PKK-Verbot gestartet. Bislang unterzeichneten 5.200 Menschen das Begehren. Auch wird die Aufhebung des PKK-Verbots ein zentrales Thema eines Bündnisses gegen die Herbstkonferenz der Innenminister am 6. Dezember (2014) in Köln sein.
(Anmerkung von Nelke: Die bundesdeutsche Friedensbewegung gibt uns mit ihrer Unterstützung des kurdischen Nationalismus wieder einmal einen sehr guten Einblick in den Charakter des National-Pazifismus und die Wechselwirkung von Krieg und Frieden als besondere Momente der kapitalistischen Entwicklung. Der deutsche Pazifismus unterstützt also den militanten kurdischen Nationalismus, der zurzeit allerdings für einen Frieden mit dem türkischen Staat eintritt – sowohl der Krieg als auch der angestrebte Frieden mit dem türkischen Staat dienen dem Aufbau kurdischer Staatsstrukturen. Zurzeit soll das durch kurdische Autonomie im Rahmen des türkischen Staates verwirklicht werden. Klar, sich aussöhnende Nationalismen sind ein Ideal des Pazifismus. Doch Krieg oder Frieden zwischen den Nationalismen – stets ist der triumphierende Nationalismus Durchsetzungsform des Klassenkrieges von oben, den die Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat führt. Die nationalen Eliten führen die ProletarierInnen im Krieg auf das Schlachtfeld, wo sie sich gegenseitig zum Wohl der jeweiligen Profite und Machtgewinne der herrschenden Klassen gegenseitig massakrieren – und führen sie bei Friedenschluss wieder in die Etappe zurück. Bis zum nächsten Krieg. Der Pazifismus kämpft für Frieden zwischen den Nationalismen – und bereitet dadurch die Kriege zwischen ihnen mit vor. Wer wirklich gegen imperialistische Kriege kämpfen will, muss auch den bürgerlichen Frieden der Nationalismen bekämpfen.)
Das Bundesinnenministerium wehrt sich indes gegen eine Aufhebung des PKK-Verbots. Über 150 Veranstaltungen von Kurden in Deutschland innerhalb weniger Tage nach dem Einmarsch des IS in die syrisch-kurdische Stadt Kobani verliefen nach Angaben des Ministeriums ,überwiegend störungsfrei‘. Für die Behörde ist das ein Beweis, dass die PKK ihre deutsche Anhängerschaft ,in der Hand habe‘. Entsprechend könne die PKK auch nicht störungsfreie Proteste organisieren. Die Beibehaltung des PKK-Verbots sei deshalb ein ,unverzichtbares Regulativ der Gefahrenabwehr‘, so das Innenministerium. Es schätzt das Organisationspotenzial der PKK in Deutschland auf mindestens 50.000 Menschen.
Für das Bundesinnenministerium sind kurdische Kämpfer von IS-Terroristen ohnehin kaum zu unterscheiden. Das Gefährdungspotenzial von gegen den IS kämpfenden Kurden sei ,quantitativ zwar geringer, qualitativ aber nicht anders zu bewerten als das der dschihadistischen Syrien-Kämpfer‘.“ (Nick Brauns, PKK-Verbot auf dem Prüfstand, in: junge Welt vom 27. November 2014, S. 4.)
Es ist völlig logisch, dass die Charaktermasken des deutschen Nationalismus bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols nicht allzu sehr zwischen den militanten ausländischen Nationalismen unterscheiden. Gewalttätig darf in Deutschland nur der staatliche deutsche Nationalismus sein – einschließlich der V-Leute der Polizei- und Geheimdienste in Naziorganisationen. Ob ausländische Nationalismen in Deutschland friedlich Geld und Waffen für die jeweiligen „Befreiungskriege“ beschaffen dürfen, hängt ganz von den jeweiligen außenpolitischen Interessen des BRD-Imperialismus ab. Wir SozialrevolutionärInnen bekämpfen sowohl den deutschen Staat als auch die PKK als eine nationalistische Organisation grundsätzlich. Wir unterstützen selbstverständlich nicht die staatliche Repression gegen die PKK, aber wir fordern den deutschen Imperialismus auch nicht dazu auf mit dem kurdischen Nationalismus zu kuscheln und den IS zu bekämpfen, wie das die kleinbürgerliche politische Linke zu tun pflegt. Wir bekämpfen den deutschen Staat, die PKK, den IS und die kleinbürgerliche politische Linke als Fraktionen des Weltkapitals kompromisslos und gehen keine Bündnisse mit einer Fraktion gegen die anderen ein.
In folgendem Artikel der jungen Welt wird deutlich wie die linken KleinbürgerInnen grundsätzlich die staatliche Repression gegen den IS unterstützen, allerdings ein wenig an den Details herummäkeln – so wie es sich für gestaltungswillige und konstruktive politische Kräfte eben gehört: „Islamisten, die von Behörden als gewaltbereit eingeschätzt werden, soll in Zukunft bis zu 18 Monate der Personalausweis entzogen werden, um ihre Ausreise in Kampfgebiete wie Syrien und Irak zu verhindern. Dies berichtete die Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch (den 26. November 2014) unter Berufung auf einen Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium, der ihr vorliege. Verdächtige sollen demnach einen Ersatzausweis bekommen, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen. Möglich ist schon jetzt, mutmaßlichen Terroranhängern den Reisepass zu entziehen und eine Ausreise aus Deutschland zu untersagen. Da ein solches Verbot aber nicht im Personalausweis vermerkt ist, können Islamisten auch in diesen Fällen relativ unbehelligt das Land verlassen. Viele reisen so in die Türkei und von dort aus weiter nach Syrien und in den Irak. Das will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unterbinden. Er hatte sich bereits im Oktober (2014) mit seinen Amtskollegen aus den Ländern geeinigt, auch das Personalausweisgesetz zu ändern.
Die Länderbehörden sind in der Praxis für den Ausweisentzug zuständig. Im Entwurf des Innenresorts ist nun vorgesehen, dass die Behörden Verdächtigen – also jenen, bei denen die Sicherheitsbehörden Hinweise auf eine anstehende Ausreise haben – zunächst bis zu sechs Monate den Personalausweis entziehen können. Der stattdessen ausgegebene Ersatzausweis kann zweimal verlängert werden, jeweils um maximal sechs Monate. Betroffene sollen für den Ersatzausweis eine Verwaltungsgebühr von zehn Euro zahlen.
Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich am 11. Dezember dem Kabinett vorgelegt werden. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, begrüßte zwar das Anliegen, der Terrororganisation ,Islamischer Staat‘ das Personal zu entziehen. Sie betonte aber, es gehe um Menschen, gegen die noch nichts strafrechtlich Verwertbares vorliege. ,Auf bloßen Verdacht hin den Personalausweis zu entziehen, ist ein schwerer Grundrechtseingriff‘, so Jelpke. ,Unabhängig von der tatsächlichen Gewaltbereitschaft der Betroffenen wirkt ein Ersatzausweis stigmatisierend.‘ Daher müssten effiziente Rechtsmittel gegen den Ausweisentzug möglich sein.“ (Ausweis weg auf Verdacht, in: junge Welt vom 27. November 2014, S. 2.)
Frau Jelpke, die dem linken Flügel der Linkspartei angehört, begrüßt also grundsätzlich – trotz dem Genörgel im Detail – das Anliegen des deutschen Nationalstaates sein Gewaltmonopol gegen ausländische militante IslamistInnen durchzusetzen. Selbstverständlich müssen IslamistInnen überall auf der Welt genau wie christliche FundamentalistInnen bekämpft werden, aber nicht im Schlepptau von Nationalstaaten, die mit ihrer Repression Teil des nationalistischen und religiösen Amoklaufes sind. Die sozialdarwinistisch-nationalistische Repression gegen islamische MigrantInnen stärkt nur den islamistischen Terrorismus. Die religiös-nationalen Chauvinismen reiben sich aneinander und laden sich gegenseitig auf. Unzählige KleinbürgerInnen und ProletarierInnen werden bei dieser reaktionären Symbiose gegeneinander aufgehetzt – zum Wohle des Weiterbestandes des Kapitalismus. Auch aufgeklärte deutsche BildungsbürgerInnen rümpfen über den sexistischen Islam die Nase und denken insgeheim, dass für ihn im aufgeklärten Deutschland kein Platz ist. Im aufgeklärten Deutschland, wo christliche PatriotInnen in Baden-Württemberg Sturm laufen, weil dort in den Schulen über sexuelle Vielfalt gesprochen werden soll. Nein, im aufgeklärten Deutschland, in dem Ende November 2014 das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das katholische St.-Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf einen Chefarzt zu Recht gekündigt hat, da dieser es gewagt hatte nach der Scheidung noch einmal zu heiraten, ist für den rückschrittlichen islamischen Fundamentalismus kein Platz!
Wir sind keine linken KleinbürgerInnen, die die staatliche Repression gegen den Islamismus grundsätzlich richtig finden, aber dann an den notwendigen Details herummäkeln. So möchte Frau Jelpke die staatliche Repression schön mit bürgerlichen Narrenfreiheiten und rechtsstaatlichen Feinheiten garnieren, während wir geistig die Zerschlagung des Staates und damit auch der von ihm gewährten bürgerlichen Freiheit vorbereiten. Ja, wir sind proletarische KlassenfeindInnen der bürgerlichen Freiheit. Diese ist für den proletarischen Menschen eine Doppelte: Er ist frei von Produktionsmitteln und verfügt über eine freie Persönlichkeit. Diese doppelte Freiheit zwingt ihn dazu, seine Arbeitskraft an KleinbürgerInnen, KapitalistInnen, Staaten oder Kirchen zu vermieten. Die MieterInnen der proletarischen und kleinbürgerlichen Arbeitskräfte haben dann die Freiheit im Rahmen der Gesetze über diese zu verfügen. Die katholische Kirche darf zum Beispiel die freien Persönlichkeiten, die ihr ihre Arbeitskraft vermietet haben aber sich nicht an die christliche Moral halten, mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichtes wieder dem freien Markt zur Verfügung stellen. Das ist die Freiheit des christlichen Fundamentalismus in Deutschland. Hier wird kein Kalifat zugelassen und auch nicht, dass aus Deutschland Leute ausreisen, die dann im Ausland gegen die jeweiligen Interessen des BRD-Imperialismus verstoßen. Für Feinde der aufgeklärten und modernen deutsch-nationalen Freiheit gibt es keine Freiheit!

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https://swiderstand.blackblogs.org/2015/02/12/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-iii/feed/ 2
Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus I https://swiderstand.blackblogs.org/2015/01/21/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-i/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/01/21/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-i/#comments Wed, 21 Jan 2015 12:55:37 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=99 Wir veröffentlichen hier den zweiten Teil des Textes „Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats“. Im Artikel werden wir das imperialistische Gerangel und die Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Großmächten, ihren Verbündeten in der arabischen Welt, der IS-Terromilliz und den kurdischen NationalistInnen untersuchen. Die Fortsetzung „Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus II“ könnt ihr hier bei Soziale Befreiung weiter lesen.

Shia-Miliz
Kämpfer von schiitischer Mehdi-Miliz während der Militärparade in Sadr-City, Bagdad , 21. Juni 2014. REUTERS

Nachdem wir den kurdischen Nationalismus in der Türkei sowie im Nordirak und in Nordsyrien unter die Lupe genommen haben, wollen wir jetzt dessen Einbindung in die verschiedenen imperialistischen Strategien untersuchen. Unter Imperialismus verstehen wir die ökonomische, politisch-diplomatische und militärische Expansion von Nationalstaaten bzw. Nationalkapitalen. Die internationalen Beziehungen sind nackte Gewaltverhältnisse zwischen den verschiedenen Nationalstaaten und jenen Nationalismen, die noch keinen eigenen Staat hervorgebracht haben. In den ökonomischen, politisch-diplomatischen, ideologischen und militärischen Konkurrenzkämpfen der Nationalismen geht es um Rohstoffquellen, Absatzmärkte, Investitionsstandorte für den Kapitalexport und geostrategische Positionen. Dieser permanente globale Konkurrenzkampf der Nationalismen wird auf Kosten des Weltproletariats geführt, welches durch das Kapital, die Staaten sowie die privatkapitalistischen und staatlichen Medien und Ideologieapparate gespalten und gegeneinander aufgehetzt wird. Das Weltproletariat produziert den Reichtum des Weltkapitalismus und seiner Durchsetzungsformen, die verschiedenen Nationalismen. Es zahlt bereits im ökonomischen Konkurrenzkampf mit seinem Lebensglück, seiner Gesundheit und seinem Leben – zum Wohle der Nationalkapitale.
