soziale befreiung – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Sat, 15 Mar 2025 22:53:48 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png soziale befreiung – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Globale Klassenkämpfe (2023/2024) https://swiderstand.blackblogs.org/2025/03/15/neue-broschuere-globale-klassenkaempfe-2023-2024/ Sat, 15 Mar 2025 22:53:39 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=822 Unsere neue Broschüre „Globale Klassenkämpfe (2023/2024)“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Einleitung

1. Kapitalistische Ausbeutung und politische Verwaltung des Weltproletariats

2. Weltbourgeoisie und Weltproletariat

3. Institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und klassenkämpferische Selbstorganisation

4. Kämpfe im Güter- und Personenverkehr (Logistik)

5. Auseinandersetzungen in der Textilindustrie

6. Klassenkonflikte in der Metall- und Elektroindustrie

7. Klassenkämpfe im Gesundheitswesen und in der Pflege

8. Lehrkräfte im Klassenkampf

9. Auseinandersetzungen bei Medien und in der IT-Branche

10. Konflikte auf dem Bau

11. Kämpfe im Handel

12. Klassenauseinandersetzungen in der Finanzbranche (Banken und Versicherungen)

13. Klassenkonflikte im Gastgewerbe

14. Auseinandersetzungen in der Land- und Forstwirtschaft

15. Klassenkämpfe im öffentlichen Dienst und in den Staatsapparaten

16. Konflikte in der Reinigungsbranche

17. Klassenauseinandersetzungen in der Nahrungsmittelindustrie

18. Klassenzusammenstöße in der Rohstoff- und Energiegewinnung

19. Branchenübergreifende Klassenkonflikte

20. Klassenübergreifende größere Sozialproteste

Auseinandersetzungen in der Textilindustrie

In Bangladesch streikten Ende Oktober 2023 in den Städten Ashulia und Gazipur die ProletarierInnen von dutzenden Textilunternehmen. Sie blockierten die Straßen, wie die Polizei mitteilte. Die Repressionskräfte setzten Gummigeschosse und Tränengas gegen die Klassengeschwister ein. Am 30. Oktober 2023 starb ein Mann bei diesen Klassenauseinandersetzungen. Es war Rasel Howlader, ein Arbeiter aus der Textilfabrik Design Express in Gazipur. Außerdem verletzten die Bullen bei einer Schießerei Amirul Islam, der bei Columbia Garments schuftete. Ein weiterer Mensch kam in einer brennenden Fabrik ums Leben. In Gazipur lassen mehr als tausend Betriebe Textilien – viele für westliche Marken – von „ihren“ ProletarierInnen für Hungerlöhne herstellen.

Der Klassenkampf der TextilarbeiterInnen entwickelte sich, als die Bourgeoisie dieser Branche am 22. Oktober 2023 auf der vierten Sitzung des Lohnausschusses eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 10.400 BDT (94 US-Dollar) vorschlug. Dieser vorgeschlagene Mindestlohn lag unter den biosozialen Reproduktionskosten. Die Textilgewerkschaften von Bangladesch forderten seit Beginn des Jahres 2023 die Erhöhung des Mindestlohnes von 8.000 BDT (75 US-Dollar) auf 23.000 BDT (215 US-Dollar).

Als sich der offene Klassenkampf in der Textilindustrie Ende Oktober 2023 entfaltete, ging der politische Gewaltapparat auch repressiv gegen FunktionärInnen der Textilgewerkschaften vor. So wurden Ende Oktober 2023 Mossarrof Hossain von BMGGTWF, Jewel Miya von BIGUF und Masud Rana von BGTLWF verhaftet. Die Bullen zeigten weitere GewerkschafterInnen wegen Vandalismus und Körperverletzung an.

Anfang November 2023 ging der militante Klassenkampf weiter und weitete sich geographisch noch aus, wie wir in der Zeitung lesen konnten: „Die Massenproteste von Beschäftigten der Textilindustrie in Bangladesch sind auch am Mittwoch (1. November 2023) weitergegangen. Erneut demonstrierten Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter und errichteten Straßensperren in der Hauptstadt Dhaka. Bei Kundgebungen in den nördlichen Vororten Ashulia und Gazipur war es seit Montag (30. Oktober 2023) zu Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Mindestens zwei Menschen starben. Die Behörden sprachen am Mittwoch (1. November 2023) von mindestens 5.000 Demonstrierenden, AFP-Reporter vor Ort setzten die Zahl höher an. In Gazipur kam es der örtlichen Polizei zufolge zu Steinwürfen. Dhaka und seine Vororte sind ein Zentrum der Textilindustrie, H & M, Gap, Adidas oder Puma lassen dort Kleidung herstellen. Der Mindestlohn der Branche liegt umgerechnet bei rund 70 Euro im Monat, die Gewerkschaft fordert eine Verdreifachung.“ (Bangladesch: Proteste in der Textilindustrie, in: junge Welt vom 2. November 2023, S. 1.)

Zum Höhepunkt dieser Klassenauseinandersetzung streikten zehntausende TextilarbeiterInnen in Bangladesch. Die ProletarierInnen legten mehr als 300 Fabriken lahm. 50 Fabriken wurden im Kampf verwüstet. Der Staat konnte diesen Klassenkonflikt nicht nur mit der Peitsche befrieden, so erhöhte er im November 2023 für Dezember dieses Jahres den Mindestlohn von umgerechnet 8.000 BTD (67 US-Dollar) auf 12.500 BDT (105 US-Dollar). Die Erhöhung entsprach der Hälfte der Forderungen der Gewerkschaften. Deshalb ging der Klassenkampf weiter.

In einer Zeitung der deutschen Bourgeoisie, im Manager-Magazin, konnten wir am 11. November 2023 über die Auswirkungen des Klassenkampfes in der Textilbranche von Bangladesch auf die globale Kapitalvermehrung lesen: „Im teils gewaltsamen Streit um höhere Löhne in der Textilbranche in Bangladesch sind am Samstag (11. November 2023) 150 Fabriken auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Sie befinden sich in den wichtigen Industriestädten Ashulia und Gazipur nördlich der Hauptstadt Dhaka, wie die Polizei der Nachrichtenagentur AFP sagte. Die Hersteller fürchten demnach zum Beginn der neuen Arbeitswoche in dem südasiatischen Land weitere Streiks.

In Bangladesch gibt es seit zwei Wochen heftige und teils gewaltsame Proteste. Die Arbeiter der zahlreichen Textilfabriken des Landes fordern eine Erhöhung ihres Mindestlohns auf umgerechnet mindestens 190 Euro im Monat, was eine Verdreifachung des aktuellen Niveaus wäre. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hatte am Dienstag (7. November 2023) eine Mindestlohnerhöhung um 56,25 Prozent auf 104 Euro ab Dezember angekündigt.

Die Gewerkschaft der Textilarbeiter wies dies als ,inakzeptabel‘ zurück. Die Lohnerhöhung sei nicht mit den steigenden Kosten für Lebensmittel, Wohnungsmieten, Gesundheitsversorgung und Schulgebühren vereinbar. In den vergangenen Tagen kam es erneut zu heftigen Protesten, bei denen eine Frau getötet wurde – der dritte Todesfall seit Beginn der Demonstrationen.

Am Donnerstag (9. November 2023) gerieten 15.000 Arbeiter mit der Polizei aneinander und plünderten rund ein Dutzend Fabriken, darunter die Fabrik Tusuka. Nach Angaben der Polizei wurden wegen des Angriffs auf diese Fabrik Ermittlungen gegen 11.000 Unbekannte eingeleitet. Die Beamten leiten nach großen Protesten häufig Ermittlungen gegen tausende Menschen ein, was laut Kritikern dazu dient, gegen Andersdenkende vorzugehen.“ (https://www.manger-magazin.de/unternehmen/industrie/zara-h-und-m-und-co-150-textilfabriken-in-bangladesch-auf-unbestimmte-zeit-geschlossen-a-cfb97584-3288-42f1-abcf-6c28c79dd4e6.)

Der politische Gewaltapparat setzte gegen das klassenkämpferische Proletariat auch Grenztruppen ein, um den großangelegten Ausstand von TextilarbeiterInnen zu unterdrücken. Die harte Auseinandersetzung zwischen Proletariat und Bourgeoisie in Bangladesch führte auch zu einem vierten Todesopfer. So teilten die Bullen mit, dass am 11. November der 42-jährige Textilarbeiter Jalal Uddin, der Anfang des Monats bei Zusammenstößen mit staatlichen Repressionsorganen verletzt worden war, seinen Verletzungen erlag.

Hannes Koch und Natalie Mayroth schrieben am 26. November 2023 in der taz über die Situation in der Textilindustrie von Bangladesch: „Die Stimmung in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, ist weiter angespannt. Auch während der Schnäppchenwoche Black Week kam es zu Protesten. Zudem jährte sich am vergangenen Freitag (24. November 2023) der Brand bei Tazreen Fashions, bei dem 2012 mindestens 112 Menschen starben. Näher:innen machten in den vergangenen Tagen auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam. (…)

Bangladesch steht wenige Wochen vor den Parlamentswahlen, die ohnehin unruhige Zeiten versprechen. Zwar laufen die Textilfabriken nach heftigen Protesten mit mindestens vier Toten wieder. Doch der Unmut über den neuen Mindestlohn, der ab Dezember gilt, bleibt. Die Proteste begannen im Oktober, als der Verband der Textilhersteller vorschlug, den Mindestlohn nur geringfügig zu erhöhen. Seit 2018 war er nicht mehr gestiegen.

Die Fronten sind verhärtet, wie die Inhaftierung des Gewerkschaftsführers Babul Hossain von der Bangladesh Garment Workers Solidarity zeigt. Hossain rief Kolleg:innen auf, auf eine bessere Arbeitsgesetzgebung und einen höheren Mindestlohn zu dringen. Seine Kollegin Taslima Akter glaubt, er wurde verhaftet, um die Bewegung zu stoppen. Premierministerin Sheikh Hasina kündigte am Sonntag (26. November 2023) ein hartes Vorgehen gegen Brandstifter an, um Leben und Eigentum zu schützen.“ (https://taz.de/Textilwirtschaft-in-Bangladesch/!5972782/.)

Es war also dem Staat durch massive Repression und die minimale Erhöhung des Mindestlohnes gelungen, im Verlauf des Monats November 2023 den Klassenkampf des Textilproletariats zu ersticken. Diese Erhöhung wurde jedoch durch eine Inflation von 9 Prozent wieder aufgefressen. Außerdem überzog der politische Gewaltapparat das klassenkämpferische Proletariat mit Repression. Er leitete mindestens 43 Strafverfahren gegen 20.000 ArbeiterInnen ein. Über hundert Klassengeschwister wurden vom Staat inhaftiert. Im Jahre 2024 wurden 115 TextilproletarierInnen von der bürgerlichen Klassenjustiz inhaftiert. Viele TextilarbeiterInnen wurden von der Bourgeoisie aus den jeweiligen Betrieben rausgeworfen und auf schwarze Listen gesetzt. Dies macht es für sie sehr schwer, einen neuen Job zu finden.

Im April 2024 forderte ein Bündnis aus elf Verbänden und Gewerkschaften der Textilbranche von Bangladesch die Erhöhung des Mindestlohnes auf 25.000 BDT (ca. 215 Euro/235 US-Dollar) pro Monat.

In China legten die Lohnabhängigen der Deli Textile Co Ltd in der Wirtschaftsentwicklungszone Xia Sha im Bezirk Qiantang von Hangzhou (Provinz Zhejiang) am 2. November 2023 die Arbeit nieder. Der Ausstand richtete sich dagegen, dass die Bourgeoisie die Fabrik an einen anderen Ort verlagern wollte – ohne die bisherigen ArbeiterInnen zu entschädigen.

Am 6. November 2023 traten die ArbeiterInnen der Yonglong-Textilfabrik in Shoxing, Provinz Zhejiang, in den Ausstand. Der Klassenkampf entzündete sich, weil sie für die Verlagerung der Fabrik keine Entschädigung erhielten.

Am 25. November 2023 streikten die ProletarierInnen in der Changshu Zhongtang Textile Co Ltd in Suzhou, Provinz Jinagsu, weil das Einzelkapital die Fabrik verlegt hatte, ohne sie zu entschädigen. Der Streik dauerte eine Zeitlang an.

Am 29. November 2023 teilte die Baoyi Shoes Factory in Yangzhou, Provinz Jiangsu mit, dass sie den Arbeitsvertrag mit „ihren“ Beschäftigten zum Ende des Jahres kündigen, aber erst am nach dem 31. Dezember 2023 ein konkretes Abfindungspaket anbieten werde. Die ProletarierInnen waren so wütend, dass sie am 30. November 2023 in den Ausstand traten. Sie forderten von dem Unternehmen sofort eine Abfindung. Am 4. Dezember 2023 war der fünfte Streiktag.

Am 17. März 2024 demonstrierten rund 1.000 WanderarbeiterInnen aus Myanmar in der südchinesischen Provinz Yunnan, die direkt an Myanmar grenzt. Die ProletarierInnen schufteten in den Bekleidungsfabriken Shangcheng und Xinjiaho. Sie forderten vor allem kürzere Arbeitszeiten und einen freien Sonntag. Bei den Protesten ging es aber auch um höhere Löhne. Unsere Klassengeschwister bekamen oft nicht den versprochenen Lohn von 1.000.000 Kyat (umgerechnet 380 US-Dollar), sondern wurden mit deutlich weniger abgespeist. Die chinesische Bourgeoisie reagierte mit staatlicher Repression. So wurde eine Demonstrantin über die Grenze nach Myanmar abgeschoben.

Am 4. September 2024 errichteten Arbeiterinnen im Bezirk Linping, Hangzhu, Provinz Zhejiang, ansatzweise die Diktatur des Proletariats, die keine Staatsform ist, wie der Marxismus behauptet, sondern Gewalt und Zwang der klassenkämpferischen Lohnabhängigen gegen Bourgeoisie und die repressiven Staatsorgane. Die Proletarierinnen nahmen den Textilkapitalisten Shen Jinrong fest. Das war der Besitzer einer Bekleidungsfabrik im Dorf Tunli im Bezirk Linping in Hanzhou. Er floh bereits mehrfach an anderen Orten mit unbezahlten Löhnen. Die Diktatur des Proletariats bildet sich bereits ansatzweise im reproduktiven Klassenkampf, sie ist eine revolutionäre Tendenz. In der möglichen sozialen Revolution muss die proletarische Diktatur Kapital und Staat zerschlagen – und damit prozesshaft in die klassen- und staatenlose Gesellschaft übergehen (siehe auch Kapitel 3).

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Neue Broschüre: Kritik der globalen Politik III https://swiderstand.blackblogs.org/2024/11/24/neue-broschuere-kritik-der-globalen-politik-iii/ Sun, 24 Nov 2024 23:33:43 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=798 Unsere neue Broschüre „Kritik der globalen Politik III“ (ca. 13 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Einleitung

Kritik der Identitätspolitik

I. Die nationalkapitalistische Formierung von Identitäten

1. Die Nationalkapitale

2. SklavInnen, LohnarbeiterInnen und nichtlohnarbeitende ProletarierInnen

3. Rassismus

4. „InländerInnen“ und „AusländerInnen“, das migrantische Proletariat

5. Patriarchat und Sexismus

6. Die binärgeschlechtlich-heterosexuell-monogame Normierung

II. Die konkurrenzförmige Formierung von Identitäts-Subjekten

1. „Identität“ als Kostüm der bürgerlichen Konkurrenzindividuen

2. Rechtskonservativ-neofaschistische Identitätspolitik

3. Linksliberale Identitätspolitik

4. Linkskonservative Identitätspolitik a la Sahra Wagenknecht

III. Die sozialrevolutionäre Aufhebung der Identitätspolitik

1. Proletarisch-revolutionäres Klassenbewusstsein als Identität der Identitätsaufhebung

2. Die tendenzielle Aufhebung der Spaltungslinien durch reproduktiven Klassenkampf

3. Die sozialrevolutionäre Aufhebung aller bürgerlicher Identität

Kritik des demokratischen Untertanenbewusstseins

I. Die Ideologie von der „Volksherrschaft“

1. Die ideologische Herrschaft des „Volkes“ als Klassendiktatur der Bourgeoisie

2. „ArbeiterInnendemokratie“ als begrifflicher Unsinn

II. Die Demokratie als besondere Staatsform des Kapitals

1. Freie Wahlen als Ermächtigung und Legitimierung von politischer Herrschaft

2. Demokratische Narrenfreiheiten für das „Volk“

3. Gewerkschaften, Streikrecht sowie kapitalistische Wirtschafts- und Arbeitsdemokratie

4. „Direkte Demokratie“ als staatsbürgerliches Ideal

5. Die heiligen Menschenrechte

6. Gewaltenteilung in der Diktatur der DemokratInnen

7. „Die Diktatur“: das Feindbild aller guten DemokratInnen

8. Demokratisch-faschistische Sozialreaktion

Freie Wahlen als Ermächtigung und Legitimierung von politischer Herrschaft

Freie Wahlen sind das Kriterium, die eine Demokratie von anderen Herrschaftsformen des Kapitals unterscheidet. Zunächst einmal ist interessant, was bei freien Wahlen alles nicht zur Wahl steht. Das ist erstens die totalitäre Herrschaft des Tauschwertes über Gebrauchs- und Produktionswert. Bedürfnisse nach bestimmten Waren oder warenförmigen Dienstleistungen zählen in einer kapitalistischen Warenproduktion nichts ohne das nötige Kleingeld, um diese sich auch leisten zu können. Dass ist die Diktatur des Tauschwertes über den Gebrauchswert, die nützlichen Eigenschaften der Waren und warenförmigen Dienstleistungen.

LohnarbeiterInnen werden von ihren AusbeuterInnen in der Regel nicht angemietet, wenn sie nicht deren Geld vermehren. Die Produktion von Mehrwert, den sich die AusbeuterInnen der Lohnarbeit aneignen, ist absolute Bedingung der Einstellung von ProletarierInnen in der Warenproduktion (siehe Kapitel I.1 der Schrift Kritik der Identitätspolitik). Das ist die totalitäre Herrschaft des Tauschwertes über den Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit der Waren und warenförmigen Dienstleistungen.

Auch das Monopol der BerufspolitikerInnen auf die gesamtgesellschaftliche Organisation der kapitalistischen Klassengesellschaft steht in freien Wahlen nicht zur Wahl. Auch nicht die Existenz des Staates. Der politische Gewaltapparat ist weder wähl- noch abwählbar. Was in einer kapitalistischen Demokratie wähl- und abwählbar ist, ist das konkrete Management des Staates, die Regierung. Die Wähl- und Abwählbarkeit der Regierung gewährleistet die Reproduktion des Staates als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung.

