nazis – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Sun, 24 Nov 2024 23:34:48 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png nazis – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Kritik der globalen Politik III https://swiderstand.blackblogs.org/2024/11/24/neue-broschuere-kritik-der-globalen-politik-iii/ Sun, 24 Nov 2024 23:33:43 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=798 Unsere neue Broschüre „Kritik der globalen Politik III“ (ca. 13 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Einleitung

Kritik der Identitätspolitik

I. Die nationalkapitalistische Formierung von Identitäten

1. Die Nationalkapitale

2. SklavInnen, LohnarbeiterInnen und nichtlohnarbeitende ProletarierInnen

3. Rassismus

4. „InländerInnen“ und „AusländerInnen“, das migrantische Proletariat

5. Patriarchat und Sexismus

6. Die binärgeschlechtlich-heterosexuell-monogame Normierung

II. Die konkurrenzförmige Formierung von Identitäts-Subjekten

1. „Identität“ als Kostüm der bürgerlichen Konkurrenzindividuen

2. Rechtskonservativ-neofaschistische Identitätspolitik

3. Linksliberale Identitätspolitik

4. Linkskonservative Identitätspolitik a la Sahra Wagenknecht

III. Die sozialrevolutionäre Aufhebung der Identitätspolitik

1. Proletarisch-revolutionäres Klassenbewusstsein als Identität der Identitätsaufhebung

2. Die tendenzielle Aufhebung der Spaltungslinien durch reproduktiven Klassenkampf

3. Die sozialrevolutionäre Aufhebung aller bürgerlicher Identität

Kritik des demokratischen Untertanenbewusstseins

I. Die Ideologie von der „Volksherrschaft“

1. Die ideologische Herrschaft des „Volkes“ als Klassendiktatur der Bourgeoisie

2. „ArbeiterInnendemokratie“ als begrifflicher Unsinn

II. Die Demokratie als besondere Staatsform des Kapitals

1. Freie Wahlen als Ermächtigung und Legitimierung von politischer Herrschaft

2. Demokratische Narrenfreiheiten für das „Volk“

3. Gewerkschaften, Streikrecht sowie kapitalistische Wirtschafts- und Arbeitsdemokratie

4. „Direkte Demokratie“ als staatsbürgerliches Ideal

5. Die heiligen Menschenrechte

6. Gewaltenteilung in der Diktatur der DemokratInnen

7. „Die Diktatur“: das Feindbild aller guten DemokratInnen

8. Demokratisch-faschistische Sozialreaktion

Freie Wahlen als Ermächtigung und Legitimierung von politischer Herrschaft

Freie Wahlen sind das Kriterium, die eine Demokratie von anderen Herrschaftsformen des Kapitals unterscheidet. Zunächst einmal ist interessant, was bei freien Wahlen alles nicht zur Wahl steht. Das ist erstens die totalitäre Herrschaft des Tauschwertes über Gebrauchs- und Produktionswert. Bedürfnisse nach bestimmten Waren oder warenförmigen Dienstleistungen zählen in einer kapitalistischen Warenproduktion nichts ohne das nötige Kleingeld, um diese sich auch leisten zu können. Dass ist die Diktatur des Tauschwertes über den Gebrauchswert, die nützlichen Eigenschaften der Waren und warenförmigen Dienstleistungen.

LohnarbeiterInnen werden von ihren AusbeuterInnen in der Regel nicht angemietet, wenn sie nicht deren Geld vermehren. Die Produktion von Mehrwert, den sich die AusbeuterInnen der Lohnarbeit aneignen, ist absolute Bedingung der Einstellung von ProletarierInnen in der Warenproduktion (siehe Kapitel I.1 der Schrift Kritik der Identitätspolitik). Das ist die totalitäre Herrschaft des Tauschwertes über den Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit der Waren und warenförmigen Dienstleistungen.

Auch das Monopol der BerufspolitikerInnen auf die gesamtgesellschaftliche Organisation der kapitalistischen Klassengesellschaft steht in freien Wahlen nicht zur Wahl. Auch nicht die Existenz des Staates. Der politische Gewaltapparat ist weder wähl- noch abwählbar. Was in einer kapitalistischen Demokratie wähl- und abwählbar ist, ist das konkrete Management des Staates, die Regierung. Die Wähl- und Abwählbarkeit der Regierung gewährleistet die Reproduktion des Staates als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung.

Freie Wahlen sind eine Herrschaftstechnik, bei der die klassenübergreifenden WählerInnen die BerufspolitikerInnen ermächtigen, entweder den Staat zu regieren oder systemloyal-parlamentarisch gegen die Regierung – aber eben nicht gegen den Staat! – zu opponieren. ProletarierInnen verschwinden bei dieser demokratischen Herrschaftstechnik im klassenneutralen Wahlvolk. Sie gehen unter im Stimmvieh. BerufspolitikerInnen, egal ob regierend oder systemloyal opponierend, egal ob mittig, links oder rechts, sind die ManagerInnen der gesamtgesellschaftlichen Organisation der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit. Sie leben – auch jene der parlamentarischen Opposition – vom staatlich angeeigneten Mehrwert, also von der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnabhängigen, die sie politisch mit organisieren. In „freien Wahlen“ ermächtigen also die ProletarierInnen ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, in ihrem Namen – aber gegen ihre Interessen – entweder den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Am Politrummel der freien Wahlen teilzunehmen, ist für ProletarierInnen Verarschung und Selbstverarschung. Als WählerInnen trinken ProletarierInnen auch noch den Kakao, durch den sie gezogen werden.

In Form von freien Wahlen tragen die Basiseinheiten der bürgerlichen Politik, die politischen Parteien, ihre Konkurrenz aus. In Wahlen wird mitentschieden, welche Parteien den Staat regieren – auch in Form von Parteienkoalitionen – und welche in die parlamentarische Opposition gehen. Politische Parteien sind klassengespalten. Ihre bürgerlich-bürokratischen Apparate aus BerufspolitikerInnen und -ideologInnen sowie hauptamtlichen FunktionionärInnen bestimmen wesentlich was läuft und was nicht läuft im Parteiladen, während die kleinbürgerlich-proletarische Basis nicht mehr als Manövriermasse darstellt. Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen, in der die politischen Basiseinheiten ihre Konkurrenz in freien Wahlen austragen.

Politische „ArbeiterInnen“ Parteien (sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische) integrieren sich in der Regel in die demokratisch-parlamentarischen Staaten. In Deutschland existieren drei systemloyale sozialdemokratische Parteien, die SPD, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Aber auch sich sehr rrrrevolutionär gebende marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien wie die D„K“P, die MLPD und die Sozialistische Gleichheitspartei treten bei Wahlen an. Sie helfen damit in der Praxis das parlamentarisch-demokratische Herrschaftssystem zu reproduzieren, die ProletarierInnen zum Stimmvieh zu machen. Politische Parteien können den Staat nur reproduzieren. Sie sind Fleisch vom Fleische des Kapitalismus.

]]>
Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:05:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=724 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

]]>
Neue Broschüre: Krieg und Frieden in der kapitalistischen Internationale https://swiderstand.blackblogs.org/2022/05/31/krieg-und-frieden-in-der-kapitalistischen-internationale/ Tue, 31 May 2022 22:42:48 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=344 Unsere neue Broschüre „Krieg und Frieden in der kapitalistischen Internationale“ (ca. 136 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Die kapitalistische Internationale und das Weltproletariat
1. Das globale Kapitalverhältnis
2. Kapitalistische Globalisierung
3. Das Weltproletariat
4. Die internationale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung
5. Die Notwendigkeit einer globalen antipolitisch-sozialrevolutionären Strömung
6. Die mögliche Weltrevolution

II. Allgemeine Betrachtung über Krieg und Frieden
1. Krieg und Frieden innerhalb des Weltkapitalismus
2. Kooperation und Konkurrenz in der kapitalistischen Internationale
3. Krisendynamik, Krieg und Klassenkampf

III. Der Krieg in der Ukraine
1. Vorgeschichte und BürgerInnenkrieg
2. Der russische Angriffskrieg
3. Der indirekte Krieg des westlichen Imperialismus gegen Russland
4. Internationale Reaktionen und Folgen
5. Die Mobilmachung der deutschen Nationaldemokratie
6. Klassenkampf gegen den Krieg!
7. Die Kriegs- und Friedenslinke des Kapitals

Vorgeschichte und BürgerInnenkrieg

Der erste Kalte Krieg endete mit dem nationalistischen Zerfall der Sowjetunion Ende 1991, aus dem Russland als größter Nachfolgestaat hervorging. Der Westen intervenierte gegen den Widerstand Russlands imperialistisch in Jugoslawien, er unterstütze alle innerjugoslawischen Nationalismen die gegen den serbischen Nationalismus, der unter jugoslawischer Maske agierte, gerichtet war. So wurde Jugoslawien nationalistisch-imperialistisch in sieben Nationalstaaten zerschlagen. Durch den imperialistischen Krieg von 1999 half die NATO der albanisch-nationalistischen UÇK die ehemalige serbische Provinz, die vorwiegend von „AlbanerInnen“ bewohnt war, abzuspalten. Ab 2008 ist der Kosovo ein „selbständiger“ Nationalstaat, dessen politische Unabhängigkeit von Serbien von EU und NATO unterstützt wurde. SozialrevolutionärInnen mussten währen der Jugoslawien-Kriege in den 1990er Jahren alle Nationalismen, Jugoslawien und den westlichen Imperialismus bekämpfen.

Der westliche Imperialismus nutzte die sozialökonomische und politische Schwäche Russlands während der Transformationskrise der 1990er Jahre auch zur expansiven Ostausdehnung seiner Bündnissysteme EU und NATO. So traten am 12. März 1999 Tschechien, Polen und Ungarn der NATO bei. Am 29. März 2004 folgten Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Der Beitritt von Albanien und Kroatien am 1. April 2009 zum westlichen Militärbündnis war imperialistischer Ernst, aber kein Aprilscherz. Montenegro trat am 5. Juni 2017 der NATO bei. Am 27. März 2020 wurde auch Nordmazedonien Teil dieses imperialistischen Kriegsbündnisses. Russland lehnte die Osterweiterung des westlichen Militärbündnisses von Anfang an ab, konnte sie aber realpolitisch nicht verhindern. Die Osterweiterung der EU erfolgte in folgenden Schritten: Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien sowie Ungarn bei. Es folgten am 1. Januar 2007 Bulgarien und Rumänien. Die imperialistische Osterweiterung von NATO und EU schränkte die Macht des russischen Imperialismus stark ein. Schließlich war Osteuropa davor die Einflusszone des sowjetischen Imperialismus, die sich Moskau im Zweiten Weltkrieg erobert hatte.
Doch die imperialistische Ostexpansion von EU und NATO stieß bereits im Jahre 2008 in Georgien auf die erbitterte Gegenoffensive des russländischen Imperialismus. Das nun privatkapitalistische Russland hatte seine Transformationskrise überwunden und konnte sich wieder stabilisieren. Georgien ging genau wie Russland aus dem nationalistischen Zerfall des sowjetischen Imperialismus hervor. Allerdings gab es auch in Georgien nationalistischen Zank. So spaltete sich bereits 1990 Südossetien faktisch von Georgien ab, was aber von den meisten Staaten nicht anerkannt wurde, weshalb es völkerrechtlich als Teil der georgischen Nation gilt. 1990 wurde dieser Streit zwischen Georgien und Südossetien auch militärisch ausgetragen, wobei Russland auf Seiten Südossetiens intervenierte. Im Juni 1992 schlossen Russland und Georgien ein Waffenstillstandsabkommen, aufgrund dessen „Friedenstruppen“ – wieder einmal trat der imperialistische Frieden bewaffnet auf, anders ist er auch gar nicht zu haben –, bestehend aus georgischen, südossetischen und russischen Soldaten, in Südossetien stationiert wurden. In der Nacht vom 7. zum 8. August 2008 versuchte der inzwischen prowestliche georgische Imperialismus, der Richtung NATO strebt, Südossetien militärisch zurück zu erobern, wobei es auch zu Gefechten mit den russischen „Friedenstruppen“ kam. Nun schlug der russische Imperialismus militärisch zurück. Innerhalb von fünf Tagen nahmen russische Truppen Südossetien ein und rückten auf georgisches Staatsgebiet vor. Das prowestliche Georgien fuhr eine erhebliche Niederlage ein. Der russische Imperialismus erkannte am 26. August 2008 dann auch Südossetien und Abchasien – ein weiteres Gebiet, dass sich faktisch von Georgien abgespalten hatte, aber von den meisten Staaten nicht als eigenständiges politisches Subjekt anerkannt wurde – als unabhängig von Georgien an. So wie der westliche Imperialismus die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien anerkannte. Das imperialistische Eingreifen des Kremls in Georgien führte aber nur zu einer kurzen Verstimmung zwischen dem Westen und Russland.
Im Streit um die Ukraine ab 2013 entzündete sich der zweite Kalte Krieg zwischen Russland und dem Westen. Die Ukraine lavierte lange zwischen der EU und Russland. Ab einem bestimmten Punkt war dieses Lavieren nicht mehr möglich, weil jedes Lager sie im alleinigen Einflussgebiet haben wollte. Moskau wollte die Ukraine gerne in den vom russischen Imperialismus dominierten eurasischen Wirtschaftsblock integrieren. Das war die Zollunion aus Russland, Belarus und Kasachstan. Die EU wollte mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen abschließen, um sie wirtschaftlich vollständig zu dominieren. Doch das Janukowitsch-Regime entschied sich, auch wegen Druck aus Russland, im November 2013 dieses Abkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Die EU und die USA unterstützten anschließend eine sozialreaktionäre Protestbewegung auf dem Maidan gegen Janukowitsch. Diese bestand aus einem prowestlich-neoliberal-demokratischen und einem ultranationalistisch-faschistischen Flügel. Wir bezeichnen die Maidan-Bewegung deshalb als demokratisch-faschistische Sozialreaktion. SozialrevolutionärInnen bekämpften sowohl das Janukowitsch-Regime und den Kreml als auch den westlichen Imperialismus und die prowestlich-nationalistische Opposition in der Ukraine. Letzterer gelang Ende Februar 2014 das Janukowitsch-Regime zu stürzen und durch ein prowestliches zu ersetzen. Dieses neue prowestliche Regime wurde von der NATO systematisch aufgerüstet. Am 21. März 1914 unterzeichneten die EU und die Ukraine den politischen Teil des Assoziierungsabkommens und am 27. Juni 2014 das Abkommen selbst.
USA und EU waren sich ab 2013 in der Gegnerschaft zum Janukowitsch-Regime und zu Moskau sowie in der tatkräftigen Unterstützung der Maidan-Bewegung einig, aber sie konkurrierten auch gegenseitig um Einfluss in der Ukraine. Während der deutsche Imperialismus, der ökonomisch die EU dominiert, den Ex-Boxer Witali Klitschko unterstütze, der nach dem politischen Machtwechsel Bürgermeister von Kiew wurde, sponsorte Washington Arsenij Jazenjuk, dem späteren Ministerpräsidenten der Ukraine. Die USA zeigten Berlin mal wieder die lange Nase.
Moskau ging nach dem Sturz von Janukowitsch zur Gegenoffensive über. Der russländische Imperialismus annektierte im März 2014 die ukrainische Halbinsel Krim als Stützpunkt seiner Schwarzmeerflotte und unterstützte im ukrainischen BürgerInnenkrieg ab April dieses Jahres die prorussischen „Volksrepubliken“ – auch nach ihrem geographischen Ort „Donbass-Republiken“ genannt – Donezk und Lugansk. Diese waren Ausdruck der mentalen Spaltung der ukrainischen Bevölkerung. Im Westen des Landes war diese eher prowestlich und ukrainisch-nationalistisch, was sie zur Manövriermasse der inländischen demokratisch-faschistischen Maidan-Sozialreaktion und des westlichen Imperialismus machte, aber im Osten eher prorussisch, was von Moskau genutzt wurde. Die „Volksrepubliken“ waren aber kein Kunstprodukt des russischen Imperialismus, sondern entstanden aus der inneren Dynamik des beginnenden BürgerInnenkrieges zwischen ukrainisch-nationalistisch-prowestlichen und prorussischen Kräften. SozialrevolutionärInnen mussten in diesem BürgerInnenkrieg überall auf der Welt sowohl das prowestliche Regime in Kiew als auch die prorussischen „Volksrepubliken“ bekämpfen.
Der BürgerInnenkrieg in der Ukraine war von Anfang an auch ein Stellvertreterkrieg zwischen dem westlichen und dem russischen Imperialismus. Das Kiewer Regime war auch ohne formelle Mitgliedschaft in EU und NATO fest in den westlich-imperialistischen Block integriert, während die „Donbass-Republiken“ vom Kreml politisch, finanziell, wirtschaftlich und militärisch unterstützt wurden. Am 14. April 2014 wurde auf der Website des ukrainischen Präsidenten der Ukas 405/2014 veröffentlicht. In diesem wurden die ukrainischen Streitkräfte zu einer „antiterroristischen Operation“ gegen die „Volksrepubliken“ aufgerufen. Anfang Mai 2014 setzte der ukrainische Staat gegen die von der „Volksrepublik Donezk“ kontrollierte Stadt Slawjansk zum ersten Mal Artillerie ein. Wochenlang wurde die Stadt beschossen.
Anfang Juli 2014 begann der ukrainische Staat eine Militäroffensive gegen die „Donbass-Republiken“. Das ukrainische Militär war natürlich besser ausgerüstet und ausgebildet als die „Volksfreiwilligen“ des Donbass. So gelang den Streitkräften des Kiewer Regimes im Juli 2014 einen Großteil der Gebiete der „Volksrepubliken“ zurück zu erobern. Doch dann griff der russische Imperialismus in den BürgerInnenkrieg ein. Moskau entsandte in einer geheimen Aktion Militär in den Donbass, um eine Niederlage der „Volksrepubliken“ zu verhindern. Für den russischen Imperialismus kämpften in der Ukraine gut ausgebildete SoldatInnen ohne Hoheitsabzeichen. Die Kreml-Propaganda sprach von Genozid des ukrainischen Regimes an der Donbass-Bevölkerung.
Durch das Eingreifen Moskaus wurde die Offensive des ukrainischen Staates gegen die „Volksrepubliken“ zum Stehen gebracht. Was machen Staaten noch mal, wenn sie militärisch nicht weiterkommen? Richtig, sie führen Friedensgespräche und handeln Abkommen aus. So wurden dann zwischen dem Regime in Kiew und den „Volksrepubliken“ im September 2014 und im Februar 2015 die beiden Waffenstillstandsabkommen Minsk I und Minsk II abgeschlossen. Die drei Garantiemächte dieses Waffenstillstandes waren Deutschland, Frankreich und Russland. Dieser Waffenstillstand wurde von beiden Seiten immer wieder gebrochen. So starben in dem ukrainischen BürgerInnenkrieg im Donbass bis zur Invasion des russischen Imperialismus im Februar 2022 über 14.000 Menschen. Nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees – also nach der Kreml-Propaganda – vom Februar 2022 starben etwa 2.600 ZivilistInnen im Donbass. Der in Minsk II versprochene besondere Status für die nicht vom ukrainischen Regime kontrollierten Donbass-Gebiete wurde nicht umgesetzt. Auch verhängte der ukrainische Staat ab Anfang Dezember 2014 einen vollständigen Wirtschafts- und Finanzboykott gegen die „Donbass-Republiken“. Diese begannen am Tropf des Kremls zu hängen. Außerdem verteilte Moskau an die Menschen in den „Volksrepubliken“ russische StaatsbürgerInnenschaften. Auf diese Weise war die imperialistische Einmischung Russlands in der Ukraine auch mit dem Propagandagrund des „Schutzes von russischen StaatsbürgerInnen“ abgesichert. Kurz vor der imperialistischen Invasion des Kremls in der Ukraine, forcierte das Kiewer Regime seine militärischen Angriffe gegen die „Donbass-Republiken“.
Die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Ukraine, die sich auf dem Maidan gebildet und das Janukowitsch-Regime gestürzt hatte, bewährte sich auch im BürgerInnenkrieg. Der Faschismus in der Ukraine agierte als äußerste rechte Fraktion des demokratischen Herrschaftssystems. Freie Wahlen legitimierten weiterhin die politische Herrschaft. Allerdings gingen die demokratischen Repressionsorgane gewalttätig gegen prorussische und politisch linke Kräfte vor. So wurde die „Kommunistische“ Partei faktisch in die Illegalität getrieben. Die Verwendung ihrer Symbole wurde mit Haft bestraft. In diesem ideologischen Klima wurden zwei Mal prowestliche Nationaldemokraten an die Spitze des Staates gewählt. Am 25. Mai 2014 der Oligarch Petro Poroschenko und im Mai 2019 Wolodymir Selenskij.
Die ukrainische Nationaldemokratie ging auch nach dem prowestlichen Staatsstreich im Februar 2014 zur Zwangsassimilation der Russischsprechenden und der Diskriminierung der russischen Sprache über. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung der Ukraine betrachteten Russisch als ihre Muttersprache. So trat im Januar 2022 ein diskriminierendes Sprachengesetz in Kraft. Selbst propagandistische UnterstützerInnen der Ukraine im Westen wie zum Beispiel die FAZ-Kulturkorrespondentin Kerstin Holm, zeigten ihre Bestürzung über den nationalistischen Kulturkampf in der Ukraine gegen die russische Sprache. Sie schrieb am 18. Januar 2022 in ihrer Zeitung, dass mit diesem Gesetz „traditionell russischsprachige Städte“ nun „vom Westen des Landes kulturell assimiliert“ würden. (Zitiert nach: Harald Projanski, Nicht dialog-, nicht friedensfähig, in: junge Welt vom 19./20. März 2022, 13.)
Die ukrainische Nation besteht seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991. Wie alle Nationen ist auch die ukrainische ein Kunstprodukt der kapitalistischen Politik. Durch die langjährige territoriale Verbindung des Landes mit Russland/der Sowjetunion ergab sich für den russischen Imperialismus die Möglichkeit, die Existenz einer ukrainischen Nation überhaupt zu leugnen. Dieser großrussische Chauvinismus war Teil der Kriegspropaganda des Kremls ab Ende Februar 2022. Der heutige ukrainische Nationalismus wiederum bezieht sich positiv auf den faschistischen ukrainischen Nationalismus, der während des Zweiten Weltkrieges auf der Seite des deutschen Imperialismus gegen die Sowjetunion kämpfte und dabei massenmörderisch gegen die russische, polnische und jüdische Bevölkerung vorging. Nicht wenige ukrainische NationalistInnen kollaborierten während des Überfalls des deutschen Imperialismus auf die UdSSR mit den Hitlerfaschisten. Die SS Galizien war blutige Verkörperung dieser Kollaboration. Der Führer der ukrainisch-nationalistischen Nazikollaborateure von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Stepan Bandera, ist nicht nur für den heutigen faschistischen Flügel des ukrainischen Nationalismus, sondern auch für viele prowestliche DemokratInnen ein Nationalheld, während er für nicht wenige heutige ostukrainisch-prorussische Kräfte ein „Verräter“ darstellt. In einem Lied der OUN-Milizen hieß es: „Die Juden werden wir abschlachten, die Polen erdrosseln, aber die Ukraine müssen wir erkämpfen.“ So sangen sie nicht nur, so handelten sie auch. Die OUN war eindeutig an Hitlerdeutschland ausgerichtet, auch wenn die deutschen Nazis Bandera drei Jahre einsperrten, nachdem er am 30 Juni 1941 die Unabhängigkeit der Ukraine proklamiert hatte.
Doch der heutige prowestliche und antirussische demokratische Nationalismus braucht die OUN als Teil seiner Gründungsmythologie. So schrieb die ukrainische Kyivipost in einer „Top Ten der Lügen des Kremls“: „Faschisten sind keine Banderisten, und Banderisten sind keine Faschisten. Wäre Stepan Pandera, Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten, ein Faschist gewesen, er würde doch wohl keine drei Jahre von 1941 bis 1944 in einem deutschen Nazigefängnis verbracht haben (…)“ (Zitiert nach Thomas Eipeldauer, Faschistische Hegemonie, in: junge Welt vom 8./9. März 2014, S. 11.) Die Argumentation ist natürlich ziemlich fadenscheinig. Denn natürlich verhafteten die FaschistInnen auch FaschistInnen, so wie StalinistInnen StalinistInnen liquidierten und DemokratInnen heute noch repressiv gegen DemokratInnen vorgehen.
Nachdem der sowjetische Imperialismus Deutschland 1945 besiegt hatte, war der bewaffnete ukrainische Nationalismus aber noch nicht am Ende. Bis in die 1950er Jahre hinein kämpften die ukrainischen NationalistInnen in der Westukraine bewaffnet gegen den sowjetischen Imperialismus. Letzterer krönte seinen militärischen Sieg über die westukrainischen NationalistInnen mit der Ermordung Banderas. 1959 wurde der ukrainische Nationalist in München durch einen KGB-Agenten liquidiert.
Und auf diese faschistische Tradition kann die heutige ukrainische Nationaldemokratie nicht verzichten. In den ukrainischen Schulbüchern wurde Bandera als ein Nationalheld dargestellt. Obwohl der heutige Präsident der Ukraine Selenskij selbst Jude ist, konnte auch er nicht auf diesen faschistischen Teil der nationalistischen Traditionspflege verzichten. Diese ist ein starker politideologischer Ausdruck der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion in der Ukraine.
Im BürgerInnenkrieg gegen prorussische Kräfte und die „Donbass-Republiken“ wurde die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Ukraine zur mörderischen Realpolitik. Ukrainische Oligarchen finanzierten am Anfang des BürgerInnenkrieges den Aufbau des faschistischen Bataillons „Asow“. Es wurde als „Sondereinheit der Miliz“ zur materiellen Gewalt, dass am 9. Mai 2014 in Mariupol Feiern von prorussischen Kräften zum Siegestag des sowjetischen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg brutal zusammenschoss. Später wurde „Asow“ auf Regimentsstärke aufgestockt und der dem ukrainischen Innenministerium unterstellten Nationalgarde angeschlossen. Auf diese Weise wurden FaschistInnen institutioneller Teil der ukrainischen Nationaldemokratie.
Die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Ukraine zeigt auch mal wieder den prokapitalistischen Charakter des Antifaschismus. Die Demokratie gegen den Faschismus verteidigen? In der Ukraine verteidigt sich die Nationaldemokratie mit Hilfe des Faschismus gegen in- und ausländische FeindInnen! Der Antifaschismus diente wiedermal als Rechtfertigungsideologie für einige LinksreaktionärInnen, um die prorussischen „Volksrepubliken“ und den Kreml gegen Kiew und den westlichen Imperialismus zu unterstützen (siehe Kapitel III.7).
In den Monaten vor der imperialistischen Invasion Russlands in der Ukraine begann Moskau militärisch und diplomatisch aufzurüsten. Der Kreml konzentrierte Truppen an der ukrainischen Grenze und verlangte ultimativ vom westlichen Imperialismus ein Ende der NATO-Osterweiterung, worauf dieser selbstverständlich nicht einging. Der kollektive Westen wiederum warnte Moskau vor einer militärischen Invasion in der Ukraine und drohte mit einer harten Antwort. Die europäischen Imperialismen Deutschland und Frankreich waren durch Minsk I und Minsk II direkt in der diplomatischen Betreuung des ukrainischen BürgerInnenkrieges eingebunden. Aber beide Abkommen hatten ja lediglich zu einem Krieg niederer Intensität, aber nicht zu einem stabilen bürgerlichen Frieden in der Ukraine geführt. Moskau bestand in den Monaten vor seinem Angriffskrieg auf diplomatische Verhandlungen mit Washington. Doch die Diplomatie konnte den imperialistischen Interessengegensatz zwischen dem Westen und Russland nicht mehr ausbalancieren. So knallte es wie bereits 2013/14 im Februar 2022 abermals in der Ukraine.