Wenn der Imperialismus die Expansion der verschiedenen kapitalistischen Nationalismen darstellt, kann wirklicher Antiimperialismus nur antikapitalistisch und antinational sein und sich auf den realen Klassenkampf des Proletariats stützen. Der reale Klassenkampf des Proletariats wird zurzeit noch im Rahmen des Kapitalismus für höhere Löhne und niedrigere Arbeitszeiten bzw. gegen die wachsenden Angriffe des Kapitals geführt, das heißt er ist noch weitgehend reproduktiv. Er reproduziert so das Proletariat und den Kapitalismus auf stets erneuerter Grundlage. Doch dieser reproduktive Klassenkampf hat revolutionäre Tendenzen, wie die Aneignung von kapitalistischen/staatlichen Produkten und Produktionsmitteln und die proletarische Militanz gegen KapitalistInnen, ManagerInnen, PolitikerInnen und privatkapitalistische/staatliche Repressionsapparate. SozialrevolutionärInnen stützen sich auf die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes um diesen zu radikalisieren. Die soziale Revolution kann sich nur aus der gewaltigen Zuspitzung des reproduktiven Klassenkampfes entwickeln. Eine mögliche soziale Weltrevolution kann nur eine permanente Kette der Zerschlagungen von Nationalkapitalen sein, an dessen Ende die globale klassen- und staatenlose Gesellschaft steht. Wirklicher Antiimperialismus kann nur sozialrevolutionär, also antikapitalistisch und antinational, sein!
Dagegen ist der „Antiimperialismus“ der kleinbürgerlichen politischen Linken, der „unterdrückte“ und „fortschrittliche“ Nationalismen gegen den westlichen Imperialismus unterstützt, durch und durch kapitalistisch und sozialreaktionär. Es liegt auf der Hand, dass durch die Einbindung des nordsyrischen und nordirakischen kurdischen Linksnationalismus durch verschiedene imperialistische Staaten auch große Teile der kleinbürgerlichen politischen Linken in Deutschland als Lautsprecher des kurdischen Linksnationalismus mehr oder weniger direkt von dem einheimischen Imperialismus integriert werden konnten.
Diese zumindest indirekte Koalition aus Imperialismus und „Antiimperialismus“ war zu Beginn des BürgerInnenkrieges in Syrien 2011 noch nicht abzusehen. Der westliche Imperialismus unter der Führung der USA, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterstützten mehr oder weniger islamistische Kräfte gegen das syrische Assad-Regime. Sowohl die bewaffneten Anti-Assad-Kräfte als auch deren regionale und westliche Unterstützer führten auch noch untereinander ökonomische, politisch-diplomatische sowie gar militärische Konkurrenzkämpfe. Der ganz normale Wahnsinn des kapitalistischen Krieges, in dem sich die rationalsten Kalküle zur Vermehrung des Kapitals und die irrrationalsten Ideologien als Rechtfertigung des gegenseitigen Abschlachtens die Hände zum gemeinsamen blutigen Geschäft reichen. Das globale Rüstungskapital freute sich natürlich über den schönen Absatzmarkt Syrien, während einer seiner Kunden, der Islamismus, seine ideologisch-praktische Expansion in der Region durch blutige Orgien feierte. Der Türkei, Saudi-Arabien und Katar ging es um die Stärkung des jeweiligen nationalen Einflusses in der Region – sowohl gegen Syrien als auch gegeneinander. Dem „Westen“ – dieses Zweckbündnis aus den USA und europäischen Nationalstaaten ist natürlich auch durch interne Konkurrenzkämpfe geprägt – ging es um den Sturz des Assad-Regimes und indirekt um eine geostrategische Schwächung von Syriens mächtigsten Verbündeten Russland. Letzteres betreibt in syrischen Tartus einen Marinestützpunkt. Außerdem geht es der Regionalmacht Saudi-Arabien und den Weltgendarmen USA auch um die Schwächung von Syriens regionalen Verbündeten Iran.
Die „antiimperialistische“ kleinbürgerliche politische Linke unterstützte mehr oder weniger direkt das Assad-Regime und mehr oder weniger offen den russischen Imperialismus. Wir SozialrevolutionärInnen bekämpften das Massaker des Weltkapitals am Proletariat in Syrien, zu dessen politischen Fraktionen sowohl das Assad-Regime und dessen Schutzmacht Russland als auch die mehr oder weniger islamistischen Anti-Assad-KämpferInnen sowie deren regionalimperialistischen und westlichen UnterstützerInnen gehörten. Die „antiimperialistische“ kleinbürgerliche politische Linke, welche mehr oder weniger offen das Assad-Regime, den nordsyrisch-kurdischen Linksnationalismus und Russland gegen den westlichen Imperialismus und die Assad-feindlichen Regionalmächte unterstützte, war nichts anderes als eine politische Fraktion des Weltkapitals, welche das Massaker am Proletariat Syriens mitorganisierte! Diesen Standpunkt haben wir klar und deutlich im Text Der westliche Menschenrechts-Imperialismus in Aktion der Broschüre Antinationale Schriften I im April 2014 vertreten.
Nach dem Erscheinen unserer Broschüre dauert das Gemetzel des Weltkapitals an der syrischen und der irakischen Zivilbevölkerung an. Doch es hat eine Verschiebung der kämpfenden Kräfte, also wer auf der Oberfläche gegen wen kämpft, stattgefunden. Eine Anti-Assad Kraft, der „Islamische Staat“ (IS, früher auch ISIL oder ISIS genannt), wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 den USA zu mächtig, so dass diese eine mörderische globale Koalition gegen diesen organisierte, in welcher auch der kurdische Nationalismus und über diesen auch große Teile der kleinbürgerlichen politischen Linken mehr oder weniger direkt eigebunden sind.
Schauen wir uns diesen Prozess genauer an. Der IS, welcher von den US-Verbündeten Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterstützt wurde, destabilisierte mit seinem kalkuliert-wahnsinnigen Terror nicht nur Teile Syriens, sondern auch den US-Verbündeten Irak. Der IS entstammte dem reaktionären nationalistisch-islamistischen Widerstand gegen die US-Invasion im Irak im Jahre 2003. Er gehörte zuerst zu al-Qaida, sagte sich aber Mitte 2013 von dieser islamistischen Terrororganisation los. Der innere Führungszirkel besteht aus ehemaligen Armee-Offizieren des von dem US-Imperialismus gestürzten Saddam-Hussein-Regimes. Nach militärischen Eroberungen zusammenhängender Gebiete im Nordwesten des Irak und in Ostsyrien gründeten die Islamisten am 29. Juni 2014 einen als Kalifat bezeichneten Staat. Im syrischen BürgerInnenkrieg bekämpft der IS sowohl das Assad-Regime als auch die bewaffnete Opposition der Freien Syrischen Armee (FSA) und die kurdische Minderheit. Die Islamisten des IS finanzieren sich und ihren Terror höchstwahrscheinlich aus Spenden aus Katar, Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zusätzliche Einnahmequellen bilden Rohöl-Verkäufe aus eroberten Ölfeldern, die antiken und islamischen Fundstücke aus Raubgrabungen an archäologischen Fundstellen, der Verkauf von Frauen als „Bräute“, das Erheben von Steuern und Zöllen und das Lösegeld aus Geiselnahmen.
Im Januar 2014 eroberte der IS im Irak die Städte Ramadi und Falludscha. Diese beiden Städte musste er aber bald wieder zugunsten der sunnitischen Stammesführer und der Regionalpolizei räumen. Im Juni 2014 gelang es den Islamisten die zweitgrößte irakische Stadt Mossul zu erobern. Der Aufstieg des IS im Irak hatte sehr viel mit der sektiererisch-ausgrenzenden Politik des schiitischen irakischen Maliki-Regimes gegen die SunnitInnen und der Haltung der bürgerlich-sunnitischen Opposition, die in dem IS ein Bündnispartner bzw. ein kleineres Übel sah, zu tun. Das Maliki-Regime, welches eine Schaukelstuhlpolitik zwischen Iran und den USA betrieb, machte also durch eigenen Terror den IS groß. Lassen wir uns diesen Prozess von Joachim Guillard beschreiben, wobei wir allerdings beachten müssen, dass der Genannte den reaktionären Charakter der bürgerlich-sunnitischen bewaffneten Opposition, welche mehr oder weniger direkt mit dem IS paktiert, stark verharmlost. Guillard schrieb:
„Anfang Juni (2014), so das gängige Bild, fiel der ISIL in den Irak ein und eroberte in einem Blitzkrieg Mossul und weite Teile der mehrheitlich sunnitischen Provinzen Ninive, Salahaddin und Anbar im Norden und Westen des Landes. Nur wenige stellten sich die Frage, wie eine Organisation, deren damalige Stärke auf höchstens zehn- bis fünfzehntausend in Syrien und Irak zusammen geschätzt wurde, alleine die beinahe drei Millionen Einwohner zählende Stadt Mossul einnehmen und anschließend eine Reihe weiterer großer Städte an Euphrat und Tigris besetzen konnte.
Tatsächlich fielen Mossul und viele andere Städte infolge eines von weiten Teilen der Bevölkerung getragenen Aufstands Auch wenn die Initiative vom ISIL ausging, der am 6. Juni mit rund 1.500 Kämpfern westliche Vororte Mossuls angriff, waren es überwiegend lokale Widerstandsgruppen und Stammesmilizen, die innerhalb von drei Tagen die Regierungstruppen mit einer Stärke von 30.000 Mann in die Flucht schlugen. Die Aufständischen in der nordirakischen Stadt gehören zu einer Allianz, die sich zum ,Allgemeinen Militärischen Rat der irakischen Revolutionäre‘ (AMRIR) zusammengeschlossen hat. Er war im Sommer 2013 als Reaktion auf die militärische Niederschlagung von Protestkundgebungen gebildet worden und im Januar 2014 mit seinem ersten Kommuniqué offiziell in Erscheinung getreten.
In ihm vereint sind regionale und städtische Militärräte, die zum Schutz vor Regierungstruppen gebildet wurden, Stammesräte und arabisch-nationalistische, überwiegend sunnitische Widerstandsgruppen, die bis Ende 2011 gegen die (US-)Besatzer gekämpft hatten. Die militärische Führung übernahmen hohe Offiziere der früheren irakischen Armee, die 2003 von den (US-)Besatzern aufgelöst worden war. Die Aufständischen hatten nach Abzug der US-Truppen ihre Aktionen eingestellt und sich über politische Frontorganisationen der Protestbewegung angeschlossen. Nach den Angriffen der Armee auf die Camps letzterer im vergangenen Jahr (2013) griffen sie jedoch erneut zu den Waffen.
Der Fall von Mossul kam daher keineswegs so überraschend, wie es den Berichten westlicher Medien zufolge scheint. Er ist nur der bisherige Höhepunkt eines Aufstands, der sich als Reaktion auf die militärische Niederschlagung einer breiten Protestbewegung entwickelt hatte, die ab Winter 2012/2013 vor allem in den überwiegend sunnitischen Provinzen gegen die sektiererische und repressive Politik des Maliki-Regimes entstanden war.
Die Kritik am autoritären Kurs und der Zorn über das gleichzeitige völlige Versagen von Regierung und Verwaltung bei der Wiederherstellung der Infrastruktur, der staatlichen Dienstleistungen etc. führt im ganzen Land zu regelmäßigen Unruhen. Die mehrheitlich sunnitischen Gebiete sind jedoch doppelt betroffen. Sie bekamen in den letzten Jahren nur sehr geringe Anteile der staatlichen Einnahmen, und deren Bewohner blieben zum großen Teil von Jobs in staatlichen Instituten und Firmen, die im Irak mit Abstand die meisten Stellen bieten, ausgeschlossen.
Trotz der blutigen Repression gegen die Proteste, schon in den ersten Tagen waren mindestens zehn Demonstranten erschossen und über 100 verletzt worden, blieben die Protestaktionen bis Ende April 2013 überwiegend gewaltfrei. Nachdem jedoch Malikis Truppen am 23. April 2013 beim Sturm auf ein Protestcamp in Hawidscha bei Kirkuk das Feuer eröffnet, über 50 Demonstranten getötet und 110 verwundet hatten, griffen viele wieder zu den Waffen.
Auch wenn der Aufstand vorwiegend von Sunniten getragen wird und sich gegen die schiitisch dominierte Regierung richtet, handelt es sich keineswegs um einen konfessionellen Konflikt. Zu Beginn gab es sogar eine sehr breite Unterstützung aus dem Süden. Schiitische Stämme und Organisationen, darunter die Bewegung des prominenten Geistlichen Muqtada Al-Sadr, solidarisierten sich mit der Protestbewegung im Norden. (Anmerkung von Nelke: Auch diese schiitischen Unterstützer der sunnitischen politischen Opposition waren natürlich bürgerlich.) Das änderte sich erst, als der ISIL auf den Plan trat und die sunnitischen Gruppen sich nicht eindeutig von ihm distanzierten. Doch auch noch im Juli (2014) warb mit Ajatollah Mahmud Al-Hassani Al-Sarkhi, ein führender schiitischer Geistlicher, um Unterstützung für den Aufstand der Sunniten, da diese unterdrückt würden. (Anmerkung von Nelke: Selbstverständlich geht es bei der Kooperation und Konkurrenz der bürgerlichen Kräfte im Irak nicht vorwiegend um Religion.)
