sowjetunion – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Thu, 06 Feb 2025 16:34:15 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png sowjetunion – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Weltkapitalismus und globaler Klassenkampf https://swiderstand.blackblogs.org/2025/01/04/neue-broschuere-weltkapitalismus-und-globaler-klassenkampf/ https://swiderstand.blackblogs.org/2025/01/04/neue-broschuere-weltkapitalismus-und-globaler-klassenkampf/#respond Sat, 04 Jan 2025 22:51:15 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=802
Unsere neue Broschüre „Weltkapitalismus und globaler Klassenkampf“ (ca. 139 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier
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Einleitung

Der Weltkapitalismus

I. Der globale Kapitalismus ist die Interaktion der Nationalkapitale

1. Die Nationalkapitale

2. Die globale sozialökonomische Interaktion der Nationalkapitale

II. Die geschichtliche Herausbildung des Weltkapitalismus

1. Kleinbürgerliche Warenproduktion

2. Handelskapital

3. Vorindustrielle kapitalistische Warenproduktion

4. Der Industriekapitalismus als herrschendes Produktionsverhältnis

5. Die relativ selbständige Herausbildung bürgerlicher Nationalstaaten in Eurasien

6. Kapitalistischer Imperialismus und nationale „Befreiung“

7. Krieg und Frieden im Weltkapitalismus

8. Die Herausbildung eines internationalen Finanzsystems

9. Kapitalistisches Patriarchat und bürgerliche Frauenemanzipation

III. Die krisenhafte globale Vermehrung der Nationalkapitale

1. Kapitaluntervermehrungskrisen

2. Zyklische Krisen während der beschleunigten Kapitalvermehrung

3. Die strukturelle Profitproduktionskrise

4. Die Todeskrise des globalen Staatskapitalismus

5. Die Verschärfung der strukturellen Profitproduktionskrise im 21. Jahrhundert

6. Die permanente biosoziale Reproduktionskrise

Klassenkampf, institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und mögliche Weltrevolution

I. Der reproduktive Klassenkampf

1. Kapitalvermehrung und Klassenkampf

2. Konspirativ-illegaler Alltagsklassenkampf

3. Der Klassenkampf erwerbsloser ProletarierInnen

II. Institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und kommunistische Bewegung

1. Gewerkschaften

2. Vormarxistischer Kommunismus

3. Marx und Engels

4. Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus und Trotzkismus

5. Rätekommunismus

6. Der italienische „Linkskommunismus“

7. Der Anarchismus

8. Der antipolitische und gewerkschaftsfeindliche Kommunismus

III. Die mögliche soziale Weltrevolution

1. Die revolutionäre Situation

2. Die revolutionäre Klassenkampforganisation

3. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Weltproletariats

Konspirativ-illegaler Alltagsklassenkampf

Die Lohnabhängigen sind auf den Arbeitsmärkten, auf denen sie ihre Arbeitskräfte vermieten, und auf den Konsumgütermärkten, auf denen sie die Waren und Dienstleistungen für ihre biosoziale Reproduktion kaufen und mieten, kleinbürgerliche Marktsubjekte. Diese Kleinbürgerlichkeit der ProletarierInnen nimmt mit der zunehmenden Fettschicht der Kapitalvermehrung und mit dem Anstieg der Löhne – auch als Folge des proletarischen Klassenkampfes – zu. Auch gilt: Je qualifizierter Arbeitskräfte sind, umso kleinbürgerlicher sind sie auch in der Regel.

Als kleinbürgerliche Marktsubjekte konkurrieren ProletarierInnen auch untereinander um Jobs und seltene Konsumgüter, zum Beispiel in den Städten um bezahlbare Mietwohnungen. Als Konkurrenzindividuen sind ProletarierInnen auch empfänglich gegenüber Chauvinismen wie Nationalismus, Rassismus und Sexismus. Nationalität, Hautfarbe, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuelle Geschlechtsidentität – alles wird zum Identitätskostüm im permanenten Kampf Aller gegen Alle.

Als Ausbeutungsobjekte produzieren die ProletarierInnen den Mehrwert für die Bourgeoisie und ihr eigenes Elend. Einigen Lohnabhängigen ist die Entfremdung und Ausbeutungsobjektivität durchaus bewusst. Andere blenden sie aus und kompensieren sie mit ProduzentInnenstolz und Unternehmenspatriotismus. Mensch ist auf die eigene Leistung und auf „die Firma“ stolz. Auch ProduzentInnenstolz und Unternehmenspatriotismus nehmen in der Regel mit der Qualifikation der Lohnabhängigen zu. Sie gehen oft mit einer sozialdarwinistischen Abgrenzung gegenüber den proletarischen Unterschichten einher

Innerhalb der Privathaushalte, in denen sich ProletarierInnen biosozial reproduzieren, sind ProletarierInnen ebenfalls kleinbürgerlich. Sowohl als Singles als auch als Beziehungs- und Familienmenschen. Auch in vielen proletarischen Kleinfamilien weltweit reproduziert sich das Patriarchat. Dieses kommt darin zum Ausdruck, dass die meisten innerfamiliären biosozialen Reproduktionstätigkeiten von den Frauen verrichtet werden. Auch nicht wenige proletarische Familien sind durch körperliche, psychisch-emotionale und sexualisierte Gewalt geprägt. Die meiste körperliche und sexualisierte Gewalt geht dabei von den Männern aus. Es gibt aber auch Frauen, die „ihren“ Männern durch Psychoterror zusetzen, oder sie gar körperlich misshandeln. Die bürgerliche Kleinfamilie ist oft ein asoziales Gewaltverhältnis.

Das sexuelle Elend auch von Lohnabhängigen kommt planetar in der Prostitution, einer Ware-Geld-Perversion, zum Ausdruck. Es sind hauptsächlich Männer, die gegen Geld Frauen oder andere Männer ficken. Lohnabhängige Frauen, die Callboys mieten, stellen eine Minderheitstendenz in der Prostitution dar.

Auch als StaatsbürgerInnen sind ProletarierInnen kleinbürgerlich. In den politischen Demokratien ermächtigen sie als Stimmvieh die BerufspolitikerInnen den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. BerufspolitikerInnen – egal ob regierend, opponierend, mittig, links oder rechts – sind grundsätzlich objektiv strukturelle Klassenfeinde des Proletariats. Sie leben vom politisch angeeigneten Mehrwert und organisieren gesamtgesellschaftlich-staatlich die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit. Indem ProletarierInnen in freien Wahlen – in denen weder die kapitalistischen Produktionsverhältnisse noch der Staat als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung zur Wahl steht – die BerufspolitikerInnen dazu ermächtigen, entweder den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren, trinken sie noch den Kakao, durch den sie gezogen werden. Viele proletarische UnterschichtlerInnen spüren das instinktiv oder wissen dies ganz genau – auch Dank der materialistisch-dialektischen Gesellschaftsanalyse – und wählen deshalb nicht mehr.

Nur im und durch Klassenkampf ist das Weltproletariat tendenziell und potenziell revolutionär. Im globalen Klassenkampf entfaltet sich der Widerspruch zwischen den kleinbürgerlichen und den revolutionären Tendenzen des planetaren Proletariats. Nur im und durch Klassenkampf können sich die Lohnabhängigen selbst für ihre Interessen und Bedürfnisse und gegen den strukturellen Vermehrungszwang des Kapitals – durch den sie selbst zu verschwinden drohen – organisieren. Und dies geschieht bereits während des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes.

Durch innerbetriebliche Sabotage machen ProletarierInnen zum Beispiel das kaputt, was sie kaputt macht: Die kapitalistischen Produktionsmittel als Zerstörungsmittel der Bourgeoisie. Das tat zum Beispiel der Mähdrescherfahrer Tad in den USA: „Ich bekam Arbeit bei einer Firma, die im Sommer von Texas bis North Dakota der Weizenernte folgt. Die Mähdrescher, die wir benutzten, stammten aus einer Modellreihe und waren von International Harvester geliehen. Acht oder zehn von uns arbeiteten sich in breiter Front durch die Felder, testeten die neuen Modelle aus, schauten wie sie funktionierten.

Alle waren wir ziemlich jung, zwischen vierzehn und vierundzwanzig, und hätten uns eigentlich lieber verpisst, als zwölf Stunden am Tag auf diesen Kisten zu sitzen. Ein- oder zweimal die Woche hatten wir die Mähdrescher geschrottet, was bedeutet, dass wir so viel Korn geschnitten, bis die Motoren heiß liefen und die Zylinder überfordert waren. Wir legten zwei oder drei Maschinen lahm. Die wurden dann ausgemustert, und wir konnten das Feld verlassen. Vertreter von International Harvester kamen angerückt, zerlegten die Maschinen und versuchten herauszukriegen, was zum Teufel da eigentlich abging.

Wir haben es mit Absicht gemacht, weil wir so Pausen machen konnten. Wir hatten unseren Spaß an den Vertretern, mit ihren Krawatten und Klemmbrettern. Wir lachten uns ins Fäustchen. Die Firma war sehr betroffen, hatte sie doch einige Millionen Dollar investiert. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass wir irgendwas damit zu tun haben könnten. Wie die meisten Arbeitgeber hielten sie ihre Angestellten für dümmer, als sie sind. Ich denke, dass dies bei nicht gewerkschaftlich organisierter Gelegenheitsarbeit fast immer so abläuft. Sie gehen einfach davon aus, dass wir solche Tricks nicht anwenden. Bei diesem Job steckten alle Arbeiter unter einer Decke. Wir konnten in den Hotelräumen abhängen, während sie an den Mähdreschern rummachten.“ (Sabotage. ArbeiterInnen aus den USA erzählen ihre Version des alltäglichen Klassenkampfes, Berlin 1993, S. 46.)

Wir sehen, dass „die nicht gewerkschaftlich organisierten“ Mähdrescherfahrer im Kampf gegen das Kapital sehr gut organisiert waren. Sie wurden nicht von Gewerkschaftsbonzen desorganisiert, sondern organisierten sich selbst gegen das Kapital. Indem sie durch Sabotage an den kapitalistischen Produktionsmitteln ihre eigenen Bedürfnisse befriedigten, zeigten sie, dass die menschliche Arbeitskraft zwar Teil des produktiven Kapitals ist, sich aber gegen die unbegrenzte Kapitalisierung zu Wehr setzen kann. In diesem alltäglichen Klassenkampf der Mähdrescherfahrer können wir tendenziell den Kampf der Menschen gegen ihre eigene proletarische Existenz sehen, die bescheidenen Anfänge des sozialrevolutionären Selbstaufhebungsprozesses der ArbeiterInnenklasse.

Der proletarisierte Mensch, welcher diesen Kampf führt, hat sich oft noch nie mit revolutionärer Theorie beschäftigt. Er weiß oft nicht, dass er einen in Ansätzen revolutionären Kampf führt. Er tut es einfach, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Unser nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus ist ein theoretischer Ausdruck dieses alltäglichen Klassenkampfes. Durch unsere theoretische Wiederspiegelung machen wir das für das bürgerliche Auge Unsichtbare sichtbar, die unbewussten sozialrevolutionären Tendenzen bewusst. Dadurch nehmen wir praktisch und theoretisch bewusst am alltäglichen Klassenkampf teil.

Für sozialrevolutionäre ArbeiterInnen heißt es, das Bewusstsein am Arbeitsplatz zu revolutionieren zu helfen, wie weit das eben möglich ist. Und diese Möglichkeiten sind von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz verschieden. Diese Revolutionierung des Bewusstseins ist nicht nur durch Diskutieren zu vermitteln, sondern auch durch Initiative zur kollektiven Sabotage der alltäglichen Lohnarbeit, oder durch individuelle Sabotage Vorbild und Beispiel im praktischen Kampf gegen bürgerlichen Arbeitsethos und Leistungsideologie zu sein, so wie der US-amerikanische Computer-Techniker Dexter es beschreibt: „Ich sitze gerade an meinem Arbeitsplatz und tippe das in meinen MacIntosh. Ich könnte auch arbeiten. Wenigstens sieht es so aus, als würde ich arbeiten. Bei meinem Job ist es ganz selbstverständlich, dass ich was in den Computer eingebe. Wie auch immer, in den letzten vier Jahren, seit ich hier bin, habe ich höchstens ein Drittel meiner Zeit mit Arbeiten verbracht.

Mein Job besteht darin, alle möglichen technischen Texte, wie Gebrauchs- und Reparaturanweisungen sowie ähnliche technischen Beschreibungen zu formulieren und zu formatieren. Dafür muss ich regelmäßig mit Hardware- und Softwareingenieuren, Physikern und Marketingleuten sprechen. Die ganze Technik und auch die Leute finde ich faszinierend und außerdem gefällt mir das Feld technischer Kommunikation. Aber trotzdem finde ich immer schnell einen Weg, mich vor der Arbeit zu drücken. Ich habe mir eine ganze Reihe von Fähigkeiten des Desktop Publishing angeeignet, so dass ich die Arbeit von einer Woche in zwei Tagen erledigen kann. Die zwei Tage verteile ich natürlich über die Woche, d. h. ich schaffe das, was sie von mir erwarten, und manchmal auch ein bisschen mehr. Es zahlt sich halt aus, fleißig auszusehen.

Ich interessiere mich für alles, und dieses Interesse vervielfacht sich jeden Tag. Wäre ich allein und hätte genug Geld, würde ich eine Menge kreatives Zeug machen, und dabei alle möglichen Medien benutzen. Aber die Gesellschaft unterstützt solche kapriziösen und unverantwortlichen Denker wie mich natürlich nicht. Also muss ich diesen Mangel der Gesellschaft irgendwie umgehen und kann trotzdem meine Rechnungen bezahlen, indem ich meine Projekte während der Arbeit mache. In den letzten vier Jahren habe ich hier eine Novelle, Teile eines wissenschaftlichen Buches einer großen Verlagsgesellschaft, zwei Reiseerzählungen und zahllose kleinere Sachen geschrieben. Ich habe mir Computerdesign, -musik und -animation während der Arbeit angeeignet und sogar ein Computerspiel geschrieben. Insgesamt habe ich sicher tausend Arbeitsstunden damit zugebracht, meine Projekte zu machen, mit ganz anständiger Entlohnung.

Bei der Arbeit habe ich meistens mit Graphik oder Text zu tun. Das gilt aber auch für meine eigenen Projekte. Ich bin nicht besonders vorsichtig. Zuviel Vorsicht führt zu Paranoia, und Paranoia stört den schaffensfrohen Geist. Meine KollegInnen reagieren unterschiedlich. Manche glauben an die alte Arbeitsethik und meinen, du solltest die ganze Arbeitszeit für die Firma rackern. Andere hätten es auch gerne so wie ich gemacht, fanden aber nicht die Zeit dazu. Meine Chefs haben nie was gemerkt, und die KollegInnen tolerieren, was ich mache, und bewundern mich. Meist sind sie auch so mit ihren eigenen Sachen beschäftigt, dass sie sich nicht um meine kümmern. Die Chefs sind zufrieden, weil ich genauso viel oder sogar etwas mehr schaffe als verlangt.“ (Sabotage, a.a.O., S. 16.)

Dieses Beispiel geht über das Beispiel der Mähdrescherfahrer sowohl hinaus und gleichzeitig zurück. So widersprüchlich kann die Dialektik des alltäglichen Klassenkampfes sein. Der Computer-Techniker Dexter übt keine Sabotage an den Produktionsmitteln, sondern eignet sie sich produktiv an. In der Zeit, wo er seine Privatarbeiten am Computer erledigt, hört dieser praktisch auf Kapitaleigentum zu sein, auch wenn er das offiziell weiterhin bleibt. Dieses offizielle Belassen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zeigt die reproduktive Grenze des alltäglichen Klassenkampfes an. Auch dass seine Aktion individuell erfolgt und nicht kollektiv, ist gegenüber den Mähdrescherfahrern ein Rückschritt, auch wenn er für einige seiner KollegInnen ein Vorbild darstellt und die individuelle Aktionsform durch den objektiven Arbeitsprozess bedingt ist.

Weiterhin ist festzuhalten, dass der Computer-Techniker Dexter im Gegensatz zu vielen anderen Lohnabhängigen sich in einer sehr günstigen Ausgangssituation befindet. Er muss keinen offensichtlichen Kampf gegen das Kapital führen, um seine Bedürfnisse nach privater Kreativität befriedigen zu können. Aber die offensichtliche kollektive Aneignung und Veränderung der Produktionsmittel ist der eigentliche sozialrevolutionäre Prozess.

In unseren Beispielen des alltäglichen Klassenkampfes hatten wir sowohl eine Form, bei der das Produktionsmittel informell und tendenziell für die eigene Bedürfnisbefriedigung angewendet wurde, als auch eine, in denen sie als Mittel der kapitalistischen Ausbeutung und Zerstörungsmittel der ArbeiterInnen zerstört wurden. Beide Formen sind auch in der bewussten sozialrevolutionären Aktion nötig: Aneignung der Produktionsmittel bei Abstreifung ihrer kapitalistischen Funktion (z. B. Computer), aber auch die Zerstörung von kapitalistischen Produktionsmitteln, für die es auch in einer klassenlosen Gesellschaft keine vernünftige Nutzung geben kann (zum Beispiel Kohle- und Atomkraftwerke).

Auch die Befreiung vom Kapitalfetisch, die Erkenntnis, dass die Trennung der ProduzentInnen von den Produktionsmitteln weder natürlich noch gottgewollt ist, sondern Ausdruck sozialer Verhältnisse, indem Produktionsmittel zu produktivem Kapital werden, was durch soziale Aktionen aber zu ändern ist, setzt sich schon tendenziell im alltäglichen Klassenkampf durch. Doch erst die bewusste sozialrevolutionäre Aktion und Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse kann den Kapitalfetisch für immer aufheben. Die tendenzielle Aufhebung des Kapitalfetischs kann mit einer teilweisen Verinnerlichung dieses Kapitalfetischs auch bei den klassenkämpferischen proletarischen Subjekten verbunden sein. Der Klassenkampf ist die Bedingung zur Überwindung des Kapitalfetisches, aber bedeutet eben nicht automatisch dessen Überwindung. Eine Arbeiterin kann während der Arbeitszeit unheimlich viel Pausen machen, für sich selbst massenhaft Dinge herstellen und nebenbei noch Betriebseigentum klauen wie ein Rabe, aber dennoch die kapitalistische Produktionsweise für unveränderlich halten. Das ist ein Ausdruck der objektiv-subjektiven Widersprüche, durch den der alltägliche Klassenkampf geprägt ist, und erst durch die Selbstbefreiung der proletarischen Subjekte in der sozialen Revolution gelöst werden können.

Sozialrevolutionäre Gruppen können die mögliche Radikalisierung des reproduktiven Klassenkampfes zur sozialen Revolution geistig und praktisch unterstützen, indem sie gegenüber den verschiedenen Spielarten des Sozialreformismus die Bedeutung von Aneignung und Sabotage für den proletarischen Widerstand gegen die kapitalistische Technokratie betonen. Dieser Klassenkampf ist gegen das kapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln gerichtet und kann von Kapital, Staat und Gewerkschaftsbürokratie weder verrechtlicht noch institutionalisiert werden.

Im Jahre 2008 kam bei Sonderzahl in Wien das Buch Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz von Bernhard Halmer und Peter A. Krobath heraus, welches einen recht guten Einblick in den konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf gewährt. In ihm kommen die sabotageleistenden Lohnabhängigen selbst zu Wort. Zum Beispiel ein ehemaliges Zimmermädchen auf einem Luxusdampfer. Die Arbeit war so organisiert, dass immer ein Zimmermädchen eine Suite saubermachen sollte. Es war sogar verboten, sich untereinander zu helfen. Doch das ehemalige Zimmermädchen berichtete, wie sie mit einer Kollegin zusammen zu zweit die Suiten reinigten, wodurch sie viel schneller fertig wurden. Für dieses eigenmächtige Verändern der Arbeitsorganisation wurden sie bestraft. Aber sie nahmen die Strafen mit einem Lächeln hin und putzten weiter die Suiten zu zweit. Schließlich hörte die Chefin auf, die beiden zusammenarbeitenden Zimmermädchen zu bestrafen. Auch andere Zimmermädchen putzten schließlich die Suiten zu zweit. Dadurch hatte der Alltagsklassenkampf die Arbeitsorganisation verändert. (Bernhard Halmer, Peter A. Krobath, Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz, Sonderzahl, Wien 2008, S. 77-81.)

Die Form der illegal-konspirativen Änderung der Arbeitsorganisation durch das klassenkämpferische Proletariat, die zugleich die Produktion unterbricht, stellt das eigenmächtige Machen von Pausen dar. Im oben genannten Buch wird dafür ein besonders amüsantes Beispiel von einem Computerfachmann geschildert. Er hatte mit neun Kollegen den Auftrag für eine Supermarktkette, Kassen aus Südkorea umzubauen. Sie wurden nach der Arbeitszeit bezahlt und nicht kontrolliert. So wurde schon mal die Mittagspause auf drei Stunden ausgeweitet oder auch sonst mal die Arbeitszeit für drei Stunden unterbrochen. Während der Zeit hatten die Kollegen viel Spaß, zum Beispiel während sie mit Hubstablern um die Wette fuhren oder Mäuse fütterten. (Ebenda, S. 14.)

Die Änderung der Arbeitsorganisation durch den konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf des Proletariats kann nur die Ausbeutung und Entfremdung der kapitalistischen Produktionsweise abmildern, aber nicht grundsätzlich aufheben. Das kann nur die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats.

Das Proletariat und das lohnabhängige KleinbürgerInnentum produzieren in der Regel Warenkapital, das dann auf den Märkten in Geld umgetauscht wird. Sie produzieren also in der Regel Geld, genauer: mehr Geld, als die kleinbürgerliche/kapitalistische Produktion von Waren und warenförmigen Dienstleistungen kostet. Viel wird auch im Kapitalismus für die Mülltonne produziert. Denn in diesem System zählen in der Regel nur zahlungsfähige Bedürfnisse als Nachfrage. Menschen, die bestimmte Bedürfnisse haben, aber nicht über das nötige Geld verfügen, um sich die Waren beziehungsweise warenförmigen Dienstleistungen zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zu leisten, gehen leer aus. Gleichzeitig werden Waren auf dem Müll befördert, weil sich für sie keine KäuferInnen finden ließen. Auch der Müll als unverkäufliche Waren ist kapitalistisches Eigentum, dessen Aneignung illegal ist. Denn das unentgeltliche Verteilen von unverkäuflichen Waren würde die Preise senken. Deshalb gehört das Vernichten von unverkäuflichen Gütern, während gleichzeitig unzählige Bedürfnisse wegen Mangel an Geld unbefriedigt bleiben, unentrinnbar zur Logik der Warenproduktion. Besonders Lebensmittel werden weggeschmissen wegen der Hygienevorschriften, obwohl sie noch verzehr- und genießbar sind.