]]>
Neue Broschüre: Zionismus und arabischer Nationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/#respond Mon, 04 May 2015 07:48:21 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=104 Unsere neue Broschüre: „Zionismus und arabischer Nationalismus“ (ca. 121 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

 

Inhalt

Einleitung

I. Europäischer Antijudaismus, Zionismus und palästinensischer Nationalismus vor 1948
1. Von der relativen Assimilation der Juden in Westeuropa zum massenmörderischen Antijudaismus
2. Die Symbiose aus Antijudaismus und Zionismus
3. Osmanisches Reich, britischer Imperialismus, Zionismus, palästinensischer Nationalismus und Faschismus
4. Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg

II Israel, der palästinensische Nationalismus und arabische Staaten
1. Der Krieg von 1948/49
2. Der Sechstage-Krieg von 1967
3. Der Krieg von 1973
4. Die Formierung des modernen palästinensischen Nationalismus
5. Der globale Krieg zwischen Israel und dem palästinensischen Exil-Nationalismus
6. Israel und die Besetzten Palästinensischen Gebiete (BPG)
7. Israel, die PLO und Jordanien
8. Israel, der palästinensische Nationalismus und Ägypten
9. Israel, die PLO und der Libanon
10. Israel, der palästinensische Nationalismus und Syrien

III Der sozialreaktionäre Charakter Israels
1. Auschwitz und Israel
2. Israel, das Judentum, der nichtjüdische Prozionismus und der Antijudaismus
3. Israel als eigenwilliger Wachhund des US-Imperialismus
4. Die Vermehrung des israelischen Nationalkapitals
5. Die israelische Apartheid-Demokratie

IV Die sozialrevolutionäre Nullstaatenlösung
1. Die mögliche Formierung des Weltproletariats zum revolutionären Subjekt
2. Die revolutionäre Zerschlagung aller Nationalismen

Von der relativen Assimilation der Juden in Westeuropa zum massenmörderischen Antijudaismus

Das alte Judentum war ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk, deren sozialökonomische Basis sich in der jüdischen Religion ideologisch spiegelte. So wie auch der evangelische Protestantismus – besonders der Calvinismus – die sozialpsychologischen Bedürfnisse der christlichen Bourgeoisie befriedigte. Was war die Funktion von vorindustriekapitalistischen Handelsvölkern wie den Juden? Sie verkörperten bis zum 11. Jahrhundert den verselbständigten Tauschwert, das Geld, in einer Agrargesellschaft, die noch weitgehend von der Naturalproduktion beherrscht war. Im europäischen Feudalismus spielte in der Landwirtschaft das Geld keine Rolle. Die BäuerInnen produzierten fast alles selbst was sie brauchten und die Abgaben an die Feudalherren wurden auch in Form von Naturalabgaben geleistet. Die Feudalherren brauchten allerdings Geld zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach orientalischen Luxusgütern. Hier kam das Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk ins Spiel. Es handelte mit Luxusgütern und stellte den Feudalherren durch Wucher Geld zur Verfügung.
Den Christen war es von der Kirche verboten Zins zu nehmen. So betrieben oft Juden im Auftrag und im Interesse der Feudalherren Finanzgeschäfte. Dafür wurden die Juden oft zum Sündenbock für die Misswirtschaft. Das feudale System wusch sich rein, indem es auf den schmutzigen Juden verwies. Die Judenverfolgung hatte auch damals schon – trotz der irrationalen Ideologie, die sie produzierte – einen rationalen, die Herrschaft sichernden Kern. In der ständischen Gesellschaft des Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk verrechtlicht und zementiert.
Im Gegensatz zu einer Verschwörungslegende des Antijudaismus waren die Juden eben nicht die „ErfinderInnen“ des modernen europäischen Kapitalismus, sondern sie wurden im Gegenteil mit der Herausbildung einer christlichen Handels- , Finanz- und schließlich Industriebourgeoisie ziemlich an den Rand gedrängt und Verfolgungen sowie Vertreibungen ausgesetzt. Zuerst wurden die Juden von einer ab dem 11. Jahrhundert entstehenden christlichen Handelsbourgeoisie aus dem Handel verdrängt. Es blieb ihnen oft nur noch das Wuchergeschäft. Der Antijudaismus ist eine extrem ideologisch verzerrte Widerspiegelung der Tatsachen, dass die Juden durch ihr Handelsmonopol bis zum 11. Jahrhundert den Tauschwert in einer noch vorwiegend von der Naturalwirtschaft geprägten Gesellschaft verkörperten und dann, als das Geld immer stärker den Feudalismus aushöhlte und zerstörte, von einer christlichen Handelsbourgeoisie immer mehr in den Wucher verdrängt wurden. Aber im modernen Kapitalismus verkörpern die Juden nicht mehr und nicht weniger das Geld als alle anderen Sprach-, Religions- und Kulturgemeinschaften auch.
In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden ab dem 12. Jahrhundert aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. Die jüdische Religionsgemeinschaft wurde immer stärker von der anderen Bevölkerung isoliert. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto). So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken jüdischen Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen. Joachim Kahl bemerkt zu Recht: „So umfassend wurden die Juden ausgerottet, dass die Katastrophe dieser Jahre auf faschistische Pogrome unter Hitler vorausweist.“ (Joachim Kahl, Das Elend des Christentums, Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg, 1968/1993 S. 48.)
Mit der Entwicklung des Industriekapitalismus und der Entstehung moderner demokratischer Rechtsstaaten als den effektivsten politischen Formen der sozialen Diktatur des Kapitals in Westeuropa, bestand für die Juden Westeuropas immer stärker sowohl die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit sich als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk aufzuheben und sich in die entstehenden Nationalstaaten zu assimilieren. Bei einer geglückten Assimilation würden die Juden sich sozial in die drei Hauptklassen Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat spalten und als Religions- und Kulturgemeinschaft die Religionsfreiheit genießen. Die Juden würden sich durch den Nationalismus in erster Linie als FranzösInnen, EngländerInnen, Deutsche usw. fühlen, und ihr Judentum wäre wie jede Religion Privatsache. Diese Assimilation war auch im 19. Jahrhundert in Westeuropa relativ erfolgreich. Doch diese relative Assimilation war auch in Westeuropa immer wieder durch mal stärkere und mal schwächere Schübe des Antijudaismus geprägt. Besonders das KleinbürgerInnentum – aber auch Teile des Proletariats und der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – waren durchaus anfällig gegenüber dieser chauvinistischen Ideologie.
In Osteuropa –besonders im zaristischen Russland – war der Kapitalismus zu schwach entwickelt, um das Judentum zu assimilieren. Der Kapitalismus war zwar auch dort Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts schon so stark, dass es massenhaft das jüdische Kleinhandwerk ruinierte, aber eben zu schwach, um das ruinierte jüdische KleinbürgerInnentum vollständig in ein Proletariat transformieren zu können. Das erzeugte in der jüdischen Bevölkerung –besonders im russisch annektierten Teil Polens – eine große Arbeitslosigkeit und ein für das Kapital unproduktives Elend. Zwar entwickelte sich auch ein jüdisches Proletariat, doch das wurde vorwiegend im zugrunde gehenden jüdischen Kleinhandwerk ausgebeutet. Im russisch annektierten Teil Polens verboten die polnischen Berufsgewerkschaften bis zum Sturz des Zarismus den jüdischen ProletarierInnen die Arbeit in der Industrie. Der überlebte Zarismus versuchte sich zu erhalten, indem er die soziale Wut – besonders der BäuerInnen –auf die Juden lenkte. Die Organisation bzw. Duldung antijüdischer Pogrome hatte für den russischen Zarismus eine herrschaftsstabilisierende Funktion. Er schürte auch die antijüdische Verschwörungsideologie nach Leibeskräften und produzierte das antijüdische Machwerk Protokolle der Weisen von Zion. Diese Hetzschrift gehörte international zur Lieblingslektüre aller Judenhasser, unter ihnen auch Adolf Hitler.
Die Nichtintegration der Juden im ökonomisch unterentwickelten Osteuropa hatte drei Folgen: Die Emigration nach Westeuropa, in die USA und nach Palästina, die Entstehung einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die Entwicklung des jüdischen Nationalismus, des Zionismus. Mit den beiden letztgenannten Folgen werden wir uns in den folgenden Kapiteln dieses Teiles auseinandersetzen. Hier wollen wir uns mit der Emigration osteuropäischer Juden und Jüdinnen nach Westeuropa und dem Anwachsen des Antijudaismus als chauvinistischer Reaktion auf die osteuropäisch-jüdische Migration beschäftigen. Die Ankunft jüdischer MigrantInnen aus Osteuropa stärkte auch in Westeuropa den Antijudaismus als reaktionäre chauvinistische Konkurrenzideologie. Mehrere europäische Nationalstaaten versuchten die jüdische Emigration gesetzlich einzuschränken. So erließ Großbritannien 1905 das berüchtigte Fremdengesetz, mit dem den osteuropäischen Juden und Jüdinnen die Migration auf die Insel verunmöglicht wurde.
Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand aus der Nichtassimilation der Juden und Jüdinnen durch den noch schwachen osteuropäischen Kapitalismus und die Rückgängigmachung der relativen Assimilation durch den deutschen Krisenkapitalismus in seiner NS-faschistischen Form und schließlich im antijüdischen Massenmord. Die relative Assimilation der Juden in Westeuropa im 19. Jahrhundert beruhte auf der beschleunigten Kapitalvermehrung. Doch diese beschleunigte Kapitalvermehrung geriet ab 1914 in die strukturelle Profitproduktionskrise. Diese war in erster Linie ein Ausdruck des tendenziellen Falles der Profitrate, dem Verhältnis zwischen den Kosten der kapitalistischen Produktion (Produktionsmittel- und Lohnkosten) und ihren Gewinnen. Diese Profitrate fällt tendenziell durch zwei gesellschaftliche Prozesse. Der eine Prozess ist die zunehmende Mechanisierung und Automatisierung der kapitalistischen Produktionsweise, bei der immer mehr Funktionen der menschlichen Arbeitskräfte (ProletarierInnen, menschliches produktives Kapital) zur Funktion der Maschinerie (sachliches produktives Kapital) werden. Dadurch steigen tendenziell die Produktionsmittelkosten schneller und stärker an als die Gewinne. Die Folge ist ein tendenzieller Fall des Verhältnisses zwischen den Kosten der kapitalistischen Produktion und ihren Gewinnen (Profitrate). Diesem Fall der Profitrate können die KapitalistInnen entgegenwirken, indem sie die Ausbeutungsrate (Mehrwertrate) als Verhältnis zwischen den Lohnkosten und dem vom Proletariat erzeugten Mehrwert, den sich die Bourgeoisie aneignet, erhöhen. In der selbstreproduktiven Arbeitszeit erzeugt das Proletariat einen Wert, der den Lohnkosten entspricht, während es in der Mehrarbeitszeit den Gewinn für das Kapital produziert. Der Kampf um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, also der reproduktive Klassenkampf des Proletariats im Rahmen des Kapitalismus, lässt die Mehrwertrate und damit auch die Profitrate sinken. Die KapitalistInnen müssen durch das Senken des Reallohnes sowie durch Arbeitsverdichtung oder unbezahlte Arbeitsverlängerung danach streben, die Mehrwertrate zu erhöhen, die wichtigste Gegentendenz zum Fall der Profitrate. Die strukturelle Profitproduktionskrise führt also zur Verschärfung des Klassenkampfes.
Während die Erhöhung der Ausbeutung des Proletariats die wichtigste Gegentendenz zum tendenziellen Fall der Profitrate darstellt, ist die Erhöhung der Profitmasse bei einer fallenden Profitrate eine wichtige Kompensation. Größere Kapitale erzielen eine größere Profitmasse. Neben dem einfachen Wachstum der Kapitale, führt das Schlucken von kleinerem und kriselndem Kapital durch größeres und ökonomisch potenteres Kapital zur weiteren Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Gerät der Kapitalismus in eine strukturelle Profitproduktionskrise, verschärft sich also der Konkurrenzkampf enorm. Sowohl zwischen KapitalistInnen und KleinbürgerInnen innerhalb der einzelnen Nationalkapitale/Nationalstaaten als auch die imperialistische Konkurrenz zwischen den letztgenannten. Und damit laden sich auch alle chauvinistischen Konkurrenzideologien wie Nationalismus, Rassismus und Antijudaismus auf. Konkurrenz gibt es nicht nur zwischen KapitalistInnen und KleinbürgerInnen, sondern auch zwischen ProletarierInnen auf dem Arbeitsmarkt. Der permanente Konkurrenzkampf innerhalb des Kapitalismus, wozu auch der imperialistische Krieg zwischen Staaten gehört, ist potenziell und tendenziell massenmörderisch und entfesselte während der strukturellen Profitproduktionskrise zwischen 1914 und 1945 seine bisher gewaltigste zivilisationsbarbarische Zerstörungskraft. Dazu gehören die beiden von Deutschland begonnenen Weltkriege, die aber auch von Seiten aller seiner Feinde – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – imperialistisch-reaktionäre Kriege waren, der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden durch den deutschen NS-Faschismus und das atomare Massaker des US-Imperialismus in Japan. Beide Weltkriege waren vor allem ein ultrabrutaler Klassenkampf von oben, bei denen sich die ProletarierInnen zum Wohle des Weltkapitalismus gegeneinander massakrierten. Diese Tatsache zu verschleiern, ist bis auf den heutigen Tag das dreckige Geschäft von Neofaschismus und einem großen Teil des Antifaschismus, der sich auf die Seite der imperialistischen Kriegsgegner des NS-Faschismus stellt. Wer Hiroshima und Auschwitz gegeneinander in Stellung bringt und so relativiert, dem gehört das Maul gestopft!
Sowohl die beschleunigte Kapitalvermehrung als auch die strukturelle Profitproduktionskrise sind durch die Konjunkturzyklen geprägt (Aufschwung und Krise). Allerdings sind in der strukturellen Profitproduktionskrise die Aufschwünge weniger expansiv, dafür aber die Krisen häufiger und tiefer. Der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus gerieten ab 1914 in die strukturelle Profitproduktionskrise, die in einer Konjunkturkrise zum Ausdruck kam. Der Erste Weltkrieg war für das globale Rüstungskapital ein gefundenes Fressen und bescherte dem US-Nationalkapital ein Extraaufschwung, während Europa in Blut und organisiertem Chaos versank. Der Krieg führte zur Verschärfung des Klassenkampfes, der in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) mündete, die jedoch der globale Kapitalismus konterrevolutionär löste – dazu gehörte auch der bolschewistische Staatskapitalismus in „Sowjet“-Russland, welcher 1921 die Kronstädter Matrosen als Avantgarde der Revolution massakrierte. Zwischen 1923 und 1929 stabilisierten sich der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus etwas – um dann 1929 in der Weltwirtschaftskrise zu landen.
Diese Krise machte in Deutschland den NS-Faschismus als kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung im Interesse der Bourgeoisie groß. Der NS-Faschismus war Fleisch vom Fleische des deutschen KleinbürgerInnentums, das durch die Weltwirtschaftskrise massenhaft ruiniert wurde. Die ruinierten KleinbürgerInnen konnten nicht in der ArbeiterInnenklasse aufgehen, da diese selbst unter der Massenarbeitslosigkeit litt. Der Antijudaismus der Nazis entsprach den sozialökonomischen und sozialpsychologischen Bedürfnissen der von der Krise bedrohten KleinbürgerInnen. Wenn jemand vernichtet werden sollte, dann nicht sie, sondern die jüdische Konkurrenz! Kauft nicht bei Juden, sondern bei braven „arischen“ Deutschen! Die KleinbürgerInnen projizierten massenhaft ihren ganzen Hass auf die Juden, ihre eigene Geldgier auf die „Geldjuden“, ihre Angst und Abscheu vor dem klassenkämpferischen Proletariat in den „jüdischen Bolschewismus“, ihre Enttäuschung in die Weimarer „Judenrepublik“ – die sie nicht retten wollte oder konnte – und das angeblich „jüdische“ Bankkapital, bei dem sie massenhaft verschuldet waren.
Keine Klasse beherrscht die Kapitalvermehrung, auch die KapitalistInnen werden von ihr beherrscht. Sie werden vom Aufschwung emporgehoben – und dann in die Krise geschleudert. Für die KleinbürgerInnen fällt die Höhe des Aufschwunges wesentlich niedriger, dafür aber der Fall umso tiefer aus. Von der sozialökonomischen und psychologischen Vernichtung bedroht, wollen sie überleben, indem sie andere vernichten. Eine Zwischenstellung zwischen dem Großkapital, dass es besonders in der Krise massenhaft ruiniert, und dem Proletariat, das es embryonal ausbeutet, einnehmend, lief das KleinbürgerInnentum während der Weltwirtschaftskrise in Deutschland im Interesse der Bourgeoisie antijüdisch und antikommunistisch Amok und machte den NS-Faschismus zu einer Massenbewegung. Als die deutsche Bourgeoisie 1933 den Nazis die politische Macht übergab wurde ihr Antijudaismus zur massenmörderischen Gewalt. Der Antijudaismus wurde wie die Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg und die Zerschlagung der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung (Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Partei-„Kommunismus“) zur völkischen Krisenlösungsstrategie der Nazis. Indem die Bourgeoisie ihre Herrschaftsform von der Demokratie zum NS-Faschismus transformierte, entwickelte sich der NS-Faschismus aus einer kleinbürgerlichen Massenbewegung in eine großbürgerliche politische Strömung.
Beim staatlichen Antijudaismus der Nazis verschmolz die kalte technokratische Rationalität der Kapitalvermehrung mit einer überfanatischen irrationalen Vernichtungsideologie und gipfelte schließlich im kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden. Die Verdrängung der Juden und Jüdinnen durch den NS-Staat aus Wirtschaft, Politik und Kultur, eröffnete neue Karrieren für „arische“ Deutsche, besonders für überzeugte Nazis. Die jüdische Bourgeoisie wurde im Interesse ihrer „arischen“ Konkurrenz enteignet, wodurch die Konzentration und Zentralisation des Kapitals zunahm. So schufen die Nazis massenhaft für das Kapital unproduktive jüdische Armut. Der Kapitalismus vernichtete und vernichtet massenhaft unproduktive Armut, indem er die Armen mehr oder weniger sich selbst überlässt. Ein monströser Massenmord! Die modernen Sozialstaaten in den kapitalistischen Metropolen mildern den Terror gegen das nichtlohnarbeitende Proletariat etwas ab – aber nur SozialdemokratInnen kommen auf die Idee, die Tatsache, dass die entwickelten kapitalistischen Staaten ihre Armen nicht mehr massenhaft verhungern und erfrieren, sondern sie auf niedrigem Niveau dahinvegetieren lassen, als „zivilisatorische Errungenschaft“ zu feiern. Doch die Nazis waren keine SozialdemokratInnen, sie waren konsequente SozialdarwinistInnen. Nachdem sie den Jüdinnen und Juden die sozialökonomische Grundlage ihrer Existenz genommen hatten, vernichteten sie sie physisch. Die Nazis waren die ultrafanatischen Übertreiber jenes kapitalistischen Sozialdarwinismus, der sonst die Menschen durch die unsichtbare Hand des Marktes tötete und noch immer tötet.
Die physische Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden begann mit dem Zweiten Weltkrieg. Das hatte sehr viel mit der ultrafanatisch-antijüdischen ideologischen Verklärung dieses imperialistischen Gemetzels durch die Nazis zu tun. Für diese stellte der Zweite Weltkrieg ein Endkampf zwischen „arischen Herrenmenschen“ und „jüdischen Untermenschen“ dar, wodurch die sozialökonomische Basis des Blutbades als militärischer Konkurrenzkampf zwischen imperialistischen Staaten extrem ideologisch verschleiert wurde. Als diese extrem irrationale Ideologie zur massenmörderischen Gewalt wurde, überlagerte sie auch den rationalen Zweck des Krieges, nämlich die konkurrierenden Staaten militärisch zu besiegen. Deportationszüge mit europäischen Juden in die Vernichtungsstätten erhielten Vorrang gegenüber militärischen Transporten.
Beim kapitalistisch-industriellen Massenmord verschmolz die Rationalität der Kapitalvermehrung untrennbar mit der massenmörderischen Irrationalität des fanatischen Judenhasses. Einige Juden wurden von der SS an das deutsche Kapital (z.B. Krupp) als SklavInnen verkauft, wo das „Judenmaterial“ zu Tode gearbeitet wurde. Aus Geld muss mehr Geld gemacht werden! Dass ist der massenmörderische kategorische Imperativ des Kapitals. Und wenn noch so viele Menschen sterben müssen! Wer zählt die Millionen SklavInnen und LohnarbeiterInnen, die das Kapital in seiner Geschichte weltweit zu tote gearbeitet hat?! Nein, der Massenmord des deutschen NS-Faschismus war kein Zivilisationsbruch, er war der bisher extremste Ausdruck der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei.
Auschwitz als Zivilisationsbruch zu bezeichnen, heißt davon zu abstrahieren, dass sich das Kapital nur durch die Auftürmung von Leichenbergen vermehrte und vermehrt. In der Fabrik und auf den Schlachtfeldern unzähliger Kriege wurden in der Geschichte Millionen Menschen zum Wohle der Kapitalvermehrung umgebracht. In einer Geschichte voller Gemetzel ist das größte Gemetzel kein Zivilisationsbruch! Außerdem ist das Gerede vom „Zivilisationsbruch“ extrem eurozentristisch. Im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) wurden zum Wohle der europäisch-weißen kapitalistischen Zivilisation Menschen nichtweißer Hautfarbe massenhaft massakriert. Die IndianerInnen Nordamerikas wurden fast ausgerottet. Die Nazis haben ihren Massenmord mitten in Europa organisiert, das war das Neue. Außerdem nutzten sie für ihre Mordorgie die modernen kapitalistischen Produktivkräfte, die immer auch Zerstörungskräfte gegen das arbeitende Proletariat und die Natur waren und sind. Diesen Zusammenhang soll das moralisierende Gerede über den angeblichen „Zivilisationsbruch“ verschleiern. Der klebrige Moralismus dient auch hier der Verteidigung der alltäglichen kapitalistischen Zivilisationsbarbarei und seiner technokratischen Todesfabrikation.
Doch die materialistische Geschichtsbetrachtung zieht den moralisierenden Schleier, den die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz über den kapitalistisch-industriellen Massenmord als untrennbaren Teil ihrer Vergangenheit legt, erbarmungslos beiseite. Im Gegensatz zu vielen linken KleinbürgerInnen, die sich formal zum Marxismus bekennen, aber zu moralisieren anfangen wenn es richtig wehtut, halten wir gegen das unerträgliche bürgerliche Geschwätz, dass Auschwitz nicht erklärbar sei, daran fest, dass die materialistische Geschichtsbetrachtung auch den kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden erklären kann und muss. Die bürgerlich-idealistische Verklärung und Mythologisierung von Auschwitz dient nur der Bourgeoisie. Das Proletariat braucht Klarheit über die kapitalistische Welt, in der es schuftet, leidet und stirbt – aber eben auch lebt, liebt, lacht und kämpft!
Auschwitz verkörpert auf ideologisch extrem verzerrte Weise den Konkurrenz- und Klassenkampf von oben in einer der krisenhaftesten Zeiten des Kapitalismus, der seine Zivilisationsbarbarei extrem verschärfte, und in Deutschland in NS-faschistischer Form zugleich rational-technokratisch-kalt und irrational-ideologisch durchdrehend die Krise zu lösen versuchte. Durch den Judenhass wurde der Konkurrenzkampf auf völkisch-rassistische Art und Weise gelöst, eine für das Kapital unproduktive jüdische Armut geschaffen und diese technokratisch vernichtet, woran auch das Kapital verdiente. Und nicht nur das Kapital. Nach der Deportation der deutschen Jüdinnen und Juden wurden ihre Haushalte versteigert. An den Versteigerungen nahmen Menschen aller Klassen und Schichten teil. So stärkte sich die „Volksgemeinschaft“ als Scheinrealität und realer Schein durch den rassistischen Ausschluss der Juden als Beutegemeinschaft der Aasgeier. Es darf aber nicht vergessen werden, dass es auch im NS-Faschismus vor dem Zweiten Weltkrieg den Klassenkampf deutscher ArbeiterInnen gab (siehe dazu Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf, in: Schriften zum Klassenkampf III, Soziale Befreiung, Nürnberg 2014, S. 71-78.) Der NS-Antijudaismus stärkte schon während der Weimarer Republik den Kapitalismus ideologisch, indem er den „arischen schaffenden“ Industriekapitalismus gegen das „raffende jüdische Finanzkapital“ ausspielte.
Im Zweiten Weltkrieg triumphierte global der Klassenkampf von oben gegen das Proletariat. Das Proletariat tötete und wurde getötet im Interesse der einzelnen Nationalstaaten, die ihren blutigen Konkurrenzkampf ausfochten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden war Teil des imperialistischen Gemetzels. Der antifaschistische Imperialismus der staatskapitalistischen Sowjetunion und der privatkapitalistischen Demokratien machte vor dem Gemetzel seine Geschäfte mit dem NS-Faschismus auf Kosten des Proletariats, so wie er nach dessen Beginn seinen militärischen Konkurrenzkampf gegen die Nazis zum Leidwesen der proletarisierten und kleinbürgerlichen Menschen ausgefochten hatte. Die imperialistischen Demokratien bombardierten deutsche ZivilistInnen, aber nicht die antijüdischen faschistischen Massenmordzentren.
Auch der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden verkörperte nicht nur auf die Art und Weise den ideologisch extrem verzerrten Klassenkampf von oben, indem er das von den Nazis völkisch-technokratisch geschaffene unproduktive jüdische Elend sehr zum Vorteil einiger Privatkapitale auslöschte. Die Nazis projizierten auch ihren nationalistischen Hass auf den „proletarischen Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung auf das gesamte Judentum. Der „proletarische Internationalismus“ war und ist stark beschränkt, weil er nicht konsequent den kapitalistischen Nationalismus hinter sich lässt. Deshalb ist er aus antinational-sozialrevolutionärer Sicht scharf zu kritisieren (siehe dazu die Kapitel I.2 und IV.2). Aber es muss auch bedacht werden, dass der „proletarische Internationalismus“ für viele jüdische ArbeiterInnen und Intellektuelle (Rosa Luxemburg, Karl Radek, Leo Trotzki…) in Osteuropa eine relativ progressive Form war, mit der sie ihre Nichtassimilation und den blutigen Antijudaismus verarbeiten konnten, ohne jüdische NationalistInnen (ZionistInnen) zu werden. Die Nazis projizierten ihren leidenschaftlich-krankhaften Hass gegen den proletarischen Internationalismus auf alle Juden, von denen viele in Westeuropa sich leidenschaftlich-reaktionär zu den Nationen bekannten, in denen sie lebten, oder jüdische NationalistInnen/ ZionistInnen waren. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch ideologisch extrem verzerrt gegen den proletarischen Internationalismus.

