weltrevolution – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Sat, 15 Mar 2025 22:53:48 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png weltrevolution – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Globale Klassenkämpfe (2023/2024) https://swiderstand.blackblogs.org/2025/03/15/neue-broschuere-globale-klassenkaempfe-2023-2024/ Sat, 15 Mar 2025 22:53:39 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=822 Unsere neue Broschüre „Globale Klassenkämpfe (2023/2024)“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Einleitung

1. Kapitalistische Ausbeutung und politische Verwaltung des Weltproletariats

2. Weltbourgeoisie und Weltproletariat

3. Institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und klassenkämpferische Selbstorganisation

4. Kämpfe im Güter- und Personenverkehr (Logistik)

5. Auseinandersetzungen in der Textilindustrie

6. Klassenkonflikte in der Metall- und Elektroindustrie

7. Klassenkämpfe im Gesundheitswesen und in der Pflege

8. Lehrkräfte im Klassenkampf

9. Auseinandersetzungen bei Medien und in der IT-Branche

10. Konflikte auf dem Bau

11. Kämpfe im Handel

12. Klassenauseinandersetzungen in der Finanzbranche (Banken und Versicherungen)

13. Klassenkonflikte im Gastgewerbe

14. Auseinandersetzungen in der Land- und Forstwirtschaft

15. Klassenkämpfe im öffentlichen Dienst und in den Staatsapparaten

16. Konflikte in der Reinigungsbranche

17. Klassenauseinandersetzungen in der Nahrungsmittelindustrie

18. Klassenzusammenstöße in der Rohstoff- und Energiegewinnung

19. Branchenübergreifende Klassenkonflikte

20. Klassenübergreifende größere Sozialproteste

Auseinandersetzungen in der Textilindustrie

In Bangladesch streikten Ende Oktober 2023 in den Städten Ashulia und Gazipur die ProletarierInnen von dutzenden Textilunternehmen. Sie blockierten die Straßen, wie die Polizei mitteilte. Die Repressionskräfte setzten Gummigeschosse und Tränengas gegen die Klassengeschwister ein. Am 30. Oktober 2023 starb ein Mann bei diesen Klassenauseinandersetzungen. Es war Rasel Howlader, ein Arbeiter aus der Textilfabrik Design Express in Gazipur. Außerdem verletzten die Bullen bei einer Schießerei Amirul Islam, der bei Columbia Garments schuftete. Ein weiterer Mensch kam in einer brennenden Fabrik ums Leben. In Gazipur lassen mehr als tausend Betriebe Textilien – viele für westliche Marken – von „ihren“ ProletarierInnen für Hungerlöhne herstellen.

Der Klassenkampf der TextilarbeiterInnen entwickelte sich, als die Bourgeoisie dieser Branche am 22. Oktober 2023 auf der vierten Sitzung des Lohnausschusses eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 10.400 BDT (94 US-Dollar) vorschlug. Dieser vorgeschlagene Mindestlohn lag unter den biosozialen Reproduktionskosten. Die Textilgewerkschaften von Bangladesch forderten seit Beginn des Jahres 2023 die Erhöhung des Mindestlohnes von 8.000 BDT (75 US-Dollar) auf 23.000 BDT (215 US-Dollar).

Als sich der offene Klassenkampf in der Textilindustrie Ende Oktober 2023 entfaltete, ging der politische Gewaltapparat auch repressiv gegen FunktionärInnen der Textilgewerkschaften vor. So wurden Ende Oktober 2023 Mossarrof Hossain von BMGGTWF, Jewel Miya von BIGUF und Masud Rana von BGTLWF verhaftet. Die Bullen zeigten weitere GewerkschafterInnen wegen Vandalismus und Körperverletzung an.

Anfang November 2023 ging der militante Klassenkampf weiter und weitete sich geographisch noch aus, wie wir in der Zeitung lesen konnten: „Die Massenproteste von Beschäftigten der Textilindustrie in Bangladesch sind auch am Mittwoch (1. November 2023) weitergegangen. Erneut demonstrierten Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter und errichteten Straßensperren in der Hauptstadt Dhaka. Bei Kundgebungen in den nördlichen Vororten Ashulia und Gazipur war es seit Montag (30. Oktober 2023) zu Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Mindestens zwei Menschen starben. Die Behörden sprachen am Mittwoch (1. November 2023) von mindestens 5.000 Demonstrierenden, AFP-Reporter vor Ort setzten die Zahl höher an. In Gazipur kam es der örtlichen Polizei zufolge zu Steinwürfen. Dhaka und seine Vororte sind ein Zentrum der Textilindustrie, H & M, Gap, Adidas oder Puma lassen dort Kleidung herstellen. Der Mindestlohn der Branche liegt umgerechnet bei rund 70 Euro im Monat, die Gewerkschaft fordert eine Verdreifachung.“ (Bangladesch: Proteste in der Textilindustrie, in: junge Welt vom 2. November 2023, S. 1.)

Zum Höhepunkt dieser Klassenauseinandersetzung streikten zehntausende TextilarbeiterInnen in Bangladesch. Die ProletarierInnen legten mehr als 300 Fabriken lahm. 50 Fabriken wurden im Kampf verwüstet. Der Staat konnte diesen Klassenkonflikt nicht nur mit der Peitsche befrieden, so erhöhte er im November 2023 für Dezember dieses Jahres den Mindestlohn von umgerechnet 8.000 BTD (67 US-Dollar) auf 12.500 BDT (105 US-Dollar). Die Erhöhung entsprach der Hälfte der Forderungen der Gewerkschaften. Deshalb ging der Klassenkampf weiter.

In einer Zeitung der deutschen Bourgeoisie, im Manager-Magazin, konnten wir am 11. November 2023 über die Auswirkungen des Klassenkampfes in der Textilbranche von Bangladesch auf die globale Kapitalvermehrung lesen: „Im teils gewaltsamen Streit um höhere Löhne in der Textilbranche in Bangladesch sind am Samstag (11. November 2023) 150 Fabriken auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Sie befinden sich in den wichtigen Industriestädten Ashulia und Gazipur nördlich der Hauptstadt Dhaka, wie die Polizei der Nachrichtenagentur AFP sagte. Die Hersteller fürchten demnach zum Beginn der neuen Arbeitswoche in dem südasiatischen Land weitere Streiks.

In Bangladesch gibt es seit zwei Wochen heftige und teils gewaltsame Proteste. Die Arbeiter der zahlreichen Textilfabriken des Landes fordern eine Erhöhung ihres Mindestlohns auf umgerechnet mindestens 190 Euro im Monat, was eine Verdreifachung des aktuellen Niveaus wäre. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hatte am Dienstag (7. November 2023) eine Mindestlohnerhöhung um 56,25 Prozent auf 104 Euro ab Dezember angekündigt.

Die Gewerkschaft der Textilarbeiter wies dies als ,inakzeptabel‘ zurück. Die Lohnerhöhung sei nicht mit den steigenden Kosten für Lebensmittel, Wohnungsmieten, Gesundheitsversorgung und Schulgebühren vereinbar. In den vergangenen Tagen kam es erneut zu heftigen Protesten, bei denen eine Frau getötet wurde – der dritte Todesfall seit Beginn der Demonstrationen.

Am Donnerstag (9. November 2023) gerieten 15.000 Arbeiter mit der Polizei aneinander und plünderten rund ein Dutzend Fabriken, darunter die Fabrik Tusuka. Nach Angaben der Polizei wurden wegen des Angriffs auf diese Fabrik Ermittlungen gegen 11.000 Unbekannte eingeleitet. Die Beamten leiten nach großen Protesten häufig Ermittlungen gegen tausende Menschen ein, was laut Kritikern dazu dient, gegen Andersdenkende vorzugehen.“ (https://www.manger-magazin.de/unternehmen/industrie/zara-h-und-m-und-co-150-textilfabriken-in-bangladesch-auf-unbestimmte-zeit-geschlossen-a-cfb97584-3288-42f1-abcf-6c28c79dd4e6.)

Der politische Gewaltapparat setzte gegen das klassenkämpferische Proletariat auch Grenztruppen ein, um den großangelegten Ausstand von TextilarbeiterInnen zu unterdrücken. Die harte Auseinandersetzung zwischen Proletariat und Bourgeoisie in Bangladesch führte auch zu einem vierten Todesopfer. So teilten die Bullen mit, dass am 11. November der 42-jährige Textilarbeiter Jalal Uddin, der Anfang des Monats bei Zusammenstößen mit staatlichen Repressionsorganen verletzt worden war, seinen Verletzungen erlag.

Hannes Koch und Natalie Mayroth schrieben am 26. November 2023 in der taz über die Situation in der Textilindustrie von Bangladesch: „Die Stimmung in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, ist weiter angespannt. Auch während der Schnäppchenwoche Black Week kam es zu Protesten. Zudem jährte sich am vergangenen Freitag (24. November 2023) der Brand bei Tazreen Fashions, bei dem 2012 mindestens 112 Menschen starben. Näher:innen machten in den vergangenen Tagen auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam. (…)

Bangladesch steht wenige Wochen vor den Parlamentswahlen, die ohnehin unruhige Zeiten versprechen. Zwar laufen die Textilfabriken nach heftigen Protesten mit mindestens vier Toten wieder. Doch der Unmut über den neuen Mindestlohn, der ab Dezember gilt, bleibt. Die Proteste begannen im Oktober, als der Verband der Textilhersteller vorschlug, den Mindestlohn nur geringfügig zu erhöhen. Seit 2018 war er nicht mehr gestiegen.

Die Fronten sind verhärtet, wie die Inhaftierung des Gewerkschaftsführers Babul Hossain von der Bangladesh Garment Workers Solidarity zeigt. Hossain rief Kolleg:innen auf, auf eine bessere Arbeitsgesetzgebung und einen höheren Mindestlohn zu dringen. Seine Kollegin Taslima Akter glaubt, er wurde verhaftet, um die Bewegung zu stoppen. Premierministerin Sheikh Hasina kündigte am Sonntag (26. November 2023) ein hartes Vorgehen gegen Brandstifter an, um Leben und Eigentum zu schützen.“ (https://taz.de/Textilwirtschaft-in-Bangladesch/!5972782/.)

Es war also dem Staat durch massive Repression und die minimale Erhöhung des Mindestlohnes gelungen, im Verlauf des Monats November 2023 den Klassenkampf des Textilproletariats zu ersticken. Diese Erhöhung wurde jedoch durch eine Inflation von 9 Prozent wieder aufgefressen. Außerdem überzog der politische Gewaltapparat das klassenkämpferische Proletariat mit Repression. Er leitete mindestens 43 Strafverfahren gegen 20.000 ArbeiterInnen ein. Über hundert Klassengeschwister wurden vom Staat inhaftiert. Im Jahre 2024 wurden 115 TextilproletarierInnen von der bürgerlichen Klassenjustiz inhaftiert. Viele TextilarbeiterInnen wurden von der Bourgeoisie aus den jeweiligen Betrieben rausgeworfen und auf schwarze Listen gesetzt. Dies macht es für sie sehr schwer, einen neuen Job zu finden.

Im April 2024 forderte ein Bündnis aus elf Verbänden und Gewerkschaften der Textilbranche von Bangladesch die Erhöhung des Mindestlohnes auf 25.000 BDT (ca. 215 Euro/235 US-Dollar) pro Monat.

In China legten die Lohnabhängigen der Deli Textile Co Ltd in der Wirtschaftsentwicklungszone Xia Sha im Bezirk Qiantang von Hangzhou (Provinz Zhejiang) am 2. November 2023 die Arbeit nieder. Der Ausstand richtete sich dagegen, dass die Bourgeoisie die Fabrik an einen anderen Ort verlagern wollte – ohne die bisherigen ArbeiterInnen zu entschädigen.

Am 6. November 2023 traten die ArbeiterInnen der Yonglong-Textilfabrik in Shoxing, Provinz Zhejiang, in den Ausstand. Der Klassenkampf entzündete sich, weil sie für die Verlagerung der Fabrik keine Entschädigung erhielten.

Am 25. November 2023 streikten die ProletarierInnen in der Changshu Zhongtang Textile Co Ltd in Suzhou, Provinz Jinagsu, weil das Einzelkapital die Fabrik verlegt hatte, ohne sie zu entschädigen. Der Streik dauerte eine Zeitlang an.