Die unentgeltliche Aneignung von Waren – egal ob von potenziell verkäuflichen oder von nicht mehr verkaufbaren „Müll“ – beziehungsweise die Sabotage am reibungslosen Verkauf der Waren innerhalb der Warenproduktion gehört zum illegalen Klassenkampf des Proletariats. Im Lexikon der Sabotage können wir beispielsweise lesen, wie eine Lagerarbeiterin, die sehr frustriert über den niedrigen Lohn, die Langeweile, das alltägliche Arbeitsklima aus Hetze, Stress und Unfreundlichkeiten durch die Chefs war, den Verkauf der Waren, Babysachen, sabotierte. Bei der Verpackung der Waren forderte sie die Kunden durch beigepackte Zettel auf, bei dieser Firma nicht weiter zu bestellen. (Ebenda, S. 21/22.)

Im oben erwähnten Buch Lexikon der Sabotage erzählt uns zum Beispiel eine „Vorregalbetreuerin“ aus einem Supermarkt, wie sie konspirativ-illegal sich den Lebensmittel-Müll, also unverkaufte Waren, für den familiären Verzehr aneignet. Während ihre Oma noch bei diesem Supermarkt arbeitete, konnte diese noch legal unverkaufte Lebensmittel mit nach Hause nehmen. Als sie selbst dort ausgebeutet wurde, war dies bereits verboten. Doch sie eignete sich den noch genießbaren „Müll“ der Warenproduktion konspirativ-illegal an, indem sie sich von einem Bekannten den General-Müllraumschlüssel der Müllabfuhr besorgte. Und sie beschädigte die Verpackung von Lebensmitteln, die sie sich selbst aneignen wollte. Wenn sie dann weggeschmissen wurden, griff sie zu. (Ebenda, S. 85-87.) Bei dieser Aktion wurde der Verkauf von Waren sabotiert. Güter konnten genossen werden, ohne dass dafür Geld bezahlt werden musste.

Im Buch kommt auch ein Kellner einer Catering-Firma zu Wort, dem das viele Wegschmeißen von noch verzehrbaren Lebensmitteln tierisch auf die Nerven ging. Einmal als wieder sehr viel weggeschmissen werden sollte, hörte er und seine KollegInnen nicht mehr auf ein anwesendes Chefchen, sondern verteilten die Lebensmittel, die eigentlich weggeworfen werden sollten, kostenlos am Bahnhof. (Ebenda, S. 37.) Das war eine solidarische Aktion, die schon nicht mehr konspirativ war, sondern offen die Anweisungen der Chefetage missachtete. Damit gaben sie ein Beispiel, wie die Warenproduktion grundsätzlich durch das klassenkämpferische Proletariat aufzuheben ist. Durch den Alltagsklassenkampf kann der Wahnsinn der kapitalistischen Warenproduktion nur abgemildert beziehungsweise sabotiert und dessen Gesetze für kurze Zeit teilweise aufgehoben werden. Nur die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion und die Herausbildung einer globalen unmittelbaren Bedarfsproduktion, zerschlägt endgültig die Ware-Geld-Beziehung.

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Neue Broschüre: Kritik der globalen Politik III https://swiderstand.blackblogs.org/2024/11/24/neue-broschuere-kritik-der-globalen-politik-iii/ Sun, 24 Nov 2024 23:33:43 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=798 Unsere neue Broschüre „Kritik der globalen Politik III“ (ca. 13 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Einleitung

Kritik der Identitätspolitik

I. Die nationalkapitalistische Formierung von Identitäten

1. Die Nationalkapitale

2. SklavInnen, LohnarbeiterInnen und nichtlohnarbeitende ProletarierInnen

3. Rassismus

4. „InländerInnen“ und „AusländerInnen“, das migrantische Proletariat

5. Patriarchat und Sexismus

6. Die binärgeschlechtlich-heterosexuell-monogame Normierung

II. Die konkurrenzförmige Formierung von Identitäts-Subjekten

1. „Identität“ als Kostüm der bürgerlichen Konkurrenzindividuen

2. Rechtskonservativ-neofaschistische Identitätspolitik

3. Linksliberale Identitätspolitik

4. Linkskonservative Identitätspolitik a la Sahra Wagenknecht

III. Die sozialrevolutionäre Aufhebung der Identitätspolitik

1. Proletarisch-revolutionäres Klassenbewusstsein als Identität der Identitätsaufhebung

2. Die tendenzielle Aufhebung der Spaltungslinien durch reproduktiven Klassenkampf

3. Die sozialrevolutionäre Aufhebung aller bürgerlicher Identität

Kritik des demokratischen Untertanenbewusstseins

I. Die Ideologie von der „Volksherrschaft“

1. Die ideologische Herrschaft des „Volkes“ als Klassendiktatur der Bourgeoisie

2. „ArbeiterInnendemokratie“ als begrifflicher Unsinn

II. Die Demokratie als besondere Staatsform des Kapitals

1. Freie Wahlen als Ermächtigung und Legitimierung von politischer Herrschaft

2. Demokratische Narrenfreiheiten für das „Volk“

3. Gewerkschaften, Streikrecht sowie kapitalistische Wirtschafts- und Arbeitsdemokratie

4. „Direkte Demokratie“ als staatsbürgerliches Ideal

5. Die heiligen Menschenrechte

6. Gewaltenteilung in der Diktatur der DemokratInnen

7. „Die Diktatur“: das Feindbild aller guten DemokratInnen

8. Demokratisch-faschistische Sozialreaktion

Freie Wahlen als Ermächtigung und Legitimierung von politischer Herrschaft

Freie Wahlen sind das Kriterium, die eine Demokratie von anderen Herrschaftsformen des Kapitals unterscheidet. Zunächst einmal ist interessant, was bei freien Wahlen alles nicht zur Wahl steht. Das ist erstens die totalitäre Herrschaft des Tauschwertes über Gebrauchs- und Produktionswert. Bedürfnisse nach bestimmten Waren oder warenförmigen Dienstleistungen zählen in einer kapitalistischen Warenproduktion nichts ohne das nötige Kleingeld, um diese sich auch leisten zu können. Dass ist die Diktatur des Tauschwertes über den Gebrauchswert, die nützlichen Eigenschaften der Waren und warenförmigen Dienstleistungen.

LohnarbeiterInnen werden von ihren AusbeuterInnen in der Regel nicht angemietet, wenn sie nicht deren Geld vermehren. Die Produktion von Mehrwert, den sich die AusbeuterInnen der Lohnarbeit aneignen, ist absolute Bedingung der Einstellung von ProletarierInnen in der Warenproduktion (siehe Kapitel I.1 der Schrift Kritik der Identitätspolitik). Das ist die totalitäre Herrschaft des Tauschwertes über den Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit der Waren und warenförmigen Dienstleistungen.

Auch das Monopol der BerufspolitikerInnen auf die gesamtgesellschaftliche Organisation der kapitalistischen Klassengesellschaft steht in freien Wahlen nicht zur Wahl. Auch nicht die Existenz des Staates. Der politische Gewaltapparat ist weder wähl- noch abwählbar. Was in einer kapitalistischen Demokratie wähl- und abwählbar ist, ist das konkrete Management des Staates, die Regierung. Die Wähl- und Abwählbarkeit der Regierung gewährleistet die Reproduktion des Staates als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung.

Freie Wahlen sind eine Herrschaftstechnik, bei der die klassenübergreifenden WählerInnen die BerufspolitikerInnen ermächtigen, entweder den Staat zu regieren oder systemloyal-parlamentarisch gegen die Regierung – aber eben nicht gegen den Staat! – zu opponieren. ProletarierInnen verschwinden bei dieser demokratischen Herrschaftstechnik im klassenneutralen Wahlvolk. Sie gehen unter im Stimmvieh. BerufspolitikerInnen, egal ob regierend oder systemloyal opponierend, egal ob mittig, links oder rechts, sind die ManagerInnen der gesamtgesellschaftlichen Organisation der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit. Sie leben – auch jene der parlamentarischen Opposition – vom staatlich angeeigneten Mehrwert, also von der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnabhängigen, die sie politisch mit organisieren. In „freien Wahlen“ ermächtigen also die ProletarierInnen ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, in ihrem Namen – aber gegen ihre Interessen – entweder den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Am Politrummel der freien Wahlen teilzunehmen, ist für ProletarierInnen Verarschung und Selbstverarschung. Als WählerInnen trinken ProletarierInnen auch noch den Kakao, durch den sie gezogen werden.

In Form von freien Wahlen tragen die Basiseinheiten der bürgerlichen Politik, die politischen Parteien, ihre Konkurrenz aus. In Wahlen wird mitentschieden, welche Parteien den Staat regieren – auch in Form von Parteienkoalitionen – und welche in die parlamentarische Opposition gehen. Politische Parteien sind klassengespalten. Ihre bürgerlich-bürokratischen Apparate aus BerufspolitikerInnen und -ideologInnen sowie hauptamtlichen FunktionionärInnen bestimmen wesentlich was läuft und was nicht läuft im Parteiladen, während die kleinbürgerlich-proletarische Basis nicht mehr als Manövriermasse darstellt. Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen, in der die politischen Basiseinheiten ihre Konkurrenz in freien Wahlen austragen.

Politische „ArbeiterInnen“ Parteien (sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische) integrieren sich in der Regel in die demokratisch-parlamentarischen Staaten. In Deutschland existieren drei systemloyale sozialdemokratische Parteien, die SPD, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Aber auch sich sehr rrrrevolutionär gebende marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien wie die D„K“P, die MLPD und die Sozialistische Gleichheitspartei treten bei Wahlen an. Sie helfen damit in der Praxis das parlamentarisch-demokratische Herrschaftssystem zu reproduzieren, die ProletarierInnen zum Stimmvieh zu machen. Politische Parteien können den Staat nur reproduzieren. Sie sind Fleisch vom Fleische des Kapitalismus.

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Für die globale Vernetzung von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/07/31/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/ Wed, 31 Jul 2024 03:49:40 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=758 Die massenmörderische Krisen- und Kriegsdynamik des globalen Kapitalismus schreit geradezu nach einer planetaren Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen. Das Weltproletariat wird erbarmungslos von der Weltbourgeoisie verheizt. Der Klassenkampf des Proletariats wird noch immer innerhalb des reproduktiven Rahmens des Kapitalismus geführt, dessen Perspektive für die ProletarierInnen nur Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, staatliche Elendsverwaltung, eine sich vertiefende ökosoziale Kriese und Krieg beziehungsweise einen asozialen Frieden bedeuten kann.

Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien) ist der bürokratische Ausdruck der den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen des proletarischen Klassenkampfes. Die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate integrierten sich mehrheitlich in den Kapitalismus und wurden Fleisch von seinem Fleische. Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus (Linke Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und Linkskommunismus) sind entweder selbst Teil des kapitalistischen Problems oder außerstande eine revolutionäre Alternative zu Kapital, Staat und institutionalisierter ArbeiterInnenbewegung zu entwickeln.

Letzteres trifft besonders auf den Linkskommunismus zu. Er ist aufgrund seines Antiparlamentarismus, seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit und seiner Ablehnung der nationalen Befreiung/Selbstbestimmung zu radikal, um sich in den Kapitalismus zu integrieren, aber zu parteimarxistisch-ideologisch borniert, um den konterrevolutionären Charakter des staatstragenden Bolschewismus ab 1917 zu erkennen und zu begreifen, dass die politische Partei grundsätzlich eine bürgerlich-bürokratische Organisationsform ist, die nur den Kapitalismus reproduzieren, aber eben nicht revolutionär überwinden kann. Das peinliche Rumgeeiere in der Staatsfrage – der berühmt-berüchtigte „Halbstaat“, den die LinkskommunistInnen in der Revolution aufmachen wollen –, ist eine antirevolutionäre Tendenz. Erstens kann es nur ganze Staaten geben und zweitens sind die immer konterrevolutionär!

Eine globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen als organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus ist also absolut notwendig. Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) strebt mittelfristig eine globale Föderation dieser revolutionären Kräfte an.

Keine bürokratisch-zentralistische und ideologisch-dogmatische „Internationale“!

Wir streben keine bürokratisch-zentralistische Internationale an, mit einem riesigen globalen Apparat, der die einzelnen Sektionen in den verschiedenen Nationen anführt. Nein, die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen, die wir mittelfristig und geduldig mit euch zusammen aufbauen wollen, soll klar und eindeutig mit der bürokratisch-zentralistischen und ideologisch-dogmatischen Tradition der parteimarxistischen (sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen) vier Internationalen brechen. Selbstverständlich soll sie sich auch von internationalen anarchosyndikalistischen und linkskommunistischen Zusammenschlüssen unterscheiden.

Die globale Vernetzung soll die unterschiedlichen theoretisch-kulturellen Ursprünge und Traditionen nicht einebnen, sondern produktiv zusammenführen. Sie soll praktische Gemeinschaftserlebnisse von Individuen und Kleingruppen sowie die inhaltliche Diskussion zwischen ihnen ermöglichen und damit Vereinzelung überwinden. Ganz auf der kollektiven Solidarität der Individuen und Gruppen beruhen. Einzeln und frei wie ein Baum, dabei geschwisterlich wie ein Wald!

Natürlich ist dabei auch eine Beliebigkeit zu verhindern. Die Vernetzung von revolutionären Gruppen und Individuen kann kein Selbstzweck, sondern muss die gemeinsame praktisch-geistige Vorbereitung auf die mögliche Weltrevolution sein.

Diskussionsgrundlage für einen inhaltlichen Minimalkonsens einer globalen Föderation von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen

Damit die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen eine klare organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus werden kann, muss sie auf klaren Grundprinzipien beruhen. Die AST schlägt zur Diskussion folgende Punkte vor.

1. Für die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion. Die Warenproduktion basiert auf global voneinander getrennten kleinbürgerlichen und kapitalistischen Wirtschaftseinheiten, die ihre Produkte mittels der Ware-Geld-Beziehung austauschen müssen. Das Geld ist der verselbständigte Ausdruck des Tauschwertes. Basis des Tauschwertes ist der Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit einer Ware. Je höher der Produktionswert einer Ware ist, umso höher ist in der Regel auch ihr Tauschwert. Außerdem wird der Tauschwert auch durch die Marktkonkurrenz aus Nachfrage und Angebot bestimmt.

Indem das sich revolutionär selbst aufhebende Proletariat die Produktionsmittel und die soziale Infrastruktur in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und den Staat zerschlägt, schafft es die Voraussetzungen für die Aufhebung des Tauschwertes. Überwindung des Tauschwertes heißt, dass in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft die Produkte nicht getauscht – auch nicht durch einen Naturaltausch ohne Geld! – sondern gesamtgesellschaftlich kollektiv-solidarisch verteilt werden. Die Individuen sind keine passiven Objekte der gesamtgesellschaftlichen Leitung und Planung der Produktion sowie der Verteilung der Produkte, sondern deren aktive Subjekte.

RevolutionärInnen kritisieren jegliche „Vergesellschaftung“ innerhalb von Warenproduktion und Staat als Scheinalternative. GenossInnenschaften und „selbstverwaltete“ Betriebe innerhalb des Kapitalismus sind im besten Falle kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion und gehen fließend in Kapitalgesellschaften über.

2. Für die revolutionäre Zerschlagung aller Staaten. Staaten sind grundsätzlich sozialreaktionäre Gewaltapparate von Klassengesellschaften. Im Kapitalismus sind die Staaten die politischen Gewaltapparate der Kapitalvermehrung. Es kann keine „progressiven“ oder „sozialistischen“ Staaten geben. Das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat muss den Staat zerschlagen! Die „Halbstaaten“ einer angeblichen „Übergangsgesellschaft“, die der Linkskommunismus herbeiphantasiert, kann es nicht geben. Zwischen dem kapitalistischen Staat und der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft gibt es keine staatsförmige „Übergangsgesellschaft“, sondern „nur“ die mögliche revolutionäre Zerschlagung des Staates! Den Staat zu zerschlagen, heißt die gesamtgesellschaftlich-kollektive Organisation des Lebens ohne Gewaltapparate und BerufspolitikerInnen.

Da das Proletariat eines Landes, einer Gruppe von Ländern, eines Kontinents unmöglich mit der sozialen Revolution warten kann, bis ihre Klassengeschwister weltweit so weit sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Zerschlagung der Nationalstaaten sein. In der Weltrevolution wird es also sowohl schon mögliche klassen- und staatenlose Gemeinschaften als auch noch kapitalistische Staaten geben. Der revolutionäre Kampf gegen die Konterrevolution – sowohl von marodierenden Banden als auch von Staaten – beruht auf der kollektiven Militanz des sich selbst revolutionär aufhebenden Proletariats beziehungsweise der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft, aber nicht auf von der Gesellschaft getrennten Gewaltapparaten. Letztere wären der reproduzierte Staat. In der Praxis wird es schwer werden, notwendige revolutionäre Gewalt gegen die Konterrevolution auszuüben, ohne den Staat zu reproduzieren. Aber der reproduzierte Staat ist die Konterrevolution! Deshalb kompromissloser Kampf gegen die linkskommunistische Ideologie von dem „Halbstaat“ in der angeblichen „Übergangsperiode“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus! Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn alle kapitalistischen Staaten revolutionär zerschlagen sind.

3. Gegen die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien). Gewerkschaften sind der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes des Proletariats innerhalb des Kapitalismus. Im frühen Kapitalismus ging die Bourgeoisie noch total repressiv gegen den proletarischen Klassenkampf vor. Streiks und Gewerkschaften waren absolut verboten. Doch große Teile der herrschenden Klasse erkannten in einem sozialen Lernprozess – auch aufgrund des Druckes des klassenkämpferischen Proletariats – dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten ist. So wurde in den verschiedenen Staaten der reproduktive Klassenkampf und die Gewerkschafen unter bestimmten Bedingungen legalisiert. Der Klassenkampf wurde verrechtlicht und damit tendenziell entradikalisiert. Die Gewerkschaften wurden durch das durch staatliche Gesetze regulierte Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das Sitzen von Gewerkschaftsbonzen in den Aufsichtsräten der Konzerne zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung.

Die meisten Gewerkschaften sind durch einen antagonistischen Klassengegensatz geprägt. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Apparate der hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht (mehr) zum Proletariat gehören – und auf der anderen die ehrenamtlichen FunktionärInnen und die lohnabhängige Basis als Manövriermasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist es, sich vollständig in den kapitalistischen Staat zu integrieren.

Gewerkschaften können grundsätzlich nur einen reproduktiv-sozialreformistischen Klassenkampf um höhere Löhne, für kürzere Arbeitszeiten und eine geringere Arbeitsintensität sowie gegen die Angriffe von Kapital und Staat innerhalb des Kapitalismus, aber eben keinen revolutionären für die klassen- und staatenlose Gesellschaft führen. Selbstverständlich gibt es zwischen ihnen große Unterschiede. So gibt es total sozialreaktionäre Gewerkschaften, die völlig in die jeweiligen Staaten integriert sind und auch deren imperialistischen Kriege unterstützen, aber auch Basisgewerkschaften, die gegen Aufrüstung, Waffenhandel und Krieg einen pazifistisch-reformistischen Klassenkampf führen.

Die Behauptungen des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine Anpassung an das Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit des Proletariats wurde der Anarchosyndikalismus selbst zu einer Strömung des globalen Gewerkschaftsreformismus. Gewerkschaften sind die Organisationsform des reproduktiven Klassenkampfes innerhalb des Kapitalismus, aber eben keine revolutionären zur dessen Zerschlagung. Gewerkschaften können nicht revolutionär und revolutionäre Klassenkampforganisationen (siehe Punkt 5) keine Gewerkschaften sein!

In nichtrevolutionären Zeiten können RevolutionärInnen einfache Mitglieder von Gewerkschaften sein. Aber sie dürfen keine neben- oder hauptamtlichen Funktionen in ihnen übernehmen. Gewerkschaften müssen grundsätzlich durch revolutionäre Klassenkampforganisationen, die sich allerdings erst möglicherweise in der sozialen Revolution herausbilden können, ersetzt werden. Berits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus entwickelt sich die proletarische Selbstorganisation als Alternative zur Gewerkschaftsbürokratie (siehe Punkt 5). Völlig in den kapitalistischen Staat integrierte Gewerkschaftsapparate, die auch imperialistische Kriege unterstützen, müssen aktiv in der sozialen Revolution zerschlagen werden!

Politische Parteien bildeten sich ab dem 19. Jahrhundert zu zwar nicht absolut notwendigen, doch weit verbreiteten Basiseinheiten der bürgerlichen Politik. Parlamentarische Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen. In ihnen konkurrieren die politischen Parteien in Form von freien Wahlen um die Beherrschung des Staatsapparates. Freie Wahlen machen aus ProletarierInnen Stimmvieh, dass ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInne,n dazu ermächtigt, entweder den kapitalistischen Staat zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Neben den Demokratien gab und gibt es noch faschistische und marxistisch-leninistische (siehe Punkt 4) Einparteiendiktaturen.

Politische Parteien sind klassengespalten in bürgerlich-bürokratische Apparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen und -ideologInnen auf der einen und der kleinbürgerlich-proletarischen Basis auf der anderen Seite. Mensch kann zwischen kleinbürgerlich-radikalen Protest-/Aufstandsparteien und großbürgerlichen Systemparteien unterscheiden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich sozialdemokratische Massenparteien als politischer Flügel der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Einige von ihnen betrogen sich selbst und das Proletariat mit einer „revolutionären“ Ideologie, die aber nicht mit ihrer Praxis des parlamentarischen Sozialreformismus übereinstimmte, sondern diese verschleierte. Sie nahmen an Wahlen teil und integrierten sich immer stärker in das parlamentarische System. Die bürgerlich-bürokratischen Apparate der sozialdemokratischen Parteien strebten als Haupttendenz an, von der Bourgeoisie voll anerkanntes Regierungspersonal des kapitalistischen Staates zu werden.

Für die europäische Sozialdemokratie kam dieser Moment im Jahre 1914, den Beginn des Ersten Weltkrieges und der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die meisten europäischen sozialdemokratischen Parteien unterstützten den Ersten Weltkrieg auf der Seite ihres jeweiligen Nationalstaates. Nur pazifistische und radikale Teile der Sozialdemokratie waren gegen die Kriegsbeteiligung. Während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise wurde die Sozialdemokratie – besonders die deutsche SPD – offen konterrevolutionär, die blutig das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat niederschlug. Heute ist die Sozialdemokratie vollständig in den Kapitalismus integriert.

Infolge der europäischen revolutionären Nachkriegskrise spaltete sich der radikale Flügel der Sozialdemokratie weltweit sowohl als Partei-„Kommunismus“ als auch als Rätekommunismus ab. In einigen Nationen entstanden marxistisch-leninistische Parteidiktaturen (siehe Punkt 4). In hochentwickelten privatkapitalistischen Demokratien integrierten sich marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien in das parlamentarische System. Indem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus an parlamentarischen Wahlen teilnehmen, helfen sie dabei die Demokratie als Diktatur des Kapitals praktisch-geistig zu reproduzieren und die ProletarierInnen zum Stimmvieh abzurichten und braven demokratischen StaatsbürgerInnen zu erziehen.