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/feed/ 0
Neue Broschüre: Die revolutionäre Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) https://swiderstand.blackblogs.org/2014/11/25/neue-broschuere-die-revolutionaere-nachkriegskrise-in-deutschland-1918-1923/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/11/25/neue-broschuere-die-revolutionaere-nachkriegskrise-in-deutschland-1918-1923/#respond Mon, 24 Nov 2014 22:12:38 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=97 Unsere neue Broschüre: „Die revolutionäre Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923)“ (ca. 122 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung
1. Das deutsche Kaiserreich
2. Marxismus und Anarchismus vor dem Ersten Weltkrieg
3. Die weltgeschichtliche Periode zwischen 1914 und 19451
4. Die Novemberrevolution
5. Die Formierung der revolutionären und konterrevolutionären Kräfte
6. Die Januarkämpfe in Berlin
7. Die Bremer „Räterepublik“
8. Das Hamburger Rätesystem
9. Massenstreiks und bewaffnete Kämpfe
10. Generalstreik und Märzkämpfe in Berlin
11. Die Bayerische „Räterepublik“
12. Stärken und Schwächen der Rätebewegung von 1918/19
13. Die „K“PD gegen die „Ultralinken“
14. Der Kapp-Putsch
15. Die Rote Ruhrarmee
16. Die Herausbildung der FAUD (S), des Unionismus und der KAPD
17. Die Märzkämpfe von 1921
18. Die angeblich „revolutionäre Situation“ von 1923
19. Das geistige Erbe der revolutionären Nachkriegskrise