Freie Wahlen sind eine Herrschaftstechnik, bei der die klassenübergreifenden WählerInnen die BerufspolitikerInnen ermächtigen, entweder den Staat zu regieren oder systemloyal-parlamentarisch gegen die Regierung – aber eben nicht gegen den Staat! – zu opponieren. ProletarierInnen verschwinden bei dieser demokratischen Herrschaftstechnik im klassenneutralen Wahlvolk. Sie gehen unter im Stimmvieh. BerufspolitikerInnen, egal ob regierend oder systemloyal opponierend, egal ob mittig, links oder rechts, sind die ManagerInnen der gesamtgesellschaftlichen Organisation der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit. Sie leben – auch jene der parlamentarischen Opposition – vom staatlich angeeigneten Mehrwert, also von der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnabhängigen, die sie politisch mit organisieren. In „freien Wahlen“ ermächtigen also die ProletarierInnen ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, in ihrem Namen – aber gegen ihre Interessen – entweder den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Am Politrummel der freien Wahlen teilzunehmen, ist für ProletarierInnen Verarschung und Selbstverarschung. Als WählerInnen trinken ProletarierInnen auch noch den Kakao, durch den sie gezogen werden.

In Form von freien Wahlen tragen die Basiseinheiten der bürgerlichen Politik, die politischen Parteien, ihre Konkurrenz aus. In Wahlen wird mitentschieden, welche Parteien den Staat regieren – auch in Form von Parteienkoalitionen – und welche in die parlamentarische Opposition gehen. Politische Parteien sind klassengespalten. Ihre bürgerlich-bürokratischen Apparate aus BerufspolitikerInnen und -ideologInnen sowie hauptamtlichen FunktionionärInnen bestimmen wesentlich was läuft und was nicht läuft im Parteiladen, während die kleinbürgerlich-proletarische Basis nicht mehr als Manövriermasse darstellt. Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen, in der die politischen Basiseinheiten ihre Konkurrenz in freien Wahlen austragen.

Politische „ArbeiterInnen“ Parteien (sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische) integrieren sich in der Regel in die demokratisch-parlamentarischen Staaten. In Deutschland existieren drei systemloyale sozialdemokratische Parteien, die SPD, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Aber auch sich sehr rrrrevolutionär gebende marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien wie die D„K“P, die MLPD und die Sozialistische Gleichheitspartei treten bei Wahlen an. Sie helfen damit in der Praxis das parlamentarisch-demokratische Herrschaftssystem zu reproduzieren, die ProletarierInnen zum Stimmvieh zu machen. Politische Parteien können den Staat nur reproduzieren. Sie sind Fleisch vom Fleische des Kapitalismus.

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Neue Broschüre: Das Elend der Kapitalvermehrung I https://swiderstand.blackblogs.org/2024/02/07/neue-broschuere-das-elend-der-kapitalvermehrung-i/ Wed, 07 Feb 2024 23:05:25 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=732 Unsere neue Broschüre „Das Elend der Kapitalvermehrung I“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Die sozialstaatlich-karitative Verwaltung des kapitalistisch produzierten Elends

I. Die kapitalistisch-politische Produktion des Elends

1. Die kapitalistisch-politische Ausbeutung der Lohnabhängigen

2. Die „Freisetzung“ auf den Arbeitsmärkten

3. Die Ruinierung von produktions- und handelsmittelbesitzenden KleinbürgerInnen

4. Elend und „Armut“

II. Die sozialpolitische Verwaltung des Elends

1. Der Soziallohn

2. Sozialstaatliche Transferzahlungen an Langzeitarbeitslose

3. Der Sozialstaat als Gewaltapparat

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den Sozialstaat

5. Die UNO als globales Sozialamt

III. Die menschlichen Objekte der sozialstaatlichen Elendsverwaltung

1. Erkrankte Menschen

2. Menschen mit Behinderung

3. Kinder und Jugendliche

4. RentnerInnen

5. Erwerbslose Menschen

6. Fliehende und geflohene Menschen

7. Inhaftierte Menschen

Immobilieneigentum, Mietverhältnisse und Obdachlosigkeit

1. Das Eigentum an Wohnungen

2. Mietverhältnisse

3. Obdachlosigkeit

4. Staatliche Bau- und Mietenpolitik sowie Obdachlosenverwaltung

5. Wohn- und mietenpolitischer Sozialreformismus

6. Die sozialrevolutionäre Lösung der Wohnungsfrage

Die Digitalisierung der Kapitalvermehrung

I. Gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung

1. Wissenschaftlich-technische Aspekte der Digitalisierung

2. Sozialökonomische Aspekte der Digitalisierung

3. Sozialpsychologische Aspekte der Digitalisierung

II. Der kapitalistische Staat und die Digitalisierung

1. Die Digitalisierung der staatlichen Infrastruktur

2. Die Optimierung der staatlichen Überwachung

3. Die staatliche Subventionierung und Regulierung des digitalen Privatkapitals

4. Die zwischenstaatliche Konkurrenz um die Digitalisierung

III. Klassenkampf und Digitalisierung

1. Die Digitalisierung als Instrument im Klassenkampf von oben

2. Die Digitalisierung und der Klassenkampf der Lohnabhängigen und prekären Selbständigen

3. Obdachlosigkeit

Das Elend für große Teile des Weltproletariats, die sich den Bau eines eigenen Hauses entweder nicht leisten können oder wollen, besteht also im Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Ein Mangel, der sich grundsätzlich nur sozialrevolutionär durch die Aufhebung des Wohnungsmietverhältnisses als Teil der Ware-Geld-Beziehungen lösen lässt (siehe Kapitel 6 dieser Schrift).

Zum sozialen Elend des Weltproletariats gehört auch die Obdachlosigkeit. Dies ist eine globale Lebenslage, in der Menschen keinen festen Wohnsitz haben und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten. In den Industriestaaten ist die Mehrzahl der obdachlosen Menschen männlich. Unter den alleinstehenden Obdachlosen sind etwa 80 Prozent Männer. In der BRD hatten 2022 607.000 Menschen nach Angaben der regierenden Charaktermasken dieses Staates keine eigene Wohnung. Ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebten in diesem Land rund 50.000 Menschen.

Dieter Rheinisch schrieb im Dezember 2023 über die Zunahme der Obdachlosigkeit in Großbritannien und Irland: „Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen in England nimmt dramatisch zu. Dieses Jahr (2023) werden laut einer neuen Studie 309.550 Menschen Weihnachten auf der Straße, in Notunterkünften oder im Auto verbringen müssen. Auch in Irland spitzt sich die Lage zu. (…)

So ist in England die Zahl der Obdachlosen innerhalb eines Jahres um 14 Prozent gestiegen, teilte die Hilfsorganisation Shelter am Donnerstag (14. Dezember 2023) mit. Einer von 182 Menschen ist betroffen. Bei Kindern ist das Verhältnis noch dramatischer: Eines von 85 Kindern in England ist wohnungs- oder obdachlos. Offizielle Regierungsdaten zeigen, dass derzeit eine Rekordzahl von 139.000 Kindern in provisorischen Unterkünften lebt.

Die Zahlen von Shelter zeigen, dass vor allem die Obdachlosigkeit in den vergangenen zwölf Monaten stark zugenommen hat: Mehr als 3.000 Menschen schlafen jede Nacht auf der Straße. Das ist ein Anstieg von 26 Prozent in nur einem Jahr. Fast 280.000 Menschen leben darüber hinaus derzeit in unsicheren und gesundheitsschädlichen Notunterkünften. Außerdem zeigen Zahlen der Regierung, dass fast die Hälfte der Familien in provisorischen Unterkünften seit mehr als zwei Jahren dort leben, schreibt Shelter. Hinzu kommen 20.000 Menschen in Heimen oder betreuten Unterkünften.

,Obwohl unsere Analyse die umfassendste Übersicht über die in England registrierte Obdachlosigkeit ist, ist die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher, da einige Formen der Obdachlosigkeit, wie z. B. ,Sofasurfenʻ, nicht dokumentiert sindʻ, betonte Shelter-Direktorin Polly Neate bei der Vorstellung des Berichts. ,Chronisch unzureichende Investitionen in den sozialen Wohnungsbau haben dazu geführt, dass sich die Menschen die explodierenden privaten Mieten nicht mehr leisten können und die Obdachlosigkeit auf ein Rekordniveau gestiegen istʻ, so Neate weiter. (…)

Ähnlich problematisch ist die Situation in Irland, wo die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ebenfalls rapide ansteigt. (…) Die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen dort liegt derzeit bei fast 15.000 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte auch hier um ein Vielfaches höher liegen.“ (Dieter Rheinisch, Weihnachten auf der Straße, in: junge Welt vom 18. Dezember 2023, S. 9.)

Formularbeginn

Damit hinter den Zahlen die wirklichen Menschen deutlich werden, wollen wir hier die Schilderung der ehemaligen Obdachlosen Rachel Moran aus Irland wiedergeben. Rachel Moran wuchs in einer Familie mit psychisch kranken Eltern auf. Als der Vater Selbstmord beging, wurde für sie die Situation mit der Mutter unerträglich. Sie befreite sich 1989/90 mit 14 aus der Familie und geriet in die gefühlskalte Verwaltung des Sozialstaates und schließlich in die Obdachlosigkeit.

Sie schrieb später darüber: „Nur wenige Monate nach dem Selbstmord meines Vaters verließ ich mein Elternhaus. Die Paranoia meiner Mutter und ihr Hang, nach Sündenböcken zu suchen, hatten innerhalb weniger Wochen den Siedepunkt erreicht und konzentrierten sich voll auf mich. Sie bombardierte mich jeden einzelnen Tag mit Verbalattacken. Wenn wir uns heftig stritten, was andauernd der Fall war, spuckte sie regelmäßig den Hinweis aus, ich solle zu einem Sozialarbeiter gehen und mir ein Heim suchen. Je mehr ich über ihren Hinweis nachdachte, desto mehr leuchtete er mir ein. Mir graute davor, in die Welt hinauszugehen und mich allein durchzuschlagen, aber mein Leben zuhause war schlichtweg unerträglich, und ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte, also tat ich genau das, was sie mir nahelegte. Ich ging zum Gesundheitszentrum unseres Viertels und bat um ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter. Ich kam mir dabei sehr zielstrebig vor, so als würde ich mein Leben selbst in die Hand nehmen, sackte aber zusammen, als ich der Sozialarbeiterin unter Tränen erklärte, weshalb ich da war. Ich sagte immer wieder: ,Ich muss da raus, ich muss da endlich raus.ʻ Innerhalb einer Woche hatte sie mich tatsächlich da rausgeholt. Damit begann die schwindelerregende Erfahrung, unter staatlicher Vormundschaft zu leben.

Die erste Unterbringung, an die ich vermittelt wurde, war ein von der Heilsarmee betriebenes Heim im Stadtzentrum, das Lefroy House hieß. Im Laufe der darauffolgenden achtzehn Monate war ich immer wieder obdachlos, im Alter von vierzehn bis fünfzehneinhalb Jahren. Fast jedes Mal, wenn mein Aufenthalt in einem Heim oder in einer Pension endete, war ich wieder obdachlos. Zu Beginn meiner Phasen im äußersten Elend führte ich ein sehr einsames Leben, gab mich mit niemandem ab, ging auf niemanden zu, bat nicht um Hilfe und erhielt folglich auch keine.

Mal riss ich von Heimen aus, mal wurde ich rausgeworfen. Ich war nie gewalttätig, jedoch absolut unnachgiebig, wenn es um Regeln ging, denen ich mich nicht unterwerfen wollte. Ich war sehr willensstark und keineswegs auf den Mund gefallen. Trotz alledem kann ich einige Gründe nicht akzeptieren, die vorgebracht wurden, um mich vor die Tür zu setzen. Zu diesen Gründen gehörte, dass ich einmal mit nur einen Schuh an den Füßen ankam, weil ich kurz zuvor verprügelt worden war, oder dass man mich ein anderes Mal erwischte, in meinem Zimmer Tabletten in einem Glas gehortet zu haben, für den Fall, dass ich eventuell einmal Selbstmord begehen wollte. Ich hatte schon in meiner Kindheit Selbstmordgedanken gehabt. (…)

Der erste Schock, als ich obdachlos wurde, war die kontinuierliche, unablässige Notwendigkeit, ständig unterwegs zu sein. Die Suche nach Orten, an denen man einfach nur sein konnte, stellte ein weitaus größeres Problem dar, als ich es mir zuvor hätte träumen lassen. Nirgendwo, wo man hingeht, wird man in Ruhe gelassen. Diesen Luxus kann man nirgendwo erwarten, schließlich sind einem alle privaten Orte der Welt verschlossen, und alle öffentlichen Orte bieten keinerlei Privatsphäre. Viele der letzteren gewähren einem nicht einmal Zutritt.

Was das Problem betrifft, einen Platz zum Schlafen zu finden, so deckt buchstäblich nichts die Bedürfnisse ab, die selbst die mickrigste und schäbigste Bruchbude erfüllt. Kein einziger Platz bietet Trockenheit, Sicherheit, Sauberkeit, Wärme und einen Minimalkomfort. Eine Parkbank mag trocken sein, wenn es nicht regnet, sie mag sogar sauber sein, wenn man Glück hat, aber sie ist weder sicher noch warm, noch bequem. Eine Stelle unter einem Busch ist vielleicht trocken, falls man das Wetter auf seiner Seite hat, aber sie ist weder sicher noch sauber, noch warm, noch bequem.

Ich habe an vielen Plätzen dieser Art geschlafen und einer war so erbärmlich wie der andere. Einmal schlief ich in einem Bus, der in einem Depot mit offenen Türen abgestellt worden war. Als ich aufwachte, fuhr ich in den frühen Morgenstunden über die damals noch grünen Felder von Westdublin. Ich hatte keinen Schimmer, wo ich war, und es war ein unsanftes Erwachen, aber ich fand, dass es sich gelohnt hatte. Es war die bequemste Nacht seit Langem.

Einmal fiel ich für etwa eine halbe Stunde auf dem kalten Fliesenboden einer Toilette bei McDonaldʻs auf der OʻConnell Street in einen unruhigen Schlaf. Die Nacht zuvor hatte ich keinen Schlafplatz finden können und war zutiefst erschöpft, also ging ich zu McDonaldʻs, kaum, dass sie geöffnet hatten, um Egg McMuffins zum Frühstück zu verkaufen. Ich dachte, wenigstens auf der Toilette hätte ich einen sicheren Raum für mich. Ich wurde von einer Mitarbeiterin, die hereingekommen war, um die Toiletten zu reinigen, aus dem Schlaf gerissen und rausgeworfen. Das führt mich zur wahren und schlimmsten Verheerung, die die Obdachlosigkeit mit sich bringt: die Einsamkeit. Es ist die Erfahrung, dass man absolut unerwünscht ist, dass die eigene, bloße Anwesenheit an allen Orten und in allen Situationen ein unerquicklicher Umstand ist. Egal, wo man sich als obdachlose Person befindet, man ist immer unwillkommen. Wenn ein Mensch obdachlos ist, so sinkt sein gefühlter Wert für die Gesellschaft auf null. Er existiert nicht. Ihrem Selbstgefühl nach sind solche Menschen wertlos und missliebig, soziale Parias, Verstoßene, Außenseiter, deren bloßer Körper ein unerwünschter Störfaktor ist, den sie mit sich herumtragen müssen, wohin sie auch gehen. Sie sind im wortwörtlichsten Sinne unerwünscht. Sie sind die verkörperte Überflüssigkeit. Ich habe all diese Gefühle zu spüren bekommen, als ich obdachlos war. Das tun alle obdachlosen Menschen. Es ist unumgänglich.“ (Rachel Moran, Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution, Tectum Verlag, Marburg 2015, S. 63-68.)

Rachel Moran entkam der Obdachlosigkeit, indem sie mit 15 Jahren in die Prostitution geriet, aus der sie sich dann nach sieben Jahren ebenfalls befreite…

Aber Obdachlose sind nicht nur leidende Menschen, sie sind auch Teil des globalen proletarischen Klassenkampfes. Johannes Schulten schrieb 2009 über den Wohnungsnotstand, staatliche Repression und den sozialen Widerstand in Sao Paulo/Brasilien: „In der brasilianischen 20-Millionen-Metropole Sao Paulo herrscht akuter Wohnraumnotstand. Allein in Stadtkern mangelt es nach offiziellen Angaben an 600 000 Wohnungen. Städtische ,Aufwertungsprogrammeʻ trieben die Mieten in den letzten Jahren in die Höhe. Die Immobilienspekulation boomt. Während inzwischen sogar Mittelstandsfamilien ihre Stadtwohnungen nicht mehr bezahlen können und an die Peripherie übersiedeln, bleibt für die stetig wachsende Zahl der Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Schattenwirtschaft verdienen, häufig nur die Favela. Aber auch in den brasilianischen Slums wird der Platz knapp. Innerhalb der letzten 20 Jahre sind die städtischen Elendsviertel fünfmal schneller gewachsen als die gesamte Metropolenregion. In den etwa 1600 Favelas im Großraum Sao Paulo leben bis zu 1,2 Millionen Menschen.

Wo staatlicherseits wenig Abhilfe zu erwarten ist, gehen Obdachlosenorganisationen seit einigen Jahren dazu über, sich den benötigten Wohnraum einfach anzueignen. Gruppen wie die 1997 gegründete Bewegung obdachloser Arbeiter (MSTS), ein Ableger der Landlosenorganisation MST, verlassen die Favelas und besetzen nicht genutztes Land in den Vorstädten.

Eine dieser Siedlungen befindet sich im Viertel Capao Redondo im Süden von Sao Paulo. Vor zwei Jahren (2007) besetzten etwa 600 Familien hier nicht genutztes Privatgelände, dass sich im Besitz eines nationalen Busunternehmens befindet. Inzwischen ist die Zahl der Familien, die dort leben, auf über 800 angewachsen. Für die Stadtverwaltung gilt die Siedlung jedoch immer noch als illegal. Am vergangenen Montag (24. August 2009) war es dann soweit. Unter dem Einsatz von Tränengas und Blendgranaten stürmten etwa 250 Polizisten der brasilianischen Militärpolizei das Gelände. Die Bewohner verteidigten sich mit dem, was sie hatten: Es flogen Steine und Molotow-Cocktails; Autos, Reifen und Schrott dienten als Barrikaden. Nach sechs Stunden war das Spektakel vorbei, der Widerstand der rund 500 Verteidiger gebrochen. Die Bulldozer rollten ein. Einen Tag später, am Dienstag (25. August 2009) stand kein Haus mehr.