Andererseits ist das Lager der Aufständischen politisch sehr heterogen. Das Spektrum reicht von sozial fortschrittlich bis zu religiös-konservativen Kräften. Stärker als ihre Gegnerschaft zu den USA ist bei vielen die Feindschaft zum Iran ausgeprägt. Weil der die Schutzmacht Syriens ist, unterstützen die meisten den dortigen Aufstand gegen die Assad-Regierung. Viele erhalten auch Förderung aus dem Ausland, insbesondere aus den benachbarten Golfstaaten, die so – vor allem über Stammesführer – Einfluss auf das Geschehen im Irak nehmen können. (Anmerkung von Nelke: Von ihrem bürgerlichen Klassencharakter her war die gesamte politische sunnitische Opposition objektiv reaktionär, was das Geschreibsel des Herrn Guillard natürlich zu umhüllen versucht. Die kleinbürgerlichen und proletarischen ZivilistInnen im Irak werden durch den Konkurrenzkampf der nationalen und religiös-politischen Fraktionen sowie den sich einmischenden Imperialismen zerrieben. Wobei die bürgerlich-sunnitischen Kräfte die sektiererische Ausgrenzungspolitik und den Terror des Maliki-Regimes nutzten, um auch sunnitische KleinbürgerInnen und ProletarierInnen für sich und ihren Konkurrenzkampf rekrutieren zu können.)
(…) Als Malikis Truppen Ende Dezember 2013 das Protestcamp im Zentrum Falludschas stürmten und erneut ein Blutbad anrichteten, gingen die Einwohner auf die Barrikaden und trieben Armee und Nationalpolizei aus der Stadt. Ein aus Stammesführern, ehemaligen Armee-Offizieren, Geistlichen und anderen führenden Persönlichkeiten gebildeter ,Militärischer Rat‘ übernahm die Kontrolle.
Das weitere Geschehen und die Berichterstattung darüber sind typisch. ISIL-Kämpfer nutzten die Situation, drangen in die Stadt ein und verkündeten in ihrer üblichen Dreistigkeit, sie hätten nun die Kontrolle übernommen. Bilder von ISIL-Fahnen auf einigen Verwaltungsgebäuden gingen um die Welt. Tatsächlich hingen sie nur wenige Minuten. Die lokalen Kräfte trieben wie die transatlantische Denkfabrik International Crisis Group (ICG) ermittelte, die Dschihadisten wieder an den Rand der Stadt zurück. Auch in den folgenden Monaten konnte der ISIL nur von dort aus operieren. Dennoch berichten die Medien seither, Falludscha sei in dessen Hand, Bagdad erhielt internationale Unterstützung für die folgenden Luft- und Artillerieangriffe auf die angebliche ,Terroristenhochburg‘. (Anmerkung von Nelke: Hier idealisiert Guillard die übrige bürgerlich-sunnitische Opposition, die teilweise mit dem IS paktiert und teilweise mit ihm konkurriert.)
Die USA gaben nun Lieferungen von Waffen frei, die seit langem auf Eis lagen, und auch die UN-Mission im Irak stellte sich hinter die Maliki-Regierung, ohne ein einziges Mal mit Vertretern des Militärrates der Stadt zu sprechen. (Anmerkung von Nelke: Hier zeigt sich Guillard als kleinbürgerlicher Pazifist, der den Anspruch der UNO als überparteiisches internationales Schiedsgericht im globalen Gerangel der politischen und nationalen Fraktionen des Weltkapitals zu agieren, um so den „Weltfrieden“ zu dienen, ernst nimmt. In Wirklichkeit wird die UNO von den fünf imperialistischen Atommächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien als deren ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates vollständig beherrscht. Auch ist der Frieden der bürgerlichen Kräfte nur eine besondere Form des Klassenkrieges der Bourgeoisie gegen das Proletariat. Das Pack schlägt sich und das Pack verträgt sich – immer auf Kosten des Proletariats. Herr Guillard kritisiert also konstruktiv an der UNO, dass sie nicht mit dem Militärrat von Falludscha gesprochen hat, sondern der Maliki-Regierung grünes Licht zur Bekämpfung der gesamten bewaffneten sunnitischen Opposition – einschließlich des IS – gegeben hat. Wir SozialrevolutionärInnen kritisieren die UNO nicht konstruktiv, sondern bereiten aktiv deren zukünftige Zerschlagung als Ausdruck des Weltkapitalismus vor.) Sie (die UNO) unterstützte die Belagerung Falludschas, obwohl bereits im Januar mindestens 109 Zivilisten durch Artilleriebeschuss getötet und 632 verwundet worden waren.
Die Bürger Falludschas hatten nichts für den ISIL übrig, so die ICG in ihrem Report über die Ereignisse. Aber die fortwährenden Angriffe steigerten Woche für Woche den Hass auf die Zentralregierung und die Armee, während die militärische Stärke der Dschihadisten half, die Attacken der Armee immer wieder zurückzuschlagen. Dies wiederum konnte die Regierung zur Rechtfertigung weiterer Vorstöße nutzen – ein Teufelskreis, so die ICG, aus dem die Stadt in der Folge nicht mehr herauskam. Neben Maliki profitierte davon auch der ISIL, der durch seine Aktivitäten bei der Verteidigung Falludschas erstmals seit 2008 wieder einen gewissen Rückhalt im Land aufbauen konnte. (Anmerkung von Nelke: Herr Guillard stellt hier teilweise indirekt den IS als kleineres Übel dar. Zumindest hat er sehr viel Verständnis für diese Sichtweise der übrigen bewaffneten sunnitischen Opposition Auch mag ein großer Teil der sunnitischen KleinbürgerInnen und ProletarierInnen so denken und handeln – genau wie viele schiitische ZivilistInnen die irakische Regierung und mit dieser verbündeten Schiiten-Milizen als das kleinere Übel betrachten. So wird das Grundübel – das kapitalistische Massaker am Proletariat – ideologisch-praktisch reproduziert. Solange bis sich die objektiven Klasseninteressen des Proletariats im Irak und weltweit auch subjektiv im Bewusstsein niederschlagen und sich die ArbeiterInnen nicht mehr von den Fraktionen des Kapitals gegeneinander missbrauchen lassen. Doch dazu ist eine Zunahme der Klassenkämpfe notwendig, den der imperialistische Krieg zurzeit nicht nur im Irak verhindert. Des Weiteren ist die relative soziale Schwäche des Proletariats im Irak zu nennen, die durch die ökonomische Unterentwicklung Iraks bedingt ist und durch den imperialistischen Krieg als Zerstörungsmittel von Industrie und Infrastruktur weiter verschärft wird. Das ist der Teufelskreislauf, von dem Guillard schreibt, aus klarer proletarischer Klassenperspektive gesehen. Auch vergisst Herr Guillard bei seiner kleinbürgerlichen Beschreibung des Teufelskreislaufes des imperialistischen Krieges zu erwähnen, dass auch das Paktieren der übrigen bewaffneten sunnitischen Opposition mit dem IS den letzteren gestärkt hat.)
Die Bomben auf Falludscha schürten die Wut in allen sunnitischen Provinzen. Massierte Luftangriffe auf Wohnviertel und das Zentralkrankenhaus von Falludscha im Mai (2014) dürften das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die Stämme von Ramadi hatten anfänglich die Präsenz des ISIL in der Stadt und deren Umgebung aktiv bekämpft. Von nun an wurde er für die Mehrheit von ihnen, wie wohl auch für die meisten Sunniten, gegenüber dem Maliki-Regime zum kleineren Übel. Diese Situation nutzte der ISIL für seinen Vorstoß.
Der Aufstand weitete sich in den folgenden Monaten noch erheblich aus. Der größte Teil von Ninive, Salahaddin und Anbar im Norden und Westen des Landes, weite Teile von Kirkuk und einige Gebiete in Diyala und Babylon – nordöstlich bzw. südlich von Bagdad – sind mittlerweile unter der Kontrolle des ISIL und von aufständischen Gruppen. Die Lage ist jedoch sehr unübersichtlich. Auch die wahre Stärke dieser lokalen Gruppen sowie die Machtverteilung und das Ausmaß an Kooperation zwischen ihnen und den Dschihadisten sind schwer einzuschätzen. (…)
Sprecher von AMRIR und Vertreter der zugehörigen Organisationen behaupten beharrlich, die meisten der eroberten Städte und Gebiete würden von ,Revolutionären‘, also von Gruppen ihrer Allianz kontrolliert. Vieles deutet tatsächlich darauf hin, dass die gefürchteten Dschihadisten wie in Mossul auch an anderen Orten zwar die Offensive starteten, selten jedoch die alleinige Kontrolle übernehmen konnten, sondern diese meist mit den in den örtlichen Militär- und Stammesräten zusammengeschlossenen Kräfte teilen oder ihnen ganz überlassen mussten.
Während Bagdad seinen Gegner als enge Allianz zwischen dem ISIL und ,baathistischen Kräften‘ beschreibt, verneinen die meisten oppositionellen Gruppen eine direkte Zusammenarbeit mit den Dschihadisten und sprechen von parallelen, aber unkoordinierten Angriffen auf denselben Feind. ,Wir haben Angst vor ihnen. Sie sind ein Problem. Aber wir müssen Prioritäten setzen‘, so der Sprecher der Vereinigung der muslimischen Gelehrten im Irak, Scheich Baschar Al-Faidhi. Wir werden den ISIL bekämpfen. Nur nicht jetzt‘, versicherte der Stammesführer. Wir kämpfen gegen ein Regime, das von den USA, Iran und selbst Russland gestützt wird. Der Widerstand hat nur wenige Arme und Beine. Sie kämpfen auch gegen meine Feinde. Also warum sollte ich [jetzt] gegen sie kämpfen?“ (Anmerkung von Nelke: Dieses von Guillard in Klammern eingefügte „jetzt“ ist sehr verräterisch. Er dient zur Verharmlosung der bewaffneten sunnitischen Opposition außerhalb des IS.)
Offensichtlich ist der ISIL jedoch wesentlich stärker und sein Herrschaftsbereich größer als es die aufständischen Gruppen glauben machen wollen. (Anmerkung von Nelke: Ach nee, Herr Guillard!) Auch in Mossul ist seine Präsenz offenbar stark genug, um Bevölkerungsgruppen, wie die Christen, zu terrorisieren. Diese waren von der ISIL vor die Wahl gestellt worden, sich dem Dhimma, dem alten Schutzabkommen für Angehörige anderer Religionen unter islamischer Herrschaft, zu unterwerfen, inklusive Bezahlung der früher obligatorischen Kopfsteuer, ,Dschizya‘, oder zum Islam zu konvertieren. Andernfalls bliebe ,ihnen nur noch das Schwert‘. Die anderen Gruppierungen verurteilen zwar dieses und andere verbrecherische Vorgehen, wollten oder konnten dem aber nichts entgegensetzen, da dies die vollständige Vertreibung der ISIL-Einheiten aus Mossul und damit die direkte Konfrontation erfordert hätte.“ (Joachim Guillard, Der endlose Krieg, in: junge Welt vom 16. Dezember 2014, S. 12/13.)
Wie gesagt, Herr Guillard verharmlost stark den reaktionären Charakter der bürgerlich-sunnitischen Opposition außerhalb des IS. Doch in einem Punkt hat er total recht: Nicht nur der IS, sondern auch die mit dem Iran und den USA verbündete irakische Regierung und die von dieser ausgehaltenen schiitischen Milizen sind absolut asoziale Mordbuben und Folterknechte. Besonders hervorzuheben sind hier die vom iranischen Imperialismus gesteuerten Badr-Brigaden. Diese wurden von der Regionalmacht Iran als Miliz des Obersten Rats aufgebaut. Während des irakisch-iranischen Krieges 1980-1988 kämpften die Badr-Brigaden auf Seiten Irans. Nach dem Krieg verübten sie weiter Anschläge im Irak. Nach dem Sturz des Saddam-Hussein-Regimes durch den US-Imperialismus 2003 wurden sie zu einer wegen ihres Terrors gefürchteten Schiiten-Miliz, die unter den SunnitInnen mit tausendfachen Mord und Folter für Angst und Schrecken sorgte. Die Verbindungen der Badr-Brigaden zum Iran sind nach wie vor gut. Es existieren Bilder, die ihren Boss Hadi Al-Amiri zusammen mit dem Kommandeur der iranischen Eliteeinheit Al Quads, Kassim Solemani, im aktuellen Kampfgebiet gegen den IS zeigen.