Die sich vernetzenden Gruppen des revolutionären Anarchismus und des antileninistischen Kommunismus lehnen die politische Partei als Organisationsform des klassenkämpferischen Proletariats und der revolutionären Minderheiten ab. Ihre Kleingruppen sind weder Gewerkschaften noch politische Parteien und sie streben es auch nicht an, es zu werden.

4. Revolutionärer Antileninismus. Die politische Machtübernahme der bolschewistischen Partei im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – stellte keine „proletarische Revolution“ dar, wie der Parteimarxismus einschließlich des Linkskommunismus behauptet, sondern der Prologder staatskapitalistischen Konterrevolution. Das sozialreaktionäre Lenin-Trotzki-Regime zerschlug die Sowjets als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Ab der Verstaatlichung der Großindustrie im Frühsommer 1918 war es staatskapitalistisch. Es folgten weitere sozialreaktionäre politische Machteroberungen von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten und die Herausbildung staatskapitalistischer Regimes in Euroasien, Afrika und auf Kuba.

Die ultrazentralistischen und überbürokratischen staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse begünstigten die ursprüngliche, nachholende und beschleunigte Industrialisierung von einstigen Agrarnationen, aber auf Dauer konnten sie nicht der Konkurrenz des hochentwickelten Privatkapitalismus standhalten, weshalb sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Reformfraktionen entwickelten und die politische Macht eroberten. Diese transformierten dann den Staats- in den Privatkapitalismus. In der Sowjetunion und in Osteuropa zerfielen die marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen. In China, Vietnam und auf Kuba wurde und wird das Kapital unter der Herrschaft der marxistisch-leninistischen Parteien privatisiert.

5. Für die klassenkämpferische Selbstorganisation und die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats. Das Proletariat kann nur in klassenkämpferischer Selbstorganisation seine Interessen und Bedürfnisse gegen Kapital und Staat durchsetzen. Die klassenkämpferische Selbstorganisation richtet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Besonders in längeren Arbeitsniederlegungen, die offiziell von den Gewerkschaften geführt werden, entwickeln sich teilweise Formen der Doppelherrschaft. Auf der einen Seite die Selbstorganisation der Basis und auf der anderen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Die höchste Form nimmt die Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf in gewerkschaftsunabhängigen wilden Streiks an. Ist die Arbeitsniederlegung relativ kurz und sind die Belegschaften verhältnismäßig klein, reicht oft bereits die informelle Selbstorganisation der Lohnabhängigen. Dauert der wilde Streik jedoch länger und/oder stehen größere beziehungsweise mehrere Belegschaften in ihm, dann werden offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig.

Revolutionäre Kleingruppen orientieren sich auf die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats, lehnen aber den Anspruch auf dessen „Führung“ ab. Ihre Funktion ist es praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Wohl wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des Proletariats dessen eigener praktischer Kampf ist. RevolutionärInnen lehnen jede Stellvertreterpolitik gegenüber dem Proletariat einschließlich des Guerillakrieges getrennt vom Klassenkampf ab.

In außerordentlichen Situationen kann sich der proletarische Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisieren. Dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. Wir verstehen darunter die Organisation der Revolution. Diese wird sowohl durch die informelle Aktion des Proletariats als auch durch offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation geprägt sein. Die Aufgabe der revolutionären Klassenkampforganisation wird die Aufhebung der Warenproduktion (Punkt 1) und die revolutionäre Zerschlagung des Staates (Punkt 2) sein. Gelingt dies, dann transformiert sich die revolutionäre Klassenkampforganisation in die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Die revolutionäre Klassenkampforganisation ist also die Selbstaufhebung des Proletariats als Prozess.

Diese revolutionäre Organisation des Proletariats kann nur die Warenproduktion aufheben und den Staat zerschlagen, wenn sie ganz auf der kollektiv-solidarischen Selbstorganisation der Klasse ohne bürokratische Apparate und BerufspolitikerInnen beruht. Hauptamtliche Gewerkschafts- und ParteifunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen haben in der revolutionären Klassenkampforganisation des Proletariats nichts zu suchen! Revolutionäre Kleingruppen der vorrevolutionären Zeit gehen in der revolutionären Klassenkampforganisation auf. Diese kann nur die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären, wenn sie bereits mit deren Organisationsprinzipien schwanger geht.

Wir wissen nicht, wie die zukünftige revolutionäre Klassenkampforganisation aussehen wird. Die ArbeiterInnen- und Soldatenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) waren nur potenziell und tendenziell revolutionär. Sie hatten sich noch nicht das klare Ziel der Aufhebung der Warenproduktion und der revolutionären Zerschlagung des Staates gestellt. Und sie wurden zum Beispiel in Russland zuerst von menschewistischen und „sozialrevolutionären“ BerufspolitikerInnen deformiert, die versuchten die Sowjets in den proprivatkapitalistischen Staat zu integrieren. Später wurden bolschewistische BerufspolitikerInnen in den Sowjets immer stärker. Die Bolschewiki forderten demagogisch: „Alle Macht den Sowjets!“ Als sie dann mit Hilfe der Sowjets die politische Macht erobert hatten, zerschlugen sie diese als Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes. Daraus gibt es nur eine Lehre zu ziehen: BerufspolitikerInnen raus aus der revolutionären Klassenkampforganisation! Allen politischen Parteien – auch den linkskommunistischen – und Gewerkschaften einschließlich der anarchosyndikalistischen, die die Führung des revolutionären Proletariats anstreben, muss ordentlich auf die Finger geklopft werden!

6. Revolutionäre Kritik des Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien und Mobilisierung für die Demokratie. RevolutionärInnen lehnen Einheits- und Volksfronten mit bürgerlichen Kräften – einschließlich der Sozialdemokratie, des Marxismus-Leninismus und des Trotzkismus gegen den Neofaschismus ab. Sie bekämpfen ihn auf klassenkämpferisch-revolutionärer Grundlage.

Das ist die Lehre aus dem spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939), bei dem die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – von den StalinistInnen und SozialdemokratInnen über die linkssozialistische POUM bis zur anarchosyndikalistischen CNT – mit anderen bürgerlichen Kräften eine Volksfront bildete, gegen die die Generäle unter Franco putschten. Die Volksfront führte sowohl einen innerkapitalistischen und sozialreaktionären BürgerInnenkrieg gegen die putschenden Generale als auch einen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat und den linken Flügel der Volksfront (POUM und Basis der CNT). Den Klassenkampf von oben gewann die Volksfront, während sie den BürgerInnenkrieg gegen Franco verlor. RevolutionärInnen mussten sowohl die Volksfront als auch die putschenden Generäle bekämpfen.

7. Gegen nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung/Autonomie. Die Nationen sind Zwangs- und Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit. Ihr organisierender Kern ist der Nationalstaat. Nationen beruhen ökonomisch auf der erfolgreichen Vermehrung des Nationalkapitals, politisch auf der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und ideologisch auf den Nationalismus. Der Letztgenannte integriert die Lohnabhängigen in die jeweiligen Nationalstaaten und spaltet das Weltproletariat. Dieses wird in der globalen Interaktion der Nationen – sowohl kooperative Konkurrenz als auch konkurrenzförmige Kooperation – erbarmungslos verheizt. Die ProletarierInnen werden durch den Nationalismus in blutigen Gemetzeln aufeinandergehetzt – im Interesse des Weltkapitalismus.

RevolutionärInnen bekämpfen die nationalistische Benachteiligung und Unterdrückung von kulturellen, sprachlichen und religiösen Minderheiten sowie den Rassismus gegen Menschen mit bestimmten Hautfarben. Aber auch dagegen, dass aus diesen Minderheiten durch nationalistische Politik neue Nationen geformt werden. Für die dann entweder Autonomie in bestehenden Nationalstaaten verlangt und durchgesetzt (wie zum Beispiel „die KurdInnen“ im Nordirak und in Syrien) oder einen neuen unabhängigen Nationalstaat aufgemacht werden. Nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung und Autonomie kann nur Kapital und Staat reproduzieren, aber eben nicht überwinden. Gegen nationalistische Unterdrückung hilft keine nationale „Befreiung“, sondern nur die soziale Befreiung von der Nation durch die mögliche Weltrevolution und die globale klassen- und staatenlose Gemeinschaft. In der globalen Konkurrenz der Nationen unterstützen die RevolutionärInnen keinen, sondern bekämpfen alle.

8. Gegen den Pazifismus. Der (klein)bürgerliche Pazifismus tritt für den bürgerlichen Frieden sowohl innerhalb der als auch zwischen den kapitalistischen Staaten ein. Doch dieser ist lediglich die nichtmilitärische Form der Konkurrenz aller gegen alle. Er ist asozial und gewalttätig. Im Inneren beruht er auf dem staatlichen Gewaltmonopol und in der Außenpolitik auf Aufrüstung. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist nicht die Alternative zum Krieg, sondern dessen Quelle.

Der Pazifismus verlangt die freiwillige, kooperative und nennenswerte Abrüstung der kapitalistischen Staaten. Doch die ist aufgrund der globalen Konkurrenz illusorisch. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben: die Zerschlagung aller Staaten durch die mögliche globale Revolution. Kompromissloser Klassenkrieg! Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie!

9. Grundsätzliche Kritik sowohl des kapitalistischen Patriarchats als auch der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus. Für den revolutionären Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat. Das kapitalistische Patriarchat ist sowohl klassenübergreifend als auch klassenspezifisch. Frauen sind innerhalb der Bourgeoisie (Kapitalistinnen, Managerinnen, Berufspolitikerinnen und Spitzenbeamtinnen) unterrepräsentiert, während die Proletarierinnen einer sexistischen Extrauausbeutung unterworfen werden. So sind zum Beispiel Frauenlöhne durchschnittlich niedriger als Männerlöhne. Ein Ausdruck des kapitalistischen Patriarchats ist auch, dass die meisten biosozialen Reproduktionstätigkeiten (einkaufen, reinigen der Wohnung, Pflege von kranken und/alten Menschen, Beaufsichtigung und Erziehung von Kindern…) sowohl innerfamiliär als auch durch Lohnarbeit durchschnittlich hauptsächlich von Frauen verrichtet werden. Weitere Aspekte des kapitalistischen Patriarchats sind die Degradierung der Frauenkörper zum Sexualobjekt – besonders in Pornographie und Prostitution –, patriarchal-sexistische Gewalt gegen Frauen einschließlich von Femiziden sowie staatliche Repression gegen Abtreibungen.

Der (klein)bürgerliche Feminismus kämpft für Gleichberechtigung von Frauen und Männern innerhalb des Kapitalismus und damit der Klassenspaltung. Er erkämpfte in seiner Geschichte das Frauenwahlrecht, die Zulassung von Frauen zu bestimmten Berufen und immer mehr Berufspolitikerinnen und Wirtschaftsmanagerinnen. Und auch die sexistische Extraausbeutung der Frauen konnte abgemildert werden. Die völlige Durchsetzung der bürgerlichen Frauenemanzipation innerhalb des Kapitalismus würde bedeuten, dass Frauen innerhalb der Bourgeoisie nicht mehr unterrepräsentiert und die Proletarierinnen nicht mehr sexistisch extra ausgebeutet werden sowie die biosozialen Reproduktionstätigkeiten gleichmäßig unter den Geschlechtern, aber ungleichmäßig zwischen den Klassen verteilt werden. Die Durchsetzung von Punkt eins ist wahrscheinlicher als der Punkte 2 und 3. Jedoch haben die Proletarierinnen nichts davon, wenn sie von mehr Politikerinnen regiert, von Kapitalistinnen ausgebeutet und von Chefinnen herumkommandiert werden. Der bürgerliche Feminismus führt geradewegs zur „feministischen Außenpolitik“ kapitalistisch-imperialistischer Staaten…

Auch wenn der (klein)bürgerliche Feminismus es noch so sehr leugnet: es gibt auch weiblichen Sexismus gegen Männer. Klar, die bürgerliche Kleinfamilie ist grundsätzlich – auch von ihrer Geschichte her – patriarchal und vom männlichen Sexismus geprägt. Aber es gibt auch zwischenmenschliche Beziehungen, in denen Frauen Männer unterdrücken. Und auch sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen. Dieser weibliche Sexismus kommt auch teilweise im (klein)bürgerlichen Feminismus zum Ausdruck. Zum Beispiel wenn in der feministischen Ideologie teilweise unterschwellig anklingt, aber manchmal auch offen behauptet wird: Frauen sind die besseren Menschen. Oder wenn einige Feministinnen gegen trans Frauen als „Männer in Frauenkleidern“ hetzen. Das ist nicht „nur“ transfeindlich, sondern auch sexistisch gegen Männer. RevolutionärInnen bekämpfen den weiblichen Sexismus genauso konsequent wie den männlichen.

RevolutionärInnen stellen der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus grundsätzlich den revolutionären Kampf gegen das Patriarchat gegenüber. Durch die soziale Revolution sowie die klassen- und staatenlose Gemeinschaft können viele biosoziale Reproduktionstätigkeiten, die im Kapitalismus hauptsächlich innerfamiliär und von Frauen verrichtet werden, auf freiwilliger Grundlage vergesellschaftet und auf alle Geschlechter fair verteilt werden. Nur durch die revolutionäre Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung sowie des sozialen und sexuellen Elends kann auch die Prostitution überwunden werden. Ihr staatliches Verbot, die Teile des Feminismus fordern, können diese nur in den Untergrund treiben und das Leben der Prostituierten erschweren.

10. Gegen heterosexuelle und geschlechtliche Normierungen – aber auch gegen die verlogene staatliche „Regenbogentoleranz“ und kleinbürgerliche Identitätspolitik. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die staatliche Repression gegen Menschen, die der heterosexuellen und binären Geschlechternorm nicht entsprechen – homo-/bisexuelle, nichtbinäre und trans Menschen – in jenen Ländern, wo diese besteht, als auch die verlogene „Regenbogentoleranz“ von in dieser Frage liberaleren Nationen und Staatenbündnisse. Grundsätzlich braucht der Kapitalismus keine heterosexuellen und geschlechtlichen Normierungen. Solange Schwule, Lesben, nichtbinäre und trans Menschen durch fleißige Produktion und aufgeschlossenem Konsum das Kapital vermehren sowie brave StaatsbürgerInnen sind, ist für den modernen Liberalismus alles in Ordnung. Liberale Staaten und Staatenbündnisse wie die Europäische Union (EU) machen auch die „Regenbogentoleranz“ zur imperialistischen Waffe gegen Staaten, mit denen sie aus anderen Gründen konkurrieren und die repressiv die heterosexuelle und geschlechtliche Normierung durchsetzen.

RevolutionärInnen unterschieden zwischen biologischen Geschlechtern, sozialen Geschlechterrollen und individuellen Geschlechtsidentitäten. Soziale Geschlechterrollen wollen sie durch die soziale Revolution aufheben (siehe Punkt 9), während sie alle individuelle Geschlechtsidentitäten tolerieren, solange die sich nicht gegen andere richten. Soll jede/r nach seiner/ihrer Fasson glücklich werden. Aber RevolutionärInnen wissen auch, dass im Kapitalismus alle Identitäten – unter anderem „Nation“, Hautfarbe, Religion, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuell Geschlechtsidentität sowie sexuelle Orientierung – zu Kostümen im Konkurrenzkampf aller gegen alle werden. Der rechtskonservativ-neofaschistische Konkurrenzchauvinismus gegen „AusländerInnen“, „Nichtweiße“, Homosexuelle, nichtbinäre und trans Menschen genau wie die linksliberale Hetze gegen „cis-Männer“ und „alte, weiße Männer“ – damit die jungen, „nichtweißen“ Frauen innerhalb von KleinbürgerInnentum und Bourgeoisie ordentlich Karriere machen können. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die rechtskonservativ-neofaschistische als auch die linksliberale Identitätspolitik als Konkurrenzchauvinismus und Spaltung des Weltproletariats.

11. Grundsätzliche Kritik des bürgerlichen „Umweltschutzes“ innerhalb des Kapitalismus. Für die Reinigung des Planeten von kapitalistischem Dreck! Das kapitalistische Produktionsverhältnis, in dem sich alles um die grenzenlose Vermehrung des Tauschwertes/Geldes dreht, ist absolut sozialreaktionär und zerstörerisch gegen die pflanzliche und tierische Mitwelt. Die massenhafte Vergiftung, Zubetonierung, Vermüllung und Entwaldung unseres Planeten, der Klimawandel und das massenhafte Artensterben sind lebensgefährliche Ausdrücke der vom Kapitalismus permanent produzierten sozialökologischen Krise. Die technokratischen Versuche der kapitalistischen Staaten den Klimawandel zumindest einzudämmen, verschärfen diese Krise nur. Elektromobilität statt Verbrennungsmotor! Auf dass der lebensgefährliche, ressourcenverschwenderische und zerstörerische, aber eben auch sehr profitable Individualverkehr weiter reproduziert wird. Und Wälder für neue Autobahnen weichen müssen. Eindämmung des Klimawandels durch Windräder in „Naturschutzgebieten“! So sehen die „Lösungen“ der kapitalistischen Technokratie aus.

Auch die klassenübergreifende Umweltbewegung ist aus sich heraus nicht in der Lage, die kapitalistische Vernichtung der pflanzlichen und tierischen Mitwelt sowie den Klimawandel aufzuhalten. Nur die mögliche Weltrevolution kann durch die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsverhältnisse die ökosoziale Krise eindämmen. Dies spricht nicht dagegen, dass RevolutionärInnen an lokalen Bewegungen gegen konkrete kapitalistische Naturzerstörungen teilnehmen, um radikalisierende Impulse zu geben. Aber sie müssen immer die strukturelle kleinbürgerliche Beschränktheit auch der radikalsten klassenübergreifenden Umweltbewegung kritisieren. In der institutionalisierten Umweltbewegung, also in den verschiedenen kleinbürgerlichen Vereinen, haben RevolutionärInnen grundsätzlich nichts verloren.

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Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:05:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=724 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

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Neue Broschüre: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://swiderstand.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritikdestrotzkismus/ Wed, 09 Aug 2023 10:48:31 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=657 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

Innerhalb des Privatkapitalismus betrieb und betreibt der Trotzkismus eine Politik des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus einschließlich von Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie und dem Marxismus-Leninismus. Besonders letzteres war selbstmörderisch. So war der Trotzkismus in Vietnam in den 1930er Jahren relativ stark. Doch er ging eine Einheitsfront mit den StalinistInnen ein. Letztere bauten in den 1940er Jahren die Guerillaorganisation Viet Minh auf, die auch blutig gegen TrotzkistInnen vorging.

Nach Trotzkis Ansicht hätte auch in Deutschland nur eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus die Machtübergabe an die Nazis verhindern können. Eine Einheitsfront aus jenen zwei bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten, die real arbeitsteilig-konkurrenzförmig die kampflose Kapitulation des Proletariats organisiert hatten?! Wirkliche RevolutionärInnen traten für den selbstorganisierten Klassenkampf – unabhängig von und gegen die Partei- und Gewerkschaftsapparate – gegen Weimarer Republik und Nazis ein. Aus revolutionärer Perspektive hätte der Faschismus in Deutschland nur verhindert werden können, wenn das Proletariat die Weimarer Republik vor der Machtübertragung an die Nazis revolutionär zerschlagen und damit die Voraussetzung für eine klassen- und staatenlosen Gemeinschaft geschaffen hätte. Sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteiapparate konnten und können nur den Kapitalismus in privater oder verstaatlichter Form reproduzieren.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Jahre 1933 hielt Trotzki die von Moskau geführte „Kommunistische“ Internationale nicht mehr für reformierbar. Er trat jetzt für den Aufbau einer „Vierten Internationale“ ein, die offiziell 1938 gegründet wurde und später in mehrere globalen trotzkistischen Zusammenschlüsse zerfiel. Heute ist der Trotzkismus in seinen Hauptströmungen stark sozialdemokratisiert. So wirken in Deutschland in der Partei Die Linke, die einige Bundesländer und Kommunen mitregiert, also zum Politpersonal der Bourgeoisie gehört, auch einige TrotzkistInnen mit. Auch die radikalere trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die die Anpassung anderer Trotzkismen an Die Linke scharf kritisiert, nimmt selbst am politischen Wahlzirkus teil. Bei parlamentarischen Wahlen sind ProletarierInnen nichts als Stimmvieh, die ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, ermächtigen zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Indem die SGP an Parlamentswahlen teilnimmt, hilft sie dabei das demokratische Regime in diesem Land zu reproduzieren, auch wenn sie keine Chance auf Parlamentsmandate hat.

Die meisten trotzkistischen Strömungen erzeugen zum Beispiel in der BRD Illusionen in die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die durch das Tarifvertragsgeschäft, das Sitzen ihrer FunktionärInnen in den Aufsichtsräten der Konzerne (Wirtschaftsdemokratie) sowie in den sozialpartnerschaftlich-reformistischen Betriebs- und Personalräten (Arbeitsdemokratie) tief in das deutsche Nationalkapital und in viele Einzelkapitale als Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung integriert sind. Zwar schimpfen die TrotzkistInnen auf die Gewerkschaftsbürokratie, doch erzeugen die meisten von ihnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit der Gewerkschaften. Ja, TrotzkistInnen übernehmen ehren- und gar hauptamtliche Funktionen in ihnen.

Antipolitische SozialrevolutionärInnen gehen von einem antagonistischen Klassengegensatz in den Gewerkschaften aus. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen bilden – und auf der anderen Seite die lohnabhängige Basis. Dieser Klassengegensatz entfaltet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Oft entwickelt sich in längeren, noch offiziell von den Gewerkschaften „geführten“ Arbeitsniederlegungen die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite. In wilden Streiks, die sich ohne oder gar gegen die Gewerkschaften entwickeln, kommt die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats klar zum Ausdruck. Sowohl auf informelle Weise als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees.

Gewerkschaftsfeindliche SozialrevolutionärInnen können in nichtrevolutionären Zeiten Mitglieder in Gewerkschaften sein. Sie dürfen aber keine Illusionen in deren sozialemanzipatorische und klassenkämpferische Reformierbarkeit schüren und keine ehren- oder gar hauptamtliche Funktionen in ihnen übernehmen. SozialrevolutionärInnen streben langfristig die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaften an.