Am 29. November 2023 teilte die Baoyi Shoes Factory in Yangzhou, Provinz Jiangsu mit, dass sie den Arbeitsvertrag mit „ihren“ Beschäftigten zum Ende des Jahres kündigen, aber erst am nach dem 31. Dezember 2023 ein konkretes Abfindungspaket anbieten werde. Die ProletarierInnen waren so wütend, dass sie am 30. November 2023 in den Ausstand traten. Sie forderten von dem Unternehmen sofort eine Abfindung. Am 4. Dezember 2023 war der fünfte Streiktag.

Am 17. März 2024 demonstrierten rund 1.000 WanderarbeiterInnen aus Myanmar in der südchinesischen Provinz Yunnan, die direkt an Myanmar grenzt. Die ProletarierInnen schufteten in den Bekleidungsfabriken Shangcheng und Xinjiaho. Sie forderten vor allem kürzere Arbeitszeiten und einen freien Sonntag. Bei den Protesten ging es aber auch um höhere Löhne. Unsere Klassengeschwister bekamen oft nicht den versprochenen Lohn von 1.000.000 Kyat (umgerechnet 380 US-Dollar), sondern wurden mit deutlich weniger abgespeist. Die chinesische Bourgeoisie reagierte mit staatlicher Repression. So wurde eine Demonstrantin über die Grenze nach Myanmar abgeschoben.

Am 4. September 2024 errichteten Arbeiterinnen im Bezirk Linping, Hangzhu, Provinz Zhejiang, ansatzweise die Diktatur des Proletariats, die keine Staatsform ist, wie der Marxismus behauptet, sondern Gewalt und Zwang der klassenkämpferischen Lohnabhängigen gegen Bourgeoisie und die repressiven Staatsorgane. Die Proletarierinnen nahmen den Textilkapitalisten Shen Jinrong fest. Das war der Besitzer einer Bekleidungsfabrik im Dorf Tunli im Bezirk Linping in Hanzhou. Er floh bereits mehrfach an anderen Orten mit unbezahlten Löhnen. Die Diktatur des Proletariats bildet sich bereits ansatzweise im reproduktiven Klassenkampf, sie ist eine revolutionäre Tendenz. In der möglichen sozialen Revolution muss die proletarische Diktatur Kapital und Staat zerschlagen – und damit prozesshaft in die klassen- und staatenlose Gesellschaft übergehen (siehe auch Kapitel 3).

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Für die globale Vernetzung von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/07/31/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/ Wed, 31 Jul 2024 03:49:40 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=758 Die massenmörderische Krisen- und Kriegsdynamik des globalen Kapitalismus schreit geradezu nach einer planetaren Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen. Das Weltproletariat wird erbarmungslos von der Weltbourgeoisie verheizt. Der Klassenkampf des Proletariats wird noch immer innerhalb des reproduktiven Rahmens des Kapitalismus geführt, dessen Perspektive für die ProletarierInnen nur Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, staatliche Elendsverwaltung, eine sich vertiefende ökosoziale Kriese und Krieg beziehungsweise einen asozialen Frieden bedeuten kann.

Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien) ist der bürokratische Ausdruck der den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen des proletarischen Klassenkampfes. Die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate integrierten sich mehrheitlich in den Kapitalismus und wurden Fleisch von seinem Fleische. Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus (Linke Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und Linkskommunismus) sind entweder selbst Teil des kapitalistischen Problems oder außerstande eine revolutionäre Alternative zu Kapital, Staat und institutionalisierter ArbeiterInnenbewegung zu entwickeln.

Letzteres trifft besonders auf den Linkskommunismus zu. Er ist aufgrund seines Antiparlamentarismus, seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit und seiner Ablehnung der nationalen Befreiung/Selbstbestimmung zu radikal, um sich in den Kapitalismus zu integrieren, aber zu parteimarxistisch-ideologisch borniert, um den konterrevolutionären Charakter des staatstragenden Bolschewismus ab 1917 zu erkennen und zu begreifen, dass die politische Partei grundsätzlich eine bürgerlich-bürokratische Organisationsform ist, die nur den Kapitalismus reproduzieren, aber eben nicht revolutionär überwinden kann. Das peinliche Rumgeeiere in der Staatsfrage – der berühmt-berüchtigte „Halbstaat“, den die LinkskommunistInnen in der Revolution aufmachen wollen –, ist eine antirevolutionäre Tendenz. Erstens kann es nur ganze Staaten geben und zweitens sind die immer konterrevolutionär!

Eine globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen als organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus ist also absolut notwendig. Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) strebt mittelfristig eine globale Föderation dieser revolutionären Kräfte an.

Keine bürokratisch-zentralistische und ideologisch-dogmatische „Internationale“!

Wir streben keine bürokratisch-zentralistische Internationale an, mit einem riesigen globalen Apparat, der die einzelnen Sektionen in den verschiedenen Nationen anführt. Nein, die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen, die wir mittelfristig und geduldig mit euch zusammen aufbauen wollen, soll klar und eindeutig mit der bürokratisch-zentralistischen und ideologisch-dogmatischen Tradition der parteimarxistischen (sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen) vier Internationalen brechen. Selbstverständlich soll sie sich auch von internationalen anarchosyndikalistischen und linkskommunistischen Zusammenschlüssen unterscheiden.

Die globale Vernetzung soll die unterschiedlichen theoretisch-kulturellen Ursprünge und Traditionen nicht einebnen, sondern produktiv zusammenführen. Sie soll praktische Gemeinschaftserlebnisse von Individuen und Kleingruppen sowie die inhaltliche Diskussion zwischen ihnen ermöglichen und damit Vereinzelung überwinden. Ganz auf der kollektiven Solidarität der Individuen und Gruppen beruhen. Einzeln und frei wie ein Baum, dabei geschwisterlich wie ein Wald!

Natürlich ist dabei auch eine Beliebigkeit zu verhindern. Die Vernetzung von revolutionären Gruppen und Individuen kann kein Selbstzweck, sondern muss die gemeinsame praktisch-geistige Vorbereitung auf die mögliche Weltrevolution sein.

Diskussionsgrundlage für einen inhaltlichen Minimalkonsens einer globalen Föderation von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen

Damit die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen eine klare organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus werden kann, muss sie auf klaren Grundprinzipien beruhen. Die AST schlägt zur Diskussion folgende Punkte vor.

1. Für die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion. Die Warenproduktion basiert auf global voneinander getrennten kleinbürgerlichen und kapitalistischen Wirtschaftseinheiten, die ihre Produkte mittels der Ware-Geld-Beziehung austauschen müssen. Das Geld ist der verselbständigte Ausdruck des Tauschwertes. Basis des Tauschwertes ist der Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit einer Ware. Je höher der Produktionswert einer Ware ist, umso höher ist in der Regel auch ihr Tauschwert. Außerdem wird der Tauschwert auch durch die Marktkonkurrenz aus Nachfrage und Angebot bestimmt.

Indem das sich revolutionär selbst aufhebende Proletariat die Produktionsmittel und die soziale Infrastruktur in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und den Staat zerschlägt, schafft es die Voraussetzungen für die Aufhebung des Tauschwertes. Überwindung des Tauschwertes heißt, dass in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft die Produkte nicht getauscht – auch nicht durch einen Naturaltausch ohne Geld! – sondern gesamtgesellschaftlich kollektiv-solidarisch verteilt werden. Die Individuen sind keine passiven Objekte der gesamtgesellschaftlichen Leitung und Planung der Produktion sowie der Verteilung der Produkte, sondern deren aktive Subjekte.

RevolutionärInnen kritisieren jegliche „Vergesellschaftung“ innerhalb von Warenproduktion und Staat als Scheinalternative. GenossInnenschaften und „selbstverwaltete“ Betriebe innerhalb des Kapitalismus sind im besten Falle kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion und gehen fließend in Kapitalgesellschaften über.

2. Für die revolutionäre Zerschlagung aller Staaten. Staaten sind grundsätzlich sozialreaktionäre Gewaltapparate von Klassengesellschaften. Im Kapitalismus sind die Staaten die politischen Gewaltapparate der Kapitalvermehrung. Es kann keine „progressiven“ oder „sozialistischen“ Staaten geben. Das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat muss den Staat zerschlagen! Die „Halbstaaten“ einer angeblichen „Übergangsgesellschaft“, die der Linkskommunismus herbeiphantasiert, kann es nicht geben. Zwischen dem kapitalistischen Staat und der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft gibt es keine staatsförmige „Übergangsgesellschaft“, sondern „nur“ die mögliche revolutionäre Zerschlagung des Staates! Den Staat zu zerschlagen, heißt die gesamtgesellschaftlich-kollektive Organisation des Lebens ohne Gewaltapparate und BerufspolitikerInnen.

Da das Proletariat eines Landes, einer Gruppe von Ländern, eines Kontinents unmöglich mit der sozialen Revolution warten kann, bis ihre Klassengeschwister weltweit so weit sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Zerschlagung der Nationalstaaten sein. In der Weltrevolution wird es also sowohl schon mögliche klassen- und staatenlose Gemeinschaften als auch noch kapitalistische Staaten geben. Der revolutionäre Kampf gegen die Konterrevolution – sowohl von marodierenden Banden als auch von Staaten – beruht auf der kollektiven Militanz des sich selbst revolutionär aufhebenden Proletariats beziehungsweise der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft, aber nicht auf von der Gesellschaft getrennten Gewaltapparaten. Letztere wären der reproduzierte Staat. In der Praxis wird es schwer werden, notwendige revolutionäre Gewalt gegen die Konterrevolution auszuüben, ohne den Staat zu reproduzieren. Aber der reproduzierte Staat ist die Konterrevolution! Deshalb kompromissloser Kampf gegen die linkskommunistische Ideologie von dem „Halbstaat“ in der angeblichen „Übergangsperiode“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus! Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn alle kapitalistischen Staaten revolutionär zerschlagen sind.

3. Gegen die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien). Gewerkschaften sind der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes des Proletariats innerhalb des Kapitalismus. Im frühen Kapitalismus ging die Bourgeoisie noch total repressiv gegen den proletarischen Klassenkampf vor. Streiks und Gewerkschaften waren absolut verboten. Doch große Teile der herrschenden Klasse erkannten in einem sozialen Lernprozess – auch aufgrund des Druckes des klassenkämpferischen Proletariats – dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten ist. So wurde in den verschiedenen Staaten der reproduktive Klassenkampf und die Gewerkschafen unter bestimmten Bedingungen legalisiert. Der Klassenkampf wurde verrechtlicht und damit tendenziell entradikalisiert. Die Gewerkschaften wurden durch das durch staatliche Gesetze regulierte Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das Sitzen von Gewerkschaftsbonzen in den Aufsichtsräten der Konzerne zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung.

Die meisten Gewerkschaften sind durch einen antagonistischen Klassengegensatz geprägt. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Apparate der hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht (mehr) zum Proletariat gehören – und auf der anderen die ehrenamtlichen FunktionärInnen und die lohnabhängige Basis als Manövriermasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist es, sich vollständig in den kapitalistischen Staat zu integrieren.

Gewerkschaften können grundsätzlich nur einen reproduktiv-sozialreformistischen Klassenkampf um höhere Löhne, für kürzere Arbeitszeiten und eine geringere Arbeitsintensität sowie gegen die Angriffe von Kapital und Staat innerhalb des Kapitalismus, aber eben keinen revolutionären für die klassen- und staatenlose Gesellschaft führen. Selbstverständlich gibt es zwischen ihnen große Unterschiede. So gibt es total sozialreaktionäre Gewerkschaften, die völlig in die jeweiligen Staaten integriert sind und auch deren imperialistischen Kriege unterstützen, aber auch Basisgewerkschaften, die gegen Aufrüstung, Waffenhandel und Krieg einen pazifistisch-reformistischen Klassenkampf führen.

Die Behauptungen des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine Anpassung an das Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit des Proletariats wurde der Anarchosyndikalismus selbst zu einer Strömung des globalen Gewerkschaftsreformismus. Gewerkschaften sind die Organisationsform des reproduktiven Klassenkampfes innerhalb des Kapitalismus, aber eben keine revolutionären zur dessen Zerschlagung. Gewerkschaften können nicht revolutionär und revolutionäre Klassenkampforganisationen (siehe Punkt 5) keine Gewerkschaften sein!