Die weltgeschichtliche Periode zwischen 1914 und 1945

Um die weltgeschichtliche Bedeutung der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland zu verstehen, ist es zum einen notwendig sie als Teil der europäischen Nachkriegskrise zu betrachten und zweitens erforderlich die letztgenannte im Rahmen der Periode zwischen 1914 und 1945 zu analysieren. Wir wollen dies in dieser Broschüre relativ kurzgefasst tun. Die interessierten LeserInnen seien auf die ausführlicheren Darstellungen dieser welthistorischen Periode in der Broschüre Klassenkämpfe in Griechenland (2008-2013), Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2013, S. 10-18 und in dem Text Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf in: Nelke, Schriften zum Klassenkampf III, 2014, S. 58-90 verwiesen. Während der erstgenannte Text sich stärker auf die sozialökonomischen Bedingungen dieser Periode konzentriert, legt die zweite Schrift mehr Wert auf die Schilderung der Klassenkämpfe in diesem Zeitraum.
Wie wir weiter oben schon ausführten, werden die objektiven Bedingungen einer revolutionären Situation stark von der weitgehend blinden Bewegung der Kapitalvermehrung bestimmt. Zur Kapitalvermehrung verwandelt der Kapitalist sein Geldkapital in produktives Kapital, indem er Produktionsmittel als sachliches produktives Kapital kauft und die menschlichen kleinbürgerlichen und proletarischen Arbeitskräfte anmietet. Die Arbeitskräfte sind im kapitalistischen Produktionsprozess nichts anderes als menschliches produktives Kapital, die mit Hilfe der Produktionsmittel das Warenkapital produzieren. Der Wert dieses Warenkapitals entspricht der durchschnittlichen gesellschaftlich notwendigen Herstellungszeit dieses Produktes. Allerdings wird der Preis einer Ware auch durch das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt bestimmt, der Warenpreis ist also in der Regel höher oder niedriger als der Warenwert.
Bei der Produktion des Tauschwertes/des Preises des neuen Produktes, übertragen die Arbeitskräfte den Wert der Produktionsmittel auf die neuentstehende Ware. Gleichzeitig fügen sie während ihrer Arbeitszeit dem neuen Produkt Neuwert zu. In einer selbstreproduktiven Arbeitszeit produzieren sie einen Wert, der ihrem eigenen Lohn entspricht, während sie in einer Mehrarbeitszeit Mehrwert für die Bourgeoisie produzieren. Das Verhältnis zwischen den Löhnen und dem Mehrwert ist die Mehrwertrate, die in Prozenten angegeben wird. Sie ist die Ausbeutungsrate des Proletariats.
Für die Bourgeoisie dagegen ist die Profitrate, das Verhältnis zwischen Lohn- und Produktionsmittelkosten auf der einen und dem Mehrwert auf der anderen Seite wirklich praktisch wichtig. Außerdem verschwindet in der theoretischen Kategorie der Profitrate die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats, während die für alle SozialrevolutionärInnen wichtige Kategorie der Mehrwertrate diese Ausbeutung offenbart. Durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, bei der viele ursprüngliche Funktionen des menschlichen produktiven Kapitals zu Funktionen der sachlichen Produktionsmittel werden, steigen die Kosten für das sachliche produktive Kapital tendenziell relativ schneller als die Profitmasse. Die Folge ist ein tendenzieller Fall der Profitrate.
Zum tendenziellen Fall der Profitrate gibt es eine wichtige Gegentendenz und eine wichtige Kompensationsmöglichkeit. Die Gegentendenz ist die Erhöhung der Ausbeutung des Proletariats, was die Mehrwertrate anwachsen lässt. Doch die Erhöhung der Mehrwertrate trifft sowohl auf biosoziale Schranken als auch auf den klassenkämpferischen Widerstand des Proletariats. Der tendenzielle Fall der Profitrate führt also potenziell zu einer Verschärfung der Klassenkämpfe. Die Kompensationsmöglichkeit zum tendenziellen Fall der Profitrate ist die Erhöhung der Profitmasse. Ein größeres Kapital erzielt auch eine höhere Profitmasse. Die wachsende Konzentration und Zentralisation des Kapitals ist also eine wichtige Kompensation zum tendenziellen Fall der Profitrate. Sie setzt sich vor allem in der Konkurrenz durch. Größeres und ökonomisch potenteres Kapital frisst massenhaft kleineres und kriselndes. So verschärft der tendenzielle Fall der Profitrate die kapitalistischen Konkurrenzkämpfe.
Der tendenzielle Fall der Profitrate führt zu einem tendenziellen Fall der Kapitalvermehrungsrate. Auf den Warenmärkten verwandeln die KapitalistInnen ihr Warenkapital in Geldkapital zurück. Durch den vom Proletariat erzeugten Mehrwert haben sie jetzt mehr Geld als vor dem erloschenem Produktionsprozess. Ein Teil des Geldes setzt die herrschende kapitalistische Klasse in Konsumgüter für ihre biosoziale Reproduktion um, den anderen Teil investiert sie in noch mehr Produktionsmittel und in noch mehr lebendige Arbeitskräfte, also in die Kapitalvermehrung. Die Kapitalvermehrungsrate ist das Verhältnis zwischen dem bereits fungierendem Kapital und dem neu angelegten. Durch den tendenziellen Fall der Profitrate wird auch ein erheblicher Druck auf die Kapitalvermehrungsrate ausgeübt.
Es lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Perioden der Kapitalvermehrung unterscheiden: die beschleunigte Vermehrung des Kapitals und die strukturelle Kapitalvermehrungskrise. In beiden Perioden vermehrt sich das Kapital zyklisch, also durch Aufschwung und Krise hindurch. Doch während der strukturellen Kapitalvermehrungskrise sind die zyklischen Aufschwünge weniger expansiv wie in der Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung. Dafür werden die Krisen häufiger und tiefer…
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren besonders sowohl die USA als auch das deutsche Kaiserreich in einer Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung. Doch die allgemeinen Tendenzen der Kapitalvermehrung ließ auch diese beiden Länder durch den tendenziellen Fall der Profitrate in den Zustand der strukturellen Kapitaluntervermehrungskrise hinabgleiten. Diesen Zustand hatte der westeuropäische und US-amerikanische Kapitalismus im Jahre 1914 erreicht (siehe über das Sinken der Kapitalvermehrungsrate in den USA: Nelke, Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf, a.a.O., S. 58 und 61).
Die Periode der strukturellen Kapitaluntervermehrung zwischen 1914 und 1945 in Westeuropa und in den USA ist stark durch das Dreiecksverhältnis aus Krise, Krieg und Klassenkampf geprägt. 1914 befanden sich alle wichtigen Nationalkapitale in einer zyklischen Krise, welche zugleich auch die strukturelle Kapitaluntervermehrung zum Ausdruck brachte. Die Kapitalvermehrung ist sowohl durch die Nachfrage auf den Märken bestimmt, zugleich bestimmt aber auch die Kapitalvermehrung die Marktnachfrage. Sie bestimmt direkt die Nachfrage nach Produktionsmitteln und vermittelt über den Konsum der Bourgeoisie und des Proletariats auch indirekt die Nachfrage nach Konsumgütern. Eine sinkende Kapitalvermehrungsrate ist also mit einer sinkenden Nachfrage nach Produktionsmitteln, ein potenzieller Anstieg der Arbeitslosigkeit, ein Sinken der Profite und Löhne sowie eine sinkende Nachfrage nach Konsumgütern geprägt. Die Kapitale haben wachsende Schwierigkeiten auf den verschiedenen Märkten ihr Waren- in Geldkapital umzuwandeln und dadurch ihre Profite zu realisieren. Die strukturelle Kapitalvermehrungskrise ist dadurch die Quelle für zyklische Profitrealisationskrisen. Der Erste Weltkrieg erzeugte massenhaft eine dritte Nachfrage: die staatliche Nachfrage nach Zerstörungsmitteln. Dadurch kompensierten Rüstung und Erster Weltkrieg und deren Nachfrage nach Zerstörungsmitteln die rückgehende Nachfrage nach Produktionsmitteln und Konsumgütern.
Der Erste Weltkrieg hatte für die direkt teilnehmenden und die offiziell „neutralen Staaten“ unterschiedliche sozialökonomische Auswirkungen. Auch relativ und absolut schwache Nationalkapitale wie das spanische konnten sich sozialökonomisch durch den Ersten Weltkrieg stabilisieren, indem sie die kriegführenden Staaten mit notwendigen Waren versorgten. Aber die größte Kriegsgewinnerin waren die USA. Bevor sie 1917 in den Krieg direkt einstiegen, belieferten sie England und Frankreich mit Zerstörungs- und Lebensmitteln. Dadurch geriet das US-Nationalkapital aus einer Krise geradezu in ein Kriegsboom (siehe dazu ausführlicher: Nelke, Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf, a.a.O., S. 78-80). Gleichzeitig wurden durch den Ersten Weltkrieg die europäischen Hauptkonkurrenten der USA nachhaltig geschwächt.
Bei den am Krieg teilnehmen europäischen Staaten profitierten zwar die privaten Einzelkapitale von dem imperialistischen Gemetzel, aber die Nationalkapitale gerieten durch den blutigen Sog auch in schwere Krisen. Fast alle kriegsteilnehmenden Staaten verschuldeten sich im Ersten Weltkrieg. Deutschland war der größte Verlierer des Ersten Weltkrieges, aber die privaten deutschen Einzelkapitale gehörten zu den Kriegsgewinnern. Die Profite in der deutschen Metallindustrie stiegen während des Ersten Weltkrieges um durchschnittlich 175 Prozent und in der Chemischen Industrie sogar um 200 Prozent. Die Konzentration und Zentralisation des Kapitals nahm in Deutschland während des blutigen Gemetzels ebenfalls enorm zu. Großunternehmen wie die AEG oder Siemens wurden noch größer, während viele kleinere Handwerksbetriebe und Unternehmen, welche Konsumgüter produzierten, massenhaft in eine prekäre Situation gerieten.
Durch den Ersten Weltkrieg konnte mit seiner starken Nachfrage nach Zerstörungsmitteln die zurückgehende Nachfrage nach Produktionsmitteln und Konsumgüter, die eine Folge der strukturellen Kapitalvermehrungskrise war, kompensiert werden. Der Erste Weltkrieg war auch eine Folge der Zunahme des Konkurrenzkampfes der Nationalkapitale, die letztendlich auch durch den tendenziellen Fall der Profit- und Kapitalvermehrungsraten verschärft wurde.
Gleichzeitig war der Erste Weltkrieg ein ultrarepressiver Klassenkampf von oben, den die Weltbourgeoisie gegen das globale Proletariat führte. Das Weltproletariat massakrierte sich gegenseitig für die Profite des Weltkapitals. Durch den nationalistischen Taumel zu Beginn des Krieges und durch die Integration des größten Teiles der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in die Nationalkapitale gelang es der Bourgeoisie der kriegführenden Staaten den Klassenkampf des Proletariats zuerst einzudämmen. Die soziale Verelendung des Proletariats im Verlauf des blutigen Gemetzels führte aber zu dessen Ende wieder zu einer Verschärfung des Klassenkampfes und mündete schließlich in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923).
Schauen wir uns den globalen Prozess, bei dem der Erste Weltkrieg zuerst zu einer Eindämmung des proletarischen Klassenkampfes und dann zu dessen Verschärfung führte, etwas genauer an. Besonders das letzte Jahrzehnt vor 1914 war global durch die Zunahme von Klassenkämpfen – besonders von Massenstreiks –geprägt. Große Massenstreiks entwickelten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Belgien und Schweden zur Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts. Das gewaltigste Beispiel des zunehmen Klassenkampfes war jedoch die russische Revolution von 1905 mit ihren dynamischen Massenstreiks. Auch die ArbeiterInnenräte entstanden in dieser Revolution zum ersten Mal. Die Sowjets (russisch für Räte) von 1905 waren viel unmittelbarer ein Ausdruck des selbstorganisierten Klassenkampfes als die während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise, die leider von BerufspolitikerInnen der „ArbeiterInnenparteien“ weitgehend beherrscht wurden. Doch leider konnte diese Revolution von 1905 noch einmal vom Zarismus niedergeschlagen werden.
Der Erste Weltkrieg führte dann wie gesagt global zuerst zur Eindämmung und dann wieder zur Verschärfung des Klassenkampfes. Eröffnet wurde die europäische revolutionäre Nachkriegskrise im Jahre 1917 durch die Februarrevolution (nach dem alten russischen Kalender) in Russland. Das junge und sehr klassenkämpferische Proletariat Petrograds fegte den Zarismus hinweg. Es entstand eine Doppelherrschaft durch die in Räten organisierten ArbeiterInnen und Soldaten auf der einen und der provisorischen Regierung auf der anderen Seite. Die BerufspolitikerInnen der sozialdemokratisch-menschewistischen und der „sozialrevolutionären“ Partei saßen sowohl in der proprivatkapitalistischen Regierung als auch in den Räten. Durch diese Auspallancierung glaubten Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ eine weitere Radikalisierung des Proletariats und der BäuerInnen verhindern zu können. Doch da die provisorische Regierung den imperialistischen Krieg weiterführte und unwillig und unfähig zu einer Bodenreform war, radikalisierten sich zwischen Februar und Oktober 1917 sowohl das Proletariat als auch die BäuerInnen.
Doch das Proletariat in Russland war sozial noch zu schwach und geistig unreif, um sich revolutionär aufheben zu können. Es war noch in der Minderheit, die kapitalistische Industrialisierung hatte erst begonnen. Außerdem hatten auch die klassenkämpferischsten ArbeiterInnen während der russischen Revolution noch kein klares antipolitisches Bewusstsein. So wurden die ArbeiterInnenräte von den PolitikerInnen der „ArbeiterInnenparteien“ dominiert. Doch die russische Bourgeoisie erwies sich ebenfalls 1917 als zu schwach, um sowohl mit der monarchistischen Konterrevolution als auch mit dem klassenkämpferischen Proletariat fertig zu werden. Diese soziale Schwäche von Bourgeoisie und Proletariat wurde von der Bürokratie des radikalen Flügels der russischen Sozialdemokratie, der bolschewistischen Partei, ausgenutzt. Durch eine geschickte Propaganda, die allen alles versprach, gelang es den bolschewistischen BerufspolitikerInnen in den Räten immer stärker zu werden, um dann im Oktober 1917 (ebenfalls nach dem alten russischen Kalender) die politische Macht zu erobern. Ihre Herrschaft nannte die bolschewistische Parteibürokratie demagogisch „Sowjetrepublik“. In Wirklichkeit begann die Ausschaltung der Räte gleich mit der politischen Machtübernahme durch den Bolschewismus. Die Oktoberrevolution war der Höhepunkt der antifeudal-antiprivatkapitalistischen Revolution und zugleich der Umschlagmoment in die staatskapitalistische Konterrevolution. Weil der staatskapitalistische Bolschewismus am besten den Bedürfnissen der Vermehrung des russischen/sowjetischen Nationalkapitals entsprach, konnte er sich auch im BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieg (1918-1921) gegen alle sozialreaktionären und -revolutionären GegnerInnen durchsetzen und danach die Sowjetunion durch unvorstellbaren Terror zur Industrienation „gestalten“. Die russische Revolution wurde vom Bolschewismus im März 1921 durch die konterevolutionäre Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes beendet (siehe dazu ausführlicher: Nelke, Schriften zur russischen Revolution, Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2012).
Neben dem russischen Zarismus und dem deutschen Kaiserreich überlebte auch die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie nicht den Ersten Weltkrieg und die revolutionäre Nachkriegskrise. Da besonders die so genannte „Ungarische Räterepublik“ im Jahre 1919 auch auf die damalige Situation in Deutschland einwirkte –besonders auf die „Bayerische Räterepublik“ (siehe das entsprechende Kapitel in dieser Broschüre) – wollen wir hier auf die Radikalisierung des Klassenkampfes in Ungarn infolge des Weltkrieges kurz eingehen. Eine ausführlichere Darstellung dazu können die interessierten LeserInnen in unserem Text Klassenkämpfe in Ungarn (1918-1989) in Schriften zum Klassenkampf II, Bad Salzungen 2013, S. 6-16 finden.
Im ungarischen Teil der Doppelmonarchie führten die verschärfte Ausbeutung und das wachsende soziale Elend des Proletariats ab 1915/16 zu einer Zuspitzung des Klassenkampfes. Auch in Ungarn stand die Sozialdemokratie auf der Seite der Kriegstreiber. Die sich anbahnende Niederlage im Krieg radikalisierten große Teile des Proletariats und des KleinbürgerInnentums. Mit Hilfe der Doppelmonarchie ließ sich 1918 nicht mehr erfolgreich der Klassenkampf von oben führen. Das Proletariat und große Teile des KleinbürgerInnentums konnten und wollten nicht mehr so leben wie bisher. So reifte objektiv eine revolutionäre Situation in Ungarn heran – ähnlich wie im deutschen Kaiserreich. Ausdruck der reifenden revolutionären Situation in Österreich-Ungarn und in Deutschland waren die Massenstreiks in diesen Ländern Januar/Februar 1918. Das ungarische politische Personal der Doppelmonarchie hatte sich im Verlauf des imperialistischen Gemetzels und des proletarischen Widerstandes dagegen zerschlissen. Nun mussten die ungarischen DemokratInnen – einschließlich der Sozialdemokratischen Partei Ungarns (SPU) – ran, um zu versuchen den Großgrundbesitz und das relativ schwach entwickelte Privatkapital in Ungarn zu retten.
Die wachsenden Widerstände gegen das Blutbad des Krieges führten im Oktober 1918 zu einer Zersetzung der ungarischen Armee. Am 25. Oktober bildete sich der Zentrale Soldatenrat, in welcher der radikalmarxistische Flügel der Sozialdemokratie eine große Rolle spielte. Ebenfalls am 25. Oktober wurde eine neue demokratisch-nationalistische Regierung unter Einschluss der SPU gebildet – um dem proletarischen und kleinbürgerlichen Widerstand zu brechen. Dieser demokratische Flügel produzierte auch viel Nationalismus zur Formierung eines von Österreich unabhängigen Ungarns. Mit dieser demokratisch-nationalistischen Politik konnte die neue Regierung unter dem liberalen Grafen Mihaly Karolyi sich aber nur eine kurze Zeit halten. Am 29. Oktober entwickelte sich in Budapest ein Generalstreik. In dem zuspitzenden Klassenkampf entwickelten sich auch in Ungarn die Organe der proletarischen Selbstorganisation während der revolutionären Nachkriegskrise, die ArbeiterInnenräte. Aber auch in diesem Land waren sie dominiert von den sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, was die Räte als Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes stark deformierte. Die Doppelmonarchie konnte am 31. Oktober durch eine gewaltige proletarische Straßenbewegung in Budapest, die sich einen Tag davor zu entwickeln begann, gestürzt werden, doch nun übernahm es die Demokratie als neue Staatsform den Klassenkampf von oben zu organisieren. Am 3. November 1918 unterzeichneten Österreich und Ungarn einen Waffenstillstand mit der Entente und am 16. desselben Monats wurde die von Österreich unabhängige Ungarische Republik proklamiert.
Doch die ungarischen KleinbäuerInnen verlangten von der linksdemokratischen Regierung eine Bodenreform, die diese nicht durchführen wollte und konnte, da auch die ungarische Bourgeoisie zu stark sozial mit den GroßgrundbesitzerInnen verschmolzen war. Diese kleinbürgerliche Agrarbewegung verjagte die GroßgrundbesitzerInnen und setzte in der Landwirtschaft kleinbürgerlich-individuelles und kleinbürgerlich-kollektives Eigentum (Genossenschaften) durch. So entwickelte sich auf dem Land eine kleinbäuerliche Massenbewegung, die massenhaft nach einer kleinbürgerlichen Warenproduktion – einschließlich von Genossenschaften – strebte. Auch die lokalen ArbeiterInnenräte gingen zu Fabrikbesetzungen über. Durch die kleinbürgerliche Agrarbewegung und den proletarischen Klassenkampf war es der privatkapitalistischen Demokratie nicht möglich sich zu stabilisieren. Am 20. Februar 1919 entwickelten sich bewaffnete Kämpfe zwischen dem demokratischen Regime und dem klassenkämpferischen Proletariat.
Das nutzte die staatskapitalistische Sozialreaktion unter dem Firmenschild der „Ungarischen Räterepublik“. Am 21. November bildete sich die prostaatskapitalistische „Kommunistische“ Partei Ungarns („K“PU), welche nach bolschewistischem Vorbild die kleinbäuerliche und proletarische Unzufriedenheit mit der Demokratie auszunutzen begann. Doch ohne eine kurze staatskapitalistische Wende der zuvor proprivatkapitalistischen SPU wäre die so genannte „Räterepublik“ nie möglich gewesen. Zur kurzfristigen staatskapitalistischen Wende der ungarischen Sozialdemokratie kam es aufgrund des imperialistischen Druckes der Entente, welche die Aufgabe von Teilen Ungarns verlangte. Diesem Druck konnte das privatkapitalistisch-demokratische Regime nicht länger widerstehen und trat am 20. März 1919 zurück. Die SPU verschmolz mit der „K“PU unter Führung des „kommunistischen“ Bürokraten Bela Kun am 21. März. An diesem Tag wurde auch die „Ungarische Räterepublik“ als staatskapitalistisches Regime proklamiert. In dieser seltsamen „Räterepublik“ löste sich der Zentrale Arbeiterrat in Budapest selbst auf und übertrug die Legitimation an die sich formierende staatskapitalistische Regierung.
Die „ungarische Räterepublik“ war von Anfang an wesentlich radikaler staatskapitalistisch ausgerichtet gewesen als das bolschewistische Lenin/Trotzki-Regime. Während letzteres ein paar Monate zwischen Bourgeoisie und Proletariat schwankte und erst im Frühsommer 1918 die gesamte Großindustrie verstaatlichte, ging das ungarische Bela-Kun-Regime bereits ein paar Tage später nach seiner Bildung, am 27. März 1919, zur Verstaatlichung aller Banken und aller Industrie-, Bergbau- und Verkehrsunternehmen mit über 20 Beschäftigten über. Am 3. April 1919 folgte die Verstaatlichung aller Handelsunternehmen mit über 10 Beschäftigten. Noch krasser war der staatskapitalistische Kurs in der Landwirtschaft. Während der bolschewistische Oktoberstaatsstreich 1917 die durch die bäuerliche Agrarbewegung geschaffenen Fakten legitimierte, was bis zur Zwangskollektivierung ab Ende der 1920er Jahre zu einer kleinbäuerlichen Privatwirtschaft in Sowjetrussland führte, verstaatlichte die „Ungarische Räterepublik“ am 3. April 1919 alle landwirtschaftliche Betriebe über 100 Joch (57,5 Hektar). Dadurch vernichtete das staatskapitalistische Regime die GroßgrundbesitzerInnen und die Groß- und MittelbäuerInnen als soziale Schichten, ohne die KleinbäuerInnen und das Landproletariat für sich gewinnen zu können. Die Massen stützten das staatskapitalistische Regime nicht gegen die privatkapitalistische Sozialreaktion, als es am 1. August auch mit Hilfe rumänischer Truppen gestürzt wurde. Die ungarische Sozialdemokratie löste sich wieder vom Partei-„Kommunismus“. Der privatkapitalistisch-konterrevolutionäre Terror beendete die revolutionäre Nachkriegskrise in Ungarn.
Auch in Deutschland führte der Erste Weltkrieg zu einer verschärften Ausbeutung und Verelendung des Proletariats. Die ArbeiterInnenklasse wurde durch das imperialistische Blutbad völlig neu zusammengesetzt. Während viele deutsche männliche Arbeiter zum Wohle des Weltkapitalismus in Uniform gesteckt und gegen ihre ausländischen Klassenbrüder gehetzt wurden, nahmen viele Frauen und Jugendliche ihren Platz in den Fabriken ein, die jetzt größtenteils Zerstörungsmittel für das große Abschlachten von Menschen produzierten. Auch neue Industriekomplexe wie zum Beispiel die chemischen Werke in Leuna entstanden während des Krieges. Die Neuproletarisierung von Kräften, welche die Erfahrungen des Kriegselends machen mussten und nicht durch sozialdemokratische Tradition behindert wurden, trug entscheidend zur Radikalisierung des Klassenkampfes während des Krieges und zur revolutionären Nachkriegskrise bei.
Nachdem auch in Deutschland durch die Burgfriedenspolitik der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung –die deutsche Gewerkschaftsbewegung verzichtete während des Ersten Weltkrieges auf Streiks – zu Beginn des imperialistischen Gemetzels der Klassenkampf abflaute, wurde er ab 1916 verschärft. Es entwickelten sich mehrere wilde Streiks in der Rüstungsindustrie. Der Höhepunkt des Klassenkampfes in Deutschland während des Ersten Weltkrieges waren die unabhängig und gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie organisierten Massenstreiks Ende Januar 1918 – mit den Berliner RüstungsarbeiterInnen als Schwerpunkt. Organisiert wurden sie von ehrenamtlichen GewerkschaftsfunktionärInnen um Richard Müller, die sich „Revolutionäre Obleute“ nannten. Die Streiks richteten sich pazifistisch – und nicht revolutionär – gegen den Krieg und waren auf eine Demokratisierung des Staates – statt dessen Zerschlagung – ausgerichtet. Richard Müller, der Zeit seines Lebens ein radikaler Sozialdemokrat blieb, sorgte auch dafür, dass SPD-PolitikerInnen in die Streikleitung gewählt wurden. Das war seine Tendenz der Anpassung an die konterrevolutionäre SPD, die er auch während der revolutionären Nachkriegskrise beibehielt.
Trotz all dieser Schwächen der Massenstreiks vom Januar/Februar 1918 gab dieser Klassenkampf einen Vorgeschmack auf die kommenden revolutionären Ereignisse (siehe ausführlicher zu Deutschland während des Ersten Weltkrieges: Nelke, Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf, a.a.O., S. 63-71).
Bevor wir diese jedoch ausführlicher beschreiben, wollen wir noch die geistige Radikalisierung der marxistischen Intellektuellen in Deutschland während des Ersten Weltkrieges und die sozialökonomische Situation in diesem Land als die objektiven und die subjektiven Bedingungen der revolutionären Nachkriegskrise genauer unter die Lupe nehmen.
Die meisten radikalmarxistischen Intellektuellen waren vor dem Ersten Weltkrieg in der Sozialdemokratie desorganisiert. Sie waren objektiv das revolutionäre Feigenblatt einer sozialreformistischen – also sozialreaktionären! – Partei. Eine rühmliche Ausnahme war der spätere rätekommunistische Intellektuelle Franz Pfemfert, der schon vor 1914 das staatstragend-nationale Wesen der deutschen Sozialdemokratie in deutlichen Worten hart auseinandernahm. Seit Februar 1911 brachte er die radikale Zeitschrift Die Aktion heraus. Unsere heutigen antinationalen Positionen haben wir SozialrevolutionärInnen auch Pionieren wie Pfemfert zu verdanken. Auf die kapitalistische Zivilisationsbarbarei des Ersten Weltkrieges reagierte er mit der Gründung der kleinen, aber wichtigen Antinationalen Sozialistischen Partei (ASP).
Aber auch innerhalb der Sozialdemokratie radikalisierten sich die marxistischen Intellektuellen und ArbeiterInnen. Der radikale Marxist Karl Liebknecht überwand im Dezember 1914 als erster und einziger Reichstagsabgeordnete der SPD die Fraktionsdisziplin und stimmte gegen die Kriegskredite. Im März 1915 ging Otto Rühle mit Liebknecht diesen Weg. Die radikalen MarxistInnen um Luxemburg und Liebknecht lehnten den imperialistischen Krieg aus revolutionärer Perspektive klar und grundsätzlich ab. Im März 1916 schlossen sich viele von ihnen zum Spartakusbund zusammen. In der SPD entwickelte sich neben dem Spartakus-Bund auch eine gemäßigtere Oppositionsgruppe, der sich schließlich auch Kautsky und Bernstein anschlossen. Diese Strömung befürwortete das globale Gemetzel zwar als „nationalen Verteidigungskrieg“, verurteilte aber dessen imperialistischen Charakter und richtete sich gegen jede Annexionsbestrebungen. Diese schwammige Haltung war natürlich objektiv reaktionär. Anfang 1916 trennte sich im Reichstag diese gemäßigte Oppositionsströmung als „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“ von der SPD-Fraktion. Im April 1917 schlossen sich die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft und der Spartakusbund zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) zusammen. Der Spartakusbund behielt zwar seine organisatorische Selbständigkeit, objektiv muss aber dessen Mitgliedschaft in diesem sozialdemokratischen Verein ganz klar als eine konservative Tendenz – besonders von Rosa Luxemburg – betrachtet werden. Und dass in einer Zeit, die den konsequenten Bruch mit der Sozialdemokratie erforderte.
Genau aus diesem Grunde blieb ein Teil der radikalen MarxistInnen vom Spartakusbund organisatorisch getrennt. Das waren zum Beispiel die „Bremer Linke“ um die von Johannes Knief und Paul Fröhlich herausgegebenen Zeitung Arbeiterpolitik und die Gruppe um die in Berlin erscheinenden Lichtstrahlen um Julian Borchardt. Die Bremer und Berliner radikalen MarxistInnen schlossen sich Ende 1915 zu den Internationalen Sozialisten Deutschlands (ISD) zusammen. Diese Organisation war in wesentlichen Punkten – zum Beispiel im Bruch mit der Sozialdemokratie – konsequenter als der Spartakusbund. Die Hamburger MarxistInnen um Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim unterstützten zwar die ISD, aber sie lehnten deren Internationalismus ab. Sie formulierten schon während des Krieges ihre reaktionäre nationalbolschewistische Ideologie (siehe dazu die beiden Kapitel Das Hamburger Rätesystem und Die Herausbildung der FAUD (S), des Unionismus und der KAPD).
Der radikale Marxismus wurde dann während der revolutionären Nachkriegskrise wie der Anarchosyndikalismus der geistige Überbau einer sich weiter radikalisierenden starken Minderheit des Proletariats. Die objektiven Bedingungen dieser revolutionären Gärung war die zerrüttete sozialökonomische Situation und die starke Verelendung des Proletariats zwischen 1918 und 1923. 1919 lag die deutsche Industrie- und Agrarproduktion um rund 14 Prozent unter dem Stand von 1914. Dem deutschen Personal der Bourgeoisie gelang nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918/19 nicht die Stabilisierung des Geldsystems. Die zuerst galoppierende Inflation ging 1922/23 in eine Hyperinflation über, welche den sozialen Rahmen für den Putschismus der „K“PD im Jahre 1923 gab (siehe dazu das Kapitel Die angeblich „revolutionäre Situation“ von 1923). So lag der Kurs der deutschen Reichsmark zum US-Dollar im August 1923 bei 1 zu 4.600.000 und im November 1923 gar bei 1 zu 4,2 Billionen. Die Löhne wurden zuerst wöchentlich, dann täglich und schließlich mehr Mal am Tag ausgezahlt. Die Ersparnisse der ProletarierInnen und KleinbürgerInnen schmolzen zu Nichts dahin. Erst im November 1923 konnte die Inflation aufgehalten werden. Damit endete die revolutionäre Nachkriegskrise in Deutschland und die Periode der relativen Stabilisierung des westeuropäischen und US-amerikanischen Privatkapitalismus begann.
Doch die relative Stabilisierung des westeuropäischen Kapitalismus dauerte nicht lange. Im Jahre 1929 „brach“ die Weltwirtschaftskrise „aus“. In dieser Weltwirtschaftskrise kam die strukturelle Kapitalvermehrungskrise in zyklischer Form zum Ausdruck. Sie war im Wesentlichen eine Profitproduktionskrise, die jedoch auf der Marktoberfläche als Profitrealisationskrise, als Schwierigkeiten das Waren- in Geldkapital umzuwandeln, sichtbar wurde. Der tendenzielle Fall der Profit- und der Kapitalvermehrungsraten äußerte sich in einer nachlassenden Nachfrage nach Produktionsmitteln und über die Zunahme der Arbeitslosigkeit auch durch eine Zusammenziehung der Konsumgüternachfrage. Doch die Krise ist zugleich auch die Lösung der Krise. Wie wir bereits oben beschrieben haben, wird der tendenzielle Fall der Profitrate kompensiert durch eine Erhöhung der Profitmasse über eine verschärfte Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Größere Kapitale erzielen eine größere Profitmasse und kleinere Kapitale und unprofitable Kapitale unterliegen im Konkurrenzkampf. Außerdem musste eine so tiefe weltweite zyklische Krise wie die von 1929 auch zu einer gewaltigen körperlichen Vernichtung von nichtverkäuflichen Waren und Stilllegung von Produktionskapazitäten führen.
Auch die Entwertung des sachlichen produktiven Kapitals in der zyklischen Krise trägt zur Stabilisierung der Profitrate bei. Eine Entwertung des sachlichen produktiven Kapitals erhöht die Rate zwischen den Kosten der Produktion und den Profiten, die Profitrate. So war es auch in der Weltwirtschaftskrise. Mit Zunahme der Arbeitslosigkeit übte das Kapital auch einen gewaltigen Druck auf die Reallöhne aus. Deshalb kam es auch zu einer Zunahme des reproduktiven Klassenkampfes im Zuge der Weltwirtschaftskrise. Doch das europäische Proletariat – besonders das deutsche – hatte die gewaltigen Niederlagen der revolutionären Nachkriegskrise noch zu sehr in Erinnerung, als dass es sozialpsychologisch zu einem neuen revolutionären Versuch fähig gewesen wäre. Dazu kam die völlige Degeneration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Zu dieser gehörte in Westeuropa und in den USA jetzt auch der moskauhörige Partei-„Kommunismus“. SPD und „K“PD und die Gewerkschaften organisierten in Deutschland die kampflose Kapitulation gegenüber den Nazis.
Der von diesen ausgelöste Zweite Weltkrieg war von allen Seiten ein imperialistisch-reaktionärer. Auschwitz, Hiroshima und Dresden sind die Synonyme des zivilisationsbarbarischen Terrors des Weltkapitals – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen die proletarische und kleinbürgerliche Zivilbevölkerung. Der Zweite Weltkrieg war ein ultrabrutaler Klassenkrieg von oben, in dem der globale Kapitalismus die strukturelle Kapitalvermehrungskrise löste und die Bedingungen für den Nachkriegsaufschwung schuf. Die Konzentration und Zentralisation des Kapitals beschleunigte sich im Zweiten Weltkrieg gewaltig. Die Entwertung des produktiven Kapitals wurde durch die physische Vernichtung von Produktionsanlagen durch den Krieg ergänzt. Diese Zunahme der Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals bei der Zerstörung von Teilkapitalen im Krieg setzte das begonnene „Reinigungswerk“ der Weltwirtschaftskrise fort. So wurden im Blutbad des Zweiten Weltkrieges auch die Bedingungen für das bundesdeutsche „Wirtschaftswunder“ geschaffen…