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Neue Broschüre: Analyse und Kritik der Warenproduktion https://swiderstand.blackblogs.org/2023/07/26/neue-broschuere-analyse-und-kritik-der-warenproduktion/ Wed, 26 Jul 2023 22:26:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=642 Unsere neue Broschüre „Analyse und Kritik der Warenproduktion“ (ca. 139 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Gebrauchs-, Produktions- und Tauschwert

I. Gebrauchs- und Produktionswert – allgemeine Kategorien der menschlichen Produktion

1. Der Gebrauchswert

2. Der Produktionswert

II. Der Tauschwert – besondere Kategorie der Warenproduktion

1. Die Entwicklung des Tauschwertes mit der Produktion für den Austausch

2. Tausch- und Gebrauchswert in der Warenproduktion

3. Tausch- und Produktionswert in der Warenproduktion

4. Der Mehrwert – ein ganz besonderer Teil des kapitalistisch produzierten Tauschwertes

5. Das Dreiecksverhältnis Tausch-, Gebrauchs-, und Produktionswert in der Warenproduktion

III. Kritik der marxistischen Begriffsverwirrung

1. Keine klare Unterscheidung zwischen Produktions- und Tauschwert

2. Nicht Doppel-, sondern Dreifachcharakter der Ware

Warenproduktion

I. Kleinbürgerliche Warenproduktion und kapitalistischer Handel

1. Kleinbürgerlich-selbstproduktives Eigentum an den Produktionsmitteln

2. Die embryonale Ausbeutung von Lohnarbeit in der kleinbürgerlichen Warenproduktion

3. Kapitalistischer Waren- und Geldhandel.

II. Kapitalistische Warenproduktion

1. Von der kleinbürgerlichen zur kapitalistischen Warenproduktion

2. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Sklaverei

3. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Lohnarbeit

4. Die Krisendynamik der industriekapitalistischen Warenproduktion

Die Entwicklung des Geldes als Verselbständigung und Abstraktion des Tauschwertes

1. Der noch nicht verselbständigte Tauschwert beim Naturaltausch

2. Die Herausbildung des allgemein anerkannten Tauschmittels

3. Die Funktionen des Geldes

4. Produktions- und Tauschwert des Metallgeldes

5. Gold als Weltgeld

6. Die Emanzipation des Buch- und Papiergeldes gegenüber der metallischen Basis

Ware-Geld-Beziehungen als verdinglichte gesellschaftliche Verhältnisse

1. Freie Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

2. Warenästhetik

3. Geldfetischismus

Die politische Organisation der industriekapitalistischen Warenproduktion

1. Politische Macht und Ohnmacht der Bourgeoisie in der eurasischen Übergangsperiode zum Industriekapitalismus

2. Staatlich garantierte freie Marktsubjektivität

3. Wirtschaftlicher und politischer Liberalismus

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den demokratischen Staat

5. Die extreme Mitte, Rechts- und Linksreaktion

6. Staatsinterventionismus und (klein)bürgerlicher Konkurrenzindividualismus

7. Der Nationalismus der freien Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

8. Sozialökonomische Aspekte des Imperialismus

Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes?!

I. Die marxistische und anarchistische Reproduktion des Tauschwertes

1. Inkonsequenzen des klassischen Marxismus

2. Die marxistisch-leninistische Verstaatlichung der Warenproduktion

3. Der Trotzkismus als eine oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

4. Marktsozialismus

5. Die anarchistische Reproduktion der Warenproduktion

II. Die kommunistische Überwindung des Tauschwertes

1. Objektive Voraussetzung: ein großer Anteil des Weltproletariats an der globalen Bevölkerung

2. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes

3. Objektiv-subjektive Voraussetzung: revolutionäre Situationen

4. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionäre Klassenkampforganisation

5. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die antipolitische Zerschlagung des Staates

6. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel

7. Objektiv-subjektive Voraussetzung und Folge: die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft

III. Inkonsequenzen auf einem richtigen Weg

1. GIK, Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung

2. Guenther Sandleben, Gesellschaft nach dem Geld

Geldfetischismus

Die verdinglichte menschlich-gesellschaftliche Ware-Geld-Beziehung produziert notwendigerweise ein falsches Bewusstsein, den Geldfetischismus. Das tote Ding Geld bekommt in der Ideologie der Marktsubjekte – und auch ProletarierInnen sind als VermieterInnen ihrer Arbeitskraft und als KäuferInnen von Lebensmitteln kleinbürgerliche Marktsubjekte – eine lebendige Gestalt. Es bekommt Eigenschaften von lebendigen Menschen angedichtet. Dieser Geldfetischismus kommt auch in Alltagssprüchen zum Ausdruck. Zum Beispiel in diesem: „Geld regiert die Welt.“ Geld kann nicht regieren. Es sind kapitalistische GeldbesitzerInnen, die die Welt regieren, aber nicht das tote Ding Geld. Es ist der menschliche Besitz des Geldes, die Macht demonstriert. Die Macht, sich Arbeitskräfte zu mieten, Prostituierte sexuell zu benutzen oder sich Regierungsentscheidungen zu kaufen. Es sind die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in einer kapitalistischen Warengesellschaft, die dem toten Ding Geld eine solche Macht verleihen. Und auch kapitalistische GeldbesitzerInnen werden von der Ware-Geld-Beziehung und deren Krisen mehr beherrscht, als dass sie umgekehrt die Ware-Geld-Beziehung beherrschen.

„Geld muss arbeiten!“ lautet eine Weisheit der kapitalistischen Warenproduktion. Sie ist durch und durch falsches Bewusstsein, wie sie aber notwendigerweise von der verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Ware-Geld-Beziehung produziert wird. Geld kann nicht arbeiten. Es sind produktionsmittelbesitzende KleinbürgerInnen und Lohnabhängige, die materiell-praktisch Waren und warenförmige Dienstleistungen produzieren, deren Verkauf dann das Geld vermehrt. In der kapitalistischen Warenproduktion vermehren die ProletarierInnen durch ihre Lohnarbeit das Geld der Bourgeoisie. „Geld muss arbeiten“ lenkt von der Ausbeutung des proletarischen Menschen durch die menschlichen Produktionsmittel- und GeldbesitzerInnen ab. „Arbeitendes“ beziehungsweise „sich vermehrendes Geld“ ist die Umwandlung des Geldkapitals in menschliches produktives Kapital, das dann für die Bourgeoisie noch mehr Geld produziert. Die wirkliche Produktivität der LohnarbeiterInnen wird durch den Geldfetischismus zur scheinbaren Produktivität des Kapitals beziehungsweise der Bourgeoisie. Dies wird auch durch die Bezeichnung „kapitalistische WarenproduzentInnen“ für KapitalistInnen deutlich. Doch KapitalistInnen produzieren keine Waren, sondern lassen diese von ihren Lohnabhängigen produzieren und verkaufen. Der positive Geldfetischismus, der in dem Satz „Geld muss arbeiten“ so „wunderbar“ zum Ausdruck kommt, verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit.

Zum negativen Geldfetischismus neigen dagegen weltweit Millionen ProletarierInnen, die am Ende des Geldes noch so viel Monat übrighaben. Die nicht wissen, wie sie die wichtigsten Dinge bezahlen sollen und deshalb nachts nicht schlafen können. Viele fluchen dann laut oder leise: „Scheiß Geld!“. Doch es ist nicht das tote Ding Geld, was sie bedrückt, es sind die verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie dazu sozialökonomisch zwingen, ihre Arbeitskraft gegen Geld zu vermieten, um sich dafür dann die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Es ist die kapitalistische Produktionsweise, die die grenzenlose Vermehrung des Geldes zum Hauptzweck des ganzen Geschehens macht. Deren Tendenz dafür ProletarierInnen überauszubeuten, so dass deren biosoziale Reproduktion gefährdet ist. So dass diejenigen, die ganz viel Geld für die Bourgeoisie produzieren, in der Regel relativ – und nicht gerade selten auch absolut – wenig selbst davon haben. Der Fluch „Verdammtes Geld!“ lenkt von den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Warenproduktion nicht weniger ab wie der positive Geldfetischismus.

Der negative Geldfetischismus reagiert sich wütend und hasserfüllt am Geld ab, während die anderen politökonomischen Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft bejaht und begrüßt werden. So ist es bei vielen linken und rechten IdeologInnen gang und gebe die „Realwirtschaft“ – also die kapitalistische Warenproduktion – gegen die böse Finanz- und Bankenwelt auszuspielen. Als ob nicht die ganze „Realwirtschaft“ notwendig vom Ziel befeuert würde, das Geld grenzenlos zu vermehren. Wer zwischen Banken und der „Realwirtschaft“ als zwischen „böse“ und „gut“ unterscheidet, ist objektiv ein/e Demagoge/in.

Der negative Geldfetischismus wird von den untereinander konkurrierenden Marktsubjekten – einschließlich der ProletarierInnen – gegenseitig moralisierend als ethischer Überbau des Konkurrenzkampfes in Stellung gebracht. Die jeweils anderen denken nur an das Geld! So kann die sozialökonomische Tatsache, dass fast alle Menschen im Kapitalismus die verdinglichte Ware-Geld-Beziehung leben und gezwungenermaßen ihr Leben, Tun, Denken und Fühlen mehr oder weniger vom Geld bestimmt ist, ausgeblendet, von sich selbst als Marktsubjekt abgelenkt und moralisierend-gehässig auf die jeweils anderen gelenkt werden. Der negative Geldfetischismus verband sich mit dem Antijudaismus und richtete sich mörderisch-hasserfüllt gegen „die Geldjuden“. Die kleinbürgerliche und kapitalistische Warenproduktion badete sich in Judenblut, wodurch auch „arische“ KleinbürgerInnen und Bourgeois ihr Geld auf Kosten der jüdischen Konkurrenz vermehren konnten.

Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige „Rasse“. Hier ein Zitat von Hitler, welches das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.

Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“

Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte. Die eigene kleinbürgerliche Konzentration auf das Geld wurde auf die „anderen“, die Juden und Jüdinnen, projiziert und diese Objekte der eigenen Projektion fanatisch bekämpft. Nun ja, indem die Nazis 1933 von der Mehrheit der deutschen Bourgeoisie als ihre offiziellen Folterknechte und Mordbuben gemietet wurden, konnten nicht wenige Nazibonzen ihre Taschen mit Geld füllen. Durch die „Arisierung der deutschen Wirtschaft“ konnten „arische“ KapitalistInnen auf Kosten der enteigneten jüdischen Bourgeoisie ihr Geld vermehren. Negativer Geldfetischismus als Moment des Konkurrenzkampfes im Rahmen der Geldvermehrung.

…..

Der Wirtschaftsliberale Silvio Gesell hatte nichts gegen die kapitalistische Warenproduktion an sich, als negativer Geldfetischist reagierte er sich am zinstragenden Bankkapital ab. Als ArbeiterInnen galten ihm fast alle Klassen und Schichten der kapitalistischen Gesellschaft, von den KönigInnen bis zu den HilfsarbeiterInnen – nur die von Kapitalzinsen Lebenden galten ihm als SchmarotzerInnen. Das war die alte Gegenüberstellung des „produktiven“ Kapitals, das in der Industrie und im Handel angelegt war, gegen das „schmarotzende“ zinstragende Kapital. Diese Ideologie, die nicht nur von Gesell produziert wurde, unterschlägt, dass im Kapitalismus nur das Proletariat und das KleinbürgerInnentum produktiv sind. Erstere vermehrt durch dessen Arbeit das Kapital der Bourgeoisie. Der Zins, von dem einige Angehörige der Bourgeoisie leben, ist lediglich ein Teil des Mehrwertes, der durch die Ausbeutung des Proletariats entsteht. Auch unterschlug Gesell, dass es auch dem Industrie- und Handelskapital um die Vermehrung des Tauschwertes, also des Geldes, geht. Gießkannen, Panzer und pazifistische Bücher werden nur hergestellt, wenn ihre Produktion und Verkauf den KapitalistInnen mehr einbringen als das ganze kostet. Allerdings verband Gesell seinen negativen Geldfetischismus nicht mit dem Antijudaismus, er stellte also das zinstragende Kapital nicht als „jüdisches“ dar. Total reaktionär war seine Ideologie trotzdem, weil sie die Quelle des kapitalistischen Geldreichtums, die Ausbeutung des Proletariats im Produktionsprozess, verdunkelte. Gesell war also ein Freund der kapitalistischen Warenproduktion und ein negativer Geldfetischist. Er kam auf die Idee ein „Schwundgeld“ oder „Knochengeld“ zu schaffen, das Geld sollte also aus einem Material geschaffen werden, das seine Substanz verlieren würde und deshalb nicht gehortet werden könnte.

Auch der kommunistische Anarchist Erich Mühsam (siehe Kapitel I.5 der Schrift Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes) triftete teilweise in negativen Geldfetischismus ab. Er schrieb über die Geldtheorie von Gesell: „…seine Geldtheorie dagegen scheint berufen, nicht, wie er annahm das Wirtschaftsregulativ der freiheitlichen Gesellschaft zu werden, wohl aber das Übergangsverfahren vom kapitalistischen Währungssystem zum geldlosen Kommunismus zu ermöglichen.“ (Erich Mühsam, Ein Wegbahner. Nachruf zum Tode Gesells 1930, in: Klaus Schmitt (Hg.), Silvio Gesell. Marx der Anarchisten? Texte zur Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus und der Kinder und Mütter vom patriarchalischen Bodenunrecht,Karin Kramer Verlag, Berlin 1989, S. 297.) Der letzte Satz ist natürlich Unsinn. Mühsam zeigt sich hier als negativer Geldfetischist, der sich am Ding Geld abreagiert, anstatt darüber nachzudenken wie die verdinglichten Tauschverhältnisse der Warenproduktion, also die Ware-Geld-Beziehungen durch eine klassen- und staatenlose gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel aufgehoben werden kann (siehe Kapitel II.6 des Textes Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes).

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Inhalt

Einleitung

Allgemeine Betrachtung über die sozialreaktionäre kapitalistische Modernisierung
1. Die industriekapitalistische Produktionsweise
2. Die bürgerlichen Staaten und ihr Internationalismus
3. Bürgerliche Staatsformen und politische Parteien
4. Staatsinterventionismus
5. Imperialismus und nationale „Befreiung“ als Durchsetzungsformen des Weltkapitalismus
6. Reproduktiver Klassenkampf und Gewerkschaften
7. Der Parteimarxismus als kapitalistische Modernisierungsideologie
8. Kapitalistisches Patriarchat und bürgerliche Frauenemanzipation
9. Der nachmarxistische und nachanarchistische Kommunismus

Krieg und Frieden in Afghanistan
1. Afghanistan zwischen Britisch-Indien und Russland
2. Afghanistan nach dem Zweiten Weltkrieg
3. Der marxistisch-leninistische Staatsstreich
4. Die internationale Aufrüstung des Islamismus
5. Die Intervention des sowjetischen Imperialismus
6. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen
7. Der US-Imperialismus und Al-Qaida
8. Die westliche Besatzung von Afghanistan
9. Die sozialökonomische und politische Entwicklung in Afghanistan unter westlicher Besatzung
10. Die Taliban wieder an der Macht
11. Afghanistan im Zusammenhang des zweiten Kalten Krieges

Der Libanon in der Krise
1. Kurze Geschichte des Libanon
2. Die tiefe Krise des Libanon ab 2019
3. Die Explosion der organisierten Verantwortungslosigkeit
4. Die soziale Protestbewegung vom 17. Oktober 2019
5. Die langfristige sozialrevolutionäre Krisenlösung

Politische Machtkämpfe in Bolivien
1. Das linksreaktionäre Morales-Regime
2. Der rechtsreaktionäre Putsch
3. Das rechtsreaktionäre Regime
4. Der erneute Wahlsieg der Linksreaktion
5. Fazit