In nichtrevolutionären Zeiten können RevolutionärInnen einfache Mitglieder von Gewerkschaften sein. Aber sie dürfen keine neben- oder hauptamtlichen Funktionen in ihnen übernehmen. Gewerkschaften müssen grundsätzlich durch revolutionäre Klassenkampforganisationen, die sich allerdings erst möglicherweise in der sozialen Revolution herausbilden können, ersetzt werden. Berits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus entwickelt sich die proletarische Selbstorganisation als Alternative zur Gewerkschaftsbürokratie (siehe Punkt 5). Völlig in den kapitalistischen Staat integrierte Gewerkschaftsapparate, die auch imperialistische Kriege unterstützen, müssen aktiv in der sozialen Revolution zerschlagen werden!

Politische Parteien bildeten sich ab dem 19. Jahrhundert zu zwar nicht absolut notwendigen, doch weit verbreiteten Basiseinheiten der bürgerlichen Politik. Parlamentarische Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen. In ihnen konkurrieren die politischen Parteien in Form von freien Wahlen um die Beherrschung des Staatsapparates. Freie Wahlen machen aus ProletarierInnen Stimmvieh, dass ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInne,n dazu ermächtigt, entweder den kapitalistischen Staat zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Neben den Demokratien gab und gibt es noch faschistische und marxistisch-leninistische (siehe Punkt 4) Einparteiendiktaturen.

Politische Parteien sind klassengespalten in bürgerlich-bürokratische Apparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen und -ideologInnen auf der einen und der kleinbürgerlich-proletarischen Basis auf der anderen Seite. Mensch kann zwischen kleinbürgerlich-radikalen Protest-/Aufstandsparteien und großbürgerlichen Systemparteien unterscheiden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich sozialdemokratische Massenparteien als politischer Flügel der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Einige von ihnen betrogen sich selbst und das Proletariat mit einer „revolutionären“ Ideologie, die aber nicht mit ihrer Praxis des parlamentarischen Sozialreformismus übereinstimmte, sondern diese verschleierte. Sie nahmen an Wahlen teil und integrierten sich immer stärker in das parlamentarische System. Die bürgerlich-bürokratischen Apparate der sozialdemokratischen Parteien strebten als Haupttendenz an, von der Bourgeoisie voll anerkanntes Regierungspersonal des kapitalistischen Staates zu werden.

Für die europäische Sozialdemokratie kam dieser Moment im Jahre 1914, den Beginn des Ersten Weltkrieges und der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die meisten europäischen sozialdemokratischen Parteien unterstützten den Ersten Weltkrieg auf der Seite ihres jeweiligen Nationalstaates. Nur pazifistische und radikale Teile der Sozialdemokratie waren gegen die Kriegsbeteiligung. Während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise wurde die Sozialdemokratie – besonders die deutsche SPD – offen konterrevolutionär, die blutig das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat niederschlug. Heute ist die Sozialdemokratie vollständig in den Kapitalismus integriert.

Infolge der europäischen revolutionären Nachkriegskrise spaltete sich der radikale Flügel der Sozialdemokratie weltweit sowohl als Partei-„Kommunismus“ als auch als Rätekommunismus ab. In einigen Nationen entstanden marxistisch-leninistische Parteidiktaturen (siehe Punkt 4). In hochentwickelten privatkapitalistischen Demokratien integrierten sich marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien in das parlamentarische System. Indem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus an parlamentarischen Wahlen teilnehmen, helfen sie dabei die Demokratie als Diktatur des Kapitals praktisch-geistig zu reproduzieren und die ProletarierInnen zum Stimmvieh abzurichten und braven demokratischen StaatsbürgerInnen zu erziehen.

Die sich vernetzenden Gruppen des revolutionären Anarchismus und des antileninistischen Kommunismus lehnen die politische Partei als Organisationsform des klassenkämpferischen Proletariats und der revolutionären Minderheiten ab. Ihre Kleingruppen sind weder Gewerkschaften noch politische Parteien und sie streben es auch nicht an, es zu werden.

4. Revolutionärer Antileninismus. Die politische Machtübernahme der bolschewistischen Partei im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – stellte keine „proletarische Revolution“ dar, wie der Parteimarxismus einschließlich des Linkskommunismus behauptet, sondern der Prologder staatskapitalistischen Konterrevolution. Das sozialreaktionäre Lenin-Trotzki-Regime zerschlug die Sowjets als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Ab der Verstaatlichung der Großindustrie im Frühsommer 1918 war es staatskapitalistisch. Es folgten weitere sozialreaktionäre politische Machteroberungen von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten und die Herausbildung staatskapitalistischer Regimes in Euroasien, Afrika und auf Kuba.

Die ultrazentralistischen und überbürokratischen staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse begünstigten die ursprüngliche, nachholende und beschleunigte Industrialisierung von einstigen Agrarnationen, aber auf Dauer konnten sie nicht der Konkurrenz des hochentwickelten Privatkapitalismus standhalten, weshalb sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Reformfraktionen entwickelten und die politische Macht eroberten. Diese transformierten dann den Staats- in den Privatkapitalismus. In der Sowjetunion und in Osteuropa zerfielen die marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen. In China, Vietnam und auf Kuba wurde und wird das Kapital unter der Herrschaft der marxistisch-leninistischen Parteien privatisiert.

5. Für die klassenkämpferische Selbstorganisation und die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats. Das Proletariat kann nur in klassenkämpferischer Selbstorganisation seine Interessen und Bedürfnisse gegen Kapital und Staat durchsetzen. Die klassenkämpferische Selbstorganisation richtet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Besonders in längeren Arbeitsniederlegungen, die offiziell von den Gewerkschaften geführt werden, entwickeln sich teilweise Formen der Doppelherrschaft. Auf der einen Seite die Selbstorganisation der Basis und auf der anderen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Die höchste Form nimmt die Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf in gewerkschaftsunabhängigen wilden Streiks an. Ist die Arbeitsniederlegung relativ kurz und sind die Belegschaften verhältnismäßig klein, reicht oft bereits die informelle Selbstorganisation der Lohnabhängigen. Dauert der wilde Streik jedoch länger und/oder stehen größere beziehungsweise mehrere Belegschaften in ihm, dann werden offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig.

Revolutionäre Kleingruppen orientieren sich auf die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats, lehnen aber den Anspruch auf dessen „Führung“ ab. Ihre Funktion ist es praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Wohl wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des Proletariats dessen eigener praktischer Kampf ist. RevolutionärInnen lehnen jede Stellvertreterpolitik gegenüber dem Proletariat einschließlich des Guerillakrieges getrennt vom Klassenkampf ab.

In außerordentlichen Situationen kann sich der proletarische Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisieren. Dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. Wir verstehen darunter die Organisation der Revolution. Diese wird sowohl durch die informelle Aktion des Proletariats als auch durch offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation geprägt sein. Die Aufgabe der revolutionären Klassenkampforganisation wird die Aufhebung der Warenproduktion (Punkt 1) und die revolutionäre Zerschlagung des Staates (Punkt 2) sein. Gelingt dies, dann transformiert sich die revolutionäre Klassenkampforganisation in die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Die revolutionäre Klassenkampforganisation ist also die Selbstaufhebung des Proletariats als Prozess.

Diese revolutionäre Organisation des Proletariats kann nur die Warenproduktion aufheben und den Staat zerschlagen, wenn sie ganz auf der kollektiv-solidarischen Selbstorganisation der Klasse ohne bürokratische Apparate und BerufspolitikerInnen beruht. Hauptamtliche Gewerkschafts- und ParteifunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen haben in der revolutionären Klassenkampforganisation des Proletariats nichts zu suchen! Revolutionäre Kleingruppen der vorrevolutionären Zeit gehen in der revolutionären Klassenkampforganisation auf. Diese kann nur die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären, wenn sie bereits mit deren Organisationsprinzipien schwanger geht.

Wir wissen nicht, wie die zukünftige revolutionäre Klassenkampforganisation aussehen wird. Die ArbeiterInnen- und Soldatenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) waren nur potenziell und tendenziell revolutionär. Sie hatten sich noch nicht das klare Ziel der Aufhebung der Warenproduktion und der revolutionären Zerschlagung des Staates gestellt. Und sie wurden zum Beispiel in Russland zuerst von menschewistischen und „sozialrevolutionären“ BerufspolitikerInnen deformiert, die versuchten die Sowjets in den proprivatkapitalistischen Staat zu integrieren. Später wurden bolschewistische BerufspolitikerInnen in den Sowjets immer stärker. Die Bolschewiki forderten demagogisch: „Alle Macht den Sowjets!“ Als sie dann mit Hilfe der Sowjets die politische Macht erobert hatten, zerschlugen sie diese als Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes. Daraus gibt es nur eine Lehre zu ziehen: BerufspolitikerInnen raus aus der revolutionären Klassenkampforganisation! Allen politischen Parteien – auch den linkskommunistischen – und Gewerkschaften einschließlich der anarchosyndikalistischen, die die Führung des revolutionären Proletariats anstreben, muss ordentlich auf die Finger geklopft werden!

6. Revolutionäre Kritik des Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien und Mobilisierung für die Demokratie. RevolutionärInnen lehnen Einheits- und Volksfronten mit bürgerlichen Kräften – einschließlich der Sozialdemokratie, des Marxismus-Leninismus und des Trotzkismus gegen den Neofaschismus ab. Sie bekämpfen ihn auf klassenkämpferisch-revolutionärer Grundlage.

Das ist die Lehre aus dem spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939), bei dem die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – von den StalinistInnen und SozialdemokratInnen über die linkssozialistische POUM bis zur anarchosyndikalistischen CNT – mit anderen bürgerlichen Kräften eine Volksfront bildete, gegen die die Generäle unter Franco putschten. Die Volksfront führte sowohl einen innerkapitalistischen und sozialreaktionären BürgerInnenkrieg gegen die putschenden Generale als auch einen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat und den linken Flügel der Volksfront (POUM und Basis der CNT). Den Klassenkampf von oben gewann die Volksfront, während sie den BürgerInnenkrieg gegen Franco verlor. RevolutionärInnen mussten sowohl die Volksfront als auch die putschenden Generäle bekämpfen.

7. Gegen nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung/Autonomie. Die Nationen sind Zwangs- und Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit. Ihr organisierender Kern ist der Nationalstaat. Nationen beruhen ökonomisch auf der erfolgreichen Vermehrung des Nationalkapitals, politisch auf der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und ideologisch auf den Nationalismus. Der Letztgenannte integriert die Lohnabhängigen in die jeweiligen Nationalstaaten und spaltet das Weltproletariat. Dieses wird in der globalen Interaktion der Nationen – sowohl kooperative Konkurrenz als auch konkurrenzförmige Kooperation – erbarmungslos verheizt. Die ProletarierInnen werden durch den Nationalismus in blutigen Gemetzeln aufeinandergehetzt – im Interesse des Weltkapitalismus.

RevolutionärInnen bekämpfen die nationalistische Benachteiligung und Unterdrückung von kulturellen, sprachlichen und religiösen Minderheiten sowie den Rassismus gegen Menschen mit bestimmten Hautfarben. Aber auch dagegen, dass aus diesen Minderheiten durch nationalistische Politik neue Nationen geformt werden. Für die dann entweder Autonomie in bestehenden Nationalstaaten verlangt und durchgesetzt (wie zum Beispiel „die KurdInnen“ im Nordirak und in Syrien) oder einen neuen unabhängigen Nationalstaat aufgemacht werden. Nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung und Autonomie kann nur Kapital und Staat reproduzieren, aber eben nicht überwinden. Gegen nationalistische Unterdrückung hilft keine nationale „Befreiung“, sondern nur die soziale Befreiung von der Nation durch die mögliche Weltrevolution und die globale klassen- und staatenlose Gemeinschaft. In der globalen Konkurrenz der Nationen unterstützen die RevolutionärInnen keinen, sondern bekämpfen alle.

8. Gegen den Pazifismus. Der (klein)bürgerliche Pazifismus tritt für den bürgerlichen Frieden sowohl innerhalb der als auch zwischen den kapitalistischen Staaten ein. Doch dieser ist lediglich die nichtmilitärische Form der Konkurrenz aller gegen alle. Er ist asozial und gewalttätig. Im Inneren beruht er auf dem staatlichen Gewaltmonopol und in der Außenpolitik auf Aufrüstung. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist nicht die Alternative zum Krieg, sondern dessen Quelle.