Guillard schrieb über den Terror der irakischen Regierung und der schiitischen Milizen gegen die sunnitische Zivilbevölkerung: „Der Großteil der Aufmerksamkeit der Welt richte sich auf die Terrormiliz ,Islamischer Staat‘, so Erin Evers, die Irak-Beauftragte von Human Rights Watch, Ende September (2014), ,doch dessen aufsehenerregende Tötungen und Entführungen sind nur ein Teil der Geschichte von abscheulichen Misshandlungen.‘ Dazu gehören auch jene, ,die irakische Zivilisten durch Regierungstruppen und schiitische Milizen erleiden‘. Evers hatte in den Tagen zuvor u. a. Zeugen zur Belagerung von Latifya angehört, einer mehrheitlich sunnitischen Stadt im so genannten ,Bagdad-Gürtel‘, deren Bevölkerungszahl infolge der Angriffe der berüchtigten 17. Division und der Milizen, die unter der Kontrolle des Expremiers Nuri Al-Maliki stehen, in den Wochen bis September (2014) von 200.000 auf 50.000 schrumpfte. Dutzende Bürger der Stadt waren entführt und ermordet worden. Anwohner berichten von Exekutionen auf offener Straße, nur wenige Meter von Polizeiposten entfernt. Am 11. Juni (2014) verschleppten Milizionäre 137 Männer von einem Markt der Stadt. Die Leichen von 30 der Entführten wurden gefunden, von den übrigen fehlt jede Spur.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) dokumentiert in ihrem im Oktober (2014) vorgestellten 28seitigen Report ,Absolute impunity – Militia rule in Iraq‘ (Völlige Straffreiheit – Die Rolle der Milizen im Irak) Dutzende Fälle von Verschleppungen und Exekutionen durch schiitische Milizen in Bagdad, Samarra, Kirkuk und vielen anderen Städten im ganzen Land. Allein in Samarra wurden dem Report zufolge seit Anfang Juni (2014) 170 junge sunnitische Männer entführt. Dutzende von ihnen wurden später tot aufgefunden, auch hier werden die anderen nach wie vor vermisst. Zum Teil wurden sie wegen des Verdachts der Unterstützung oder der heimlichen Sympathie für den ISIL ermordet, teils als Vergeltung für ISIL-Angriffe.
Die Macht der schiitischen Milizen, die z. T. auch vom Iran militärisch unterstützt werden, wuchs ab Juni dieses Jahres (2014) massiv, nachdem sich die regulären Streitkräfte als wenig schlagkräftig erwiesen hatten. Sie werden, so Amnesty, ,oft von der irakischen Regierung bewaffnet und unterstützt‘ und arbeiten bei ihren Aktionen in ,unterschiedlichem Maß mit Regierungskräften‘ zusammen. Sie tragen Uniform, operieren aber völlig außerhalb des Gesetzes. Infolge der Förderung dieser Milizen durch die Regierung hat sich, so die Organisation, die Spirale konfessioneller Gewalt, ausgeübt von sunnitischen und schiitischen Extremisten, auf ein Niveau geschraubt, wie es seit den schlimmsten Tagen zwischen 2006 bis 2007 nicht mehr registriert wurde. ,Indem sie den Milizen ihren Segen gibt, die routinemäßig solche fürchterlichen Gewaltakte begehen, unterstützt die Regierung Kriegsverbrechen und setzt einen gefährlichen Prozess religiös motivierter Gewalt in Gang, der das Land zerreißt‘, erklärte Donatella Rovera, Krisenbeauftragte von Amnesty International, bei der Vorstellung des Berichts.
Mehrere schiitische Milizen, darunter die berüchtigten Badr-Brigaden kämpfen auch gemeinsam mit kurdischen Peschmerga im Nordosten des Landes gegen den ISIL. Dabei kommt es nicht nur, wie die UNO berichtet, häufig zu Racheakten an Sunniten. ,Marodierende regierungsnahe Milizen nutzen den Kampf gegen den ,Islamischen Staat‘ als Vorwand, um sunnitische Gemeinden quer durchs Land zu zerstören‘, schreibt das renommierte US-Magazin Foreign Policy Anfang November (2014). Sie hindern sunnitische Familien, in ihre zeitweilig vom ISIL besetzten Städte und Dörfer zurückzukehren. Häufig kommt es auch zu Brandschatzungen, z. T. werden ganze Dörfer niedergebrannt. Ein Video zeigt, wie schiitische Kämpfer einen Mann köpfen, der der Kollaboration mit dem ISIL beschuldigt wurde.
Die Badr-Brigaden, die seit 2005 Teil der Regierungskoalition sind und auch unter dem neuen Regierungschef (Haider Al Abadi, Anmerkung von Nelke) den Innenminister stellen, machen sich nicht die Mühe, ihr Vorgehen zu verschleiern. ,Die schiitischen Gotteskrieger haben das Recht, das Leben und das Eigentum der sunnitischen Araber zu nehmen, die an der Seite des ISIL kämpfen‘, so der Kommandeur einer Badr-Einheit, die in der Nähe von Kirkuk operiert. Als Mitkämpfer gilt dabei jeder, der nicht vor dem ,Islamischen Staat‘ floh. ,Wir glauben, dass alle, die unter IS-Kontrolle lebten, ISIL-Mitglieder sind. Es gibt keine Unparteiischen unter der Autorität von ISIL‘, zitiert ihn das kurdische Nachrichtenportal RudawAnfang Oktober (2014).“ (Joachim Guillard, Gedungene Mörder, in: junge Welt vom 17. Dezember 2014, S. 12.)
Auch der irakisch-kurdische Nationalismus kämpft gegen den IS. Ende Juli 2014 zog sich die bewaffnete Einheit des irakisch-kurdischen Nationalismus, die Peschmerga, nach heftigen Kämpfen, bei denen 77 ihrer Kämpfer den Tod fanden, nördlich und westlich von Mossul zurück, wo sie ursprünglich stationiert waren. Dadurch waren die Jesiden, eine zumeist nordkurdisch sprechende religiöse Minderheit, dem Terror des IS ausgesetzt. Das ist ja das Dilemma des Machtmonopols der staatlichen und quasistaatlichen Nationalismen: die unbewaffnete Wehrlosigkeit der kleinbürgerlichen und proletarischen ZivilistInnen. Diese Wehrlosigkeit der zivilen KleinbürgerInnen und ProletarierInnen gegenüber „fremden“ Nationalismen dient der propagandistischen Aufrüstung der jeweils „eigenen“ Nationalismen. Doch für die jeweils „eigenen“ Nationalismen sind die ZivilistInnen jedoch auch nichts weiter als Berufungsobjekte, Manövriermasse und Kanonenfutter. Die Flucht der Peschmerga diente der PKK und der YPG, die bewaffnete Einheit des syrisch-kurdischen Nationalismus, die Peschmerga zu diskreditieren und sich als die wahren Beschützerinnen des kurdischen Volkes aufzuspielen. Die Jesiden bildeten am 30. Juli 2014 selbst die Bürgerwehr YBS, um gegen den IS zu kämpfen.
Das prowestliche Wikipedia schrieb über den IS-Terror gegen die Jesiden im August 2014: „Der irakische Minister für Menschenrechte, Schia al Sudani, berichtete von 500 durch IS-Anhänger getöteten Jesiden, einige davon seien lebendig begraben worden. Zudem seien hunderte Frauen gekidnappt worden, die alle unter 35 Jahre alt seien und in Schulen in der Stadt Mossul eingesperrt sein sollen, so ein Sprecher des Ministers. Die jesidische Parlamentsabgeordnete Wian Dachil gab an, dass 20.000–30.000 Jesiden durch kurdische Peschmerga-Kämpfer aus dem Sindschar-Gebirge gerettet wurden. Nach Angaben vertriebener Jesiden erfolgte die Rettung nicht durch die Peschmerga, sondern durch Kämpfer der Partei der Demokratischen Union (PYD) und der Volksverteidigungseinheiten (YPK), die beide der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehen. Die UN berichtete von mehreren weiteren tausend Jesiden, die im Gebirge festsäßen und vom IS eingeschlossen seien. Qasim Şeşo hatte am 30. Juli eine jesidische Bürgerwehr (YBŞ) gegründet, um auf den Extremfall vorbereitet zu sein. Diese Bürgerwehr bezog Stellung im Sindschar-Gebirge, um die Pilgerstätte Sherfedin zu schützen und gegen den IS zu kämpfen. Im Ort Tel Kudscho starben mindestens 80 Männer, laut der kurdischen Nachrichtenagentur Basnews, weil sie nicht zum Islam übertreten wollten.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_%28Organisation%29)
Der pro-syrisch-kurdische junge-Welt-Autor Nick Brauns schrieb Anfang August 2014 über das Verhältnis zwischen der irakisch-kurdischen Peschmerga, den syrisch-kurdischen YPG und den Jesiden: „Die Dschihadisten der Gruppe ,Islamischer Staat‘ (IS) haben in den vergangenen Tagen mehrere kurdische Städte im Irak erobert. Während kurdische Peschmergakämpfer in diesen außerhalb des kurdischen Autonomiegebietes gelegenen ,umstrittenen Gebieten‘ vor den Gotteskriegern kapitulierten, griffen Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus dem kurdischen Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Nordsyrien zum Schutz der Zivilbevölkerung im Nachbarland ein. (Anmerkung von Nelke: Hier produziert der pro-syrisch-kurdische Nick Brauns wieder reichlichen ideologischen Nebel. Formulieren wir deshalb den letzten Satz um: Die syrisch-kurdischen YPG nutzten als bewaffnete Einheiten des kurdischen Unterstaates Rojava innerhalb des Nationalstaates Syrien den Umstand aus, dass sich die irakisch-kurdische Peschmerga vom Acker machte, um sich auch im Irak als Schutzmacht des „kurdischen Volkes“ gegen den IS aufzuspielen.)
Am Wochenende (2./3. August 2014) eroberte IS große Gebiete nördlich und westlich von Mossul einschließlich der Städte Sengal (Sindschar) und Sumar. Auch der größte Staudamm des Irak 40 Kilometer nordwestlich von Mossul am Tigris fiel nach einem Ultimatum an die Peschmerga kampflos an die Dschihadisten, die zudem zwei weitere Ölfelder besetzten. Sengal ist das wichtigste Siedlungsgebiet ezitischer Kurden (Jesiden), deren 4000 Jahre alte monotheistische Religion, dort ihren Ursprung hat. Für die Dschihadisten gelten die Eziten (Jesiden) als ,Teufelsanbeter‘, deren Ermordung sie für legitim halten.
Der Vormarsch des IS in das Stadtzentrum von Sengal löste eine Massenflucht aus. Insgesamt sind in der Region UN-Angaben zufolge in den vergangenen Tagen 200 000 Menschen geflohen. Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für den Irak, Nikolaj Mladenov, warnt vor einer ,humanitären Tragödie‘. Die vom IS in den Sengal-Bergen eingeschlossenen Flüchtlinge bräuchten Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente. Der Zentralrat der Yeziden (Jesiden) in Deutschland warnte am Montag in einer Presseerklärung vor einem drohenden Völkermord. Aus verschiedenen Dörfern würden Massaker berichtet, in der Stadt Sengal seien 30 Männer hingerichtet worden. Zahlreiche Menschen seien zudem auf der Flucht in die kahlen Berge verdurstet.
Mit der Einnahme der an Syrien grenzenden Region wollen die Dschihadisten einen durchgehenden Korridor kontrollieren. Die in Sengal stationierten Peschmerga der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) des kurdischen Präsidenten Masud Barsani waren vor dem Ansturm der Gotteskrieger in die Berge oder über die syrische Grenze nach Rojava geflohen. Angesichts des in westlichen Medien verbreiteten Bildes der Peschmerga – der Name bedeutet ,Die dem Tod ins Auge sehen‘ – als kampferprobter Eliteeinheit mag dieser Zusammenbruch der kurdischen Verteidigung erstaunen. Doch bei den heutigen Peschmerga handelt es sich nicht mehr um die heroischen Bergkrieger, die sich einen jahrzehntelangen Partisanenkampf mit der Bagdader Zentralregierung lieferten, sondern um Söldnertruppen der Regierungsparteien KDP und Patriotische Union Kurdistans (PUK), die zudem kaum über schwere Waffen verfügen. (Anmerkung von Nelke: Es ist ein alter Trick der marxistisch-leninistischen IdeologInnen die angeblich heroische Kampfzeit von „unterdrückten Nationen“, die sich noch keinen eigenen Staat geschaffen haben, dem späteren Nationalstaat oder national-autonomen Unterstaat in bestehenden Nationalstaaten gegenüberzustellen. Doch die nationale Befreiung – der Weg – dient der Neugründung eines Nationalstaates bzw. einer nationalen Autonomie innerhalb eines Staates als dessen Ziel. Dass erreichte Ergebnis dem Weg gegenüberzustellen ist ein Trick des Marxismus-Leninismus, um zuerst die „nationale Befreiung“ hochzujubeln und sich dann später gegebenenfalls von dessen Ergebnis distanzieren zu können. Doch die „nationale Befreiung“ war, ist und bleibt sozialreaktionär! Das kann auch der miese Trick von Nick Brauns, die angeblich „heroisch“ kämpfenden Peschmerga der kurdisch-nationalen Befreiung den heutigen „feigen“ Peschmerga als bewaffnete Formation des irakisch-kurdischen Autonomiegebietes nicht vertuschen.) Bislang hatten die USA Forderungen ihrer kurdischen Schützlinge nach schweren Waffen stets zurückgewiesen, damit diese keine Alleingänge bei der Ausrufung eines unabhängigen Kurdenstaates wagen. Während die US-Regierung jetzt über Militärhilfe für die Peschmerga berät, wurden Informationen aus Erbil zufolge am Wochenende bereits schwere Waffen unbekannter Herkunft am Flughafen der Hauptstadt der Autonomen Region entladen.
