streiks – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Thu, 06 Feb 2025 16:50:17 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png streiks – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Weltkapitalismus und globaler Klassenkampf https://swiderstand.blackblogs.org/2025/01/04/neue-broschuere-weltkapitalismus-und-globaler-klassenkampf/ https://swiderstand.blackblogs.org/2025/01/04/neue-broschuere-weltkapitalismus-und-globaler-klassenkampf/#respond Sat, 04 Jan 2025 22:51:15 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=802
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Einleitung

Der Weltkapitalismus

I. Der globale Kapitalismus ist die Interaktion der Nationalkapitale

1. Die Nationalkapitale

2. Die globale sozialökonomische Interaktion der Nationalkapitale

II. Die geschichtliche Herausbildung des Weltkapitalismus

1. Kleinbürgerliche Warenproduktion

2. Handelskapital

3. Vorindustrielle kapitalistische Warenproduktion

4. Der Industriekapitalismus als herrschendes Produktionsverhältnis

5. Die relativ selbständige Herausbildung bürgerlicher Nationalstaaten in Eurasien

6. Kapitalistischer Imperialismus und nationale „Befreiung“

7. Krieg und Frieden im Weltkapitalismus

8. Die Herausbildung eines internationalen Finanzsystems

9. Kapitalistisches Patriarchat und bürgerliche Frauenemanzipation

III. Die krisenhafte globale Vermehrung der Nationalkapitale

1. Kapitaluntervermehrungskrisen

2. Zyklische Krisen während der beschleunigten Kapitalvermehrung

3. Die strukturelle Profitproduktionskrise

4. Die Todeskrise des globalen Staatskapitalismus

5. Die Verschärfung der strukturellen Profitproduktionskrise im 21. Jahrhundert

6. Die permanente biosoziale Reproduktionskrise

Klassenkampf, institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und mögliche Weltrevolution

I. Der reproduktive Klassenkampf

1. Kapitalvermehrung und Klassenkampf

2. Konspirativ-illegaler Alltagsklassenkampf

3. Der Klassenkampf erwerbsloser ProletarierInnen

II. Institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und kommunistische Bewegung

1. Gewerkschaften

2. Vormarxistischer Kommunismus

3. Marx und Engels

4. Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus und Trotzkismus

5. Rätekommunismus

6. Der italienische „Linkskommunismus“

7. Der Anarchismus

8. Der antipolitische und gewerkschaftsfeindliche Kommunismus

III. Die mögliche soziale Weltrevolution

1. Die revolutionäre Situation

2. Die revolutionäre Klassenkampforganisation

3. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Weltproletariats

Konspirativ-illegaler Alltagsklassenkampf

Die Lohnabhängigen sind auf den Arbeitsmärkten, auf denen sie ihre Arbeitskräfte vermieten, und auf den Konsumgütermärkten, auf denen sie die Waren und Dienstleistungen für ihre biosoziale Reproduktion kaufen und mieten, kleinbürgerliche Marktsubjekte. Diese Kleinbürgerlichkeit der ProletarierInnen nimmt mit der zunehmenden Fettschicht der Kapitalvermehrung und mit dem Anstieg der Löhne – auch als Folge des proletarischen Klassenkampfes – zu. Auch gilt: Je qualifizierter Arbeitskräfte sind, umso kleinbürgerlicher sind sie auch in der Regel.

Als kleinbürgerliche Marktsubjekte konkurrieren ProletarierInnen auch untereinander um Jobs und seltene Konsumgüter, zum Beispiel in den Städten um bezahlbare Mietwohnungen. Als Konkurrenzindividuen sind ProletarierInnen auch empfänglich gegenüber Chauvinismen wie Nationalismus, Rassismus und Sexismus. Nationalität, Hautfarbe, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuelle Geschlechtsidentität – alles wird zum Identitätskostüm im permanenten Kampf Aller gegen Alle.

Als Ausbeutungsobjekte produzieren die ProletarierInnen den Mehrwert für die Bourgeoisie und ihr eigenes Elend. Einigen Lohnabhängigen ist die Entfremdung und Ausbeutungsobjektivität durchaus bewusst. Andere blenden sie aus und kompensieren sie mit ProduzentInnenstolz und Unternehmenspatriotismus. Mensch ist auf die eigene Leistung und auf „die Firma“ stolz. Auch ProduzentInnenstolz und Unternehmenspatriotismus nehmen in der Regel mit der Qualifikation der Lohnabhängigen zu. Sie gehen oft mit einer sozialdarwinistischen Abgrenzung gegenüber den proletarischen Unterschichten einher

Innerhalb der Privathaushalte, in denen sich ProletarierInnen biosozial reproduzieren, sind ProletarierInnen ebenfalls kleinbürgerlich. Sowohl als Singles als auch als Beziehungs- und Familienmenschen. Auch in vielen proletarischen Kleinfamilien weltweit reproduziert sich das Patriarchat. Dieses kommt darin zum Ausdruck, dass die meisten innerfamiliären biosozialen Reproduktionstätigkeiten von den Frauen verrichtet werden. Auch nicht wenige proletarische Familien sind durch körperliche, psychisch-emotionale und sexualisierte Gewalt geprägt. Die meiste körperliche und sexualisierte Gewalt geht dabei von den Männern aus. Es gibt aber auch Frauen, die „ihren“ Männern durch Psychoterror zusetzen, oder sie gar körperlich misshandeln. Die bürgerliche Kleinfamilie ist oft ein asoziales Gewaltverhältnis.

Das sexuelle Elend auch von Lohnabhängigen kommt planetar in der Prostitution, einer Ware-Geld-Perversion, zum Ausdruck. Es sind hauptsächlich Männer, die gegen Geld Frauen oder andere Männer ficken. Lohnabhängige Frauen, die Callboys mieten, stellen eine Minderheitstendenz in der Prostitution dar.

Auch als StaatsbürgerInnen sind ProletarierInnen kleinbürgerlich. In den politischen Demokratien ermächtigen sie als Stimmvieh die BerufspolitikerInnen den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. BerufspolitikerInnen – egal ob regierend, opponierend, mittig, links oder rechts – sind grundsätzlich objektiv strukturelle Klassenfeinde des Proletariats. Sie leben vom politisch angeeigneten Mehrwert und organisieren gesamtgesellschaftlich-staatlich die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit. Indem ProletarierInnen in freien Wahlen – in denen weder die kapitalistischen Produktionsverhältnisse noch der Staat als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung zur Wahl steht – die BerufspolitikerInnen dazu ermächtigen, entweder den Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren, trinken sie noch den Kakao, durch den sie gezogen werden. Viele proletarische UnterschichtlerInnen spüren das instinktiv oder wissen dies ganz genau – auch Dank der materialistisch-dialektischen Gesellschaftsanalyse – und wählen deshalb nicht mehr.

Nur im und durch Klassenkampf ist das Weltproletariat tendenziell und potenziell revolutionär. Im globalen Klassenkampf entfaltet sich der Widerspruch zwischen den kleinbürgerlichen und den revolutionären Tendenzen des planetaren Proletariats. Nur im und durch Klassenkampf können sich die Lohnabhängigen selbst für ihre Interessen und Bedürfnisse und gegen den strukturellen Vermehrungszwang des Kapitals – durch den sie selbst zu verschwinden drohen – organisieren. Und dies geschieht bereits während des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes.

Durch innerbetriebliche Sabotage machen ProletarierInnen zum Beispiel das kaputt, was sie kaputt macht: Die kapitalistischen Produktionsmittel als Zerstörungsmittel der Bourgeoisie. Das tat zum Beispiel der Mähdrescherfahrer Tad in den USA: „Ich bekam Arbeit bei einer Firma, die im Sommer von Texas bis North Dakota der Weizenernte folgt. Die Mähdrescher, die wir benutzten, stammten aus einer Modellreihe und waren von International Harvester geliehen. Acht oder zehn von uns arbeiteten sich in breiter Front durch die Felder, testeten die neuen Modelle aus, schauten wie sie funktionierten.

Alle waren wir ziemlich jung, zwischen vierzehn und vierundzwanzig, und hätten uns eigentlich lieber verpisst, als zwölf Stunden am Tag auf diesen Kisten zu sitzen. Ein- oder zweimal die Woche hatten wir die Mähdrescher geschrottet, was bedeutet, dass wir so viel Korn geschnitten, bis die Motoren heiß liefen und die Zylinder überfordert waren. Wir legten zwei oder drei Maschinen lahm. Die wurden dann ausgemustert, und wir konnten das Feld verlassen. Vertreter von International Harvester kamen angerückt, zerlegten die Maschinen und versuchten herauszukriegen, was zum Teufel da eigentlich abging.

Wir haben es mit Absicht gemacht, weil wir so Pausen machen konnten. Wir hatten unseren Spaß an den Vertretern, mit ihren Krawatten und Klemmbrettern. Wir lachten uns ins Fäustchen. Die Firma war sehr betroffen, hatte sie doch einige Millionen Dollar investiert. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass wir irgendwas damit zu tun haben könnten. Wie die meisten Arbeitgeber hielten sie ihre Angestellten für dümmer, als sie sind. Ich denke, dass dies bei nicht gewerkschaftlich organisierter Gelegenheitsarbeit fast immer so abläuft. Sie gehen einfach davon aus, dass wir solche Tricks nicht anwenden. Bei diesem Job steckten alle Arbeiter unter einer Decke. Wir konnten in den Hotelräumen abhängen, während sie an den Mähdreschern rummachten.“ (Sabotage. ArbeiterInnen aus den USA erzählen ihre Version des alltäglichen Klassenkampfes, Berlin 1993, S. 46.)

Wir sehen, dass „die nicht gewerkschaftlich organisierten“ Mähdrescherfahrer im Kampf gegen das Kapital sehr gut organisiert waren. Sie wurden nicht von Gewerkschaftsbonzen desorganisiert, sondern organisierten sich selbst gegen das Kapital. Indem sie durch Sabotage an den kapitalistischen Produktionsmitteln ihre eigenen Bedürfnisse befriedigten, zeigten sie, dass die menschliche Arbeitskraft zwar Teil des produktiven Kapitals ist, sich aber gegen die unbegrenzte Kapitalisierung zu Wehr setzen kann. In diesem alltäglichen Klassenkampf der Mähdrescherfahrer können wir tendenziell den Kampf der Menschen gegen ihre eigene proletarische Existenz sehen, die bescheidenen Anfänge des sozialrevolutionären Selbstaufhebungsprozesses der ArbeiterInnenklasse.

Der proletarisierte Mensch, welcher diesen Kampf führt, hat sich oft noch nie mit revolutionärer Theorie beschäftigt. Er weiß oft nicht, dass er einen in Ansätzen revolutionären Kampf führt. Er tut es einfach, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Unser nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus ist ein theoretischer Ausdruck dieses alltäglichen Klassenkampfes. Durch unsere theoretische Wiederspiegelung machen wir das für das bürgerliche Auge Unsichtbare sichtbar, die unbewussten sozialrevolutionären Tendenzen bewusst. Dadurch nehmen wir praktisch und theoretisch bewusst am alltäglichen Klassenkampf teil.

Für sozialrevolutionäre ArbeiterInnen heißt es, das Bewusstsein am Arbeitsplatz zu revolutionieren zu helfen, wie weit das eben möglich ist. Und diese Möglichkeiten sind von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz verschieden. Diese Revolutionierung des Bewusstseins ist nicht nur durch Diskutieren zu vermitteln, sondern auch durch Initiative zur kollektiven Sabotage der alltäglichen Lohnarbeit, oder durch individuelle Sabotage Vorbild und Beispiel im praktischen Kampf gegen bürgerlichen Arbeitsethos und Leistungsideologie zu sein, so wie der US-amerikanische Computer-Techniker Dexter es beschreibt: „Ich sitze gerade an meinem Arbeitsplatz und tippe das in meinen MacIntosh. Ich könnte auch arbeiten. Wenigstens sieht es so aus, als würde ich arbeiten. Bei meinem Job ist es ganz selbstverständlich, dass ich was in den Computer eingebe. Wie auch immer, in den letzten vier Jahren, seit ich hier bin, habe ich höchstens ein Drittel meiner Zeit mit Arbeiten verbracht.

Mein Job besteht darin, alle möglichen technischen Texte, wie Gebrauchs- und Reparaturanweisungen sowie ähnliche technischen Beschreibungen zu formulieren und zu formatieren. Dafür muss ich regelmäßig mit Hardware- und Softwareingenieuren, Physikern und Marketingleuten sprechen. Die ganze Technik und auch die Leute finde ich faszinierend und außerdem gefällt mir das Feld technischer Kommunikation. Aber trotzdem finde ich immer schnell einen Weg, mich vor der Arbeit zu drücken. Ich habe mir eine ganze Reihe von Fähigkeiten des Desktop Publishing angeeignet, so dass ich die Arbeit von einer Woche in zwei Tagen erledigen kann. Die zwei Tage verteile ich natürlich über die Woche, d. h. ich schaffe das, was sie von mir erwarten, und manchmal auch ein bisschen mehr. Es zahlt sich halt aus, fleißig auszusehen.

Ich interessiere mich für alles, und dieses Interesse vervielfacht sich jeden Tag. Wäre ich allein und hätte genug Geld, würde ich eine Menge kreatives Zeug machen, und dabei alle möglichen Medien benutzen. Aber die Gesellschaft unterstützt solche kapriziösen und unverantwortlichen Denker wie mich natürlich nicht. Also muss ich diesen Mangel der Gesellschaft irgendwie umgehen und kann trotzdem meine Rechnungen bezahlen, indem ich meine Projekte während der Arbeit mache. In den letzten vier Jahren habe ich hier eine Novelle, Teile eines wissenschaftlichen Buches einer großen Verlagsgesellschaft, zwei Reiseerzählungen und zahllose kleinere Sachen geschrieben. Ich habe mir Computerdesign, -musik und -animation während der Arbeit angeeignet und sogar ein Computerspiel geschrieben. Insgesamt habe ich sicher tausend Arbeitsstunden damit zugebracht, meine Projekte zu machen, mit ganz anständiger Entlohnung.

Bei der Arbeit habe ich meistens mit Graphik oder Text zu tun. Das gilt aber auch für meine eigenen Projekte. Ich bin nicht besonders vorsichtig. Zuviel Vorsicht führt zu Paranoia, und Paranoia stört den schaffensfrohen Geist. Meine KollegInnen reagieren unterschiedlich. Manche glauben an die alte Arbeitsethik und meinen, du solltest die ganze Arbeitszeit für die Firma rackern. Andere hätten es auch gerne so wie ich gemacht, fanden aber nicht die Zeit dazu. Meine Chefs haben nie was gemerkt, und die KollegInnen tolerieren, was ich mache, und bewundern mich. Meist sind sie auch so mit ihren eigenen Sachen beschäftigt, dass sie sich nicht um meine kümmern. Die Chefs sind zufrieden, weil ich genauso viel oder sogar etwas mehr schaffe als verlangt.“ (Sabotage, a.a.O., S. 16.)

Dieses Beispiel geht über das Beispiel der Mähdrescherfahrer sowohl hinaus und gleichzeitig zurück. So widersprüchlich kann die Dialektik des alltäglichen Klassenkampfes sein. Der Computer-Techniker Dexter übt keine Sabotage an den Produktionsmitteln, sondern eignet sie sich produktiv an. In der Zeit, wo er seine Privatarbeiten am Computer erledigt, hört dieser praktisch auf Kapitaleigentum zu sein, auch wenn er das offiziell weiterhin bleibt. Dieses offizielle Belassen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zeigt die reproduktive Grenze des alltäglichen Klassenkampfes an. Auch dass seine Aktion individuell erfolgt und nicht kollektiv, ist gegenüber den Mähdrescherfahrern ein Rückschritt, auch wenn er für einige seiner KollegInnen ein Vorbild darstellt und die individuelle Aktionsform durch den objektiven Arbeitsprozess bedingt ist.

Weiterhin ist festzuhalten, dass der Computer-Techniker Dexter im Gegensatz zu vielen anderen Lohnabhängigen sich in einer sehr günstigen Ausgangssituation befindet. Er muss keinen offensichtlichen Kampf gegen das Kapital führen, um seine Bedürfnisse nach privater Kreativität befriedigen zu können. Aber die offensichtliche kollektive Aneignung und Veränderung der Produktionsmittel ist der eigentliche sozialrevolutionäre Prozess.

In unseren Beispielen des alltäglichen Klassenkampfes hatten wir sowohl eine Form, bei der das Produktionsmittel informell und tendenziell für die eigene Bedürfnisbefriedigung angewendet wurde, als auch eine, in denen sie als Mittel der kapitalistischen Ausbeutung und Zerstörungsmittel der ArbeiterInnen zerstört wurden. Beide Formen sind auch in der bewussten sozialrevolutionären Aktion nötig: Aneignung der Produktionsmittel bei Abstreifung ihrer kapitalistischen Funktion (z. B. Computer), aber auch die Zerstörung von kapitalistischen Produktionsmitteln, für die es auch in einer klassenlosen Gesellschaft keine vernünftige Nutzung geben kann (zum Beispiel Kohle- und Atomkraftwerke).

Auch die Befreiung vom Kapitalfetisch, die Erkenntnis, dass die Trennung der ProduzentInnen von den Produktionsmitteln weder natürlich noch gottgewollt ist, sondern Ausdruck sozialer Verhältnisse, indem Produktionsmittel zu produktivem Kapital werden, was durch soziale Aktionen aber zu ändern ist, setzt sich schon tendenziell im alltäglichen Klassenkampf durch. Doch erst die bewusste sozialrevolutionäre Aktion und Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse kann den Kapitalfetisch für immer aufheben. Die tendenzielle Aufhebung des Kapitalfetischs kann mit einer teilweisen Verinnerlichung dieses Kapitalfetischs auch bei den klassenkämpferischen proletarischen Subjekten verbunden sein. Der Klassenkampf ist die Bedingung zur Überwindung des Kapitalfetisches, aber bedeutet eben nicht automatisch dessen Überwindung. Eine Arbeiterin kann während der Arbeitszeit unheimlich viel Pausen machen, für sich selbst massenhaft Dinge herstellen und nebenbei noch Betriebseigentum klauen wie ein Rabe, aber dennoch die kapitalistische Produktionsweise für unveränderlich halten. Das ist ein Ausdruck der objektiv-subjektiven Widersprüche, durch den der alltägliche Klassenkampf geprägt ist, und erst durch die Selbstbefreiung der proletarischen Subjekte in der sozialen Revolution gelöst werden können.