Die bürgerlichen Staaten und ihr Internationalismus

Der bürgerliche Staat ist im Privatkapitalismus (siehe zum Staatskapitalismus Kapitel 7) der ideelle Gesamtkapitalist, der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Er übt sowohl ein Geld- als auch ein Gewaltmonopol aus. Als politischer Gewaltapparat überführt er das Geld in seine Nationaluniform, die Währung. In der Europäischen Union (EU), einer imperialistischen Zweckgemeinschaft einiger Staaten dieses Kontinents, haben sich mehrere Länder auf die gemeinsame Währung des Euro, geeinigt. Die grenzenlos-expansive Vermehrung des Geldes in seiner jeweiligen Nationaluniform ist das oberste Staatsprogramm der politischen Gewaltapparate. Der bürgerliche Staat formiert die Einzelkapitale auf seinem Territorium zum gesellschaftlichen Gesamtkapital, zum Nationalkapital.
Das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates sorgt für inneren Frieden. Auch in Demokratien kümmern sich hochgerüstete Geheimdienste und Bullerei darum, dass das Staatsvolk, die Nation, friedlich bleibt. Die Nation ist ein Kunstprodukt kapitalistischer Politik. Sie ist eine lediglich indirekte Vergesellschaftung der untereinander konkurrierenden Marktsubjekte und der gegeneinander kämpfenden Klassen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – über Ware-Geld-Beziehungen und den politischen Gewaltapparat. Eine Nation ist eine scheinbare Gemeinschaft und ein gemeinschaftlicher Schein. Letzterer wird durch die Ideologie des Nationalismus erzeugt. Er produziert die Illusion, dass UnterdrückerInnen und Unterdrückte, AusbeuterInnen und Ausgebeutete, einer untrennbaren Schicksalsgemeinschaft angehören können. Nationen beruhen also nicht nur auf politische Gewalt – verkörpert im Nationalstaat –, sondern auch auf die ideologische Illusion einer Gemeinschaft. Die bürgerlichen Marktsubjekte – einschließlich der ProletarierInnen (siehe Kapitel 1) – fliehen aus der Kälte des Konkurrenzindividualismus in die scheinbare Wärme der Nation.
Viele kapitalistische Nationen berufen sich ideologisch auf dominierende Sprach- und Kulturgemeinschaften, zum Beispiel der Staat BRD auf die deutsche Sprache und Kultur. Die vorkapitalistisch entstandenen Sprach- und Kulturgemeinschaften sind jedoch nicht mit den kapitalistischen Nationen identisch. Besonders deutlich wird das bei Nationen, die ursprünglich aus ganz vielen unterschiedlichen Sprach- und Kulturgemeinschaften zusammengesetzt wurden, wie die US-amerikanische. Manchmal ist auch eine bestimmte Religion besonders eng mit bestimmten Sprach- und Kulturgruppen verbunden. Eine solche Rolle füllt zum Beispiel in Polen der Katholizismus aus. Oder der Hindunationalismus in Indien, der sich besonders aggressiv gegen die muslimische Minderheit im Land richtet. Gemeinsame Religion, Sprache und Kultur sollen die Menschen ideologisch verbinden, die sich als Marktsubjekte und unterschiedliche Klassen gegeneinander bekämpfen.
Und das gelingt auch in der Regel in relativ stabilen kapitalistischen Nationen – solange der Klassenkampf zwischen Kapital und Lohnarbeit reproduktiv (siehe Kapitel 6) und auch der Konkurrenzkampf zwischen den politischen Strömungen friedlich bleibt. Ist letzteres nicht mehr gewehrleistet, dann sind das staatliche Gewaltmonopol und die Einheit der Nation durch BürgerInnenkrieg gefährdet. Durch solche innerstaatlichen Gemetzel fühlen sich natürlich auch oft ausländische Staaten eingeladen, sich bewaffnet in die BürgerInnenkriege einzumischen. Wir werden das am Beispiel des afghanischen und libanesischen BürgerInnenkrieges ausführlicher beschreiben (siehe die Kapitel 3-9 des Textes Krieg und Frieden in Afghanistan sowie das Kapitel 1 der Schrift Der Libanon in der Krise).
Innerstaatlicher Frieden erfordert also ein praktisch durchgesetztes staatliches Gewaltmonopol. Es sichert, dass sich die StaatsbürgerInnen als Konkurrenzsubjekte legal nicht gegenseitig verprügeln und töten dürfen. Illegal machen sie das natürlich in einem gewissen Umfang. Der innere Frieden in kapitalistischen Staaten ist also gewissermaßen ein latenter BürgerInnenkrieg niederer Intensität. Legal zuschlagen und töten dürfen nur die offiziellen Hooligans des Staates, die Bullen, SoldatInnen und GeheimdienstlerInnen.
Der bürgerliche Staat ist Schiedsrichter des permanenten Konkurrenzkampfes der Einzelkapitale und der Marktsubjekte. In dieser Funktion als ideeller Gesamtkapitalist macht er den Einzelkapitalen und Konkurrenzindividuen Vorgaben, was sie im ständigen Gegeneinander tun dürfen und was nicht.
Als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung schützt er alle Eigentumsformen der Warenproduktion grundsätzlich gegen das eigentumslose Proletariat. Am Anfang illegalisierten auch demokratische Staaten den proletarischen Klassenkampf total. Inzwischen kontrollieren demokratische Staaten durch ein Streikrecht, ein Tarifvertragssystem und in die Nationalkapitale integrierte bürgerlich-bürokratische Gewerkschaftsapparate wesentlich besser und effektiver das klassenkämpferische Proletariat (siehe Kapitel 6).
Als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung nimmt der bürgerliche Staat auch direkt und indirekt an der Ausbeutung der Lohnarbeit teil. Besitzt der Staat industrielle Produktions-, Transport und Verkehrsmittel, mit und an denen LohnarbeiterInnen Mehrwert produzieren, den sich der politische Gewaltapparat aneignet, dann reden wir von Staatskapitalismus. Staatsbesitz an Aktien an oder von gesamten kapitalistischen Unternehmen ist institutionelles Eigentum. Nicht individuelle Personen besitzen Produktionsmittel oder Anteile an kapitalistischen Unternehmen, sondern der überpersönliche politische Gewaltapparat. Aber die regierenden BerufspolitikerInnen und das Management verstaatlichter kapitalistischer Unternehmen üben die EigentümerInnenfunktionen des Staates aus. Besitzt der politische Gewaltapparat nur eine Minderheit der industriellen Produktionsmittel beziehungsweise der Aktien, dann haben wir eine staatskapitalistische Tendenz innerhalb des Privatkapitalismus vor uns. Übt der Staat jedoch ein Eigentumsmonopol in der Industrie aus, dann ist dies Ausdruck einer staatskapitalistischen Produktionsweise (siehe Kapitel 7).
Neben den Mehrwert produzierenden ProletarierInnen in Staatsfirmen beutet der politische Gewaltapparat auch im Privatkapitalismus auch die Arbeitskraft von staatlich dienenden Lohnabhängigen aus. Letztere produzieren weder Tausch- noch Mehrwert, sondern Gebrauchswerte. Zum Beispiel vermitteln die LehrerInnen in staatlichen Schulen das jeweilige Wissen, was die Arbeitskräfte, Marktsubjekte und StaatsbürgerInnen in ihren Funktionen unbedingt benötigen. Oder die Bullen, die für den Staat für „innere Sicherheit“ sorgen. Diese staatlich dienenden Lohnabhängigen sind klassenmäßig von den regierenden BerufspolitikerInnen, die als ManagerInnen des Staates zur Bourgeoisie gehören, getrennt. Letztere halten die großen Reden und werden auch wesentlich besser bezahlt als die staatlich dienenden LohnarbeiterInnen, obwohl diese die eigentliche Arbeit verrichten. Darin besteht die Ausbeutung der staatlich dienenden Lohnabhängigen durch den politischen Gewaltapparat, auch wenn sie keinen Mehrwert produzieren, sondern aus dem staatlich angeeigneten Mehrwert bezahlt werden. Staatlich dienende Lohnabhängige werden vom dialektischen Widerspruch beherrscht, dass sie einerseits teilweise repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat vorgehen – zum Beispiel die Bullen – anderseits aber auch einen reproduktiven Klassenkampf um Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen gegen das regierende BerufspolitikerInnentum als Management des ideellen Gesamtkapitalisten führen.
Durch die Besteuerung seiner BürgerInnen eignet sich der bürgerliche Staat indirekt einen Teil des Mehrwertes an. Besteuert der politische Gewaltapparat den Geldlohn, dann lässt er faktisch Mehrwert für sich produzieren und realisieren. Bei der Besteuerung des Konsums der Lohnabhängigen verwandelt er einen Teil des Lohnes in staatlich angeeigneten Mehrwert. Die Steuern, die die Bourgeoisie – KapitalistInnen, ManagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen – zahlt, stellt eine Umverteilung des Mehrwertes an den politischen Gewaltapparat dar. Sowohl die besteuerten Gewinne der KapitalistInnen sowie die Gehälter der ManagerInnen, hohen BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen als auch die Steuern, die die Bourgeoisie auf ihren Konsum zahlt, haben die Lohnabhängigen erarbeitet. Die Lohnabhängigen werden also nicht nur als Steuerzahlende, sondern auch als SteuerproduzentInnen vom kapitalistischen Staat ausgebeutet. Die Steuern, die das produktions- und handelsmittelbesitzende KleinbürgerInnentum (KleinbäuerInnen, HandwerkerInnen, KleinhändlerInnen und FreiberuflerInnen) auf dessen Gewinn und Konsum zahlt, hat es sowohl teilweise selbst erarbeitet als auch stammt es zu einem anderen Teil aus dem Mehrwert, den die von ihm ausgebeuteten Lohnabhängigen produziert und realisiert haben.
Der politische Gewaltapparat verteilt den angeeigneten Mehrwert um. Ein Teil fließt als eine Art Soziallohn an die Lohnabhängigen zurück. Das sind die scheinbar kostenlosen beziehungsweise zwar gebührenpflichtigen, aber nicht kostendeckenden Dienstleistungen des Staates an die Lohnabhängigen, wie zum Beispiel der Schulunterricht auch für proletarische Kinder. Scheinbar kostenlos sind diese Dienstleistungen, weil die Lohnabhängigen sie ja in ihrer Funktion als Steuerzahlende und SteuerproduzentInnen erarbeitet haben. Teilweise bekommen auch nichtlohnarbeitende Schichten des Proletariats wie Erwerbslose und RentnerInnen als ehemalige LohnarbeiterInnen steuerfinanzierte staatliche Transferzahlungen. Zum Beispiel in Deutschland an Langzeitarbeitslose und staatliche Finanzflüsse an die gesetzliche Rentenversicherung. Ein anderer Teil der staatlichen Zahlungen an Erwerbslose und RentnerInnen stammt also in der BRD aus der gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Außerdem gibt es in Deutschland noch die Kranken-, die Pflege- und die Unfallversicherung. Bis auf die Unfallversicherung zahlen sowohl die Lohnarbeit anmietenden „ArbeitgeberInnen“ als auch die Lohnabhängigen Beiträge. Aber natürlich wurden auch die Beiträge der AusbeuterInnen an die gesetzlichen Sozialversicherungen von den Lohnabhängigen selbst erarbeitet. Der Soziallohn und die Transferzahlungen an die nichtlohnarbeitenden Schichten des Proletariats stellen nichts anderes als staatliche Elendsverwaltung und das Eingeständnis dar, dass der ausgezahlte Geldlohn nicht zur biosozialen Reproduktion des Proletariats bei allen möglichen Risiken des Daseins im Kapitalismus ausreicht. Große Teile der politischen Linken bekommen es fertig, den Sozialstaat für „fortschrittlich“ zu halten, obwohl er auf der sozialreaktionären kapitalistischen Ausbeutung von Lohnarbeit beruht.
Ein anderer Teil des staatlich angeeigneten Mehrwertes fließt als Subvention an das Privatkapital. Übrigens stellen Staatsaufträge an das Privatkapital keine Umverteilung des Mehrwertes, sondern die Umwandlung seiner Form dar. Der Staat eignet sich den Mehrwert in Form von Geld an. Kauft er jetzt bei privatkapitalistischen Rüstungsunternehmen Mordwerkzeug ein, dann hat er nun ein Mehrprodukt zum Tauschwert des von ihm bezahlten Preises. Bezahlt der politische Gewaltapparat aber einen viel höheren Preis für Rüstungsgüter, als die eigentlich wert sind, dann haben wir es mit einer versteckten Subvention zu tun. In hoch entwickelten kapitalistischen Industriestaaten entwickelte sich ein Militärisch-Industrieller Komplex aus Militär, Politik sowie privatkapitalistischen Rüstungs- und SöldnerInnenfirmen heraus. Der Militärisch-Industrielle Komplex ist ein Ausdruck des kapitalistischen Imperialismus. Unter modernem Imperialismus verstehen wir die ökonomische, politisch-diplomatische, propagandistisch-ideologische und militärisch-kriegerische Expansion sowohl von einzelnen Nationalkapitalen/-staaten als auch von Blöcken (zum Beispiel EU und NATO als kollektive Organe des westlichen Imperialismus).
Der Imperialismus ist eine aggressiv-expansive Form des bürgerlichen Internationalismus. Letzterer ist die globale Interaktion der Nationalkapitale und -staaten. Die globale Interaktion der Nationen beruht auf kooperativer Konkurrenz und konkurrenzförmiger Kooperation der Nationen. Sowohl der Frieden zwischen Staaten als nichtmilitärische Form der Konkurrenz als auch der Krieg sind Ausdrucksweisen des bürgerlichen Internationalismus. Der bürgerliche Frieden trägt in sich den imperialistischen Krieg wie die Wolke den Regen. Im Weltkapitalismus kann der Frieden nur Zwischenkrieg sein. Der Frieden bereitet den nächsten Krieg und der Krieg den nächsten Frieden vor. Ein Ausschluss des Krieges und eine kollektive freiwillige Abrüstung der kapitalistischen Staaten bei deren Weiterexistenz ist das größte Ideal des kleinbürgerlichen Pazifismus, welches jedoch an der Realität der zwischenstaatlichen Konkurrenz nur scheitern kann. Es gibt nur eine Möglichkeit der globalen Abrüstung der Staaten: ihre Zerschlagung durch die Weltrevolution und die Herausbildung einer klassen- und staatenlosen planetaren Solidargemeinschaft (siehe Kapitel 5 der Schrift Der Libanon in der Krise). Dieses Ziel stellt sich der sozialrevolutionäre Universalismus als Todfeind des bürgerlichen Nationalismus und Internationalismus.
Ökonomischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus ist der Welthandel und der produktive Kapitalexport (ausländische Direktinvestitionen). Politischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus und zugleich die Verkörperung der größten Ideale der Weltbourgeoisie, wie der Weltfrieden, die Menschenrechte und des Völkerrechtes stellen die Vereinten Nationen (UNO) dar. Bevor wir die UNO auseinandernehmen – vorerst leider nur theoretisch – wollen wir uns die drei genannten Ideale der Weltbourgeoisie etwas genauer ansehen. Die „Bewahrung des Weltfriedens“, welche sich die UNO auf ihre Fahnen schreibt, ist natürlich eine Fata Morgane der bürgerlichen Ideologieproduktion. Irgendwo auf dieser kapitalistisch-durchgeknallten Welt wird der Konkurrenzkampf immer militärisch ausgetragen. Und das, was nicht existieren kann, kann natürlich auch nicht bewahrt werden. In einer Zeit, wo die imperialistischen Staaten über Massenvernichtungswaffen verfügen, mit der sie die ganze Weltbevölkerung auslöschen können, ist die Verhinderung eines atomaren Overkills das Einzige, was bisher möglich war. Und diese Möglichkeit beruht einzig auf der Gewissheit, dass in einem direkten Krieg zwischen Atomwaffenstaaten derjenige, der als erster den Atomcolt zieht, als zweiter stirbt. Aber die indirekten Stellvertreterkriege gingen im ersten und zweiten Kalten Krieg munter weiter (siehe die Texte über Afghanistan und den Libanon).
Die Menschenrechte sind das größte Ideal der Weltbourgeoisie. Also schauen wir uns diese genauer an. Sie sind die ideologisierte Praxis der Staaten, nämlich festzulegen, welche Rechte ihre Insassen haben. Rechte sind staatlich anerkannte Bedürfnisse. Menschenrechte beruhen also auf dem staatlichen Gewaltmonopol. Nach dem Ideal haben alle Menschen in der kapitalistischen Internationale – die Gesamtheit der bürgerlichen Nationalstaaten – die gleichen Rechte. Was sie jedoch in der Geschichte nicht hatten. Am Anfang des Kapitalismus hatten Frauen zum Beispiel nicht die gleichen Rechte wie Männer. Und in den USA, die sich von Anfang an zu den Menschenrechten bekannten, wurden „schwarze“ Menschen sogar bis 1865 versklavt und auch später hatten sie lange nicht die gleichen Rechte wie „weiße“ StaatsbürgerInnen. Das Gleiche gilt für die amerikanischen UreinwohnerInnen, die massakriert, vertrieben und in Reservate interniert wurden.
Aber selbst, wo alle Menschen gemäß dem Ideal in einem bürgerlichen Staat die gleichen Rechte haben, dann kann das nur die rechtliche Gleichheit auf der Grundlage sozialer Ungleichheit sein. So haben in einem bürgerlichen Rechtsstaat alle Menschen das Recht kapitalistische Unternehmen zu gründen. Das ist die rechtliche Gleichheit. Die soziale Ungleichheit sorgt dafür, dass Bourgeois kapitalistische Unternehmen gründen und die ProletarierInnen in ihnen ausgebeutet werden. In Frankreich, wo die Bourgeoisie, als sie Ende des 18. Jahrhunderts an die politische Macht kam (siehe Kapitel 3), die heiligen Menschenrechte verkündete, verbot sie im Namen dieses heiligsten Ideals dem Proletariat jegliche Klassenkampforganisation. Damit sagte sie ganz unverblümt: Die Menschenrechte sind unvereinbar mit den Klasseninteressen des Proletariats. Heute sagt das die Bourgeoisie meistens nicht mehr so deutlich. Umso wichtiger ist es, dass diese Tatsache von proletarischen RevolutionärInnen unmissverständlich in der größten Klarheit ausgesprochen wird. Es ist unmöglich, eine Revolution gegen den Kapitalismus zu machen mit bürgerlichen Idealen im Kopf. Nur SozialdemokratInnen betteln bei der Bourgeoisie für Menschenrechte auch für ProletarierInnen. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats ist dagegen mit der praktizierten bürgerlichen Ideologie der Menschenrechte unvereinbar.
Aber für das politisierte KleinbürgerInnentum sowie für das sozialreformistische Bewusstsein des Proletariats stellen die Menschenrechte selbstverständlich auch das Heiligste des Heiligen dar. Es ist das ideale Maß, an der die Praxis des staatlichen Gewaltmonopols gemessen wird. Wie gesagt, die Menschenrechte sind die ideologisierte Praxis des staatlichen Gewaltmonopols. Globale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben dann auch nichts Grundsätzliches am Gewaltmonopol der bürgerlichen Staaten auszusetzen. Sie kritisieren lediglich die „unverhältnismäßige“ Gewalt der offiziellen Hooligans des Staates, wobei sie zu Vertreterinnen eines gesunden Verhältnisses staatlicher Gewalt werden. Was es natürlich nur in der Ideologie geben kann. So fordern die menschenrechtsbewegten KleinbürgerInnen immer von den repressiven Staatsorganen, deren Job es ist, Menschen im Auftrag des Staates zu verletzen und zu töten, doch bitteschön die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben einzuhalten. Ein Fulltimejob in einer kapitalistischen Konkurrenz- und Klassengesellschaft, in der sich die Menschen permanent verletzen und töten. Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Leben gilt in der Ideologie universal, indem es praktisch permanent nicht gilt. Das Verletzen von Menschen ist im Kapitalismus Alltag, das Verletzen von Menschenrechten dagegen ein schweres Verbrechen. Das einzige Menschenrecht, was wirklich praktisch universell gilt, ist das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln, welches in der Praxis das Recht ist, eigentumslose proletarische Menschen auszubeuten. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Eine soziale Revolution ist auch eine gegen die Menschenrechte als ideologisierte Praxis und praktizierte Ideologie des Kapitalismus!
Indem das höchste Organ des bürgerlichen Internationalismus, die UNO, sich zu der weltweiten Geltung der Menschenrechte bekennt, ist sie ein Subjekt des Menschenrechtsimperialismus. Sie ist berechtigt, sich im Namen der Menschenrechte in die Nationalstaaten einzumischen und diese wegen Verletzung dieses heiligsten Ideals zu kritisieren. Dieses Recht maßt sich auch der westliche Menschenrechtsimperialismus an. Da die Menschenrechte universell sind, sind auch nach westlichen IdeologInnen EU und NATO für deren globalen Durchsetzung zuständig. So formulierte die Außenministerin des deutschen Imperialismus, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), zum Beispiel: „Das ist doch die Stärke der Menschenrechte: Unteilbarkeit, egal an welchen Fleckchen der Welt man lebt.“ (Zitiert nach junge Welt vom 2. Juni 2022, S. 4). Menschen, ihr seid arme Schweine! Egal, wo ihr lebt, den Baerböcken (m/w/d) des
westlichen Menschenrechtsimperialismus werdet ihr nicht entkommen!
Indem imperialistische Staaten sich für die Menschenrechte in anderen Nationen zuständig fühlen, dehnen sie das, was sie im eigenen nationalen Laden gewohnheitsmäßig tun, nämlich die Rechte ihrer BürgerInnen durch ihren politischen Gewaltapparat zu bestimmen, auch auf das konkurrierende Ausland aus. Sie stellen fest, dass andere Staaten die universellen Menschenrechte ihrer StaatsbürgerInnen nicht anerkennen und interpretieren das als Recht, sich im Namen des heiligsten Ideals des Globus in die inneren Angelegenheiten der betreffenden Nationen einzumischen. Dies kann sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Sind die Beziehungen zu einem Staat eher kooperativ, dann kann die Aufforderung der westlich-imperialistischen MenschenrechtsfreundInnen an andere Nationen, doch bitte schön die Menschenrechte einzuhalten, in einem Nebensatz untergebracht werden. Überwiegt aber die Konkurrenz, wie zum Beispiel im Verhältnis des kollektiven Westens zu Russland und China im zweiten Kalten Krieg, dann kann eine richtige aggressive Kampagne im Namen der Menschenrechte geführt werden. Dies ist dann nichts anderes als propagandistisch-ideologischer Imperialismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen sowohl den westlichen Menschenrechtsimperialismus als auch die inneren Zustände in Russland und China, so wie in allen Staaten der kapitalistischen Internationale. Letzteres selbstverständlich nicht im Namen der Menschenrechte, sondern aus einem sozialrevolutionären Universalismus heraus.
Außerdem ist die UNO auch eine Verkörperung des Völkerrechtes. Was ist das Völkerrecht? Nun, die „Völker“ sind die klassengespaltenen Insassen der bürgerlichen Staaten. Nach der bürgerlichen Ideologie sind die „Völker“ die Subjekte des Staates. Das ist natürlich Unsinn. Bürgerliche Staaten sind nicht der politische Ausdruck der klassenneutralen „Völker“, sondern der politische Gewaltapparat der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Das Völkerrecht ist also das Recht der Staaten. Ein Recht, was in der Ideologie über ihnen stehen soll. Damit ist das Völkerrecht mehr praktizierte Ideologie als ideologisierte Praxis. Denn damit das Völkerrecht wirklich materiell durchgesetztes Recht werden kann, muss es eine Weltregierung geben, die das erstgenannte auch global in allen Staaten durchsetzen kann. Eine solche Weltregierung kann es nicht geben, die zwischenstaatliche Konkurrenz macht sie zur Unmöglichkeit. Es gibt nur die UNO als eine Organisation des Internationalismus der Nationalstaaten.
Eines der wichtigsten Prinzipien des Völkerrechtes ist zum Beispiel das Verbot von Führen von Angriffskriegen, es sei denn die UNO hat diese ermächtigt. Dieses Verbot hindert die imperialistischen Staaten nicht daran, Angriffskriege gegen andere Nationen zu führen. Zum Beispiel der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien 1999 oder die Invasion Russlands in der Ukraine im Jahre 2022. Beide imperialistische Aggressionen wurden nicht von der UNO gedeckt, waren also völkerrechtswidrig. Das Völkerecht ist eine Patrone des propagandistisch-ideologischen Imperialismus. Als die NATO 1999 gegen Jugoslawien Krieg führte, war das Völkerrecht eine Waffe des Kremls, der die Aggression des kollektiven Westens ablehnte. 2022, als russische Truppen in der Ukraine einfielen, verurteilte dies der westliche Imperialismus als völkerrechtswidrig. Und bewaffnete den ukrainischen Nationalismus, der natürlich wie alle Nationalismen sozialreaktionär ist. Dadurch führten NATO und EU einen indirekten Stellvertreterkrieg gegen den russischen Imperialismus, der durch einen Wirtschaftskrieg ergänzt wurde. SozialrevolutionärInnen müssen Russland, den ukrainischen Nationalismus und EU/NATO als Kriegstreiber kompromisslos bekämpfen
Das Völkerrecht als bürgerliches Ideal interessiert uns nicht die Bohne. Wir bekämpfen die imperialistischen Kriege, weil in ihnen das Leben und die Gesundheit der kleinbürgerlichen/proletarischen Zivilbevölkerung für kapitalistische und politische Interessen geopfert werden. Mit dem Völkerrecht unter dem Arm lassen sich keine imperialistischen Kriege bekämpfen – aber rechtfertigen. So gingen die Kriege des US-Imperialismus gegen Nordkorea (1950-1953) – nachdem dieser Staat zuerst Südkorea angegriffen hatte – und gegen den Irak 1991, zuvor hatte im August 1990 das irakische Regime Kuwait annektiert, völkerrechtlich voll in Ordnung, weil die UNO zu diesen Gemetzeln ermächtigt hatte. Das Gleiche gilt für die Besatzung Afghanistans durch den westlichen Imperialismus von 2001 bis 2021 (siehe Kapitel 8 der Schrift Krieg und Frieden in Afghanistan).
Die UNO ist als höchste Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus alles andere als eine idyllische „Völkerfamilie“. Sie ist hierarchisch gegliedert. In ihr geben die stärksten Imperialismen den Ton an. Macht kommt auch in der UNO aus der Atombombe. So sind die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – die übrigens mit einem Vetorecht ausgestattet sind und auf diese Weise Beschlüsse der UNO gegen ihre Interessen verhindern können – die Atomwaffenmächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Die UNO war und ist – besonders während der zwei Kalten Kriege – ein Austragungsort unterschiedlicher imperialistischer Interessen. Außerdem ist sie so etwas wie ein internationales Sozialamt, die das Elend des Weltkapitalismus ein wenig eindämmt und verwaltet.

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Neue Broschüre: Der Privatkapitalismus in Russland und Osteuropa (1985-2020) https://swiderstand.blackblogs.org/2020/03/15/neue-broschure-der-privatkapitalismus-in-russland-und-osteuropa-1985-2020/ Sun, 15 Mar 2020 22:16:40 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=257 Unsere neue Broschüre „Der Privatkapitalismus in Russland und Osteuropa (1985-2020)“ (ca. 126 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Die Transformation zum Privatkapitalismus
1. Der Kapitalismus
2. Der sowjetisch-osteuropäische Staatskapitalismus
3. Die Todeskrise des sowjetisch-osteuropäischen Staatskapitalismus
4. Die Privatisierung des Kapitals
5. Das soziale Elend der Transformation
6. Die pluralistisch-demokratische Mehrparteien-Diktatur

II. Die Stellung Russlands und Osteuropas im Weltkapitalismus
1. Russland und Osteuropa in der globalen Offensive des Privatkapitals
2. Die relativ untergeordnete Integration Russlands und Osteuropas in den Weltkapitalismus
3. Die Ostexpansion von NATO und EU
4. Vom sowjetischen zum russischen Imperialismus
5. Russland und der Westen: Von der bedingten Kooperation zum zweiten Kalten Krieg

III. Klassenkämpfe
1. Das Proletariat als Manövriermasse der proprivatkapitalistischen Kräfte
2. Klassenkämpfe in der Privatwirtschaft
3. Klassenkämpfe im staatlichen Sektor
4. Die mögliche soziale Revolution in Russland und Osteuropa

Die Privatisierung des Kapitals

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Jugoslawiens sowie in den anderen Ländern Osteuropas transformierte sich die Staatsbourgeoisie in die privatkapitalistische Bourgeoisie. In Russland rekrutierten sich die neuen PrivatkapitalistInnen aus der Wirtschaftstechnokratie und aus dem „kommunistischen“ Politbonzentum – besonders aus dem Komsomol, dieser jungen Garde des Privatkapitals. Karl-Heinz Gräfe schrieb darüber: „Die Moskauer Soziologin Olga Krystanovskaja ermittelte (Stand 1994), dass während der Perestroika (1985-1991) der Kern der neuen wirtschaftlichen Elite vor allem aus folgenden sozialen und politischen Gruppen kam: 23 Prozent waren Direktoren größerer Betriebe und Angestellte in Ministerien (Promysleniki), 17 Prozent Komsomolfunktionäre, 15 Prozent Beschäftigte von Forschungseinrichtungen, 8 Prozent Angehörige aus wichtigen Ministerien sowie der obersten Schicht der Kultur- und Wissenschaftsintelligenz.“ (Karl-Heinz Gräfe, Die Herausbildung des oligarchischen Kapitalismus in Russland, in: Z., Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 99, September 2014, S. 34/35.)