Der Pazifismus verlangt die freiwillige, kooperative und nennenswerte Abrüstung der kapitalistischen Staaten. Doch die ist aufgrund der globalen Konkurrenz illusorisch. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben: die Zerschlagung aller Staaten durch die mögliche globale Revolution. Kompromissloser Klassenkrieg! Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie!

9. Grundsätzliche Kritik sowohl des kapitalistischen Patriarchats als auch der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus. Für den revolutionären Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat. Das kapitalistische Patriarchat ist sowohl klassenübergreifend als auch klassenspezifisch. Frauen sind innerhalb der Bourgeoisie (Kapitalistinnen, Managerinnen, Berufspolitikerinnen und Spitzenbeamtinnen) unterrepräsentiert, während die Proletarierinnen einer sexistischen Extrauausbeutung unterworfen werden. So sind zum Beispiel Frauenlöhne durchschnittlich niedriger als Männerlöhne. Ein Ausdruck des kapitalistischen Patriarchats ist auch, dass die meisten biosozialen Reproduktionstätigkeiten (einkaufen, reinigen der Wohnung, Pflege von kranken und/alten Menschen, Beaufsichtigung und Erziehung von Kindern…) sowohl innerfamiliär als auch durch Lohnarbeit durchschnittlich hauptsächlich von Frauen verrichtet werden. Weitere Aspekte des kapitalistischen Patriarchats sind die Degradierung der Frauenkörper zum Sexualobjekt – besonders in Pornographie und Prostitution –, patriarchal-sexistische Gewalt gegen Frauen einschließlich von Femiziden sowie staatliche Repression gegen Abtreibungen.

Der (klein)bürgerliche Feminismus kämpft für Gleichberechtigung von Frauen und Männern innerhalb des Kapitalismus und damit der Klassenspaltung. Er erkämpfte in seiner Geschichte das Frauenwahlrecht, die Zulassung von Frauen zu bestimmten Berufen und immer mehr Berufspolitikerinnen und Wirtschaftsmanagerinnen. Und auch die sexistische Extraausbeutung der Frauen konnte abgemildert werden. Die völlige Durchsetzung der bürgerlichen Frauenemanzipation innerhalb des Kapitalismus würde bedeuten, dass Frauen innerhalb der Bourgeoisie nicht mehr unterrepräsentiert und die Proletarierinnen nicht mehr sexistisch extra ausgebeutet werden sowie die biosozialen Reproduktionstätigkeiten gleichmäßig unter den Geschlechtern, aber ungleichmäßig zwischen den Klassen verteilt werden. Die Durchsetzung von Punkt eins ist wahrscheinlicher als der Punkte 2 und 3. Jedoch haben die Proletarierinnen nichts davon, wenn sie von mehr Politikerinnen regiert, von Kapitalistinnen ausgebeutet und von Chefinnen herumkommandiert werden. Der bürgerliche Feminismus führt geradewegs zur „feministischen Außenpolitik“ kapitalistisch-imperialistischer Staaten…

Auch wenn der (klein)bürgerliche Feminismus es noch so sehr leugnet: es gibt auch weiblichen Sexismus gegen Männer. Klar, die bürgerliche Kleinfamilie ist grundsätzlich – auch von ihrer Geschichte her – patriarchal und vom männlichen Sexismus geprägt. Aber es gibt auch zwischenmenschliche Beziehungen, in denen Frauen Männer unterdrücken. Und auch sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen. Dieser weibliche Sexismus kommt auch teilweise im (klein)bürgerlichen Feminismus zum Ausdruck. Zum Beispiel wenn in der feministischen Ideologie teilweise unterschwellig anklingt, aber manchmal auch offen behauptet wird: Frauen sind die besseren Menschen. Oder wenn einige Feministinnen gegen trans Frauen als „Männer in Frauenkleidern“ hetzen. Das ist nicht „nur“ transfeindlich, sondern auch sexistisch gegen Männer. RevolutionärInnen bekämpfen den weiblichen Sexismus genauso konsequent wie den männlichen.

RevolutionärInnen stellen der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus grundsätzlich den revolutionären Kampf gegen das Patriarchat gegenüber. Durch die soziale Revolution sowie die klassen- und staatenlose Gemeinschaft können viele biosoziale Reproduktionstätigkeiten, die im Kapitalismus hauptsächlich innerfamiliär und von Frauen verrichtet werden, auf freiwilliger Grundlage vergesellschaftet und auf alle Geschlechter fair verteilt werden. Nur durch die revolutionäre Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung sowie des sozialen und sexuellen Elends kann auch die Prostitution überwunden werden. Ihr staatliches Verbot, die Teile des Feminismus fordern, können diese nur in den Untergrund treiben und das Leben der Prostituierten erschweren.

10. Gegen heterosexuelle und geschlechtliche Normierungen – aber auch gegen die verlogene staatliche „Regenbogentoleranz“ und kleinbürgerliche Identitätspolitik. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die staatliche Repression gegen Menschen, die der heterosexuellen und binären Geschlechternorm nicht entsprechen – homo-/bisexuelle, nichtbinäre und trans Menschen – in jenen Ländern, wo diese besteht, als auch die verlogene „Regenbogentoleranz“ von in dieser Frage liberaleren Nationen und Staatenbündnisse. Grundsätzlich braucht der Kapitalismus keine heterosexuellen und geschlechtlichen Normierungen. Solange Schwule, Lesben, nichtbinäre und trans Menschen durch fleißige Produktion und aufgeschlossenem Konsum das Kapital vermehren sowie brave StaatsbürgerInnen sind, ist für den modernen Liberalismus alles in Ordnung. Liberale Staaten und Staatenbündnisse wie die Europäische Union (EU) machen auch die „Regenbogentoleranz“ zur imperialistischen Waffe gegen Staaten, mit denen sie aus anderen Gründen konkurrieren und die repressiv die heterosexuelle und geschlechtliche Normierung durchsetzen.

RevolutionärInnen unterschieden zwischen biologischen Geschlechtern, sozialen Geschlechterrollen und individuellen Geschlechtsidentitäten. Soziale Geschlechterrollen wollen sie durch die soziale Revolution aufheben (siehe Punkt 9), während sie alle individuelle Geschlechtsidentitäten tolerieren, solange die sich nicht gegen andere richten. Soll jede/r nach seiner/ihrer Fasson glücklich werden. Aber RevolutionärInnen wissen auch, dass im Kapitalismus alle Identitäten – unter anderem „Nation“, Hautfarbe, Religion, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuell Geschlechtsidentität sowie sexuelle Orientierung – zu Kostümen im Konkurrenzkampf aller gegen alle werden. Der rechtskonservativ-neofaschistische Konkurrenzchauvinismus gegen „AusländerInnen“, „Nichtweiße“, Homosexuelle, nichtbinäre und trans Menschen genau wie die linksliberale Hetze gegen „cis-Männer“ und „alte, weiße Männer“ – damit die jungen, „nichtweißen“ Frauen innerhalb von KleinbürgerInnentum und Bourgeoisie ordentlich Karriere machen können. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die rechtskonservativ-neofaschistische als auch die linksliberale Identitätspolitik als Konkurrenzchauvinismus und Spaltung des Weltproletariats.

11. Grundsätzliche Kritik des bürgerlichen „Umweltschutzes“ innerhalb des Kapitalismus. Für die Reinigung des Planeten von kapitalistischem Dreck! Das kapitalistische Produktionsverhältnis, in dem sich alles um die grenzenlose Vermehrung des Tauschwertes/Geldes dreht, ist absolut sozialreaktionär und zerstörerisch gegen die pflanzliche und tierische Mitwelt. Die massenhafte Vergiftung, Zubetonierung, Vermüllung und Entwaldung unseres Planeten, der Klimawandel und das massenhafte Artensterben sind lebensgefährliche Ausdrücke der vom Kapitalismus permanent produzierten sozialökologischen Krise. Die technokratischen Versuche der kapitalistischen Staaten den Klimawandel zumindest einzudämmen, verschärfen diese Krise nur. Elektromobilität statt Verbrennungsmotor! Auf dass der lebensgefährliche, ressourcenverschwenderische und zerstörerische, aber eben auch sehr profitable Individualverkehr weiter reproduziert wird. Und Wälder für neue Autobahnen weichen müssen. Eindämmung des Klimawandels durch Windräder in „Naturschutzgebieten“! So sehen die „Lösungen“ der kapitalistischen Technokratie aus.

Auch die klassenübergreifende Umweltbewegung ist aus sich heraus nicht in der Lage, die kapitalistische Vernichtung der pflanzlichen und tierischen Mitwelt sowie den Klimawandel aufzuhalten. Nur die mögliche Weltrevolution kann durch die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsverhältnisse die ökosoziale Krise eindämmen. Dies spricht nicht dagegen, dass RevolutionärInnen an lokalen Bewegungen gegen konkrete kapitalistische Naturzerstörungen teilnehmen, um radikalisierende Impulse zu geben. Aber sie müssen immer die strukturelle kleinbürgerliche Beschränktheit auch der radikalsten klassenübergreifenden Umweltbewegung kritisieren. In der institutionalisierten Umweltbewegung, also in den verschiedenen kleinbürgerlichen Vereinen, haben RevolutionärInnen grundsätzlich nichts verloren.

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Neue Broschüre: Das Elend der Kapitalvermehrung I https://swiderstand.blackblogs.org/2024/02/07/neue-broschuere-das-elend-der-kapitalvermehrung-i/ Wed, 07 Feb 2024 23:05:25 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=732 Unsere neue Broschüre „Das Elend der Kapitalvermehrung I“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Die sozialstaatlich-karitative Verwaltung des kapitalistisch produzierten Elends

I. Die kapitalistisch-politische Produktion des Elends

1. Die kapitalistisch-politische Ausbeutung der Lohnabhängigen

2. Die „Freisetzung“ auf den Arbeitsmärkten

3. Die Ruinierung von produktions- und handelsmittelbesitzenden KleinbürgerInnen

4. Elend und „Armut“

II. Die sozialpolitische Verwaltung des Elends

1. Der Soziallohn

2. Sozialstaatliche Transferzahlungen an Langzeitarbeitslose

3. Der Sozialstaat als Gewaltapparat

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den Sozialstaat

5. Die UNO als globales Sozialamt

III. Die menschlichen Objekte der sozialstaatlichen Elendsverwaltung

1. Erkrankte Menschen

2. Menschen mit Behinderung

3. Kinder und Jugendliche

4. RentnerInnen

5. Erwerbslose Menschen

6. Fliehende und geflohene Menschen

7. Inhaftierte Menschen

Immobilieneigentum, Mietverhältnisse und Obdachlosigkeit

1. Das Eigentum an Wohnungen

2. Mietverhältnisse

3. Obdachlosigkeit

4. Staatliche Bau- und Mietenpolitik sowie Obdachlosenverwaltung

5. Wohn- und mietenpolitischer Sozialreformismus

6. Die sozialrevolutionäre Lösung der Wohnungsfrage

Die Digitalisierung der Kapitalvermehrung

I. Gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung

1. Wissenschaftlich-technische Aspekte der Digitalisierung

2. Sozialökonomische Aspekte der Digitalisierung

3. Sozialpsychologische Aspekte der Digitalisierung

II. Der kapitalistische Staat und die Digitalisierung

1. Die Digitalisierung der staatlichen Infrastruktur

2. Die Optimierung der staatlichen Überwachung

3. Die staatliche Subventionierung und Regulierung des digitalen Privatkapitals

4. Die zwischenstaatliche Konkurrenz um die Digitalisierung

III. Klassenkampf und Digitalisierung

1. Die Digitalisierung als Instrument im Klassenkampf von oben

2. Die Digitalisierung und der Klassenkampf der Lohnabhängigen und prekären Selbständigen

3. Obdachlosigkeit

Das Elend für große Teile des Weltproletariats, die sich den Bau eines eigenen Hauses entweder nicht leisten können oder wollen, besteht also im Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Ein Mangel, der sich grundsätzlich nur sozialrevolutionär durch die Aufhebung des Wohnungsmietverhältnisses als Teil der Ware-Geld-Beziehungen lösen lässt (siehe Kapitel 6 dieser Schrift).