Sozialrevolutionäre Gruppen können die mögliche Radikalisierung des reproduktiven Klassenkampfes zur sozialen Revolution geistig und praktisch unterstützen, indem sie gegenüber den verschiedenen Spielarten des Sozialreformismus die Bedeutung von Aneignung und Sabotage für den proletarischen Widerstand gegen die kapitalistische Technokratie betonen. Dieser Klassenkampf ist gegen das kapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln gerichtet und kann von Kapital, Staat und Gewerkschaftsbürokratie weder verrechtlicht noch institutionalisiert werden.

Im Jahre 2008 kam bei Sonderzahl in Wien das Buch Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz von Bernhard Halmer und Peter A. Krobath heraus, welches einen recht guten Einblick in den konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf gewährt. In ihm kommen die sabotageleistenden Lohnabhängigen selbst zu Wort. Zum Beispiel ein ehemaliges Zimmermädchen auf einem Luxusdampfer. Die Arbeit war so organisiert, dass immer ein Zimmermädchen eine Suite saubermachen sollte. Es war sogar verboten, sich untereinander zu helfen. Doch das ehemalige Zimmermädchen berichtete, wie sie mit einer Kollegin zusammen zu zweit die Suiten reinigten, wodurch sie viel schneller fertig wurden. Für dieses eigenmächtige Verändern der Arbeitsorganisation wurden sie bestraft. Aber sie nahmen die Strafen mit einem Lächeln hin und putzten weiter die Suiten zu zweit. Schließlich hörte die Chefin auf, die beiden zusammenarbeitenden Zimmermädchen zu bestrafen. Auch andere Zimmermädchen putzten schließlich die Suiten zu zweit. Dadurch hatte der Alltagsklassenkampf die Arbeitsorganisation verändert. (Bernhard Halmer, Peter A. Krobath, Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz, Sonderzahl, Wien 2008, S. 77-81.)

Die Form der illegal-konspirativen Änderung der Arbeitsorganisation durch das klassenkämpferische Proletariat, die zugleich die Produktion unterbricht, stellt das eigenmächtige Machen von Pausen dar. Im oben genannten Buch wird dafür ein besonders amüsantes Beispiel von einem Computerfachmann geschildert. Er hatte mit neun Kollegen den Auftrag für eine Supermarktkette, Kassen aus Südkorea umzubauen. Sie wurden nach der Arbeitszeit bezahlt und nicht kontrolliert. So wurde schon mal die Mittagspause auf drei Stunden ausgeweitet oder auch sonst mal die Arbeitszeit für drei Stunden unterbrochen. Während der Zeit hatten die Kollegen viel Spaß, zum Beispiel während sie mit Hubstablern um die Wette fuhren oder Mäuse fütterten. (Ebenda, S. 14.)

Die Änderung der Arbeitsorganisation durch den konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf des Proletariats kann nur die Ausbeutung und Entfremdung der kapitalistischen Produktionsweise abmildern, aber nicht grundsätzlich aufheben. Das kann nur die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats.

Das Proletariat und das lohnabhängige KleinbürgerInnentum produzieren in der Regel Warenkapital, das dann auf den Märkten in Geld umgetauscht wird. Sie produzieren also in der Regel Geld, genauer: mehr Geld, als die kleinbürgerliche/kapitalistische Produktion von Waren und warenförmigen Dienstleistungen kostet. Viel wird auch im Kapitalismus für die Mülltonne produziert. Denn in diesem System zählen in der Regel nur zahlungsfähige Bedürfnisse als Nachfrage. Menschen, die bestimmte Bedürfnisse haben, aber nicht über das nötige Geld verfügen, um sich die Waren beziehungsweise warenförmigen Dienstleistungen zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zu leisten, gehen leer aus. Gleichzeitig werden Waren auf dem Müll befördert, weil sich für sie keine KäuferInnen finden ließen. Auch der Müll als unverkäufliche Waren ist kapitalistisches Eigentum, dessen Aneignung illegal ist. Denn das unentgeltliche Verteilen von unverkäuflichen Waren würde die Preise senken. Deshalb gehört das Vernichten von unverkäuflichen Gütern, während gleichzeitig unzählige Bedürfnisse wegen Mangel an Geld unbefriedigt bleiben, unentrinnbar zur Logik der Warenproduktion. Besonders Lebensmittel werden weggeschmissen wegen der Hygienevorschriften, obwohl sie noch verzehr- und genießbar sind.

Die unentgeltliche Aneignung von Waren – egal ob von potenziell verkäuflichen oder von nicht mehr verkaufbaren „Müll“ – beziehungsweise die Sabotage am reibungslosen Verkauf der Waren innerhalb der Warenproduktion gehört zum illegalen Klassenkampf des Proletariats. Im Lexikon der Sabotage können wir beispielsweise lesen, wie eine Lagerarbeiterin, die sehr frustriert über den niedrigen Lohn, die Langeweile, das alltägliche Arbeitsklima aus Hetze, Stress und Unfreundlichkeiten durch die Chefs war, den Verkauf der Waren, Babysachen, sabotierte. Bei der Verpackung der Waren forderte sie die Kunden durch beigepackte Zettel auf, bei dieser Firma nicht weiter zu bestellen. (Ebenda, S. 21/22.)

Im oben erwähnten Buch Lexikon der Sabotage erzählt uns zum Beispiel eine „Vorregalbetreuerin“ aus einem Supermarkt, wie sie konspirativ-illegal sich den Lebensmittel-Müll, also unverkaufte Waren, für den familiären Verzehr aneignet. Während ihre Oma noch bei diesem Supermarkt arbeitete, konnte diese noch legal unverkaufte Lebensmittel mit nach Hause nehmen. Als sie selbst dort ausgebeutet wurde, war dies bereits verboten. Doch sie eignete sich den noch genießbaren „Müll“ der Warenproduktion konspirativ-illegal an, indem sie sich von einem Bekannten den General-Müllraumschlüssel der Müllabfuhr besorgte. Und sie beschädigte die Verpackung von Lebensmitteln, die sie sich selbst aneignen wollte. Wenn sie dann weggeschmissen wurden, griff sie zu. (Ebenda, S. 85-87.) Bei dieser Aktion wurde der Verkauf von Waren sabotiert. Güter konnten genossen werden, ohne dass dafür Geld bezahlt werden musste.

Im Buch kommt auch ein Kellner einer Catering-Firma zu Wort, dem das viele Wegschmeißen von noch verzehrbaren Lebensmitteln tierisch auf die Nerven ging. Einmal als wieder sehr viel weggeschmissen werden sollte, hörte er und seine KollegInnen nicht mehr auf ein anwesendes Chefchen, sondern verteilten die Lebensmittel, die eigentlich weggeworfen werden sollten, kostenlos am Bahnhof. (Ebenda, S. 37.) Das war eine solidarische Aktion, die schon nicht mehr konspirativ war, sondern offen die Anweisungen der Chefetage missachtete. Damit gaben sie ein Beispiel, wie die Warenproduktion grundsätzlich durch das klassenkämpferische Proletariat aufzuheben ist. Durch den Alltagsklassenkampf kann der Wahnsinn der kapitalistischen Warenproduktion nur abgemildert beziehungsweise sabotiert und dessen Gesetze für kurze Zeit teilweise aufgehoben werden. Nur die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion und die Herausbildung einer globalen unmittelbaren Bedarfsproduktion, zerschlägt endgültig die Ware-Geld-Beziehung.

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Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:05:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=724 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

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Neue Broschüre: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://swiderstand.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritikdestrotzkismus/ Wed, 09 Aug 2023 10:48:31 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=657 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

Innerhalb des Privatkapitalismus betrieb und betreibt der Trotzkismus eine Politik des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus einschließlich von Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie und dem Marxismus-Leninismus. Besonders letzteres war selbstmörderisch. So war der Trotzkismus in Vietnam in den 1930er Jahren relativ stark. Doch er ging eine Einheitsfront mit den StalinistInnen ein. Letztere bauten in den 1940er Jahren die Guerillaorganisation Viet Minh auf, die auch blutig gegen TrotzkistInnen vorging.

Nach Trotzkis Ansicht hätte auch in Deutschland nur eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus die Machtübergabe an die Nazis verhindern können. Eine Einheitsfront aus jenen zwei bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten, die real arbeitsteilig-konkurrenzförmig die kampflose Kapitulation des Proletariats organisiert hatten?! Wirkliche RevolutionärInnen traten für den selbstorganisierten Klassenkampf – unabhängig von und gegen die Partei- und Gewerkschaftsapparate – gegen Weimarer Republik und Nazis ein. Aus revolutionärer Perspektive hätte der Faschismus in Deutschland nur verhindert werden können, wenn das Proletariat die Weimarer Republik vor der Machtübertragung an die Nazis revolutionär zerschlagen und damit die Voraussetzung für eine klassen- und staatenlosen Gemeinschaft geschaffen hätte. Sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteiapparate konnten und können nur den Kapitalismus in privater oder verstaatlichter Form reproduzieren.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Jahre 1933 hielt Trotzki die von Moskau geführte „Kommunistische“ Internationale nicht mehr für reformierbar. Er trat jetzt für den Aufbau einer „Vierten Internationale“ ein, die offiziell 1938 gegründet wurde und später in mehrere globalen trotzkistischen Zusammenschlüsse zerfiel. Heute ist der Trotzkismus in seinen Hauptströmungen stark sozialdemokratisiert. So wirken in Deutschland in der Partei Die Linke, die einige Bundesländer und Kommunen mitregiert, also zum Politpersonal der Bourgeoisie gehört, auch einige TrotzkistInnen mit. Auch die radikalere trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die die Anpassung anderer Trotzkismen an Die Linke scharf kritisiert, nimmt selbst am politischen Wahlzirkus teil. Bei parlamentarischen Wahlen sind ProletarierInnen nichts als Stimmvieh, die ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, ermächtigen zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Indem die SGP an Parlamentswahlen teilnimmt, hilft sie dabei das demokratische Regime in diesem Land zu reproduzieren, auch wenn sie keine Chance auf Parlamentsmandate hat.

Die meisten trotzkistischen Strömungen erzeugen zum Beispiel in der BRD Illusionen in die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die durch das Tarifvertragsgeschäft, das Sitzen ihrer FunktionärInnen in den Aufsichtsräten der Konzerne (Wirtschaftsdemokratie) sowie in den sozialpartnerschaftlich-reformistischen Betriebs- und Personalräten (Arbeitsdemokratie) tief in das deutsche Nationalkapital und in viele Einzelkapitale als Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung integriert sind. Zwar schimpfen die TrotzkistInnen auf die Gewerkschaftsbürokratie, doch erzeugen die meisten von ihnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit der Gewerkschaften. Ja, TrotzkistInnen übernehmen ehren- und gar hauptamtliche Funktionen in ihnen.

Antipolitische SozialrevolutionärInnen gehen von einem antagonistischen Klassengegensatz in den Gewerkschaften aus. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen bilden – und auf der anderen Seite die lohnabhängige Basis. Dieser Klassengegensatz entfaltet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Oft entwickelt sich in längeren, noch offiziell von den Gewerkschaften „geführten“ Arbeitsniederlegungen die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite. In wilden Streiks, die sich ohne oder gar gegen die Gewerkschaften entwickeln, kommt die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats klar zum Ausdruck. Sowohl auf informelle Weise als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees.

Gewerkschaftsfeindliche SozialrevolutionärInnen können in nichtrevolutionären Zeiten Mitglieder in Gewerkschaften sein. Sie dürfen aber keine Illusionen in deren sozialemanzipatorische und klassenkämpferische Reformierbarkeit schüren und keine ehren- oder gar hauptamtliche Funktionen in ihnen übernehmen. SozialrevolutionärInnen streben langfristig die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaften an.

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Neue Broschüre: Analyse und Kritik der Warenproduktion https://swiderstand.blackblogs.org/2023/07/26/neue-broschuere-analyse-und-kritik-der-warenproduktion/ Wed, 26 Jul 2023 22:26:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=642 Unsere neue Broschüre „Analyse und Kritik der Warenproduktion“ (ca. 139 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Gebrauchs-, Produktions- und Tauschwert

I. Gebrauchs- und Produktionswert – allgemeine Kategorien der menschlichen Produktion

1. Der Gebrauchswert

2. Der Produktionswert

II. Der Tauschwert – besondere Kategorie der Warenproduktion

1. Die Entwicklung des Tauschwertes mit der Produktion für den Austausch

2. Tausch- und Gebrauchswert in der Warenproduktion

3. Tausch- und Produktionswert in der Warenproduktion

4. Der Mehrwert – ein ganz besonderer Teil des kapitalistisch produzierten Tauschwertes

5. Das Dreiecksverhältnis Tausch-, Gebrauchs-, und Produktionswert in der Warenproduktion

III. Kritik der marxistischen Begriffsverwirrung

1. Keine klare Unterscheidung zwischen Produktions- und Tauschwert

2. Nicht Doppel-, sondern Dreifachcharakter der Ware

Warenproduktion

I. Kleinbürgerliche Warenproduktion und kapitalistischer Handel

1. Kleinbürgerlich-selbstproduktives Eigentum an den Produktionsmitteln

2. Die embryonale Ausbeutung von Lohnarbeit in der kleinbürgerlichen Warenproduktion

3. Kapitalistischer Waren- und Geldhandel.

II. Kapitalistische Warenproduktion

1. Von der kleinbürgerlichen zur kapitalistischen Warenproduktion

2. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Sklaverei

3. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Lohnarbeit

4. Die Krisendynamik der industriekapitalistischen Warenproduktion

Die Entwicklung des Geldes als Verselbständigung und Abstraktion des Tauschwertes

1. Der noch nicht verselbständigte Tauschwert beim Naturaltausch

2. Die Herausbildung des allgemein anerkannten Tauschmittels

3. Die Funktionen des Geldes

4. Produktions- und Tauschwert des Metallgeldes

5. Gold als Weltgeld

6. Die Emanzipation des Buch- und Papiergeldes gegenüber der metallischen Basis

Ware-Geld-Beziehungen als verdinglichte gesellschaftliche Verhältnisse

1. Freie Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

2. Warenästhetik

3. Geldfetischismus

Die politische Organisation der industriekapitalistischen Warenproduktion

1. Politische Macht und Ohnmacht der Bourgeoisie in der eurasischen Übergangsperiode zum Industriekapitalismus

2. Staatlich garantierte freie Marktsubjektivität

3. Wirtschaftlicher und politischer Liberalismus

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den demokratischen Staat

5. Die extreme Mitte, Rechts- und Linksreaktion

6. Staatsinterventionismus und (klein)bürgerlicher Konkurrenzindividualismus

7. Der Nationalismus der freien Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

8. Sozialökonomische Aspekte des Imperialismus

Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes?!

I. Die marxistische und anarchistische Reproduktion des Tauschwertes

1. Inkonsequenzen des klassischen Marxismus

2. Die marxistisch-leninistische Verstaatlichung der Warenproduktion

3. Der Trotzkismus als eine oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

4. Marktsozialismus

5. Die anarchistische Reproduktion der Warenproduktion

II. Die kommunistische Überwindung des Tauschwertes

1. Objektive Voraussetzung: ein großer Anteil des Weltproletariats an der globalen Bevölkerung

2. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes

3. Objektiv-subjektive Voraussetzung: revolutionäre Situationen

4. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionäre Klassenkampforganisation

5. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die antipolitische Zerschlagung des Staates

6. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel

7. Objektiv-subjektive Voraussetzung und Folge: die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft

III. Inkonsequenzen auf einem richtigen Weg

1. GIK, Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung

2. Guenther Sandleben, Gesellschaft nach dem Geld

Geldfetischismus

Die verdinglichte menschlich-gesellschaftliche Ware-Geld-Beziehung produziert notwendigerweise ein falsches Bewusstsein, den Geldfetischismus. Das tote Ding Geld bekommt in der Ideologie der Marktsubjekte – und auch ProletarierInnen sind als VermieterInnen ihrer Arbeitskraft und als KäuferInnen von Lebensmitteln kleinbürgerliche Marktsubjekte – eine lebendige Gestalt. Es bekommt Eigenschaften von lebendigen Menschen angedichtet. Dieser Geldfetischismus kommt auch in Alltagssprüchen zum Ausdruck. Zum Beispiel in diesem: „Geld regiert die Welt.“ Geld kann nicht regieren. Es sind kapitalistische GeldbesitzerInnen, die die Welt regieren, aber nicht das tote Ding Geld. Es ist der menschliche Besitz des Geldes, die Macht demonstriert. Die Macht, sich Arbeitskräfte zu mieten, Prostituierte sexuell zu benutzen oder sich Regierungsentscheidungen zu kaufen. Es sind die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in einer kapitalistischen Warengesellschaft, die dem toten Ding Geld eine solche Macht verleihen. Und auch kapitalistische GeldbesitzerInnen werden von der Ware-Geld-Beziehung und deren Krisen mehr beherrscht, als dass sie umgekehrt die Ware-Geld-Beziehung beherrschen.