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2014/11/25/neue-broschuere-die-revolutionaere-nachkriegskrise-in-deutschland-1918-1923/feed/ 0
Neue Broschüre: Der spanische BürgerInnenkrieg (1936-1939) https://swiderstand.blackblogs.org/2014/09/05/92/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/09/05/92/#respond Fri, 05 Sep 2014 18:38:17 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/2014/09/05/92/ Unsere neue Broschüre: „Der spanische BürgerInnenkrieg (1936-1939)“ (ca. 122 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) auch als E-Book hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

In­halt

Ein­lei­tung

Der spanische BürgerInnenkrieg als innerkapitalistischer Konflikt

1. Der spanische Kapitalismus
2. Klassenkämpfe in Spanien (1931-1936)
3. Der Putsch der Generäle
4. Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung verteidigt(e) den demokratischen
Kapitalismus

Die antifaschistische Volksfront gegen das Proletariat

1. Stalinistische Mordbuben und Folterknechte
2. CNT: Gewerkschaftskapitalismus und Staatssyndikalism
3. Die POUM als linkes Feigenblatt der Konterrevolution
4. Der trotzkistische Einheitsfront-Antifaschismus

Frauen im Klassenkampf und BürgerInnenkrieg

1. Die Lage spanischer Frauen vor dem BürgerInnenkrieg
2. Spanische Frauen in BürgerInnenkrieg
3. Nach dem BürgerInnenkrieg

Der trotzkistische Einheitsfront-Antifaschismus

Trotzki schrieb ganz richtig über die bürgerlich-nationale Volksfront einschließlich ihrer anarchistischen MinisterInnen während der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts: „Was die bürgerlich-republikanischen Parteien betrifft, so besaßen sie weder eigene Ideen noch eigene politische Bedeutung und hielten sich nur auf dem Buckel der Reformisten und Anarchisten. Man kann weiterhin ohne Übertreibung sagen, die Führer des spanischen Anarchosyndikalismus haben alles getan, um ihre Doktrin zu desavouieren und praktisch ihre Bedeutung auf Null zu reduzieren. (…) Nach Auffassung der Sozialisten und Stalinisten, d.h. der Menschewiki ersten und zweiten Aufgebots, sollte die spanische Revolution nur ihre ,demokratischen‘ Aufgaben lösen, und dazu sei eine Einheitsfront mit der ,demokratischen‘ Bourgeoisie erforderlich. Jeder Versuch des Proletariats, über den Rahmen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen, ist von diesem Gesichtspunkt nicht nur verfrüht, sondern auch verhängnisvoll. Außerdem steht nicht die Revolution, sondern der Kampf gegen den Rebellen Franco auf der Tagesordnung. Der Faschismus ist jedoch nicht feudale, sondern bürgerliche Reaktion. Erfolgreich kann die bürgerliche Reaktion nur mit den Kräften und Methoden der proletarischen Revolution bekämpft werden. Dafür hat der Menschewismus, selbst ein Zweig des bürgerlichen Denkens, kein Verständnis und kann es auch nicht haben.“ (Leo Trotzki, Die spanische Lehre: eine letzte Warnung, a.a.O., S. 295.)
Bleibt nur hinzuzufügen, dass der Trotzkismus ebenfalls ein Produkt bürgerlichen Denkens ist. Er blieb den sowjetischen Staatskapitalismus und seiner Ideologie, dem Leninismus, verpflichtet. Deshalb war und ist auch der Trotzkismus unfähig zu sehen, dass die Wurzeln der stalinistischen Volksfront-Politik schon im Leninismus angelegt waren. Schon als die „Kommunistische“ Internationale durch das staatskapitalistische Lenin/Trotzki-Regime gegründet wurde, bekämpfte die Moskauer Partei- und Staatsbürokratie global sozialrevolutionäre Positionen als „ultralinke Kinderkrankheit“. Die radikalmarxistischen SozialrevolutionärInnen lehnten die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus, zu der auch Einheitsfronten mit sozialdemokratischen Parteiapparaten gehörten, durch den Leninismus ab. In Deutschland gründete sich 1920 die relativ starke antiparlamentarische und gewerkschaftsfeindliche Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands (KAPD). Die sich von der KAPD abspaltenden RätekommunistInnen lehnten auch die Partei generell als bürgerlich-bürokratische Organisationsform ab. Der Rätekommunismus war auch ein geistiger Pionier bei der marxistischen Kritik des Bolschewismus. Er erkannte schon den staatskapitalistischen Charakter des Lenin/Trotzki-Regimes. Der Rätekommunismus kritisierte den moskauhörigen Partei-„Kommunismus“ als radikale Sozialdemokratie. Der mit der Tradition der KAPD und/oder des italienischen Radikalleninismus (z.B. Bordiga, Bilan) verbundene parteienförmige Linkskommunismus war in seiner Kritik wesentlich weniger radikal als der Rätekommunismus. Der nachmarxistische und nachanarchistische Kommunismus knüpft am Rätekommunismus an, verschärft ihn aber zu einer materialistischen und systematischen Kritik auch an Marx und Engels. Vom italienischen Linkskommunismus übernehmen wir allerdings die radikale Demokratie- und Antifaschismus-Kritik. Hier hatte der Rätekommunismus einige Schwächen, die wir schon an anderer Stelle kritisiert haben.
Von diesem klaren sozialrevolutionären Standpunkt aus kritisieren wir auch den trotzkistischen Einheitsfront-Antifaschismus. Trotzki kritisierte zwar den Volksfront-Antifaschismus, der auf Bündnissen zwischen den Apparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und „normalen“ bürgerlichen Parteien beruhte – aber er trat für antifaschistische Einheitsfronten zwischen den Apparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung ein. Bei einer radikalen materialistisch-revolutionären Analyse sind aber auch diese Apparate bürgerlich-bürokratisch, die nur die bürgerliche Politik und damit die Kapitalvermehrung reproduzieren können. Einheitsfronten zwischen den Apparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung können also nur reaktionär sein. Die verschiedenen realen Einheitsfronten zwischen Sozialdemokratie, Stalinismus, Trotzkismus und Anarchosyndikalismus in der Geschichte waren dann auch tendenziell nicht weniger sozialreaktionär als die antifaschistischen Volksfronten. Eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus konnte zum Beispiel nur proprivatkapitalistisch oder prostaatskapitalistisch sein. Waren die Bourgeoisie und die Sozialdemokratie stärker als die StalinistInnen war die Einheitsfront proprivatkapitalistisch. Jedoch war nach dem Zweiten Weltkrieg durch die militärische Besetzung Osteuropas durch die UdSSR die Situation anders. Hier waren die Einheitsfronten und späteren Einheitsparteien eindeutig von den StalinistInnen beherrscht und nach dem Einsetzen des Kalten Krieges eindeutig prostaatskapitalistisch. Trotzkis Kampf für eine antifaschistische Einheitsfront aus SPD und „K“PD gegen Hitler, war objektiv ein Kampf zur Verteidigung der Weimarer Demokratie gegen den Faschismus – und damit objektiv sozialreaktionär. Bei der Stärke von Bourgeoisie und Sozialdemokratie konnte die Einheitsfront der letzteren mit dem Stalinismus nur proprivatkapitalistisch sein. Mal abgesehen davon, dass eine prostaatskapitalistische Einheitsfront auch reaktionär gewesen wäre. Eine solche reaktionäre Einheitsfront aus den beiden staatskapitalistischen Strömungen Stalinismus und Trotzkismus gab es zum Beispiel in Vietnam – bevor der Stalinismus den Trotzkismus auch dort blutig liquidierte. Der vietnamesische Trotzkismus hat durch seine opportunistische Einheitsfrontpolitik seiner eigenen Vernichtung Vorschub geleistet.
Wir stellen den antifaschistischen Volks- und Einheitsfronten der bürgerlichen Politik den selbstorganisierten Klassenkampf des Proletariats und die soziale Aktionseinheit der kämpfenden Klasse gegenüber. Wir SozialrevolutionärInnen beteiligen uns an fast allen reproduktiven Klassenkämpfen des Proletariats – außer es werden total reaktionäre Forderungen gegen andere Teile des Proletariats aufgestellt. Gleichzeitig kritisieren wir SozialrevolutionärInnen in unseren Gesprächen mit unseren KollegInnen und Klassengeschwistern im gemeinsamen Kampf ihre sozialreformistischen Illusionen. Die Gewerkschafts- und ParteibürokratInnen jedoch, welche die „Führung“ oder besser gesagt die Bremse der reproduktiven Klassenkämpfe darstellen, bekämpfen wir kompromisslos! Auch am defensiven Kampf gegen Nazis nehmen wir selbstverständlich teil – aber organisatorisch und vor allem geistig immer getrennt vom Antifaschismus, den wir permanent unerbittlich als sozialreaktionäre Ideologie und Praxis bekämpfen. SozialrevolutionärInnen verteidigen sich gegen Demokratie und FaschistInnen – aber sie verteidigen niemals die Demokratie gegen den Faschismus.
Das war und ist ein fundamentaler Unterschied zum Trotzkismus. Dieser bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, verteidigte dieses aber militärisch gegen Franco. So schrieb Trotzki: „1. Der Unterschied zwischen Negrin und Franco ist der Unterschied zwischen der verfaulten bürgerlichen Demokratie und dem Faschismus. 2. Überall wo, und immer wenn die revolutionären Arbeiter nicht stark genug sind, unmittelbar das bürgerliche Regime zu stürzen, verteidigen sie gegen den Faschismus sogar die verfaulte bürgerliche Demokratie…“ (Leo Trotzki, Antworten auf einige Fragen, die spanische Lage betreffend (Gedrängte Zusammenfassung), in: Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39, Band 2 1936-39, a.a.O., S. 271.) Der Trotzkismus teilte und teilt also die Grundideologie des Antifaschismus: die Verteidigung der Demokratie. Damit war und ist auch der Trotzkismus sozialreaktionär. Im Unterschied zum Volksfront-Antifaschismus, trat er aber langfristig für den Sturz des Volksfront-Regimes – während er gegenwärtig den militärischen Kampf dieses Regimes gegen Franco unterstützte, einen innerkapitalistischen reaktionären Krieg, in dem die ArbeiterInnen für Kapitalinteressen, für die spanische Demokratie und den sowjetischen Imperialismus verheizt wurden: „Die Negrin-Stalin-Regierung ist ein scheindemokratisches Hindernis auf dem Weg zum Sozialismus, aber auch ein zwar nicht verlässliches oder dauerhaftes, aber immerhin ein Hindernis auf dem Weg zum Faschismus. Morgen, übermorgen kann das Proletariat vielleicht dieses Hindernis wegräumen und die Macht ergreifen. Wenn es aber heutzutage, und sei es auch nur passiv, zu seiner Beseitigung Hilfestellung geben würde, dann würde es nur dem Faschismus Vorschub leisten.“ (Leo Trotzki, Über die „Ultralinken“ im Allgemeinen und die Unheilbaren im Besonderen, in: Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39, Band 2 1936-39, a.a.O., S. 285.) Die spanischen ArbeiterInnen sollten also an ihren Arbeitsplätzen und an der Front weiter schwitzen und bluten für den Unterschied zwischen Stalins und Francos Folterkammern? RevolutionärInnen kämpfen gegen den Kapitalismus, unterstützen aber nicht – und sei es noch so „kritisch“ – eine Fraktion der kapitalistischen Konterrevolution gegen eine andere.
Die revolutionäre Position zum spanischen BürgerInnenkrieg, den der Rätekommunist Paul Mattick 1937 bezog, richtete sich also auch gegen den Trotzkismus: „Die Volksfront ist nicht ein geringeres Übel für die Arbeiter. Es ist nur eine weitere Diktatur in Ergänzung zum Faschismus. Der Kampf muss gegen den Kapitalismus geführt werden.“ (Zitiert nach Red Devil, Widerworte – Gegen die kapitalistische Verfasstheit der Gesellschaft, Historische Texte, a.a.O., S. 17.) Die bolschewistischen Taktikspielchen des Trotzkismus entwaffneten die ArbeiterInnen geistig gegenüber dem kapitalistischen Krieg und der antifaschistischen Konterrevolution, während nur die Links- und RätekommunistInnen den konsequenten Klassenkampf gegen den Kapitalismus vertraten. Allerdings gab es im Trotzkismus auch Strömungen, die eine militärische Verteidigung des Volksfront-Regimes ablehnten. Doch für die Hauptströmungen des Trotzkismus waren und sind wirklich revolutionäre Positionen nur „SektiererInnentum“. So betonte der Trotzkist Les Evans die Bedeutung von Trotzkis Pädagogik „die ganze Vierte Internationalistische Bewegung in zweifacher Hinsicht zu erziehen: zur Ablehnung nämlich der Sektierer in ihren Reihen, die gegen die Unterstützung des republikanischen militärischen Kampfes gegen Franco im Bürgerkrieg waren, wie auch der Zentristen, die bei der Frage einer Volksfrontpolitik eine schwankende Haltung zeigten.“ (Les Evans, Einleitung zur Amerikanischen Ausgabe zu Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39, a.a.O., S. 16/17.)
Der Trotzkismus bekämpft also weiterhin die wirkliche revolutionäre Kritik am Antifaschismus, während er seinen inkonsequenten Einheitsfront-Antifaschismus als einzige revolutionäre Alternative zur Volksfront-Politik darstellt.
Im Vorwort zu Felix Morrows Revolution und Konterrevolution in Spanien behauptete die damalige trotzkistische Sekte Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) 1986: „Stalinismus, Sozialdemokratie, Anarcho-Syndikalismus und Zentrismus –alle spielten eine entscheidende Rolle dabei, die revolutionäre Offensive der Arbeiterklasse zu brechen und schließlich den Triumph der faschistischen Reaktion zu ermöglichen. Nur die Anhänger von Leo Trotzki und die internationale Bewegung, die er anführte, kämpften gegen den Verrat an der spanischen Arbeiterklasse, der unter dem trügerischen Banner der Volksfront begangen wurde, und zeigten in jedem Moment der Entwicklung den Weg vorwärts. Und es waren Trotzki und die Vierte Internationale, die für die ganze internationale Arbeiterklasse die bitteren Lehren aus der Niederlage in Spanien zog.“ (S. 7.) Diese Ignoranz gegenüber marxistischen KritikerInnen des Stalinismus und Trotzkismus!
Allerdings muss noch angemerkt werden, dass Trotzkis SchülerInnen um einiges opportunistischer waren, als der Meister selbst. So unterschied Trotzki – im Gegensatz zu einem Teil seiner damaligen GenossInnen – zwischen einer politischen und einer militärischen Unterstützung der spanischen Volksfront. So war der damalige US-amerikanische Trotzkist Shachtman der Meinung, ein imaginärer trotzkistischer Parlamentsabgeordneter in Spanien hätte auch für den Militärhaushalt der Volksfront-Regierung stimmen müssen. Das sah Trotzki nicht so. Er schrieb in einem Brief an den amerikanischen Trotzkisten James P. Cannon: „Eine Stimmabgabe im Parlament für das Finanzbudget ist keine ,materielle‘ Hilfe, sondern ein Akt politischer Solidarität. Wenn wir für Negrins Budget stimmen können, warum sollten wir nicht unsere Vertreter in seine Regierung entsenden können? Auch das könnte als eine ,materielle Hilfe‘ interpretiert werden. Die französischen Stalinisten setzen ihr volles Vertrauen in die Volksfrontregierung, offiziell aber nehmen sie an ihr nicht teil. Wir bezeichnen diese Art der Nichtbeteiligung als die schlimmste, verderblichste Art einer Beteiligung.“ (Leo Trotzki, Brief an James P. Cannon, in: Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39, Band 2 1936-39, a.a.O., S. 279.) Auch die „kritische“ Unterstützung eines innerkapitalistischen Krieges ist sozialreaktionär, Herr Trotzki!
Die damaligen spanischen TrotzkistInnen wollten sowohl am innerkapitalistischen Krieg teilnehmen, als auch den Klassenkampf gegen das antifaschistische Volksfront-Regime revolutionär zuspitzen. Bei aller Sympathie für den damaligen Mut der TrotzkistInnen – es gehörte damals verdammt viel Mut dazu, Trotzkist zu sein! – war das objektiv strukturell opportunistisch. So verteilten die spanischen TrotzkistInnen während der Barrikadenkämpfe in Barcelona im Mai 1937 folgendes Flugblatt: „Lang lebe die revolutionäre Offensive. Keine Kompromisse. Entwaffnung der republikanischen Nationalgarde und der reaktionären Asalto-Garden. Dies ist der entscheidende Moment. Das nächste Mal wird es zu spät sein. Generalstreik in allen Industriezweigen, ausgenommen jene, die mit der Fortführung des Krieges verbunden sind, bis zum Rücktritt der reaktionären Regierung. Nur die proletarische Macht kann den militärischen Sieg sichern. Vollständige Bewaffnung der Arbeiterklasse. Lang lebe die Einheit der Aktion von CNT-FAI-POUM. Lang lebe die revolutionäre Front des Proletariats. Komitees der revolutionären Verteidigung in den Geschäften, Fabriken, Distrikten. Bolschewiki-Leninisten, Sektion Spanien (für die Vierte Internationale)“ (Zitiert nach Felix Morrow, Revolution und Konterrevolution in Spanien, a.a.O., S. 146.)
Die RüstungsarbeiterInnen sollten also nicht mitstreiken, weil der innerkapitalistische Krieg selbst noch in der Zuspitzung des Klassenkampfes von den TrotzkistInnen verteidigt wurde! Auch orientierte der Trotzkismus die ArbeiterInnen nicht auf die Zerschlagung des demokratischen Staates, sondern nur auf „den Rücktritt der reaktionären Regierung“! Die TrotzkistInnen ließen auch den linken Flügel der antifaschistischen Konterrevolution, CNT-FAI-POUM, hochleben. Typischer trotzkistischer Einheitsfront-Opportunismus! Hätte es damals in Spanien eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung gegeben, so hätte sie ein Flugblatt verteilen müssen, indem folgendes gestanden hätte: „Wir, das Proletariat, sind zwischen den Hammer Francos und den Amboss von Caballero-Stalin geraten. Um nicht zerschlagen zu werden, müssen wir unseren revolutionären Klassenkrieg gegen beide Seiten, gegen den Kapitalismus, führen. Generalstreik, Fabrikräte, Arbeitermilizen, Klasse gegen Klasse! Nieder mit der antifaschistischen Ideologie, die uns an den Kapitalismus binden und von der Revolution abhalten soll! Jetzt richtet die demokratisch-stalinistische Konterrevolution auch ihr blutiges Strafgericht gegen den Schwanz der Konterrevolution: CNT, FAI und POUM. Die CNT-Bonzen rufen uns zur Kapitulation auf. Kein Wunder, organisiert diese Gewerkschaft doch unsere Ausbeutung mit! Keine Illusionen in die „anarchistischen“ und „marxistischen“ Gewerkschafts- und Parteibonzen. Wenn wir jetzt gegen die republikanisch-stalinistische Konterrevolution kämpfen, dann für uns – nicht für CNT und POUM! Nieder auch mit diesem Schwanz der Konterrevolution! Es lebe der selbstorganisierte revolutionäre Klassenkrieg gegen Franco und die antifaschistische Volksfront!“

…..