Wie sehr solche Aktionen zum Alltag in Brasilien gehören, zeigt die Reaktion eines Polizeikommandeurs. Auf die Journalistenfrage, ob die Räumung angesichts der Ausschreitungen nicht abgebrochen werden müsse, antwortete er lapidar: ,Ein wenig Widerstand ist für uns normalʻ. Einen Grund, die Aktion abzubrechen, sehe er nicht. Was bleibt, waren Dutzende verhaftete Favela-Bewohner, einige Verletzte. Am Mittwoch (26. August 2009) befanden sich nach Aussagen verschiedener Obdachlosenorganisationen immer noch 500 Familien auf dem Gelände. Einen Ort, wohin sie gehen könnten, haben sie nicht.“ (Johannes Schulten, Bulldozer statt Recht auf Wohnen, in der junge-Welt-Beilage faulheit & arbeit vom 29./30. August 2009, S. 5.)

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Neue Broschüre: Kritik der globalen Politik II https://swiderstand.blackblogs.org/2023/11/05/kritik-der-globalen-politik-ii/ Sun, 05 Nov 2023 06:42:51 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=698 Unsere neue Broschüre „Kritik der globalen Politik II“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Der Nationalismus als Grundlage bürgerlicher Politik

I. Allgemeine Betrachtung

1. Bürgerliche Realpolitik ist nationalkapitalistisch

2. Kleinbürgerliche Protestpolitik kann nicht antinational sein

3. Sozialrevolutionäre Antipolitik ist antinational!

II. Über Wanderungsbewegungen und Querfronten

1. Der politische Geisterfahrer Jürgen Elsässer

2. Linksnationalistin Wagenknecht

3. Ernst von Salomon – ein historischer Querfrontler

4. Rechts- und LinksnationalistInnen gegen die extreme Mitte

III.Internationalismus

1. Internationalistische Unterstützung von Russland oder der Ukraine

2. Kriegsgeile Baerböcke (m/w/d)

3. Nationalpazifismus

Globale Kooperation und Konkurrenz der Nationen (2020-2023)

I. Ökonomie

1. Die globale Interaktion der Nationalkapital

2. Kapitalistische Krisendynamik, zwischenstaatliche Konkurrenz und Klassenkampf

3. Wirtschaftskriege

4. Ökonomische Aspekte des Ukrainekrieges

II. Außenpolitik und Diplomatie

1. Der zweite Kalte Krieg

2. Kooperation und Konkurrenz im Block des kollektiven Westens

3. Die diplomatische Offensive des chinesischen Imperialismus

4. Das Lavieren zwischen den Blöcken

III. Ideologie und Propaganda

1. „Demokratie gegen Autoritarismus“

2. „Antikolonialismus“ und „Antiimperialismus“

3. Antifaschismus als Kriegsideologie

4. Feminismus als Kriegsideologie

5. Inszenierung und Ästhetisierung des imperialistischen Gemetzels

IV. Aufrüstung, Säbelrasseln und Krieg

1. Der Rüstungswettlauf

2. Atomare Aufrüstung, Manöver und Provokationen

3. Das Gemetzel in der Ukraine

4. Der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien

5. Der Krieg im Jemen

6. BürgerInnenkriege, Militärputsche und imperialistische Interventionen

V. Nationalistische Konflikte innerhalb von Staaten und besetzten Gebieten

1. Türkischer gegen kurdischen Nationalismus

2. Zionismus gegen palästinensischen Nationalismus

3. Marokko als Besatzer der Westsahara

4. Nationalistische Konflikte in Großbritannien

3. Nationalpazifismus

Das große Ideal des Pazifismus ist Frieden innerhalb und zwischen den Nationen. Der bürgerliche Frieden ist sowohl innerhalb der als auch zwischen den Staaten real nur die nichtmilitärische Form des Konkurrenzkampfes aller gegen alle, der in der Ökonomie der kapitalistischen Warenproduktion wurzelt, aber alle Poren dieser tollen Gesellschaft durchdringt.

Der Pazifismus will Frieden zwischen den Nationen, er ist also strukturell national. Er will Frieden innerhalb des Kapitalismus. Der Pazifismus ist zwanghaft prokapitalistisch. Er will friedliche Kooperationen zwischen den Staaten. Der Pazifismus ist prostaatlich. Er fordert die freiwillige Selbstabrüstung der Staaten und entwaffnet praktisch-geistig auf diese Weise das klassenkämpferische Weltproletariat. Denn es kann real nur eine mögliche Abrüstung geben – die weltrevolutionäre Zerschlagung aller Staatsapparate. Der Pazifismus nimmt an der Befriedung des Weltproletariats teil – und ist damit struktureller Teil des kapitalistischen Klassenkrieges.

Auch in den Ländern, in denen offiziell Frieden herrscht, schnauzen Bosse ihre Untergebene an, schlagen Ehemänner „ihre“ Frauen, während Ehefrauen einen Psychokrieg gegen „ihre“ Männer führen… Bürgerlicher Frieden ist kapitalistischer Krieg niederer Intensität. Er ist eine besondere Form des globalen Klassenkrieges der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat. Der bürgerliche Frieden innerhalb der und zwischen den Staaten bereitet den Krieg und der Krieg bereitet den Frieden vor. Er kann nicht mehr als Zwischenkrieg sein.

Der Pazifismus ist mit seinem Ideal des Weltfriedens innerhalb des globalen Kapitalismus – also innerhalb des permanenten kapitalistischen Weltkrieges – eine Form der utopischen Realpolitik. Ist der Krieg dann wieder mal konkret zwischen zwei Staaten/Staatenblöcken Tatsache, dann werden nicht selten utopische PazifistInnen zu realen imperialistischen KriegerInnen. So zum Beispiel in der BRD während des Stellvertreterkrieges zwischen der NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022. Der alte pazifistische Rockbarde Udo Lindenberg ist beispielsweise Feuer und Flamme für die bewaffnete Unterstützung des ukrainischen Nationalismus gegen Russland.

Und in der einstigen pazifistischen Linkspartei gibt es starke Kräfte für einen Frieden in der Ukraine – einem NATO-Siegfrieden gegen Russland nach diesem Stellvertreterkrieg. Oder in den Worten des ehemaligen Nationalpazifisten und heutigen proimperialistischen NATO-Kriegers Gregor Gysi: „Wer jetzt für Waffenlieferungen ist, der wird gerne als Kriegstreiber bezeichnet. Das finde ich falsch. Weil… die wollen ja auch einen Frieden – auf einem anderen Weg.“ (Gregor Gysi, Sprecher für Außenpolitik der Bundestagsfraktion Die Linke, zu Beginn der am 9. August 2023 veröffentlichten Folge des Podcasts Gysi gegen Guttenberg, zitiert nach der jungen Welt vom 10. August 2023, S. 4.)

Auf der anderen Seite standen die NationalpazifistInnen von der D„K“P und SDAJ seit Beginn des zweiten Kalten Krieges„kritisch“ oder kritiklos, verschämt oder offen auf der Seite des russländischen und chinesischen Imperialismus. Sie fordern einen Frieden zwischen den verfeindeten Imperialismen – und wenn es knallt, stehen sie mehr oder weniger offen auf der Seite Moskaus und Pekings.

Natürlich suchen sich nicht alle PazifistInnen in jedem imperialistischen Krieg offen ihre jeweilige Seite. Aber sie können eben immer nur Frieden zwischen den kapitalistischen Staaten als angebliche Alternative zu blutigen Gemetzeln anbieten. Sie halten Diplomatie als Alternative zum Liefern von Waffen oder gar das Losmarschieren lassen von Soldaten. Dass die DiplomatInnen von den gleichen Staaten finanziert werden, die auch die Aufrüstung oder die Kriege bezahlen, verunsichert sie dabei nicht. Die Diplomatie ist lediglich eine nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Hinter ihr steht das ganze ökonomische und militärische Erpressungspotenzial von politischen Gewaltapparaten.

Wenn Staaten ihre imperialistischen Interessen friedlich durchsetzen können – wunderbar. Aber wenn sie mit Diplomatie nicht weiterkommen und sie einen Krieg für nötig und möglich halten, dann werden sie ihn wahrscheinlich führen.

Auch das Völkerrecht, dass das Führen von Angriffskriegen gegen andere Staaten verbietet – und das bei PazifistInnen sehr hoch im Kurs steht –, hält die imperialistischen Staaten eben nicht von solchen ab. Das Völkerrecht ist mehr praktizierte Ideologie als ideologisierte Praxis. Um praktisch wirksamer zu sein, dürfte es nicht zwischenstaatliches Recht – was es real ist –, sondern müsste überstaatlich sein, also das Recht einer Art Weltregierung. Eine solche Weltregierung ist aber im globalen Kapitalismus aufgrund der Konkurrenz der Nationalismen nicht möglich. Und eine Weltregierung wäre auch eine Form der staatsförmigen Politik, also strukturell sozialreaktionär. Aber sie ist ja unmöglich.

Möglich und real ist nur das Völkerrecht als zwischenstaatliches Recht, was nicht wirklich ein Organ zu seiner Durchsetzung hat. Verkörpert ist das Völkerrecht in den Vereinten Nationen (UNO), einer übernationalen Organisation der Nationalismen und Imperialismen. Die UNO ist keine idyllische „Völkerfamilie“, sondern eine hierarchische Organisation der Nationalstaaten. Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates – China Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – beherrschen diese Organisation. Sie können mit ihrem Veto Umsetzungen von Mehrheitsbeschlüssen des Sicherheitsrates verhindern. Diese fünf Imperialismen, die die UNO beherrschen, sind auch keinesfalls zufällig alle Atomwaffenstaaten.

Übrigens sind nach dem Völkerrecht nicht alle Angriffskriege völkerrechtswidrig. Gemetzel, zu denen die UNO ihr Segen gegeben hat, sind völkerrechtlich legitimiert. Das trifft zum Beispiel auf den Koreakrieg (1950-1953) für die Seite des US-Imperialismus und den Golfkrieg unter Washingtons Führung 1991 gegen den Irak zu. Dagegen war beziehungsweise ist der NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 und der russländische Krieg gegen die Ukraine ab 2022 völkerrechtswidrig. Und, ändert das irgendetwas am Charakter des kapitalistischen Krieges?! Das Völkerrecht ist eine Patrone im Propagandakrieg: Der böse Feind missachtet das heilige Völkerrecht!

Fazit: Völkerrecht und UNO sind strukturell sozialreaktionär – genau wie der Pazifismus, der sich positiv auf diese bezieht. Für nicht wenige PazifistInnen ist der Fakt, dass bestimmte Gemetzel nicht im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, ihr Hauptargument gegen diese. Und nicht etwa der Fakt, dass bei ihnen das Leben und die Gesundheit der kleinbürgerlich-proletarischen Zivilbevölkerung erbarmungslos im zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf geopfert wird. Dasselbe geschieht selbstverständlich auch bei Gemetzeln, die völkerrechtlich in Ordnung gehen. Völkerrecht und UNO können und sollen als Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus also keine Kriege als militärische Formen des permanenten Konkurrenzkampfes der Nationen verhindern, sie schaffen nur einen Rahmen, in denen sie stattfinden.

Und in diesem Rahmen bleibt auch der Pazifismus – vor, während und nach bestimmten Kriegen. Vor dem Einmarsch der russländischen Armee in der Ukraine 2022 forderten nicht wenige NationalpazifistInnen in Deutschland, dass die NATO die Sicherheitsinteressen des Kremls ernst nehmen müsse. Die Sicherheitsinteressen des Kremls sind aber die Interessen des russländischen Nationalkapitals – eines strukturellen Klassenfeindes des Weltproletariats. Und die NATO verfolgt als imperialistisches Zweckbündnis ihre eigenen Interessen und nimmt die Interessen des russländischen Imperialismus als Hindernisse wahr – die es bei Vermeidung gewisser Risiken aus dem Weg zu räumen gilt. Mit Diplomatie ließen sich in der Ukraine die unterschiedlichen imperialistischen Interessen – Ostausdehnung von EU und NATO hier, dessen Verhinderung dort – nicht mehr ausbalancieren, also wird dort ein Stellvertreterkrieg auf Kosten des Weltproletariats geführt.

Proletarische RevolutionärInnen treten dafür ein, dass das globale Proletariat diesen Krieg und alle anderen Massaker sowie den bürgerlichen Frieden als deren Basis durch verschärften Klassenkampf und perspektivisch durch die revolutionäre Selbstaufhebung beendet (siehe Kapitel III.1 dieses Textes). Kleinbürgerliche PazifistInnen fordern, dass sich die regierenden Charaktermasken der kriegführenden Staaten – in diesem Fall des kollektiven Westens und Russlands – an einen Tisch setzen und das Gemetzel beenden. Damit es später und an einem anderen Ort weitergehen kann.

Hier als ein Beispiel für nationalpazifistische Realpolitik der Aufruf eines Bündnisses mehrerer friedenspolitischer Organisationen für einen Stopp des Krieges in der Ukraine: „Für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen soll es vom 18. September über den UN-Weltfriedenstag am 21. September bis zum 24. September 2023 bundesweit Antikriegsaktionen geben – ein Bündnis von mehr als zehn Friedens- und Menschenrechtsorganisationen ruft dazu auf.

Unter dem Motto ,Stoppt das Töten in der Ukraineʻ rufen die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation ATTAC, die internationale katholische Friedensbewegung Pax Christi, die Ärzt*innenorganisation IPPNW und zahlreiche weitere Gruppen der Friedens- und Menschenrechtsbewegung zu Antikriegsaktionen auf. Anlass ist der immer brutaler werdende Krieg gegen die Ukraine: ,Wir sehen mit Schrecken den hemmungslosen Einsatz immer weiterer, teilweise sogar international geächteter Waffentypen wie Streumunitionʻ, heißt es im Aufruf mir Blick auf die Debatte über Waffenlieferungen. Die Logik des Krieges müsse durchbrochen werden: ,Vor allem die Betroffenen, die zivilen Widerstand leisten und gewaltfreie Aktionen durchführen, die desertieren oder den Kriegsdienst verweigern, brauchen unsere Unterstützung.ʻ

Das Bündnis seht sich an der Seite der Menschen in der Ukraine, verurteilt den russischen Angriff klar und fordert Wladimir Putin zum Rückzug seines Militärs auf: ,Russland hat diesen Krieg begonnen. Russland kann ihn jederzeit beenden.ʻ Auch an die Öffentlichkeit in Deutschland richten sich Forderungen im Aufruf: ,Wir befürchten, dass der einseitige Fokus auf militärische Unterstützung in Deutschland den Blick auf wichtige zivile Handlungsoptionen verstellt. Dazu gehören humanitäre Hilfe, die Unterstützung von Verhandlungen über Schritte zu einem Waffenstillstand und die Vorbereitung für eine neue Friedensordnung in Europa.ʻ Es gelte ,der Gewalt so schnell wie möglich Einhalt zu gebietenʻ.

Das Bündnis ruft alle Friedensbewegten, die den Aufruf teilen, in der Woche vom 18. bis 24. September 2023 zu gewaltfreien und vielfältigen Protesten gegen den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, für das Durchbrechen der Gewaltspirale, für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen sowie gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung auf. Der 21. September 2023 – der UN-Weltfriedenstag – solle ein Tag des Waffenstillstandes und der Gewaltlosigkeit sein.“ (Zitiert nach: junge Welt vom 12./13. August 2023, S. 8.)

Hier haben wir den Nationalpazifismus deutlich als strukturellen Klassenfeind des Weltproletariats vor uns. Ein „Waffenstillstand“ der Kriegstreiber und eine idyllische „Gewaltlosigkeit“ im Weltkapitalismus werden gefordert, was nur das klassenkämpferische Proletariat entwaffnen kann. Genauso wie das Bekenntnis zur UNO als Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus. Außerdem stehen die vereinigten Kräfte des Nationalpazifismus an der Seite der klassenneutralen „Menschen in der Ukraine“. Zu denen gehören auch die regierenden Charaktermasken des Kiewer Regimes. Der Krieg wird einseitig nur als Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber eben nicht auch als Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine „verurteilt“. Diese NationalpazifistInnen stellen sich zwar nicht offen auf die Seite der NATO, aber sie lehnen genauso wenig mit klaren Worten die Bewaffnung des Kiewer Regimes und den Wirtschaftskrieg gegen Russland – der sich eindeutig gegen das Weltproletariat richtet – durch den kollektiven Westen ab. Sie bekämpfen eben nicht den deutschen Imperialismus, sondern „befürchten“ lediglich, „dass der einseitige Fokus auf militärische Unterstützung in Deutschland den Blick auf wichtige zivile Handlungsoptionen verstellt“. Dem deutschen Imperialismus friedlich dienen, dass ist das Motto des deutschen Nationalpazifismus! Und seine Friedensordnung kann nur Zwischenkrieg sein!

…..

Der antipolitische Kommunismus bekämpft den bürgerlichen Frieden als Quelle des kapitalistischen Krieges. Während die Gewerkschaftsapparate den proletarischen Klassenkampf zur „Tarifauseinandersetzung“ zu verniedlichen suchen, gibt die sozialrevolutionäre Antipolitik praktisch-geistige Impulse zu dessen Radikalisierung – zum kompromisslosen Klassenkrieg, der erst zu Ende ist, wenn alle kapitalistischen Staaten zerschlagen sind! Selbstverständlich ist eine Weltrevolution mit dem Risiko eines atomaren Overkills durch die kapitalistische Sozialreaktion verbunden. Aber dieses Risiko besteht auch ohne Weltrevolution. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dass der Versuch den Kapitalismus sozialrevolutionär aufzuheben nicht in einem atomaren Overkill ausartet. So ähnlich, wie ja auch die Atomwaffenmächte bis jetzt ihre imperialistischen Interessen wahrnehmen – auch in Form von Stellvertreterkriegen wie in der Ukraine –, ohne die gesamte Menschheit auszurotten.

Und außerdem: Eine siegreiche globale soziale Revolution ist zugleich auch die einzige realistische Möglichkeit einer atomaren Abrüstung. SozialrevolutionärInnen, lasst euch nicht von imperialistischen KriegerInnen und NationalpazifistInnen entwaffnen! Rüstet euch, proletarische RevolutionäInnen, für den kompromisslosen globalen Klassenkrieg zur Zerschlagung aller Nationen!

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Neue Broschüre: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://swiderstand.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritikdestrotzkismus/ Wed, 09 Aug 2023 10:48:31 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=657 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

Innerhalb des Privatkapitalismus betrieb und betreibt der Trotzkismus eine Politik des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus einschließlich von Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie und dem Marxismus-Leninismus. Besonders letzteres war selbstmörderisch. So war der Trotzkismus in Vietnam in den 1930er Jahren relativ stark. Doch er ging eine Einheitsfront mit den StalinistInnen ein. Letztere bauten in den 1940er Jahren die Guerillaorganisation Viet Minh auf, die auch blutig gegen TrotzkistInnen vorging.