„Geld muss arbeiten!“ lautet eine Weisheit der kapitalistischen Warenproduktion. Sie ist durch und durch falsches Bewusstsein, wie sie aber notwendigerweise von der verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Ware-Geld-Beziehung produziert wird. Geld kann nicht arbeiten. Es sind produktionsmittelbesitzende KleinbürgerInnen und Lohnabhängige, die materiell-praktisch Waren und warenförmige Dienstleistungen produzieren, deren Verkauf dann das Geld vermehrt. In der kapitalistischen Warenproduktion vermehren die ProletarierInnen durch ihre Lohnarbeit das Geld der Bourgeoisie. „Geld muss arbeiten“ lenkt von der Ausbeutung des proletarischen Menschen durch die menschlichen Produktionsmittel- und GeldbesitzerInnen ab. „Arbeitendes“ beziehungsweise „sich vermehrendes Geld“ ist die Umwandlung des Geldkapitals in menschliches produktives Kapital, das dann für die Bourgeoisie noch mehr Geld produziert. Die wirkliche Produktivität der LohnarbeiterInnen wird durch den Geldfetischismus zur scheinbaren Produktivität des Kapitals beziehungsweise der Bourgeoisie. Dies wird auch durch die Bezeichnung „kapitalistische WarenproduzentInnen“ für KapitalistInnen deutlich. Doch KapitalistInnen produzieren keine Waren, sondern lassen diese von ihren Lohnabhängigen produzieren und verkaufen. Der positive Geldfetischismus, der in dem Satz „Geld muss arbeiten“ so „wunderbar“ zum Ausdruck kommt, verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit.

Zum negativen Geldfetischismus neigen dagegen weltweit Millionen ProletarierInnen, die am Ende des Geldes noch so viel Monat übrighaben. Die nicht wissen, wie sie die wichtigsten Dinge bezahlen sollen und deshalb nachts nicht schlafen können. Viele fluchen dann laut oder leise: „Scheiß Geld!“. Doch es ist nicht das tote Ding Geld, was sie bedrückt, es sind die verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie dazu sozialökonomisch zwingen, ihre Arbeitskraft gegen Geld zu vermieten, um sich dafür dann die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Es ist die kapitalistische Produktionsweise, die die grenzenlose Vermehrung des Geldes zum Hauptzweck des ganzen Geschehens macht. Deren Tendenz dafür ProletarierInnen überauszubeuten, so dass deren biosoziale Reproduktion gefährdet ist. So dass diejenigen, die ganz viel Geld für die Bourgeoisie produzieren, in der Regel relativ – und nicht gerade selten auch absolut – wenig selbst davon haben. Der Fluch „Verdammtes Geld!“ lenkt von den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Warenproduktion nicht weniger ab wie der positive Geldfetischismus.

Der negative Geldfetischismus reagiert sich wütend und hasserfüllt am Geld ab, während die anderen politökonomischen Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft bejaht und begrüßt werden. So ist es bei vielen linken und rechten IdeologInnen gang und gebe die „Realwirtschaft“ – also die kapitalistische Warenproduktion – gegen die böse Finanz- und Bankenwelt auszuspielen. Als ob nicht die ganze „Realwirtschaft“ notwendig vom Ziel befeuert würde, das Geld grenzenlos zu vermehren. Wer zwischen Banken und der „Realwirtschaft“ als zwischen „böse“ und „gut“ unterscheidet, ist objektiv ein/e Demagoge/in.

Der negative Geldfetischismus wird von den untereinander konkurrierenden Marktsubjekten – einschließlich der ProletarierInnen – gegenseitig moralisierend als ethischer Überbau des Konkurrenzkampfes in Stellung gebracht. Die jeweils anderen denken nur an das Geld! So kann die sozialökonomische Tatsache, dass fast alle Menschen im Kapitalismus die verdinglichte Ware-Geld-Beziehung leben und gezwungenermaßen ihr Leben, Tun, Denken und Fühlen mehr oder weniger vom Geld bestimmt ist, ausgeblendet, von sich selbst als Marktsubjekt abgelenkt und moralisierend-gehässig auf die jeweils anderen gelenkt werden. Der negative Geldfetischismus verband sich mit dem Antijudaismus und richtete sich mörderisch-hasserfüllt gegen „die Geldjuden“. Die kleinbürgerliche und kapitalistische Warenproduktion badete sich in Judenblut, wodurch auch „arische“ KleinbürgerInnen und Bourgeois ihr Geld auf Kosten der jüdischen Konkurrenz vermehren konnten.

Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige „Rasse“. Hier ein Zitat von Hitler, welches das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.

Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“

Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte. Die eigene kleinbürgerliche Konzentration auf das Geld wurde auf die „anderen“, die Juden und Jüdinnen, projiziert und diese Objekte der eigenen Projektion fanatisch bekämpft. Nun ja, indem die Nazis 1933 von der Mehrheit der deutschen Bourgeoisie als ihre offiziellen Folterknechte und Mordbuben gemietet wurden, konnten nicht wenige Nazibonzen ihre Taschen mit Geld füllen. Durch die „Arisierung der deutschen Wirtschaft“ konnten „arische“ KapitalistInnen auf Kosten der enteigneten jüdischen Bourgeoisie ihr Geld vermehren. Negativer Geldfetischismus als Moment des Konkurrenzkampfes im Rahmen der Geldvermehrung.

…..

Der Wirtschaftsliberale Silvio Gesell hatte nichts gegen die kapitalistische Warenproduktion an sich, als negativer Geldfetischist reagierte er sich am zinstragenden Bankkapital ab. Als ArbeiterInnen galten ihm fast alle Klassen und Schichten der kapitalistischen Gesellschaft, von den KönigInnen bis zu den HilfsarbeiterInnen – nur die von Kapitalzinsen Lebenden galten ihm als SchmarotzerInnen. Das war die alte Gegenüberstellung des „produktiven“ Kapitals, das in der Industrie und im Handel angelegt war, gegen das „schmarotzende“ zinstragende Kapital. Diese Ideologie, die nicht nur von Gesell produziert wurde, unterschlägt, dass im Kapitalismus nur das Proletariat und das KleinbürgerInnentum produktiv sind. Erstere vermehrt durch dessen Arbeit das Kapital der Bourgeoisie. Der Zins, von dem einige Angehörige der Bourgeoisie leben, ist lediglich ein Teil des Mehrwertes, der durch die Ausbeutung des Proletariats entsteht. Auch unterschlug Gesell, dass es auch dem Industrie- und Handelskapital um die Vermehrung des Tauschwertes, also des Geldes, geht. Gießkannen, Panzer und pazifistische Bücher werden nur hergestellt, wenn ihre Produktion und Verkauf den KapitalistInnen mehr einbringen als das ganze kostet. Allerdings verband Gesell seinen negativen Geldfetischismus nicht mit dem Antijudaismus, er stellte also das zinstragende Kapital nicht als „jüdisches“ dar. Total reaktionär war seine Ideologie trotzdem, weil sie die Quelle des kapitalistischen Geldreichtums, die Ausbeutung des Proletariats im Produktionsprozess, verdunkelte. Gesell war also ein Freund der kapitalistischen Warenproduktion und ein negativer Geldfetischist. Er kam auf die Idee ein „Schwundgeld“ oder „Knochengeld“ zu schaffen, das Geld sollte also aus einem Material geschaffen werden, das seine Substanz verlieren würde und deshalb nicht gehortet werden könnte.

Auch der kommunistische Anarchist Erich Mühsam (siehe Kapitel I.5 der Schrift Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes) triftete teilweise in negativen Geldfetischismus ab. Er schrieb über die Geldtheorie von Gesell: „…seine Geldtheorie dagegen scheint berufen, nicht, wie er annahm das Wirtschaftsregulativ der freiheitlichen Gesellschaft zu werden, wohl aber das Übergangsverfahren vom kapitalistischen Währungssystem zum geldlosen Kommunismus zu ermöglichen.“ (Erich Mühsam, Ein Wegbahner. Nachruf zum Tode Gesells 1930, in: Klaus Schmitt (Hg.), Silvio Gesell. Marx der Anarchisten? Texte zur Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus und der Kinder und Mütter vom patriarchalischen Bodenunrecht,Karin Kramer Verlag, Berlin 1989, S. 297.) Der letzte Satz ist natürlich Unsinn. Mühsam zeigt sich hier als negativer Geldfetischist, der sich am Ding Geld abreagiert, anstatt darüber nachzudenken wie die verdinglichten Tauschverhältnisse der Warenproduktion, also die Ware-Geld-Beziehungen durch eine klassen- und staatenlose gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel aufgehoben werden kann (siehe Kapitel II.6 des Textes Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes).

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Neue Broschüre: Globale Klassenkämpfe (2021/2022) https://swiderstand.blackblogs.org/2023/03/02/neue-broschuere-globale-klassenkaempfe-2021-2022/ Thu, 02 Mar 2023 23:58:24 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=607 Unsere neue Broschüre „Die Krise der biosozialen Reproduktion“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

1. Das produktive und „unproduktive“ Elend des Weltproletariats

2. Der Weltkapitalismus

3. Die Dynamik des weltweiten Klassenkampfes

4. Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung

5. Klassenkonflikte im Gesundheitswesen und in der Pflege

6. Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst und in den Staatsapparaten

7. Klassenkämpfe in der Rohstoff-, Chemie- und Energiebranche

8. Kämpfe auf dem Bau

9. Konflikte in Bildung und Wissenschaft

10. Klassenkonflikte bei den Druckereien, Medien und Internetplattformen

11. Klassenauseinandersetzungen im Handel

12. Konflikte im Personen- und Güterverkehr (Logistik)

13. Auseinandersetzungen in der Metall- und Elektrobranche

14. Klassenkonflikte in der Finanzbranche

15. Kämpfe in der Agrarproduktion und der Lebensmittelindustrie

16. Klassenzusammenstöße bei Starbucks

17. Konflikte in der Reinigungsbranche

18. Auseinandersetzungen in der Textilbranche

19. Proletarischer Widerstand gegen Aufrüstung, Waffentransporte und Krieg

20. Branchenübergreifende Massenstreiks

21. Gesamtgesellschaftliche Protestbewegungen

22. Die mögliche soziale Weltrevolution

6. Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst und in den Staatsapparaten

Die staatlich dienenden Lohnabhängigen werden von dem dialektischen Widerspruch bestimmt, dass sie einerseits im Auftrag der Bourgeoisie teilweise gegen das klassenkämpferische Proletariat repressiv vorgehen, andererseits aber auch selbst einen Klassenkampf gegen die regierenden BerufspolitikerInnen um Löhne und Arbeitszeiten führen. Falls sich der gesamtgesellschaftliche Klassenkampf in außergewöhnlichen Situationen zur sozialen Revolution radikalisiert, ist die antipolitische Zerschlagung des Staates notwendig. Diese ist jedoch unmöglich, wenn sich nicht große Teile der staatlich dienenden Lohnabhängigen auf die Seite der Revolution stellen (siehe Kapitel 22). Konflikte zwischen den staatlich dienenden Lohnabhängigen und den regierenden BerufspolitikerInnen sind also für die weitere Entfaltung der Dynamik des globalen Klassenkampfes enorm wichtig.

Aus der Perspektive von Kapital und Staat sind für deren Reproduktion selbstverständlich staatstragende Gewerkschaften wichtig, die darauf achten, dass der Klassenkampf der staatlich dienenden Lohnabhängigen im Rahmen des Bestehenden bleiben. Das sich das deutsche Nationalkapital voll auf seine Gewerkschaften verlassen kann, zeigte unter anderem die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Bundesländer im Jahre 2021. Als die Seite der regierenden BerufspolitikerInnen verhandelte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) und auf der Gewerkschaftsseite die DGB-Organisationen Verdi, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Gewerkschaft der Polizei (GdP), und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie die BeamtInnenorganisation dbb tarifunion. Die Bundesländer beuten durchschnittlich zwei Millionen staatlich dienende Lohnabhängige aus. Verhandlungen zum Tarifvertragsschacher fanden am 8. Oktober in Berlin, den 1./2. November und am 27./28. November 2021 jeweils in Potsdam statt.

Die Gewerkschaften gingen mit der Forderung nach fünf Prozent mehr Gehalt und einer Mindestlohnerhöhung von 150 Euro bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von einem Jahr in die Verhandlungen. Außerdem forderte Verdi, dass die Beschäftigten des Gesundheitswesens im öffentlichen Dienst der Bundesländer tabellenwirksam 300 Euro mehr Lohn pro Monat erhalten sollten. Für die Auszubildenden wurde eine Erhöhung der Vergütungen um 100 Euro verlangt. Auch strebte Verdi mit den Bundesländern einen separaten „Verhandlungstisch“ zum Gesundheitswesen an.

Während des Tarifvertragsschachers organisierten die Gewerkschaften ein paar Warnstreiks, damit der Druck der Basis kanalisiert und kontrolliert abgelassen werden konnte. So zum Beispiel die Gewerkschaft Verdi in Nordrhein-Westfalen. Am 9. November 2021 legten die Beschäftigten der dortigen Unikliniken in Düsseldorf, Essen und Köln die Arbeit nieder. Am 10. November organisierte Verdi Streiks an den Kliniken in Bonn und Münster. Außerdem organisierte die Gewerkschaft ebenfalls am 10. November einen bundesweiten Warnstreik von Nachwuchskräften im öffentlichen Dienst der Länder.

Auch organisierten die Gewerkschaften GEW und Verdi unabhängig voneinander – die Bonzen dieser Gewerkschaften ließen ihre Mitglieder noch nicht einmal gemeinsam die Arbeit niederlegen – in der zweiten Novemberwoche Streiks von ErzieherInnen, Lehrkräften und Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Berlin. So rief Verdi MitarbeiterInnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zu einer achttägigen Arbeitsniederlegung auf, die am 10. November begann. Am 11. November rief die GEW zu einem Warnstreik auf. Am 16. November (Gesundheitstag) organisierte Verdi flächendeckende Streiks im Gesundheitswesen der Bundesländer. Außerdem organisierten die Gewerkschaften am 25. November 2021 noch einmal Warnstreik und Demonstration in Berlin, an der 4.000 KollegInnen teilnahmen.

Nachdem die Gewerkschaftsbonzen ein wenig streiken ließen, einigten sie sich mit den regierenden BerufspolitikerInnen der Bundesländer am 29. November 2021auf einen Tarifvertrag, der ein Reallohnverlust für die Lohnabhängigen bedeutete. Wieder einmal zeigte es sich, wie wichtig Gewerkschaften für ein funktionierendes Nationalkapital sind. Die im Tarifvertragsschacher aufgestellte Forderung nach einer finanziellen Gleichstellung von angestellten und verbeamteten LehrerInnen wurde fallengelassen wie eine heiße Kartoffel. Auch im Gesundheitswesen der Bundesländer wurde durch den Tarifvertrag keine generelle Lohnerhöhung erreicht. Die Gewerkschaftsbonzen setzten lediglich verbesserte Zulagenregelungen für bestimmte Bereiche durch. Generell bekamen die Lohnabhängigen des öffentlichen Dienstes 2,8 Prozent mehr Geld und eine steuerfreie Eimalzahlung von 1.300 Euro. Und dies bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten (1. Oktober 2021 bis 30. September 2023). Die nach dem Tarifvertragsschacher erst richtig einsetzende Inflation fraß die mickrige Lohnerhöhung vollständig und noch viel mehr auf.

Der Verdi-Apparat ließ, nachdem er erfolgreich zusammen mit der Regierungspolitik der Bundesländer einen gewaltigen Reallohnverlust organisiert hatte, ein wenig Gewerkschaftsdemokratie spielen. Er ließ, gnädig wie er ist, eine unverbindliche Mitgliederbefragung zu. Und am 17. Dezember 2021 beschloss die Verdi-Bundestarifkommission endgültig den erfolgreichen Angriff auf den Geldbeutel der Mitglieder. Auch die GEW zeigte sich so staatsmännisch wie sie ist und nannte auf einer Pressemitteilung vom 29. November 2021 den Tarifvertrag einen „verantwortungsvollen Abschluss in schwieriger Corona-Zeit“ (zitiert nach LabourNet Germany). Klar, es war ganz schwer für die regierenden Charaktermasken des kapitalistischen Staates. Da muss eine verantwortungsbewusste Gewerkschaft schon mal einen Reallohnverlust der staatlich dienenden Lohnabhängigen mit organisieren.

Auch in diesem reproduktiven Klassenkampf entfaltete sich bereits der Gegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und „ihrer“ lohnabhängigen Basis. An diesen knüpfen proletarische RevolutionärInnen an, ohne sich jedoch an die Kapital und Staat reproduzierenden Grenzen und das sozialreformistische Bewusstsein des innergewerkschaftlichen Protestes anzupassen.

So hieß es in einer Resolution der Verdi-Basisgruppe Botanischer Garten Berlin vom 7. Dezember 2021: „In der Tarifrunde der Länder (TV-L) haben sich Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf ein Verhandlungsergebnis geeinigt. Bis zum 22.12.21 sollen Mitgliederbefragungen in den Betrieben und Dienststellen stattfinden. Die Option ,weiterstreiken‘ ist in der Abfrage nicht vorgesehen! Tarifeinigung: Inflation frisst Lohnerhöhung! (…)

Durch den Reallohnverlust wird der öffentliche Dienst eine Abwertung, statt der notwendigen Aufwertung erfahren! Gravierend negative Folgen inklusive: Aus den Verwaltungen im öffentlichen Dienst wird jetzt schon berichtet, dass die Bewerberlage für Stellenangebote schlecht ist. Viele Beschäftigte wandern in die Privatwirtschaft ab. Aber nicht nur Beschäftigte leiden unter der mangelnden Ausfinanzierung, sondern alle Menschen, die von der öffentlichen Daseinsvorsorge abhängig sind: Studierende, Schüler, Kinder, Eltern, Pflegebedürftige, Geflüchtete etc. Stimmen wir für den Reallohnverlust, dann beteiligen wir uns auch daran, dass der öffentliche Dienst weiter an Kraft und Bedeutung verliert. Neoliberale Kräfte verwenden dann mangelnde Qualität als Folge der schlechten Ausfinanzierung als Argument für weitere Ausgliederungen! Mit den Ausgliederungen verliert die Politik Steuerungsmöglichkeiten und WählerInnen demokratischen Einfluss. (…)

(Anmerkung der Nelke: Hier haben wir die staatsreproduzierende Grenze des reproduktiven Klassenkampfes und -bewusstseins vor uns. Die KollegInnen hegen noch große selbstentwaffnende Illusionen in das demokratische Regime ihrer AusbeuterInnen. Sie kämpfen für eine Verbesserung des öffentlichen Dienstes, aber (noch?) nicht bewusst gegen den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Natürlich bekämpfen auch proletarische RevolutionärInnen die konkrete Wirtschaftspolitik in der strukturellen Profitproduktionskrise (siehe Kapitel 2) – Privatisierung der Gewinne, Verstaatlichung der Verluste –, aber sie schüren keine Illusionen in den Staatssektor.)