Nachdem die Peschmerga die Zivilbevölkerung von Sengal schutzlos ließen, überquerte am Sonntag (3. August 2014) eine größere Einheit der Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus Rojava die Grenze. Im Verbund mit jungen Eziden (Jesiden) lieferten sie sich auch am Montag (4. August 2014) schwere Gefechte mit IS-Kämpfern. Zu Kämpfen kommt es auch um den von der YPG kontrollierten syrisch-irakischen Grenzübergang Til Kocer, über den eine Verbindungsstraße nach Mossul verläuft. Nachdem 400 dort stationierte Peschmerga nach Rojava geflohen waren, überquerten YPG die Grenze, um an der Seite eines gegen die Weisung seiner militärischen Leitung in der irakischen Grenzstadt Rabiah verbliebenen Peschmergabatalions gegen IS-Milizen zu kämpfen. Die hochmotivierten YPG scheinen derzeit die einzige Kraft zu sein, die sich dem Ansturm der Dschihadisten erfolgreich entgegenstellt.“ (Nick Brauns, Kaum noch Schutz, in: junge Welt vom 5. August 2014, S. 7.)
Na, Herr Brauns, wie gefällt ihnen der Job als Lautsprecher des syrisch-kurdischen Nationalismus?! Wir halten demgegenüber fest: Die KleinbürgerInnen und ProletarierInnen im Irak und in Syrien werden zwischen den verschiedenen Nationalismen – darunter auch dem kurdischen – und Imperialismen, also vom Weltkapital, blutig verheizt. Da gibt es keine Guten und keine Bösen. Zu dieser Zeit spielte die junge Welt noch den politischen Unterschied zwischen dem irakisch-kurdischen und den syrisch-kurdischen Nationalismus aus, was allerdings später nach deren Vereinigung innerhalb der imperialistischen Allianz gegen den IS unter der Führung der USA nicht mehr möglich war, wie wir weiter unten noch ausführen werden. Allerdings war vor dieser Vereinigung das Verhältnis zwischen irakisch-kurdischen und syrisch-kurdischen Nationalismus stark von Konkurrenz geprägt. Das irakisch-kurdische Autonomiegebiet, das nach einigen Anfangsschwierigkeiten über gute Beziehungen zur Regionalmacht Türkei verfügt, half der letztgenannten dabei, durch ein Embargo eine Blockade gegen Rojava zu verhängen. Zwar gibt es in Rojava politisch konservative Parteien, die dem irakisch-kurdischen Nationalismus nahestehen, doch die sind relativ einflusslos. Sie boykottierten die unterstaatlichen Strukturen und warfen der regierenden Partei der Demokratischen Union (PYD) die Errichtung einer Einparteiendiktatur vor. Doch wie schon gesagt, Peschmerga und YPG vereinigten sich später innerhalb der von den USA geführten imperialistischen Allianz gegen den IS.
Dem US-Imperialismus, der im eigenen Interesse seine Schergen selbst foltern und morden lässt, störte weniger der Terror des IS, als dass dieser sich zunehmend außerhalb seiner geopolitischen Interessen austobte. Auch die IS-Kontrolle von Öl-Quellen und Raffinerien kann den USA nicht Recht sein. Außerdem wollte der US-Imperialismus durch sein Eingreifen verhindern, dass der iranische Einfluss auf das irakische Regime noch großer wurde. Durch die imperialistische Allianz gegen den IS ist auch der Einfluss der USA im Irak wieder merklich gewachsen. Es gab also gute Gründe für den Weltgendarmen im Irak und Syrien gegen den IS einzugreifen. Ab dem 8. August begann der US-Imperialismus den IS im Irak aus der Luft zu bombardieren. Am 23. September 2014 begannen die USA auch in Syrien den IS aus der Luft anzugreifen. Auch die US-Verbündeten in der Region und Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS, Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate waren an der Ausweitung des Krieges auf Syrien beteiligt. Dabei gingen die USA ein objektiv-indirektes Bündnis mit dem syrischen Assad-Regime ein, dass vor den Luftangriffen zwar nicht gefragt aber zumindest informiert wurde. Offiziell hielten die USA am strategischen Ziel des Sturzes des Assad-Regimes fest, aber die Bekämpfung des IS erhielt jetzt Vorrang. Der russische Verbündete Syriens verurteilte die Luftangriffe als völkerrechtswidrig und als Verletzung der syrischen Souveränität. Der russische Imperialismus benutzte in seiner Konkurrenz mit den USA in und um Syrien propagandistisch das Völkerrecht und dessen Schutz der territorialen Souveränität der Nationalstaaten, genauso wie er es bei der imperialistischen Annexion der Krim im Frühjahr 2014 ignorierte. Aber so ist das halt generell mit dem Völkerrecht, es wird von bestimmten Imperialismen benutzt, wenn es propagandistisch gegen andere konkurrierende Imperialismen in Stellung gebracht werden kann und es wird weitgehend ignoriert wenn es die Entfaltung und Ausdehnung der eigenen nationalen Macht behindert. Das Völkerrecht ist eine schwache internationale Justiz von konkurrierenden Nationalismen, deren strukturelle Verkörperung das internationale Schiedsgericht UNO ist. Auch die UNO ist von den stärksten imperialistischen Mächten, die über Atomwaffen verfügen, beherrscht. Das Völkerrecht hat noch nie einen imperialistischen Krieg verhindert, aber mit dessen Durchsetzung wurden Kriege schon propagandistisch begründet. Zum Beispiel führte der US-Imperialismus in den frühen 1950er Jahre seinen Korea-Krieg unter der Flagge der UNO. Für linke PazifistInnen stellt das Völkerrecht ein großes Ideal dar, während wir SozialrevolutionärInnen es als einen juristischen Ausdruck des Weltkapitalismus bekämpfen.

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https://swiderstand.blackblogs.org/2015/01/21/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-i/feed/ 2
Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats https://swiderstand.blackblogs.org/2015/01/04/der-kurdische-nationalismus-als-ein-feind-des-weltproletariats/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/01/04/der-kurdische-nationalismus-als-ein-feind-des-weltproletariats/#respond Sat, 03 Jan 2015 22:11:29 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=98 Wir veröffentlichen hier den ersten Teil einer Reihe von Texten unter der gemeinsamen Überschrift „Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats“. Im zweiten Teil wollen wir das imperialistische Gerangel und die Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Großmächten, ihren Verbündeten in der arabischen Welt, der IS-Terromilliz und der kurdische NationalistInnen untersuchen. Der dritte Teil besteht aus einer vernichtenden Kritik am Internationalismus der kleinbürgerlichen politischen Linken in Westeuropa und in Nordamerika und unserer sozialrevolutionär-antinationalen Position zur Kurdischen Frage.

Kurden feiern im südtürkischen Diyarbakir das Nowruzfest, 23. März 2013 © AFP

Der kurdische Nationalismus

Bevor wir uns den kurdischen Nationalismus in der Türkei, sowie im Nordirak und in Nordsyrien als eine besondere Form des Nationalismus ansehen, werden wir dessen allgemeine Form analysieren und kritisieren. Diese Herangehensweise empfiehlt sich auch deshalb, weil der kurdische Linksnationalismus entgegen den Behauptungen seines linksbürgerlichen Lautsprechers in Deutschland ein ganz normaler Nationalismus ist.
Die Nation ist nicht älter als der Kapitalismus. Ihre ersten Ansätze entstanden in der Übergangszeit zwischen Feudalismus und Kapitalismus mit dem Absolutismus, der Ideologie und Praxis eines starken Zentralstaates gegen die feudalen Lokalmächte. Der entstehende Zentralstaat stärkte auch das Handelskapital, was zur weiteren Entwicklung einheitliche Maße, Gewichte, Zölle und Geldeinheiten brauchte. Auch unterstützten einige MonarchInnen mehr oder weniger die Entwicklung des Kapitalismus. Doch ab einem bestimmten Entwicklungsmoment behinderte der feudale Zentralstaat die weitere kapitalistische Entwicklung. Holland erkämpfte sich zum Beispiel im Konflikt mit Spanien (1581-1621) die nationale Unabhängigkeit. Der Kampf um nationale Selbstbestimmung der holländischen Bourgeoisie war zugleich der Kampf um die erste vollständig handelskapitalistische Nation in Europa. Die nationale Ideologie formte aus den holländischen Bourgeois, KleinbürgerInnen und LohnarbeiterInnen eine scheinbare Schicksalsgemeinschaft, die holländische Nation. Als Teil der spanischen Monarchie waren die HolländerInnen nicht mehr als eine Sprach- und Religionsgemeinschaft, der Unabhängigkeitskrieg formierte sie zur Nation, diesem wahren Schein und dieser scheinbaren Wahrheit einer Schicksalsgemeinschaft aus Oben und Unten, AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten. Indem der holländische Unabhängigkeitskampf die erste kapitalistische Nation hervorbrachte, die auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhte, war er selbstverständlich objektiv sozialreaktionär. Wenn die bürgerliche Ideologie und auch viele MarxistInnen den ersten nationalen Unabhängigkeitskrieg in der Geschichte als „fortschrittlich“ anpreisen, dann müssen wir SozialrevolutionärInnen nach dem Klassencharakter dieses „Fortschrittes“ fragen. Dass Kapitalismus und Bourgeoisie ursprünglich mal revolutionär gewesen sein sollen, ist ein marxistischer Geschichtsmythos, den unser nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus unbarmherzig zerstören muss. Genauso sieht es mit Nation und nationaler Befreiung aus. Der nationale Befreiungskrieg, den die holländische Bourgeoisie mit dem Ergebnis einer ersten kapitalistischen Nation in Europa führte, war durch und durch sozialreaktionär. Der Kolonialismus und die Ausbeutung des Proletariats durch die holländische Bourgeoisie waren die Folgen dieser Herausbildung der Nation der Niederlande.
England folgte Holland bald als erste kapitalistische Industrienation. Im 17. Jahrhundert eroberte sich die Bourgeoisie in England durch die antimonarchistische Revolution gegen den Absolutismus, die bürgerliche Konterrevolution gegen die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Bewegung (Levellers und Diggers) und letztendliche Niederschlagung der monarchistischen Konterrevolution die politische Staatsmacht. Durch die sozialreaktionäre industrielle Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts wurde England zur ersten kapitalistischen Industrienation. Die industrielle Bourgeoisie mietete die Arbeitskraft von Menschen an, die sowohl frei von Produktionsmitteln waren als auch über eine freie Persönlichkeit verfügten – und beutete diese Menschen gnadenlos aus. Denn der Reichtum der kapitalistischen Nation beruht auf der Ausbeutung des Proletariats. Die englische Nation wurde durch den Zentralstaat verkörpert. Die sich in England tummelnden Kapitale wurden zum Nationalkapital. Die Vermehrung des Nationalkapitals wurde zur obersten Pflicht des englischen Staates.
Aufgrund ihrer überlegenen Arbeitsproduktivität und Technologie wurde die erste Industrienation der Welt auch die alles dominierende Weltmacht – bis sie von den USA nach dem Zweiten Weltkrieg abgelöst wurde. England und später die anderen kapitalistischen Industrienationen stellte alle rückschrittlichen Staaten bzw. Sprach-, Kultur- und Religionsgemeinschaften überall auf der Welt vor die Alternative: Entweder selbst zu einer kapitalistischen Industrienation zu werden oder im internationalen Konkurrenzkampf gnadenlos unterzugehen. So wurden viele Gegenden im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) direkt oder indirekt von den europäischen kapitalistischen Industrienationen und den USA kolonialisiert. Sowohl durch die Kolonialisierung, die mit einem gewissen Kapitalexport der Kolonialländer verbunden war, als auch die Entkolonialisierung, die neue Nationalstaaten/Nationalkapitale hervorbrachte, entwickelte sich der Kapitalismus auch im Trikont. Der Kolonialismus schuf die ersten Keime der kapitalistischen Entwicklung, die nationale Unabhängigkeit ließ die Blüten des Kapitalismus sprießen – mit Reichtum auf der einen Seite und Elend auf der anderen.
Angefangen mit der UdSSR und anderen folgenden Staaten in Osteuropa und im Trikont machten einige Nationen eine besondere Etappe der kapitalistischen Entwicklung durch. Zuerst in Sowjetrussland und dann überall dort im Trikont, wo sich nur eine schwache Bourgeoisie entwickeln konnte, übernahmen marxistisch-leninistische Parteibürokratien im Kampf mit einheimischen GroßgrundbesitzerInnen und KapitalistInnen sowie mit ausländischen Imperialismen/Kolonialmächten die politische Herrschaft und verstaatlichten die Wirtschaft. Der Staat mietete die Arbeitskraft eigentumsloser Menschen an und beutete sie gnadenlos aus. Es entwickelte sich also ein Staatskapitalismus, dessen überzentralistischen und ultrabürokratischen Produktionsverhältnisse eine rasche Industrialisierung begünstigten, aber ab einem bestimmten Punkt bei der Intensivierung der industriellen Entwicklung ein Hemmnis darstellten. Nun hing die weitere Produktion von nationalem Reichtum und das internationale Gewicht des Staates von der Privatisierung des Kapitals ab. Ein Musterbeispiel dieser Entwicklung des Nationalkapitals bietet das chinesische. Zuerst bildete sich mit der politischen Machtübernahme der „kommunistischen“ Parteibürokratie im Jahre 1949 ein verstaatlichtes Nationalkapital, das sich ab 1979 in der Transformation zum Privatkapitalismus und in einem rasanten Aufstieg befindet – auf Kosten des Proletariats.