Nach Trotzkis Ansicht hätte auch in Deutschland nur eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus die Machtübergabe an die Nazis verhindern können. Eine Einheitsfront aus jenen zwei bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten, die real arbeitsteilig-konkurrenzförmig die kampflose Kapitulation des Proletariats organisiert hatten?! Wirkliche RevolutionärInnen traten für den selbstorganisierten Klassenkampf – unabhängig von und gegen die Partei- und Gewerkschaftsapparate – gegen Weimarer Republik und Nazis ein. Aus revolutionärer Perspektive hätte der Faschismus in Deutschland nur verhindert werden können, wenn das Proletariat die Weimarer Republik vor der Machtübertragung an die Nazis revolutionär zerschlagen und damit die Voraussetzung für eine klassen- und staatenlosen Gemeinschaft geschaffen hätte. Sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteiapparate konnten und können nur den Kapitalismus in privater oder verstaatlichter Form reproduzieren.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Jahre 1933 hielt Trotzki die von Moskau geführte „Kommunistische“ Internationale nicht mehr für reformierbar. Er trat jetzt für den Aufbau einer „Vierten Internationale“ ein, die offiziell 1938 gegründet wurde und später in mehrere globalen trotzkistischen Zusammenschlüsse zerfiel. Heute ist der Trotzkismus in seinen Hauptströmungen stark sozialdemokratisiert. So wirken in Deutschland in der Partei Die Linke, die einige Bundesländer und Kommunen mitregiert, also zum Politpersonal der Bourgeoisie gehört, auch einige TrotzkistInnen mit. Auch die radikalere trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die die Anpassung anderer Trotzkismen an Die Linke scharf kritisiert, nimmt selbst am politischen Wahlzirkus teil. Bei parlamentarischen Wahlen sind ProletarierInnen nichts als Stimmvieh, die ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, ermächtigen zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Indem die SGP an Parlamentswahlen teilnimmt, hilft sie dabei das demokratische Regime in diesem Land zu reproduzieren, auch wenn sie keine Chance auf Parlamentsmandate hat.

Die meisten trotzkistischen Strömungen erzeugen zum Beispiel in der BRD Illusionen in die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die durch das Tarifvertragsgeschäft, das Sitzen ihrer FunktionärInnen in den Aufsichtsräten der Konzerne (Wirtschaftsdemokratie) sowie in den sozialpartnerschaftlich-reformistischen Betriebs- und Personalräten (Arbeitsdemokratie) tief in das deutsche Nationalkapital und in viele Einzelkapitale als Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung integriert sind. Zwar schimpfen die TrotzkistInnen auf die Gewerkschaftsbürokratie, doch erzeugen die meisten von ihnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit der Gewerkschaften. Ja, TrotzkistInnen übernehmen ehren- und gar hauptamtliche Funktionen in ihnen.

Antipolitische SozialrevolutionärInnen gehen von einem antagonistischen Klassengegensatz in den Gewerkschaften aus. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen bilden – und auf der anderen Seite die lohnabhängige Basis. Dieser Klassengegensatz entfaltet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Oft entwickelt sich in längeren, noch offiziell von den Gewerkschaften „geführten“ Arbeitsniederlegungen die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite. In wilden Streiks, die sich ohne oder gar gegen die Gewerkschaften entwickeln, kommt die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats klar zum Ausdruck. Sowohl auf informelle Weise als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees.

Gewerkschaftsfeindliche SozialrevolutionärInnen können in nichtrevolutionären Zeiten Mitglieder in Gewerkschaften sein. Sie dürfen aber keine Illusionen in deren sozialemanzipatorische und klassenkämpferische Reformierbarkeit schüren und keine ehren- oder gar hauptamtliche Funktionen in ihnen übernehmen. SozialrevolutionärInnen streben langfristig die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaften an.

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Neue Broschüre: Analyse und Kritik der Warenproduktion https://swiderstand.blackblogs.org/2023/07/26/neue-broschuere-analyse-und-kritik-der-warenproduktion/ Wed, 26 Jul 2023 22:26:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=642 Unsere neue Broschüre „Analyse und Kritik der Warenproduktion“ (ca. 139 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Gebrauchs-, Produktions- und Tauschwert

I. Gebrauchs- und Produktionswert – allgemeine Kategorien der menschlichen Produktion

1. Der Gebrauchswert

2. Der Produktionswert

II. Der Tauschwert – besondere Kategorie der Warenproduktion

1. Die Entwicklung des Tauschwertes mit der Produktion für den Austausch

2. Tausch- und Gebrauchswert in der Warenproduktion

3. Tausch- und Produktionswert in der Warenproduktion

4. Der Mehrwert – ein ganz besonderer Teil des kapitalistisch produzierten Tauschwertes

5. Das Dreiecksverhältnis Tausch-, Gebrauchs-, und Produktionswert in der Warenproduktion

III. Kritik der marxistischen Begriffsverwirrung

1. Keine klare Unterscheidung zwischen Produktions- und Tauschwert

2. Nicht Doppel-, sondern Dreifachcharakter der Ware

Warenproduktion

I. Kleinbürgerliche Warenproduktion und kapitalistischer Handel

1. Kleinbürgerlich-selbstproduktives Eigentum an den Produktionsmitteln

2. Die embryonale Ausbeutung von Lohnarbeit in der kleinbürgerlichen Warenproduktion

3. Kapitalistischer Waren- und Geldhandel.

II. Kapitalistische Warenproduktion

1. Von der kleinbürgerlichen zur kapitalistischen Warenproduktion

2. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Sklaverei

3. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Lohnarbeit

4. Die Krisendynamik der industriekapitalistischen Warenproduktion

Die Entwicklung des Geldes als Verselbständigung und Abstraktion des Tauschwertes

1. Der noch nicht verselbständigte Tauschwert beim Naturaltausch

2. Die Herausbildung des allgemein anerkannten Tauschmittels

3. Die Funktionen des Geldes

4. Produktions- und Tauschwert des Metallgeldes

5. Gold als Weltgeld

6. Die Emanzipation des Buch- und Papiergeldes gegenüber der metallischen Basis

Ware-Geld-Beziehungen als verdinglichte gesellschaftliche Verhältnisse

1. Freie Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

2. Warenästhetik

3. Geldfetischismus

Die politische Organisation der industriekapitalistischen Warenproduktion

1. Politische Macht und Ohnmacht der Bourgeoisie in der eurasischen Übergangsperiode zum Industriekapitalismus

2. Staatlich garantierte freie Marktsubjektivität

3. Wirtschaftlicher und politischer Liberalismus

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den demokratischen Staat

5. Die extreme Mitte, Rechts- und Linksreaktion

6. Staatsinterventionismus und (klein)bürgerlicher Konkurrenzindividualismus

7. Der Nationalismus der freien Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

8. Sozialökonomische Aspekte des Imperialismus

Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes?!

I. Die marxistische und anarchistische Reproduktion des Tauschwertes

1. Inkonsequenzen des klassischen Marxismus

2. Die marxistisch-leninistische Verstaatlichung der Warenproduktion

3. Der Trotzkismus als eine oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

4. Marktsozialismus

5. Die anarchistische Reproduktion der Warenproduktion

II. Die kommunistische Überwindung des Tauschwertes

1. Objektive Voraussetzung: ein großer Anteil des Weltproletariats an der globalen Bevölkerung

2. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes

3. Objektiv-subjektive Voraussetzung: revolutionäre Situationen

4. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionäre Klassenkampforganisation

5. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die antipolitische Zerschlagung des Staates

6. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel

7. Objektiv-subjektive Voraussetzung und Folge: die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft

III. Inkonsequenzen auf einem richtigen Weg

1. GIK, Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung

2. Guenther Sandleben, Gesellschaft nach dem Geld

Geldfetischismus

Die verdinglichte menschlich-gesellschaftliche Ware-Geld-Beziehung produziert notwendigerweise ein falsches Bewusstsein, den Geldfetischismus. Das tote Ding Geld bekommt in der Ideologie der Marktsubjekte – und auch ProletarierInnen sind als VermieterInnen ihrer Arbeitskraft und als KäuferInnen von Lebensmitteln kleinbürgerliche Marktsubjekte – eine lebendige Gestalt. Es bekommt Eigenschaften von lebendigen Menschen angedichtet. Dieser Geldfetischismus kommt auch in Alltagssprüchen zum Ausdruck. Zum Beispiel in diesem: „Geld regiert die Welt.“ Geld kann nicht regieren. Es sind kapitalistische GeldbesitzerInnen, die die Welt regieren, aber nicht das tote Ding Geld. Es ist der menschliche Besitz des Geldes, die Macht demonstriert. Die Macht, sich Arbeitskräfte zu mieten, Prostituierte sexuell zu benutzen oder sich Regierungsentscheidungen zu kaufen. Es sind die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in einer kapitalistischen Warengesellschaft, die dem toten Ding Geld eine solche Macht verleihen. Und auch kapitalistische GeldbesitzerInnen werden von der Ware-Geld-Beziehung und deren Krisen mehr beherrscht, als dass sie umgekehrt die Ware-Geld-Beziehung beherrschen.

„Geld muss arbeiten!“ lautet eine Weisheit der kapitalistischen Warenproduktion. Sie ist durch und durch falsches Bewusstsein, wie sie aber notwendigerweise von der verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Ware-Geld-Beziehung produziert wird. Geld kann nicht arbeiten. Es sind produktionsmittelbesitzende KleinbürgerInnen und Lohnabhängige, die materiell-praktisch Waren und warenförmige Dienstleistungen produzieren, deren Verkauf dann das Geld vermehrt. In der kapitalistischen Warenproduktion vermehren die ProletarierInnen durch ihre Lohnarbeit das Geld der Bourgeoisie. „Geld muss arbeiten“ lenkt von der Ausbeutung des proletarischen Menschen durch die menschlichen Produktionsmittel- und GeldbesitzerInnen ab. „Arbeitendes“ beziehungsweise „sich vermehrendes Geld“ ist die Umwandlung des Geldkapitals in menschliches produktives Kapital, das dann für die Bourgeoisie noch mehr Geld produziert. Die wirkliche Produktivität der LohnarbeiterInnen wird durch den Geldfetischismus zur scheinbaren Produktivität des Kapitals beziehungsweise der Bourgeoisie. Dies wird auch durch die Bezeichnung „kapitalistische WarenproduzentInnen“ für KapitalistInnen deutlich. Doch KapitalistInnen produzieren keine Waren, sondern lassen diese von ihren Lohnabhängigen produzieren und verkaufen. Der positive Geldfetischismus, der in dem Satz „Geld muss arbeiten“ so „wunderbar“ zum Ausdruck kommt, verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit.

Zum negativen Geldfetischismus neigen dagegen weltweit Millionen ProletarierInnen, die am Ende des Geldes noch so viel Monat übrighaben. Die nicht wissen, wie sie die wichtigsten Dinge bezahlen sollen und deshalb nachts nicht schlafen können. Viele fluchen dann laut oder leise: „Scheiß Geld!“. Doch es ist nicht das tote Ding Geld, was sie bedrückt, es sind die verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie dazu sozialökonomisch zwingen, ihre Arbeitskraft gegen Geld zu vermieten, um sich dafür dann die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Es ist die kapitalistische Produktionsweise, die die grenzenlose Vermehrung des Geldes zum Hauptzweck des ganzen Geschehens macht. Deren Tendenz dafür ProletarierInnen überauszubeuten, so dass deren biosoziale Reproduktion gefährdet ist. So dass diejenigen, die ganz viel Geld für die Bourgeoisie produzieren, in der Regel relativ – und nicht gerade selten auch absolut – wenig selbst davon haben. Der Fluch „Verdammtes Geld!“ lenkt von den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Warenproduktion nicht weniger ab wie der positive Geldfetischismus.

Der negative Geldfetischismus reagiert sich wütend und hasserfüllt am Geld ab, während die anderen politökonomischen Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft bejaht und begrüßt werden. So ist es bei vielen linken und rechten IdeologInnen gang und gebe die „Realwirtschaft“ – also die kapitalistische Warenproduktion – gegen die böse Finanz- und Bankenwelt auszuspielen. Als ob nicht die ganze „Realwirtschaft“ notwendig vom Ziel befeuert würde, das Geld grenzenlos zu vermehren. Wer zwischen Banken und der „Realwirtschaft“ als zwischen „böse“ und „gut“ unterscheidet, ist objektiv ein/e Demagoge/in.

Der negative Geldfetischismus wird von den untereinander konkurrierenden Marktsubjekten – einschließlich der ProletarierInnen – gegenseitig moralisierend als ethischer Überbau des Konkurrenzkampfes in Stellung gebracht. Die jeweils anderen denken nur an das Geld! So kann die sozialökonomische Tatsache, dass fast alle Menschen im Kapitalismus die verdinglichte Ware-Geld-Beziehung leben und gezwungenermaßen ihr Leben, Tun, Denken und Fühlen mehr oder weniger vom Geld bestimmt ist, ausgeblendet, von sich selbst als Marktsubjekt abgelenkt und moralisierend-gehässig auf die jeweils anderen gelenkt werden. Der negative Geldfetischismus verband sich mit dem Antijudaismus und richtete sich mörderisch-hasserfüllt gegen „die Geldjuden“. Die kleinbürgerliche und kapitalistische Warenproduktion badete sich in Judenblut, wodurch auch „arische“ KleinbürgerInnen und Bourgeois ihr Geld auf Kosten der jüdischen Konkurrenz vermehren konnten.

Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige „Rasse“. Hier ein Zitat von Hitler, welches das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.

Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“

Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte. Die eigene kleinbürgerliche Konzentration auf das Geld wurde auf die „anderen“, die Juden und Jüdinnen, projiziert und diese Objekte der eigenen Projektion fanatisch bekämpft. Nun ja, indem die Nazis 1933 von der Mehrheit der deutschen Bourgeoisie als ihre offiziellen Folterknechte und Mordbuben gemietet wurden, konnten nicht wenige Nazibonzen ihre Taschen mit Geld füllen. Durch die „Arisierung der deutschen Wirtschaft“ konnten „arische“ KapitalistInnen auf Kosten der enteigneten jüdischen Bourgeoisie ihr Geld vermehren. Negativer Geldfetischismus als Moment des Konkurrenzkampfes im Rahmen der Geldvermehrung.

…..

Der Wirtschaftsliberale Silvio Gesell hatte nichts gegen die kapitalistische Warenproduktion an sich, als negativer Geldfetischist reagierte er sich am zinstragenden Bankkapital ab. Als ArbeiterInnen galten ihm fast alle Klassen und Schichten der kapitalistischen Gesellschaft, von den KönigInnen bis zu den HilfsarbeiterInnen – nur die von Kapitalzinsen Lebenden galten ihm als SchmarotzerInnen. Das war die alte Gegenüberstellung des „produktiven“ Kapitals, das in der Industrie und im Handel angelegt war, gegen das „schmarotzende“ zinstragende Kapital. Diese Ideologie, die nicht nur von Gesell produziert wurde, unterschlägt, dass im Kapitalismus nur das Proletariat und das KleinbürgerInnentum produktiv sind. Erstere vermehrt durch dessen Arbeit das Kapital der Bourgeoisie. Der Zins, von dem einige Angehörige der Bourgeoisie leben, ist lediglich ein Teil des Mehrwertes, der durch die Ausbeutung des Proletariats entsteht. Auch unterschlug Gesell, dass es auch dem Industrie- und Handelskapital um die Vermehrung des Tauschwertes, also des Geldes, geht. Gießkannen, Panzer und pazifistische Bücher werden nur hergestellt, wenn ihre Produktion und Verkauf den KapitalistInnen mehr einbringen als das ganze kostet. Allerdings verband Gesell seinen negativen Geldfetischismus nicht mit dem Antijudaismus, er stellte also das zinstragende Kapital nicht als „jüdisches“ dar. Total reaktionär war seine Ideologie trotzdem, weil sie die Quelle des kapitalistischen Geldreichtums, die Ausbeutung des Proletariats im Produktionsprozess, verdunkelte. Gesell war also ein Freund der kapitalistischen Warenproduktion und ein negativer Geldfetischist. Er kam auf die Idee ein „Schwundgeld“ oder „Knochengeld“ zu schaffen, das Geld sollte also aus einem Material geschaffen werden, das seine Substanz verlieren würde und deshalb nicht gehortet werden könnte.

Auch der kommunistische Anarchist Erich Mühsam (siehe Kapitel I.5 der Schrift Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes) triftete teilweise in negativen Geldfetischismus ab. Er schrieb über die Geldtheorie von Gesell: „…seine Geldtheorie dagegen scheint berufen, nicht, wie er annahm das Wirtschaftsregulativ der freiheitlichen Gesellschaft zu werden, wohl aber das Übergangsverfahren vom kapitalistischen Währungssystem zum geldlosen Kommunismus zu ermöglichen.“ (Erich Mühsam, Ein Wegbahner. Nachruf zum Tode Gesells 1930, in: Klaus Schmitt (Hg.), Silvio Gesell. Marx der Anarchisten? Texte zur Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus und der Kinder und Mütter vom patriarchalischen Bodenunrecht,Karin Kramer Verlag, Berlin 1989, S. 297.) Der letzte Satz ist natürlich Unsinn. Mühsam zeigt sich hier als negativer Geldfetischist, der sich am Ding Geld abreagiert, anstatt darüber nachzudenken wie die verdinglichten Tauschverhältnisse der Warenproduktion, also die Ware-Geld-Beziehungen durch eine klassen- und staatenlose gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel aufgehoben werden kann (siehe Kapitel II.6 des Textes Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes).