Dass GEW und Verdi nicht einmal zu gemeinsamen Streiks aufgerufen haben, lässt uns vermuten: Es wäre mehr drin gewesen. Wie kann man die vorliegende Einigung als alternativloses Resultat gegenseitigen Kräftemessens repräsentieren, wenn die Kräfte auf Gewerkschaftsseite durch gemeinsame Streiks zu keinem Zeitpunkt gebündelt wurden? (…)

Das Totschlagargument der geringen ,Durchsetzungskraft‘ bzw. des geringen ,Organisationsgrades‘ muss in Frage gestellt werden. Wie sollen wir neue Mitglieder gewinnen, wenn die Gewerkschaft nicht im Ansatz zeigt, dass sie bereit ist, für die Durchsetzung ihrer Forderungen zu kämpfen, sondern schnellstmöglich den erstbesten (oder besser gesagt erstschlechtesten) faulen Kompromiss eingeht. (…)

Wir erteilen der Tarifeinigung mit Reallohnverlust für die Beschäftigten, die den Laden am Laufen halten, eine klare Absage! Ebenso kritisch sehen wir die Verfahrensweise und die demokratischen Prozesse: In der Multiple-Choice-Umfrage zum Verhandlungsergebnis können Verdi-Mitglieder die Option ,Weiterstreiken‘ nicht einmal ankreuzen. Gleichzeitig wird die Coronapandemie als Argument gegen Erzwingungsstreiks genutzt. Wir sagen: Die Pandemie ist das Argument zum Weiterstreiken!

Unsere Forderungen! Die Verdi-Basisgruppe des Botanischen Gartens Berlin fasste am 07.12.2021 nachfolgende Beschlüsse: Wir fordern die Gewerkschaften dazu auf eine Mitgliedsbefragung durchzuführen, bei der die Option des Erzwingungsstreiks vorgesehen ist. Wir rufen Betriebs- und Unterstützungsgruppen dazu auf, ebenfalls entsprechende Beschlüsse zu fassen und diese an die Bundestarifkommission zu senden und zu veröffentlichen.“ (Zitiert nach LabourNet Germany).

Diese Resolution machte den Klassengegensatz zwischen der Basis und dem Apparat von Verdi deutlich. Die KollegInnen appellierten allerdings noch an die Gewerkschaftsbonzen einen radikaleren Klassenkampf zu führen. Proletarische RevolutionärInnen treten grundsätzlich dafür ein, das Streikmonopol der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate durch die gewerkschaftsunabhängige klassenkämpferische Selbstorganisation in Form von wilden Streiks zu brechen. Dies erfordert jedoch eine hohe Reife des Klassenkampfes und des -bewusstseins, was eher in einzelnen Betrieben als in ganzen Branchen erreicht werden kann. Nur im verschärften Klassenkampf ist es möglich, dass der Klassengegensatz zwischen den Lohnabhängigen und den bürgerlichen Gewerkschafsbonzen eine solche offensichtliche Tiefe erreicht, dass gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees einer ganzen Branche entstehen, die das Streikmonopol dieser sozialreaktionären Apparate in der Praxis brechen. Darauf vorzubereiten, das entspricht der Tätigkeit von proletarischen RevolutionärInnen. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Gewerkschaften, die für einen Reallohnverlust streiken lassen, taugen noch nicht mal für einen reproduktiven Klassenkampf. Sie können das Klassenbewusstsein, dass das bewusste Sein des kollektiven Kampfes der Klasse ist, nur ersticken.

Den Gewerkschaftsbonzen allerdings vorzuwerfen, sie würden sich nicht „aktiv“ und „kämpferisch“ genug für „ihre“ Basis einzusetzen – also den Job des Sozialreformismus nicht effektiv genug ausüben –, kann nur die Gewerkschaftskette und die reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes reproduzieren. Es ist aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaftsapparate absolut notwendig ist, wenn sich das Proletariat grundsätzlich von kapitalistischer Ausbeutung und staatlicher Elendsverwaltung befreien will. Dieser mehrheitliche Wille der Klasse kann als bewusster Ausdruck des revolutionären Prozesses allerdings auch nur im und mit diesem, jedoch nicht davor sich herauszubilden. Aber damit dies vielleicht irgendwann einmal geschieht, müssen SozialrevolutionärInnen den absolut reaktionären Charakter der Gewerkschaften schon heute deutlich betonen und allen reformistischen Illusionen in diese Gebilde kompromisslos entgegentreten.

In Brasilien traten die SteuerbeamtInnen am 28. Dezember 2021 in den Bummelstreik. Davor hatte die regierende Charaktermaske des Staates, der Rechtsreaktionär Bolsonaro, die Bezüge der offiziellen Hooligans der Militär- und Bundespolizei sowie der GefängniswärterInnen erhöht, während die anderen KollegInnen des öffentlichen Dienstes leer ausgingen. Dagegen richtete sich der Bummelstreik der SteuerbeamtInnen. Sie machten Dienst nach Vorschrift bei der Überprüfung der Lebensmittelvorschriften und der Zollabfertigung. Bestandteil des Bummelstreiks war, dass die BeamtInnen „nur“ 8 Stunden am Tag arbeiteten. Sonst sind Überstunden die Regel, aber die wurden jetzt verweigert. Das führte zu langen Schlangen von LKWs an den Grenzposten in Südbrasilien. Dort werden Waren aus Argentinien, Chile und Paraguay importiert.

Das verzögerte die Zirkulationsperiode vieler Einzelkapitale – in dieser Periode wird Geld- in gegenständliches produktives Kapital (Produktionsmittel) beziehungsweise Waren- in Geldkapital (Verkauf der Produkte) verwandelt. Die Verlängerung der Zirkulationsperiode des Kapitalumschlags führte zu Profitverlusten. Der Bummelstreik der SteuerbeamtInnen wirkte also. Bereits 48 Stunden nach dessen Beginn führten die Verzögerungen zu einer Verringerung der Fleischproduktion um 60 Prozent. So protestierten dann auch zwei „Arbeitgeber“-Verbände, die Exporteure von Fleisch und die Betreiber von Kühlhäusern, gegen diese aus Kapitalsicht „illegalen“ Verzögerungen. Die den Bummelstreik organisierende Gewerkschaft Anfa Sindical betonte dagegen, dass sie streng im Rahmen der Legalität agierte. Ja, so etwas ist für Gewerkschaftsapparate sehr wichtig.

Die Gewerkschaft Anfa Sindical forderte die Aufstockung des Personals und „eine gerechtere Verteilung der Lohnerhöhungen“ im öffentlichen Sektor. Letzteres war purer Moralismus, denn Lohnarbeit hat grundsätzlich etwas mit Ausbeutung, aber absolut gar nichts mit „Gerechtigkeit“ zu tun.

Die erste Reaktion der SteuerbeamtInnen auf Bolsonaros Erhöhung der Bezüge ausschließlich der Repressionskräfte war eine Kündigungswelle (siehe auch Kapitel 14 über den Streik der Angestellten der Zentralbank dagegen).

In Belgien entfaltete sich am 31. Mai 2022 im öffentlichen Dienst des Landes ein eintägiger Generalstreik. Dazu aufgerufen hatten die Apparate der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst CGSP und FGTB. Der Ausstand stand unter dem moralistischen Motto „Wir bekommen weder die Mittel, noch den Respekt, den wir verdienen!“ Für das Kapital sind alle Lohnabhängigen strukturell nur Ausbeutungsmaterial. Es ergibt nicht viel Sinn, wenn ProletarierInnen von der Bourgeoisie – einschließlich der den Staat managenden BerufspolitikerInnen – „Respekt“ einfordern. Wenn die Gewerkschaftsbonzen von Kapital und Staat „Respekt“ einfordern, dann sagen sie faktisch: Gebt euch mehr Mühe, um die Gewerkschaften und über sie die Belegschaften in das Nationalkapital zu integrieren. Verwirklicht diese Integration vor allem auf einem materiell höheren Level.

Doch auch staatlich dienende Lohnabhängige werden vom Staat objektiv-strukturell als Kostenfaktor behandelt, bei dem es vor allem zu sparen gilt. Auf diesen Fakt weisen proletarische RevolutionärInnen hin, um praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Sie fordern nicht Respekt für die Lohnabhängigen von Staat, sondern machen deutlich, dass der letztere ein struktureller Klassenfeind ist. Diese Radikalisierung des Klassenbewusstseins und des Klassenkampfes zum bewussten Fight gegen den Staat als Ausbeuter versuchen die Gewerkschaftsapparate mit aller Gewalt zu verhindern – auch mit Moralausdünstungen, die jedoch die staatlich dienenden Lohnabhängigen praktisch-geistig genau als solche reproduzieren. Um sich aus dieser Rolle zu befreien, müssen sie den Staat antipolitisch zerschlagen.

Doch das wollen die Gewerkschaften nicht. Sie haben „Respekt“ gegenüber dem Staat. Diesen bringen sie auch zum Ausdruck, wenn sie ihre lohnabhängige Basis begrenzt für reproduktive Ziele mobilisieren. So forderten die beiden Gewerkschaften vom Staat mehr „Kaufkraft“ – was auch gut für das Kapital ist, welches in der Konsumgüterindustrie angelegt ist –, mehr „Respekt für den sozialen Dialog“, womit sie natürlich wundervoll den Klassengegensatz zwischen den kapitalistischen Staat und den von ihm ausgebeuteten Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst verkleistern. Und „mehr Respekt“ verlangen die Gewerkschaftsbonzen auch für die Renten der staatlich dienenden Lohnabhängigen. Innerhalb dieser den Staat und das Kapital reproduzierenden Grenzen ließen CGSP und FGTB an jenem 31. Mai 2022 im Verkehr, bei den BürgerInnendiensten und in den Schulen streiken. Wahrlich, die Gewerkschaften haben den „Respekt“ des Staates redlich verdient…

In Südafrika wurde am 17. August 2022 die Demonstration der ArbeiterInnen der Kommunalbetriebe und der Verwaltung des Bezirks Steve Tshwete in Middleburg brutal von den Bullen des herrschenden ANC-Regimes und privaten Sicherheitsdiensten angegriffen. Die KollegInnen kämpften seit März 2022 für die Einhaltung des Tarifvertrages, der 2021 ausgehandelt wurde, und für die Anhebung der Gehaltsstufen. Das ANC-Regime ging bereits im April 2022 repressiv gegen die Kommunalangestellten vor. 13 Lohnabhängige wurden wegen einer Arbeitsniederlegung vom Dienst suspendiert. Im Juli wurden weitere 100 klassenkämpferische Kommunalangestellte entlassen. Dagegen richtete sich die Demonstration vom 17. August 2022, bei der das Regime wieder mal seine blutige Fratze zeigte. Dessen Hooligans schossen auf die demonstrierenden KollegInnen, als diese versuchten in das Verwaltungsgebäude von Steve Tshewete zu gelangen. Dabei starb ein Mensch noch am Ort des Geschehens, ein weiterer erlag später im Krankenhaus seinen Schussverletzungen. Zwei weitere Menschen wurden verwundet.

Aus dieser abermaligen blutigen Lektion ist klar folgende Schlussfolgerung zu ziehen: Das ANC-Regime ist gegen das klassenkämpferische Proletariat nicht weniger brutal als das frühere rassistische Apartheid-Regime! Nationale „Befreiung“ ist untrennbarer Teil der kapitalistischen Sozialreaktion! Nur durch die soziale Revolution kann sich das Proletariat aus Ausbeutung und Unterdrückung befreien!

Sehr bedeutend für die Entwicklung einer klassenkämpferischen Solidargemeinschaft zwischen den staatlich dienenden Lohnabhängigen und dem migrantischen Proletariat war der Protest gegen die repressive Abschiebepraxis des britischen Staates. Dieser will seit Juni 2022 Asylsuchende aus Ruanda noch während ihres Verfahrens dorthin abschieben. Der erste Abschiebeflug im Juni wurde noch gerichtlich unterbunden. Doch am Ende des Jahres änderte sich die rechtliche Situation. Die Justiz des Landes gab der Exekutive grünes Licht. Am 19. Dezember 2022 erklärte ein Gericht diese Verschärfung der Repression für rechtmäßig. Diese würde nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen.

Doch die Lohnabhängigen leisteten Solidarität mit den MigrantInnen. Die Basismitglieder der Gewerkschaft der RegierungsbeamtInnen und des öffentlichen Dienstes, Public and Commercial Service Union (PCS), protestierten gegen diese brutale Form der staatlichen Repression und der Apparat musste mitziehen. Auch die Transportarbeitergewerkschaft RMT war bereit, diese Abschiebungen zu behindern. An dieser Solidarität der Lohnabhängigen scheiterten die Versuche des britischen Staates, im August und Oktober 2022 MigrantInnen nach Ruanda abzuschieben. Die ArbeiterInnen, die diese Flüge abfertigen sollten, spielten nicht mit und die Gesellschaft, die die Flüge hätte durchführen sollen, kündigte den Vertrag auf. Durch diese widerständische Solidarität konnten bis Ende des Jahres 2022 Abschiebungen nach Ruanda verhindert werden.

Auch nach der juristischen Absegnung der Abschiebung nach Ruanda „bleibt sie“ für die Gewerkschaft PCS „moralisch verwerflich und absolut unmenschlich, und die PCS fordert das Innenministerium auf, das anzuerkennen und aufzugeben.“ Diesen moralistischen Appell an den politischen Gewaltapparat der Bourgeoisie, verband die staatstragende PCS mit einem Bekenntnis zu einer grundsätzlichen Kooperation mit dem Staat: „Wir möchten, dass das Innenministerium seine feindselige Haltung gegenüber Flüchtlingen aufgibt, um mit uns zusammenarbeitet, um ein humanes System aufzubauen.“ (Zitiert nach: Dieter Reinisch, Streiks gegen Abschiebungen, in: junge Welt vom 27. Dezember 2022, S. 15.)

SozialrevolutionärInnen betonen im Gegensatz zu reformistischen Gewerkschaftsbonzen, dass soziale Emanzipation nicht mit dem Staat, sondern nur gegen ihn zu erkämpfen ist. Letztendlich nur durch seine antipolitische Zerschlagung (siehe Kapitel 22).

Der Trotzkist Dieter Reinisch schürte in der linksreaktionären Tageszeitung junge Welt Illusionen in die sozialreformistisch-staatstragende PCS: „Mit ihren rund 235.000 Mitgliedern ist die PCS die sechstgrößte britische Gewerkschaft, und sie zählt zu den kämpferischen. Serwotka ist seit 2005 Generalsekretär. In den 1980ern war der jetzt 59jährige Mitarbeiter der trotzkistischen Wochenzeitung Socialist Organiser, danach im Wahlbündnis ,Socialist Alliance‘ aktiv und später in der Partei ,Respect‘, die 2004 als Abspaltung von Labour aus der Bewegung gegen den Irakkrieg entstand.“ (Dieter Reinisch, Streiks gegen Abschiebungen, a.a.O.)

Wir sehen hier deutlich, wie der Trotzkismus als dekadente parteimarxistische Politideologie (siehe Kapitel 4) mit seinem Gewerkschaftsreformismus nur Kapital und Staat reproduzieren kann. Dagegen orientieren wir klar auf die antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung des Staates.

Die PCS organisierte auch die Streiks der britischen Grenzschutzbehörden im Dezember 2022. Viele von ihnen werden an Passkontrollen an See- und Flughäfen eingesetzt. Ein erster Ausstand entfaltete sich vom 23. bis zum 26. Dezember. Außerdem legten die KollegInnen vom 29. bis zum 31. Dezember 2022 die Arbeit nieder. Sie streikten für zehn Prozent Lohnerhöhung, „Rentengerechtigkeit“, „Arbeitsplatzsicherheit“ (also auch sozialkonservativ für die Existenz von Staaten und deren Grenzen) und den Verzicht auf Kürzungen bei Entlassungen. Der Ausstand betraf die Flughäfen in Birmingham, Cardiff, Catwick, Glasgow, Heathrow und Manchester sowie den Hafen von Newhaven.

Der britische Staat setzte während dieses Klassenkampfes der Grenzschutzbehörden SoldatInnen als Streikbrecher ein. Der britische Staatssender BBC zitierte am 29. Dezember 2022 einen Sprecher des Flughafens Heatrow, dass die Einreisehallen „frei zugänglich“ seien und der Flughafen „keine Probleme“ hätte. Einige Tage vor dem Streik konnte mensch im Guardian lesen, dass die kurzfristig zu Streikbrechern ausgebildeten SoldatInnen und BeamtInnen angehalten worden seien, die Menschen nicht aufzuhalten, „es sei denn, es gebe Hinweise auf eine Straftat“. Der Kommentar von PCS-Generalsekretär Mark Serwotka in einer Mitteilung der Gewerkschaft: Die Regierung habe sich gebrüstet, es gebe keine Warteschlangen bei der Passkontrolle, „aber natürlich gibt es keine Warteschlangen, wenn niemand angehalten wird.“ (Alle Zitate aus: Militär kontrolliert, in: junge Welt vom 30. Dezember 2022, S. 9.)