Die nationale Befreiung im Trikont war und ist also wie der nationale Unabhängigkeitskrieg der Niederlande sozialreaktionär, weil sie nur den ausbeuterischen und zerstörerischen Kapitalismus hervorbringen konnte und kann. Zwar brachte sie auch durch die nachholende Industrialisierung ein Proletariat hervor, welches ein potenzieller Totengräber des Kapitalismus ist, doch will sich das Proletariat weltweit von Ausbeutung und Unterdrückung befreien, dann kann es sich nur revolutionär selbst aufheben, indem es in einer permanenten Kette alle Nationalstaaten zerschlägt, die kapitalistische Warenproduktion aufhebt und sozialen Raum für eine globale klassen- und staatenlose Gesellschaft schafft. Es gibt keine guten und bösen Nationalstaaten, alle Nationen sind Durchsetzungsformen des Kapitalismus. Zwischen kapitalistischem Nationalismus und sozialrevolutionär-antinationalen Positionen gibt es kein Drittes. Dass es einige „fortschrittliche“ Nationalismen gäbe, können nur kleinbürgerliche linke Intellektuelle behaupten, die hilflos zwischen Bourgeoisie und Proletariat schwanken. Sie schüren dadurch Illusionen in bestimmte privat- oder staatskapitalistische („sozialistische“) Nationalismen, die aber praktisch nichts anderes sein können als Klassenfeinde des Weltproletariats.
Der kurdische Nationalismus kann also nur eine Durchsetzungsform des Weltkapitalismus sein und er ist auch nichts anderes. Schauen wir uns diese Realität zuerst an, um dann die ideologischen Zerrbilder der kleinbürgerlichen politischen Linken zu zerstören. Der kurdische Nationalismus versucht aus der kurdischen Sprach- und Kulturgemeinschaft, die in den Nationalstaaten Türkei, Syrien, Irak und Iran verstreut lebt, eine moderne kapitalistische Staatsnation oder mehre Staatsnationen zu formen. Nationen sind im Gegensatz zu Sprach- und Kulturgemeinschaften nichts Natürliches, sondern immer etwas Künstliches, etwas von der kapitalistischen Politik Geschaffenes. Die kapitalistische Politik schafft entweder aus vorkapitalistischen Sprach- und Kulturgemeinschaften Nationalstaaten oder assimiliert solche mehr oder weniger zwanghaft als sprachlich-kulturell-religiöse Minderheiten in bestehende Nationalstaaten. Die wirtschaftlichen und/oder geistigen Eliten dieser „nationalen“ Minderheiten kämpfen entweder für Gleichberechtigung bzw. sprachlich-kulturelle und territoriale Autonomie innerhalb der bestehenden Nationalstaaten oder für neue Staaten mit den ehemaligen unterdrückten Minderheiten als staatsbildenden Subjekten. In der Ideologie, dem Nationalismus, wird das auch den Unterschichten einer ehemaligen unterdrückten sprachlich-kulturell-religiösen Minderheit als Befreiung verkauft – in der Praxis bleiben sie in der Regel ökonomisch ausgebeutete und politisch verwaltete Objekte, nur dass jetzt ihre AusbeuterInnen und VerwalterInnen der gleichen Nation angehören.
Es liegt auf der Hand, dass der Versuch der kurdischen NationalistInnen, auch aus der kurdischen Sprach- und Kulturgemeinschaft ein modernes staatsbildendes Subjekt als ideologisierte Praxis zu formen, erstens sozialreaktionär war und ist und zweitens zu Konflikten mit den schon bestehenden Nationalstaaten führen musste. In der Türkei zum Beispiel wurden die KurdInnen jahrelang repressiv unterdrückt. Ihnen wurde verboten kurdisch zu sprechen und sie wurden vom staatstragenden türkischen Nationalismus als „Bergtürken“ ideologisch assimiliert. Der türkische Nationalstaat ging gegen die kurdische Minderheit ultrabrutal vor und hielt sie in bitterster Armut. Wir SozialrevolutionärInnen kämpfen gegen die zwangsweise Assimilation und die nationalistische Repression gegen Sprachen und kulturelle Traditionen von Minderheiten innerhalb von bestehenden Nationalstaaten. Allerdings kämpfen wir auch gegen alle „unterdrückten“ Nationalismen, die aus Sprach- und Kulturgemeinschaften innerhalb der alten Nationen neue Nationalstaaten und Nationalkapitale formen wollen. Denn dieser Nationalismus „unterdrückter“ Nationen dient nur den wirtschaftlichen und kulturellen Eliten dieser sich neu formierenden Nation. Gelingt die Gründung von neuen Nationalstaaten können diese nur das werden, was die alten schon sind: Durchsetzungsformen des Kapitalismus. Es waren auch die ideologischen Auswirkungen des europäischen Kapitalismus, die aus den Kurden eine „Nation“ machten. Wikipedia formulierte dies so: „Unter dem Einfluss europäischer Ideen entwickelten sie dann ein eigenes Nationalgefühl.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Kurden) Sowohl unterdrückende als auch „unterdrückte“ Nationalismen spalten das Weltproletariat, das sich nur sozial befreien kann, indem es global alle Nationen aufhebt. So mussten und müssen SozialrevolutionärInnen überall auf der Welt sowohl gegen den türkischen als auch gegen den kurdischen Nationalismus kämpfen.
Die PKK wurde als militanter Arm des kurdischen Nationalismus in der Türkei am 27. November 1978 im Dorf Fiss (Provinz Diyarbakir) gegründet. Ihre Gründungsmitglieder waren Abdullah Öcalan, Mazlum Dogan und 21 weitere StudentInnen, deren Ziel es war in Türkisch-Kurdistan dem „türkischen Kolonialismus“ ein Ende zu bereiten, aber natürlich nicht auf sozialrevolutionär-antinationale Weise sondern auf reaktionär-nationalistischer. Öcalan war von Anfang an der unumstrittene autoritäre Führer der PKK. „Öcalan beherrschte die PKK autoritär, ging brutal gegen Dissidenten vor und ließ viele vermeintliche Rivalen oder Verräter hinrichten.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Abdullah_%C3%96calan) Die PKK orientierte sich anfangs an der marxistisch-leninistischen Ideologie und an der Praxis staatskapitalistischer Regimes wie das sowjetische, chinesische, nordkoreanische und das kubanische. Um die globale Schlagkraft der staatskapitalistischen Nationalismen zu erhöhen, appellierte die PKK an die sowjetische und an die chinesische Regierung, die damals aus praktisch-imperialistischen und vorgeschobenen ideologischen Gründen über Kreuz lagen, sich wieder zu versöhnen. Die Orientierung der PKK auf den staatskapitalistischen Block erfolgte weniger aus ideologischen Gründen als aus den praktischen Erfordernissen heraus, dass sie für die Gründung eines kurdischen Nationalstaates mächtige imperialistische Verbündete brauchte.
Am 15. August 1984 griff die PKK die Polizeistationen in den Dörfern Eruh (Siirt) und Schemdinli (Hakkari) an, wobei zwei Polizisten getötet wurden. Dies war der Beginn eines Guerilla-Krieges, der mit dem proletarischen Klassenkampf nicht das Geringste zu tun hatte. Der türkische Staat mietete als Gegenreaktion tausende Kurden und bewaffnete sie als Dorfschützer gegen die PKK. Die letztere führte ihren nationalistischen bewaffneten Kampf mit dem Ziel zu einem Frieden zu gelangen, der in einem von ihr dominierten kurdischen Nationalstaat gipfeln würde. Der bewaffnete Kampf zwischen der PKK und dem türkischen Staat wurde von beiden Seiten auf Kosten der ländlichen Zivilbevölkerung geführt. Zwischen 1984 und 1999 starben mindestens 35.000 Menschen durch die blutigen Amokläufe des türkischen und kurdischen Nationalismus. Das Ziel, die Mittel – der bewaffnete Guerilla-Kampf sowohl gegen den türkischen Staat als auch gegen verfeindete kurdischen Parteien – sowie der globale Staatskapitalismus als Bezugspunkt und Bündnispartner der PKK machten diese zu einem Feind des Proletariats. Denn der angestrebte kurdische Nationalstaat hätte sich nur im internationalen Gerangel der Staaten halten können, wenn er eine ursprüngliche kapitalistische Industrialisierung durchgezogen hätte. Und bisher entwickelte sich noch jede nachholende ursprüngliche kapitalistische Industrialisierung – egal ob privat- oder staatskapitalistisch – auf Kosten des Proletariats. Der damals von der PKK angestrebte Nationalstaat wäre mit Sicherheit keine Ausnahme gewesen.
Doch der globale Staatskapitalismus transformierte sich zunehmend zum Privatkapitalismus, damit ging der ideologische und praktische Bezugspunkt der PKK vor die Hunde – es war also Zeit für eine praktische und ideologische Neuorientierung der kurdisch-nationalistischen Guerilla-Organisation. So kam es auch schon in den frühen 1990er Jahren zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu Friedensdialogen. Besonders der türkische Präsident Turgut Özal war ein Anhänger der Aussöhnung mit der PKK. Als dieser unter mysteriösen Umständen am 17. April 1993 ums Leben kam, wurde die Friedenstaube wieder durch den Kriegsfalken als Maskottchen der türkischen Politik gegenüber den Kurden ersetzt. Im Juni 1993 rief auch Öcalan aus seinem syrischen Exil – in diesem befand er sich seit 1979 – wieder zum „totalen Krieg“ auf. Als der Krieg dann auch immer intensiver und härter wurde, wurde auch der Druck des türkischen Imperialismus auf Syrien immer größer Öcalan auszuweisen. Die Türkei drohte Syrien sogar mit Krieg. Daraufhin wies Syrien Öcalan am 9. September 1998 aus.
Nun begann die türkische Jagt nach Öcalan. Am 12. September 1998 wurde der oberste kurdische Nationalist in Italien aufgrund eines deutschen Haftbefehls verhaftet. Doch die regierenden Charaktermasken des deutschen Nationalismus hatten Angst vor dem Nationalismus der in der BRD lebenden KurdInnen. So verzichteten sie darauf, Öcalan in Deutschland einzusperren. Italien ließ also den autoritären Boss des türkisch-kurdischen Linksnationalismus am 16. Dezember 1998 wieder frei. Im Januar 1999 verließ Öcalan Rom. Der PKK-Boss ersuchte nun in verschiedenen Staaten – unter anderem in Italien und Griechenland – um politisches Asyl, was aber abgelehnt wurde. Am 15. Februar 1999 wurde Öcalan schließlich vom türkischen Geheimdienst in Kenia festgenommen, als er die griechische Botschaft verließ. Nach der Verhaftung des PKK-Bosses lief der kurdische Nationalismus in ganz Europa Amok. So demolierten zum Beispiel 400 bis 500 KurdInnen die griechische Botschaft in Frankfurt am Main. Der türkische Nationalismus wollte Öcalan zuerst rechtsstaatlich durch die Todesstrafe umbringen lassen, verzichtete aber dann auch wegen des imperialistischen Druckes der EU darauf und wandelte 2002 die Todesstrafe in lebenslange Haft um.
Öcalan leitete auch in türkischer Haft über seine Anwälte die PKK weiter autoritär. Während einfache kurdische NationalistInnen in türkischer Haft grausam gefoltert wurden, konnte Herr Öcalan Friedensgespräche mit Regierungsstellen führen und mehrere Bücher schreiben. In diesen Schinken organisierte der PKK-Boss auch die ideologische Umorientierung des kurdischen Linksnationalismus. Der Marxismus-Leninismus war durch die Transformation des globalen Staatskapitalismus in den Privatkapitalismus nicht mehr zeitgemäß. Wikipedia schreibt über die aktuelle Ideologie-Brühe, die Herr Öcalan in türkischer Haft zusammenpanschte: „In den letzten Jahren lässt er sich durch Murray Bookchins Konzept des confederalism zum sogenannten Demokratischen Konföderalismus inspirieren. Weitere Inspirationsquellen sind Immanuel Wallerstein, Fernand Braudel, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Abdullah_%C3%96calan) Das ist eine krude Mischung aus Linksliberalismus und libertär weichgespülten Marxismus und Anarchismus, die nichts anderes als eine ideologische Kapitulation gegenüber Privatkapitalismus und Demokratie als Staatsform bedeutet – aber gerade deshalb beim kleinbürgerlich-linken Publikum im Westen gut ankommt. Demokratischer Konföderalismus in der Türkei bedeutet nichts anderes, als dass die Kurden innerhalb des türkischen Nationalstaates eine Art Unternation bilden sollen. Doch das Einigeln in bestehende Nationalstaaten ist nicht weniger sozialreaktionär wie die Gründung von neuen. Sozialrevolutionär ist nur die Vorbereitung der weltweiten Zerschlagung aller Nationalstaaten.