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Inhalt

Einleitung

I. Der weltgeschichtliche Zusammenhang der damaligen Ereignisse in Oberschlesien

1. Die Vermehrung der Nationalkapitale

2. Die strukturelle Profitproduktionskrise (1913-1945)

3. Der reproduktive Klassenkampf

4. Das Deutsche Kaiserreich

5. Kurze Geschichte Oberschlesiens bis 1913

6. Der Parteimarxismus in Deutschland bis 1914

7. Der Erste Weltkrieg (1914-1918)

8. Revolution und Konterrevolution in Russland (1917-1921)

9. Die Ungarische „Räterepublik“

10. Die akute Phase der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland

11. Die Herausbildung des antipolitischen und antinationalen Kommunismus

II. Klassenauseinandersetzungen in Oberschlesien während des Ersten Weltkrieges

1. Arbeits- und Lebensbedingungen des Proletariats in Oberschlesien

2. Klassenkämpfe kurz vor dem imperialistischen Gemetzel

3. Klassenkämpfe während des imperialistischen Gemetzels

III. Die revolutionäre Nachkriegskrise in Oberschlesien

1. Die Novemberrevolution in Oberschlesien

2. Das oberschlesische Rätesystem

3. Der BergarbeiterInnenstreik vom November 1918

4. Die Herausbildung der KPD in Oberschlesien

5. Klassenauseinandersetzungen im Dezember 1918/Januar 1919

6. Deutscher Imperialismus, Oberschlesische Autonomiebewegung und polnischer Nationalismus

7. Die Märzkämpfe von 1919

8. Klassenkämpfe im April 1919

9. Der polnische Nationalismus im April 1919

10. Der 1. Mai 1919 in Oberschlesien

11. Streiks am 3. Mai

12. Oberschlesien in der imperialistischen Auseinandersetzung

13. Der Aufstandsversuch des polnischen Nationalismus im Juni 1919

14. Der Generalstreik vom 11. August 1919

15. Der Aufstand des polnischen Nationalismus

3. Der reproduktive Klassenkampf

Wie wir bereits im Kapitel I.2 erläuterten, entfaltet sich gegen die starke Tendenz des Kapitals zur Überausbeutung der LohnarbeiterInnen, die die biosoziale Reproduktion des Proletariats gefährdet, der Klassenkampf des letztgenannten. Dieser Klassenkampf wird im „Normalfall“ innerhalb von den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen geführt. Diese reproduktiven Grenzen des proletarischen Klassenkampfes sind zugleich seine sozialkonservativen Tendenzen. Diese entfalten sich jedoch nur relativ zu jenen, die den Kapitalismus modernisieren auf der einen und sozialrevolutionären Tendenzen auf der anderen Seite.

Der reproduktive Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat modernisiert den Kapitalismus. Im Kapitalismus werden Maschinen nur dann angewendet, wenn deren Preise niedriger sind als die Löhne der ArbeiterInnen, dessen Einsatz sie ersetzt. Erkämpft sich das Proletariat höhere Löhne, dann können Maschinen profitabel sein, die es davor noch nicht waren. Oder das Proletariat führt einen erfolgreichen Klassenkampf für kürzere Arbeitszeiten mit einem vollständigen Lohnausgleich. Dadurch sinkt die Mehrarbeitszeit, in der der Mehrwert produziert wird und damit die Mehrwertrate. Das Management der Einzelkapitale wird versuchen, die Arbeitszeit zu intensivieren. Also das in der kürzeren Zeit mindestens genauso viel Tausch- und Mehrwert produziert wird wie vor der Arbeitszeitverkürzung.

Die Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats sind während der zyklischen Aufschwünge innerhalb der Perioden der beschleunigten Vermehrung der Nationalkapitale (siehe Kapitel I.2) am günstigsten. In diesen Zeiten ist die Arbeitslosigkeit sehr niedrig und es herrscht eine relativ große Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Lohnabhängigen können hier also durch Streiks besonders günstig höhere Löhne und niedrigere Arbeitszeiten erkämpfen. Sowohl die Arbeitsniederlegungen als auch die erkämpften höheren Löhne und kürzeren Arbeitszeiten üben einen großen Druck auf die Mehrwertraten aus. Das klassenkämpferische Proletariat verschärft also unter den besten Bedingungen den tendenziellen Fall der Profitrate und siegt sich zu Tode. Gerät die nationale Kapitalvermehrung durch den tendenziellen Fall der Profitrate in die strukturelle Profitproduktionskrise – so wie in Westeuropa und in den USA 1913 sowie 1974 (siehe Kapitel I.2) – dann verschlechtern sich die Kampfbedingungen für das Proletariat wieder.

So war es zum Beispiel während der Zunahme und Radikalisierung des Klassenkampfes am Ende des privatkapitalistischen Aufschwunges nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1968 und 1973 – das proletarische 1968. Das klassenkämpferische Proletariat übte gewaltigen Druck auf die Mehrwert- und Profitraten aus und verschärfte damit die potenzielle Profitproduktionskrise. Als diese dann 1974 akut wurde, wurde es in Folge der „neoliberalen“ Gegenoffensive der westeuropäischen und nordamerikanischen Bourgeoisie zum Objekt einer sich verschärfenden Ausbeutung. Das klassenkämpferische Proletariat hatte sich „1968“ zu Tode gesiegt…

Die strukturelle Profitproduktionskrise ist durch eine tendenziell höhere Arbeitslosigkeit wesentlich ungünstiger für das klassenkämpferische Proletariat als die Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung. Allerdings kann die strukturelle Profitproduktionskrise auch zur Verschärfung und Radikalisierung des Klassenkampfes führen. Die militärische Führung des verschärften zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes in Form des Ersten Weltkrieges (siehe Kapitel I.7) – die auch eine Folge der strukturellen Profitproduktionskrise war – reduzierte am Anfang des imperialistischen Gemetzels den proletarischen Klassenkampf. Aber das große gegeneinander Abschlachten verstärkte auch das Elend des Proletariats und so nahm der Klassenkampf ab 1917 wieder zu und radikalisierte sich zur revolutionären Nachkriegskrise (siehe die Kapitel I.8 bis I.10). Doch die privat- und staatskapitalistische Konterrevolution („Sowjet“-Russland!) konnte die revolutionären Anläufe in Blut ersticken…

Durch ein Radikalisierungsprozess kann sich also der Klassenkampf zur Revolution zuspitzen. Schon der reproduktive Klassenkampf hat revolutionäre Tendenzen und Potenzen. Die ArbeiterInnen hören durch Streiks auf Mehrwert zu produzieren. Im frühen Industriekapitalismus waren Streiks und Gewerkschaften absolut verboten. Doch das spitzte den Klassenkampf nur noch mehr zu. So lernten große Teile der Weltbourgeoisie im sozialen Prozess, dass es unmöglich ist, in einer Klassengesellschaft den Klassenkampf absolut zu verbieten. Sie erlaubten Streiks unter bestimmten Bedingungen. Die Gewerkschaften wurden legalisiert und durch das Tarifvertragssystem in die Einzel- und Nationalkapitale integriert. Es entstanden große bürgerlich-bürokratische Gewerkschaftsapparate, die sich zu Co-Managerinnen von Kapital und Staat entwickelten. Die Gewerkschaften wurden zu Wachhunden des Kapitals gegen das klassenkämpferische Proletariat. Auf diese Weise mauerte das demokratische Streikrecht viel effektiver die reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes ein als ein absolutes Streikverbot.

Aber auch durch die Verrechtlichung und Einhegung des Klassenkampfes durch demokratisches Streikrecht, das Tarifvertragssystem und in die Einzel- und Nationalkapital integrierte Gewerkschaften entfalten sich weiterhin in und durch ihn sozialrevolutionäre Tendenzen und Potenzen. Die wichtigste revolutionäre Tendenz und Potenz ist die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Im „Normalfall“ der kapitalistischen Ausbeutung und der sozialstaatlichen Elendsverwaltung wird das Proletariat von Kapital und Staat fremdorganisiert. Nur im Klassenkampf kann sich das Proletariat selbst und gegen die totalitären Vermehrungsbedürfnisse des Kapitals für eigene Bedürfnisse und Interessen organisieren. Mit zunehmender Herausbildung bürgerlich-bürokratischer Gewerkschaftsapparate und deren Integration in Kapital und Staat richtet sich die klassenkämpferische Selbstorganisation notwendig auch gegen die hauptamtlichen Gewerkschaftsbonzen, die sozial nicht mehr zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Art von ManagerInnen bilden.

Bereits in längeren, offiziell noch von den Gewerkschaften kontrollieren Streiks, können sich Formen von Doppelherrschaft herausbilden. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate und auf der anderen die Strukturen der klassenkämpferischen Selbstorganisation der Basis, durchaus auch Untergrundstrukturen. Am stärksten entfaltet sich die klassenkämpferische Selbstorganisation bei wilden, gewerkschaftsunabhängigen Ausständen. Ist der gewerkschaftsunabhängige, selbstorganisierte Klassenkampf von kurzer Dauer und/oder sind nur wenige ArbeiterInnen in ihm aktiv, dann reicht oft dessen informelle Form. Dauert der wilde Streik jedoch länger an und/oder sind mehrere Belegschaften an ihm beteiligt, dann sind wahrscheinlich offizielle Organe, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig. So entwickelt sich bereits im reproduktiven Klassenkampf in Form der proletarischen Selbstorganisation die organisatorische Alternative zu den Gewerkschaftsapparaten. In der sozialen Revolution ist jedoch eine revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. So entfalteten sich in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (siehe die Kapitel I.8 bis I.10) die ArbeiterInnenräte als potenzielle Revolutionsorgane, die jedoch von der privat- und staatskapitalistischen Konterrevolution zerschlagen werden konnten…

Eine sehr revolutionäre Tendenz des reproduktiven Klassenkampfes ist auch die embryonale Errichtung der Diktatur des Proletariats. Diese ist keine Staatsform, wie der Marxismus behauptet (siehe Kapitel I.6), sondern der militante Kampf des Proletariats gegen Kapital und Staat. Im Normalfall ist das Proletariat sowohl im Produktionsprozess als auch in der Gesamtgesellschaft der Diktatur des Kapitals unterworfen. Politische Form der kapitalistischen Diktatur ist der bürgerliche Staat in allen seinen Formen – also auch in demokratischen. Schickt der Staat seine offiziellen Hooligans gegen Streikende, dann ist die militante Gegenwehr des Proletariats notwendig. Manchmal setzt sich diese Notwendigkeit in Form der Diktatur des Proletariats durch. Auch im Produktionsprozess setzten sich bereits im reproduktiven Klassenkampf vorübergehend Formen der proletarischen Diktatur in Form von Zwang und Gewalt gegen die großen Bosse, Abteilungsleiter und den Werkschutz durch. Während einer möglichen siegreichen Revolution erlebt die Diktatur des Proletariats notwendig ihren Höhepunkt, indem sie den kapitalistischen Staat zerschlägt und prozesshaft in eine klassen- und staatenlose Gesellschaft übergeht…

…..

Die proletarische Selbstorganisation entfaltet sich bereits im konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf. Dieser nimmt unzählige konkrete Formen an. Dabei nutzen die LohnarbeiterInnen die Lücken ihrer Kontrolle durch die Hierarchie von Chefs und Chefchens sowie von Überwachungstechnik aus. Sie machen illegal Pausen, bessern durch die Entwendung von kleineren Produktionsmitteln und Produkten während des Arbeits- und Ausbeutungsprozesses ihren Lohn auf, verüben Sabotage an den kapitalistischen Produktionsmitteln oder eignen sich diese produktiv und illegal an.

Wir wollen die revolutionären Tendenzen und Potenzen des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes an den Beispielen der Sabotage und produktiven Aneignung verdeutlichen. Bei der Sabotage zerstören die ProletarierInnen die kapitalistischen Produktionsmittel, die zugleich gegen die lohnabhängigen Menschen, Tiere und Pflanzen monströse Destruktivkräfte sind. Sowohl individuell als auch kollektiv, dabei einen technischen Defekt vortäuschend. Um während der Reparatur oder der Ersetzung des defekten Produktionsmittels mal ein wenig Ruhe zu haben. Die Sabotage hat starke revolutionäre Tendenzen. Der Arbeitsvertrag wird faktisch gebrochen, das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln praktisch nicht anerkannt. Anstatt mit den Produktionsmitteln des Kapitals fremden Reichtum zu vermehren, machen die Sabotage leistenden ProletarierInnen das kaputt, was sie kaputt macht. Allerdings nur für kurze Zeit. Bis zur Reparatur oder Ersetzung der kaputt gemachten Produktions- und Destruktionsmitteln. Das ist die reproduktive Grenze der Sabotage.

Bei der produktiven Aneignung nutzen die Lohnabhängigen, immer wenn der Chef nicht da ist oder wenn es Lücken in der technischen Überwachung gibt, die kapitalistischen Produktionsmittel, um für sich selbst Dinge herzustellen. Diese Form des konspirativ-illegalen Alltagsklassenklassenkampfes ist sowohl in noch handwerklich geprägten Branchen oder an modernen Computer-Arbeitsplätzen möglich. Zum Beispiel können in einer Tischlerei die Lohnabhängigen, immer wenn der Chef nicht da ist, Dinge für den eigenen Bedarf produzieren. Oder an modernen Computern kann der Angestellte ein Liebesgedicht für seine Freundin schreiben, anstatt langweilige Betriebsabrechnungen vorzunehmen. In beiden Fällen stellen die Produktionsmittel während der konspirativ-illegalen produktiven Aneignung faktisch kein gegenständliches produktives Kapital und die Lohnabhängigen kein menschliches produktives Kapital mehr da, obwohl sie es formal natürlich bleiben. Aber faktisch produzieren die Lohnabhängigen während der illegal-konspirativen produktiven Aneignung der Produktionsmittel kein Tausch- und Mehrwert für das Kapital, sondern stellen nützliche Dinge für sich selbst her.

Dass dies nur vorübergehend oder bei einer Verbesserung der Kontrolle der Lohnabhängigen beziehungsweise einer Verdichtung der Ausbeutung (Intensivierung der Arbeitszeit) gar nicht mehr geschehen kann, ist die reproduktive Grenze der produktiven Aneignung als einer Form des illegal-konspirativen Alltagsklassenkampfes. Sie kann nur überwunden werden, indem das Proletariat sich revolutionär selbst aufhebt, alle Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt, die Ware-Geld-Beziehung überwindet und den Staat zerschlägt.

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Inhalt

Einleitung

Allgemeine Betrachtung über die sozialreaktionäre kapitalistische Modernisierung
1. Die industriekapitalistische Produktionsweise
2. Die bürgerlichen Staaten und ihr Internationalismus
3. Bürgerliche Staatsformen und politische Parteien
4. Staatsinterventionismus
5. Imperialismus und nationale „Befreiung“ als Durchsetzungsformen des Weltkapitalismus
6. Reproduktiver Klassenkampf und Gewerkschaften
7. Der Parteimarxismus als kapitalistische Modernisierungsideologie
8. Kapitalistisches Patriarchat und bürgerliche Frauenemanzipation
9. Der nachmarxistische und nachanarchistische Kommunismus

Krieg und Frieden in Afghanistan
1. Afghanistan zwischen Britisch-Indien und Russland
2. Afghanistan nach dem Zweiten Weltkrieg
3. Der marxistisch-leninistische Staatsstreich
4. Die internationale Aufrüstung des Islamismus
5. Die Intervention des sowjetischen Imperialismus
6. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen
7. Der US-Imperialismus und Al-Qaida
8. Die westliche Besatzung von Afghanistan
9. Die sozialökonomische und politische Entwicklung in Afghanistan unter westlicher Besatzung
10. Die Taliban wieder an der Macht
11. Afghanistan im Zusammenhang des zweiten Kalten Krieges

Der Libanon in der Krise
1. Kurze Geschichte des Libanon
2. Die tiefe Krise des Libanon ab 2019
3. Die Explosion der organisierten Verantwortungslosigkeit
4. Die soziale Protestbewegung vom 17. Oktober 2019
5. Die langfristige sozialrevolutionäre Krisenlösung

Politische Machtkämpfe in Bolivien
1. Das linksreaktionäre Morales-Regime
2. Der rechtsreaktionäre Putsch
3. Das rechtsreaktionäre Regime
4. Der erneute Wahlsieg der Linksreaktion
5. Fazit