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Neue Broschüre: Krieg und Frieden in der kapitalistischen Internationale https://swiderstand.blackblogs.org/2022/05/31/krieg-und-frieden-in-der-kapitalistischen-internationale/ Tue, 31 May 2022 22:42:48 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=344 Unsere neue Broschüre „Krieg und Frieden in der kapitalistischen Internationale“ (ca. 136 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Die kapitalistische Internationale und das Weltproletariat
1. Das globale Kapitalverhältnis
2. Kapitalistische Globalisierung
3. Das Weltproletariat
4. Die internationale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung
5. Die Notwendigkeit einer globalen antipolitisch-sozialrevolutionären Strömung
6. Die mögliche Weltrevolution

II. Allgemeine Betrachtung über Krieg und Frieden
1. Krieg und Frieden innerhalb des Weltkapitalismus
2. Kooperation und Konkurrenz in der kapitalistischen Internationale
3. Krisendynamik, Krieg und Klassenkampf

III. Der Krieg in der Ukraine
1. Vorgeschichte und BürgerInnenkrieg
2. Der russische Angriffskrieg
3. Der indirekte Krieg des westlichen Imperialismus gegen Russland
4. Internationale Reaktionen und Folgen
5. Die Mobilmachung der deutschen Nationaldemokratie
6. Klassenkampf gegen den Krieg!
7. Die Kriegs- und Friedenslinke des Kapitals

Vorgeschichte und BürgerInnenkrieg

Der erste Kalte Krieg endete mit dem nationalistischen Zerfall der Sowjetunion Ende 1991, aus dem Russland als größter Nachfolgestaat hervorging. Der Westen intervenierte gegen den Widerstand Russlands imperialistisch in Jugoslawien, er unterstütze alle innerjugoslawischen Nationalismen die gegen den serbischen Nationalismus, der unter jugoslawischer Maske agierte, gerichtet war. So wurde Jugoslawien nationalistisch-imperialistisch in sieben Nationalstaaten zerschlagen. Durch den imperialistischen Krieg von 1999 half die NATO der albanisch-nationalistischen UÇK die ehemalige serbische Provinz, die vorwiegend von „AlbanerInnen“ bewohnt war, abzuspalten. Ab 2008 ist der Kosovo ein „selbständiger“ Nationalstaat, dessen politische Unabhängigkeit von Serbien von EU und NATO unterstützt wurde. SozialrevolutionärInnen mussten währen der Jugoslawien-Kriege in den 1990er Jahren alle Nationalismen, Jugoslawien und den westlichen Imperialismus bekämpfen.

Der westliche Imperialismus nutzte die sozialökonomische und politische Schwäche Russlands während der Transformationskrise der 1990er Jahre auch zur expansiven Ostausdehnung seiner Bündnissysteme EU und NATO. So traten am 12. März 1999 Tschechien, Polen und Ungarn der NATO bei. Am 29. März 2004 folgten Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Der Beitritt von Albanien und Kroatien am 1. April 2009 zum westlichen Militärbündnis war imperialistischer Ernst, aber kein Aprilscherz. Montenegro trat am 5. Juni 2017 der NATO bei. Am 27. März 2020 wurde auch Nordmazedonien Teil dieses imperialistischen Kriegsbündnisses. Russland lehnte die Osterweiterung des westlichen Militärbündnisses von Anfang an ab, konnte sie aber realpolitisch nicht verhindern. Die Osterweiterung der EU erfolgte in folgenden Schritten: Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien sowie Ungarn bei. Es folgten am 1. Januar 2007 Bulgarien und Rumänien. Die imperialistische Osterweiterung von NATO und EU schränkte die Macht des russischen Imperialismus stark ein. Schließlich war Osteuropa davor die Einflusszone des sowjetischen Imperialismus, die sich Moskau im Zweiten Weltkrieg erobert hatte.
Doch die imperialistische Ostexpansion von EU und NATO stieß bereits im Jahre 2008 in Georgien auf die erbitterte Gegenoffensive des russländischen Imperialismus. Das nun privatkapitalistische Russland hatte seine Transformationskrise überwunden und konnte sich wieder stabilisieren. Georgien ging genau wie Russland aus dem nationalistischen Zerfall des sowjetischen Imperialismus hervor. Allerdings gab es auch in Georgien nationalistischen Zank. So spaltete sich bereits 1990 Südossetien faktisch von Georgien ab, was aber von den meisten Staaten nicht anerkannt wurde, weshalb es völkerrechtlich als Teil der georgischen Nation gilt. 1990 wurde dieser Streit zwischen Georgien und Südossetien auch militärisch ausgetragen, wobei Russland auf Seiten Südossetiens intervenierte. Im Juni 1992 schlossen Russland und Georgien ein Waffenstillstandsabkommen, aufgrund dessen „Friedenstruppen“ – wieder einmal trat der imperialistische Frieden bewaffnet auf, anders ist er auch gar nicht zu haben –, bestehend aus georgischen, südossetischen und russischen Soldaten, in Südossetien stationiert wurden. In der Nacht vom 7. zum 8. August 2008 versuchte der inzwischen prowestliche georgische Imperialismus, der Richtung NATO strebt, Südossetien militärisch zurück zu erobern, wobei es auch zu Gefechten mit den russischen „Friedenstruppen“ kam. Nun schlug der russische Imperialismus militärisch zurück. Innerhalb von fünf Tagen nahmen russische Truppen Südossetien ein und rückten auf georgisches Staatsgebiet vor. Das prowestliche Georgien fuhr eine erhebliche Niederlage ein. Der russische Imperialismus erkannte am 26. August 2008 dann auch Südossetien und Abchasien – ein weiteres Gebiet, dass sich faktisch von Georgien abgespalten hatte, aber von den meisten Staaten nicht als eigenständiges politisches Subjekt anerkannt wurde – als unabhängig von Georgien an. So wie der westliche Imperialismus die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien anerkannte. Das imperialistische Eingreifen des Kremls in Georgien führte aber nur zu einer kurzen Verstimmung zwischen dem Westen und Russland.
Im Streit um die Ukraine ab 2013 entzündete sich der zweite Kalte Krieg zwischen Russland und dem Westen. Die Ukraine lavierte lange zwischen der EU und Russland. Ab einem bestimmten Punkt war dieses Lavieren nicht mehr möglich, weil jedes Lager sie im alleinigen Einflussgebiet haben wollte. Moskau wollte die Ukraine gerne in den vom russischen Imperialismus dominierten eurasischen Wirtschaftsblock integrieren. Das war die Zollunion aus Russland, Belarus und Kasachstan. Die EU wollte mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen abschließen, um sie wirtschaftlich vollständig zu dominieren. Doch das Janukowitsch-Regime entschied sich, auch wegen Druck aus Russland, im November 2013 dieses Abkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Die EU und die USA unterstützten anschließend eine sozialreaktionäre Protestbewegung auf dem Maidan gegen Janukowitsch. Diese bestand aus einem prowestlich-neoliberal-demokratischen und einem ultranationalistisch-faschistischen Flügel. Wir bezeichnen die Maidan-Bewegung deshalb als demokratisch-faschistische Sozialreaktion. SozialrevolutionärInnen bekämpften sowohl das Janukowitsch-Regime und den Kreml als auch den westlichen Imperialismus und die prowestlich-nationalistische Opposition in der Ukraine. Letzterer gelang Ende Februar 2014 das Janukowitsch-Regime zu stürzen und durch ein prowestliches zu ersetzen. Dieses neue prowestliche Regime wurde von der NATO systematisch aufgerüstet. Am 21. März 1914 unterzeichneten die EU und die Ukraine den politischen Teil des Assoziierungsabkommens und am 27. Juni 2014 das Abkommen selbst.
USA und EU waren sich ab 2013 in der Gegnerschaft zum Janukowitsch-Regime und zu Moskau sowie in der tatkräftigen Unterstützung der Maidan-Bewegung einig, aber sie konkurrierten auch gegenseitig um Einfluss in der Ukraine. Während der deutsche Imperialismus, der ökonomisch die EU dominiert, den Ex-Boxer Witali Klitschko unterstütze, der nach dem politischen Machtwechsel Bürgermeister von Kiew wurde, sponsorte Washington Arsenij Jazenjuk, dem späteren Ministerpräsidenten der Ukraine. Die USA zeigten Berlin mal wieder die lange Nase.
Moskau ging nach dem Sturz von Janukowitsch zur Gegenoffensive über. Der russländische Imperialismus annektierte im März 2014 die ukrainische Halbinsel Krim als Stützpunkt seiner Schwarzmeerflotte und unterstützte im ukrainischen BürgerInnenkrieg ab April dieses Jahres die prorussischen „Volksrepubliken“ – auch nach ihrem geographischen Ort „Donbass-Republiken“ genannt – Donezk und Lugansk. Diese waren Ausdruck der mentalen Spaltung der ukrainischen Bevölkerung. Im Westen des Landes war diese eher prowestlich und ukrainisch-nationalistisch, was sie zur Manövriermasse der inländischen demokratisch-faschistischen Maidan-Sozialreaktion und des westlichen Imperialismus machte, aber im Osten eher prorussisch, was von Moskau genutzt wurde. Die „Volksrepubliken“ waren aber kein Kunstprodukt des russischen Imperialismus, sondern entstanden aus der inneren Dynamik des beginnenden BürgerInnenkrieges zwischen ukrainisch-nationalistisch-prowestlichen und prorussischen Kräften. SozialrevolutionärInnen mussten in diesem BürgerInnenkrieg überall auf der Welt sowohl das prowestliche Regime in Kiew als auch die prorussischen „Volksrepubliken“ bekämpfen.
Der BürgerInnenkrieg in der Ukraine war von Anfang an auch ein Stellvertreterkrieg zwischen dem westlichen und dem russischen Imperialismus. Das Kiewer Regime war auch ohne formelle Mitgliedschaft in EU und NATO fest in den westlich-imperialistischen Block integriert, während die „Donbass-Republiken“ vom Kreml politisch, finanziell, wirtschaftlich und militärisch unterstützt wurden. Am 14. April 2014 wurde auf der Website des ukrainischen Präsidenten der Ukas 405/2014 veröffentlicht. In diesem wurden die ukrainischen Streitkräfte zu einer „antiterroristischen Operation“ gegen die „Volksrepubliken“ aufgerufen. Anfang Mai 2014 setzte der ukrainische Staat gegen die von der „Volksrepublik Donezk“ kontrollierte Stadt Slawjansk zum ersten Mal Artillerie ein. Wochenlang wurde die Stadt beschossen.
Anfang Juli 2014 begann der ukrainische Staat eine Militäroffensive gegen die „Donbass-Republiken“. Das ukrainische Militär war natürlich besser ausgerüstet und ausgebildet als die „Volksfreiwilligen“ des Donbass. So gelang den Streitkräften des Kiewer Regimes im Juli 2014 einen Großteil der Gebiete der „Volksrepubliken“ zurück zu erobern. Doch dann griff der russische Imperialismus in den BürgerInnenkrieg ein. Moskau entsandte in einer geheimen Aktion Militär in den Donbass, um eine Niederlage der „Volksrepubliken“ zu verhindern. Für den russischen Imperialismus kämpften in der Ukraine gut ausgebildete SoldatInnen ohne Hoheitsabzeichen. Die Kreml-Propaganda sprach von Genozid des ukrainischen Regimes an der Donbass-Bevölkerung.
Durch das Eingreifen Moskaus wurde die Offensive des ukrainischen Staates gegen die „Volksrepubliken“ zum Stehen gebracht. Was machen Staaten noch mal, wenn sie militärisch nicht weiterkommen? Richtig, sie führen Friedensgespräche und handeln Abkommen aus. So wurden dann zwischen dem Regime in Kiew und den „Volksrepubliken“ im September 2014 und im Februar 2015 die beiden Waffenstillstandsabkommen Minsk I und Minsk II abgeschlossen. Die drei Garantiemächte dieses Waffenstillstandes waren Deutschland, Frankreich und Russland. Dieser Waffenstillstand wurde von beiden Seiten immer wieder gebrochen. So starben in dem ukrainischen BürgerInnenkrieg im Donbass bis zur Invasion des russischen Imperialismus im Februar 2022 über 14.000 Menschen. Nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees – also nach der Kreml-Propaganda – vom Februar 2022 starben etwa 2.600 ZivilistInnen im Donbass. Der in Minsk II versprochene besondere Status für die nicht vom ukrainischen Regime kontrollierten Donbass-Gebiete wurde nicht umgesetzt. Auch verhängte der ukrainische Staat ab Anfang Dezember 2014 einen vollständigen Wirtschafts- und Finanzboykott gegen die „Donbass-Republiken“. Diese begannen am Tropf des Kremls zu hängen. Außerdem verteilte Moskau an die Menschen in den „Volksrepubliken“ russische StaatsbürgerInnenschaften. Auf diese Weise war die imperialistische Einmischung Russlands in der Ukraine auch mit dem Propagandagrund des „Schutzes von russischen StaatsbürgerInnen“ abgesichert. Kurz vor der imperialistischen Invasion des Kremls in der Ukraine, forcierte das Kiewer Regime seine militärischen Angriffe gegen die „Donbass-Republiken“.
Die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Ukraine, die sich auf dem Maidan gebildet und das Janukowitsch-Regime gestürzt hatte, bewährte sich auch im BürgerInnenkrieg. Der Faschismus in der Ukraine agierte als äußerste rechte Fraktion des demokratischen Herrschaftssystems. Freie Wahlen legitimierten weiterhin die politische Herrschaft. Allerdings gingen die demokratischen Repressionsorgane gewalttätig gegen prorussische und politisch linke Kräfte vor. So wurde die „Kommunistische“ Partei faktisch in die Illegalität getrieben. Die Verwendung ihrer Symbole wurde mit Haft bestraft. In diesem ideologischen Klima wurden zwei Mal prowestliche Nationaldemokraten an die Spitze des Staates gewählt. Am 25. Mai 2014 der Oligarch Petro Poroschenko und im Mai 2019 Wolodymir Selenskij.
Die ukrainische Nationaldemokratie ging auch nach dem prowestlichen Staatsstreich im Februar 2014 zur Zwangsassimilation der Russischsprechenden und der Diskriminierung der russischen Sprache über. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung der Ukraine betrachteten Russisch als ihre Muttersprache. So trat im Januar 2022 ein diskriminierendes Sprachengesetz in Kraft. Selbst propagandistische UnterstützerInnen der Ukraine im Westen wie zum Beispiel die FAZ-Kulturkorrespondentin Kerstin Holm, zeigten ihre Bestürzung über den nationalistischen Kulturkampf in der Ukraine gegen die russische Sprache. Sie schrieb am 18. Januar 2022 in ihrer Zeitung, dass mit diesem Gesetz „traditionell russischsprachige Städte“ nun „vom Westen des Landes kulturell assimiliert“ würden. (Zitiert nach: Harald Projanski, Nicht dialog-, nicht friedensfähig, in: junge Welt vom 19./20. März 2022, 13.)
Die ukrainische Nation besteht seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991. Wie alle Nationen ist auch die ukrainische ein Kunstprodukt der kapitalistischen Politik. Durch die langjährige territoriale Verbindung des Landes mit Russland/der Sowjetunion ergab sich für den russischen Imperialismus die Möglichkeit, die Existenz einer ukrainischen Nation überhaupt zu leugnen. Dieser großrussische Chauvinismus war Teil der Kriegspropaganda des Kremls ab Ende Februar 2022. Der heutige ukrainische Nationalismus wiederum bezieht sich positiv auf den faschistischen ukrainischen Nationalismus, der während des Zweiten Weltkrieges auf der Seite des deutschen Imperialismus gegen die Sowjetunion kämpfte und dabei massenmörderisch gegen die russische, polnische und jüdische Bevölkerung vorging. Nicht wenige ukrainische NationalistInnen kollaborierten während des Überfalls des deutschen Imperialismus auf die UdSSR mit den Hitlerfaschisten. Die SS Galizien war blutige Verkörperung dieser Kollaboration. Der Führer der ukrainisch-nationalistischen Nazikollaborateure von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Stepan Bandera, ist nicht nur für den heutigen faschistischen Flügel des ukrainischen Nationalismus, sondern auch für viele prowestliche DemokratInnen ein Nationalheld, während er für nicht wenige heutige ostukrainisch-prorussische Kräfte ein „Verräter“ darstellt. In einem Lied der OUN-Milizen hieß es: „Die Juden werden wir abschlachten, die Polen erdrosseln, aber die Ukraine müssen wir erkämpfen.“ So sangen sie nicht nur, so handelten sie auch. Die OUN war eindeutig an Hitlerdeutschland ausgerichtet, auch wenn die deutschen Nazis Bandera drei Jahre einsperrten, nachdem er am 30 Juni 1941 die Unabhängigkeit der Ukraine proklamiert hatte.
Doch der heutige prowestliche und antirussische demokratische Nationalismus braucht die OUN als Teil seiner Gründungsmythologie. So schrieb die ukrainische Kyivipost in einer „Top Ten der Lügen des Kremls“: „Faschisten sind keine Banderisten, und Banderisten sind keine Faschisten. Wäre Stepan Pandera, Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten, ein Faschist gewesen, er würde doch wohl keine drei Jahre von 1941 bis 1944 in einem deutschen Nazigefängnis verbracht haben (…)“ (Zitiert nach Thomas Eipeldauer, Faschistische Hegemonie, in: junge Welt vom 8./9. März 2014, S. 11.) Die Argumentation ist natürlich ziemlich fadenscheinig. Denn natürlich verhafteten die FaschistInnen auch FaschistInnen, so wie StalinistInnen StalinistInnen liquidierten und DemokratInnen heute noch repressiv gegen DemokratInnen vorgehen.
Nachdem der sowjetische Imperialismus Deutschland 1945 besiegt hatte, war der bewaffnete ukrainische Nationalismus aber noch nicht am Ende. Bis in die 1950er Jahre hinein kämpften die ukrainischen NationalistInnen in der Westukraine bewaffnet gegen den sowjetischen Imperialismus. Letzterer krönte seinen militärischen Sieg über die westukrainischen NationalistInnen mit der Ermordung Banderas. 1959 wurde der ukrainische Nationalist in München durch einen KGB-Agenten liquidiert.
Und auf diese faschistische Tradition kann die heutige ukrainische Nationaldemokratie nicht verzichten. In den ukrainischen Schulbüchern wurde Bandera als ein Nationalheld dargestellt. Obwohl der heutige Präsident der Ukraine Selenskij selbst Jude ist, konnte auch er nicht auf diesen faschistischen Teil der nationalistischen Traditionspflege verzichten. Diese ist ein starker politideologischer Ausdruck der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion in der Ukraine.
Im BürgerInnenkrieg gegen prorussische Kräfte und die „Donbass-Republiken“ wurde die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Ukraine zur mörderischen Realpolitik. Ukrainische Oligarchen finanzierten am Anfang des BürgerInnenkrieges den Aufbau des faschistischen Bataillons „Asow“. Es wurde als „Sondereinheit der Miliz“ zur materiellen Gewalt, dass am 9. Mai 2014 in Mariupol Feiern von prorussischen Kräften zum Siegestag des sowjetischen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg brutal zusammenschoss. Später wurde „Asow“ auf Regimentsstärke aufgestockt und der dem ukrainischen Innenministerium unterstellten Nationalgarde angeschlossen. Auf diese Weise wurden FaschistInnen institutioneller Teil der ukrainischen Nationaldemokratie.
Die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Ukraine zeigt auch mal wieder den prokapitalistischen Charakter des Antifaschismus. Die Demokratie gegen den Faschismus verteidigen? In der Ukraine verteidigt sich die Nationaldemokratie mit Hilfe des Faschismus gegen in- und ausländische FeindInnen! Der Antifaschismus diente wiedermal als Rechtfertigungsideologie für einige LinksreaktionärInnen, um die prorussischen „Volksrepubliken“ und den Kreml gegen Kiew und den westlichen Imperialismus zu unterstützen (siehe Kapitel III.7).
In den Monaten vor der imperialistischen Invasion Russlands in der Ukraine begann Moskau militärisch und diplomatisch aufzurüsten. Der Kreml konzentrierte Truppen an der ukrainischen Grenze und verlangte ultimativ vom westlichen Imperialismus ein Ende der NATO-Osterweiterung, worauf dieser selbstverständlich nicht einging. Der kollektive Westen wiederum warnte Moskau vor einer militärischen Invasion in der Ukraine und drohte mit einer harten Antwort. Die europäischen Imperialismen Deutschland und Frankreich waren durch Minsk I und Minsk II direkt in der diplomatischen Betreuung des ukrainischen BürgerInnenkrieges eingebunden. Aber beide Abkommen hatten ja lediglich zu einem Krieg niederer Intensität, aber nicht zu einem stabilen bürgerlichen Frieden in der Ukraine geführt. Moskau bestand in den Monaten vor seinem Angriffskrieg auf diplomatische Verhandlungen mit Washington. Doch die Diplomatie konnte den imperialistischen Interessengegensatz zwischen dem Westen und Russland nicht mehr ausbalancieren. So knallte es wie bereits 2013/14 im Februar 2022 abermals in der Ukraine.