Herr Öcalan strebt also für die Türkei etwas an, was die kurdischen NationalistInnen im Nordirak und in Nordsyrien sich im 21. Jahrhundert schon faktisch-praktisch erkämpft haben: die nationale Autonomie mit kurdischen Unterstaaten innerhalb anderer bestehender Nationalstaaten. Im Irak nutzte der kurdische Nationalismus 2003 den imperialistischen Konflikt zwischen den USA und dem Saddam-Hussein-Regime um sich eine nationale Autonomie im sich neuformierenden irakischen Staat zu erobern. Beim imperialistischen Sturz des Hussein-Regimes diente sich der irakisch-kurdische Nationalismus den USA als Verbündeter an, dafür bekam er seine eigene politisch-territoriale Spielwiese zugewiesen.
Im syrischen Nationalstaat bilden die KurdInnen die größte sprachlich-kulturelle Minderheit. Syrien entstand durch die imperialistische Zerstörung des Osmanischen Reiches durch die Siegermächte des Ersten Weltkrieges und war zuerst ein französisches Mandatsgebiet. Doch im Jahre 1946 wurde Syrien durch die politische Unabhängigkeit ein eigenständiges Nationalkapital mit starken staatsinterventionistischen und staatskapitalistischen Tendenzen. 1957 gründete Osman Sabri zusammen mit anderen kurdischen NationalistInnen die Demokratische Partei Kurdistan-Syrien (DPKS). Das Ziel dieser Partei war eine größere kulturell-nationale Autonomie der KurdInnen in einem demokratisierten Syrien. Der kurdische Nationalismus war also in Syrien von Anfang an ein Motor der kapitalistischen Modernisierung. Doch für die linken TraumtänzerInnen stellt ja nationale und demokratische Autonomie nicht eine Durchsetzungsform des Kapitalismus und damit etwas grundsätzlich Reaktionäres dar, sondern irgendwie etwas emanzipatorisch-fortschrittliches. Aber die syrischen NationalistInnen unterdrückten die kurdischen National-DemokratInnen von der DPKS.
Nach dem Scheitern einer staatlichen Union mit Ägypten 1961 erklärte sich Syrien zu einer arabischen Republik. Die KurdInnen wurden schnell als „Fremdkörper“ der arabisch-syrischen Nation ausgemacht. Als Ergebnis einer außergewöhnlichen Volkszählung im nordsyrischen Kurdengebiet (Dschazira) von 1962 wurden 120.000 KurdInnen (das waren rund 20 Prozent dieser Sprach- und Kulturgemeinschaft in Syrien) zu AusländerInnen erklärt. Diese Sortierung der KurdInnen durch die syrischen NationalistInnen in „InländerInnen“ und „AusländerInnen“ war sehr willkürlich, so gab es in den einzelnen Familien plötzlich „InländerInnen“ und „AusländerInnen“. Das war eine ultrarepressive Demonstration der Tatsache, dass eine Nation nichts Natürliches ist und der kapitalistische Zentralstaat darüber entscheidet, wer dazugehört und wer nicht. Die zu „AusländerInnen“ erklärten KurdInnen mussten ihre Pässe abgeben, damit die Behörden diese angeblich erneuern könnten. Doch die zu „AusländerInnen“ abgestempelten KurdInnen bekamen diese nicht zurück. Begleitet wurde die Ausbürgerungsaktion durch eine nationalistische Kampagne mit Parolen wie „Rettet das Arabertum in der Dschazira!“ und „Bekämpft die kurdische Bedrohung!“. Staatenlose KurdInnen waren in Syrien gefangen, da sie keine Papiere hatten und deshalb nicht legal ausreisen durften.
1965 entschloss sich der syrische Staat dazu in Dschazira einen arabischen Gürtel entlang der türkischen Grenze zu errichten. Dieser nationalistische Gürtel war 350 km lang und 10-15 km breit und er reichte von der irakischen Grenze im Osten bis nach Ra’s al-‚Ayn im Westen. Ab 1973 wurde diese nationalistische Veränderung der Bevölkerung in Dschazira praktisch umgesetzt. Dabei wurden arabische Beduinen in den kurdischen Gebieten angesiedelt. Nach dem ursprünglichen Plan wallten die arabisch-syrischen NationalistInnen etwa 140.000 Kurden in die südlichen nahen Wüsten bei Al-Raad deportieren, doch die kurdischen BäuerInnen weigerten sich zu gehen, obwohl sie enteignet worden waren. Kurdische BäuerInnen, die der syrische Staat zu „AusländerInnen“ gemacht hatte, durften keinen Besitz haben, keine alten Häuser reparieren und keine neuen Häuser bauen.
Die herrschenden Kreise – ein starkes BerufspolitikerInnentum und relativ schwache PrivatkapitalistInnen, große Teile der syrischen Wirtschaft waren verstaatlicht – definierten ihren arabisch-syrischen Nationalismus also in Abgrenzung zur kurdischen Sprach- und Kulturgemeinschaft. Jede Nation ist real-praktisch in Oben und Unten, in AusbeuterInnen und Ausgebeutete gespalten. Die nationalistische Ideologie soll ja gerade die Klassenspaltung verschleiern. Als Kitt der Nation – also als eine Verhinderung, dass sich der reproduktive Klassenkampf zur sozialen Revolution zuspitzt – dienen sehr gut innere und äußere „Feinde“. Der syrische Nationalismus und damit die herrschende Klasse stärkten sich also auf Kosten der kurdischen Sprach und Kulturgemeinschaft. Besser als auf diese Weise konnte der arabisch-syrische Nationalismus gar nicht den syrisch-kurdischen Nationalismus stärken und aufladen.
So gab es mehrere kurdisch-nationalistische Unruhen und Aufstände in Syrien. Wie schon gesagt, formt der moderne bürgerliche Nationalismus aus vorbürgerlichen Sprach-, Kultur- und Religionsgemeinschaften kapitalistische Nationalstaaten. Der syrische Staat formte aus der arabischen Sprach- und Kulturgemeinschaft die arabisch-syrische Nation und ging repressiv gegen die kurdische Sprach- und Kulturgemeinschaft vor. Der kurdische Nationalismus stützte sich nun auf seine angebliche „Tradition“, die in Wirklichkeit seine vornationale Vorgeschichte war, um gegen die Repression des syrischen Staates zu kämpfen. So versammelten sich im März 1986 im kurdischen Viertel von Damaskus KurdInnen in traditioneller Kleidung, um das Frühlingsfest Nouruz zu feiern. Der kurdische Nationalismus musste die vornationale Tradition bewahren, um mit dieser einen Anspruch entweder auf einen eigenen Nationalstaat oder auf Unterstaaten in den bestehenden Ländern zu begründen. Doch der syrische Staat musste die kurdische Kulturtradition bekämpfen, weil er sie zuvor als für den arabisch-syrischen Nationalismus nicht dazugehörig und damit potenziell feindlich definiert hatte. Aus diesem Grunde hatte er auch das Tragen kurdischer Trachten verboten. Diese nationalistische Repression gegen die KurdInnen war eine besondere Form der sozialen Unterdrückung. Die KurdInnen taten also im März 1986 etwas vom Staat Verbotenes, als sie sich im kurdischen Viertel von Damaskus in ihre traditionelle Trachten hüllten, weshalb die Bullen repressiv gegen sie vorgingen. Als bezahlte Hooligans des syrischen Staates schossen sie in die Menge und töteten dabei einen Menschen.
Bei Wikipedia heißt es über die Unruhen von 2003: „Nach einem Zwischenfall in einem Fußballstadion in Qamischli starben bei Unruhen, die am 12. März begannen, 30 Menschen und 160 wurden verletzt. Kurdische Quellen deuteten an, dass syrische Sicherheitskräfte nach Zusammenstößen während eines Fußballspieles zwischen örtlichen kurdischen Fans der Heimmannschaft und arabischen Fans der Mannschaft aus der Stadt Deir ez-Zor scharfe Munition gegen Zivilisten einsetzten. Die internationale Presse berichtete über neun Tote am 12. März. Laut Amnesty International wurden hunderte Menschen, überwiegend Kurden, nach den Unruhen verhaftet. Kurdische Häftlinge berichteten über Folter und Misshandlungen. Einige kurdische Studenten wurden von ihren Universitäten verwiesen, weil sie an friedlichen Protesten teilgenommen hatten.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Syrien)
Auch in Syrien nutzte der kurdische Nationalismus unter der Führung der Partei der demokratischen Union (PYD) – eine linksnationale Schwesterpartei der PKK – ab 2011 die Destabilisierung des bestehenden Nationalstaates durch BürgerInnenkrieg und imperialistische Einmischung anderer Staaten, um sich eine faktische nationale Autonomie im Norden des Landes zu erkämpfen. Diese nationale Autonomie wurde dann von der islamistischen Terrorbande IS bedroht. Zu dem syrischen BürgerInnenkrieg und die imperialistische Eimischung in diesem schreiben wir alles Notwendige im nächsten Kapitel. Hier wollen wir die eindeutig bürgerlich-staatlichen Strukturen des kurdischen Nationalismus in Nordsyrien beschreiben und die ideologischen Luftschlösser, welche die deutschen linken KleinbürgerInnen daraus geistig formen, hart kritisieren.
Manchmal sind ganz normale bürgerliche IdeologInnen an der Realität näher dran als die linken KleinbürgerInnen. Deshalb wollen wir hier Wikipedia über die staatlichen Strukturen des kurdischen Linksnationalismus in Nordsyrien (Rojava) zitieren: „Als Rojava (im Deutschen auch Rodschawa; kurdisch ‏رۆژاڤایا کوردستانێ‎, Rojavaya Kurdistanê; arabisch ‏كردستان السورية‎, DMG Kurdistān assūriyya) oder Westkurdistan wird von Kurden der Anteil Syriens am kurdischen Siedlungsgebiet bezeichnet.
Teile dieses nicht klar abzugrenzenden Gebiets stehen als de facto autonome Gebiete unter kurdischer Kontrolle, diese wurden einseitig von der kurdischen Partiya Yekitîya Demokrat (PYD), der christlichen Suryoye Einheitspartei (einer Assyrisch/Aramäischen Partei) und weiteren Kleinparteien während des syrischen Bürgerkrieges proklamiert. Die Kantone sind (von West nach Ost): Efrîn, Kobanê und Cizîrê (nördlicher Teil der syrischen Provinz al-Hasaka mit Qamischli als Hauptort). Am 12. November 2013 beschloss die PYD, gemeinsam mit anderen Gruppierungen im Norden Syriens eine Übergangsverwaltung aufzustellen, um den durch den Krieg entstandenen Missständen in Verwaltung und Versorgung der Bevölkerung zu begegnen. Am 21. Januar 2014 folgte die Etablierung der Verwaltung in Cizîrê, am 27. Januar in Kobanê und einige Tage später auch in Efrîn. Die Verwaltung soll die multiethnische und -religiöse Situation in Nordsyrien widerspiegeln und besteht jeweils aus einem kurdischen, arabischen und christlichen-assyrischen Minister pro Ressort. Insgesamt wird der Plan verfolgt, ein demokratisches System aufzubauen, so wird beispielsweise auch eine Frauenquote von 40 % in der Verwaltung angepeilt. Laut PYD ist der längerfristige Plan, alle drei Kantone unter einer Verwaltung zu vereinen. Die PYD stieß mit diesem Schritt jedoch sowohl innerhalb Syriens als auch international auf Kritik. Ein Kritikpunkt ist, dass die PYD für den angestrebten zusammenhängenden Landstrich „Rojava“ in Nord-Syrien auch überwiegend nicht-kurdisch besiedelte Gebiete beansprucht, was v.a. bei der arabisch-sunnitischen Mehrheit in diesen Gebieten auf Widerstand stößt.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Rojava)
Mit Hilfe der stinknormalen bürgerlichen IdeologInnen von Wikipedia können wir also Rojava als typische staatliche Durchsetzungsform der kapitalistischen Modernisierung charakterisieren. Filtern wir also die Informationen von Wikipedia durch die materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung. Der kurdische Nationalismus ist ein moderner Nationalismus, der andere Sprach- Religions- und Kulturgemeinschaften nicht unterdrücken, sondern integrieren will. Alle politischen Parteien, egal ob linke oder rechte, sind bürgerlich. Sie reproduzieren die Klassenspaltung in Form von BerufspolitikerInnen an der Spitze und der von ihr verwalteten kleinbürgerlichen und proletarischen Mitglieder an der Basis der Parteien. Parteien sind Basiseinheiten der bürgerlichen Politik, die konkurrenzmäßig-kooperativ oder monopolartig die politische Regierungsmacht anstreben. An die Regierungsmacht kommen politische Parteien durch Staatsstreiche, BürgerInnenkriege oder parlamentarische Wahlen. Die von den Parteien beherrschten Staaten schützen das bürgerliche Eigentum an den Produktionsmitteln –egal ob Privat-, Genossenschafts- oder Staatseigentum. Politische Partei, Staat, Nation und Kapital reproduzieren sich gegenseitig. So war es bei der NSDAP und „K“PdSU, so ist es bei CDU, SPD und Linkspartei – und so wird es auch bei der kurdisch-linksnationalen Partei PYD sein.