Zum sozialen Elend des Weltproletariats gehört auch die Obdachlosigkeit. Dies ist eine globale Lebenslage, in der Menschen keinen festen Wohnsitz haben und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten. In den Industriestaaten ist die Mehrzahl der obdachlosen Menschen männlich. Unter den alleinstehenden Obdachlosen sind etwa 80 Prozent Männer. In der BRD hatten 2022 607.000 Menschen nach Angaben der regierenden Charaktermasken dieses Staates keine eigene Wohnung. Ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebten in diesem Land rund 50.000 Menschen.

Dieter Rheinisch schrieb im Dezember 2023 über die Zunahme der Obdachlosigkeit in Großbritannien und Irland: „Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen in England nimmt dramatisch zu. Dieses Jahr (2023) werden laut einer neuen Studie 309.550 Menschen Weihnachten auf der Straße, in Notunterkünften oder im Auto verbringen müssen. Auch in Irland spitzt sich die Lage zu. (…)

So ist in England die Zahl der Obdachlosen innerhalb eines Jahres um 14 Prozent gestiegen, teilte die Hilfsorganisation Shelter am Donnerstag (14. Dezember 2023) mit. Einer von 182 Menschen ist betroffen. Bei Kindern ist das Verhältnis noch dramatischer: Eines von 85 Kindern in England ist wohnungs- oder obdachlos. Offizielle Regierungsdaten zeigen, dass derzeit eine Rekordzahl von 139.000 Kindern in provisorischen Unterkünften lebt.

Die Zahlen von Shelter zeigen, dass vor allem die Obdachlosigkeit in den vergangenen zwölf Monaten stark zugenommen hat: Mehr als 3.000 Menschen schlafen jede Nacht auf der Straße. Das ist ein Anstieg von 26 Prozent in nur einem Jahr. Fast 280.000 Menschen leben darüber hinaus derzeit in unsicheren und gesundheitsschädlichen Notunterkünften. Außerdem zeigen Zahlen der Regierung, dass fast die Hälfte der Familien in provisorischen Unterkünften seit mehr als zwei Jahren dort leben, schreibt Shelter. Hinzu kommen 20.000 Menschen in Heimen oder betreuten Unterkünften.

,Obwohl unsere Analyse die umfassendste Übersicht über die in England registrierte Obdachlosigkeit ist, ist die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher, da einige Formen der Obdachlosigkeit, wie z. B. ,Sofasurfenʻ, nicht dokumentiert sindʻ, betonte Shelter-Direktorin Polly Neate bei der Vorstellung des Berichts. ,Chronisch unzureichende Investitionen in den sozialen Wohnungsbau haben dazu geführt, dass sich die Menschen die explodierenden privaten Mieten nicht mehr leisten können und die Obdachlosigkeit auf ein Rekordniveau gestiegen istʻ, so Neate weiter. (…)

Ähnlich problematisch ist die Situation in Irland, wo die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ebenfalls rapide ansteigt. (…) Die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen dort liegt derzeit bei fast 15.000 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte auch hier um ein Vielfaches höher liegen.“ (Dieter Rheinisch, Weihnachten auf der Straße, in: junge Welt vom 18. Dezember 2023, S. 9.)

Formularbeginn

Damit hinter den Zahlen die wirklichen Menschen deutlich werden, wollen wir hier die Schilderung der ehemaligen Obdachlosen Rachel Moran aus Irland wiedergeben. Rachel Moran wuchs in einer Familie mit psychisch kranken Eltern auf. Als der Vater Selbstmord beging, wurde für sie die Situation mit der Mutter unerträglich. Sie befreite sich 1989/90 mit 14 aus der Familie und geriet in die gefühlskalte Verwaltung des Sozialstaates und schließlich in die Obdachlosigkeit.

Sie schrieb später darüber: „Nur wenige Monate nach dem Selbstmord meines Vaters verließ ich mein Elternhaus. Die Paranoia meiner Mutter und ihr Hang, nach Sündenböcken zu suchen, hatten innerhalb weniger Wochen den Siedepunkt erreicht und konzentrierten sich voll auf mich. Sie bombardierte mich jeden einzelnen Tag mit Verbalattacken. Wenn wir uns heftig stritten, was andauernd der Fall war, spuckte sie regelmäßig den Hinweis aus, ich solle zu einem Sozialarbeiter gehen und mir ein Heim suchen. Je mehr ich über ihren Hinweis nachdachte, desto mehr leuchtete er mir ein. Mir graute davor, in die Welt hinauszugehen und mich allein durchzuschlagen, aber mein Leben zuhause war schlichtweg unerträglich, und ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte, also tat ich genau das, was sie mir nahelegte. Ich ging zum Gesundheitszentrum unseres Viertels und bat um ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter. Ich kam mir dabei sehr zielstrebig vor, so als würde ich mein Leben selbst in die Hand nehmen, sackte aber zusammen, als ich der Sozialarbeiterin unter Tränen erklärte, weshalb ich da war. Ich sagte immer wieder: ,Ich muss da raus, ich muss da endlich raus.ʻ Innerhalb einer Woche hatte sie mich tatsächlich da rausgeholt. Damit begann die schwindelerregende Erfahrung, unter staatlicher Vormundschaft zu leben.

Die erste Unterbringung, an die ich vermittelt wurde, war ein von der Heilsarmee betriebenes Heim im Stadtzentrum, das Lefroy House hieß. Im Laufe der darauffolgenden achtzehn Monate war ich immer wieder obdachlos, im Alter von vierzehn bis fünfzehneinhalb Jahren. Fast jedes Mal, wenn mein Aufenthalt in einem Heim oder in einer Pension endete, war ich wieder obdachlos. Zu Beginn meiner Phasen im äußersten Elend führte ich ein sehr einsames Leben, gab mich mit niemandem ab, ging auf niemanden zu, bat nicht um Hilfe und erhielt folglich auch keine.

Mal riss ich von Heimen aus, mal wurde ich rausgeworfen. Ich war nie gewalttätig, jedoch absolut unnachgiebig, wenn es um Regeln ging, denen ich mich nicht unterwerfen wollte. Ich war sehr willensstark und keineswegs auf den Mund gefallen. Trotz alledem kann ich einige Gründe nicht akzeptieren, die vorgebracht wurden, um mich vor die Tür zu setzen. Zu diesen Gründen gehörte, dass ich einmal mit nur einen Schuh an den Füßen ankam, weil ich kurz zuvor verprügelt worden war, oder dass man mich ein anderes Mal erwischte, in meinem Zimmer Tabletten in einem Glas gehortet zu haben, für den Fall, dass ich eventuell einmal Selbstmord begehen wollte. Ich hatte schon in meiner Kindheit Selbstmordgedanken gehabt. (…)

Der erste Schock, als ich obdachlos wurde, war die kontinuierliche, unablässige Notwendigkeit, ständig unterwegs zu sein. Die Suche nach Orten, an denen man einfach nur sein konnte, stellte ein weitaus größeres Problem dar, als ich es mir zuvor hätte träumen lassen. Nirgendwo, wo man hingeht, wird man in Ruhe gelassen. Diesen Luxus kann man nirgendwo erwarten, schließlich sind einem alle privaten Orte der Welt verschlossen, und alle öffentlichen Orte bieten keinerlei Privatsphäre. Viele der letzteren gewähren einem nicht einmal Zutritt.

Was das Problem betrifft, einen Platz zum Schlafen zu finden, so deckt buchstäblich nichts die Bedürfnisse ab, die selbst die mickrigste und schäbigste Bruchbude erfüllt. Kein einziger Platz bietet Trockenheit, Sicherheit, Sauberkeit, Wärme und einen Minimalkomfort. Eine Parkbank mag trocken sein, wenn es nicht regnet, sie mag sogar sauber sein, wenn man Glück hat, aber sie ist weder sicher noch warm, noch bequem. Eine Stelle unter einem Busch ist vielleicht trocken, falls man das Wetter auf seiner Seite hat, aber sie ist weder sicher noch sauber, noch warm, noch bequem.

Ich habe an vielen Plätzen dieser Art geschlafen und einer war so erbärmlich wie der andere. Einmal schlief ich in einem Bus, der in einem Depot mit offenen Türen abgestellt worden war. Als ich aufwachte, fuhr ich in den frühen Morgenstunden über die damals noch grünen Felder von Westdublin. Ich hatte keinen Schimmer, wo ich war, und es war ein unsanftes Erwachen, aber ich fand, dass es sich gelohnt hatte. Es war die bequemste Nacht seit Langem.

Einmal fiel ich für etwa eine halbe Stunde auf dem kalten Fliesenboden einer Toilette bei McDonaldʻs auf der OʻConnell Street in einen unruhigen Schlaf. Die Nacht zuvor hatte ich keinen Schlafplatz finden können und war zutiefst erschöpft, also ging ich zu McDonaldʻs, kaum, dass sie geöffnet hatten, um Egg McMuffins zum Frühstück zu verkaufen. Ich dachte, wenigstens auf der Toilette hätte ich einen sicheren Raum für mich. Ich wurde von einer Mitarbeiterin, die hereingekommen war, um die Toiletten zu reinigen, aus dem Schlaf gerissen und rausgeworfen. Das führt mich zur wahren und schlimmsten Verheerung, die die Obdachlosigkeit mit sich bringt: die Einsamkeit. Es ist die Erfahrung, dass man absolut unerwünscht ist, dass die eigene, bloße Anwesenheit an allen Orten und in allen Situationen ein unerquicklicher Umstand ist. Egal, wo man sich als obdachlose Person befindet, man ist immer unwillkommen. Wenn ein Mensch obdachlos ist, so sinkt sein gefühlter Wert für die Gesellschaft auf null. Er existiert nicht. Ihrem Selbstgefühl nach sind solche Menschen wertlos und missliebig, soziale Parias, Verstoßene, Außenseiter, deren bloßer Körper ein unerwünschter Störfaktor ist, den sie mit sich herumtragen müssen, wohin sie auch gehen. Sie sind im wortwörtlichsten Sinne unerwünscht. Sie sind die verkörperte Überflüssigkeit. Ich habe all diese Gefühle zu spüren bekommen, als ich obdachlos war. Das tun alle obdachlosen Menschen. Es ist unumgänglich.“ (Rachel Moran, Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution, Tectum Verlag, Marburg 2015, S. 63-68.)

Rachel Moran entkam der Obdachlosigkeit, indem sie mit 15 Jahren in die Prostitution geriet, aus der sie sich dann nach sieben Jahren ebenfalls befreite…

Aber Obdachlose sind nicht nur leidende Menschen, sie sind auch Teil des globalen proletarischen Klassenkampfes. Johannes Schulten schrieb 2009 über den Wohnungsnotstand, staatliche Repression und den sozialen Widerstand in Sao Paulo/Brasilien: „In der brasilianischen 20-Millionen-Metropole Sao Paulo herrscht akuter Wohnraumnotstand. Allein in Stadtkern mangelt es nach offiziellen Angaben an 600 000 Wohnungen. Städtische ,Aufwertungsprogrammeʻ trieben die Mieten in den letzten Jahren in die Höhe. Die Immobilienspekulation boomt. Während inzwischen sogar Mittelstandsfamilien ihre Stadtwohnungen nicht mehr bezahlen können und an die Peripherie übersiedeln, bleibt für die stetig wachsende Zahl der Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Schattenwirtschaft verdienen, häufig nur die Favela. Aber auch in den brasilianischen Slums wird der Platz knapp. Innerhalb der letzten 20 Jahre sind die städtischen Elendsviertel fünfmal schneller gewachsen als die gesamte Metropolenregion. In den etwa 1600 Favelas im Großraum Sao Paulo leben bis zu 1,2 Millionen Menschen.

Wo staatlicherseits wenig Abhilfe zu erwarten ist, gehen Obdachlosenorganisationen seit einigen Jahren dazu über, sich den benötigten Wohnraum einfach anzueignen. Gruppen wie die 1997 gegründete Bewegung obdachloser Arbeiter (MSTS), ein Ableger der Landlosenorganisation MST, verlassen die Favelas und besetzen nicht genutztes Land in den Vorstädten.