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Klassenkampf gegen den Krieg! https://swiderstand.blackblogs.org/2022/04/08/klassenkampf-gegen-den-krieg/ https://swiderstand.blackblogs.org/2022/04/08/klassenkampf-gegen-den-krieg/#respond Fri, 08 Apr 2022 20:49:40 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=180 In der nächsten Zeit bringen wir die Broschüre „Krieg und Frieden in der kapitalistischen Internationale“ heraus. Darin nehmen wir auch Stellung zum Gemetzel in der Ukraine. Wir bekämpfen kompromisslos alle KriegstreiberInnen, den russischen und den westlichen Imperialismus sowie den ukrainischen Nationalismus. Diese Broschüre kann bei uns vorbestellt werden. Wir veröffentlichen vorab folgendes Kapitel aus dieser Schrift.

Januarstreik in Berlin: Vom 28. Januar bis 1. Februar 1918 streikten 400 000 MetallarbeiterInnen gegen den Krieg

In imperialistischen Kriegen ist es für SozialrevolutionärInnen eine absolute Pflicht, dass zu sagen, was notwendig ist, auch wenn es noch nicht zur materiellen Gewalt werden kann. Beim BürgerInnen- und imperialistischen Krieg in der Ukraine als auch bei der extremen Zuspitzung des Kalten Krieges zwischen Russland und der EU/NATO ist ein unbefristeter branchenübergreifender Massenstreik in allen am Konflikt beteiligten Ländern notwendig, gegen den Krieg, die Aufrüstung und die Wirtschaftssanktionen. Da ein solcher Klassenkampf gegen die imperialistischen Interessen der Nationalstaaten gerichtet ist, wird er selbstverständlich nicht von den in diese mehr oder weniger integrierten bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten organisiert. Ein branchen- und länderübergreifender Massenstreik gegen den heißen Krieg in der Ukraine als Teil des Kalten Krieges zwischen dem westlichen und dem östlichen Imperialismus erfordert also ein sehr hohes Niveau der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats und würde starke sozialrevolutionäre Potenzen haben.
Nur etwas radikalere Gewerkschaften wie in Italien die USB mobilisierte die Lohnabhängigen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Immerhin verhinderte das klassenkämpferische Proletariat Italiens die Aufrüstung des ukrainischen Nationalismus über Pisa, wie Gerhard Feldbauer am 18. März 2022 berichtete: „Die Arbeiter des Flughafens Galileo Galilei von Pisa haben sich in den vergangenen Tagen geweigert, als ,humanitäre Hilfe‘ getarnte Waffen für die Ukraine zu verladen. Dies teilte die Unione Syndacale Di Base (USB) am Mittwoch (16. März 2022) auf ihrer Website mit. Demnach hätten sie entdeckt, dass in den Kisten Waffen verschiedener Art, Munition und Sprengstoff lagerten. ,Wir verurteilen aufs Schärfste diese Fälschung, die zynisch den Deckmantel des ,Humanitären‘ benutzt, um den Krieg in der Ukraine weiter anzuheizen‘, heißt es. Die Flughafenleitung wurde aufgefordert, ,die als ,humanitäre‘ Hilfe getarnten Todesflüge sofort einzustellen‘. Für Sonnabend (19. März 2022) wird zu einer Demonstration unter dem Motto ,Von der Toskana sollen Brücken des Friedens statt Kriegsflüge ausgehen‘ in Pisa aufgerufen. Die USB Porto Livorno solidarisierte sich und sagte ihre Teilnahme zu: ,Wir werden alle auf dem Platz gegen den Krieg sein.‘
Das linke Onlinemagazin Contropiano enthüllte am Mittwoch (16. März 2022), dass es sich in Pisa um eine als ,Fracht B-737‘ deklarierte Lieferung einer von der NATO unterhaltenen Fluggesellschaft für den Transport von Kriegsmaterial gehandelt habe. Die Waffenlieferungen leite General Paolo Figiuolo vom Einsatzführungskommando der italienischen Streitkräfte (COVI). Der Leiter der Flughäfen in der Toskana, Marco Carrai, erklärte inzwischen laut der Nachrichtenagentur ANSA vom Mittwoch (16. März 2022), Waffentransporte würden von Pisa aus ,nicht mehr stattfinden‘. USB-Vertreter sagten, sie würden das überprüfen.
Die Tageszeitung Manifesto berichtete am Mittwoch (16. März 2022), es gehe bei dem Flughafen von Pisa um eine ,regelrechte internationale Militärluftbrücke zum Stützpunkt Rzeszow in Ostpolen, wo seit Anfang Februar ein US-Logistikkommando tätig ist‘. Außerdem, so das linke Blatt, werde neben Pisa ,auch der Airoporto Mario de Bernardi vom Pomezia bei Rom, einer der größten Militärflughäfen in Europa‘, dazu benutzt.“ (Gerhard Feldbauer, Italien heizt Krieg an, in: junge Welt vom 18. März 2022, S. 9.)
Trotz ideologischer Reproduktion des kleinbürgerlichen Pazifismus: Die ArbeiterInnen des Flughafens Galileo Galilei gaben dem Weltproletariat ein Beispiel, wie das kapitalistische Gemetzel zu beenden ist. In der vierten Märzwoche 2022 organisierte die USB einen 24stündigen Streik der HafenarbeiterInnen in Genua, um gegen die Verladung von Waffen zu protestieren, die in die ganze Welt exportiert wurden. Wie gesagt, ein wirklicher Massenstreik gegen den Krieg in Russland, der Ukraine und in allen NATO-Staaten würde starke sozialrevolutionäre Tendenzen haben und auch die Führung etwas radikalerer Gewerkschaften wie der USB, die selbstverständlich nur Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes sein können, in Frage stellen und die Herausbildung einer revolutionären Klassenkampforganisation würde notwendig werden.
Weiterhin erfordert es Massendesertationen aus den Streitkräften Russlands, der Ukraine und der NATO-Staaten. Verschwisterungen an der Front und Rebellionen innerhalb der Armeen. Die SoldatInnen müssen in allen Konfliktparteien die Gewehre umdrehen auf ihre Befehlshierarchie, um nicht zu TäterInnen und Opfern eines innerkapitalistisch-zwischenstaatlichen Massakers zu werden – sondern potenziell zu bewaffneten Organen der sozialen Revolution.
Solange die klassenkämpferisch-sozialrevolutionäre Antwort der Mehrheit des Proletariats auf den imperialistischen Krieg ausbleibt, müssen proletarische RevolutionärInnen alles tun, um der Spaltung der globalen Klasse durch das Weltkapital entgegenzuwirken. Heiße Klassensolidarität mit all jenen SoldatInnen, die innerhalb der russischen und ukrainischen Streitkräfte desertierten, um nicht zu TäterInnen und Opfern des imperialistischen Krieges zu werden! Eine tiefe Verbundenheit mit den kleinbürgerlichen und proletarischen ZivilistInnen der Ukraine, die sich gegen die Übergriffe des russländischen Imperialismus und des ukrainischen Nationalismus zu Wehr setzen mussten! Gegen die nationalistische Hetze aller Seiten müssen proletarische RevolutionärInnen die Notwendigkeit der klassenkämpferischen Einheit gegen das Weltkapital betonen. Damit das Weltproletariat sich vielleicht irgendwann einmal aufbäumt gegen dessen Funktion, Manövriermasse der kapitalistischen Internationale zu sein.

…..

Der Klassenkampf in Deutschland zeigt, dass auch die deutsche Nation ein realer Schein und eine scheinbare Realität ist. Doch nur wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen in diesem Land und weltweit sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert, kann der deutsche Nationalismus total zerschlagen werden. Noch ist der deutsche Nationalismus in all seinen politischen Strömungen fast allmächtig, noch kann er das multikulturelle und multiethische Proletariat in diesem Land spalten und als Manövriermasse für den globalen Konkurrenzkampf – den friedlichen und den kriegerischen – benutzen.
Der deutsche Nationalismus spaltet nicht allein das Proletariat in diesem Land. Auch die Nationalismen der geflüchteten ProletarierInnen und lohnabhängigen ArbeitsmigrantInnen spalten das multiethische Proletariat in Deutschland. In diesem Land gibt es ProletarierInnen aus der Ukraine und aus Russland, die sich mehr oder weniger mit ihrem Herkunftsland identifizieren. Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und den indirekten Krieg, den die BRD gegen Russland führt, wird das Proletariat in Deutschland durch den deutschen, ukrainischen und russischen Nationalismus extrem gespalten. Dieser Spaltung kann auch in diesem Land nur ein Massenstreik gegen den imperialistischen Krieg entgegenwirken. Doch ein solcher Massenstreik entspricht nicht der Reife des proletarischen Klassenkampfes in diesem Land. Er muss auch das Streikmonopol des DGB brechen, der eindeutig auf der Seite des deutschen Imperialismus steht. Mal abgesehen davon, dass in der BRD „politische“ Streiks verboten sind – doch das klassenkämpferische Proletariat bricht, wenn es massenhaft und kollektiv-solidarisch auftritt, solche staatlichen Verbote wie kleine Söckchen.
Die deutschen Gewerkschaftsführungen unterstützen auch das imperialistische Gemetzel im Ersten Weltkrieg – und doch entwickelten sich Streiks gegen das Massaker und die Novemberrevolution beendete es schließlich. Aber das Proletariat war damals mehrheitlich noch nicht bewusst revolutionär. So siegte in Deutschland zuerst die konterrevolutionäre kapitalistische Demokratie und dann der Faschismus, der den Zweiten Weltkrieg extrem massenmörderisch führte. Und auch die heutige deutsche Demokratie führt wieder Kriege – direkte und indirekte. Noch ist Deutschland kein direkter Kriegsschauplatz und es sterben auch noch nicht massenhaft deutsche SoldatInnen an fremden Kriegsorten. Deshalb ist auch der proletarische Klassenkampf gegen den deutschen Imperialismus absolut gering. Und weil sich das Weltproletariat noch nicht als wirkliche kollektive Solidar- und Kampfgemeinschaft gegen die Weltbourgeoisie herausentwickelt hat, kann es nationalistisch – auch in der BRD – gespalten werden.
Aber: In diesem Land sind „deutsche“, „russische“ und „ukrainische“ LohnarbeiterInnen Teil von verschiedenen Belegschaften. Wenn sie auch nur verdammt selten über den imperialistischen Krieg in der Ukraine einer Meinung sind, sind sie doch alle Objekte der kapitalistischen Ausbeutung. Selbst ein reproduktiver Klassenkampf für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten beziehungsweise gegen die kapitalistischen Angriffe, um die Ausbeutung zu verstärken, erfordert notwendigerweise die Einheit der Belegschaften über alle nationalistischen Spaltungslinien hinweg. Auf diese Notwendigkeit müssen sich proletarische RevolutionärInnen in diesem Land stützen, um der nationalistischen Spaltung innerhalb der Klasse entgegenzuwirken.
Auf unsere geflüchteten Klassengeschwister aus der Ukraine richtete sich sofort der gierige Blick der legalen und illegalen GeschäftemacherInnen, wie auch aus folgendem Artikel von Ralf Wurzbacher hervorgeht: „Wo viel Leid und Not herrschen, gibt es immer auch Menschen, die diese für ihre Zwecke ausnutzen. Angesichts der großen Zahl an Geflüchteten aus der Ukrai­ne weisen Staatsschutz und Verbände auf die Gefahr von Ausbeutung und Zwangsprostitution hin. So warnt die Bundespolizei vor unseriösen Hilfsangeboten für ukrainische Frauen und Kinder, denen speziell in Berlin von zumeist älteren Männern ein Platz zum Wohnen und Übernachten offeriert wird. Mitunter würden sie mit Geld gelockt. Man kontrolliere die Verdächtigen, für Festnahmen fehlten aber oft entsprechende Beweise, zitierte die Berliner Morgenpost am Donnerstag (10. März 2022) eine Behördensprecherin.
Alarmiert ist man auch bei der Beratungsstelle ,Jadwiga‘, die Opfer von Menschenhandel betreut. Anders als 2015 kämen derzeit vorwiegend Frauen mit Kindern in Deutschland an, gab der Evangelische Pressedienst (epd) am Donnerstag (10. März 2022) Leiterin Monika Cissek-Evans wieder. ,Die Frauen müssen auf ihren Pass und ihr Telefon aufpassen, Namen und Adresse von Gastgebern notieren und auch Frauen nicht blind vertrauen‘ – denn: Menschenhändler seien nicht nur Männer.
Weibliche Geflüchtete dürften für windige Geschäftemacher aus dem Gesundheitssektor besonders im Fokus stehen. Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) rechnet damit, dass bei Umsetzung der auf EU-Ebene erlassenen ,Massenzustromrichtlinie‘ eine Vielzahl von ukrainischen Arbeitskräften für einen Bruchteil des Lohnes zum Einsatz kommen wird, den derzeit andere Osteuropäerinnen aus der EU erhalten. Mit der Neuregelung sollen Geflohene aus der Ukraine für bis zu drei Jahre in der EU einen Schutzstatus sowie Zugang zur Krankenversicherung und zum Arbeitsmarkt erhalten. ,Bis zu 300.000 Ukrainerinnen werden schätzungsweise für die Hälfte des Honorars arbeiten und alle Bedingungen ertragen, um ihre Familien zu ernähren‘, äußerte sich der VHBP-Vorstandsvorsitzende, Daniel Schlör, gegenüber dem ARD-Magazin ,Report Mainz‘.
Begehrt sind Migrantinnen vor allem im Bereich der 24-Stunden-Pflege. Dabei kümmern sie sich rund um die Uhr um kranke und altersschwache Menschen. Das Entgelt dabei ist oft kümmerlich. ,Report Mainz‘ schilderte den Fall einer Ukrainerin, die ihr Zuhause schon vor längerer Zeit aus Verzweiflung verlassen hatte und in Deutschland ohne Visum und Arbeitserlaubnis einen schwer pflegebedürftigen Mann bei Tag und Nacht für einen Nettolohn von 900 Euro monatlich versorgt. Die beauftragte Vermittlungsagentur stellt der Familie dagegen 2.370 Euro in Rechnung. Laut Gregor Thüsing, Arbeitsrechtler der Universität Bonn, ist die Bezahlung sittenwidrig, was ,aus gutem Grund‘ in Deutschland verboten sei, wie er gegenüber dem Politmagazin erklärte. ,Für mich ist das ganz klar Ausbeutung‘, befand VHBP-Chef Schlör.
Justyna Oblacewicz von ,Faire Mobilität‘, einem Beratungsnetzwerk des Deutschen Gewerkschaftsbunds, hat Kenntnis von Anzeigen aus dem Internet, mit denen ukrainische Flüchtlinge als vermutlich ,scheinselbständige‘ Betreuungskräfte angeworben würden. ,Die Offerten umfassen eine Unterkunft in Polen, von wo aus die in aller Regel ausländischen Vermittlerfirmen die Betroffenen nach Deutschland zu zeitlich begrenzten Einsätzen in der häuslichen Betreuung entsenden‘, erläuterte sie am Donnerstag (10. März 2022) gegenüber jW. Die Dienstleistungsverträge, mit denen die meisten Betreuerinnen aus Polen in Deutschland arbeiteten, böten praktisch keinen arbeits- und nur unzureichenden sozialversicherungsrechtlichen Schutz, und die Vergütung sei in den meisten Fällen armselig. Die Leidtragenden sprächen deshalb auch von ,Müllverträgen‘.
Die veränderte Rechtslage könnte das Lohnniveau in der Pflege weiter in die in Tiefe reißen. ,Wir werden erleben, dass in den nächsten Wochen ukrainische Betreuungskräfte jene aus Polen und Rumänien vom Markt verdrängen werden‘, mutmaßt Schlör vom VHBP. Das werde dazu führen, ,dass das Gesundheitssystem in Deutschland vom Krieg in der Ukraine noch profitiert‘.“ (Ralf Wurzbacher, Sexarbeit und Müllverträge, in: junge Welt vom 12./13. März 2022, S. 5.)
Die Lobbyorganisation des Agrarkapitals in der BRD, der Deutsche Bauernverband (DBV) nutzte den Preisanstieg der Lebensmittel in Folge des Gemetzels in der Ukraine, um von der Politik eine Verbesserung der Ausbeutungsbedingungen des Landproletariats zu verlangen. Dem deutschen Agrarkapital liegt besonders die kostengünstige Ausbeutung von migrantischen SaisonarbeiterInnen sehr am Herzen. So forderte der DBV am 25. März 2022 vom ideellen deutschen Gesamtkapitalisten, die vorgesehene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns im Oktober dieses Jahres auf 12 Euro „zeitlich zu verschieben und in mehreren Stufen vorzunehmen“. (Zitiert nach Bernd Müller, In ungekanntem Ausmaß, in: junge Welt vom 26./27. März 2022, S. 5.) Außerdem verlangte das deutsche Agrarkapital von der Politik, die SaisonarbeiterInnen länger ohne Sozialabgaben ausbeuten zu können. Bisher kann es das 70 Tage lang. Das ist dem DBV zu wenig. Er fordert 135 Tage.
Fazit: Die Forcierung der zwischenstaatlichen Konkurrenz ist auch in Deutschland mit einem verschärften Klassenkampf von oben verbunden. Es wird zukünftig noch mehr staatlich abgefasster Mehrwert in die Anschaffung von Mordwerkzeug fließen. Die steigenden Lebensmittel- und Energiekosten auch als Folge der extremen Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz übt einen starken Druck auf die Reallöhne aus. Diese waren in der BRD bereits zwei Jahre in Folge gesunken. Im Jahre 2020 um 1,1 Prozent und 2021 um 0,1 Prozent. Wenn sich das klassenkämpferische Proletariat weiterhin im legalen Rahmen bewegt, wird es den verschärften Klassenkrieg von oben nicht kontern können. Es muss antipolitisch gegen den Staat streiken, um gegen die forcierte Aufrüstung sowie gegen den indirekten militärischen und ökonomischen Krieg gegen Russland kämpfen zu können. Auch wenn das verboten ist! Legal, illegal, scheißegal! Wer kann Millionen ProletarierInnen davon abhalten, gegen Verbote zu verstoßen? Nur die eigenen politischen Illusionen in den deutschen Staat und in die in diesen integrierten Gewerkschaften.
Nein, es reicht nicht aus, wenn die Gewerkschaftsbasis „ihre“ Bonzen ermahnt, doch bitte gegen die Aufrüstung vorzugehen: „In den gewerkschaftlichen Basisgliederungen wird der Krieg diskutiert. So beschloss etwa die Mitgliederversammlung des besonders von der Militarisierung betroffenen Ortsvereins Heidekreis am 17. März einen Antrag gegen Aufrüstung und die Steigerung des Militäretats, der sich an die Verdi-Landesbezirkskonferenz Hannover-Heide-Weser und die Verdi-Landesbezirkskonferenz Niedersachsen-Bremen richtet. Darin wird Verdi aufgefordert, gegenüber der Bundesregierung Position gegen die militärische und atomare Aufrüstung zu beziehen und ihre Mitglieder für diese Ziele zu mobilisieren.“ (Gewerkschaftsbasis gegen Aufrüstung, in: junge Welt vom 22. März 2022, S. 15.)
Das klassenkämpferische Proletariat muss sich massenhaft von der Gewerkschaftskette und den eigenen politischen Illusionen in den Staat befreien, um gegen den deutschen Imperialismus antipolitisch in die Offensive gehen zu können. Klassenkampf und Klassenbewusstsein müssen sich dabei in einer dialektischen Wechselwirkung gegenseitig befruchten und radikalisieren. Und es ist auch in Deutschland eine antipolitisch-sozialrevolutionäre Strömung nötig, die in außergewöhnlichen Situationen das ihre bei der Radikalisierung des Klassenkampfes zu einer sozialen Revolution tut.