Trotzki schrieb am 1. Juli 1939: „Es ist schwierig, sich eine einfältigere Erfindung als die Hitlers und Mussolinis vorzustellen, wenn sie auf die spanischen Ereignisse als Beweis für die revolutionäre Einmischung der Sowjetunion verweisen. Die spanische Revolution, die ohne Moskau und unerwartet für es ausbrach, strebte bald dahin, einen sozialistischen Charakter anzunehmen. Moskau fürchtete vor allem, dass die Beeinträchtigung des Privateigentums auf der Iberischen Halbinsel London und Paris zu einer Annäherung an Berlin gegen die UdSSR bringen würde. Nach einigem Zögern intervenierte der Kreml in die Ereignisse, um die Revolution in den Grenzen des bürgerlichen Regimes zu halten.
Alle Aktivitäten der Moskauer Agenten in Spanien waren darauf abgestellt, jede unabhängige Bewegung der Arbeiter und Bauern zu lähmen und die Bourgeoisie mit einer gemäßigten Republik zu versöhnen. Die spanische Kommunistische Partei stand auf dem rechten Flügel der Volksfront. Am 21. Dezember 1936 empfahlen Stalin, Molotov und Woroschilow eindringlich in einem vertraulichen Brief an Largo Caballero, dem damaligen spanischen Ministerpräsidenten, dass es keine Eingriffe in das Privateigentum geben dürfe und dass dem ausländischen Kapital Garantien gegen die Verletzung der Handelsfreiheit und für die Aufrechterhaltung des parlamentarischen Systems – ohne Duldung der Entwicklung der Sowjets – gegeben werden müsse. Dieser kürzlich von Caballero der Presse durch den ehemaligen spanischen Gesandten in Paris, L. Araquistain zugeleitete Brief(New York Times vom 4. Juni 1939) fasste aufs Beste die konservative Position der Sowjetregierung gegenüber der sozialistischen Revolution zusammen.
Wir müssen im Übrigen dem Kreml Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Politik blieb nicht bei Worten stehen. Die GPU in Spanien führte eine rücksichtslose Unterdrückung gegen den revolutionären Flügel durch (,Trotzkisten‘, POUMisten, linke Sozialisten, linke Anarchisten). Jetzt, nach der Niederlage (dem Sieg Frankos im BürgerInnenkrieg, Anmerkung von Nelke), werden die Grausamkeiten und Fälschungen der GPU in Spanien bereitwillig von den gemäßigten Politikern aufgedeckt, die weitgehend den Moskauer Polizeiapparat in Anspruch nahmen, um ihre revolutionären Gegner zu vernichten.“ (Leo Trotzki, Die konterrevolutionäre Rolle des Kreml, in: Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39, Band 2 1936-39, a.a.O., S. 333/334.
Heinz Abosch schrieb dazu: „Vor allem täuschte sich Trotzki in der Beurteilung der Politik Stalins. Er sah darin ein Mittel um die Revolution im bürgerlich-demokratischen Rahmen einzuzwängen; er sah nicht, dass diese bürgerlich-demokratisch vermummte Politik der Errichtung einer bürokratischen Diktatur diente, die Trotzki als ,Arbeiterstaat‘ zu verteidigen fortfuhr. Was Stalin in Spanien erprobte, wandte er nach 1945 im östlichen Europa auf breiter Grundlage an, als die ,Volksdemokratien‘ eine Etappe auf dem Wege zur Errichtung kommunistischer Regime darstellten“ (Heinz Abosch, Trotzki und der Bolschewismus, Ullstein Materialien, Frankfurt/M, Berlin, Wien 1984, S. 134/135.)
Abosch zeigte sich durch diese Worte als ein linksdemokratischer Trotzki-Kritiker. Fakt ist, dass sich der Terror Stalins nicht gegen bürgerliche DemokratInnen richtete, sondern gegen ihre linken KritikerInnen. Fakt ist auch, dass er den Kapitalismus des freien Privateigentums unangetastet ließ. Er war also ein Todfeind der sozialen Revolution. Ob Stalin nach einem Sieg über Franko auch die Demokratie und das Privateigentum an den Produktionsmitteln beseitigt hätte, können wir nicht wissen – Franco siegte im BürgerInnenkrieg, begünstigt durch Stalins Politik. Umso weniger konnte das Trotzki wissen – er konnte die Erfahrungen mit dem Sowjetimperialismus in Osteuropa nicht mehr machen, da er vorher von Stalins Schergen ermordet wurde. Auch muss beachtet werden, dass der sowjetische Imperialismus zwischen Anpassung an den Privatkapitalismus und Unterstützung der staatskapitalistischen Sozialreaktion hin und her schwankte. Darüber ob Stalin in Spanien das Privateigentum verteidigte oder letztendlich das Staatseigentum vorbereiten wollte, sollen sich unseretwegen DemokratInnen und TrotzkistInnen streiten –beide Seiten haben keine Ahnung von der sozialen Revolution. Aus unserer Sicht ist diese Frage auch unerheblich. Der „ArbeiterInnenstaat“ ist genauso ein erbitterter Feind der sozialen Revolution wie die Demokratie, die die spanischen Lohnabhängigen seit dem Tod Francos „genießen“ können.

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2014/09/05/92/feed/ 0
Revolutionär sein – heißt antipolitisch sein! https://swiderstand.blackblogs.org/2014/05/01/revolutionaer-sein-heisst-antipolitisch-sein/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/05/01/revolutionaer-sein-heisst-antipolitisch-sein/#respond Thu, 01 May 2014 20:45:01 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=84 Die­ses Flug­blatt wurde bei der 1.Mai Demostration in Nürnberg ver­teilt.

Streikende Arbeiter von Ssangyong-Motorenwerk. Pyeongtaek, Südkorea, Juni 2009

Während sich die Bourgeoisie immer besser hinter dem permanent repressiver werdenden demokratischen Staatsapparat und den FaschistInnen als Hilfstruppen gegen das Proletariat verschanzt, hilft die politische Linke mit ihrer nationalen, parlamentarischen und sozialreformistischen Ideologie-Produktion die proletarisierten Menschen in ihrem Kampf gegen Kapital und Staat zu entwaffnen. Wenn wir die politische Linke hart kritisieren, dann fußt das auf der Kritik der Politik im Allgemeinen und auf der Tatsache, dass nur der revolutionäre Kampf gegen die Politik dem Proletariat die Möglichkeit der sozialen Befreiung von privatkapitalistischer und staatlicher Ausbeutung und Unterdrückung eröffnet.

Politik ist die staatsförmige Organisation von Klassengesellschaften. Jede Klassengesellschaft bringt eine besondere Form von Politik und verschiedene Staatsformen hervor, die den jeweiligen Produktionsverhältnissen entsprechen. Doch eines haben alle Formen der Politik in Klassengesellschaft gemeinsam: Die Politik ist die Organisationsform der jeweils herrschenden Klassen, der Staat ist ihr Machtapparat gegen die jeweilig ausgebeuteten und unterdrückten Klassen. Bürgerliche Politik ist die staatsförmige und zivilgesellschaftliche Rahmengestaltung der Kapitalvermehrung. Wenn sich das Kapital als bestimmendes Produktionsverhältnis durchgesetzt hat durchdringt es mehr und mehr auch die Politik, die dadurch zur kapitalistischen Politik wird.

Und was ist mit der linker Politik? Neben der Sozialdemokratie in Westeuropa setzte sich in Osteuropa, in einigen Ländern Asien und Afrikas, sowie auf Kuba linke Politik und Ideologieproduktion in marxistisch-leninistischer Form als Avantgarde der ursprünglichen staatskapitalistischen Industrialisierung durch. Die partei-„kommunistische“ Linke in Westeuropa verteidigte den Staatskapitalismus grundsätzlich. Auch der Parteimarxismus war also von Anfang an strukturell sozialreaktionär und konterrevolutionär gegen das Proletariat, weil er die bürgerliche Politik reproduzierte und einen bürgerlich-bürokratischen Apparat hervorbrachte. Innerhalb der politischen Linken, die strukturell sozialreaktionär sind, gibt es natürlich subjektiv ehrliche AktivistInnen, die, nachdem sie mit der linken Politik gebrochen haben, eine große Bereicherung für die sozialrevolutionäre Antipolitik sind. Die kleinbürgerliche politische Linke ist ein Hindernis beim Aufbau wirklich sozialrevolutionärer Gruppen.

Sozialrevolutionäre Antipolitik ist der bewusste Kampf gegen groß- und kleinbürgerliche Politik. Sie strebt also die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats an, die zugleich die Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung und der Politik als staatsförmige Organisation der Klassengesellschaft ist. Sozialrevolutionäre Antipolitik ist unvereinbar mit linker Politik, diesem erbärmlichen Kasperletheater, das für beschränkte KleinbürgerInnen ein nettes Nischenprogramm im Rahmen von kapitalistischer Warenproduktion und Politik zu bieten vermag, aber das proletarische Elend nur reproduzieren kann. Mit der linken Politik zu brechen ist keine „Isolation“, sondern ein notwendiger Selbstreinigungsprozess!

Die sozialrevolutionären Gruppen müssen innerhalb ihrer Reihen die kleinbürgerliche Politik und Ideologie-Produktion des linksbürgerlichen Milieus überwinden. In ihnen darf es keine hauptamtlichen FunktionärInnen geben, denn diese reproduzieren kleinbürgerliche Politik und Ideologie-Produktion und die Klassengesellschaft in Form eines bürokratischen Apparates und einer proletarischen Basis. Sozialrevolutionäre Gruppen müssen in sich die bürgerlich-kapitalistische Arbeitsteilung zwischen geistig-leitender und körperlich-ausführender Tätigkeit überwinden. Intellektuelle müssen also auch Broschüren drucken und Flugblätter verteilen, während ArbeiterInnen trotz der Arbeitsbelastung danach streben müssen auch geistig-sozialrevolutionär tätig zu sein.

Die anarchistische Kritik am marxistischen Parlamentarismus hat ganz gewiss ihre theoretischen und praktischen Schwächen, doch sie war von Anfang an grundsätzlich richtig. Allerdings war auch die marxistische Kritik am individuellen Terror außerhalb des proletarischen Klassenkampfes, zu dem der Anarchismus im 19. Jahrhundert stark neigte, grundsätzlich richtig. Außerhalb des bewaffneten Massenkampfes des Proletariats in revolutionären Situationen sind alle bewaffneten Aktionen gegen Kapital und Staat als grundsätzliche Strategien von linken Individuen und Gruppen zum Scheitern verurteilt, weil der Staat auf diesem Terrain immer überlegen sein wird. Auch bei den proletarischen Massenkämpfen kann die bewaffnete Militanz nur ein Teilaspekt der möglichen sozialen Revolution sein. Die Hauptwaffe wird die Aneignung von brauchbaren Produktionsmitteln und die Unbrauchbarmachung kapitalistischer Destruktivkräfte, die nicht in eine klassenlose Gesellschaft überführt werden können, sein. Doch die militante Form der proletarischen Selbstorganisation, also die Diktatur des Proletariats, wird bei der möglichen weltweiten Zerschlagung aller Nationalstaaten noch eine wichtige Rolle spielen. Auch heutige militante Kämpfe des Proletariats gegen Bosse, Bonzen und Bullen sind wichtige Schulen des Klassenkampfes.

Dagegen ist die Gewalt der anarchistischen/autonomen Straßenpolitik vollkommen kontraproduktiv. In Deutschland ist die autonome Straßenpolitik durch opportunistische und sozialreformistische Bündnisse mit linksbürgerlichen OppositionspolitikerInnen und vollkommen sinnlosen Straßenschlachten mit den Bullen geprägt. Ideologisch nährt sich die autonome Szene aus einem Mischmasch aus Marxismus und Anarchismus, der allerdings bei ihnen keine sozialrevolutionäre Synthese ergeben kann, da die Straße getrennt vom proletarischen Klassenkampf im Produktionsprozess kein Ort revolutionärer Praxis sein kann. Doch die autonome/anarchistische Straßenpolitik ist wegen ihrer kleinbürgerlichen Klassenbasis eben strukturell auf die Straße beschränkt. SozialrevolutionärInnen müssen deutlich zwischen autonomer/anarchistischer Straßenpolitik und sozialen Straßenbewegungen (Hungerrevolten, Jugendrebellionen und Ghettoaufstände) unterscheiden, in denen besonders die nicht lohnabhängigen Schichten des Proletariats und die untersten Schichten des KleinbürgerInnentums ihre soziale Empörung demonstrieren. Auch der proletarische Massenstreik ist oft mit einer machtvollen sozialen Straßenbewegung verbunden, in denen das nicht mehr Mehrwert produzierende Proletariat auf die Straßen und öffentlichen Plätze strebt, um Kapital und Staat seine soziale Kraft zu zeigen. Nur eine soziale Straßenbewegung die sich zusammen mit dem proletarischen Klassenkampf im Produktionsprozess entwickelt und radikalisiert kann einen sozialrevolutionären Charakter annehmen.

Gewalt, auch notwendige sozialrevolutionäre Gewalt, mit der der ganze kapitalistische Dreck weggefegt werden muss, um einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft Platz zu machen, kann niemals frei von asozialen Tendenzen sein. Eben deshalb müssen SozialrevolutionärInnen ein sehr bewusstes Verhältnis zur Gewalt haben. Das schließt kleinbürgerlichen Pazifismus ebenso aus wie nicht weniger kleinbürgerlichen linken Militarismus. Die linke Straßenpolitik produziert notwendig eine ekelhafte Mischung aus Sozialreformismus und linksbürgerlichen Militarismus. Linke Straßenpolitik, ob sie ideologisch nun vom Marxismus oder Anarchismus oder durch dessen Mischprodukte gerechtfertigt wird, ist wie jede Politik grundsätzlich strukturell sozialreaktionär.

Die so genannte „internationale Solidarität“ eines Großteils der „radikalen Linken“ ist durch und durch nationalistische Politik, die ganz bestimmt nicht der sozialen Revolution dient, sondern eindeutig sozialreaktionär ist. Denn nationale Befreiung (siehe Vietnam, Kuba, Südafrika usw.) heißt immer Reproduktion von Kapital, Lohnarbeit und Staat –wenn auch unter einem neuen nationalen Firmenschild. Manche dieser Linken behaupten „antideutsch“ zu sein, sie wedeln dafür fleißig mit Israel-Fahnen herum. Bei diesem schmutzigen Spiel linker Realpolitik wird fleißig Sand über die reale Demokratie als Diktatur des Kapitals gestreut. Auf „breiten Antifa-Bündnissen“ kämpft die radikale Linke zusammen mit BerufspolitikerInnen – die, wenn sie sich nicht auf Antifa-Bündnissen rumtreiben, die Ausbeutung des Proletariats mit organisieren – „gegen Nazis“. Nun ja, manchmal gehen die regierenden DemokratInnen auch gegen die Antifa vor und ihre Geheimdienste organisieren die Naziszene mit. Doch hin und wieder ist dann auch mal Ringelpiez mit Anfassen zusammen mit der Antifa angesagt. Gerade diese breiten Antifa-Bündnisse machen eines klar: SozialrevolutionärInnen müssen Nazis, regierende DemokratInnen und die kleinbürgerliche politische Linke bekämpfen.

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2014/05/01/revolutionaer-sein-heisst-antipolitisch-sein/feed/ 0
Vortrag bei der Literatrurmesse https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/#respond Fri, 08 Nov 2013 00:39:33 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=76 Wir veröffentlichen hier den Vortrag, den unser Genosse Nelke auf der Literaturmesse im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ in Nürnberg, den 2. November 2013 gehalten hat.

Streik Israel
Mitarbeiter israelischer Fluggesellschaften protestieren gegen das Billigflugabkommen zwischen Israel und der EU AFP