Die bürgerlichen Staaten und ihr Internationalismus

Der bürgerliche Staat ist im Privatkapitalismus (siehe zum Staatskapitalismus Kapitel 7) der ideelle Gesamtkapitalist, der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Er übt sowohl ein Geld- als auch ein Gewaltmonopol aus. Als politischer Gewaltapparat überführt er das Geld in seine Nationaluniform, die Währung. In der Europäischen Union (EU), einer imperialistischen Zweckgemeinschaft einiger Staaten dieses Kontinents, haben sich mehrere Länder auf die gemeinsame Währung des Euro, geeinigt. Die grenzenlos-expansive Vermehrung des Geldes in seiner jeweiligen Nationaluniform ist das oberste Staatsprogramm der politischen Gewaltapparate. Der bürgerliche Staat formiert die Einzelkapitale auf seinem Territorium zum gesellschaftlichen Gesamtkapital, zum Nationalkapital.
Das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates sorgt für inneren Frieden. Auch in Demokratien kümmern sich hochgerüstete Geheimdienste und Bullerei darum, dass das Staatsvolk, die Nation, friedlich bleibt. Die Nation ist ein Kunstprodukt kapitalistischer Politik. Sie ist eine lediglich indirekte Vergesellschaftung der untereinander konkurrierenden Marktsubjekte und der gegeneinander kämpfenden Klassen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – über Ware-Geld-Beziehungen und den politischen Gewaltapparat. Eine Nation ist eine scheinbare Gemeinschaft und ein gemeinschaftlicher Schein. Letzterer wird durch die Ideologie des Nationalismus erzeugt. Er produziert die Illusion, dass UnterdrückerInnen und Unterdrückte, AusbeuterInnen und Ausgebeutete, einer untrennbaren Schicksalsgemeinschaft angehören können. Nationen beruhen also nicht nur auf politische Gewalt – verkörpert im Nationalstaat –, sondern auch auf die ideologische Illusion einer Gemeinschaft. Die bürgerlichen Marktsubjekte – einschließlich der ProletarierInnen (siehe Kapitel 1) – fliehen aus der Kälte des Konkurrenzindividualismus in die scheinbare Wärme der Nation.
Viele kapitalistische Nationen berufen sich ideologisch auf dominierende Sprach- und Kulturgemeinschaften, zum Beispiel der Staat BRD auf die deutsche Sprache und Kultur. Die vorkapitalistisch entstandenen Sprach- und Kulturgemeinschaften sind jedoch nicht mit den kapitalistischen Nationen identisch. Besonders deutlich wird das bei Nationen, die ursprünglich aus ganz vielen unterschiedlichen Sprach- und Kulturgemeinschaften zusammengesetzt wurden, wie die US-amerikanische. Manchmal ist auch eine bestimmte Religion besonders eng mit bestimmten Sprach- und Kulturgruppen verbunden. Eine solche Rolle füllt zum Beispiel in Polen der Katholizismus aus. Oder der Hindunationalismus in Indien, der sich besonders aggressiv gegen die muslimische Minderheit im Land richtet. Gemeinsame Religion, Sprache und Kultur sollen die Menschen ideologisch verbinden, die sich als Marktsubjekte und unterschiedliche Klassen gegeneinander bekämpfen.
Und das gelingt auch in der Regel in relativ stabilen kapitalistischen Nationen – solange der Klassenkampf zwischen Kapital und Lohnarbeit reproduktiv (siehe Kapitel 6) und auch der Konkurrenzkampf zwischen den politischen Strömungen friedlich bleibt. Ist letzteres nicht mehr gewehrleistet, dann sind das staatliche Gewaltmonopol und die Einheit der Nation durch BürgerInnenkrieg gefährdet. Durch solche innerstaatlichen Gemetzel fühlen sich natürlich auch oft ausländische Staaten eingeladen, sich bewaffnet in die BürgerInnenkriege einzumischen. Wir werden das am Beispiel des afghanischen und libanesischen BürgerInnenkrieges ausführlicher beschreiben (siehe die Kapitel 3-9 des Textes Krieg und Frieden in Afghanistan sowie das Kapitel 1 der Schrift Der Libanon in der Krise).
Innerstaatlicher Frieden erfordert also ein praktisch durchgesetztes staatliches Gewaltmonopol. Es sichert, dass sich die StaatsbürgerInnen als Konkurrenzsubjekte legal nicht gegenseitig verprügeln und töten dürfen. Illegal machen sie das natürlich in einem gewissen Umfang. Der innere Frieden in kapitalistischen Staaten ist also gewissermaßen ein latenter BürgerInnenkrieg niederer Intensität. Legal zuschlagen und töten dürfen nur die offiziellen Hooligans des Staates, die Bullen, SoldatInnen und GeheimdienstlerInnen.
Der bürgerliche Staat ist Schiedsrichter des permanenten Konkurrenzkampfes der Einzelkapitale und der Marktsubjekte. In dieser Funktion als ideeller Gesamtkapitalist macht er den Einzelkapitalen und Konkurrenzindividuen Vorgaben, was sie im ständigen Gegeneinander tun dürfen und was nicht.
Als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung schützt er alle Eigentumsformen der Warenproduktion grundsätzlich gegen das eigentumslose Proletariat. Am Anfang illegalisierten auch demokratische Staaten den proletarischen Klassenkampf total. Inzwischen kontrollieren demokratische Staaten durch ein Streikrecht, ein Tarifvertragssystem und in die Nationalkapitale integrierte bürgerlich-bürokratische Gewerkschaftsapparate wesentlich besser und effektiver das klassenkämpferische Proletariat (siehe Kapitel 6).
Als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung nimmt der bürgerliche Staat auch direkt und indirekt an der Ausbeutung der Lohnarbeit teil. Besitzt der Staat industrielle Produktions-, Transport und Verkehrsmittel, mit und an denen LohnarbeiterInnen Mehrwert produzieren, den sich der politische Gewaltapparat aneignet, dann reden wir von Staatskapitalismus. Staatsbesitz an Aktien an oder von gesamten kapitalistischen Unternehmen ist institutionelles Eigentum. Nicht individuelle Personen besitzen Produktionsmittel oder Anteile an kapitalistischen Unternehmen, sondern der überpersönliche politische Gewaltapparat. Aber die regierenden BerufspolitikerInnen und das Management verstaatlichter kapitalistischer Unternehmen üben die EigentümerInnenfunktionen des Staates aus. Besitzt der politische Gewaltapparat nur eine Minderheit der industriellen Produktionsmittel beziehungsweise der Aktien, dann haben wir eine staatskapitalistische Tendenz innerhalb des Privatkapitalismus vor uns. Übt der Staat jedoch ein Eigentumsmonopol in der Industrie aus, dann ist dies Ausdruck einer staatskapitalistischen Produktionsweise (siehe Kapitel 7).
Neben den Mehrwert produzierenden ProletarierInnen in Staatsfirmen beutet der politische Gewaltapparat auch im Privatkapitalismus auch die Arbeitskraft von staatlich dienenden Lohnabhängigen aus. Letztere produzieren weder Tausch- noch Mehrwert, sondern Gebrauchswerte. Zum Beispiel vermitteln die LehrerInnen in staatlichen Schulen das jeweilige Wissen, was die Arbeitskräfte, Marktsubjekte und StaatsbürgerInnen in ihren Funktionen unbedingt benötigen. Oder die Bullen, die für den Staat für „innere Sicherheit“ sorgen. Diese staatlich dienenden Lohnabhängigen sind klassenmäßig von den regierenden BerufspolitikerInnen, die als ManagerInnen des Staates zur Bourgeoisie gehören, getrennt. Letztere halten die großen Reden und werden auch wesentlich besser bezahlt als die staatlich dienenden LohnarbeiterInnen, obwohl diese die eigentliche Arbeit verrichten. Darin besteht die Ausbeutung der staatlich dienenden Lohnabhängigen durch den politischen Gewaltapparat, auch wenn sie keinen Mehrwert produzieren, sondern aus dem staatlich angeeigneten Mehrwert bezahlt werden. Staatlich dienende Lohnabhängige werden vom dialektischen Widerspruch beherrscht, dass sie einerseits teilweise repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat vorgehen – zum Beispiel die Bullen – anderseits aber auch einen reproduktiven Klassenkampf um Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen gegen das regierende BerufspolitikerInnentum als Management des ideellen Gesamtkapitalisten führen.
Durch die Besteuerung seiner BürgerInnen eignet sich der bürgerliche Staat indirekt einen Teil des Mehrwertes an. Besteuert der politische Gewaltapparat den Geldlohn, dann lässt er faktisch Mehrwert für sich produzieren und realisieren. Bei der Besteuerung des Konsums der Lohnabhängigen verwandelt er einen Teil des Lohnes in staatlich angeeigneten Mehrwert. Die Steuern, die die Bourgeoisie – KapitalistInnen, ManagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen – zahlt, stellt eine Umverteilung des Mehrwertes an den politischen Gewaltapparat dar. Sowohl die besteuerten Gewinne der KapitalistInnen sowie die Gehälter der ManagerInnen, hohen BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen als auch die Steuern, die die Bourgeoisie auf ihren Konsum zahlt, haben die Lohnabhängigen erarbeitet. Die Lohnabhängigen werden also nicht nur als Steuerzahlende, sondern auch als SteuerproduzentInnen vom kapitalistischen Staat ausgebeutet. Die Steuern, die das produktions- und handelsmittelbesitzende KleinbürgerInnentum (KleinbäuerInnen, HandwerkerInnen, KleinhändlerInnen und FreiberuflerInnen) auf dessen Gewinn und Konsum zahlt, hat es sowohl teilweise selbst erarbeitet als auch stammt es zu einem anderen Teil aus dem Mehrwert, den die von ihm ausgebeuteten Lohnabhängigen produziert und realisiert haben.
Der politische Gewaltapparat verteilt den angeeigneten Mehrwert um. Ein Teil fließt als eine Art Soziallohn an die Lohnabhängigen zurück. Das sind die scheinbar kostenlosen beziehungsweise zwar gebührenpflichtigen, aber nicht kostendeckenden Dienstleistungen des Staates an die Lohnabhängigen, wie zum Beispiel der Schulunterricht auch für proletarische Kinder. Scheinbar kostenlos sind diese Dienstleistungen, weil die Lohnabhängigen sie ja in ihrer Funktion als Steuerzahlende und SteuerproduzentInnen erarbeitet haben. Teilweise bekommen auch nichtlohnarbeitende Schichten des Proletariats wie Erwerbslose und RentnerInnen als ehemalige LohnarbeiterInnen steuerfinanzierte staatliche Transferzahlungen. Zum Beispiel in Deutschland an Langzeitarbeitslose und staatliche Finanzflüsse an die gesetzliche Rentenversicherung. Ein anderer Teil der staatlichen Zahlungen an Erwerbslose und RentnerInnen stammt also in der BRD aus der gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Außerdem gibt es in Deutschland noch die Kranken-, die Pflege- und die Unfallversicherung. Bis auf die Unfallversicherung zahlen sowohl die Lohnarbeit anmietenden „ArbeitgeberInnen“ als auch die Lohnabhängigen Beiträge. Aber natürlich wurden auch die Beiträge der AusbeuterInnen an die gesetzlichen Sozialversicherungen von den Lohnabhängigen selbst erarbeitet. Der Soziallohn und die Transferzahlungen an die nichtlohnarbeitenden Schichten des Proletariats stellen nichts anderes als staatliche Elendsverwaltung und das Eingeständnis dar, dass der ausgezahlte Geldlohn nicht zur biosozialen Reproduktion des Proletariats bei allen möglichen Risiken des Daseins im Kapitalismus ausreicht. Große Teile der politischen Linken bekommen es fertig, den Sozialstaat für „fortschrittlich“ zu halten, obwohl er auf der sozialreaktionären kapitalistischen Ausbeutung von Lohnarbeit beruht.
Ein anderer Teil des staatlich angeeigneten Mehrwertes fließt als Subvention an das Privatkapital. Übrigens stellen Staatsaufträge an das Privatkapital keine Umverteilung des Mehrwertes, sondern die Umwandlung seiner Form dar. Der Staat eignet sich den Mehrwert in Form von Geld an. Kauft er jetzt bei privatkapitalistischen Rüstungsunternehmen Mordwerkzeug ein, dann hat er nun ein Mehrprodukt zum Tauschwert des von ihm bezahlten Preises. Bezahlt der politische Gewaltapparat aber einen viel höheren Preis für Rüstungsgüter, als die eigentlich wert sind, dann haben wir es mit einer versteckten Subvention zu tun. In hoch entwickelten kapitalistischen Industriestaaten entwickelte sich ein Militärisch-Industrieller Komplex aus Militär, Politik sowie privatkapitalistischen Rüstungs- und SöldnerInnenfirmen heraus. Der Militärisch-Industrielle Komplex ist ein Ausdruck des kapitalistischen Imperialismus. Unter modernem Imperialismus verstehen wir die ökonomische, politisch-diplomatische, propagandistisch-ideologische und militärisch-kriegerische Expansion sowohl von einzelnen Nationalkapitalen/-staaten als auch von Blöcken (zum Beispiel EU und NATO als kollektive Organe des westlichen Imperialismus).
Der Imperialismus ist eine aggressiv-expansive Form des bürgerlichen Internationalismus. Letzterer ist die globale Interaktion der Nationalkapitale und -staaten. Die globale Interaktion der Nationen beruht auf kooperativer Konkurrenz und konkurrenzförmiger Kooperation der Nationen. Sowohl der Frieden zwischen Staaten als nichtmilitärische Form der Konkurrenz als auch der Krieg sind Ausdrucksweisen des bürgerlichen Internationalismus. Der bürgerliche Frieden trägt in sich den imperialistischen Krieg wie die Wolke den Regen. Im Weltkapitalismus kann der Frieden nur Zwischenkrieg sein. Der Frieden bereitet den nächsten Krieg und der Krieg den nächsten Frieden vor. Ein Ausschluss des Krieges und eine kollektive freiwillige Abrüstung der kapitalistischen Staaten bei deren Weiterexistenz ist das größte Ideal des kleinbürgerlichen Pazifismus, welches jedoch an der Realität der zwischenstaatlichen Konkurrenz nur scheitern kann. Es gibt nur eine Möglichkeit der globalen Abrüstung der Staaten: ihre Zerschlagung durch die Weltrevolution und die Herausbildung einer klassen- und staatenlosen planetaren Solidargemeinschaft (siehe Kapitel 5 der Schrift Der Libanon in der Krise). Dieses Ziel stellt sich der sozialrevolutionäre Universalismus als Todfeind des bürgerlichen Nationalismus und Internationalismus.
Ökonomischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus ist der Welthandel und der produktive Kapitalexport (ausländische Direktinvestitionen). Politischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus und zugleich die Verkörperung der größten Ideale der Weltbourgeoisie, wie der Weltfrieden, die Menschenrechte und des Völkerrechtes stellen die Vereinten Nationen (UNO) dar. Bevor wir die UNO auseinandernehmen – vorerst leider nur theoretisch – wollen wir uns die drei genannten Ideale der Weltbourgeoisie etwas genauer ansehen. Die „Bewahrung des Weltfriedens“, welche sich die UNO auf ihre Fahnen schreibt, ist natürlich eine Fata Morgane der bürgerlichen Ideologieproduktion. Irgendwo auf dieser kapitalistisch-durchgeknallten Welt wird der Konkurrenzkampf immer militärisch ausgetragen. Und das, was nicht existieren kann, kann natürlich auch nicht bewahrt werden. In einer Zeit, wo die imperialistischen Staaten über Massenvernichtungswaffen verfügen, mit der sie die ganze Weltbevölkerung auslöschen können, ist die Verhinderung eines atomaren Overkills das Einzige, was bisher möglich war. Und diese Möglichkeit beruht einzig auf der Gewissheit, dass in einem direkten Krieg zwischen Atomwaffenstaaten derjenige, der als erster den Atomcolt zieht, als zweiter stirbt. Aber die indirekten Stellvertreterkriege gingen im ersten und zweiten Kalten Krieg munter weiter (siehe die Texte über Afghanistan und den Libanon).
Die Menschenrechte sind das größte Ideal der Weltbourgeoisie. Also schauen wir uns diese genauer an. Sie sind die ideologisierte Praxis der Staaten, nämlich festzulegen, welche Rechte ihre Insassen haben. Rechte sind staatlich anerkannte Bedürfnisse. Menschenrechte beruhen also auf dem staatlichen Gewaltmonopol. Nach dem Ideal haben alle Menschen in der kapitalistischen Internationale – die Gesamtheit der bürgerlichen Nationalstaaten – die gleichen Rechte. Was sie jedoch in der Geschichte nicht hatten. Am Anfang des Kapitalismus hatten Frauen zum Beispiel nicht die gleichen Rechte wie Männer. Und in den USA, die sich von Anfang an zu den Menschenrechten bekannten, wurden „schwarze“ Menschen sogar bis 1865 versklavt und auch später hatten sie lange nicht die gleichen Rechte wie „weiße“ StaatsbürgerInnen. Das Gleiche gilt für die amerikanischen UreinwohnerInnen, die massakriert, vertrieben und in Reservate interniert wurden.
Aber selbst, wo alle Menschen gemäß dem Ideal in einem bürgerlichen Staat die gleichen Rechte haben, dann kann das nur die rechtliche Gleichheit auf der Grundlage sozialer Ungleichheit sein. So haben in einem bürgerlichen Rechtsstaat alle Menschen das Recht kapitalistische Unternehmen zu gründen. Das ist die rechtliche Gleichheit. Die soziale Ungleichheit sorgt dafür, dass Bourgeois kapitalistische Unternehmen gründen und die ProletarierInnen in ihnen ausgebeutet werden. In Frankreich, wo die Bourgeoisie, als sie Ende des 18. Jahrhunderts an die politische Macht kam (siehe Kapitel 3), die heiligen Menschenrechte verkündete, verbot sie im Namen dieses heiligsten Ideals dem Proletariat jegliche Klassenkampforganisation. Damit sagte sie ganz unverblümt: Die Menschenrechte sind unvereinbar mit den Klasseninteressen des Proletariats. Heute sagt das die Bourgeoisie meistens nicht mehr so deutlich. Umso wichtiger ist es, dass diese Tatsache von proletarischen RevolutionärInnen unmissverständlich in der größten Klarheit ausgesprochen wird. Es ist unmöglich, eine Revolution gegen den Kapitalismus zu machen mit bürgerlichen Idealen im Kopf. Nur SozialdemokratInnen betteln bei der Bourgeoisie für Menschenrechte auch für ProletarierInnen. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats ist dagegen mit der praktizierten bürgerlichen Ideologie der Menschenrechte unvereinbar.
Aber für das politisierte KleinbürgerInnentum sowie für das sozialreformistische Bewusstsein des Proletariats stellen die Menschenrechte selbstverständlich auch das Heiligste des Heiligen dar. Es ist das ideale Maß, an der die Praxis des staatlichen Gewaltmonopols gemessen wird. Wie gesagt, die Menschenrechte sind die ideologisierte Praxis des staatlichen Gewaltmonopols. Globale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben dann auch nichts Grundsätzliches am Gewaltmonopol der bürgerlichen Staaten auszusetzen. Sie kritisieren lediglich die „unverhältnismäßige“ Gewalt der offiziellen Hooligans des Staates, wobei sie zu Vertreterinnen eines gesunden Verhältnisses staatlicher Gewalt werden. Was es natürlich nur in der Ideologie geben kann. So fordern die menschenrechtsbewegten KleinbürgerInnen immer von den repressiven Staatsorganen, deren Job es ist, Menschen im Auftrag des Staates zu verletzen und zu töten, doch bitteschön die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben einzuhalten. Ein Fulltimejob in einer kapitalistischen Konkurrenz- und Klassengesellschaft, in der sich die Menschen permanent verletzen und töten. Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Leben gilt in der Ideologie universal, indem es praktisch permanent nicht gilt. Das Verletzen von Menschen ist im Kapitalismus Alltag, das Verletzen von Menschenrechten dagegen ein schweres Verbrechen. Das einzige Menschenrecht, was wirklich praktisch universell gilt, ist das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln, welches in der Praxis das Recht ist, eigentumslose proletarische Menschen auszubeuten. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Eine soziale Revolution ist auch eine gegen die Menschenrechte als ideologisierte Praxis und praktizierte Ideologie des Kapitalismus!
Indem das höchste Organ des bürgerlichen Internationalismus, die UNO, sich zu der weltweiten Geltung der Menschenrechte bekennt, ist sie ein Subjekt des Menschenrechtsimperialismus. Sie ist berechtigt, sich im Namen der Menschenrechte in die Nationalstaaten einzumischen und diese wegen Verletzung dieses heiligsten Ideals zu kritisieren. Dieses Recht maßt sich auch der westliche Menschenrechtsimperialismus an. Da die Menschenrechte universell sind, sind auch nach westlichen IdeologInnen EU und NATO für deren globalen Durchsetzung zuständig. So formulierte die Außenministerin des deutschen Imperialismus, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), zum Beispiel: „Das ist doch die Stärke der Menschenrechte: Unteilbarkeit, egal an welchen Fleckchen der Welt man lebt.“ (Zitiert nach junge Welt vom 2. Juni 2022, S. 4). Menschen, ihr seid arme Schweine! Egal, wo ihr lebt, den Baerböcken (m/w/d) des
westlichen Menschenrechtsimperialismus werdet ihr nicht entkommen!
Indem imperialistische Staaten sich für die Menschenrechte in anderen Nationen zuständig fühlen, dehnen sie das, was sie im eigenen nationalen Laden gewohnheitsmäßig tun, nämlich die Rechte ihrer BürgerInnen durch ihren politischen Gewaltapparat zu bestimmen, auch auf das konkurrierende Ausland aus. Sie stellen fest, dass andere Staaten die universellen Menschenrechte ihrer StaatsbürgerInnen nicht anerkennen und interpretieren das als Recht, sich im Namen des heiligsten Ideals des Globus in die inneren Angelegenheiten der betreffenden Nationen einzumischen. Dies kann sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Sind die Beziehungen zu einem Staat eher kooperativ, dann kann die Aufforderung der westlich-imperialistischen MenschenrechtsfreundInnen an andere Nationen, doch bitte schön die Menschenrechte einzuhalten, in einem Nebensatz untergebracht werden. Überwiegt aber die Konkurrenz, wie zum Beispiel im Verhältnis des kollektiven Westens zu Russland und China im zweiten Kalten Krieg, dann kann eine richtige aggressive Kampagne im Namen der Menschenrechte geführt werden. Dies ist dann nichts anderes als propagandistisch-ideologischer Imperialismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen sowohl den westlichen Menschenrechtsimperialismus als auch die inneren Zustände in Russland und China, so wie in allen Staaten der kapitalistischen Internationale. Letzteres selbstverständlich nicht im Namen der Menschenrechte, sondern aus einem sozialrevolutionären Universalismus heraus.
Außerdem ist die UNO auch eine Verkörperung des Völkerrechtes. Was ist das Völkerrecht? Nun, die „Völker“ sind die klassengespaltenen Insassen der bürgerlichen Staaten. Nach der bürgerlichen Ideologie sind die „Völker“ die Subjekte des Staates. Das ist natürlich Unsinn. Bürgerliche Staaten sind nicht der politische Ausdruck der klassenneutralen „Völker“, sondern der politische Gewaltapparat der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Das Völkerrecht ist also das Recht der Staaten. Ein Recht, was in der Ideologie über ihnen stehen soll. Damit ist das Völkerrecht mehr praktizierte Ideologie als ideologisierte Praxis. Denn damit das Völkerrecht wirklich materiell durchgesetztes Recht werden kann, muss es eine Weltregierung geben, die das erstgenannte auch global in allen Staaten durchsetzen kann. Eine solche Weltregierung kann es nicht geben, die zwischenstaatliche Konkurrenz macht sie zur Unmöglichkeit. Es gibt nur die UNO als eine Organisation des Internationalismus der Nationalstaaten.
Eines der wichtigsten Prinzipien des Völkerrechtes ist zum Beispiel das Verbot von Führen von Angriffskriegen, es sei denn die UNO hat diese ermächtigt. Dieses Verbot hindert die imperialistischen Staaten nicht daran, Angriffskriege gegen andere Nationen zu führen. Zum Beispiel der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien 1999 oder die Invasion Russlands in der Ukraine im Jahre 2022. Beide imperialistische Aggressionen wurden nicht von der UNO gedeckt, waren also völkerrechtswidrig. Das Völkerecht ist eine Patrone des propagandistisch-ideologischen Imperialismus. Als die NATO 1999 gegen Jugoslawien Krieg führte, war das Völkerrecht eine Waffe des Kremls, der die Aggression des kollektiven Westens ablehnte. 2022, als russische Truppen in der Ukraine einfielen, verurteilte dies der westliche Imperialismus als völkerrechtswidrig. Und bewaffnete den ukrainischen Nationalismus, der natürlich wie alle Nationalismen sozialreaktionär ist. Dadurch führten NATO und EU einen indirekten Stellvertreterkrieg gegen den russischen Imperialismus, der durch einen Wirtschaftskrieg ergänzt wurde. SozialrevolutionärInnen müssen Russland, den ukrainischen Nationalismus und EU/NATO als Kriegstreiber kompromisslos bekämpfen
Das Völkerrecht als bürgerliches Ideal interessiert uns nicht die Bohne. Wir bekämpfen die imperialistischen Kriege, weil in ihnen das Leben und die Gesundheit der kleinbürgerlichen/proletarischen Zivilbevölkerung für kapitalistische und politische Interessen geopfert werden. Mit dem Völkerrecht unter dem Arm lassen sich keine imperialistischen Kriege bekämpfen – aber rechtfertigen. So gingen die Kriege des US-Imperialismus gegen Nordkorea (1950-1953) – nachdem dieser Staat zuerst Südkorea angegriffen hatte – und gegen den Irak 1991, zuvor hatte im August 1990 das irakische Regime Kuwait annektiert, völkerrechtlich voll in Ordnung, weil die UNO zu diesen Gemetzeln ermächtigt hatte. Das Gleiche gilt für die Besatzung Afghanistans durch den westlichen Imperialismus von 2001 bis 2021 (siehe Kapitel 8 der Schrift Krieg und Frieden in Afghanistan).
Die UNO ist als höchste Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus alles andere als eine idyllische „Völkerfamilie“. Sie ist hierarchisch gegliedert. In ihr geben die stärksten Imperialismen den Ton an. Macht kommt auch in der UNO aus der Atombombe. So sind die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – die übrigens mit einem Vetorecht ausgestattet sind und auf diese Weise Beschlüsse der UNO gegen ihre Interessen verhindern können – die Atomwaffenmächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Die UNO war und ist – besonders während der zwei Kalten Kriege – ein Austragungsort unterschiedlicher imperialistischer Interessen. Außerdem ist sie so etwas wie ein internationales Sozialamt, die das Elend des Weltkapitalismus ein wenig eindämmt und verwaltet.