Die erste Welle der Privatisierung des russischen Kapitals erfolgte von 1992 bis 1994. In dieser Phase sollten 20.000 von 25.000 Mittel- und Großbetrieben privatisiert werden. Um die Privatisierung des Kapitals nicht als das erscheinen zu lassen was sie war, nämlich die Geburt von PrivatkapitalistInnen als Kern der russischen Bourgeoisie, wurde vom Jelzin-Regime das Märchen vom „Volkskapitalismus“ inszeniert. So konnten die Belegschaften Anteile ihrer Betriebe erwerben. Diese Anteile lagen bei 40 Prozent. Außerdem waren 25 Prozent nicht handelbare Anteilsscheine auf mögliche Gewinnbeteiligungen der Firmen, die in Form von Dividenden ausgezahlt wurden. Dadurch wurde die Anzahl der sich in den Händen der Belegschaften befindenden stimmberechtigten Aktien auf 15 Prozent reduziert. Die übrigen 60 Prozent blieben in Besitz des russischen Staates oder wurden privatisiert. Außerdem waren die Belegschaftsaktien nicht namentlich gebunden, sie konnten also ohne Probleme weiter verhökert werden. Selbstverständlich entstand durch diese Art „Volkskapitalismus“ ein ungleiches Verhältnis zwischen dem Betriebsmanagement und den lohnabhängigen Belegschaften. Er begünstigte natürlich die ManagerInnen. Oft kauften die letzteren der Belegschaft ihre Aktien wieder ab und entwickelten sich so zu PrivatkapitalistInnen. Auch wurden durch die Hyperinflation – die wir weiter unten genauer beschreiben werden – der Nominalwert der Anteilsscheine faktisch wertlos, so dass viele Lohnabhängige diese unter ihrem Wert weiterverkauften.
Bis in den April 1994 wurden 80 Prozent der zu privatisierenden Betriebe in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Entstaatlichung des russischen Kapitals wurde erfolgreich organisiert. Im Jahre 1995 trug der Staat nur noch 55 Prozent zum russischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Die meisten Privatfirmen gingen aus der Entstaatlichung des Kapitals hervor. Der Anteil neu gegründeter Privatunternehmen an der Wertschöpfung betrug lediglich 20 Prozent.
Die erste Welle der Privatisierung des russischen Kapitals war mit der Liberalisierung der Wirtschaft verbunden. Dazu gehörte auch die Freigabe der Preise, die vorher vom Staat zentralbürokratisch festgelegt wurden. Bereits am 2. Januar 1992, also am zweiten Tag nach der Auflösung der Sowjetunion, gab der russische Staat die Verbraucherpreise – bis auf wenige Lebensmittel (Brot und Milch) sowie Dienstleistungen (öffentliche Verkehrsmittel) – frei. Die Folge war eine Hyperinflation. Diese betrug im Jahre 1992 874 Prozent und 1993 307 Prozent.
Auch das staatliche Außenhandelsmonopol wurde durch die privatkapitalistische Liberalisierung der Wirtschaft gebrochen. Privatfirmen beteiligten sich am Außenhandel. Hier waren die Übergänge von legalen ökonomischen Prozessen und Wirtschaftskriminalität besonders fließend. Der russische Staat vergab Lizenzen an private Kapitale zum Import von Technologie und Know-how. Durch den Erhalt der Lizenzen verfügten die Privatfirmen über gewisse Privilegien. So konnten sie zum Beispiel ausländische Währungen erwerben, um damit den Import ausländischer Waren zu finanzieren. Sowohl die Vergabe als auch der Entzug der Lizenzen durch die russische Regierung erfolgte nach undurchsichtigen Kriterien. Nach verschiedenen Schätzungen wurden zwischen 1992 und 1994 20 Prozent der gesamten russischen Erdöl- und 1/3 der der Metallproduktion aus Russland rausgeschmuggelt. Zur Drehscheibe dieses Schmuggels entwickelte sich das Baltikum.
Im Zuge der Transformation entwickelten sich in Russland auch Privatbanken. Neben den privatisierten staatlichen Banken gründeten sich auch neue private Geldinstitute. Deren Anzahl stieg bis 1995 auf über 2.500 an. Das Finanzkapital vermehrte sich überwiegend durch den Handel mit Devisen und russischen Staatsanleihen. Auch bildeten sich internationale Joint Ventures. So war die deutsche Dresdner Bank durch ihre Tochtergesellschaft Dresdner Kleinwort schon in den frühen 1990er Jahren auf dem russischen Kapitalmarkt vertreten. Die österreichische Raiffeisenbank gründete 1996 ihre Niederlassung in Russland.
Zwischen 1995 und 1997 entwickelte sich die zweite Privatisierungswelle in Russland. Diese wurde von der russischen Regierung mit Verpflichtungen gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) begründet. Als sich der russische Staat immer stärker verschuldete, bekam er vom IWF Kredite. So wurde die zweite Privatisierungswelle mit der Konsolidierung des russischen Staatshaushaltes begründet. Denn die Kreditvergabe des IWF an Russland war wie üblich mit Forderungen nach Etatkürzungen und Privatisierungen verbunden. Auf diese Weise trug der IWF zur weltweiten Offensive des Privatkapitals bei (siehe Kapitel II.1) – und zur globalen Verelendung des Proletariats. Das Jelzin-Regime konnte sich wiederum bei der ideologischen Rechtfertigung der zweiten Privatisierungswelle hinter dem IWF verstecken.
Bei dieser zweiten Welle der Privatisierung des russischen Kapitals konnten Privatbanken Aktienpakete staatlicher Unternehmen erwerben, indem sie dem Staat Kredite zur Haushaltsfinanzierung anboten. Dies geschah in so genannten Pfandauktionen (Aktien-Kredit-Swaps, AKS), die den Beteiligten viele Manipulationsmöglichkeiten bot. Ausländisches Kapital war dabei nicht zugelassen. So mästete der russische Staat auch durch die AKS ein einheimisches Privatkapital. Die Mindestangebote für die zu ersteigernden Betriebe waren sehr niedrig angesetzt. Auch durften die russischen Banken, die die Auktion organisierten, selbst mitbieten. Außerdem besaßen sie das Recht, die Gebote der Konkurrenz aus technischen Gründen zu disqualifizieren. Auf diese Weise wurden bis 1998 zwölf Aktienpakete verkauft. Der russische Staat nahm durch diese Privatisierung des Kapitals rund 700 Millionen Dollar ein.
Die Mehrheit der Aktienpakete übernahmen Banken. Deren Gebote gingen nicht 15 Prozent über das Mindestgebot hinaus. In einem Großteil der Fälle entsprach das noch nicht einmal dem Wert von zwei Jahresgewinnen der ersteigerten Firmen. Ein Beispiel für die zweite Welle der Privatisierung ist jene des Bergbau- und Metallurgiekonzerns Norilsk Nikel. Die Auktion wurde von der Oneksimbank durchgeführt. Erworben wurden 51 Prozent von der Norilsk Nikel – ebenfalls von der Oneksimbank, für lediglich 170 Millionen Dollar. Dagegen betrug der Jahresgewinn des Konzerns 1995 rund 3. Milliarden Dollar.
Der russische Staat war in der ursprünglichen Privatisierung des Kapitals dessen Gewaltapparat sowohl gegen konkurrierende Kapitalfraktionen, die eine langsamere und „behutsamere“ Entstaatlichung der Ökonomie anstrebten (siehe Kapitel I.6), als auch gegen das klassenkämpferische Proletariat (III.4). Nachdem die ziemlich „wilde“ Privatisierung durch die AKS eine mächtige und superreiche Schicht von Oligarchen als herrschendem Kern der russischen Bourgeoisie hervorbrachte, verbot der Staat diese im Jahre 1997. Bei der Durchführung der Privatisierungen in den 1990er Jahren erwies sich der russische Staat als politischer Gewaltapparat der entstehenden PrivatkapitalistInnen – und besonders deren mächtigsten Fraktion, den Oligarchen. Diese bekamen im Jelzin-Regime auch immer mehr politische Macht (siehe Kapitel I.6).
Typisch für die gewaltige sozialökonomische Macht der russischen Oligarchen sind große Finanzholdings, die verschiedene Industriebranchen miteinander verbinden. Ihre wirtschaftliche Macht beruht vorwiegend auf Banken beziehungsweise Finanzholdings, Rohstofffirmen und Medienkonzerne. Letzteres bedeutete, dass die Oligarchen auch eine große Rolle in der kapitalistischen Ideologieproduktion spielten. Innerhalb des privatisierten russischen Kapitals kam es zu einer enormen Konzentration und Zentralisation der sozialökonomischen Macht, welche auch nach imperialistischer Expansion verlangte (siehe Kapitel II.4).
Der russische Staat verschuldete sich gewaltig beim privatisierten Finanzkapital, welches wiederum von den Oligarchen beherrscht wurde. Um das Finanzkapital zu mästen, deregulierte der russische Staat den Bankensektor in den 1990er Jahren weitgehend. Ab 1996 wurden die staatlichen Vorschriften für den Devisenhandel weiter gelockert. Doch die Haupteinnahme des Finanzkapitals war die Spekulation mit russischen Staatsanleihen, mit dem die Banken allerdings ihren politischen Gewaltapparat in den Bankrott trieben. So gab das Jelzin-Regime zur Finanzierung seines Staatshaushaltes ab 1993 so genannte kurzfristige russische Staatsanleihen (GKO) aus. Sie waren mit einer ungewöhnlich kurzen Laufzeit verzinst, was die regierenden Charaktermasken des politischen Gewaltapparates dazu sozialökonomisch zwang, sich immer wieder aufs Neue zu verschulden – um alte Schulden begleichen zu können. Der russische Staat verblutete finanziell und das private Finanzkapital war ein verdammt gieriger Vampir. Dieses Finanzkapital, was von der Verschuldung des russischen Staates lebte, war vorherrschend russländisch-national. Der Anteil des ausländischen Finanzkapitals an der Spekulation mit russischen Staatsanleihen betrug lediglich 20 Prozent. Von 1994 bis 1997 brachten die GKO eine jährliche Rendite von 100 Prozent.
Bis zur russischen Finanzkrise von 1998 (siehe Kapitel II.2). Im Anschluss an diese Krise kam es zu einer Zunahme der politischen Regulierung der russischen Sozialökonomie. Und innerhalb des russischen Privatkapitalismus entwickelten sich wieder stärkere staatsinterventionistische und -kapitalistische Tendenzen (siehe Kapitel I.6).
Wie in Russland entwickelten sich in Osteuropa in den 1990er Jahren einheimische PrivatkapitalistInnen heraus – bis auf in Ostdeutschland, wo sich die westdeutsche Bourgeoisie das meiste privatisierte Kapital aneignete (siehe weiter unten in diesem Kapitel).
Im staatskapitalistischen Polen gab es den größten Privatsektor innerhalb des osteuropäischen Einflussgebietes des sowjetischen Imperialismus. So gab es kleinbürgerlich-kleinkapitalistisches Privateigentum in der Landwirtschaft, in industriellen Kleinbetrieben, Reparaturwerkstätten, Handel und Touristik. 1980/81 entwickelte sich die proprivatkapitalistische Gewerkschaft Solidarnosc als bürokratisch entfremdeter Ausdruck des proletarischen Klassenkampfes gegen den polnischen Staatskapitalismus (siehe Kapitel III.1). Um eine Invasion des sowjetischen Imperialismus in Polen zu verhindern, ging die inländische Staatsbourgeoisie schließlich mit der Verhängung des Kriegsrechtes gegen das klassenkämpferische Proletariat und Solidarnosc vor. Als 1985 Gorbatschow der neue Boss im Kreml wurde, setzte sich 1988 auch innerhalb der polnischen Staatsbourgeoisie die proprivatkapitalistische Fraktion – verkörpert in der Person von Mieczlaw F. Rakowski – durch. Sowohl der Solidarnosc-Apparat als auch der proprivatkapitalistische Flügel der Staatsbourgeoisie nutzten den proletarischen Klassenkampf und die Illusionen der Lohnabhängigen in Marktwirtschaft und Demokratie, um das Kapital zu privatisieren. Am Runden Tisch beschlossen Solidarnosc und der Rakowski-Flügel der Herrschenden Anfang 1989 die Transformation zum Privatkapitalismus.
Bei den teilweise freien Wahlen – siehe zu diesem demokratischen Herrschaftsmechanismus Kapitel I.6 – zum Parlament am 4. Juni 1989 konnte die Opposition die politische Macht erringen. Polnischer Ministerpräsident wurde einer der wichtigsten Solidarnosc-Berater, Tadeusz Mazowiecki. Diese Regierung organisierte die Privatisierung des Kapitals per Schocktherapie. Während es im Jahre 1990 in Polen noch mehr als 8.500 Staatsbetriebe gab, waren es 2014 noch 249.
Während der Todeskrise des osteuropäischen Staatskapitalismus zerfiel die Tschechoslowakei in die zwei privatkapitalistischen Staaten Tschechische Republik und Slowakische Republik. Über die wilde Form der Privatisierung des Kapitals in Tschechien schrieb Ilona Svihliková: „Für den Transformationsprozess spielte der Staat eine entscheidende Rolle. Die Regierung lehnte zwar aus ideologischen Gründen staatliche Eingriffe als ,soziales Ingenieurwesen‘strikt ab, führte aber gleichzeitig massive Eingriffe durch. Die Form und Geschwindigkeit des Privatisierungsprozesses und die Eigentumsübertragungen veränderten die ökonomische und soziale Struktur des Landes radikal. Die Privatisierung wurde nicht als Instrument, sondern als Ziel an sich präsentiert: Je schneller alles privatisiert wurde, desto besser für die Wirtschaft. Dabei war die so genannte ,Kleine Privatisierung‘eigentlich keine Privatisierung, da die Interessenten nur die Berechtigung erwerben konnten, z. B. ein kleines Ladengeschäft zu betreiben. Die Form dieser Privatisierung war so ,erfolgreich´, dass sie die Voraussetzung für das systematische Eindringen der ausländischen Handelsketten schuf.
Den wichtigsten Schritt stellte die Kuponprivatisierung dar. Die – zumindest offiziell propagierte – Idee bestand darin, einen ,Volkskapitalismus‘zu schaffen, in dem jeder Bürger Aktionär werden sollte. Vaclav Klaus zeigte sich gegenüber ausländischen Investoren abgeneigt und widersetzte sich dem Verkauf von Skoda an den deutschen Volkswagen-Konzern. Die aus der Kuponprivatisierung hervorgegangenen Kleinaktionäre hatten keinerlei Einfluss auf das Handeln der Betriebe. Sie verfügten weder über die notwendigen Informationen noch hatten sie entsprechende Erfahrung. Zudem waren sie unglaublich zersplittert. Die Rolle der Privatisierung wurde im Übrigen verzerrt. Ihr Sinn sollte eigentlich nicht darin bestehen, so schnell wie möglich neue Eigentümer zu finden, sondern das Verhalten der Betriebe zu verändern. Vorteile hatten natürlich jene Personen, die besser als die normalen Bürger über den wirklichen Stand der Betriebe informiert waren, und die so genannten Investitionsfonds, die zumeist von Banken gegründet worden waren. Die Banken befanden sich aber (noch) im Staatseigentum. Der Konzentrationsprozess vollzog sich schnell, da die meisten Bürger Bargeld bevorzugten und der Ausverkauf des nationalen Reichtums der sozialen ,Abfederung‘diente. (Anmerkung von Nelke: Das Gerede vom nationalen Ausverkauf ist ein Klassiker des Rechts- und Linksnationalismus.) Milos Pick konstatierte, dass sich sehr schnell eine neue Machtpyramide herausgebildet hatte: etwa 500 Familien kontrollierten die ganze Wirtschaft, ohne sie zu besitzen. Damit ist eigentlich ein neues ,ökonomisches Politbüro‘entstanden, das nie gewählt wurde. (Anmerkung von Nelke: Hier wird wieder fleißig demokratisches Untertanentum reproduziert. Für die DemokratInnen ist Herrschaft legitim, solange die Herrschenden von den Herrschaftslosen durch freie Wahlen legitimiert werden, siehe dazu auch Kapitel I.6.) ,Extreme Konzentration der ökonomischen Macht, extrem abgehoben von hochgradig zersplittertem Streubesitz – das ist das Ergebnis der Kuponprivatisierung‘(M. Pick, Stát blahobytu, nebo kapitalismus? My a svet v ére neoliberlismu 1989-2006, Grimmus, Vsen 2009, S. 42.)
Jan Stráský, ein ehemaliger Mitarbeiter von Václav Klaus, hat 2013 in einem sehr kritischen Interview nach all den Jahren offen zugegeben, dass die Privatisierung als ein Prozess organisiert wurde, bei dem man ,das Licht ausschaltete´, damit die ,Fähigsten‘den Reichtum unter sich verteilen konnten. Er beschreibt in dem Interview (Rozkradena rebublika?, Ekonom, c. 14, 2013, str. 6-7) die Methoden, mit denen das gemacht wurde. Andere Kritiker betonen die Bedeutung der Amnestie, die Václav Klaus kurz vor Ende seiner Amtszeit als Präsident Anfang 2013 erließ: Diejenigen, die sich durch die Privatisierung bereichert hatten und die die Politik und Medien beherrschen bzw. besitzen, sollten nie juristisch belangt werden. Die Geschwindigkeit, mit der die Privatisierung durchgesetzt wurde, war entscheidend: Es ging darum, möglichst schnell eine ,Elite‘zu schaffen, die den Prozess der neoliberalen Politik tragen würde.“ (Ilona Svihliková, Der Übergang zum Kapitalismus in der Tschechischen Republik, in: Z., Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 99, a.a.O., S. 75-77.)
Im Gegensatz zu den meisten nachsowjetischen und osteuropäischen Nationalstaaten wurde die Transformation zum Privatkapitalismus in Belarus nicht „wild“ und mittels einer neoliberalen Schocktherapie durchgeführt. Dort setzten die regierenden Charaktermasken auf einen etatistischen Staatsinterventionismus, in dem auch Staatsfirmen weiterhin eine große Rolle spielten. Schleichend wuchs aber auch dort der Privatsektor.
Die Institution, die das einstige ostdeutsche Staatskapital vorwiegend im Interesse der westdeutschen Bourgeoisie privatisierte oder per Betriebsschließungen vernichtete – auf diese Weise wurde Konkurrenz aus dem Wege geräumt – war die Treuhandanstalt (THA). Ihr Erfinder war der kleinbürgerliche Demokrat aus der einstigen DDR-Opposition Wolfgang Ullmann, der am Runden Tisch – an dem die gewendeten DDR-Regime-Parteien und die kleinbürgerliche Opposition zusammensaßen und tagträumten, während der bundesdeutsche Imperialismus die nackten Tatsachen des Anschlusses schuf – einen typischen „Dritten Weg“ zwischen Privat- und Staatskapitalismus ausklügelte, wobei selbstverständlich alle politökonomischen Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft reproduziert wurden: Ware, Geld, Kapital, Lohnarbeit und Staat. So sollte in die Treuhandanstalt nach Herrn Ullmann das gesamte DDR-Staatskapital eingebracht werden und durch Anteilsscheine ein Viertel davon an die ostdeutsche Bevölkerung privatisiert werden. Die restlichen Dreiviertel sollten Staatseigentum bleiben beziehungsweise zur Begleichung von Schulden und Restitutionsansprüchen verwendet werden. Privateigentum an Produktionsmitteln? Aber sicher doch, aber das privatisierte Staatseigentum sollte schön an die kleinen Leute und nicht an die großen Konzerne gehen. Das waren die KleinbürgerInnenträume eines „Dritten Weges“, der mit der sozialrevolutionären Alternative zum Kapitalismus, die gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel in einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft, nicht das Geringste zu tun hatte. Die bundesdeutsche Bourgeoisie, die die kleinbürgerlichen politischen Oppositionellen als nützliche IdiotInnen zur Destabilisierung des SED-Regimes genutzt hatte, schob beim imperialistischen Anschluss Ostdeutschlands die kleinbürgerlichen TagträumerInnen einfach beiseite und schuf harte Fakten.
Durch die „freien Wahlen“, die selbstverständlich die ostdeutschen Marionetten des westdeutschen Politbetriebes gewannen, waren dann die Machtverhältnisse zur Privatisierung des ostdeutschen Staatskapitals im Hauptinteresse der westdeutschen Bourgeoisie klar. Am 17. Juni 1990 wurde mit der Mehrheit der Regierungsparteien der DDR dann das „Gesetz über die Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)“ beschlossen. Die Treuhandanstalt wurde zum verlässlichen Instrument der Privatisierung und Plattmachung der ostdeutschen Wirtschaft. So wurden 85 Prozent des Produktivvermögens an westdeutsches oder an ausländisches Kapital verkauft. Siemens zum Beispiel kaufte von der Treuhand 16 ehemalige DDR-Betriebe zum Schnäppchenpreis von insgesamt 250 Millionen D-Mark. Wir sind keine kleinbürgerlichen ostdeutschen RegionalistInnen. Auch eine Privatisierung, welche stärker eine ostdeutsche Kapitalbildung gefördert hätte, wäre aus revolutionärer Sicht natürlich genauso zu kritisieren gewesen wie die vorwiegende reale Übernahme der ostdeutschen Wirtschaft durch westdeutsches Kapital.
Jörg Roesler schrieb über die Privatisierung des ostdeutschen Kapitals im Interesse der westdeutschen Bourgeoisie: „Die entscheidenden dauerhaften Veränderungen in der Wirtschaft in Richtung kapitalistischer Produktionsverhältnisse vollzogen sich in den (ab Oktober 1990) Bestandteil der Bundesrepublik werdenden ,neuen Bundesländern‘(NBL) auf dem Gebiet der Eigentumsverhältnisse. (Anmerkung von Nelke: Roesler meint hier die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus. Für Roesler war die DDR nicht staatskapitalistisch, sondern „sozialistisch“.) Mit dem 1. Juli 1990 hatte die Treuhandanstalt (THA) als nunmehr reine Privatisierungsbehörde ihre Arbeit aufgenommen. Sie übernahm die Verantwortung für die Transformation von 8.500 Betrieben mit 45.000 Betriebsteilen und 4,1 Millionen Beschäftigten, d.h. für 40 Prozent aller Beschäftigten in der DDR. Als sie Ende Dezember 1994 ihre Tätigkeit nach der Durchsetzung von mehr als 15.000 Privatisierungen einstellte, war in den NBL in der Industrie – im beträchtlichen Maße auch in der Landwirtschaft – an Stelle des staatssozialistischen (= staatskapitalistischen, Anmerkung von Nelke) privatkapitalistisches Eigentum getreten. Nur im geringen Maße wurde Staatseigentum rekommunalisiert.
Die übergroße Mehrheit (ca. 85 Prozent) der Betriebsverkäufe ging – gemessen an der Zahl der Arbeitsplätze – an Unternehmen in den alten Bundesländern. Seitens der von der Bundesregierung über das Finanzministerium gesteuerten, vom Bundestag und den Landtagen der NBL kaum kontrollierten, THA waren nach Einschätzung des SPD-Politikers Sigmar Gabriel Übernahmekonditionen ausgelobt worden ,die für manche Unternehmer unbestreitbar einen hohen Reiz ausübten, in die neuen Bundesländer zu wechseln´. Diese günstigen Bedingungen galten nicht für ausländische Unternehmen, die die Bundesregierung eher fernzuhalten trachtete. An sie wurden aus dem Fonds der Staatsbetriebe 1.860 Betriebe bzw. Betriebsteile mit knapp 10 Prozent der Beschäftigten verkauft, überwiegend an Firmen aus den USA, Frankreich und Großbritannien.
Den Gedanken, auch ostdeutschen Managern die Möglichkeit zu geben, sich in ,Unternehmer-Eigentümer‘zu verwandeln, hatte die Bundesregierung zunächst nicht ernsthaft erwogen. Erst Ende 1991/Anfang 1992, als die THA nicht mehr umhin konnte, zu akzeptieren, dass für ganze Gruppen von kleinen und mittleren Betrieben Ostdeutschlands von westdeutscher Seite kein Interesse bestand, korrigierte die Bundesregierung ihre Haltung und stimmte der Privatisierung auf dem Wege des Management-Buy-Out (MBO) bzw. Management-Buy-In (MBI) zu. Insgesamt handelte es sich um 2.100 Betriebe. Gemessen an den Beschäftigten betrug deren Anteil allerdings lediglich 6 Prozent. Da die meisten früheren ,Wirtschaftskapitäne‘aus Ostdeutschland nicht genügend Startkapital besaßen, waren sie bestrebt, sich mit westdeutschen Mittelstands-Unternehmen gleicher Branche zusammen zu tun, die über Investitionsmittel und über ausgebaute Vertriebswege verfügten (MBI). Für die rein ostdeutschen MBO-Betriebe erwiesen sich die materiellen Anforderungen vielfach als zu groß, so dass sie nach wenigen Jahren liquidiert oder an westdeutsche Unternehmen verkauft werden mussten. Für die MBI steht als erfolgreichstes Unternehmen die Sektkellerei Rotkäppchen in Freyburg/Unstrut, für das Schicksal der MBO das aus dem VEB Florena Waldheim hervorgegangene zunächst sehr erfolgreiche Unternehmen Florena Cosmetic GmbH, das 2002 vom Hamburger Beiersdorf-Konzern übernommen wurde. Ähnlich dem Schicksal der MBO war das der erst 1972 verstaatlichten privaten und ,halbstaatlichen‘Unternehmen, die die THA 1990/91 reprivatisiert hatte – insgesamt knapp 3.000 kleinere Unternehmen.
Zur Herausbildung einer eigenen spezifischen Kapitalistenklasse ist es in der DDR demnach, wenn überhaupt, nur marginal gekommen. Es dominiert in Ostdeutschland eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur. Damit waren auch keine nennenswerten Möglichkeiten zur Vermögensanhäufung durch ostdeutsche Unternehmer gegeben. Anders als in einigen Ländern Osteuropas sind ,Oligarchen‘in der Ex-DDR nicht anzutreffen. Der gewerbliche Mittelstand rekrutiert sich aus dem – bis 1989 überwiegend privat gebliebenen bzw. genossenschaftlich arbeitenden Handwerk, sowie aus den nach 1990 weiterhin überwiegend genossenschaftlich arbeitenden Landwirten, auf deren Betriebe die THA in der Regel keinen Zugriff erhalten hatte. Dazu gehört auch ein Teil der ehemals leitenden Angestellten von Ladengeschäften, Gaststätten, Hotels, Apotheken, Buchhandlungen und Kinos, die per Kreditaufnahme in Zusammenhang mit der bereits 1990/91 von der THA durchgeführten ,kleinen Privatisierung‘Eigentümer geworden waren.“ (Jörg Roesler, Ostdeutschland seit 1990, in: Z., Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 99, a.a.O., S. 55-57.)