Der Titel dieser Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats“ ist bewusst gewählt. Er macht deutlich, dass Juden im 20. Jahrhundert nicht nur Opfer waren, sondern auch selbstbewusste Subjekte des proletarischen Klassenkampfes. Die Broschüre zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Erstens wird in ihr nicht der Begriff „Antisemitismus“ benutzt, sondern der ältere Begriff „Antijudaismus“. Wir unterscheiden weiterhin zwischen religiösen und rassistischen Antijudaismus. Der „Antisemitismus“-Begriff wird von uns aus zwei Gründen verworfen. Erstens ist er ungenau. So sind die Juden und Jüdinnen nicht die einzigen Semiten, aber der Begriff „Antisemitismus“ umfasst nur die chauvinistische Feindseligkeit gegen Juden. Zweitens ist der Antisemitismusbegriff zu einer politischen Waffe zionistischer und prozionistischer Kräfte geworden. So gilt im bundesdeutschen Politmainstream bereits eine „unangemessene“ Kritik an Israel als „antisemitisch“. Wie viel Kritik an Israel angemessen ist, entscheiden dann die zionistischen und prozionistischen Kräfte. Die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz, ist heutzutage fast hundertprozentig prozionistisch, so wie sie zwischen 1933 und 1945 fast hundertprozentig antijüdisch war. „Solidarität mit Israel!“ ist für die deutsche Bourgeoisie taktisch klug und eine gute Waschanlage, um sich vom Dreck und Blut ihrer faschistischen Vergangenheit reinzuwaschen. Doch inzwischen sind die Hände der demokratischen deutschen Bourgeoisie reichlich beschmiert mit neuem Dreck und neuem Blut, wozu auch die mordbübische Solidarität mit Israel gehört. Die so genannten „Antideutschen“ sind in dieser Frage der Lautsprecher der deutschen Bourgeoisie.
Wir SozialrevolutionärInnen üben an Israel und am Zionismus die einzig angemessene Kritik, die für uns möglich ist: Wir sind für die Zerschlagung des Staates Israel durch die soziale Revolution, so wie alle Nationalstaaten als Machtapparate des Kapitals vom Weltproletariat zerschlagen werden müssen, wenn es sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien will. Die soziale Revolution ist die Zerschlagung von Nationalstaaten, aber nicht deren Neugründung. Deshalb bekämpfen wir auch den palästinensischen Nationalismus konsequent antinational. Denn jede bürgerliche Nation ist die Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Arbeit. Für Lohnabhängige ist der Staat somit die politische Verlängerung der kapitalistischen Fabrik. Nationale Befreiung reproduziert die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats. So werden jetzt die schwarzen ArbeiterInnen in Südafrika nicht mehr von den Bullen des Apartheit-Regimes massakriert, sondern von den Bullen des ANC-Regimes. Diese grundsätzliche antinationale Haltung ist eine weitere Besonderheit dieser Broschüre. Sie unterscheidet sich eindeutig vom nationalistischen Krampf, der auch von einem Großteil der kleinbürgerlichen politischen Linken produziert wird.
Bevor in der Broschüre der Kampf des jüdischen Proletariats im zaristischen Russland und im unabhängigen Zwischenkriegspolen beschrieben wird, stellen wir die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen.
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt im Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des dortigen Kapitalismus nicht möglich. Die in Osteuropa nichtmögliche Assimilation der Jüdinnen und Juden machte diese zum Hassobjekt einer feudal-kapitalistischen Sozialreaktion, besonders im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen. Pogrom ist ein russisches Wort, das in die Weltkultur einging. In diesen Pogromen wurden jüdische Geschäfte geplündert, jüdische Frauen vergewaltigt und jüdische Menschen ermordet. Für den Zarismus war die Organisation von Pogromen auch ein Blitzableiter, um die soziale Wut der Bauern, die durch feudale Ausbeutung und durch Unterdrückung des zaristischen Staates geschürt wurde, auf die Juden zu lenken. Auch Dank antijüdischer Pogrome konnte sich der überlebte Zarismus noch bis 1917 halten.
Die Juden in Osteuropa waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer Nichtassimilation durch den ökonomisch noch zu schwachen Kapitalismus weitgehend auf die jüdische Kleinindustrie bzw. dem jüdischen Kleinhandel angewiesen – die immer weniger in der Lage waren, die Menschen zu ernähren und zunehmend von der großkapitalistischen Konkurrenz vernichtet wurde, was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus. Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse.
Aber auch DemokratInnen betrieben im Westeuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine massive antijüdische Politik, die sich gegen die osteuropäisch-jüdische Emigration richtete. So beschloss zum Beispiel das britische Parlament im Jahre 1902 das Aliens Exclusion Bill.
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus, mit dem Ziel in Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen, war eine Reaktion des bürgerlichen Teils des Judentums auf dessen Nichtassimilation in Osteuropa und den wachsenden Antijudaismus in Westeuropa. Wie jeder bürgerliche Nationalismus, der sich noch keinen Staat schaffen konnte, strebte der Zionismus als Ideologie und Politik der jüdischen Bourgeoisie danach, das „eigene“ Kapital und die „eigene“ Arbeit erst noch ursprünglich zu einer nationalen Schicksalsgemeinschaft zu verschmelzen. Er war das Ziel der zionistischen Bourgeoisie das jüdische Proletariat selbstverantwortlich in einem „eigenen“ Staat auszubeuten. Damit war der Zionismus wie jeder Nationalismus objektiv der Hauptfeind des „eigenen“, in diesem Fall des jüdischen Proletariats, und für das Weltproletariat ein Feind unter vielen.
Wie jeder Nationalismus erzeugte der Zionismus den realen Schein und die Scheinrealität einer nationalen Schicksalsgemeinschaft, in diesem Fall zwischen jüdischer Bourgeoisie und jüdischem Proletariat. Der Zionismus hatte für den Weltkapitalismus die wichtige Funktion jüdische ArbeiterInnen überall auf der Welt von der Perspektive des gemeinsamen Klassenkampfes mit ihren nichtjüdischen KollegInnen abzulenken und das jüdische Proletariat für die Neugründung eines zionistischen Nationalstaates zu mobilisieren. Auch so genannte linke Strömungen im Zionismus, wie zum Beispiel die Hashomer Hatzair predigten vor dem nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden den jüdischen ArbeiterInnen in der kapitalistischen Welt, dass sie sich vom Klassenkampf fernhalten sollten – und auch vom aktiven Kampf gegen den Antijudaismus.
Durch die ideologische Offensive geistig total verwirrt, ist es bei einem nicht geringen Teil der kleinbürgerlichen politischen Linken in Deutschland Mode, den Zionismus gegen revolutionäre Kritik in Schutz zu nehmen. Er sei eine natürliche Reaktion auf den Antijudaismus. Das ist aufgrund der Tatsache, dass der Zionismus mit den schlimmsten Judenschlächtern systematisch paktierte, um seinen Judenstaat zu verwirklichen, eine sehr grobe Geschichtsfälschung. Der Zionismus trat manchmal in Worten gegen die rassistische Judenfeindschaft auf, aber in der Praxis wurde der erste durch den letzteren gestärkt. Der Judenhass diente den ZionistInnen als Beweis dafür, dass die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die bestehenden Staaten unmöglich wäre und deshalb ein besonderer jüdischer Staat gebraucht würde. So waren der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die bürgerliche Assimilation der jüdischen Bevölkerung in den westeuropäischen Nationalstaaten die beiden Hauptfeinde des Zionismus. Das sprachen die führenden ZionistInnen auch offen aus. So formulierte der ehemalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Zionistischen Weltorganisation, Nahum Goldmann: „Die Gefahr der Assimilation der jüdischen Gemeinschaft unter den Völkern, in deren Mitte sie leben, ist sehr viel ernster als die äußere Bedrohung durch den Antisemitismus.“ (Le Monde, 13.1.1966, zitiert nach Nathan Weinstock, Le sionisme contre israel, Paris 1966, S. 38.) Auch der Gründungsvater des Zionismus, Herzl, kämpfte nicht gegen den Antijudaismus, sondern predigte bereits 1895 die passive Anpassung an ihn, was dann später zum praktischen Programm des Zionismus wurde.
Die ZionistInnen stimmten vor der Staatsgründung Israels mit den Judenhassern darin überein, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland keine Deutschen, in Frankreich keine Franzosen usw. seien. Nun, als proletarische RevolutionärInnen fühlen wir uns auch nicht als Deutsche, Franzosen usw., sondern als Teil des globalen Proletariats, und wir bekämpfen sowohl die Integration von ProletarierInnen in den jeweiligen Nationalstaat, als auch die rassistische Ausgrenzung „ausländischer“ Klassengeschwister. Doch als der Zionismus als jüdischer Nationalismus in der Vergangenheit gegen die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die jeweiligen Nationalstaaten zu Felde zog, begünstigte er eindeutig den Antijudaismus. Ja, einige ZionistInnen paktierten offen mit den Judenhassern. Die Broschüre belegt eindeutig den grundsätzlich sozialreaktionären Charakter des Zionismus und dass dieser bereit war mit dem reaktionärsten Pack zusammenzuarbeiten, angefangen über den Zarismus, dem britischen Imperialismus und den italienischen Faschismus bis hin zu den deutschen Nazis.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden. Im Gegensatz zur groß- und kleinbürgerlichen Ideologieproduktion, für die Auschwitz die Symbolisierung des unerklärlichen Bösen darstellt, erläutern wir in dieser Broschüre wie die faschistische Irrationalität, die am brutalsten am industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen zum Ausdruck kommt, sich durchaus mit der Rationalität der Kapitalvermehrung verband und sowohl mit dem innerkapitalistischen Konkurrenzkampf als auch mit dem Klassenkampf von oben in enger Verbindung stand. So konnten sich deutsche „arische“ KapitalistInnen und KleinbürgerInnen bei der so genannten Arisierung der deutschen Wirtschaft jüdisches Kapital aneignen. Der faschistische Massenmord an den osteuropäischen Juden beendete auch deren Klassenkampf gegen den Antijudaismus.
Denn eine andere Folge der Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden Osteuropas war neben der Entstehung des Zionismus die Herausbildung eines besonderen jüdischen Proletariats in Osteuropa, welches vor und während der russischen Revolution von 1905 oft militante Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, staatliche Unterdrückung und mörderischen Antijudaismus in Form der Pogrome führte. Besonders in jenen Gebieten Osteuropas, welche sich der russische Zarismus einverleibt hatte, lebte ein besonders großes und klassenkämpferisches jüdisches Proletariat. Dieses jüdische Proletariat lebte, arbeitete und kämpfte in einem Gebiet, das sich von Litauen im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden und von Polen im Westen bis nach Weißrussland und der Ukraine im Osten erstreckte. Den Kampf dieses Proletariats beschreiben wir in der Broschüre genauer.
Ein bürokratisch und ideologisch entfremdeter Ausdruck dieses jüdischen klassenkämpferischen Proletariats im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen war die Existenz einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, des Bundes. Wir kritisieren den Bund als eine sozialdemokratische Partei, die auf der einen Seite einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und auf der anderen Seite eine proletarische Basis hervorbrachte, also die Klassenspaltung in den eigenen Reihen reproduzierte. Wir erkennen aber an, dass der Bund einen militanten Kampf gegen alle reaktionären Judenhasser führte: gegen den russischen Zarismus, gegen polnische Chauvinisten und gegen den deutschen Faschismus. Der Bund wurde jedoch auch immer jüdisch-nationaler im Verlauf seiner Entwicklung, was wir aus einer antinationalen Haltung heraus klar kritisieren. Auch muss beachtet werden dass auch jüdische Intellektuelle und ProletarierInnen Russlands und Polens außerhalb des Bundes in der russischen und polnischen ArbeiterInnenbewegung wirkten. Es ist bemerkenswert, dass die bekanntesten osteuropäisch-jüdischen Intellektuellen der internationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki, nicht Teil des Bundes waren. Das lehnten beide auf Grund ihres „proletarischen Internationalismus“ ab. Beide versuchten sich in die jeweiligen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen zu assimilieren. Aber beide blieben wegen ihrer Radikalität Außenseiter dieser institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – und beide waren auch unfähig diese wirklich zu verlassen wie die rätekommunistischen ArbeiterInnen und Intellektuellen. So blieben Luxemburg und Trotzki der kleinbürgerlich-radikale Rand der institutionalisierten Arbeiterinnenbewegung, eines Apparates, der schließlich auch sie ausspuckte und blutig zermalmte.
Der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, welcher natürlich von heutigen SozialrevolutionärInnen scharf dafür kritisiert werden muss, dass er nicht konsequent antinational war, wurde wegen ihrer Nichtintegration in die osteuropäischen Nationen besonders von osteuropäischen jüdischen ArbeiterInnen und Intellektuellen getragen. Bei diesen war der „proletarische Internationalismus“ eine relativ progressive sozialpsychologische Verarbeitung ihrer Nichtassimilation. Bürgerliche NationalistInnen projizierten ihren Hass auf die „vaterlandslosen Gesellen“ zunehmend auf das ganze Judentum. Auch Hitler gehörte zu ihnen. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Damit projizierte Hitler seinen Hass auf die jüdischen InternationalistInnen auf das gesamte Judentum, also auch auf Menschen, die sich in die jeweiligen bürgerlichen Nationalstaaten assimiliert hatten und sich auch in den jeweils herrschenden Nationalismus integriert hatten oder einem jüdischen Nationalismus (Zionismus) frönten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch gegen den proletarischen Internationalismus. Durch die Staatswerdung des Zionismus und dessen Dominanz im Judentum geriet auch die progressive Tradition jüdischer InternationalistInnen in Vergessenheit. Wir verteidigen kritisch das progressive Erbe der jüdischen InternationalistInnen gegen Antijudaismus und Zionismus.
Nein, die Nazis haben die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus nicht erfunden. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie ließ am 15. Januar 1919 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch die Freikorps ermorden. Als ideologische Vorbereitung dieses Mordes veröffentlichte die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts am 12. Januar 1919 ein antikommunistisches, rassistisches und antijüdisches Gedicht, in dem die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus“ hochgekocht wurde, indem die beiden bolschewistischen Funktionäre Trotzki und Radek bei ihren kaum bekannten jüdischen Namen benannt wurden: „Ich sah der Massen mörderischer Streife,/ sie folgten Karl, dem blinden Hödur nach,/ sie tanzten nach des Rattenfängers Pfeife,/ die ihnen heuchlerisch die Welt versprach./ Sie knieten hin vor blutigen Idolen,/ bauchrutschend vor der Menschheit Spott und Hohn,/ vor Russlands Asiaten und Mongolen,/ vor Braunstein (Trotzki), Luxemburg und Sobelsohn (Radek)./ O, kehret um ihr aufgehetzten Horden!/ Ihr ruft nach Freiheit, nur um sie zu morden.“ (Vorwärts Nr. 34, 12.1.1919.) Die deutsche Sozialdemokratie als Wegbereiterin des faschistischen Antijudaismus!
Viele jüdische RevolutionärInnen fielen der kapitalistischen Konterrevolution und dem deutschen Faschismus als deren ultrafanatischen Höhepunkt zum Opfer. Ihnen haben wir unsere Broschüre gewidmet. Ihr Kampf gegen Kapitalismus, Antijudaismus und Zionismus ist auch unser Kampf. Nieder mit dem Bündnis aus deutscher Bourgeoisie und dem zionistischen Regime Israels! Hoch, die antinationale Solidarität!

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/feed/ 0
Neue Broschüre: Klassenkämpfe in Griechenland (2008-2013) https://swiderstand.blackblogs.org/2013/10/02/neue-broschuere-klassenkaempfe-in-griechenland-2008-2013/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/10/02/neue-broschuere-klassenkaempfe-in-griechenland-2008-2013/#comments Wed, 02 Oct 2013 21:40:16 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/2013/10/02/neue-broschuere-klassenkaempfe-in-griechenland-2008-2013/ Unsere neue Broschüre: „Klassenkämpfe in Griechenland (2008-2013)“ (ca. 122 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr für 5-€ (inkl. Porto) hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Einleitung

I. Griechenland in der Weltwirtschaftskrise
1. Allgemeine Entwicklungstendenzen der Kapitalvermehrung
2. Vom Nachkriegsaufschwung zur strukturellen Überanhäufung von Kapital
3. Die Weltwirtschaftskrise ab 2007
4. Griechenland in der Krise

II. Die Politik gegen das griechische Proletariat

1. Die internationale Politik gegen das Weltproletariat
2. Die internationale Politik gegen das griechische Proletariat
3. Die inländische Politik gegen das griechische Proletariat
3.1 Die regierenden DemokratInnen
3.2 Die FaschistInnen
3.3 Die kleinbürgerliche politische Linke
4. Sozialrevolutionäre Antipolitik

III. Der Kampf der unteren Klassen in Griechenland

1. Generalstreiks und soziale Straßenbewegungen
2. Klassenauseinandersetzungen in Branchen und Einzelbetrieben
3. Der Kampf der MigrantInnen
4. Die Jugendrebellion vom Dezember 2008