Eine dieser Siedlungen befindet sich im Viertel Capao Redondo im Süden von Sao Paulo. Vor zwei Jahren (2007) besetzten etwa 600 Familien hier nicht genutztes Privatgelände, dass sich im Besitz eines nationalen Busunternehmens befindet. Inzwischen ist die Zahl der Familien, die dort leben, auf über 800 angewachsen. Für die Stadtverwaltung gilt die Siedlung jedoch immer noch als illegal. Am vergangenen Montag (24. August 2009) war es dann soweit. Unter dem Einsatz von Tränengas und Blendgranaten stürmten etwa 250 Polizisten der brasilianischen Militärpolizei das Gelände. Die Bewohner verteidigten sich mit dem, was sie hatten: Es flogen Steine und Molotow-Cocktails; Autos, Reifen und Schrott dienten als Barrikaden. Nach sechs Stunden war das Spektakel vorbei, der Widerstand der rund 500 Verteidiger gebrochen. Die Bulldozer rollten ein. Einen Tag später, am Dienstag (25. August 2009) stand kein Haus mehr.

Wie sehr solche Aktionen zum Alltag in Brasilien gehören, zeigt die Reaktion eines Polizeikommandeurs. Auf die Journalistenfrage, ob die Räumung angesichts der Ausschreitungen nicht abgebrochen werden müsse, antwortete er lapidar: ,Ein wenig Widerstand ist für uns normalʻ. Einen Grund, die Aktion abzubrechen, sehe er nicht. Was bleibt, waren Dutzende verhaftete Favela-Bewohner, einige Verletzte. Am Mittwoch (26. August 2009) befanden sich nach Aussagen verschiedener Obdachlosenorganisationen immer noch 500 Familien auf dem Gelände. Einen Ort, wohin sie gehen könnten, haben sie nicht.“ (Johannes Schulten, Bulldozer statt Recht auf Wohnen, in der junge-Welt-Beilage faulheit & arbeit vom 29./30. August 2009, S. 5.)

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Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://swiderstand.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:05:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=724 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

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Neue Broschüre: Kritik der globalen Politik II https://swiderstand.blackblogs.org/2023/11/05/kritik-der-globalen-politik-ii/ Sun, 05 Nov 2023 06:42:51 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=698 Unsere neue Broschüre „Kritik der globalen Politik II“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Der Nationalismus als Grundlage bürgerlicher Politik

I. Allgemeine Betrachtung

1. Bürgerliche Realpolitik ist nationalkapitalistisch

2. Kleinbürgerliche Protestpolitik kann nicht antinational sein

3. Sozialrevolutionäre Antipolitik ist antinational!

II. Über Wanderungsbewegungen und Querfronten

1. Der politische Geisterfahrer Jürgen Elsässer

2. Linksnationalistin Wagenknecht

3. Ernst von Salomon – ein historischer Querfrontler

4. Rechts- und LinksnationalistInnen gegen die extreme Mitte

III.Internationalismus

1. Internationalistische Unterstützung von Russland oder der Ukraine

2. Kriegsgeile Baerböcke (m/w/d)

3. Nationalpazifismus

Globale Kooperation und Konkurrenz der Nationen (2020-2023)

I. Ökonomie

1. Die globale Interaktion der Nationalkapital

2. Kapitalistische Krisendynamik, zwischenstaatliche Konkurrenz und Klassenkampf

3. Wirtschaftskriege

4. Ökonomische Aspekte des Ukrainekrieges

II. Außenpolitik und Diplomatie

1. Der zweite Kalte Krieg

2. Kooperation und Konkurrenz im Block des kollektiven Westens

3. Die diplomatische Offensive des chinesischen Imperialismus

4. Das Lavieren zwischen den Blöcken

III. Ideologie und Propaganda

1. „Demokratie gegen Autoritarismus“

2. „Antikolonialismus“ und „Antiimperialismus“

3. Antifaschismus als Kriegsideologie

4. Feminismus als Kriegsideologie

5. Inszenierung und Ästhetisierung des imperialistischen Gemetzels

IV. Aufrüstung, Säbelrasseln und Krieg

1. Der Rüstungswettlauf

2. Atomare Aufrüstung, Manöver und Provokationen

3. Das Gemetzel in der Ukraine

4. Der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien

5. Der Krieg im Jemen

6. BürgerInnenkriege, Militärputsche und imperialistische Interventionen

V. Nationalistische Konflikte innerhalb von Staaten und besetzten Gebieten

1. Türkischer gegen kurdischen Nationalismus

2. Zionismus gegen palästinensischen Nationalismus

3. Marokko als Besatzer der Westsahara

4. Nationalistische Konflikte in Großbritannien

3. Nationalpazifismus

Das große Ideal des Pazifismus ist Frieden innerhalb und zwischen den Nationen. Der bürgerliche Frieden ist sowohl innerhalb der als auch zwischen den Staaten real nur die nichtmilitärische Form des Konkurrenzkampfes aller gegen alle, der in der Ökonomie der kapitalistischen Warenproduktion wurzelt, aber alle Poren dieser tollen Gesellschaft durchdringt.

Der Pazifismus will Frieden zwischen den Nationen, er ist also strukturell national. Er will Frieden innerhalb des Kapitalismus. Der Pazifismus ist zwanghaft prokapitalistisch. Er will friedliche Kooperationen zwischen den Staaten. Der Pazifismus ist prostaatlich. Er fordert die freiwillige Selbstabrüstung der Staaten und entwaffnet praktisch-geistig auf diese Weise das klassenkämpferische Weltproletariat. Denn es kann real nur eine mögliche Abrüstung geben – die weltrevolutionäre Zerschlagung aller Staatsapparate. Der Pazifismus nimmt an der Befriedung des Weltproletariats teil – und ist damit struktureller Teil des kapitalistischen Klassenkrieges.

Auch in den Ländern, in denen offiziell Frieden herrscht, schnauzen Bosse ihre Untergebene an, schlagen Ehemänner „ihre“ Frauen, während Ehefrauen einen Psychokrieg gegen „ihre“ Männer führen… Bürgerlicher Frieden ist kapitalistischer Krieg niederer Intensität. Er ist eine besondere Form des globalen Klassenkrieges der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat. Der bürgerliche Frieden innerhalb der und zwischen den Staaten bereitet den Krieg und der Krieg bereitet den Frieden vor. Er kann nicht mehr als Zwischenkrieg sein.

Der Pazifismus ist mit seinem Ideal des Weltfriedens innerhalb des globalen Kapitalismus – also innerhalb des permanenten kapitalistischen Weltkrieges – eine Form der utopischen Realpolitik. Ist der Krieg dann wieder mal konkret zwischen zwei Staaten/Staatenblöcken Tatsache, dann werden nicht selten utopische PazifistInnen zu realen imperialistischen KriegerInnen. So zum Beispiel in der BRD während des Stellvertreterkrieges zwischen der NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022. Der alte pazifistische Rockbarde Udo Lindenberg ist beispielsweise Feuer und Flamme für die bewaffnete Unterstützung des ukrainischen Nationalismus gegen Russland.

Und in der einstigen pazifistischen Linkspartei gibt es starke Kräfte für einen Frieden in der Ukraine – einem NATO-Siegfrieden gegen Russland nach diesem Stellvertreterkrieg. Oder in den Worten des ehemaligen Nationalpazifisten und heutigen proimperialistischen NATO-Kriegers Gregor Gysi: „Wer jetzt für Waffenlieferungen ist, der wird gerne als Kriegstreiber bezeichnet. Das finde ich falsch. Weil… die wollen ja auch einen Frieden – auf einem anderen Weg.“ (Gregor Gysi, Sprecher für Außenpolitik der Bundestagsfraktion Die Linke, zu Beginn der am 9. August 2023 veröffentlichten Folge des Podcasts Gysi gegen Guttenberg, zitiert nach der jungen Welt vom 10. August 2023, S. 4.)

Auf der anderen Seite standen die NationalpazifistInnen von der D„K“P und SDAJ seit Beginn des zweiten Kalten Krieges„kritisch“ oder kritiklos, verschämt oder offen auf der Seite des russländischen und chinesischen Imperialismus. Sie fordern einen Frieden zwischen den verfeindeten Imperialismen – und wenn es knallt, stehen sie mehr oder weniger offen auf der Seite Moskaus und Pekings.

Natürlich suchen sich nicht alle PazifistInnen in jedem imperialistischen Krieg offen ihre jeweilige Seite. Aber sie können eben immer nur Frieden zwischen den kapitalistischen Staaten als angebliche Alternative zu blutigen Gemetzeln anbieten. Sie halten Diplomatie als Alternative zum Liefern von Waffen oder gar das Losmarschieren lassen von Soldaten. Dass die DiplomatInnen von den gleichen Staaten finanziert werden, die auch die Aufrüstung oder die Kriege bezahlen, verunsichert sie dabei nicht. Die Diplomatie ist lediglich eine nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Hinter ihr steht das ganze ökonomische und militärische Erpressungspotenzial von politischen Gewaltapparaten.

Wenn Staaten ihre imperialistischen Interessen friedlich durchsetzen können – wunderbar. Aber wenn sie mit Diplomatie nicht weiterkommen und sie einen Krieg für nötig und möglich halten, dann werden sie ihn wahrscheinlich führen.

Auch das Völkerrecht, dass das Führen von Angriffskriegen gegen andere Staaten verbietet – und das bei PazifistInnen sehr hoch im Kurs steht –, hält die imperialistischen Staaten eben nicht von solchen ab. Das Völkerrecht ist mehr praktizierte Ideologie als ideologisierte Praxis. Um praktisch wirksamer zu sein, dürfte es nicht zwischenstaatliches Recht – was es real ist –, sondern müsste überstaatlich sein, also das Recht einer Art Weltregierung. Eine solche Weltregierung ist aber im globalen Kapitalismus aufgrund der Konkurrenz der Nationalismen nicht möglich. Und eine Weltregierung wäre auch eine Form der staatsförmigen Politik, also strukturell sozialreaktionär. Aber sie ist ja unmöglich.

Möglich und real ist nur das Völkerrecht als zwischenstaatliches Recht, was nicht wirklich ein Organ zu seiner Durchsetzung hat. Verkörpert ist das Völkerrecht in den Vereinten Nationen (UNO), einer übernationalen Organisation der Nationalismen und Imperialismen. Die UNO ist keine idyllische „Völkerfamilie“, sondern eine hierarchische Organisation der Nationalstaaten. Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates – China Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – beherrschen diese Organisation. Sie können mit ihrem Veto Umsetzungen von Mehrheitsbeschlüssen des Sicherheitsrates verhindern. Diese fünf Imperialismen, die die UNO beherrschen, sind auch keinesfalls zufällig alle Atomwaffenstaaten.

Übrigens sind nach dem Völkerrecht nicht alle Angriffskriege völkerrechtswidrig. Gemetzel, zu denen die UNO ihr Segen gegeben hat, sind völkerrechtlich legitimiert. Das trifft zum Beispiel auf den Koreakrieg (1950-1953) für die Seite des US-Imperialismus und den Golfkrieg unter Washingtons Führung 1991 gegen den Irak zu. Dagegen war beziehungsweise ist der NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 und der russländische Krieg gegen die Ukraine ab 2022 völkerrechtswidrig. Und, ändert das irgendetwas am Charakter des kapitalistischen Krieges?! Das Völkerrecht ist eine Patrone im Propagandakrieg: Der böse Feind missachtet das heilige Völkerrecht!

Fazit: Völkerrecht und UNO sind strukturell sozialreaktionär – genau wie der Pazifismus, der sich positiv auf diese bezieht. Für nicht wenige PazifistInnen ist der Fakt, dass bestimmte Gemetzel nicht im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, ihr Hauptargument gegen diese. Und nicht etwa der Fakt, dass bei ihnen das Leben und die Gesundheit der kleinbürgerlich-proletarischen Zivilbevölkerung erbarmungslos im zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf geopfert wird. Dasselbe geschieht selbstverständlich auch bei Gemetzeln, die völkerrechtlich in Ordnung gehen. Völkerrecht und UNO können und sollen als Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus also keine Kriege als militärische Formen des permanenten Konkurrenzkampfes der Nationen verhindern, sie schaffen nur einen Rahmen, in denen sie stattfinden.