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Inhalt

Einleitung

Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen

1. Spanischer Kolonialismus
2. Portugiesischer Kolonialismus
3. Französischer Kolonialismus
4. Britischer Imperialismus
5. US-Imperialismus
6. Deutscher/EU-Imperialismus
7. Sowjetischer/Russischer Imperialismus
8. Chinesischer Imperialismus

Der Kapitalismus in Lateinamerika

1. Das allgemeine Wesen des Kapitalismus
2. Der lateinamerikanische Nationalismus
3. Die nationalkapitalistische Entwicklung Lateinamerikas
5. Linker Sozialreformismus als Teil der kapitalistischen Elendsverwaltung
6. Die mögliche soziale Revolution in Lateinamerika

Rechts- und Linksreaktion in Lateinamerika

1. Zur politischen Konkurrenz zwischen lechts und rinks in Lateinamerika
2. Kuba
3. Chile
4. Nikaragua
5. Venezuela
6. Brasilien
7. Argentinien

Nikaragua

Ab 1893 regierte in Nikaragua die liberale Fraktion der herrschenden kapitalistischen Klasse. Kern war die Kaffee-Oligarchie, die vom Export dieses Genussmittels lebte. Im Jahre 1909 unterstützte der US-Imperialismus einen Aufstand von General Juan José Estrada, Gouverneur an der Miskitoküste, gegen Präsident Zelaya. Estrada wurde durch die Hilfe Washingtons neuer Präsident. 1911 trat Estrada zugunsten von Adolfo Díaz zurück. Der Konservative Díaz war noch eine offensichtlichere Marionette des US-Imperialismus. Bis zu seiner Machtübernahme war er Buchhalter eines US-Bergbauunternehmens, das nach Nikaragua Kapital exportierte, um den Profit zu importieren. Díaz nahm 1911 bei US-Banken Millionenkredite auf und überließ als Sicherheit der US-Regierung die direkte Kontrolle der nikaraguanischen Zolleinnahmen. Im Jahre 1912 unterstützte Washington seine nikaraguanische Marionette mit US-Marines gegen ein aufständisches Heer des bisherigen Kriegsministers Luís Mena. Die US-Marines landeten am 14. August 1912 in Nicaragua und besetzten die Städte Managua, Granada und León. Der US-Imperialismus behielt Nikaragua bis 1933 besetzt und unterstützte in der Regel die konservativen Regierungen gegen liberale Rebellen.
Die Liberalen und Konservativen führten von 1926 bis 1929 einen BürgerInnenkrieg als einen innerkapitalistischen Konkurrenzkampf um die Staatsmacht. Auch der General Augusto César Sandino gehörte am Anfang zur liberalen Fraktion des Kapitals. Nachdem der persönliche Abgesandte des US-Präsidenten Calvin Coolidge dem Anführer der Liberalen, General José María Moncada die Präsidentschaft versprochen hatte, erzwang er den Pakt von Espino Negro, in dem die Entwaffnung der Liberalen festgeschrieben wurde und der den BürgerInnenkrieg damit faktisch beendete. Doch Sandino führte weiterhin einen Guerilla-Krieg gegen die regierende Rechtsreaktion und den US-Imperialismus. Seit 1927 bauten die USA in Nikaragua die „Nationalgarde“ (Guardia Nacional de Nicaragua) auf, deren Oberbefehl sie ihrem Vertrauten, Anastasio Somoza García, zusprachen. Diese Washington hörige Nationalgarde übte gleichzeitig die Armee- und die Polizeifunktion aus. Zum Präsidenten wurde in einer von den USA durchgeführten Wahl der Schwiegeronkel Somozas, der Liberale Juan Bautista Sacasa, gewählt. Als der US-Imperialismus im Jahre 1933 seine Truppen aus Nikaragua abzog, legten auch Sandino und seine Guerilla die Waffen nieder und gingen mit Sacasa am 2. Februar 1933 ein Friedensabkommen ein. Doch Somozas Nationalgarde hielt die Friedensbestimmungen nicht ein und bekämpfte Sandinos Truppen weiterhin. Ein Jahr nach dem Friedensabkommen lud Somoza Sandino und seine engsten Offiziere zu einem Bankett, bei dem sie auf seine Veranlassung am 21. Februar 1934 ermordet wurden. 1937 putschte sich Somoza an die Macht. Diese behielt die Familie Somoza bis 1979.
1961 gründete sich in Nikaragua die kleinbürgerlich-radikale Guerilla-Organisation FSLN (SandinistInnen), die einen bewaffneten Kampf gegen das rechtsreaktionäre Somoza-Regime führte. Der bewaffnete Kampf um die Beherrschung des Staates ist vom Ziel her grundsätzlich sozialreaktionär, nur die Zerschlagung des Staates durch das sich selbst aufhebende Proletariat kann möglicherweise wirklich revolutionär sein. Die FSLN benutzte objektiv die bäuerliche Bevölkerung als Manövriermasse für einen innerkapitalistischen Konkurrenzkampf um die Staatsmacht. Dieser war durch die Krise des Somoza-Regime für die sandinistische FSLN erfolgreich. Am 19. Juli 1979 eroberte sie die Staatsmacht. Daniel Ortega wurde die regierende Charaktermaske Nikaraguas.
Das sandinistische Regime (1979-19090) verkörperte eine staatsinterventionistische und -kapitalistische Tendenz im Rahmen des Privatkapitalismus – und war somit absolut sozialreaktionär. Der staatskapitalistische Sektor erzeugte Mitte der 1980er Jahre 40 Prozent des Bruttosozialproduktes. Noch heute wird das sandinistische Regime von der internationalen Linksreaktion „kritisch“ oder kritiklos abgefeiert. Die Zeitschrift Wildcat – die dafür bekannt ist, zwischen linksreaktionären und sozialrevolutionären Positionen hilflos hin und her zu schwanken – schrieb über das erste sandinistische Regime: „Neben revolutionärer Rhetorik und Symbolik sah das soziale Maximalprogramm Agrarreform, Alphabetisierung, Gesundheitsversorgung, vorsichtige Verstaatlichung der Bodenschätze sowie Demokratisierung vor. In einem Land mit der Geschichte Nikaraguas durchaus radikale Vorhaben.“ Doch die von Wildcat hier hochgelobte „Radikalität“ bewegte sich im Rahmen des Privatkapitalismus. Innerbürgerlicher „Fortschritt“ ist jedoch immer im Rahmen der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei gefangen und deshalb grundsätzlich sozialreaktionär. Auch das Regime der SandinistInnen war ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats.
Doch im Gegensatz zu völlig reaktionäre „AntiimperialistInnen“, die die Maßnahmen des sandinistischen Regimes gegen das Proletariat entweder leugnen oder mit der imperialistischen Aggression der USA ab 1981 (siehe Kapitel 5 unseres Textes Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen) rechtfertigen, kritisiert Wildcat diese – wenn auch nicht mit der notwendigen Schärfe und Konsequenz: „Bereits vor der Phase des offenen konterrevolutionären Kriegs niedriger Intensität (finanziert und bewaffnet aus den USA über ihren Stützpunkt Honduras) gegen ,die Revolution‘, also vor 1981 verteidigte die FSLN häufig auf repressive Weise ihren Alleinanspruch auf Absicherung ,des Prozesses‘: Arbeiterstreiks in einem großen Zuckerbetrieb wurden niedergeschlagen, spontane Landbesetzungen rückgängig gemacht, Gewerkschaftswahlen manipuliert, eine linke Zeitung sowie die dazugehörige Organisation verboten, die Abtreibung aus Rücksicht auf die katholische Kirche geächtet.
Die offizielle Losung für das Jahr 1980 lautete düster: ,Arbeit, Disziplin, Produktivität‘. Das 60-köpfige Zentralkomitee der Partei, die sandinistische Versammlung, wurde ernannt. Das Neunergremium der FSLN-Führung (…) blieb unantastbar, gottgleich. Massenmobilisierungen dienten zur öffentlichen Absegnung bereits gefällter Entscheidungen. Es herrschte die Vorstellung, möglichst alles zentralisiert zu kontrollieren. Das mündete in undurchschaubare bürokratische Strukturen, die Eigeninitiative abwürgten. Mit dem Krieg der Contra bekam diese Praxis eine Legitimation, die nicht mehr kritisierbar war.
Nach einem neunjährigen Abnutzungskrieg verlor die FSLN – für sie selber völlig überraschend die Präsidentschaftswahlen 1990. Zwei Faktoren waren ausschlaggebend: Die vielen Toten, die entgegen der Propaganda täglich in den Armenvierteln Managuas beerdigt werden mussten, sowie die – von der FSLN bis zuletzt geleugnete – Beteiligung eines Teils der Landbevölkerung an konterrevolutionären Aktivitäten im Norden.“ (Von der Fokus-Theorie zum Volkskrieg langer Dauer, in: Wildcat Nr. 103 vom Frühjahr 2019, S. 65.)
Dieser Artikel verbreitet nicht die sozialrevolutionäre Schlussfolgerung, dass jeder Staat und damit auch jede Regierung nur kapitalistisch-sozialreaktionär sein kann. Er seziert lediglich an den Symptomen der regierenden strukturellen Linksreaktion in Nikaragua. Die Kritik am Sandinismus fällt durch eine schwammige Wortwahl auf. So wird die bewaffnete Rechtsreaktion „Konterrevolution“ genannt. Konterrevolution ist die Reaktion gegen eine revolutionäre Kraft. Aber der Sandinismus verkörperte in der Wirklichkeit nicht die soziale Revolution, sondern er gehörte zur linken Fraktion des Kapitals. Die Menschen, die im Konflikt zwischen Rechts- und Linksreaktion beziehungsweise zwischen US-Imperialismus und nikaraguanischen Nationalismus starben, waren die Opfer eines innerkapitalistischen politischen Konkurrenzkampfes. Wildcat fehlt es an revolutionärer Konsequenz, dies eindeutig so zu sehen und so zu sagen.
Ab 1990 wurde also der Sandinismus von der regierenden Rechtsreaktion abgelöst. Diese war das Wahlbündnis UNO (Unión Nacional Opositora). Die UNO verhinderte einen BürgerInnenkrieg mit den linksreaktionären SandinistInnen, indem sie Humberto Ortega (den Bruder von Daniel Ortega) zum obersten Befehlshaber der Streitkräfte machte. Auch sonst hatte die sandinistische FSLN wichtige Funktionen in den rechtsreaktionären Regierungen ab 1990. Mensch kann von einer regelrechten Kumpanei des Sandinismus mit der regierenden Rechtsreaktion sprechen. Diese führten einen neoliberalen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat. Die kapitalistische Privatwirtschaft wurde durch Entstaatlichungen ab 1996 gestärkt, die Preise für die Grundnahrungsmittel stiegen, die Agrarreform wurde rückgängig gemacht und Kindergärten geschlossen. Die Folge dieses brutalen Klassenkrieges von oben war die Zunahme des Elends. Es stiegen die Arbeitslosigkeit, die Analphabetenrate und die Kindersterblichkeit.
Unter der Präsidentschaft Bolaños (2001-2005) beendete die regierende Rechtsreaktion die Kooperation mit der FSLN, die wieder einen auf Opposition machte – bis sie abermals im Jahre 2005 innerhalb des Wahlrummels die Staatsmacht eroberte. Daniel Ortega wurde wieder regierende Charaktermaske Nikaraguas, in dieser Funktion wurde er auch vom demokratischen Wahlzirkus 2011 und 2016 bestätigt. Um sich als soziale Wohltäterin aufzuspielen und dies in Stimmzettel für sich umzuwandeln, milderte das Ortega-Regime zuerst etwas das kapitalistische Elend – was aber selbstverständlich erhalten blieb. So wurde ein Null-Hunger-Programm aufgelegt, durch das Schulkinder unentgeltlich täglich eine Mahlzeit bekamen. Außerdem wurden Gesundheitsvorsorge und Bildung wieder kostenlos. Die regierende Linksreaktion spielte sich auch als Wohltäterin der kleinen und mittleren BäuerInnen sowie UnternehmerInnen auf, die Land und Kredite zu niedrigen Zinsen bekamen, aber als Gegenleistung in die FSLN eintreten mussten.
Im April 2018 ging das Ortega-Regime im Klassenkampf von oben in die Offensive, indem es die Rente um fünf Prozent kürzte. Daraufhin entwickelte sich eine Protestbewegung. Die regierende Linksreaktion ging mit tödlicher bewaffneter Gewalt gegen die Proteste vor, die auch nicht abflammten als das Ortega-Regime die Rentenreform zurücknahm. Im Juli 2018 gelang es dem Regime nach über 200 Toten wieder für eine Friedhofsruhe zu sorgen. Der Fakt, dass dieser Protest von der Rechtsopposition und dem westlichen Menschenrechts-Imperialismus in ihrem politischen Konkurrenzkampf gegen das Ortega-Regime instrumentalisiert wurde, musste für den reaktionärsten Teil des linksnationalen „Antiimperialismus“ herhalten, um die Repression der bluttriefenden FSLN zu unterstützen. Widerliches linksreaktionäres Pack!

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Im Kapitel 6 unserer Schrift Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen haben wir bei der Schilderung des imperialistischen Druckes der damals sozialdemokratisch regierten BRD auf das erste sandinistische Regime (1979-1990) bereits ein ehemaliges Mitglied der Nikaragua-Solidaritätsbewegung zitiert – versehen mit einigen kritischen Anmerkungen. Über den von uns zitierten Autoren heißt es in Wildcat: „Der Autor war zwischen 1982 und 1990 in der Nikaragua-Solidaritätsbewegung aktiv und vertrat lange die Linie, jede öffentliche Kritik an der FSLN spiele ,dem Imperialismus‘ in die Hände.“ (Rückblicke mit Ecken und Kanten, a.a.O., S. 64.) Wenn Menschen sich radikalisieren und Irrtümer überwinden, ist das immer toll. Auch der Autor dieser Zeilen, Nelke, war in den 1990er Jahren Mitglied in sozialdemokratischen Organisationen (PDS, SAV) – gehörte also objektiv zum proletarischen Schwanz der linken Fraktion des Kapitals. Der Selbstkritik des ehemaligen Aktivisten der Nikaragua-Solidaritätsbewegung fehlt es allerdings an sozialrevolutionärer Konsequenz. So können wir bei ihm nirgendwo lesen, dass die „Solidarität“ mit einem bürgerlich-kapitalistischen Staat wie dem sandinistischen Nikaragua grundsätzlich sozialreaktionär war. Auch wird von ihm nicht reflektiert, dass die „Nikaragua-Solidaritätsbewegung“ der 1980er Jahre objektiv eine Schwanzfeder der linken Fraktion des Kapitals war.
Trotz dieser prinzipiellen Kritik halten wir die Ausführungen des ehemaligen Mitglieds der Nikaragua-Solidaritätsbewegung für sehr interessant, so dass wir Auszüge davon hier widergeben wollen: „Die (Nikaragua-) Solidaritätsbewegung war auch ein Ausdruck der Abwendung von den Verhältnissen in der BRD, wo die Massen als integriert und korrumpiert galten. Die eigenen (aufgegebenen) Revolutionshoffnungen wurden einem Ministaat in 10 000 km Entfernung aufgebürdet. Durch den Mythos des bewaffneten Kampfs, der als Gipfel der Radikalität galt, konnte in Nikaragua ein linkssozialdemokratisches Programm als ,soziale Revolution‘ gelten. (…)
Der Aufbau des neuen Staates in Nikaragua wurde von der Solidaritätsbewegung ohne offene Kritik mitgetragen. Obwohl sich die Solidaritätsbewegten (im Vergleich zu Kuba) relativ unkontrolliert im Land bewegen konnten, ignorierten sie jede FSLN-unabhängige oder gegen diese gerichtete Mobilisierung. Es gab lange den stillschweigenden Konsens, über unangenehme Themen öffentlich nicht zu reden, auch wenn z. B. die Widerstände gegen die Agrarreform unübersehbar waren (…). Der Übergang von einem von außen angeheizten und organisierten gegenrevolutionären Krieg zu einer Art ,Bürgerkrieg‘ in einigen ländlichen Gebieten wurde verdrängt.
Die internationale Solidaritätsbewegung sollte idealtypisch befehlsempfangende Unterorganisation der FSLN im jeweiligen Land sein. Das funktionierte in Italien und Frankreich mit ihren starken KPs recht gut. In der BRD war die ,apparatunabhängige‘ Solidarität stark. Versuche der FSLN, mit ihrem umfassenden Kontrollanspruch alle Gruppen einem zentralistisch-hierarchischen Modell zu unterwerfen, schlugen fehl. (…) Die unabhängige Bewegung in der BRD wollte eine eigenständige politische Kraft bleiben. Aber sie unterstützte die FSLN insofern weitgehend, als sie oft geschwiegen oder nur in Hinterzimmergesprächen Kritik geübt hat. Das galt auch, als Mitte der 1980er Gelder aus der internationalen Kampagne ,Nikaragua muss überleben‘ für die Renovierung der nikaraguanischen Botschaft benutzt wurden. (…)
Die Arbeitsbrigaden konnten diese Muster etwas aufbrechen. Vor allem als Propagandainstrument gegen den Contra-Krieg konzipiert, hatten sie einen unvorhergesehenen Nebeneffekt. Die BrigadistInnen sollten in der BRD von den Greueltaten der Contra und den daraus resultierenden schwierigen Lebensbedingungen auf dem Land berichten. Sie wurden aber vor allem Zeugen der Realität: Entscheidungsstrukturen, Hierarchien, Verhalten der überwiegend jungen städtischen Kader der FSLN etc. Hier wurde die romantische Vorstellung vom ,neuen Menschen‘ bei vielen Solidaritätsbewegten gründlich entzaubert.
Die Wahlniederlage der FSLN im Februar 1990 war ein Schock für die Solidaritätsbewegung. Der von der SPD organisierte Wahlkampf unter der Parole ,todo será mejor‘ (,alles wird besser‘) hatte zwar intern Kritik ausgelöst, und die Konzentration auf FSLN-Chef Daniel Ortega (der als Macho-Figur ,el gallo‘ in jedes nikaraguanische Dorf einritt und dort die Miss Sandinista wählen ließ) führte zu Protesten. Aber auch die ,unabhängige‘ Strömung der Solidaritätsbewegung hatte den Wahlkampf der Regierungspartei FSLN unterstützt, da nur dadurch ,die Weiterentwicklung der Revolution‘ unterstützt werden könne.
In der Zeit zwischen Wahlen und Regierungsübernahme der Rechtsopposition verteilte die FSLN Grundstücke, Häuser, Autos an verdiente Parteimitglieder, damit die ,Somozisten‘ nicht zu viel in die Hände fallen konnte, so die spätere Legitimation. Das Volk ging dabei leer aus.“ (Rückblicke mit Ecken und Kanten, a.a.O., S. 63/64.)
Die Verwendung des schwammigen und klassenneutralen Begriffs des „Volkes“ – das Berufungsobjekt aller Rechts- und LinksnationalistInnen schlechthin! – durch den ehemaligen Aktivisten der „Nikaragua-Solidaritätsbewegung“ weist wie vieles andere auf seine mangelnde vollständige Abnabelung vom linksreaktionären „Antiimperialismus“ hin.