Griechenland in der Krise

Griechenland geriet 2008 in die konjunkturelle Profitproduktions- und Profitrealisationskrise, welche gleichzeitig eine Ausdrucksform der globalen Kapitaluntervermehrungskrise war. Im Jahre 2008 sank das Bruttoinlandsprodukt um 0,1 Prozent. Noch weiter runter in den Keller ging die griechische Kapitalvermehrung im Jahre 2009. Das dürre Hilfsmittel der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft, das Bruttoinlandsprodukt, gibt nur sehr dürftig wieder, worum es im Kapitalismus geht, nämlich um die Produktion und Realisation von möglichst viel Mehrwert. Doch selbst die schlechten Krücken der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft weisen für das Jahr 2009 eine katastrophale Entwicklung aus. So sank das griechische BIP im Jahre 2009 um 3,3 Prozent. Ende 2009 kam zur Krise der griechischen Kapitalvermehrung noch die Verschuldungskrise des griechischen Staates hinzu (siehe dazu die Kapitel II.2 und II.3.1). Die „internationale Hilfe“ der Troika (Europäische Union, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) für Griechenland, die mit einem rigorosen Sparprogramm gegen das lohnabhängige Proletariat und KleinbürgerInnentum verbunden war, führte zu einem enormen Fall der Massenkaufkraft und zu Massenelend, was die Profitrealisationskrise in der griechischen Konsumgüterindustrie verschärfte. So sank der Privatkonsum in Griechenland im Jahre 2009 um 2,3, 2010 um 3,6, 2011 um 7 und 2012 um 9 Prozent. In Folge dessen gingen das BIP in Griechenland im Jahre 2010 um 3,5, 2011 um 6,9 und 2012 um 6,4 Prozent zurück. 2012 erreichte das griechische BIP nur noch 75 Prozent des EU-Durchschnitts. Auch 2013 war in Griechenland noch ein schweres Krisenjahr. Im ersten Quartal 2013 (Januar bis Ende März) fiel das griechische Bruttoinlandsprodukt um 5,6 Prozent und im zweiten Quartal um 4,6 Prozent. Bürgerliche WirtschaftsideologInnen erwarten erst für 2014 einen leichten Anstieg des BIP von 0,2 bis höchstens 0,6 Prozent.
Durch den bisherigen Krisenverlauf hat das griechische Nationalkapital massiv an Konkurrenzfähigkeit verloren. Im Kapitalismus ist es so, dass die Arbeitsproduktivität in erster Linie durch die Verbesserung der Technologie und Maschinerie erhöht wird. Erhöhung der Arbeitsproduktivität heißt im Kapitalismus, dass das menschliche produktive Kapital, also die ArbeiterInnenklasse, mit Hilfe einer immer besseren Technologie immer mehr Produkt herstellt. Es ist die Produktivität der ArbeiterInnenklasse, da aber die ArbeiterInnenklasse unter dem Kommando der Bourgeoisie als produktives menschliches Kapital arbeitet, erscheint die proletarische Arbeitsproduktivität als Arbeitsproduktivität des Nationalkapitals. Steigt die Arbeitsproduktivität im kapitalistischen Aufschwung stärker als der Lohn, verelendet die ArbeiterInnenklasse relativ zu dem von ihr hergestellten Reichtum. Außerdem heißt Arbeitsproduktivität im Kapitalismus auch im „schönsten“ Aufschwung, dass das Proletariat unter dem Kommando des Kapitals eine Menge zerstörerischen Mist herstellt, also immer auch höchst destruktiv ist. Das unter dem Kommando des Kapitals produktive Proletariat ist auch destruktiv gegen sich selbst. Es arbeitet zum großen Teil unter selbstzerstörerischen Bedingungen. Sinkt die Arbeitsproduktivität des menschlichen produktiven Kapitals in der Krise, weil in ihr das sachliche produktive Kapital verrottet und die Bourgeoisie nicht mehr das Kapital vermehrt, sondern vernichtet, dann wird die kapitalistische Produktivkraftentwicklung, welche grundsätzlich zerstörerisch gegen Mensch und Natur wirkt, absolut negativ. Die Gesellschaft entwickelt sich zurück. Auch dieser Vorgang war im Griechenland der Krise eindrucksvoll zu beobachten. So sank die Arbeitsproduktivität im Jahre 2009 um 1,5, 2010 um 2,0 und 2011 um 4,2 Prozent. Massenhaft wurden ehemalige produktive LohnarbeiterInnen in Griechenland durch die Zerstörungskraft der kapitalistischen Krise in unproduktives Elend gestoßen, während auch das produktive Elend des noch beschäftigten Lohnproletariats zunahm. Es „darf“ weiter den Reichtum des Kapitals und das wachsende Elend für sich selbst produzieren. Ja, auch wenn das globale Gewicht des griechischen Nationalkapitals durch die Krise sinkt, gelang es ihm jedoch bisher leider erfolgreich die Krise dafür zu nutzen, um die Ausbeutung des Proletariats zu erhöhen. Doch der Troika des internationalen Kapitals, dem Internationalem Währungsfonds, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank gelang es durch seine dem griechischen Nationalkapital aufgedrückten Kürzungspolitik und die dadurch forcierte Krise und gewaltige Zerstörung und Brachlegung von sachlichen und menschlichen produktiven Kapital das Letztere auf ein verdammt niedriges Niveau zu drücken.
Durch die Profitrealisationskrise und das krisenbedingte Fallen der Massennachfrage sanken einige Konsumgüterpreise in Griechenland absolut. So sanken im Jahre 2012 die Gemüsepreise um 5,38 Prozent, während die Preise für alkoholfreie Getränke um 1,46 Prozent fielen. Die Speiseöl- und Fettpreise fielen im selben Jahr um 1,43 Prozent, während die für Früchte um 0, 47 Prozent fielen. Doch die Preise für Fleisch stiegen auch 2012 um 1,8, jene für Milchprodukte und Eier um 1 und für Fisch um 0,2 Prozent. Auch fielen durch die asozialen Angriffe der griechischen Bourgeoisie die Löhne und Renten schneller und steiler als ein Teil der Lebensmittelpreise. So fielen 2012 die Löhne um 30 Prozent, während die Preise für Lebensmittel und Getränke insgesamt nur um 0,54 Prozent fielen. Auch die Arbeitslosigkeit stieg rasant. Sie betrug im Vorkrisenjahr 2007 8,3 Prozent, sank im ersten Krisenjahr 2008 sogar auf 7,7 Prozent, stieg aber 2009 auf 9,4, 2010 auf 12,5, 2011 auf 17 und 2012 auf 24 Prozent. Im Mai 2013 stieg die Erwerbslosigkeit in Griechenland auf 27,6 Prozent, während sie im April 2013 noch bei 27,0 Prozent lag. Im Mai 2013 waren 64,9 Prozent der griechischen Jugendlichen (15-24 Jahre), die weder studierten noch sich in Ausbildung befanden, arbeitslos.
Der asozialen Politik des griechischen Nationalkapitals gelang es 2010/2011 durch Gehaltskürzungen im öffentlichen Sektor 3,5 und im privaten Sektor 3 Milliarden Euro an Lohn- und Gehaltskosten einzusparen. In der gleichen Zeitperiode summierten sich die Kürzungen der Renten, Löhne und Gehälter auf 16,2 Milliarden Euro, was 8 Prozent des BIP darstellten. Hinter den nackten Zahlen stehen die reale Verarmung und Verelendung vieler griechischer ProletarierInnen und KleinbürgerInnen. Proletarisches Elend produziert kapitalistischen Reichtum und kapitalistischer Reichtum reproduziert proletarisches Elend. Das ist auch im kapitalistischen Aufschwung so. Doch ist der Kapitalismus in einer schweren Krise, so wie das griechische Nationalkapital, dann produziert proletarisches Überelend eine wachsende Profitrealisationskrise, eine gewaltige Kapitalvernichtung und Deindustrialisierung. So entsteht ein gewaltiger Sog nach unten. Das griechische Nationalkapital wird global immer schwächer im Konkurrenzkampf ist aber im nationalen Klassenkampf gegen das Proletariat immer noch stark genug, um es immer weiter in das Elend zu stoßen. Bis 2013 sank die durchschnittliche Kaufkraft in Griechenland auf das Niveau, welches Mitte der 1970er Jahre bestand. Die durchschnittlichen Bezüge eines Menschen in Griechenland betrugen im Jahr 2011 25.470 Euro und werden schätzungsweise im Jahr 2013 durch die weiteren asozialen Angriffe der Bourgeoisie auf 15000 bis 17 000 Euro sinken. Die proletarische und Kaufkraft in Griechenland sinkt also auf das Niveau von Estland, Tschechei und Kroatien.
Karl Heinz Roth beschrieb den Grad der sozialen Verelendung, welche die Krise und die kapitalistische Krisenpolitik dem Proletariat bereits 2012 in Griechenland bescherte: „Hinter diesen Steigerungsraten (der Arbeitslosigkeit, Anmerkung von Nelke) steht eine soziale Katastrophe, die sich vor aller Augen entwickelte. Das griechische Sozialversicherungssystem kennt – wie in den meisten Peripherieländern der Euro-Zone – keine soziale Grundsicherung gegen die mittelfristigen Folgen der Erwerbslosigkeit. Ein Jahr lang wurden standardisierte Arbeitslosengelder in Höhe von 480 Euro monatlich gezahlt und inzwischen im Gefolge der Kürzung der Mindestlöhne weiter abgesenkt. Danach enden die ohnehin minimalen sozialen Transferleistungen. Wegen der geringen Arbeitslosengelder beginnt der soziale Absturz schon nach wenigen Monaten. Die Betroffenen können ihre Mieten, Hypothekenkredite und Strom- und Heizkosten nicht mehr bezahlen und werden aus ihren Wohnungen und Häusern hinausgeworfen. In der Regel finden sie für einige Zeit bei Verwandten oder Freunden Unterschlupf. Aber das dauert nicht lange, denn auch das soziale Umfeld wird über kurz oder lang von den Folgen der Austeriätspolitik eingeholt. Die Zwangsgeräumten landen auf der Straße und in den Obdachlosenasylen. Schon im Jahr 2010 stieg im Großraum Athen-Piräus und in den übrigen Großstädten die Obdachlosigkeit um 20%. Bis zum Winter 2011/2012 hatten etwa 100 000 Menschen kein Dach mehr über dem Kopf, davon allein 35.000 Menschen in Athen. Die Zahl der absolut Verarmten, die sich keine geheizte Wohnung und kein warmes Mittagessen mehr leisten können, stieg auf das Dreifache. Chronische Unterernährung machte sich breit, vor allem bei den Kindern und Alten der Arbeiterviertel. Im Winter 2011/2012 konnte eine Ausweitung des Hungers nur dadurch abgewendet werden, dass die orthodoxen Kirchengemeinden und einige Nichtregierungsorganisationen in erheblichem Ausmaß aktiv wurden. Allein von den Kirchengemeinden werden zurzeit landesweit mehr als 250.000 Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Hinzu kommt die im Großraum Athen tätige Hilfsorganisation Klimaka, die mehrere Obdachlosenunterkünfte betreut und die in Gruppen campierenden Wohnungslosen mit Decken und Nahrungsmitteln versorgt.
Der Absturz in die Verarmung wurde indessen nicht nur durch die Massenentlassungen ausgelöst. Es kamen weitere Faktoren hinzu, die seit der Umsetzung des ersten Austeritätsprogramms vom Mai 2010 zunehmend an Bedeutung gewannen. An erster Stelle standen dabei die in mehreren Schritten vorgenommenen Rentenkürzungen, die die monatlichen Bezüge oft unter die 500 Euro-Grenze drückten und eine akute Altersarmut auslösten; die Minimalrenten wurden sogar auf 300 Euro gesenkt. Genauso hart wurden auch die kinderreichen Arbeiterfamilien getroffen, die zusätzlich zur um sich greifenden Erwerbslosigkeit die massiven Lohnkürzungen und die gleichzeitig extrem gestiegenen Verbrauchs-, Energie- und Sondersteuern verkraften müssen. Bis zur Jahreswende 2011/2012 wurden die Durchschnittseinkommen der Arbeiterfamilien dadurch mehr als halbiert. Über ein Fünftel der griechischen Gesellschaft geriet auf diese Weise unter die offizielle Armutsgrenze, was konkret heißt, dass über 2,2 Mio. Menschen nicht mehr zur elementaren Reproduktion ihres Familienlebens imstande sind. Die dritte Gruppe der ,Neu-Armen‘ (neoftochi) entstammt hingegen der Mittelschicht. Die griechische Nationalökonomie wird von etwa 930.000 Kleinst- und Familienunternehmen mit bis zu vier Beschäftigten getragen. Davon sind in den vergangenen zwei Jahren 130.000 Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe und 110.000 Einzelhandelsgeschäfte bankrottgegangen.
Die Folge war nicht nur ein rasanter Anstieg der Erwerbslosigkeit der abhängig Beschäftigten, sondern auch der Ruin von 240.000 selbständig wirtschaftenden Familien und Kleinunternehmern, die oftmals auch ihre hypothekenbelasteten Häuser verloren. Das führte wiederum dazu, dass die seit 2008/2009 immer häufiger in den elterlichen Familienbetrieben untergekommenen hochqualifizierten Jugendlichen ihre Zuflucht wieder verloren und nach neuen Alternativen Ausschau halten mussten. Im Verlauf des Jahres 2011 setzte eine breite Emigrationswelle ein. Sie war zunächst durch die Rückwanderung legal wie illegal Eingewanderter – Albaner, Rumänen und Polen – in ihre Herkunftsländer geprägt. Inzwischen haben sich ihnen Tausende hochqualifizierte Griechinnen und Griechen angeschlossen, die nun ihr Glück in den Kernländern der Europäischen Union, aber auch in Kanada oder Australien versuchen wollen.
Im Verlauf der letzten zwei Jahre hat sich die soziale Zusammensetzung der in absoluter Armut Lebenden dramatisch verändert. Bis Krisenbeginn handelte es sich fast ausnahmslos um papierlose Immigranten, Drogenabhängige und psychisch Erkrankte. In einer ersten Welle kamen die unteren Segmente der griechischen Arbeiterklasse dazu: Sozialrentner, kinderreiche Familien und Erwerbslose. Inzwischen sind aber auch die Beschäftigten des öffentlichen Sektors in den Malstrom des sozialen Abstiegs geraten, weil sie – wie etwa die ehedem gut entlohnten Mitarbeiter der staatlichen Eisenbahngesellschaft OSE – im Vorgriff auf die Privatisierungen entlassen oder in extrem schlecht entlohnte Arbeitsverhältnisse abgeschoben wurden. Parallel dazu folgte der Absturz der Mittelschichten, deren Gewerbe-, Dienstleistungs- und Handelsbetriebe aufgrund ihrer chronischen Unterkapitalisierung dem Einbruch der Binnennachfrage und des Massenkonsums nicht standzuhalten vermochten. Inzwischen ist es keine Seltenheit mehr, wenn ruinierte Dienstleister der Informatikbranche mit ihrem Laptop unter dem Arm bei den Hilfsorganisationen anklopfen und um eine Bleibe nachsuchen.
In den ersten zwei Krisenjahren demonstrierten hunderttausende Griechinnen und Griechen zumeist friedlich gegen den krisenverschärfenden Austeritätskurs der politischen Klasse und der Troika. Eine jugendliche Minderheit – zumeist papierlose Immigranten und die Prekären des außerparlamentarischen Spektrums der neuen Linken – beließ es nicht bei diesen Manifestationsformen. Es gelang ihr nicht, das verfeindete Lager der parlamentarisch-gewerkschaftlich verankerten Linken aufzubrechen, und die Sicherheitspolizei diskreditierte ihre Agenda, indem sie sie systematisch unterwanderte. (Anmerkung von Nelke: Karl Heinz Roth unterscheidet als kleinbürgerlicher politischer Linker selbstverständlich nicht klar zwischen proletarischer Militanz im Klassenkampf und der oft sinn- und perspektivlosen Gewalt des kleinbürgerlichen Radikalismus. Siehe zur Kritik des kleinbürgerlichen Radikalismus Kapitel II.3.3.) Der soziale Widerstand konsolidierte sich infolgedessen nicht auf Massenebene. Trotz einer Serie von Generalstreiks und immer wieder aufflackernder Massenproteste – zuletzt anlässlich der parlamentarischen Verabschiedung der Austeriätsprogramme im November 2011 und Februar 2012 –gewannen Resignation, Apathie und Ratlosigkeit zunehmend die Oberhand. Die griechische Gesellschaft hat in ihrer Geschichte schon mehrfach dramatische Krisenkonstellationen durchgemacht und letztendlich auch überstanden. Aber diesmal ist der Ausgang besonders ungewiss. Weil niemand mehr abzuschätzen vermag, was auf ihn oder sie noch zukommt, verdüstert sich die Perspektive fortlaufend und die Hoffnung auf eine zumindest mittelfristige Wende zum Besseren schwindet. In dieser Situation wird auch der Rückgriff auf die traditionellen Solidarstrukturen der griechischen Gesellschaft, die in den proletarischen Schichten verwurzelte gegenseitige Solidarität und die dörflichen Rückzugsgebiete, brüchig. Sie haben bis jetzt das Schlimmste verhindert und wie in den früheren Krisenperioden hilft vielen die Auswanderung weiter. Aber dazu sind Energie und intakte soziale Netzwerke erforderlich, und beides ist inzwischen nur noch sehr begrenzt verfügbar.
(Anmerkung von Nelke: Im letzten Absatz fehlt bei Roth natürlich ein konkreterer Klassenbezug auf das Proletariat. Roth schreibt zu abstrakt von „der Krise der griechischen Gesellschaft“, aber nicht konkret genug über die Krise des griechischen Proletariats. Die proletarische Existenz ist weltweit dauerhaft eine latente sozialökonomische und sozialpsychologische Krisensituation, die nicht alle Klassenindividuen positiv überstehen. Diese latente sozialökonomische und sozialpsychologische Krise des Weltproletariats ist während der jetzigen Situation in eine akute Krisensituation des griechischen Proletariats umgeschlagen. Natürlich kann diese akute sozialökonomische und sozialpsychologische Krise des Proletariats in Griechenland bei einer Belebung der kapitalistischen Konjunktur wieder etwas abnehmen, aber grundsätzlich kommen die griechischen ProletarierInnen aus dieser strukturellen Krise nur durch konsequenten Klassenkampf, der in der Weltrevolution mündet, wieder raus. Nur der gemeinsame kollektive proletarische Klassenkampf kann der krisenbedingten Zunahme der innerproletarischen Konkurrenz (KollegIn gegen KollegIn, Belegschaft gegen Belegschaft, Männer gegen Frauen, Lohnabhängige gegen Erwerbslose, „GriechInnen“ gegen „AusländerInnen“) entgegenwirken. Genau dasselbe trifft auch auf die zunehmende physische und psychische Verwahrlosung vieler ProletarierInnen zu. Die Orientierung auf das Proletariat und den proletarischen Klassenkampf ist beim kleinbürgerlichen Intellektuellen Roth nur noch ganz oberflächlich zu spüren. Mit der fehlenden Orientierung des Linksintellektuellen Roth auf das Proletariat, was typisch für kleinbürgerliche politische Linke ist, werden wir uns auch noch weiter unten kritisch auseinandersetzen (siehe Kapitel II.2 und II.3.1). In diesem Zusammenhang werden wir auch verdeutlichen, dass Roth als sich schämender Deutscher –was das totale Gegenteil von einem antinationalen Sozialrevolutionär ist – immer wieder in die Falle tappt, den griechischen Nationalismus gegen „die Deutschen“ zu unterstützen, anstatt den antinationalen Kampf gegen deutschen Imperialismus und griechische Bourgeoisie geistig zu befruchten.)
Stattdessen prägen zunehmend Aggression und Verzweiflung den sozialen Alltag und verdichten sich zu einer neuartigen sozialen Pathologie, die durch die Erosion des Gesundheitswesens noch verschärft wird. Die Mehrheit der Erwerbslosen ist nicht mehr krankenversichert und findet nur noch bei medizinischen Hilfsorganisationen wie den ,Ärzten ohne Grenzen‘ Unterstützung, deren ehrenamtlich betriebene Ambulatorien zuvor nur die papierlosen Immigranten aufgesucht hatten. Von den 800 lebenswichtigen Arzneimitteln ist in den Kliniken und Gesundheitszentren nur noch die Hälfte vorrätig und das Sterben der auf hochwertige Spezialmedikamente angewiesenen Schwerkranken und Schwerbehinderten nimmt zu.
Gleichzeitig breiten sich in vielen Stadtteilen Gewaltkriminalität und Prostitution aus. In den überfüllten Gefängnissen herrschen grauenhafte Zustände. Überfälle rechtsextremer Schlägertrupps gegen papierlose Immigranten häufen sich. Die innerfamiliäre Männergewalt gegen Frauen und Kinder hat dramatisch zugenommen. Auch die Suizidrate – in Griechenland traditionell eine der niedrigsten in Europa – hat sich inzwischen verdoppelt: Vor allem die innerhalb weniger Monate ins soziale Nichts gestürzten Männer der Mittelschicht sind gefährdet. Wohin wir auch blicken: Die Mehrheit der griechischen Gesellschaft befindet sich am Rand des Abgrunds.“ (Karl Heinz Roth, Griechenland: Was tun?, VSA Verlag, Hamburg 2012, S. 45-49.) Beachten wir: Inzwischen ist die Verelendung des Proletariats und des KleinbürgerInnentums in Griechenland weiter gestiegen.
Klar, die Mehrwertrate erhöht sich durch den rabiaten Sparkurs der griechischen Regierung, was der Profitproduktionskrise entgegenwirkt, aber durch eine Methode, welche die Profitrealisationskrise verschärft. Die „Reinigungskräfte des Marktes“ entfalten während der Krise in Griechenland ihre ganze Kraft, aber sie schütten das Kind mit dem Bade aus, indem sie die Kapitalvernichtung so stark gestalten, dass sie das griechische Nationalkapital innerhalb der globalen Konkurrenz weit zurück werfen. Auch durch die Privatisierungen, die Teil des Sparprogramms des griechischen Staates sind, wird Griechenland zunehmend abhängig vom Auslandskapital werden, was für rechte und linke NationalistInnen ein nationales Problem ist, und für antinationale SozialrevolutionärInnen den konsequenten Kampf gegen in- und ausländisches Kapital bedeutet. So stieg chinesisches Kapital (Cosco) in den Hafen von Piräus ein. Doch das chinesische Kapital hat Hunger auf mehr. Zum Beispiel will es jetzt auch die Mehrheit an der Hafengesellschaft OLP. Der staatliche griechische Gaskonzern Depa sollte ursprünglich an das russische Monopolunternehmen Gazprom gehen. Gazprom verzichtete aber im Mai 2013 überraschend auf ein bindendes Gebot. So erwarb der aserbaidschanische Energiekonzern Socar das Schnäppchen für rund 400 Millionen Euro. Das globale Privatkapital kann sich noch auf die geplante Privatisierung des Athener Flughafens, einer Reihe regionaler Flughäfen und der Bahngesellschaft OSE freuen.
Während der Sparkurs des globalen Finanzkapitals und der griechischen Bourgeoisie das Proletariat und das KleinbürgerInnentum immer weiter in das Elend treiben, ist er nicht in der Lage, das Land aus der Staatsschuldenkrise zu holen, da die Verschuldungsquote des Staates am Bruttoinlandsprodukt gemessen wird. Fällt jedoch das BIP krisenbedingt, treibt das auch logischerweise die Verschuldungsquote nach oben. Außerdem bedeutet eine schrumpfende Wirtschaft auch immer sinkende Steuereinnahmen, auch wenn die griechische Politik massiv an der Steuerschraube drehte (siehe dazu das Kapitel II.3.1). Während die griechische Staatsverschuldung 2009 noch 129 Prozent des griechischen BIP ausmachte und die Neuverschuldung 13,6 Prozent des BIP betrug, so betrug die gesamte Staatsschuld im Jahre 2012 bereits 156,9 Prozent des BIP. Bürgerliche ExpertInnen rechnen damit, dass diese im Jahre 2013 auf fast 176 Prozent steigen könne.
Fazit: Da das griechische Proletariat sich noch weitgehend unter Kontrolle der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate und der linken Politik befindet, konnte es bisher nicht durch breiten und konsequenten proletarischen Widerstand die Offensive der globalen und der griechischen Bourgeoisie zum Stehen bringen (siehe Abschnitt III). Gleichzeitig nahmen durch die Krise der Rassismus und andere asoziale Tendenzen innerhalb der griechischen Klassengesellschaft zu (siehe dazu die Kapitel II.3.2 und III.3). Der deutschen Bourgeoisie ist es durch ihr Gewicht in den internationalen Wirtschaftsorganisationen EU, EZB und IWF, die als Troika weitgehend die Wirtschaftspolitik des griechischen Staates bestimmt, gelungen das griechische Nationalkapital weit hinabzudrücken (siehe Kapitel II.2). Das griechische Nationalkapital und seine Politik konnten aufgrund der Gewaltverhältnisse der internationalen Beziehungen sich nicht gegen das viel stärkere deutsche Nationalkapital und dessen Politik durchsetzen. Aber es konnte unter der Dominanz der Troika die Krise dazu nutzen, um die Ausbeutungsrate des griechischen Proletariats zu erhöhen (siehe Kapitel II.3.1). Die Krise in Griechenland und der Erfolg der globalen demokratischen Sozialreaktion gegen das griechische Proletariat, belegen auch wieder mal den praktischen und geistigen Bankrott der weltweiten kleinbürgerlichen politischen Linken (siehe Kapitel II.3.3) –und die Notwendigkeit der Formierung einer antipolitisch-sozialrevolutionären Strömung international und in Griechenland (siehe Kapitel II.4).

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2013/10/02/neue-broschuere-klassenkaempfe-in-griechenland-2008-2013/feed/ 1
Neue Broschüre: Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945) https://swiderstand.blackblogs.org/2013/03/18/neue-broschuere-der-kampf-des-juedischen-proletariats-1900-1945/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/03/18/neue-broschuere-der-kampf-des-juedischen-proletariats-1900-1945/#comments Mon, 18 Mar 2013 21:24:53 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=55 Unsere neue Broschüre: „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ (ca. 113 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

1. Das Judentum und der Antijudaismus
2. Die Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden in Osteuropa
3. Die jüdische Emigration aus Osteuropa
4. Der Zionismus
5. Der sozialrevolutionäre Universalismus und die nationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen
6. Die jüdische institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung
7. Faschismus, jüdischer Widerstand und Zionismus
8. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden
9. Auschwitz und die Staatsgründung Israels
10. Den toten jüdischen ProletarierInnen lebendig gedenken

II. Der Kampf des jüdischen Proletariats in Russland

1. Der Zarismus, das jüdische Proletariat und der Zionismus
2. Antijudaismus und Zionismus im russischen BürgerInnenkrieg (1918-1921)

III. Der Kampf des jüdischen Proletariats in Polen (1918-1945)

1. Jüdisches Proletariat und Zionismus in Polen (1918-1939)
2. Das jüdische Proletariat und der polnische Zionismus unter der faschistischen Besatzung (1939-1945)

I. Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Um den Kampf des jüdischen Proletariats in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verstehen, ist es notwendig sich die so genannte „jüdische Frage“ in diesem Zeitraum zu veranschaulichen.

1. Das Judentum und der Antijudaismus

Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen. Joachim Kahl bemerkt zu Recht: „So umfassend wurden die Juden ausgerottet, dass die Katastrophe dieser Jahre auf faschistische Pogrome unter Hitler vorausweist.“ (Joachim Kahl, Das Elend des Christentums, 1968/1993 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, S. 48.)
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Der Kirchenreformator schrieb in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen im Jahre 1543: „Erstlich, dass man ihre Synagoga oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich … Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre… Zum dritten, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten… Zum vierten, dass man ihren Rabbinern bei Leib und Seele verbiete hinfort zu lehren…, dass man ihnen verbiete, bei uns und dem Unsern öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren, bei Verlust Leibes und Lebens… Und nochmals, dass ihnen verboten werde, den Namen Gottes vor unsern Ohren zu nennen…, der Juden Maul soll nicht wert gehalten werden bei uns Christen, dass es Gott sollte vor unseren Ohren nennen, sondern, wer es von den Juden hört, dass er`s der Obrigkeit anzeige oder mit Saudreck auf ihn werfe… Zum fünften, dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe… Zum sechsten, dass man ihnen den Wucher verbiete und nehme ihnen alle Barschaft und Kleinode an Silber und Gold, und lege es beiseite zu verwahren… Zum siebten, dass man den jungen, starken Juden und Jüdinnen in die Hände gebe Flegel, Axt, Spaten… und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiße der Nasen…“(Zitiert nach Hans-Joachim Kraus, Kirche und Synagoge, in: Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Eine Vorlesungsreihe. Hamburg 1961, S. 45 f.) Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die evangelische Reformation des Christentums war eine bürgerliche Veränderung der Religion, als ideologischer Überbau des damaligen Handels- und Manufakturkapitalismus, der sich im Schoße der feudalen Gesellschaft entwickelte. Die Reformation in Deutschland war also ein ideologischer Ausdruck der sozialen Emanzipationsbestrebungen der deutschen Bourgeoisie gegenüber der Feudalgesellschaft. Luther war der Ideologe der sich entwickelnden deutschen Bourgeoisie. Die Bourgeoisie stand zwischen feudaler Reaktion und der antifeudalen und in Ansätzen schon antibürgerlichen kleinbürgerlich-vorindustrieproletarischen Straßenbewegung. So lange sie nicht die sozialökonomische und politische Macht besaß, gegen feudale Reaktion und antifeudal-antibürgerliche Straßenbewegung die Staatsmacht zu ergreifen, unterstützte die Bourgeoisie die erstere gegen die letztere, wenn diese zu radikal auftrat. Das geschah auch im deutschen BäuerInnenkrieg (1524-1526), wo sich die deutsche Bourgeoisie mit der feudalen Reaktion gegen die aufständischen BäuerInnen und das damalige Land- und Stadtproletariat verbündete. Dieses Bündnis wurde auch von Luther ideologisch in seiner Hetze gegen die aufrührerischen BäuerInnen reproduziert. Seinen Antijudaismus und seine Hetze gegen die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Straßenbewegung kann mensch also als feudal-bürgerliche Sozialreaktion bezeichnen.
In England und Frankreich entwickelte sich die jeweilige Bourgeoise zu einer so starken sozialökonomischen und politischen Macht, dass sie im 17. Jahrhundert (England) und Ende des 18. Jahrhunderts (Frankreich) gegen feudale Sozialreaktion und die antifeudal-antibürgerliche Straßenbewegung die Staatsmacht erobern konnte. Besonders die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt in Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des Kapitalismus nicht möglich (siehe dazu Kapitel I.2), was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus (siehe Kapitel I.3). Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse. Hier ein Zitat von Hitler, was das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.
Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“ Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte.
Der antijüdische negative Geldfetischismus wurde von den Nazis in einen völkischen „Antikapitalismus“ transformiert, der zwischen „arischen“ schaffenden Kapital und jüdischen „raffenden“ Kapital unterschied. Dabei konnte der deutsche Faschismus an die sonstige bürgerliche Ideologieproduktion anknüpfen, unter anderem vom Mythos des „produktiven“ Kapitals im Gegensatz zum Geldkapital. Indem der moderne Industriekapitalist zur Vermehrung seines Kapitals beim Bankkapital einen Kredit aufnimmt, muss der Profit, welcher vom Proletariat produziert wird, zwischen Industrie- und Bankkapital geteilt werden. Die Zinsen für den Kredit zahlt der Industriekapitalist aus dem Profit. Industrielles und zinstragendes Kapital leben also beide von der Ausbeutung des Proletariats, welches den Profit produziert. Produktiv ist weder der Industrie- noch der Bankkapitalist, sondern das Proletariat. Der bürgerliche Mythos vom „produktiven“ Industriekapitalisten im Gegensatz zum „raffenden“ Bankier verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats. Dieser Mythos muss nicht zwangsläufig eine ideologische Begründung des Antijudaismus liefern, aber im konkreten Fall der Nazis und vieler anderer Judenhasser tat er es. Es ist aber sachlich falsch, wenn linke WertkritikerInnen und „Antideutsche“ die ideologische Gegenüberstellung von „produktivem“ Kapital und Geldkapital generell als „strukturellen Antisemitismus“ bezeichnen. Antijüdisch wird diese ideologische Gegenüberstellung nur dann, wenn das moderne zinstragende Geldkapital sozialdemagogisch mit dem Judentum gleichgesetzt wird, so wie es der europäische Antijudaismus sehr massenwirksam zwischen 1929 und 1945 tat.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden (siehe Kapitel I.8).
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus (siehe zu diesem Kapitel I.4), schuf im Jahre 1948 einen Nationalstaat (siehe Kapitel I.9). Dieser jüdische Nationalstaat ist so wie jeder andere grundsätzlich sozialreaktionär. Ja, der Zionismus war eine sozialreaktionäre Lösung der so genannten „jüdischen Frage“, indem er eine „palästinensische Frage“ schuf. Das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk existiert heute nicht mehr. Es ist vollständig in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft aufgespalten. Das Judentum ist heute in den modernen Kapitalismus und die internationale imperialistische Weltordnung integriert. In Israel bildet es eine Staatsnation. In den meisten bürgerlichen Nationalstaaten sind die Juden und Jüdinnen weitgehend assimiliert und bilden eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Doch es gibt noch immer Antijudaismus, sowohl in Europa als auch in arabischer Form. Der arabische Antijudaismus ist typischer Chauvinismus des völkisch-nationalen Konkurrenzkampfes, der teilweise auch ideologisch an den „alten“ europäischen Antijudaismus anknüpft. Der Kampf gegen Antijudaismus und Zionismus bleibt also eine wichtige Aufgabe für SozialrevolutionärInnen überall auf der Welt (siehe Kapitel I.10).

]]>
https://swiderstand.blackblogs.org/2013/03/18/neue-broschuere-der-kampf-des-juedischen-proletariats-1900-1945/feed/ 4