Und in diesem Rahmen bleibt auch der Pazifismus – vor, während und nach bestimmten Kriegen. Vor dem Einmarsch der russländischen Armee in der Ukraine 2022 forderten nicht wenige NationalpazifistInnen in Deutschland, dass die NATO die Sicherheitsinteressen des Kremls ernst nehmen müsse. Die Sicherheitsinteressen des Kremls sind aber die Interessen des russländischen Nationalkapitals – eines strukturellen Klassenfeindes des Weltproletariats. Und die NATO verfolgt als imperialistisches Zweckbündnis ihre eigenen Interessen und nimmt die Interessen des russländischen Imperialismus als Hindernisse wahr – die es bei Vermeidung gewisser Risiken aus dem Weg zu räumen gilt. Mit Diplomatie ließen sich in der Ukraine die unterschiedlichen imperialistischen Interessen – Ostausdehnung von EU und NATO hier, dessen Verhinderung dort – nicht mehr ausbalancieren, also wird dort ein Stellvertreterkrieg auf Kosten des Weltproletariats geführt.

Proletarische RevolutionärInnen treten dafür ein, dass das globale Proletariat diesen Krieg und alle anderen Massaker sowie den bürgerlichen Frieden als deren Basis durch verschärften Klassenkampf und perspektivisch durch die revolutionäre Selbstaufhebung beendet (siehe Kapitel III.1 dieses Textes). Kleinbürgerliche PazifistInnen fordern, dass sich die regierenden Charaktermasken der kriegführenden Staaten – in diesem Fall des kollektiven Westens und Russlands – an einen Tisch setzen und das Gemetzel beenden. Damit es später und an einem anderen Ort weitergehen kann.

Hier als ein Beispiel für nationalpazifistische Realpolitik der Aufruf eines Bündnisses mehrerer friedenspolitischer Organisationen für einen Stopp des Krieges in der Ukraine: „Für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen soll es vom 18. September über den UN-Weltfriedenstag am 21. September bis zum 24. September 2023 bundesweit Antikriegsaktionen geben – ein Bündnis von mehr als zehn Friedens- und Menschenrechtsorganisationen ruft dazu auf.

Unter dem Motto ,Stoppt das Töten in der Ukraineʻ rufen die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation ATTAC, die internationale katholische Friedensbewegung Pax Christi, die Ärzt*innenorganisation IPPNW und zahlreiche weitere Gruppen der Friedens- und Menschenrechtsbewegung zu Antikriegsaktionen auf. Anlass ist der immer brutaler werdende Krieg gegen die Ukraine: ,Wir sehen mit Schrecken den hemmungslosen Einsatz immer weiterer, teilweise sogar international geächteter Waffentypen wie Streumunitionʻ, heißt es im Aufruf mir Blick auf die Debatte über Waffenlieferungen. Die Logik des Krieges müsse durchbrochen werden: ,Vor allem die Betroffenen, die zivilen Widerstand leisten und gewaltfreie Aktionen durchführen, die desertieren oder den Kriegsdienst verweigern, brauchen unsere Unterstützung.ʻ

Das Bündnis seht sich an der Seite der Menschen in der Ukraine, verurteilt den russischen Angriff klar und fordert Wladimir Putin zum Rückzug seines Militärs auf: ,Russland hat diesen Krieg begonnen. Russland kann ihn jederzeit beenden.ʻ Auch an die Öffentlichkeit in Deutschland richten sich Forderungen im Aufruf: ,Wir befürchten, dass der einseitige Fokus auf militärische Unterstützung in Deutschland den Blick auf wichtige zivile Handlungsoptionen verstellt. Dazu gehören humanitäre Hilfe, die Unterstützung von Verhandlungen über Schritte zu einem Waffenstillstand und die Vorbereitung für eine neue Friedensordnung in Europa.ʻ Es gelte ,der Gewalt so schnell wie möglich Einhalt zu gebietenʻ.

Das Bündnis ruft alle Friedensbewegten, die den Aufruf teilen, in der Woche vom 18. bis 24. September 2023 zu gewaltfreien und vielfältigen Protesten gegen den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, für das Durchbrechen der Gewaltspirale, für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen sowie gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung auf. Der 21. September 2023 – der UN-Weltfriedenstag – solle ein Tag des Waffenstillstandes und der Gewaltlosigkeit sein.“ (Zitiert nach: junge Welt vom 12./13. August 2023, S. 8.)

Hier haben wir den Nationalpazifismus deutlich als strukturellen Klassenfeind des Weltproletariats vor uns. Ein „Waffenstillstand“ der Kriegstreiber und eine idyllische „Gewaltlosigkeit“ im Weltkapitalismus werden gefordert, was nur das klassenkämpferische Proletariat entwaffnen kann. Genauso wie das Bekenntnis zur UNO als Verkörperung des bürgerlichen Internationalismus. Außerdem stehen die vereinigten Kräfte des Nationalpazifismus an der Seite der klassenneutralen „Menschen in der Ukraine“. Zu denen gehören auch die regierenden Charaktermasken des Kiewer Regimes. Der Krieg wird einseitig nur als Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber eben nicht auch als Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine „verurteilt“. Diese NationalpazifistInnen stellen sich zwar nicht offen auf die Seite der NATO, aber sie lehnen genauso wenig mit klaren Worten die Bewaffnung des Kiewer Regimes und den Wirtschaftskrieg gegen Russland – der sich eindeutig gegen das Weltproletariat richtet – durch den kollektiven Westen ab. Sie bekämpfen eben nicht den deutschen Imperialismus, sondern „befürchten“ lediglich, „dass der einseitige Fokus auf militärische Unterstützung in Deutschland den Blick auf wichtige zivile Handlungsoptionen verstellt“. Dem deutschen Imperialismus friedlich dienen, dass ist das Motto des deutschen Nationalpazifismus! Und seine Friedensordnung kann nur Zwischenkrieg sein!

…..

Der antipolitische Kommunismus bekämpft den bürgerlichen Frieden als Quelle des kapitalistischen Krieges. Während die Gewerkschaftsapparate den proletarischen Klassenkampf zur „Tarifauseinandersetzung“ zu verniedlichen suchen, gibt die sozialrevolutionäre Antipolitik praktisch-geistige Impulse zu dessen Radikalisierung – zum kompromisslosen Klassenkrieg, der erst zu Ende ist, wenn alle kapitalistischen Staaten zerschlagen sind! Selbstverständlich ist eine Weltrevolution mit dem Risiko eines atomaren Overkills durch die kapitalistische Sozialreaktion verbunden. Aber dieses Risiko besteht auch ohne Weltrevolution. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dass der Versuch den Kapitalismus sozialrevolutionär aufzuheben nicht in einem atomaren Overkill ausartet. So ähnlich, wie ja auch die Atomwaffenmächte bis jetzt ihre imperialistischen Interessen wahrnehmen – auch in Form von Stellvertreterkriegen wie in der Ukraine –, ohne die gesamte Menschheit auszurotten.

Und außerdem: Eine siegreiche globale soziale Revolution ist zugleich auch die einzige realistische Möglichkeit einer atomaren Abrüstung. SozialrevolutionärInnen, lasst euch nicht von imperialistischen KriegerInnen und NationalpazifistInnen entwaffnen! Rüstet euch, proletarische RevolutionäInnen, für den kompromisslosen globalen Klassenkrieg zur Zerschlagung aller Nationen!

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Neue Broschüre: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://swiderstand.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritikdestrotzkismus/ Wed, 09 Aug 2023 10:48:31 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=657 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

Innerhalb des Privatkapitalismus betrieb und betreibt der Trotzkismus eine Politik des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus einschließlich von Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie und dem Marxismus-Leninismus. Besonders letzteres war selbstmörderisch. So war der Trotzkismus in Vietnam in den 1930er Jahren relativ stark. Doch er ging eine Einheitsfront mit den StalinistInnen ein. Letztere bauten in den 1940er Jahren die Guerillaorganisation Viet Minh auf, die auch blutig gegen TrotzkistInnen vorging.

Nach Trotzkis Ansicht hätte auch in Deutschland nur eine Einheitsfront aus Sozialdemokratie und Stalinismus die Machtübergabe an die Nazis verhindern können. Eine Einheitsfront aus jenen zwei bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten, die real arbeitsteilig-konkurrenzförmig die kampflose Kapitulation des Proletariats organisiert hatten?! Wirkliche RevolutionärInnen traten für den selbstorganisierten Klassenkampf – unabhängig von und gegen die Partei- und Gewerkschaftsapparate – gegen Weimarer Republik und Nazis ein. Aus revolutionärer Perspektive hätte der Faschismus in Deutschland nur verhindert werden können, wenn das Proletariat die Weimarer Republik vor der Machtübertragung an die Nazis revolutionär zerschlagen und damit die Voraussetzung für eine klassen- und staatenlosen Gemeinschaft geschaffen hätte. Sozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteiapparate konnten und können nur den Kapitalismus in privater oder verstaatlichter Form reproduzieren.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Jahre 1933 hielt Trotzki die von Moskau geführte „Kommunistische“ Internationale nicht mehr für reformierbar. Er trat jetzt für den Aufbau einer „Vierten Internationale“ ein, die offiziell 1938 gegründet wurde und später in mehrere globalen trotzkistischen Zusammenschlüsse zerfiel. Heute ist der Trotzkismus in seinen Hauptströmungen stark sozialdemokratisiert. So wirken in Deutschland in der Partei Die Linke, die einige Bundesländer und Kommunen mitregiert, also zum Politpersonal der Bourgeoisie gehört, auch einige TrotzkistInnen mit. Auch die radikalere trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die die Anpassung anderer Trotzkismen an Die Linke scharf kritisiert, nimmt selbst am politischen Wahlzirkus teil. Bei parlamentarischen Wahlen sind ProletarierInnen nichts als Stimmvieh, die ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInnen, ermächtigen zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Indem die SGP an Parlamentswahlen teilnimmt, hilft sie dabei das demokratische Regime in diesem Land zu reproduzieren, auch wenn sie keine Chance auf Parlamentsmandate hat.

Die meisten trotzkistischen Strömungen erzeugen zum Beispiel in der BRD Illusionen in die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die durch das Tarifvertragsgeschäft, das Sitzen ihrer FunktionärInnen in den Aufsichtsräten der Konzerne (Wirtschaftsdemokratie) sowie in den sozialpartnerschaftlich-reformistischen Betriebs- und Personalräten (Arbeitsdemokratie) tief in das deutsche Nationalkapital und in viele Einzelkapitale als Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung integriert sind. Zwar schimpfen die TrotzkistInnen auf die Gewerkschaftsbürokratie, doch erzeugen die meisten von ihnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit der Gewerkschaften. Ja, TrotzkistInnen übernehmen ehren- und gar hauptamtliche Funktionen in ihnen.

Antipolitische SozialrevolutionärInnen gehen von einem antagonistischen Klassengegensatz in den Gewerkschaften aus. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen bilden – und auf der anderen Seite die lohnabhängige Basis. Dieser Klassengegensatz entfaltet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Oft entwickelt sich in längeren, noch offiziell von den Gewerkschaften „geführten“ Arbeitsniederlegungen die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite. In wilden Streiks, die sich ohne oder gar gegen die Gewerkschaften entwickeln, kommt die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats klar zum Ausdruck. Sowohl auf informelle Weise als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees.

Gewerkschaftsfeindliche SozialrevolutionärInnen können in nichtrevolutionären Zeiten Mitglieder in Gewerkschaften sein. Sie dürfen aber keine Illusionen in deren sozialemanzipatorische und klassenkämpferische Reformierbarkeit schüren und keine ehren- oder gar hauptamtliche Funktionen in ihnen übernehmen. SozialrevolutionärInnen streben langfristig die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaften an.