5. Venezuela

Über das in Venezuela seit 1998 existierende linksreaktionäre Regime in Venezuela wurde in dem Kapitel 5 der Schrift Lateinamerika im Fadenkreuz der Imperialismen schon alles Wesentliche geschrieben: Es versuchte, durch Ölexport finanziert, ein wenig Sozialstaatspolitik als kapitalistische Elendsverwaltung zu betreiben, um das Proletariat zu befrieden. Begleitet war diese bürgerliche Politik mit übler demagogischer „antiimperialistischer“ und „antikapitalistischer“ Rhetorik. Über diese Sozialstaatspolitik schrieben die italienischen LinkskommunistInnen von Battaglia Comunista im Jahre 2017: „Zu einem wirklichen sozialen Fortschritt, den das Chavez-Regime angeblich ausgezeichnet haben soll, ist es nie gekommen. Der Kampf gegen den Analphabetismus, die Eindämmung der Gewalt in den Großstädten und die Verbesserung der miserablen Lebensbedingungen in den Favelas sind größtenteils Projekte auf dem Papier geblieben. Das Wenige was getan wurde, zielte lediglich darauf ab, sich eine soziale Basis unter den Millionen verzweifelter Menschen zu verschaffen, die auf die falsche Hoffnung setzten, dass das Programm von Chavez zwar nicht den Himmel auf Erden, aber zumindest ein wenig Verbesserung bewirken könnte. Das Programm, was zu seiner Wiederwahl führte, musste zwar den weitverbreiteten Illusionen einige Tropfen aus den Öl-Einnahmen zugestehen, doch der Großteil floss in den Regierungsapparat, wo sich eine neue Staatsbourgeoisie hemmungslos bereicherte und die Finanzspekulation wie in jedem anderen kapitalistischen Land ihre Blüten trieb. Der einzige Unterschied bestand darin, dass all das als ,sozialistisches Experiment‘ ausgegeben wurde. Als der Rohölpreis drastisch einbrach, lagen die Mängel und Schwächen des Regimes hinsichtlich des Bildungssektors, der Gesundheitsversorgung und dem Kampf gegen Armut zutage. Laut einem Bericht der Caritas (…) gibt es in Venezuela Hinweise auf eine chronische Unterernährung von Kindern. In einigen Regionen habe diese nach internationalen Standards ein kritisches Niveau erreicht: ,Es gibt gefährliche und irreversible Überlebensstrategien in wirtschaftlicher, sozialer und gesundheitlicher Hinsicht, und was besonders besorgniserregend ist, ist der Verzehr von Nahrungsmitteln, die auf der Straße aufgelesen werden.‘ (http://www.caritas.org/2017/05/children-face-hunger-crisis-in-venezuela-as-malnutrition-soars/) Nach einer Umfrage im venezolanischen Bundesstaat Miranda haben 86% der Kinder Angst, nicht genug zu essen zu haben. 50% von ihnen mussten hungrig zu Bett gehen, da nichts zum Essen im Hause war. Die Regionaldirektorin von Amnesty International, Erika Guevara, berichtete im Juni 2016: ,Das Krankenhaus ‚JM de los Rios‘ in Caracas war der Stolz des Landes und ein Vorbild für Pädiatrische Pflege. Heute ist es ein tragisches Symbol für die Krise in dem lateinamerikanischen Land. Die Hälfte des großen Gebäudes ist zusammengebrochen, an den Wänden blättert die Farbe ab, die Fußböden sind überflutet und die Zimmer in so schlechten Zustand, dass sie nicht mehr genutzt werden können. Das Krankenhaus ist nur noch zur Hälfte in Betrieb, hunderte Kinder werden behandelt. Aber aufgrund des Fehlens dringend benötigter Medikamente und grundlegender medizinischer Versorgung haben ihre Mütter schon aufgegeben nach ihnen zu fragen. Der Mangel an medizinischer Versorgung ist nur ein Aspekt der tiefen humanitären Krise, die das Land seit drei Jahren im Griff hält. Diese Tragödie hätte verhindert werden können. Jahrelang verfügte das Land über eine der weltweit größten Ölvorkommen. Aber der plötzliche Fall des Ölpreises hat eine Wirklichkeit offenbart, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt: Die venezolanische Regierung hat vergessen, in die Infrastruktur zu investieren. Ein Land, dass bisher von Nahrungsmitteln bis hin zu Medikamenten alles importierte, kann sich nicht einmal mehr Antibiotika leisten. Die Folgen sind katastrophal. Nach venezolanischen Berechnungen fehlen dem Land 80% der Lebensmittel und Medikamente, die es braucht. In Venezuela gibt es eine der höchsten Sterberaten in der Welt. Ärzte die mit so einem Mangel konfrontiert sind, müssen improvisieren um Leben zu retten und unter Bedingungen arbeiten, die einem Kriegsgebiet gleichen. Private Krankenhäuser stehen bei der Beschaffung dringendst benötigten Medikamente vor ähnlichen Problemen. Das Leitungspersonal der Geburtsklinik ,Conception Palacios‘, einer der größten des Landes, erzählten uns, dass im ersten Quartal 2016, 101 Neugeborene gestorben sind. Das sind doppelt so viele wie in der gleichen Periode im vergangenen Jahr. Im gleichen Krankenhaus sind seit Anfang 2016 ca. 100 Frauen bei der Geburt gestorben. Das Fehlen einer offiziellen Statistik zeigt, dass die Regierung von Nicolas Maduro, die internationale Hilfsleitungen ablehnt, ihre innenpolitischen Gegner für die schrecklichen Zustände verantwortlich machen möchte.‘ (http://aristeguinoticias.com/2206/mundo/venezuela-en-cuidados-intensivos-articulo-de-erika-guevara-rosas/)
In der Reportage ,Las Voces del Haber‘ (Stimmen des Hungers) des venezolanischen Journalisten Fernando Girón sind Szenen zu sehen, in denen Kinder mit Raubvögeln um ein paar Schweineknochen kämpfen, die ein Metzger weggeworfen hatte. ,Der Hunger in Venezuela ist kein Spaß. Der Mangel an Nahrungsmitteln hat undenkbare Grenzen überschritten und Menschen brechen bei dem Versuch ihren Familien etwas zu Essen zu besorgen vor Erschöpfung regelrecht zusammen.‘ (http://www.el-nacional.com/noticias/crisis-humanitaria/las-voces-del-hambre-reportaje-que-muestra-crisis-venezolana_83027 )
Unter dem Chavez-Regime konnte dank der Öl-Einnahmen in relativ hohen Maße Kapital akkumuliert werden, allerdings ohne selbst eine mittelmäßige industrielle Entwicklung voranzubringen. Stattdessen wurden einige Krümel den ,kleinen Leuten‘ gegeben, um sich ihre Wahlstimmen zu sichern, während die Öleinnahmen die mit dem Regime verbundene ,Staatsnomenklatura‘ aus hohen Offizieren, Bankern, Managern und allerlei Spekulanten bereicherte. In der Zeitspanne von 2003 bis 2013 flossen 180 Milliarden Dollar aus Venezuela in die Finanzspekulation ,made in USA‘.
Dieser Kapitalflucht lag der Skandal mit strukturierten Anleihen zugrunde, die wiederum Ausdruck der korrupten Verwaltung der Öl-Einnahmen war, und von staatlichen Stellen gedeckt wurde, da es sich aus ihrer Sicht um einen ganz normalen Vorgang handelte. Auch in der öffentlichen Meinung fand dieser Skandal milde Beurteilung und wurde als Einzelfall abgetan, da schließlich auch niemand verurteilt wurde. Ebenso wenig wurde der gesellschaftliche Schaden dieser vom Staat als Ganzes ausgelösten Spekulationsbewegung jemals ermittelt.“ (http://gis.blogsport.de/2017/06/30/venezuela-der-bolivarische-weg-zum-sozialismus-in-der-sackgasse/#more-442)
Das Sinken des Ölpreises hat der chavistischen Kapitalvermehrungsstrategie und die Befriedung der Armen das Genick gebrochen. Doch wie das global generell der Fall ist, begünstigte auch der Niedergang des linksreaktionären Regimes in Venezuela bei der weltweiten Schwäche antipolitisch-sozialrevolutionärer Strömungen die rechtsreaktionäre politische Opposition in diesem Staat. So konnte die rechte Opposition bei den Parlamentswahlen am 6. Dezember 2015 eine Zweidrittelmehrheit erringen. Nun etablierte sich eine Doppelherrschaft. Während die ChavistInnen weiterhin den Staatsapparat beherrschten, dominierte die rechte politische Opposition das Parlament. Doch der Oberste Gerichtshof Venezuelas erkannte die Wahl von vier Abgeordneten – von denen drei der rechtsreaktionären Opposition angehörten – nicht an. Dadurch ging die Zweidrittelmehrheit der rechten politischen Opposition im Parlament wieder flöten.
Selbstverständlich versuchte die rechte politische Opposition diesen Sieg bei den Parlamentswahlen zu nutzen, um das chavistische Regime zu stürzen. Die Wortführer der rechten politischen Opposition wie Freddy Guevara von der Partei Voluntad Popular (Volkswille) forderten monatelang die sofortige Durchführung von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen. Das von der politischen Rechtsreaktion beherrschte Parlament wurde jedoch vom linksreaktionären Regime weitgehend umgangen, indem das regierungstreue Oberste Gericht im Oktober 2016 beschloss, dass der Staatsapparat sein Budget per Dekret am Parlament vorbei beschließen könne. Am 9. Januar 2017 erklärte das rechte Parlament den linken Präsidenten Maduro für abgesetzt. Daraufhin entzog das linksreaktionäre Oberste Gericht am 29. März 2017 allen ParlamentarierInnen die Immunität sowie dem Parlament alle Kompetenzen
Das linksreaktionäre Regime entmachtete das von der rechtsreaktionären politischen Opposition beherrschte Parlament, in dem es dieses weitgehend durch die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung am 30. Juli 2017 ausschaltete. Diese Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung wurde wiederum von der rechten politischen Opposition boykottiert. Auch der westliche US- und EU-Imperialismus bekämpften diese neue Institution des Chavismus. Kaum war die verfassungsgebende Versammlung gewählt, versetzte sie der rechtsreaktionären politischen Konkurrenz auch schon einen Tritt gegen das Schienenbei. Während das chavistische Regime die Regionalwahlen über Monate immer weiter verschob, verlegte die verfassungsgebende Versammlung sie am 12. August vom 10. Dezember 2017 auf Oktober dieses Jahres vor. Damit sollten die Teile der rechten politischen Opposition geschwächt werden, die an den Regionalwahlen teilnehmen wollten. Auf diese Weise sollte ihnen die Vorbereitungszeit auf die Regionalwahlen gekürzt werden.
Die Doppelherrschaft entlud sich in einem BürgerInnenkrieg zwischen Rechts- und Linksreaktion. Die Fußtruppen der rechtsreaktionären Straßenbewegung gegen das chavistische Regime besteht überwiegend aus StudentInnen und Angehörigen des KleinbürgerInnentums. Neben gewaltsamen Straßendemonstrationen griffen Teile der Rechtsreaktion die linksreaktionäre Regierung auch offen militärisch an. So drangen am 6. August 2017 rund 20 Bewaffnete in den Stützpunkt Paramacay nahe der Stadt Valencia westlich von Caracas ein, der Angriff konnte jedoch vom linksreaktionären Regime zurückgeschlagen werden. Während des Angriffes kursierte im Internet ein Video, in dem mehrere Uniformierte erklärten, dass sie Venezuela zur Demokratie zurückführen wollten. Sie riefen auch zur landesweiten Erhebung gegen Präsident Maduro auf. Dies wäre kein Staatsstreich, sondern eine bürgerliche und militärische Aktion zur Wiederherstellung der Verfassungsordnung, behauptete ein Mann, der sich als Exoffizier der Nationalgarden vorstellte.
Der Chef der von der rechten Opposition beherrschten Nationalversammlung, Juan Guaidó, ernannte sich selbst am 23 Januar 2019 zum Übergangspräsidenten Venezuelas. Die Rechtsopposition ging also gegenüber der regierenden Konkurrenz zu einer putschistischen Politik über, die auch noch sehr kläglich daherkam. Maduro blieb real an der Macht. Am 30. April 2019 versuchte in Venezuela die Rechtsreaktion durch einen Militärputsch an die politische Macht zu gelangen, scheiterte jedoch kläglich.
Wie wir bereits im Kapitel 5 des Textes Rechts- und Linksreaktion in Lateinamerika geschrieben haben, spielt der US-Verbündete Kolumbien eine große Rolle als Schutzmacht der venezolanischen rechten Opposition. Als Teile der ehemaligen FARC-Guerilla im Spätsommer 2019 wieder den bewaffneten Kampf aufnahmen (siehe Kapitel 1 dieses Textes), warf die regierende Rechtsreaktion in Kolumbien ihrer linken Konkurrenz in Venezuela vor, dies zu unterstützen. Kolumbien begann Anfang September 2019 einen Propagandakrieg gegen Venezuela. Der kolumbianische Schwanz versuchte mit dem US-amerikanischen Hund zu wedeln und forderte Washington auf, Venezuela auf die Liste der Staaten zu setzen, die den Terrorismus unterstützen. Nach der Offensive Kolumbiens im Propaganda-Krieg, rasselte das linksreaktionäre venezolanische Regime mit dem Säbel und gab Anfang September 2019 die zweithöchste Alarmstufe Orange für die an der Grenze zum konkurrierenden Nachbarstaat stationierten Truppen aus. Daraufhin erklärte die vom US-Imperialismus dominierte „Organisation Amerikanischer Staaten“ den militärischen Beistand gegen Venezuela. Mitte September 2019 tauchten dann Fotos auf, die den selbsternannten „Übergangspräsidenten“ Guaidó in gemeinsamen Posen mit kolumbianischen Paramilitärs zeigten. Guaidó behauptete, er hätte nicht gewusst mit wem er da zusammen fotografiert wurde.

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„Kriegskommunismus“ https://swiderstand.blackblogs.org/2018/06/01/kriegskommunismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2018/06/01/kriegskommunismus/#respond Thu, 31 May 2018 23:04:49 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=170 Als „Kriegskommunismus“ werden sowohl von AntikommunistInnen als auch von verschiedenen Partei-„KommunistInnen“ die sozialökonomischen und politischen Verhältnisse im bolschewistisch beherrschten Sowjetrussland zwischen 1918 und 1921 bezeichnet. Das ist natürlich eine ideologisch verklärende Bezeichnung für den sowjetrussischen Staatskapitalismus während des BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieges.
Wie wir bereits im Kapitel Von der Februar- zur Oktoberrevolution im Text Klassenkämpfe in Sowjetrussland (1917-1921) darlegten, war Sowjetrussland seit dem Frühsommer 1918 ein staatskapitalistisches Land. Unter den Bedingungen des BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieges entwickelte sich ein recht primitiver Staatskapitalismus. Die bolschewistische Regierung übernahm zwar offiziell den gesamten Warenverkehr, um zu überleben war die Bevölkerung aber auf die privaten Schwarzmärkte angewiesen. Produziert wurde fast ausschließlich für die Bedürfnisse des imperialistischen Krieges. Auch die Verkehrsinfrastruktur wurde durch den Krieg immer stärker zerstört, trotz der Sondervollmachten für das Verkehrskommissariat.
Zwischen dem bolschewistischen Staat und dem Industrieproletariat entwickelte sich während des BürgerInnenkrieges eine besonders primitive Form der Lohnarbeit, nämlich die des Naturallohnes. Zu dieser Form der Entlohnung ging das staatskapitalistische Regime wegen der gewaltigen Inflation über. Doch die „kommunistische“ Ideologieproduktion der Bolschewiki, mit der sie sich selbst und das Weltproletariat betrogen, umhüllte diesen primitiven Staatskapitalismus mit dem Glorienschein einer angeblich nachkapitalistischen Gesellschaft. So wurden die Not des BürgerInnenkrieges und der bürokratische Staatskapitalismus besonders von dem „linken Kommunisten“ Bucharin verklärt, der Inflation als die beginnende Abschaffung des Geldes und den Naturallohn als Aufhebung der Lohnarbeit „analysierte“.
Doch diese Ideologieproduktion hatte nicht das Geringste mit materialistischer Gesellschaftsanalyse zu tun. Geldentwertung ist nicht gleichbedeutend mit der Aufhebung des Warentausches und der auf diesen Warentausch beruhenden Produktion. Das Geld vermittelt den Warenverkehr als verselbständigter Ausdruck des Tauschwertes. Es ist unmöglich das Geld wirklich abzuschaffen, aber die Warenproduktion aufrecht zu erhalten. Warenproduktion heißt Produktion voneinander unabhängiger kleinbürgerlicher und kapitalistischer PrivatproduzentInnen für den Austausch. Der Schneider produziert Anziehsachen und tauscht sie beim Bauern gegen landwirtschaftliche Produkte. In der „normalen“ Warenproduktion tauscht der Schneider seine Produkte gegen Geld als selbständigen Ausdruck des Tauschwertes und dann das Geld gegen landwirtschaftliche Produkte. Existiert eine starke Geldentwertung, so dass das Geld seine normale Vermittlungsfunktion des Warentausches nicht mehr ausüben kann, wird der Schneider seine Produkte direkt gegen landwirtschaftliche Produkte tauschen. Ist in diesem Fall das Geld wirklich unwiderruflich abgeschafft? Nein, es ist nur wegen einer vorübergehenden Entwertung für kurze Zeit aus dem Warenverkehr verschwunden. Denn seine Basis, voneinander getrennte PrivatproduzentInnen, die in erster Linie für den Tausch produzieren, also die Warenproduktion, existiert noch. Das Geld erleichtert den Warenaustausch und entwickelt sich mit diesem. Abschaffung des Geldes heißt Überwindung der Warenproduktion. Dass bedeutet Aufhebung einer Wirtschaft individueller PrivatproduzentInnen, welche für den Tausch produzieren. Das geht nur durch eine Assoziation freier ProduzentInnen, die als Kollektiv freier Individuen direkt und unmittelbar zur Befriedigung der Bedürfnisse produktiv tätig ist.
War das damalige Sowjetrussland ein Kollektiv freier Individuen, welches direkt und unmittelbar zur Befriedigung der Bedürfnisse produktiv tätig war?! Nein, es existierte ein totalitärer Staat, welcher die wichtigsten industriellen Produktionsmittel besaß und bürokratisch-hierarchisch verwaltete, und der mit den wenigen Produkten, über die er verfügte, einen primitiven Warentausch mit anderen gesellschaftlichen Kräften einging. Und zwar oft einen primitiven Naturaltausch, weil das Geld, über das der Staat verfügte, nichts wert war. Das damalige Sowjetrussland setzte also eine sehr primitive Warenproduktion in Gang.
Sicher, das Meiste was produziert wurde, waren keine Waren, also Produkte die der Staat gegen andere Produkte oder gegen Geld eintauschte, sondern Waffen. Das waren Produkte, die der sowjetische Staat vom Proletariat für den direkten Gebrauch, also zur Vernichtung seiner sozialreaktionären und revolutionären FeindInnen, herstellen ließ. Aber das änderte sich mit dem Ende des BürgerInnenkrieges. Der Staat wurde massenhaft zum Warenproduzenten, der für den einheimischen Bedarf und für den Weltmarkt produzierte.
Der Naturallohn während des BürgerInnenkrieges bedeutete auch nicht die Aufhebung der Lohnarbeit. Der Staat tauschte Naturalgüter gegen die Arbeitskraft des Proletariats, setzte also eine primitive Lohnarbeit in Gang. Bei der „normalen“ Lohnarbeit vermietet der/die Lohnabhängige seine/ihrer Arbeitskraft gegen Geld und kauft dann damit Konsumgüter. Das Geld vermittelt den Tausch zwischen Arbeitskraft und Konsumgütern. Während des BürgerInnenkrieges fiel das Geld massenhaft aus der Tauschoperation heraus, änderte aber nichts am Tausch zwischen Staat und Proletariat, nämlich Konsumgüter für Arbeitskraft. Es war schon ziemlich abgeschmackt von Bucharin die primitivste Form des Lohnes, den Naturallohn, als Überwindung der Lohnarbeit zu feiern! In Wirklichkeit stellte der Übergang zum Naturallohn auch eine Lohnkürzung dar. Bucharin war objektiv ein Ideologe, welcher einen primitiven Staatskapitalismus während eines imperialistischen Konkurrenzkampfes mit anderen bürgerlichen Kräften mit „kommunistischem“ Nebel umhüllte, von dem auch sein Gehirn beeinträchtigt wurde.
Doch dieser „kommunistische“ Nebel begann bis 1921, der Einführung der Neuen Ökonomischen Politik (NEP, siehe zu dieser: Nelke, Der sowjetische Staatskapitalismus und Imperialismus 1917-1991, Bad Salzungen 2012, S. 9-12.), ein Eigenleben als ideologisches Traumreich zu führen. So wurden während des „Kriegskommunismus“ die Mieten abgeschafft, die Gebühren für staatliche Dienstleistungen (Post und Telefon, Gas, Wasser und Strom) nicht mehr erhoben und die kostenlose Verteilung von Lebensmitteln und Güter des Massenkonsums beschlossen. Die Bolschewiki träumten während dieser Zeit auch von der Abschaffung der Geldsteuern…
Doch das Ende des „Kriegskommunismus“ 1921 war auch das Ende ideologischer Träume von der schnellen Abschaffung des Geldes. Nach Lenins Tod produzierte die staatskapitalistische Ideologie das Märchen von der „sozialistischen Warenproduktion“, die Rolle des Geldes als Vermittler des Warenverkehrs und der Geldlohn wurden nicht mehr in Frage gestellt.

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Auch die Beziehungen zwischen dem bolschewistischen Staat und den BäuerInnen waren während des BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieges rau und primitiv. Bedingungen für einen zivilisierten kapitalistischen Austausch zwischen Staat und BäuerInnen waren auch in dieser Zeit nicht vorhanden. Zuerst wurden die BäuerInnen aufgefordert, das landwirtschaftliche Mehrprodukt zu Fixpreisen an den Staat zu verkaufen, doch dann tauschte das staatskapitalistische Regime ohne Geld Industrieprodukte gegen Getreide – weil sein Geld praktisch nichts wert war und er ideologisch von seiner „Abschaffung“ träumte. Der bolschewistische Staat konnte den BäuerInnen jedoch immer weniger Industriegüter im Austausch gegen landwirtschaftliche Produkte anbieten, weil er fast ausschließlich für den imperialistischen Krieg produzierte. Also ging er dazu über, durch die von ihm geschaffenen „Komitees der Dorfarmut“ und auf das Land geschickte Arbeiterbrigaden erbarmungslos das landwirtschaftliche Mehrprodukt bei den BäuerInnen zu requirieren. Manchmal nahm das staatskapitalistische Regime von den BäuerInnen auch mehr als das landwirtschaftliche Mehrprodukt, als es nämlich seit Anfang 1919 dazu überging genau vorzuschreiben, wie viel den BäuerInnen an Brot- und Futtergetreide wegzunehmen sei, was teilweise deren biosoziale Reproduktion gefährdete. Das einzige, was die BäuerInnen vom Lenin/Trotzki-Regime bekamen waren wertlose Kreditbillets.
Diese staatliche Politik gegenüber den BäuerInnen führte jedoch zu deren Widerstand, wie auch Helmut Altrichter schrieb: „Die Regierung schlug die Aufstände nieder. Vor allem gegen die ,grüne‘ Bewegung der Bauern am Mittellauf der Wolga ging man, wie jüngere, auf neuen Archivmaterialien fußende Untersuchungen gezeigt haben, mit schier unglaublicher Brutalität vor: mit dem Einsatz von 100 000 Mann, Flugzeugen, schwerer Artillerie und Giftgas, mit Hinrichtungen, Geiselnahme und der Deportation ganzer Dörfer. Die Reste des bäuerlichen Widerstandes brach die nachfolgende große Hungersnot, der Millionen zum Opfer fielen, bevor noch nationale und internationale Hilfe angelaufen war…“ (Helmut Altrichter, Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991, a.a.O., S. 50.)
Doch auf den bäuerlichen Widerstand antwortete das staatskapitalistische Regime mit der „kommunistischen“ Ideologie nicht nur mit der Peitsche, sondern schließlich auch mit dem Zuckerbrot der „Neuen Ökonomischen Politik“, der für die Landwirtschaft den Übergang von den „willkürlichen“ Getreiderequirierungen zur normalen Naturalsteuer beziehungsweise Geldsteuer bedeutete – bis das Stalin-Regime 1929 zur Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und zur Liquidierung der KleinbäuerInnen als einer Schicht individueller ProduzentInnen überging…

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