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Neue Broschüre: Aufstieg und Niedergang des US-amerikanischen Kapitalismus 1. Teil: Expansion und Krise https://swiderstand.blackblogs.org/2021/11/24/neue-broschuere-aufstieg-und-niedergang-des-us-amerikanischen-kapitalismus-1-teil-expansion-und-krise/ https://swiderstand.blackblogs.org/2021/11/24/neue-broschuere-aufstieg-und-niedergang-des-us-amerikanischen-kapitalismus-1-teil-expansion-und-krise/#respond Wed, 24 Nov 2021 06:18:39 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=178 Unsere neue Broschüre „Aufstieg und Niedergang des US-amerikanischen Kapitalismus 1. Teil: Expansion und Krise“ (ca. 135 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Allgemeine Betrachtung über die Vermehrung der Nationalkapitale
1. Die Vermehrung der Nationalkapitale
2. Die Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung
3. Die strukturelle Profitproduktionskrise
4. Kapitalvermehrung, Klassenkampf und institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung
5. Die globale Interaktion der Nationalkapitale

II. Die Entstehung der USA
1. Die UreinwohnerInnen Nordamerikas
2. Die europäische Kolonialisierung Nordamerikas
3. Die Entstehung eines rassistisch „weiß“ geprägten nordamerikanischen Nationalismus
4. Die Interaktion von SklavInnen und Seeleuten in Nordamerika
5. Die kleinbürgerlich-proletarische Sozialbewegung gegen den britischen Kolonialismus
6. Der sozialreaktionäre US-amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775-1883)

III. Die Expansion des US-amerikanischen Nationalkapitals
1. Der Industriekapitalismus im Norden der USA
2. Die agrarkapitalistische Plantagensklaverei im Süden der USA
3. Der sozialreaktionäre US-amerikanische BürgerInnenkrieg (1861-1865)
4. Go West!
5. Die Expansion des US-amerikanischen Industriekapitalismus
6. Klassenkämpfe und die Entstehung der US-amerikanischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung
7. Die Entwicklung des US-amerikanischen Imperialismus in Lateinamerika bis 1914

IV. Krise – Kriegskonjunktur – Krise – Kriegskonjunktur
1. Die strukturelle Profitproduktionskrise ab 1913
2. Kriegskonjunktur
3. Der Kriegseintritt der USA
4. Die „Roaring Twenties“ des US-Kapitalismus
5. Die sozialökonomische Kooperation zwischen den USA und dem sowjetischen Staatskapitalismus
6. Die Investition der US-Bourgeoisie in den europäischen Faschismus
7. Der US-Imperialismus in Lateinamerika (1914-1945)
8. Die Weltwirtschaftskrise
9. Klassenkämpfe und New Deal
10. Die USA im Zweiten Weltkrieg

V. Vom Nachkriegsaufschwung in die strukturelle Profitproduktionskrise
1. Der Nachkriegsaufschwung in den USA
2. Die USA in der strukturellen Profitproduktionskrise
3. Die Krise 2007-2009
4. Die sozialökonomische Krise von 2020

Go West!

Zu der Expansion des US-amerikanischen Nationalkapitals gehört auch die Erschließung des „Wilden Westens“, der in unzähligen Westernheftchen, -romanen und -filmen idealisiert und verkitscht wurde. Geographisch umfasst der Westen der USA die westlich des Mississippi gelegenen Gebiete. Im engeren Sinne dauerte die Periode des „Wilden Westens“ von 1850 bis 1890. Sie war durch Kriege der USA gegen die Stämme der UreinwohnerInnen und durch die Besiedlung des Westens durch AngloamerikanerInnen beziehungsweise europäischen EmigrantInnen geprägt. Die Romantisierung der Erschließung des Westens der USA für die Kapitalvermehrung beruht auf der Ideologisierung der Marktsubjektivität zur „Freiheit“, des hemmungslosen Konkurrenzindividualismus und -chauvinismus zu „Männlichkeit“, „eiserne Entschlossenheit“ und „Draufgängertum“ sowie der Vertreibung/Internierung der und des Massakers an den UreinwohnerInnen als „Kampf tapferer Männer für die Zivilisation“. Nachdem die Kulturindustrie erst viele Millionen Dollar an dieser Ideologisierung dieses sozialreaktionären Prozesses verdient hatte, kamen dann nach und nach auch einige kritische Western beziehungsweise Antiwestern in die Kinos.
Doch verlassen wir wieder die kulturell-ideologische Ebene und begeben uns wieder in die damalige Realität des „Wilden Westens“. Seit ca. 1850 begaben sich immer Menschen aus dem zunehmend besiedelten Osten des Landes in den noch weitgehend von „Weißen“ unerschlossenen Westen. Unter ihnen befanden sich auch viele EinwandererInnen aus Europa. Dazu kamen nach der industriekapitalistischen Aufhebung der Sklaverei durch den US-amerikanischen BürgerInnenkrieg jetzt auch doppelt freie afroamerikanische ProletarierInnen, die versuchten im Westen kleinbürgerliche FarmerInnen zu werden. Doch die Erschließung des Westens brachte auch ein Landproletariat hervor, die Cowboys.
Ab 1846 siedelte sich die Religionsgemeinschaft der Mormonen im heutigen US-Bundesstaat Utah an, um dort in Ruhe ihre Ideologie leben zu können. Die meisten Menschen gingen jedoch in den Westen, weil sie im Osten keine FarmerInnen mehr werden konnten und einem Dasein als LohnarbeiterInnen entfliehen wollten. In diesem Sinne wirkte die Expansion nach Westen entspannend und dämpfend auf die Konkurrenz- und Klassenkämpfe im Osten der USA. Auch die Goldfunde in der Nähe von San Francisco ab 1848 – der kalifornische Goldrausch – lockte viele Abenteurer in den Westen. So nahmen die SiedlerInnentrecks nach Kalifornien enorm zu.
In den fruchtbaren Ebenen der Prärie, dort wo die Region der Großen Ebenen in den Mittleren Westen übergeht, entwickelten sich in weiten Landstrichen Getreideanbau und Viehzucht als sozialökonomische Basis. Mit der Viehzucht entstanden auch die agrarischen Lohnarbeiter des Westens, die Cowboys. Sie waren besonders für die berittenen Viehtriebe unentbehrlich. Jedoch nahm die Bedeutung der Cowboys ab Mitte der 1870er Jahre mit der Entwicklung der Eisenbahnlinien ab – jetzt konnte das Vieh auf dem Schienenweg transportiert werden. Auch durch die Verbreitung des Stacheldrahtzauns, durch die die Viehherden eingezäunt werden konnten, nahm die Nachfrage nach der Lohnarbeit der Cowboys ab. Das führte zu Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg. Viele ehemalige Cowboys wurden zu Gesetzlosen. Vor allem in den 1870er und 1880er Jahren waren Banditenbanden, die sich auch aus ehemaligen Cowboys zusammensetzten, weit verbreitet. Die Cowboys beteiligten sich auch an den bewaffneten Konkurrenzkämpfen im Westen um agrarische Nutzfläche, an den Weidekriegen. So zum Beispiel am Lincoln-County-Rinderkrieg im Jahre 1878.
Infrastrukturell wurde der Westen immer besser erschlossen. So wurden die Trails, Überlandrouten, ständig ausgebaut, beispielsweise der Bozeman Trail und der Old Spanish Trail. Daneben entwickelten sich auch in den 1860er Jahren die Postkutschenlinien der Wells-Fargo Company und der Butterfield Overland Mail. Auch der Pony-Express als Form der Nachrichtenübermittlung entfaltete sich. Doch diese Formen der Logistik und Nachrichtenübermittlung bekamen noch in den 1860er Jahren Konkurrenz durch den Eisenbahnbau und der Errichtung von Telegrafenleitungen.
Die UreinwohnerInnen wurden durch die Erschließung des Westens für die US-amerikanische Kapitalvermehrung vertrieben, ermordet und in Reservate gesperrt. Beendet wurden die sogenannten „Indianerkriege“ des US-Imperialismus durch das Massaker der US-Armee an etwa 200 bis 300 Lakota am Wounded Knee Creek/South Dakota im Dezember 1890 (siehe: Nelke, Die kapitalistische Vernichtung beziehungsweise Integration des vorkapitalistischen Kommunismus, a.a.O., S. 49-51).
Politisch wurde die Erschießung des Westens durch den Beitritt dieser Territorien als Bundesstaaten der USA beendet. In den Jahren 1889 und 1890 wurden alle nordwestlichen Territorien zu US-Bundesstaaten. Der Südwesten folgte. Utah im Jahre 1896, Arizona und New Mexico 1912.

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Neue Broschüre: 1921-2021: 100 Jahre parteifeindlicher Kommunismus https://swiderstand.blackblogs.org/2021/09/19/neue-broschuere-1921-2021-100-jahre-parteifeindlicher-kommunismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2021/09/19/neue-broschuere-1921-2021-100-jahre-parteifeindlicher-kommunismus/#respond Sun, 19 Sep 2021 21:39:42 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=177 Unsere neue Broschüre „1921-2021: 100 Jahre parteifeindlicher Kommunismus“ (ca. 136 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Der Geburtsprozess des parteifeindlichen Kommunismus
1. Die Kapitalvermehrung vor dem Ersten Weltkrieg
2. Proletarischer Klassenkampf und institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung vor 1914
3. Der Erste Weltkrieg
4. Die Russische Revolution
5. Die ungarische „Räterepublik“
6. ISD, ASP und Spartakusbund
7. Die Novemberrevolution
8. Die Gründung von IKD und KPD
9. Klassenkämpfe in Deutschland im Jahre 1919
10. Innerparteiliche Konterrevolution in der „K“PD
11. Kappputsch und Rote Ruhrarmee
12. KAPD und AAUD
13. Märzkämpfe 1921 und Gründung der AAUE

II. Die Entwicklung des Rätekommunismus
1. AAUE, KAUD und GIK
2. Daad en Gedachte, Cajo Brendel, Paul Mattick und Willy Huhn
3. Die Verkörperung einer Kulturrevolution
4. Der Bruch mit der leninistischen Konterrevolution
5. Analyse und Kritik der Russischen Revolution und des Staatskapitalismus
6. Inkonsequenter Bruch mit dem Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus
7. Inkonsequente Kritik an Demokratie, Antifaschismus und nationaler „Befreiung“

III. 1921-2021: 100 Jahre Dekadenz des Parteimarxismus als sozialrevolutionäre Theorie und Praxis
1. Marxismus-Leninismus
2. Trotzkismus
3. Italienischer Linkskommunismus
4. KAPD, Rote Kämpfer, MLLF, Communistenbond Spartacus und Neu Beginnen
5. Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus

IV. Der bewusst antipolitische Kommunismus
1. Antipolitisch und antinational
2. Konsequent gewerkschaftsfeindlich
3. Nachmarxistisch und nachanarchistisch
4. Überwindung des Rätefetischismus