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Klassenkampf gegen den Krieg! https://swiderstand.blackblogs.org/2022/04/08/klassenkampf-gegen-den-krieg/ https://swiderstand.blackblogs.org/2022/04/08/klassenkampf-gegen-den-krieg/#respond Fri, 08 Apr 2022 20:49:40 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=180 In der nächsten Zeit bringen wir die Broschüre „Krieg und Frieden in der kapitalistischen Internationale“ heraus. Darin nehmen wir auch Stellung zum Gemetzel in der Ukraine. Wir bekämpfen kompromisslos alle KriegstreiberInnen, den russischen und den westlichen Imperialismus sowie den ukrainischen Nationalismus. Diese Broschüre kann bei uns vorbestellt werden. Wir veröffentlichen vorab folgendes Kapitel aus dieser Schrift.

Januarstreik in Berlin: Vom 28. Januar bis 1. Februar 1918 streikten 400 000 MetallarbeiterInnen gegen den Krieg

In imperialistischen Kriegen ist es für SozialrevolutionärInnen eine absolute Pflicht, dass zu sagen, was notwendig ist, auch wenn es noch nicht zur materiellen Gewalt werden kann. Beim BürgerInnen- und imperialistischen Krieg in der Ukraine als auch bei der extremen Zuspitzung des Kalten Krieges zwischen Russland und der EU/NATO ist ein unbefristeter branchenübergreifender Massenstreik in allen am Konflikt beteiligten Ländern notwendig, gegen den Krieg, die Aufrüstung und die Wirtschaftssanktionen. Da ein solcher Klassenkampf gegen die imperialistischen Interessen der Nationalstaaten gerichtet ist, wird er selbstverständlich nicht von den in diese mehr oder weniger integrierten bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten organisiert. Ein branchen- und länderübergreifender Massenstreik gegen den heißen Krieg in der Ukraine als Teil des Kalten Krieges zwischen dem westlichen und dem östlichen Imperialismus erfordert also ein sehr hohes Niveau der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats und würde starke sozialrevolutionäre Potenzen haben.
Nur etwas radikalere Gewerkschaften wie in Italien die USB mobilisierte die Lohnabhängigen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Immerhin verhinderte das klassenkämpferische Proletariat Italiens die Aufrüstung des ukrainischen Nationalismus über Pisa, wie Gerhard Feldbauer am 18. März 2022 berichtete: „Die Arbeiter des Flughafens Galileo Galilei von Pisa haben sich in den vergangenen Tagen geweigert, als ,humanitäre Hilfe‘ getarnte Waffen für die Ukraine zu verladen. Dies teilte die Unione Syndacale Di Base (USB) am Mittwoch (16. März 2022) auf ihrer Website mit. Demnach hätten sie entdeckt, dass in den Kisten Waffen verschiedener Art, Munition und Sprengstoff lagerten. ,Wir verurteilen aufs Schärfste diese Fälschung, die zynisch den Deckmantel des ,Humanitären‘ benutzt, um den Krieg in der Ukraine weiter anzuheizen‘, heißt es. Die Flughafenleitung wurde aufgefordert, ,die als ,humanitäre‘ Hilfe getarnten Todesflüge sofort einzustellen‘. Für Sonnabend (19. März 2022) wird zu einer Demonstration unter dem Motto ,Von der Toskana sollen Brücken des Friedens statt Kriegsflüge ausgehen‘ in Pisa aufgerufen. Die USB Porto Livorno solidarisierte sich und sagte ihre Teilnahme zu: ,Wir werden alle auf dem Platz gegen den Krieg sein.‘
Das linke Onlinemagazin Contropiano enthüllte am Mittwoch (16. März 2022), dass es sich in Pisa um eine als ,Fracht B-737‘ deklarierte Lieferung einer von der NATO unterhaltenen Fluggesellschaft für den Transport von Kriegsmaterial gehandelt habe. Die Waffenlieferungen leite General Paolo Figiuolo vom Einsatzführungskommando der italienischen Streitkräfte (COVI). Der Leiter der Flughäfen in der Toskana, Marco Carrai, erklärte inzwischen laut der Nachrichtenagentur ANSA vom Mittwoch (16. März 2022), Waffentransporte würden von Pisa aus ,nicht mehr stattfinden‘. USB-Vertreter sagten, sie würden das überprüfen.
Die Tageszeitung Manifesto berichtete am Mittwoch (16. März 2022), es gehe bei dem Flughafen von Pisa um eine ,regelrechte internationale Militärluftbrücke zum Stützpunkt Rzeszow in Ostpolen, wo seit Anfang Februar ein US-Logistikkommando tätig ist‘. Außerdem, so das linke Blatt, werde neben Pisa ,auch der Airoporto Mario de Bernardi vom Pomezia bei Rom, einer der größten Militärflughäfen in Europa‘, dazu benutzt.“ (Gerhard Feldbauer, Italien heizt Krieg an, in: junge Welt vom 18. März 2022, S. 9.)
Trotz ideologischer Reproduktion des kleinbürgerlichen Pazifismus: Die ArbeiterInnen des Flughafens Galileo Galilei gaben dem Weltproletariat ein Beispiel, wie das kapitalistische Gemetzel zu beenden ist. In der vierten Märzwoche 2022 organisierte die USB einen 24stündigen Streik der HafenarbeiterInnen in Genua, um gegen die Verladung von Waffen zu protestieren, die in die ganze Welt exportiert wurden. Wie gesagt, ein wirklicher Massenstreik gegen den Krieg in Russland, der Ukraine und in allen NATO-Staaten würde starke sozialrevolutionäre Tendenzen haben und auch die Führung etwas radikalerer Gewerkschaften wie der USB, die selbstverständlich nur Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes sein können, in Frage stellen und die Herausbildung einer revolutionären Klassenkampforganisation würde notwendig werden.
Weiterhin erfordert es Massendesertationen aus den Streitkräften Russlands, der Ukraine und der NATO-Staaten. Verschwisterungen an der Front und Rebellionen innerhalb der Armeen. Die SoldatInnen müssen in allen Konfliktparteien die Gewehre umdrehen auf ihre Befehlshierarchie, um nicht zu TäterInnen und Opfern eines innerkapitalistisch-zwischenstaatlichen Massakers zu werden – sondern potenziell zu bewaffneten Organen der sozialen Revolution.
Solange die klassenkämpferisch-sozialrevolutionäre Antwort der Mehrheit des Proletariats auf den imperialistischen Krieg ausbleibt, müssen proletarische RevolutionärInnen alles tun, um der Spaltung der globalen Klasse durch das Weltkapital entgegenzuwirken. Heiße Klassensolidarität mit all jenen SoldatInnen, die innerhalb der russischen und ukrainischen Streitkräfte desertierten, um nicht zu TäterInnen und Opfern des imperialistischen Krieges zu werden! Eine tiefe Verbundenheit mit den kleinbürgerlichen und proletarischen ZivilistInnen der Ukraine, die sich gegen die Übergriffe des russländischen Imperialismus und des ukrainischen Nationalismus zu Wehr setzen mussten! Gegen die nationalistische Hetze aller Seiten müssen proletarische RevolutionärInnen die Notwendigkeit der klassenkämpferischen Einheit gegen das Weltkapital betonen. Damit das Weltproletariat sich vielleicht irgendwann einmal aufbäumt gegen dessen Funktion, Manövriermasse der kapitalistischen Internationale zu sein.

…..

Der Klassenkampf in Deutschland zeigt, dass auch die deutsche Nation ein realer Schein und eine scheinbare Realität ist. Doch nur wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen in diesem Land und weltweit sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert, kann der deutsche Nationalismus total zerschlagen werden. Noch ist der deutsche Nationalismus in all seinen politischen Strömungen fast allmächtig, noch kann er das multikulturelle und multiethische Proletariat in diesem Land spalten und als Manövriermasse für den globalen Konkurrenzkampf – den friedlichen und den kriegerischen – benutzen.
Der deutsche Nationalismus spaltet nicht allein das Proletariat in diesem Land. Auch die Nationalismen der geflüchteten ProletarierInnen und lohnabhängigen ArbeitsmigrantInnen spalten das multiethische Proletariat in Deutschland. In diesem Land gibt es ProletarierInnen aus der Ukraine und aus Russland, die sich mehr oder weniger mit ihrem Herkunftsland identifizieren. Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und den indirekten Krieg, den die BRD gegen Russland führt, wird das Proletariat in Deutschland durch den deutschen, ukrainischen und russischen Nationalismus extrem gespalten. Dieser Spaltung kann auch in diesem Land nur ein Massenstreik gegen den imperialistischen Krieg entgegenwirken. Doch ein solcher Massenstreik entspricht nicht der Reife des proletarischen Klassenkampfes in diesem Land. Er muss auch das Streikmonopol des DGB brechen, der eindeutig auf der Seite des deutschen Imperialismus steht. Mal abgesehen davon, dass in der BRD „politische“ Streiks verboten sind – doch das klassenkämpferische Proletariat bricht, wenn es massenhaft und kollektiv-solidarisch auftritt, solche staatlichen Verbote wie kleine Söckchen.
Die deutschen Gewerkschaftsführungen unterstützen auch das imperialistische Gemetzel im Ersten Weltkrieg – und doch entwickelten sich Streiks gegen das Massaker und die Novemberrevolution beendete es schließlich. Aber das Proletariat war damals mehrheitlich noch nicht bewusst revolutionär. So siegte in Deutschland zuerst die konterrevolutionäre kapitalistische Demokratie und dann der Faschismus, der den Zweiten Weltkrieg extrem massenmörderisch führte. Und auch die heutige deutsche Demokratie führt wieder Kriege – direkte und indirekte. Noch ist Deutschland kein direkter Kriegsschauplatz und es sterben auch noch nicht massenhaft deutsche SoldatInnen an fremden Kriegsorten. Deshalb ist auch der proletarische Klassenkampf gegen den deutschen Imperialismus absolut gering. Und weil sich das Weltproletariat noch nicht als wirkliche kollektive Solidar- und Kampfgemeinschaft gegen die Weltbourgeoisie herausentwickelt hat, kann es nationalistisch – auch in der BRD – gespalten werden.
Aber: In diesem Land sind „deutsche“, „russische“ und „ukrainische“ LohnarbeiterInnen Teil von verschiedenen Belegschaften. Wenn sie auch nur verdammt selten über den imperialistischen Krieg in der Ukraine einer Meinung sind, sind sie doch alle Objekte der kapitalistischen Ausbeutung. Selbst ein reproduktiver Klassenkampf für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten beziehungsweise gegen die kapitalistischen Angriffe, um die Ausbeutung zu verstärken, erfordert notwendigerweise die Einheit der Belegschaften über alle nationalistischen Spaltungslinien hinweg. Auf diese Notwendigkeit müssen sich proletarische RevolutionärInnen in diesem Land stützen, um der nationalistischen Spaltung innerhalb der Klasse entgegenzuwirken.
Auf unsere geflüchteten Klassengeschwister aus der Ukraine richtete sich sofort der gierige Blick der legalen und illegalen GeschäftemacherInnen, wie auch aus folgendem Artikel von Ralf Wurzbacher hervorgeht: „Wo viel Leid und Not herrschen, gibt es immer auch Menschen, die diese für ihre Zwecke ausnutzen. Angesichts der großen Zahl an Geflüchteten aus der Ukrai­ne weisen Staatsschutz und Verbände auf die Gefahr von Ausbeutung und Zwangsprostitution hin. So warnt die Bundespolizei vor unseriösen Hilfsangeboten für ukrainische Frauen und Kinder, denen speziell in Berlin von zumeist älteren Männern ein Platz zum Wohnen und Übernachten offeriert wird. Mitunter würden sie mit Geld gelockt. Man kontrolliere die Verdächtigen, für Festnahmen fehlten aber oft entsprechende Beweise, zitierte die Berliner Morgenpost am Donnerstag (10. März 2022) eine Behördensprecherin.
Alarmiert ist man auch bei der Beratungsstelle ,Jadwiga‘, die Opfer von Menschenhandel betreut. Anders als 2015 kämen derzeit vorwiegend Frauen mit Kindern in Deutschland an, gab der Evangelische Pressedienst (epd) am Donnerstag (10. März 2022) Leiterin Monika Cissek-Evans wieder. ,Die Frauen müssen auf ihren Pass und ihr Telefon aufpassen, Namen und Adresse von Gastgebern notieren und auch Frauen nicht blind vertrauen‘ – denn: Menschenhändler seien nicht nur Männer.
Weibliche Geflüchtete dürften für windige Geschäftemacher aus dem Gesundheitssektor besonders im Fokus stehen. Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) rechnet damit, dass bei Umsetzung der auf EU-Ebene erlassenen ,Massenzustromrichtlinie‘ eine Vielzahl von ukrainischen Arbeitskräften für einen Bruchteil des Lohnes zum Einsatz kommen wird, den derzeit andere Osteuropäerinnen aus der EU erhalten. Mit der Neuregelung sollen Geflohene aus der Ukraine für bis zu drei Jahre in der EU einen Schutzstatus sowie Zugang zur Krankenversicherung und zum Arbeitsmarkt erhalten. ,Bis zu 300.000 Ukrainerinnen werden schätzungsweise für die Hälfte des Honorars arbeiten und alle Bedingungen ertragen, um ihre Familien zu ernähren‘, äußerte sich der VHBP-Vorstandsvorsitzende, Daniel Schlör, gegenüber dem ARD-Magazin ,Report Mainz‘.
Begehrt sind Migrantinnen vor allem im Bereich der 24-Stunden-Pflege. Dabei kümmern sie sich rund um die Uhr um kranke und altersschwache Menschen. Das Entgelt dabei ist oft kümmerlich. ,Report Mainz‘ schilderte den Fall einer Ukrainerin, die ihr Zuhause schon vor längerer Zeit aus Verzweiflung verlassen hatte und in Deutschland ohne Visum und Arbeitserlaubnis einen schwer pflegebedürftigen Mann bei Tag und Nacht für einen Nettolohn von 900 Euro monatlich versorgt. Die beauftragte Vermittlungsagentur stellt der Familie dagegen 2.370 Euro in Rechnung. Laut Gregor Thüsing, Arbeitsrechtler der Universität Bonn, ist die Bezahlung sittenwidrig, was ,aus gutem Grund‘ in Deutschland verboten sei, wie er gegenüber dem Politmagazin erklärte. ,Für mich ist das ganz klar Ausbeutung‘, befand VHBP-Chef Schlör.
Justyna Oblacewicz von ,Faire Mobilität‘, einem Beratungsnetzwerk des Deutschen Gewerkschaftsbunds, hat Kenntnis von Anzeigen aus dem Internet, mit denen ukrainische Flüchtlinge als vermutlich ,scheinselbständige‘ Betreuungskräfte angeworben würden. ,Die Offerten umfassen eine Unterkunft in Polen, von wo aus die in aller Regel ausländischen Vermittlerfirmen die Betroffenen nach Deutschland zu zeitlich begrenzten Einsätzen in der häuslichen Betreuung entsenden‘, erläuterte sie am Donnerstag (10. März 2022) gegenüber jW. Die Dienstleistungsverträge, mit denen die meisten Betreuerinnen aus Polen in Deutschland arbeiteten, böten praktisch keinen arbeits- und nur unzureichenden sozialversicherungsrechtlichen Schutz, und die Vergütung sei in den meisten Fällen armselig. Die Leidtragenden sprächen deshalb auch von ,Müllverträgen‘.
Die veränderte Rechtslage könnte das Lohnniveau in der Pflege weiter in die in Tiefe reißen. ,Wir werden erleben, dass in den nächsten Wochen ukrainische Betreuungskräfte jene aus Polen und Rumänien vom Markt verdrängen werden‘, mutmaßt Schlör vom VHBP. Das werde dazu führen, ,dass das Gesundheitssystem in Deutschland vom Krieg in der Ukraine noch profitiert‘.“ (Ralf Wurzbacher, Sexarbeit und Müllverträge, in: junge Welt vom 12./13. März 2022, S. 5.)
Die Lobbyorganisation des Agrarkapitals in der BRD, der Deutsche Bauernverband (DBV) nutzte den Preisanstieg der Lebensmittel in Folge des Gemetzels in der Ukraine, um von der Politik eine Verbesserung der Ausbeutungsbedingungen des Landproletariats zu verlangen. Dem deutschen Agrarkapital liegt besonders die kostengünstige Ausbeutung von migrantischen SaisonarbeiterInnen sehr am Herzen. So forderte der DBV am 25. März 2022 vom ideellen deutschen Gesamtkapitalisten, die vorgesehene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns im Oktober dieses Jahres auf 12 Euro „zeitlich zu verschieben und in mehreren Stufen vorzunehmen“. (Zitiert nach Bernd Müller, In ungekanntem Ausmaß, in: junge Welt vom 26./27. März 2022, S. 5.) Außerdem verlangte das deutsche Agrarkapital von der Politik, die SaisonarbeiterInnen länger ohne Sozialabgaben ausbeuten zu können. Bisher kann es das 70 Tage lang. Das ist dem DBV zu wenig. Er fordert 135 Tage.
Fazit: Die Forcierung der zwischenstaatlichen Konkurrenz ist auch in Deutschland mit einem verschärften Klassenkampf von oben verbunden. Es wird zukünftig noch mehr staatlich abgefasster Mehrwert in die Anschaffung von Mordwerkzeug fließen. Die steigenden Lebensmittel- und Energiekosten auch als Folge der extremen Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz übt einen starken Druck auf die Reallöhne aus. Diese waren in der BRD bereits zwei Jahre in Folge gesunken. Im Jahre 2020 um 1,1 Prozent und 2021 um 0,1 Prozent. Wenn sich das klassenkämpferische Proletariat weiterhin im legalen Rahmen bewegt, wird es den verschärften Klassenkrieg von oben nicht kontern können. Es muss antipolitisch gegen den Staat streiken, um gegen die forcierte Aufrüstung sowie gegen den indirekten militärischen und ökonomischen Krieg gegen Russland kämpfen zu können. Auch wenn das verboten ist! Legal, illegal, scheißegal! Wer kann Millionen ProletarierInnen davon abhalten, gegen Verbote zu verstoßen? Nur die eigenen politischen Illusionen in den deutschen Staat und in die in diesen integrierten Gewerkschaften.
Nein, es reicht nicht aus, wenn die Gewerkschaftsbasis „ihre“ Bonzen ermahnt, doch bitte gegen die Aufrüstung vorzugehen: „In den gewerkschaftlichen Basisgliederungen wird der Krieg diskutiert. So beschloss etwa die Mitgliederversammlung des besonders von der Militarisierung betroffenen Ortsvereins Heidekreis am 17. März einen Antrag gegen Aufrüstung und die Steigerung des Militäretats, der sich an die Verdi-Landesbezirkskonferenz Hannover-Heide-Weser und die Verdi-Landesbezirkskonferenz Niedersachsen-Bremen richtet. Darin wird Verdi aufgefordert, gegenüber der Bundesregierung Position gegen die militärische und atomare Aufrüstung zu beziehen und ihre Mitglieder für diese Ziele zu mobilisieren.“ (Gewerkschaftsbasis gegen Aufrüstung, in: junge Welt vom 22. März 2022, S. 15.)
Das klassenkämpferische Proletariat muss sich massenhaft von der Gewerkschaftskette und den eigenen politischen Illusionen in den Staat befreien, um gegen den deutschen Imperialismus antipolitisch in die Offensive gehen zu können. Klassenkampf und Klassenbewusstsein müssen sich dabei in einer dialektischen Wechselwirkung gegenseitig befruchten und radikalisieren. Und es ist auch in Deutschland eine antipolitisch-sozialrevolutionäre Strömung nötig, die in außergewöhnlichen Situationen das ihre bei der Radikalisierung des Klassenkampfes zu einer sozialen Revolution tut.