Das zu verschleiern ist der Job der linken DemagogInnen. So nannte der Marxist-Leninist und großer Fan des kurdischen Linksnationalismus, Nick Brauns, die Rojava regierenden BerufspolitikerInnen „Räteregierung“. Das ist ein alter Trick des Marxismus-Leninismus, seit dem die Bolschewiki 1917 mit Hilfe der ArbeiterInnenräte die politische Macht in Russland eroberten – und dann ganz gezielt durch ihre staatskapitalistische Konterrevolution die ArbeiterInnenräte zerstörten. Alles schon unter Lenin und Trotzki, und nicht erst unter Stalin. Ihren neuen Nationalstaat nannten die partei-„kommunistischen“ PolitikerInnen dann demagogisch „Sowjetunion“ (Räteunion). Doch die neuen Sowjets waren nur Mäntel für die „kommunistische“ Parteiherrschaft und die staatskapitalistische Ausbeutung des Proletariats. Sie hatten mit ArbeiterInnenräten als Organe des selbstorganisierten proletarischen Klassenkampfes nicht das Geringste zu tun. Auch die Räte in Rojava sind ganz normale demokratische Staatsorgane, die selbstverständlich nur die politische Verwaltungsform einer kapitalistischen Warenproduktion sein können.
Die kleinbürgerlich-linke Zeitung junge Welt stellte dem Vorstandsmitglied des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan (YXK), Thomas Marburger die Frage: „Ist der Kapitalismus in Kobani (Kanton und Stadt in Rojava, die von der IS bedroht war, siehe nächstes Kapitel –Anmerkung von Nelke) abgeschafft?“ Seine Antwort: „Nein, es gibt noch arm und reich, die Produktionsmittel sind noch nicht komplett vergesellschaftet. Staatliches Land wurde an die Kommunen zur Selbstverwaltung übergeben, um Kooperativen und Landwirtschaftsprojekte aufzubauen. Parallel dazu wurde eine Übergangsregierung gebildet – eine davon ist die Partei der demokratischen Union (PYD). Zu Wahlen ist es aufgrund der zugespitzten Kämpfe nicht gekommen.“ („Demokratische Autonomie mitten im Krieg ausgebaut, Gespräch mit Thomas Marburger, in: junge Welt vom 27. Oktober 2014, S. 8.)
Hier haben wir alle politische Kategorien, die eine normale Demokratie als eine kapitalistische Staatsform auszeichnen, auch für Rojava genannt: Parteien, Regierung, kommunale Selbstverwaltung und Wahlen. Doch was ist mit den landwirtschaftlichen Kooperativen? Die können im Rahmen eines kapitalistischen Staates nichts anderes sein als Genossenschaften, also kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion als Nischen innerhalb einer kapitalistischen Ökonomie. Manche Genossenschaften wurden schon zu normalen kapitalistischen Firmen, aber noch nirgendwo wurden Genossenschaften im Rahmen von Nationalstaaten zu Keimen einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft. Dies trifft übrigens auch für die Kollektivwirtschaften im Rahmen von Staat und Kapital zu, welche die anarchosyndikalistische CNT während des spanischen BürgerInnenkrieges betrieb, und mit denen auch noch heutige AnarchosyndikalistInnen „kritisch“ hausieren gehen… Eine wirkliche Vergesellschaftung der Produktionsmittel ist nur bei Zerschlagung des Staates und bei Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung möglich. In den ökonomisch schwach entwickelten Kurdengebieten wären Genossenschaften im Rahmen von demokratischer Autonomie ein Entwicklungsmoment der kapitalistischen Warenproduktion. Der kurdische Linksnationalismus ist also in Nordsyrien eine Durchsetzungsform des Kapitalismus und nicht antikapitalistisch.
Außerdem leistet er der bürgerlichen Frauenemanzipation Vorschub. Die kapitalistische Klassenstruktur ist auch in modernen Nationen wie Deutschland mit der patriarchalen Diskriminierung der Frauen verbunden. Es gibt weltweit verhältnismäßig wenig Kapitalistinnen, Managerinnen, Politikerinnen, aber die proletarischen Frauen werden besonders hart ausgebeutet. Arbeiterinnen bekommen immer noch viel weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Außerdem lastet der größte Teil der biosozialen Reproduktionsarbeit innerhalb der Familien auf den Schultern der Frauen. Der (klein)bürgerliche Feminismus kann nur eine Gleichberechtigung innerhalb der Klassenspaltung bieten, also eine Gleichberechtigung von Kapitalmanagern und Kapitalmanagerinnen sowie von Proletariern und Proletarierinnen. Wir SozialrevolutionärInnen gehen mit einem klaren Klassenstandpunkt an die Frauenemanzipation heran. Während wir den Kampf der Proletarierinnen um gleiche Löhne von Männern und Frauen der ArbeiterInnenklasse als Teil des reproduktiven Klassenkampfes kritisch unterstützen, geht uns das Eintreten der (klein)bürgerlichen Damen für die Frauenquote für die Chefposten in Politik und Wirtschaft glatt am Arsch vorbei. Doch auch der reproduktive Klassenkampf der Proletarierinnen gegen die Frauenunterdrückung kann nur zu einer bürgerlichen Frauenemanzipation führen – wenn er sich nicht zur sozialen Revolution radikalisiert. Deshalb strebt der Kommunismus die Zerschlagung von Kapital, Staat und Patriarchat durch die soziale Revolution an, während der (klein)bürgerliche Feminismus Kapital und Staat durch die bürgerliche Frauenemanzipation reformieren will. Kommunismus und (klein)bürgerlicher Feminismus sind unvereinbar miteinander, sie verhalten sich gegeneinander wie Feuer und Wasser. SozialrevolutionärInnen kämpfen nicht für ein frauenquotiertes Kapitalmanagement, sondern dafür, dass die ArbeiterInnen auch die Chefinnen entmachten, während der (klein)bürgerliche Feminismus die Chefinnen vermehren möchte. Es liegt auf der Hand, dass wir in Rojava (klein)bürgerlichen Feminismus vor uns haben. Innerhalb von Staatsstrukturen kann Frauenemanzipation nur bürgerlich sein.
In Rojava haben wir also eine ungleichzeitige Entwicklung vor uns. Während die Ökonomie noch sehr unterentwickelt ist, können wir einen ultramodernen politischen Überbau sehen: einen multiethnischen und frauenemanzipativen Staat. Doch alle Nationalstaaten, also auch die politisch korrekten, sind strukturelle Klassenfeinde des Weltproletariats. Alle BerufspolitikerInnen leben auf Kosten des Proletariats. Sie eignen sich über Steuern einen Teil des vom Proletariat produzierten Mehrwertes an. BerufspolitikerInnen verwalten überall auf der Welt die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats und gehen gegen es repressiv vor, wenn es in den Klassenkampf tritt. Das Weltproletariat hat noch immer mit bitteren Niederlagen dafür gezahlt, wenn es bestimmte Nationalstaaten und Staatsformen gegen andere Nationen und Staatsformen verteidigte. Deshalb bekämpfen wir SozialrevolutionärInnen den kurdischen Nationalismus in Nordsyrien so wie jeden anderen auch, und verteidigen ihn nicht gegen andere politische Fraktionen des Weltkapitals. Im Gegensatz zu sozialrevolutionären Positionen stehen die marxistischen und anarchistischen KleinbürgerInnen, die den kurdischen Linksnationalismus verklären und verteidigen – und damit neue Niederlagen des Proletariats vorbereiten. Solidarität mit PKK und PYD ist Solidarität mit kurdischen Politbonzen gegen das kurdische Proletariat! Auch wenn keine revolutionäre Situation besteht, kann das für wirkliche SozialrevolutionärInnen kein Alibi dafür sein, die Konterrevolution aktiv vorzubereiten. Solidarität mit dem kurdischen Linksnationalismus ist aktive Vorbereitung der Konterrevolution!
Die PKK konnte und kann nur den Kapitalismus reproduzieren. Sie war und ist eine politische Fraktion des Weltkapitals. Die staatskapitalistische Option wurde ihr verbaut. Jetzt bleibt ihr nur noch durch „demokratische Autonomie“ in den Kurdengebieten der Türkei den türkisch-kurdischen Privatkapitalismus auf erneuerter Stufenleiter zu reproduzieren. Und die kleinbürgerliche Linke im Westen hat als Lautsprecher des kurdischen Linksnationalismus den tollen Job den kapitalistischen Inhalt knallrot zu verpacken. So sagte der kurdische Linksnationalist Mehmit Derik von der Münchner Initiative „Solidarität mit Rojava: „Die PKK nimmt (…) eine fortschrittliche, sozialistische Perspektive ein.“ („Den Kampf der Kurden legitimieren“, Gespräch mit Mehmet Derik, in: junge Welt vom 28. November 2014, S. 2.) Ja, dem Kapitalismus sozialistische Masken aufsetzen, das ist das, was die kleinbürgerlichen politischen Linken am besten können!
Auch die „Radikale Linke“ aus Nürnberg, behauptet auf ihrer Homepage über die kurdisch-linksnationale Durchsetzungsform des Kapitalismus in Nordsyrien: „Rojava steht für ein sozialistisches Projekt, das versucht alle Ethnien und Religionen zu vereinen und die Gleichstellung von Frauen und Männern im Alltag und in der politischen Praxis umzusetzen, um eine neue Gesellschaft aufzubauen. Trotz der katastrophalen Auswirkungen des syrischen Bürgerkrieges haben die Menschen in der Region Rojava seit 2011 begonnen, eine politische und soziale Revolution durchzuführen, die eine alternative Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen angestoßen hat. Inspiriert vom Modell des Demokratischen Konföderalismus wurde eine kommunale und regionale Selbstverwaltung durch Rätedemokratie, Frauenräte und eigene demokratisch organisierte Sicherheitskräfte geschaffen. Die Räte orientieren sich an einer multiethnischen, multireligiösen und antipatriarchalen Vision jenseits des bürgerlich-kapitalistischen Staates.“ (http://www.redside.tk/rl/?p=1772) Das ist schon eine Meisterleistung der linksbürgerlichen Demagogie! Wenn Rojava eine „Rätedemokratie“ ist, dann ist die BRD auch eine!
Der globale Anarchismus, der in seinen Hauptströmungen genauso kleinbürgerlich war und ist wie der Marxismus, lässt sich teilweise von den neuesten libertär-demokratischen Phrasen des kurdischen Linksnationalismus in der Türkei und in Nordsyrien genauso berauschen wie früher viele Partei-„KommunistInnen“ von den marxistisch-leninistischen Absonderungen der PKK. Warum ist die politische Linke so anfällig gegenüber kapitalistischen Staaten? Weil es sich um eine durch und durch kleinbürgerliche Szene handelt, die hauptsächlich aus StudentInnen, Intellektuellen und ein paar verirrten ProletarierInnen – die innerhalb der linken Szene jegliches Klassenbewusstsein verloren haben – besteht. Aus hauptberuflichen ProfessorInnen, die natürlich auch bei ihrem marxistischen Hobbie, was sie nebenberuflich pflegen nicht den lukrativen Job verlieren wollen – also bloß nicht zu radikal sein! Aus StudentInnen, die noch mal alternativ das Leben genießen wollen, bevor sie sich völlig dem BildungsspießbürgerInnen-Milieu anpassen, aus ParlamentarierInnen der sozialdemokratischen Linkspartei, und JournalistInnen linker Zeitungen, die natürlich ihre Ideologieware auch nicht zu radikal gestalten dürfen, weil dafür gegenwärtig kein Markt da ist. Und selbstverständlich besteht die linke Szene auch aus AntifaschistInnen, AntirassistInnen und Frauenrechtlerinnen, deren Engagement von der BRD und der EU mitfinanziert wird sowie aus hauptamtlichen IdeologInnen der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Bildungsapparates des DGB. Ach ja, antiautoritäre Libertäre, die sich in ihren selbstverwalteten Cafés im Rahmen des bundesdeutschen Staates und der kapitalistischen Warenproduktion pudelwohl fühlen und deshalb viel Verständnis für die demokratische Autonomie des kurdischen Linksnationalismus aufbringen, gibt es auch noch. Die linke Szene besteht also zum großen Teil aus Intellektuellen und PolitikerInnen, die tief in die Warenproduktion, die bundesdeutsche Zivilgesellschaft und das parlamentarisch-demokratische Staatssystem integriert sind. Das macht sie unfähig und unwillig dazu den Kapitalismus wirklich zu bekämpfen – aber verdammt anpassungsfähig-opportunistisch gegenüber den verschiedenen nationalen und politischen Fraktionen des Weltkapitals.

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