Der Bruch mit der leninistischen Konterrevolution

Die sozialreaktionäre Machtübernahme der bolschewistischen BerufspolitikerInnen im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – führte zum Staatskapitalismus (ab Sommer 1918) und der politischen Diktatur der „Kommunistischen“ Partei, die entweder die Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats zerschlug oder in das ultrabürokratische Regime integrierte (siehe Kapitel I.4). Ab 1918 war der weltweite Bruch der revolutionären ProletarierInnen und Intellektuellen mit dem bolschewistischen Regime und dessen Konterrevolution objektiv notwendig. Nun, es dauert immer ein wenig, bis sich objektive Notwendigkeiten subjektiv durchsetzen. Auch die radikalen antiparlamentarischen und gewerkschaftsfeindlichen MarxistInnen in Deutschland (KAPD/AAUD) hatten Illusionen in den „sowjetischen“ Partei-„Kommunismus“. Es war die parteifeindliche Strömung in KAPD und AAUD, die zuerst im Jahre 1920 mit dem Lenin/Trotzki-Regime brach.
So wie die parteifeindliche Strömung am Anfang noch der KAPD angehörte, so hatte sie zu Beginn ihrer Existenz auch noch Illusionen in den Bolschewismus. Bis Otto Rühle praktische Erfahrungen mit den Moskauer Kreml-Herren machte, die ihn von seinen Illusionen heilten. Die KAPD strebte damals noch die Mitgliedschaft in der vom Bolschewismus dominierten „Kommunistischen“ Internationale an. So schickte sie noch auf ihren Gründungsparteitag eine Delegation nach Moskau. Da aber die Verbindungen zwischen der KAPD und dieser Delegation abbrachen, schickte sie eine zweite Delegation aus Rühle und Merges als KAPD-Vertreter zum II. Weltkongress der „Kommunistischen“ Internationale. Die bolschewistische Parteibürokratie verlangte von Rühle und Merges eine absolute Kapitulation. So sollten die beiden sich bereits den Beschlüssen des II. Kongresses unterwerfen, noch bevor diese ihnen bekannt waren. Rühle und Merges lehnten diese Kapitulation ab und nahmen nicht am II. Weltkongress teil, was die KAPD-Zentrale später kritisierte.
Seine praktischen Erfahrungen mit der Moskauer Parteibürokratie führten bei Otto Rühle zu seinem geistigen Bruch mit dem Bolschewismus. So schrieb Rühle über seine Erfahrungen mit der staatskapitalistischen Parteidiktatur und der bolschewistischen Ideologie: „Revolution ist Parteisache. Staat ist Parteisache. Diktatur ist Parteisache. Partei ist Disziplin. Partei ist eiserne Disziplin. Partei ist Führerherrschaft. Partei ist straffster Zentralismus. Partei ist Militarismus. Partei ist straffster, eiserner, absoluter Militarismus.“ (Die Aktion, Jg. 10 (1920), Sp. 507.) Diese radikale Kritik Rühles an den Moskauer Kreml-Herren ging damals den meisten KAPD-Mitgliedern zu weit, die weiterhin die Mitgliedschaft in der „Kommunistischen“ Internationale anstrebten. Die parteifeindliche Strömung war natürlich dagegen. Der Konflikt zwischen der KAPD und der parteifeindlichen Strömung wurde schließlich so gelöst, dass Otto Rühle und die von ihm stark beeinflusste „ostsächsische Richtung“ von der Parteiführung Ende Oktober 1920 ausgeschlossen wurden. Daraufhin löste die in Dresden starke parteifeindliche Strömung die KAPD in der AAUD auf.
Die KAPD ließ sich dagegen im März 1921 von den Moskauer Kreml-Herren und der „K“PD in die staatskapitalistische Putschpolitik hineinziehen (siehe Kapitel I.13), wodurch auch die Dekadenz des radikalen Parteimarxismus als revolutionäre Theorie und Praxis offensichtlich wurde. Nach dem Scheitern dieser putschistischen Politik setzten Moskau und „K“PD wieder auf parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus sowie Einheitsfronten mit der konterrevolutionären SPD. Die KAPD brach mit dem Lenin/Trotzki-Regime im Jahre 1921, ein Jahr nach dem parteifeindlichen Kommunismus. Doch anstatt zuzugeben, dass Rühle 1920 gegen die KAPD-Mehrheit recht hatte, machte die letztere den erstgenannten einen angeblich „zu frühen“ Bruch mit Moskau zum Vorwurf.
Paul Mattick brach erst 1921 mit der KAPD-Mehrheit mit dem Lenin/Trotzki-Regime. Wir wiederholen: dieser Bruch war schon im Jahre 1918 objektiv notwendig, aber es dauerte eine Weile bis er sich subjektiv durchsetzte. Doch was tat Mattick in späteren Jahren? Er ideologisierte den eher defensiven Bruch des radikalen Parteimarxismus mit Moskau. Auch innerhalb der „K“PD entwickelten sich im Verlauf der 1920er Jahre kremlfeindliche Strömungen, die schließlich mit der Sowjetunion brachen. Auch Matticks späterer Freund Karl Korsch gehörte zu jenen SozialrevolutionärInnen, die ab Mitte der 1920er Jahre konsequent den sowjetischen Staatskapitalismus bekämpften. Das ist natürlich zu begrüßen. Jedoch muss auch betont werden, dass Korschs Bruch mit dem Kreml relativ spät erfolgte. Doch Mattick ideologisierte die Verspätung und den verglichen mit dem parteifeindlichen Kommunismus verlangsamten Radikalisierungsprozess des radikalen Parteimarxismus: „Auch Korsch musste zu den durch die Russische Revolution aufgeworfenen Fragen und zu ihrem besonderen, nichtmarxistischen Charakter Stellung nehmen. Solange die Umstände es erlaubten, auf eine Revolution in Westeuropa zu hoffen – d.h. während der ,heroischen´ Periode des Kommunismus des Bürgerkriegs – ergriff er dafür Partei. Unter diesen Umständen sich gegen das bolschewistische Regime zu wenden hätte bedeutet, der Konterrevolution (nicht nur in Russland, sondern in aller Welt) zu folgen. Die Revolutionäre in Deutschland mussten die Russische Revolution notwendigerweise unterstützen, unter wie vielen Vorbehalten auch immer. Erst als die Bolschewisten selbst gegen die russischen und westeuropäischen Revolutionäre vorgingen – nicht zuletzt, um mit der kapitalistischen Welt ihren Frieden zu machen –, wurde es möglich, sich gegen das bolschewistische Regime zu kehren, ohne damit gleichzeitig der internationalen Konterrevolution in die Hände zu arbeiten.“ (Paul Mattick, Von der Notwendigkeit, den Marxismus mit Marx zu kritisieren. Ein Blick auf das Werk von Karl Korsch, in: Derselbe, Spontaneität und Organisation. Vier Versuche über praktische und theoretische Probleme der Arbeiterbewegung, Frankfurt am Main 1975, S. 80.)
Matticks Ausführungen stellen eine Ideologisierung des objektiv zu langsamen Bruches der SozialrevolutionärInnen mit dem konterrevolutionären staatskapitalistischen Regime in Moskau dar. Dieser Bruch war deshalb zu langsam, weil sich die SozialrevolutionärInnen von ihren eigenen probolschewistischen Illusionen befreien mussten. Und diese Illusionen hatten auch etwas mit den parteimarxistischen Traditionen zu tun, die sich als konterrevolutionär erwiesen. Mattick behauptete, dass es für RevolutionärInnen nicht möglich gewesen wäre, sich bereits in der Periode des BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieges (1918-1921) in „Sowjet“-Russland sich von Moskau loszusagen. Doch dieser Krieg war objektiv einer zwischen Privat- und Staatskapitalismus. Es wäre also objektiv notwendig gewesen, sowohl die staatskapitalistische als auch die proprivatkapitalistische Seite von revolutionären Positionen aus zu bekämpfen. Diese objektiv notwendige Haltung war aber aufgrund der probolschewistischen Illusionen der westlichen radikalen MarxistInnen subjektiv nicht möglich. Natürlich war ein revolutionärer Sturz des bolschewistischen Lenin/Trotzki-Regimes objektiv unmöglich. Doch auch im Zweiten Weltkrieg war an einer revolutionären Zerschlagung der faschistischen und demokratischen Regimes sowie der Sowjetunion nicht zu denken – und doch bekämpften SozialrevolutionärInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels. Mattick ideologisierte hier subjektive Schwäche der SozialrevolutionärInnen im Bruch mit der leninistischen Konterrevolution, anstatt objektive Notwendigkeiten auf den Punkt zu bringen. Indem er die objektive Notwendigkeit schon mit dem Lenin/Trotzki-Regime im BürgerInnen- und imperialistischen Interventionskrieg als Übergang in die Konterrevolution verunglimpfte, leistete er objektiv Propagandadienste für den Marxismus-Leninismus. Auch verwechselte Mattick die Russische Revolution mit der bolschewistischen Konterrevolution, die im Oktober 1917 begann und im März 1921 durch die Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes siegreich beendet wurde.
Felix Klopotek brachte im Jahre 2021 sein verdienstvolles Buch Rätekommunismus. Theorie – Geschichte heraus. Jedoch auch Klopotek war der Meinung, dass der Räteommunismus angeblich zu früh mit dem staatskapitalistischen Regime in Moskau gebrochen hatte. Das marxistisch-leninistische Käseblatt junge Welt druckte in der Ausgabe vom 29./30. Mai 2021 ein Interview mit Klopotek ab. Die Zeitung leugnete selbstverständlich in diesem Interview die leninistische Konterrevolution gegen die Räte (Sowjets): „Anfangs waren die Räte nichts als deutsche ,Sowjets´. Dennoch haben sie (die Rätekommunisten, Anmerkung von Nelke) sich vom Land der Räte abgewandt, weil es ihnen ein Land der Parteibürokratie geworden zu sein schien.“ („Schwellbrände sind Schwäche der sozialen Kämpfe weltweit.“ Ein Gespräch mit Felix Klopotek, in: junge Welt-Beilage faulheit & arbeit vom 29./30. Mai 2021, S. 2.)
Und Klopotek brachte es fertig, auf diesen leninistischen Ideologie-Müll so zu antworten: „Stopp – zwischen 1917 und 1920 bestand ein Unterschied! Den Bolschewiki war klar, dass sie Unterstützung nur von den Linksradikalen unter den Kadern der europäischen Arbeiterbewegung erwarten konnten. Es gab 1917 keine Rätekommunisten. Wer Kommunist war, bekannte sich selbstverständlich zum Roten Oktober und zu den Bolschewiki. Die Entfremdung setzte 1919 ein (die von Moskau gedeckte innerparteiliche Konterrevolution in der „K“PD gegen den antiparlamentarisch-gewerkschaftsfeindlichen Flügel, Anmerkung von Nelke), der Bruch wurde spätestens 1921 vollzogen (von der KAPD, Anmerkung von Nelke), vielleicht zu schnell, denn bis 1926 war nicht ausgemacht, dass die Sowjetunion einen nationalistisch-konterrevolutionären Weg einschlagen sollte.“
Herr Klopotek, müssen wir sie wirklich an die Errichtung einer staatskapitalistischen Wirtschaft im Sommer 1918, die beginnende Zerschlagung der Sowjets als Organe der klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats kurz nach der bolschewistischen Machtübernahme und die konterrevolutionäre Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes im März 1921 durch das verdammte Lenin/Trotzki-Regime erinnern?! Alles lange vor 1926!

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Neue Broschüre: Kämpfe des vorindustriellen Proletariats https://swiderstand.blackblogs.org/2021/06/16/neue-broschuere-kaempfe-des-vorindustriellen-proletariats/ https://swiderstand.blackblogs.org/2021/06/16/neue-broschuere-kaempfe-des-vorindustriellen-proletariats/#respond Wed, 16 Jun 2021 08:49:20 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=175 Unsere neue Broschüre „Kämpfe des vorindustriellen Proletariats“ (ca. 129 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Seeleute in der globalen Übergangsperiode zum Industriekapitalismus
1. Die globale Übergangsperiode zum Industriekapitalismus
2. Handelskapital, Gewalt und Schifffahrt
3. Die harten Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute
4. Meutereien und Streiks
5. Piraterie
6. Seeleute als Teil des kla

Manufaktur- und HeimarbeiterInnen in Preußen
1. Der preußische Absolutismus
2. Kleinbürgerliche Warenproduktion und Manufakturen in Preußen
3. Arbeits- und Lebensbedingungen der Manufaktur- und HeimarbeiterInnen
4. Die Manufaktur- und HeimarbeiterInnen als Teil des klassenkämpferischen
vorindustriellen Proletariat
5. Der konspirative Alltagsklassenkampf der Manufaktur- und HeimarbeiterInnen
6. Der offene Klassenkampf des Manufakturproletariats und der HeimarbeiterInnen
7. Die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Sozialbewegung in Frankreich und Preußen

Der konspirative Alltagsklassenkampf der Manufaktur- und HeimarbeiterInnen

Nachdem wir oben die Beteiligung der Manufaktur- und HeimarbeiterInnen an gesamtproletarischen Kämpfen beziehungsweise an klassenübergreifenden Protestbewegungen beschrieben haben, wollen wir jetzt ihre die auf die eigenen Branchen beziehungsweise Einzelunternehmen beschränkten Auseinandersetzungen mit Kapital und Staat unter die Lupe nehmen.
Bevor wir im Kapitel 6 dieses Textes den offenen Klassenkampf der Manufaktur- und HeimarbeiterInnen untersuchen werden, beschäftigen wir uns hier mit deren konspirativen Alltagsklassenkampf. Dieser war unsichtbar und illegal. Wenn er sichtbar wurde, hatte er Repression zur Folge.
Eine Form des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes der HeimarbeiterInnen war die möglichst schnelle und daher weniger sorgfältige Produktion. Da ihr niedriger Verdienst nach der Anzahl der Produkte berechnet war, hatten die HeimarbeiterInnen oft keine andere Wahl als zu dieser Form des Klassenkampfes zu greifen. Die Kapitalisten beschwerten sich oft über die qualitativ schlechte Arbeit. So erklärten im Jahre 1787 mehrere Manufakturbesitzer aus Berlin, dass die in Nowawes „angesetzten Weber schlechte Leute wären, welchen keine gute Arbeit anvertraut werden könnte“. Die Berliner Kapitalisten verlangten, Nowawes wieder in ein Spinnerdorf zurück zu verwandeln. (Deutsches Zentralarchiv, Abteilung Merseburg, General-Direktorium, Fabriken-Departement CCLIX, Nr. 11, Vol. IV.)
Weitere Formen des konspirativen Klassenkampfes waren Betrügereien und Materialunterschlagungen der HeimarbeiterInnen. In Nowawes wurde zum Beispiel um das Gewicht des Gespinstes zu erhöhen, nach dem die KolonistInnen bezahlt wurden, „mit Heringslake, Salzwasser oder anderen Unrath beschwert“ (Deutsches Zentralarchiv, Abteilung Merseburg, General-Direktorium, Fabriken-Departement CCLIX, Nr. 11, Vol. II.) Auch verkauften die HeimarbeiterInnen manchmal das zur Wollbearbeitung notwendige teure Baumöl und benutzten stattdessen weißen Tran, der allerdings die Wolle beschädigte. In Nowawes unterschlugen WeberInnen ganze Ketten und verwendeten diese für sich selbst. Wurden sie erwischt und von den preußischen Repressionsorganen verhört, betonten sie stets, dass sie aus sozialer Not heraus stehlen würden. Die HeimarbeiterInnen erklärten sich auch zum Ersatz bereit. SeidenarbeiterInnen klauten Seide, um diese zu verkaufen. Sie feuchteten das Seidengarn an oder gossen die Rolle mit Blei aus, um den Gewichtsverlust auszugleichen.
Da dieser Klassenkampf die Manufakturkapitalisten schädigte, wandten sich im Jahre 1765 17 Woll- und Kattunbourgeois an den König und baten diesen untertänigst, schärfere Maßnahmen gegen die Unterschlagung von Material zu verhängen. Der Zeitpunkt, kurz nach dem Siebenjährigen Krieg, war alles andere als zufällig. Die Zeit des imperialistischen Gemetzels und die der nachfolgenden sozialen Notlage hatte zu einem gewaltigen Anstieg der Lebenshaltungskosten geführt. Viele ProletarierInnen und proletarisierte KleinbürgerInnen gerieten in eine biosoziale Reproduktionskrise. So nahm die Zahl der verübten Materialunterschlagungen zu. Der politische Gewaltapparat entsprach als ideeller Gesamtkapitalist den Bitten der Bourgeoisie. Im Jahre 1768 legte der preußische Staat harte Strafen fest. Die Bekanntmachung der Strafen wurde in der Zeitung veröffentlicht, weil davor die Manufaktureigentümer in ihrer Eingabe an den Monarchen betont hatten, dass ein öffentlicher Aushang der Verordnung sinnlos sei, da dieser bald wieder abgerissen würde. Aber die wenigsten HeimarbeiterInnen lasen Zeitung, weshalb Sonderdrucke hergestellt und an die Kammern der Provinzen verteilt wurden. Diese gaben dann einzelne Exemplare an die Manufakturkapitalisten weiter. In Berlin wurden zum Beispiel 2400 Exemplare verteilt. Doch bereits in den Jahren 1780 und 1784 jammerte die Bourgeoisie wieder über „die jetzt sehr überhand nehmende Betrügereyn.“ So setzte der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung 1793 neue Strafen fest.
Schauen wir uns hier genauer die Entwicklung der staatlichen Repression gegen den konspirativen Alltagsklassenkampf an. Im Jahre 1768 sah die Strafe für kriminalisierten Widerstand in Form von Materialunterschlagung so aus, dass die „TäterInnen“ öffentlich an den Pranger gestellt und ihnen große Zettel mit dem Tatbestand auf der Brust angeheftet werden sollten. Außerdem mussten die KäuferInnen des gestohlenen Materials eine Geldstrafe bezahlen. Die DenunziantInnen jedoch bekamen vom preußischen Staat 5 Reichstaler als Belohnung. Im Jahre 1783 legte der politische Gewaltapparat in dem Regulativ für die KattunweberInnen in Nowawes fest, dass der Diebstahl von Garn oder der Austausch mit schlechtem Garn zur 3- bis 8-tägigen Inhaftierung bei Wasser und Brot führen würde. Außerdem sollten die „TäterInnen“ das unterschlagene Material ersetzen. Innerhalb von zehn Jahren drehte der absolutistische Staat abermals an der Repressionsschraube. So befahl er im Jahre 1793, dass, wenn der Tauschwert des Geklauten unter 10 Reichstalern lag, eine Gefängnisstrafe von 24 Stunden bis zu 14 Tagen durchgesetzt werden sollte. Damit der/die Bestrafte aber weiterhin ordentlich Mehrwert für die Bourgeoisie produzieren konnte, durften zur Vollstreckung der Inhaftierung nur arbeitsfreie Tage, also Sonn- und Feiertage ausgewählt werden. Außerdem musste die Haft in einer Dunkelzelle bei Wasser und Brot abgesessen werden. Sollte der/die „Straftäter/in“ aber auf die gleiche Art und Weise seinen/ihren Klassenkampf fortsetzen, verdoppelte der preußische Absolutismus die Strafe. Bändigten ihn/sie dann auch noch nicht die Repression des politischen Gewaltapparates, sollte er/sie in weiteren Fällen Festungs- und Zuchthausstrafen mit „Willkommen und Abschied“ bekommen. Der preußische Staat verschärfte also innerhalb von 25 Jahren deutlich seine Repression gegen Materialunterschlagung durch die HeimarbeiterInnen als einer Form des konspirativen Alltagsklassenkampfes.

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