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Inhalt

Einleitung

I. Der Geburtsprozess des parteifeindlichen Kommunismus
1. Die Kapitalvermehrung vor dem Ersten Weltkrieg
2. Proletarischer Klassenkampf und institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung vor 1914
3. Der Erste Weltkrieg
4. Die Russische Revolution
5. Die ungarische „Räterepublik“
6. ISD, ASP und Spartakusbund
7. Die Novemberrevolution
8. Die Gründung von IKD und KPD
9. Klassenkämpfe in Deutschland im Jahre 1919
10. Innerparteiliche Konterrevolution in der „K“PD
11. Kappputsch und Rote Ruhrarmee
12. KAPD und AAUD
13. Märzkämpfe 1921 und Gründung der AAUE

II. Die Entwicklung des Rätekommunismus
1. AAUE, KAUD und GIK
2. Daad en Gedachte, Cajo Brendel, Paul Mattick und Willy Huhn
3. Die Verkörperung einer Kulturrevolution
4. Der Bruch mit der leninistischen Konterrevolution
5. Analyse und Kritik der Russischen Revolution und des Staatskapitalismus
6. Inkonsequenter Bruch mit dem Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus
7. Inkonsequente Kritik an Demokratie, Antifaschismus und nationaler „Befreiung“

III. 1921-2021: 100 Jahre Dekadenz des Parteimarxismus als sozialrevolutionäre Theorie und Praxis
1. Marxismus-Leninismus
2. Trotzkismus
3. Italienischer Linkskommunismus
4. KAPD, Rote Kämpfer, MLLF, Communistenbond Spartacus und Neu Beginnen
5. Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus

IV. Der bewusst antipolitische Kommunismus
1. Antipolitisch und antinational
2. Konsequent gewerkschaftsfeindlich
3. Nachmarxistisch und nachanarchistisch
4. Überwindung des Rätefetischismus

Der Bruch mit der leninistischen Konterrevolution

Die sozialreaktionäre Machtübernahme der bolschewistischen BerufspolitikerInnen im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – führte zum Staatskapitalismus (ab Sommer 1918) und der politischen Diktatur der „Kommunistischen“ Partei, die entweder die Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats zerschlug oder in das ultrabürokratische Regime integrierte (siehe Kapitel I.4). Ab 1918 war der weltweite Bruch der revolutionären ProletarierInnen und Intellektuellen mit dem bolschewistischen Regime und dessen Konterrevolution objektiv notwendig. Nun, es dauert immer ein wenig, bis sich objektive Notwendigkeiten subjektiv durchsetzen. Auch die radikalen antiparlamentarischen und gewerkschaftsfeindlichen MarxistInnen in Deutschland (KAPD/AAUD) hatten Illusionen in den „sowjetischen“ Partei-„Kommunismus“. Es war die parteifeindliche Strömung in KAPD und AAUD, die zuerst im Jahre 1920 mit dem Lenin/Trotzki-Regime brach.
So wie die parteifeindliche Strömung am Anfang noch der KAPD angehörte, so hatte sie zu Beginn ihrer Existenz auch noch Illusionen in den Bolschewismus. Bis Otto Rühle praktische Erfahrungen mit den Moskauer Kreml-Herren machte, die ihn von seinen Illusionen heilten. Die KAPD strebte damals noch die Mitgliedschaft in der vom Bolschewismus dominierten „Kommunistischen“ Internationale an. So schickte sie noch auf ihren Gründungsparteitag eine Delegation nach Moskau. Da aber die Verbindungen zwischen der KAPD und dieser Delegation abbrachen, schickte sie eine zweite Delegation aus Rühle und Merges als KAPD-Vertreter zum II. Weltkongress der „Kommunistischen“ Internationale. Die bolschewistische Parteibürokratie verlangte von Rühle und Merges eine absolute Kapitulation. So sollten die beiden sich bereits den Beschlüssen des II. Kongresses unterwerfen, noch bevor diese ihnen bekannt waren. Rühle und Merges lehnten diese Kapitulation ab und nahmen nicht am II. Weltkongress teil, was die KAPD-Zentrale später kritisierte.
Seine praktischen Erfahrungen mit der Moskauer Parteibürokratie führten bei Otto Rühle zu seinem geistigen Bruch mit dem Bolschewismus. So schrieb Rühle über seine Erfahrungen mit der staatskapitalistischen Parteidiktatur und der bolschewistischen Ideologie: „Revolution ist Parteisache. Staat ist Parteisache. Diktatur ist Parteisache. Partei ist Disziplin. Partei ist eiserne Disziplin. Partei ist Führerherrschaft. Partei ist straffster Zentralismus. Partei ist Militarismus. Partei ist straffster, eiserner, absoluter Militarismus.“ (Die Aktion, Jg. 10 (1920), Sp. 507.) Diese radikale Kritik Rühles an den Moskauer Kreml-Herren ging damals den meisten KAPD-Mitgliedern zu weit, die weiterhin die Mitgliedschaft in der „Kommunistischen“ Internationale anstrebten. Die parteifeindliche Strömung war natürlich dagegen. Der Konflikt zwischen der KAPD und der parteifeindlichen Strömung wurde schließlich so gelöst, dass Otto Rühle und die von ihm stark beeinflusste „ostsächsische Richtung“ von der Parteiführung Ende Oktober 1920 ausgeschlossen wurden. Daraufhin löste die in Dresden starke parteifeindliche Strömung die KAPD in der AAUD auf.
Die KAPD ließ sich dagegen im März 1921 von den Moskauer Kreml-Herren und der „K“PD in die staatskapitalistische Putschpolitik hineinziehen (siehe Kapitel I.13), wodurch auch die Dekadenz des radikalen Parteimarxismus als revolutionäre Theorie und Praxis offensichtlich wurde. Nach dem Scheitern dieser putschistischen Politik setzten Moskau und „K“PD wieder auf parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus sowie Einheitsfronten mit der konterrevolutionären SPD. Die KAPD brach mit dem Lenin/Trotzki-Regime im Jahre 1921, ein Jahr nach dem parteifeindlichen Kommunismus. Doch anstatt zuzugeben, dass Rühle 1920 gegen die KAPD-Mehrheit recht hatte, machte die letztere den erstgenannten einen angeblich „zu frühen“ Bruch mit Moskau zum Vorwurf.
Paul Mattick brach erst 1921 mit der KAPD-Mehrheit mit dem Lenin/Trotzki-Regime. Wir wiederholen: dieser Bruch war schon im Jahre 1918 objektiv notwendig, aber es dauerte eine Weile bis er sich subjektiv durchsetzte. Doch was tat Mattick in späteren Jahren? Er ideologisierte den eher defensiven Bruch des radikalen Parteimarxismus mit Moskau. Auch innerhalb der „K“PD entwickelten sich im Verlauf der 1920er Jahre kremlfeindliche Strömungen, die schließlich mit der Sowjetunion brachen. Auch Matticks späterer Freund Karl Korsch gehörte zu jenen SozialrevolutionärInnen, die ab Mitte der 1920er Jahre konsequent den sowjetischen Staatskapitalismus bekämpften. Das ist natürlich zu begrüßen. Jedoch muss auch betont werden, dass Korschs Bruch mit dem Kreml relativ spät erfolgte. Doch Mattick ideologisierte die Verspätung und den verglichen mit dem parteifeindlichen Kommunismus verlangsamten Radikalisierungsprozess des radikalen Parteimarxismus: „Auch Korsch musste zu den durch die Russische Revolution aufgeworfenen Fragen und zu ihrem besonderen, nichtmarxistischen Charakter Stellung nehmen. Solange die Umstände es erlaubten, auf eine Revolution in Westeuropa zu hoffen – d.h. während der ,heroischen´ Periode des Kommunismus des Bürgerkriegs – ergriff er dafür Partei. Unter diesen Umständen sich gegen das bolschewistische Regime zu wenden hätte bedeutet, der Konterrevolution (nicht nur in Russland, sondern in aller Welt) zu folgen. Die Revolutionäre in Deutschland mussten die Russische Revolution notwendigerweise unterstützen, unter wie vielen Vorbehalten auch immer. Erst als die Bolschewisten selbst gegen die russischen und westeuropäischen Revolutionäre vorgingen – nicht zuletzt, um mit der kapitalistischen Welt ihren Frieden zu machen –, wurde es möglich, sich gegen das bolschewistische Regime zu kehren, ohne damit gleichzeitig der internationalen Konterrevolution in die Hände zu arbeiten.“ (Paul Mattick, Von der Notwendigkeit, den Marxismus mit Marx zu kritisieren. Ein Blick auf das Werk von Karl Korsch, in: Derselbe, Spontaneität und Organisation. Vier Versuche über praktische und theoretische Probleme der Arbeiterbewegung, Frankfurt am Main 1975, S. 80.)
Matticks Ausführungen stellen eine Ideologisierung des objektiv zu langsamen Bruches der SozialrevolutionärInnen mit dem konterrevolutionären staatskapitalistischen Regime in Moskau dar. Dieser Bruch war deshalb zu langsam, weil sich die SozialrevolutionärInnen von ihren eigenen probolschewistischen Illusionen befreien mussten. Und diese Illusionen hatten auch etwas mit den parteimarxistischen Traditionen zu tun, die sich als konterrevolutionär erwiesen. Mattick behauptete, dass es für RevolutionärInnen nicht möglich gewesen wäre, sich bereits in der Periode des BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieges (1918-1921) in „Sowjet“-Russland sich von Moskau loszusagen. Doch dieser Krieg war objektiv einer zwischen Privat- und Staatskapitalismus. Es wäre also objektiv notwendig gewesen, sowohl die staatskapitalistische als auch die proprivatkapitalistische Seite von revolutionären Positionen aus zu bekämpfen. Diese objektiv notwendige Haltung war aber aufgrund der probolschewistischen Illusionen der westlichen radikalen MarxistInnen subjektiv nicht möglich. Natürlich war ein revolutionärer Sturz des bolschewistischen Lenin/Trotzki-Regimes objektiv unmöglich. Doch auch im Zweiten Weltkrieg war an einer revolutionären Zerschlagung der faschistischen und demokratischen Regimes sowie der Sowjetunion nicht zu denken – und doch bekämpften SozialrevolutionärInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels. Mattick ideologisierte hier subjektive Schwäche der SozialrevolutionärInnen im Bruch mit der leninistischen Konterrevolution, anstatt objektive Notwendigkeiten auf den Punkt zu bringen. Indem er die objektive Notwendigkeit schon mit dem Lenin/Trotzki-Regime im BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieg als Übergang in die Konterrevolution verunglimpfte, leistete er objektiv Propagandadienste für den Marxismus-Leninismus. Auch verwechselte Mattick die Russische Revolution mit der bolschewistischen Konterrevolution, die im Oktober 1917 begann und im März 1921 durch die Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes siegreich beendet wurde.
Felix Klopotek brachte im Jahre 2021 sein verdienstvolles Buch Rätekommunismus. Theorie – Geschichte heraus. Jedoch auch Klopotek war der Meinung, dass der Räteommunismus angeblich zu früh mit dem staatskapitalistischen Regime in Moskau gebrochen hatte. Das marxistisch-leninistische Käseblatt junge Welt druckte in der Ausgabe vom 29./30. Mai 2021 ein Interview mit Klopotek ab. Die Zeitung leugnete selbstverständlich in diesem Interview die leninistische Konterrevolution gegen die Räte (Sowjets): „Anfangs waren die Räte nichts als deutsche ,Sowjets´. Dennoch haben sie (die Rätekommunisten, Anmerkung von Nelke) sich vom Land der Räte abgewandt, weil es ihnen ein Land der Parteibürokratie geworden zu sein schien.“ („Schwellbrände sind Schwäche der sozialen Kämpfe weltweit.“ Ein Gespräch mit Felix Klopotek, in: junge Welt-Beilage faulheit & arbeit vom 29./30. Mai 2021, S. 2.)
Und Klopotek brachte es fertig, auf diesen leninistischen Ideologie-Müll so zu antworten: „Stopp – zwischen 1917 und 1920 bestand ein Unterschied! Den Bolschewiki war klar, dass sie Unterstützung nur von den Linksradikalen unter den Kadern der europäischen Arbeiterbewegung erwarten konnten. Es gab 1917 keine Rätekommunisten. Wer Kommunist war, bekannte sich selbstverständlich zum Roten Oktober und zu den Bolschewiki. Die Entfremdung setzte 1919 ein (die von Moskau gedeckte innerparteiliche Konterrevolution in der „K“PD gegen den antiparlamentarisch-gewerkschaftsfeindlichen Flügel, Anmerkung von Nelke), der Bruch wurde spätestens 1921 vollzogen (von der KAPD, Anmerkung von Nelke), vielleicht zu schnell, denn bis 1926 war nicht ausgemacht, dass die Sowjetunion einen nationalistisch-konterrevolutionären Weg einschlagen sollte.“
Herr Klopotek, müssen wir sie wirklich an die Errichtung einer staatskapitalistischen Wirtschaft im Sommer 1918, die beginnende Zerschlagung der Sowjets als Organe der klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats kurz nach der bolschewistischen Machtübernahme und die konterrevolutionäre Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes im März 1921 durch das verdammte Lenin/Trotzki-Regime erinnern?! Alles lange vor 1926!

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