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Neue Broschüre: Analyse und Kritik der Warenproduktion https://swiderstand.blackblogs.org/2023/07/26/neue-broschuere-analyse-und-kritik-der-warenproduktion/ Wed, 26 Jul 2023 22:26:30 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=642 Unsere neue Broschüre „Analyse und Kritik der Warenproduktion“ (ca. 139 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Gebrauchs-, Produktions- und Tauschwert

I. Gebrauchs- und Produktionswert – allgemeine Kategorien der menschlichen Produktion

1. Der Gebrauchswert

2. Der Produktionswert

II. Der Tauschwert – besondere Kategorie der Warenproduktion

1. Die Entwicklung des Tauschwertes mit der Produktion für den Austausch

2. Tausch- und Gebrauchswert in der Warenproduktion

3. Tausch- und Produktionswert in der Warenproduktion

4. Der Mehrwert – ein ganz besonderer Teil des kapitalistisch produzierten Tauschwertes

5. Das Dreiecksverhältnis Tausch-, Gebrauchs-, und Produktionswert in der Warenproduktion

III. Kritik der marxistischen Begriffsverwirrung

1. Keine klare Unterscheidung zwischen Produktions- und Tauschwert

2. Nicht Doppel-, sondern Dreifachcharakter der Ware

Warenproduktion

I. Kleinbürgerliche Warenproduktion und kapitalistischer Handel

1. Kleinbürgerlich-selbstproduktives Eigentum an den Produktionsmitteln

2. Die embryonale Ausbeutung von Lohnarbeit in der kleinbürgerlichen Warenproduktion

3. Kapitalistischer Waren- und Geldhandel.

II. Kapitalistische Warenproduktion

1. Von der kleinbürgerlichen zur kapitalistischen Warenproduktion

2. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Sklaverei

3. Kapitalistische Warenproduktion auf Basis der Lohnarbeit

4. Die Krisendynamik der industriekapitalistischen Warenproduktion

Die Entwicklung des Geldes als Verselbständigung und Abstraktion des Tauschwertes

1. Der noch nicht verselbständigte Tauschwert beim Naturaltausch

2. Die Herausbildung des allgemein anerkannten Tauschmittels

3. Die Funktionen des Geldes

4. Produktions- und Tauschwert des Metallgeldes

5. Gold als Weltgeld

6. Die Emanzipation des Buch- und Papiergeldes gegenüber der metallischen Basis

Ware-Geld-Beziehungen als verdinglichte gesellschaftliche Verhältnisse

1. Freie Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

2. Warenästhetik

3. Geldfetischismus

Die politische Organisation der industriekapitalistischen Warenproduktion

1. Politische Macht und Ohnmacht der Bourgeoisie in der eurasischen Übergangsperiode zum Industriekapitalismus

2. Staatlich garantierte freie Marktsubjektivität

3. Wirtschaftlicher und politischer Liberalismus

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den demokratischen Staat

5. Die extreme Mitte, Rechts- und Linksreaktion

6. Staatsinterventionismus und (klein)bürgerlicher Konkurrenzindividualismus

7. Der Nationalismus der freien Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen

8. Sozialökonomische Aspekte des Imperialismus

Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes?!

I. Die marxistische und anarchistische Reproduktion des Tauschwertes

1. Inkonsequenzen des klassischen Marxismus

2. Die marxistisch-leninistische Verstaatlichung der Warenproduktion

3. Der Trotzkismus als eine oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

4. Marktsozialismus

5. Die anarchistische Reproduktion der Warenproduktion

II. Die kommunistische Überwindung des Tauschwertes

1. Objektive Voraussetzung: ein großer Anteil des Weltproletariats an der globalen Bevölkerung

2. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes

3. Objektiv-subjektive Voraussetzung: revolutionäre Situationen

4. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die revolutionäre Klassenkampforganisation

5. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die antipolitische Zerschlagung des Staates

6. Objektiv-subjektive Voraussetzung: die gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel

7. Objektiv-subjektive Voraussetzung und Folge: die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft

III. Inkonsequenzen auf einem richtigen Weg

1. GIK, Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung

2. Guenther Sandleben, Gesellschaft nach dem Geld

Geldfetischismus

Die verdinglichte menschlich-gesellschaftliche Ware-Geld-Beziehung produziert notwendigerweise ein falsches Bewusstsein, den Geldfetischismus. Das tote Ding Geld bekommt in der Ideologie der Marktsubjekte – und auch ProletarierInnen sind als VermieterInnen ihrer Arbeitskraft und als KäuferInnen von Lebensmitteln kleinbürgerliche Marktsubjekte – eine lebendige Gestalt. Es bekommt Eigenschaften von lebendigen Menschen angedichtet. Dieser Geldfetischismus kommt auch in Alltagssprüchen zum Ausdruck. Zum Beispiel in diesem: „Geld regiert die Welt.“ Geld kann nicht regieren. Es sind kapitalistische GeldbesitzerInnen, die die Welt regieren, aber nicht das tote Ding Geld. Es ist der menschliche Besitz des Geldes, die Macht demonstriert. Die Macht, sich Arbeitskräfte zu mieten, Prostituierte sexuell zu benutzen oder sich Regierungsentscheidungen zu kaufen. Es sind die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in einer kapitalistischen Warengesellschaft, die dem toten Ding Geld eine solche Macht verleihen. Und auch kapitalistische GeldbesitzerInnen werden von der Ware-Geld-Beziehung und deren Krisen mehr beherrscht, als dass sie umgekehrt die Ware-Geld-Beziehung beherrschen.

„Geld muss arbeiten!“ lautet eine Weisheit der kapitalistischen Warenproduktion. Sie ist durch und durch falsches Bewusstsein, wie sie aber notwendigerweise von der verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Ware-Geld-Beziehung produziert wird. Geld kann nicht arbeiten. Es sind produktionsmittelbesitzende KleinbürgerInnen und Lohnabhängige, die materiell-praktisch Waren und warenförmige Dienstleistungen produzieren, deren Verkauf dann das Geld vermehrt. In der kapitalistischen Warenproduktion vermehren die ProletarierInnen durch ihre Lohnarbeit das Geld der Bourgeoisie. „Geld muss arbeiten“ lenkt von der Ausbeutung des proletarischen Menschen durch die menschlichen Produktionsmittel- und GeldbesitzerInnen ab. „Arbeitendes“ beziehungsweise „sich vermehrendes Geld“ ist die Umwandlung des Geldkapitals in menschliches produktives Kapital, das dann für die Bourgeoisie noch mehr Geld produziert. Die wirkliche Produktivität der LohnarbeiterInnen wird durch den Geldfetischismus zur scheinbaren Produktivität des Kapitals beziehungsweise der Bourgeoisie. Dies wird auch durch die Bezeichnung „kapitalistische WarenproduzentInnen“ für KapitalistInnen deutlich. Doch KapitalistInnen produzieren keine Waren, sondern lassen diese von ihren Lohnabhängigen produzieren und verkaufen. Der positive Geldfetischismus, der in dem Satz „Geld muss arbeiten“ so „wunderbar“ zum Ausdruck kommt, verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit.

Zum negativen Geldfetischismus neigen dagegen weltweit Millionen ProletarierInnen, die am Ende des Geldes noch so viel Monat übrighaben. Die nicht wissen, wie sie die wichtigsten Dinge bezahlen sollen und deshalb nachts nicht schlafen können. Viele fluchen dann laut oder leise: „Scheiß Geld!“. Doch es ist nicht das tote Ding Geld, was sie bedrückt, es sind die verdinglichten menschlich-gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie dazu sozialökonomisch zwingen, ihre Arbeitskraft gegen Geld zu vermieten, um sich dafür dann die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Es ist die kapitalistische Produktionsweise, die die grenzenlose Vermehrung des Geldes zum Hauptzweck des ganzen Geschehens macht. Deren Tendenz dafür ProletarierInnen überauszubeuten, so dass deren biosoziale Reproduktion gefährdet ist. So dass diejenigen, die ganz viel Geld für die Bourgeoisie produzieren, in der Regel relativ – und nicht gerade selten auch absolut – wenig selbst davon haben. Der Fluch „Verdammtes Geld!“ lenkt von den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Warenproduktion nicht weniger ab wie der positive Geldfetischismus.

Der negative Geldfetischismus reagiert sich wütend und hasserfüllt am Geld ab, während die anderen politökonomischen Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft bejaht und begrüßt werden. So ist es bei vielen linken und rechten IdeologInnen gang und gebe die „Realwirtschaft“ – also die kapitalistische Warenproduktion – gegen die böse Finanz- und Bankenwelt auszuspielen. Als ob nicht die ganze „Realwirtschaft“ notwendig vom Ziel befeuert würde, das Geld grenzenlos zu vermehren. Wer zwischen Banken und der „Realwirtschaft“ als zwischen „böse“ und „gut“ unterscheidet, ist objektiv ein/e Demagoge/in.

Der negative Geldfetischismus wird von den untereinander konkurrierenden Marktsubjekten – einschließlich der ProletarierInnen – gegenseitig moralisierend als ethischer Überbau des Konkurrenzkampfes in Stellung gebracht. Die jeweils anderen denken nur an das Geld! So kann die sozialökonomische Tatsache, dass fast alle Menschen im Kapitalismus die verdinglichte Ware-Geld-Beziehung leben und gezwungenermaßen ihr Leben, Tun, Denken und Fühlen mehr oder weniger vom Geld bestimmt ist, ausgeblendet, von sich selbst als Marktsubjekt abgelenkt und moralisierend-gehässig auf die jeweils anderen gelenkt werden. Der negative Geldfetischismus verband sich mit dem Antijudaismus und richtete sich mörderisch-hasserfüllt gegen „die Geldjuden“. Die kleinbürgerliche und kapitalistische Warenproduktion badete sich in Judenblut, wodurch auch „arische“ KleinbürgerInnen und Bourgeois ihr Geld auf Kosten der jüdischen Konkurrenz vermehren konnten.

Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige „Rasse“. Hier ein Zitat von Hitler, welches das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.

Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“

Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte. Die eigene kleinbürgerliche Konzentration auf das Geld wurde auf die „anderen“, die Juden und Jüdinnen, projiziert und diese Objekte der eigenen Projektion fanatisch bekämpft. Nun ja, indem die Nazis 1933 von der Mehrheit der deutschen Bourgeoisie als ihre offiziellen Folterknechte und Mordbuben gemietet wurden, konnten nicht wenige Nazibonzen ihre Taschen mit Geld füllen. Durch die „Arisierung der deutschen Wirtschaft“ konnten „arische“ KapitalistInnen auf Kosten der enteigneten jüdischen Bourgeoisie ihr Geld vermehren. Negativer Geldfetischismus als Moment des Konkurrenzkampfes im Rahmen der Geldvermehrung.

…..

Der Wirtschaftsliberale Silvio Gesell hatte nichts gegen die kapitalistische Warenproduktion an sich, als negativer Geldfetischist reagierte er sich am zinstragenden Bankkapital ab. Als ArbeiterInnen galten ihm fast alle Klassen und Schichten der kapitalistischen Gesellschaft, von den KönigInnen bis zu den HilfsarbeiterInnen – nur die von Kapitalzinsen Lebenden galten ihm als SchmarotzerInnen. Das war die alte Gegenüberstellung des „produktiven“ Kapitals, das in der Industrie und im Handel angelegt war, gegen das „schmarotzende“ zinstragende Kapital. Diese Ideologie, die nicht nur von Gesell produziert wurde, unterschlägt, dass im Kapitalismus nur das Proletariat und das KleinbürgerInnentum produktiv sind. Erstere vermehrt durch dessen Arbeit das Kapital der Bourgeoisie. Der Zins, von dem einige Angehörige der Bourgeoisie leben, ist lediglich ein Teil des Mehrwertes, der durch die Ausbeutung des Proletariats entsteht. Auch unterschlug Gesell, dass es auch dem Industrie- und Handelskapital um die Vermehrung des Tauschwertes, also des Geldes, geht. Gießkannen, Panzer und pazifistische Bücher werden nur hergestellt, wenn ihre Produktion und Verkauf den KapitalistInnen mehr einbringen als das ganze kostet. Allerdings verband Gesell seinen negativen Geldfetischismus nicht mit dem Antijudaismus, er stellte also das zinstragende Kapital nicht als „jüdisches“ dar. Total reaktionär war seine Ideologie trotzdem, weil sie die Quelle des kapitalistischen Geldreichtums, die Ausbeutung des Proletariats im Produktionsprozess, verdunkelte. Gesell war also ein Freund der kapitalistischen Warenproduktion und ein negativer Geldfetischist. Er kam auf die Idee ein „Schwundgeld“ oder „Knochengeld“ zu schaffen, das Geld sollte also aus einem Material geschaffen werden, das seine Substanz verlieren würde und deshalb nicht gehortet werden könnte.

Auch der kommunistische Anarchist Erich Mühsam (siehe Kapitel I.5 der Schrift Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes) triftete teilweise in negativen Geldfetischismus ab. Er schrieb über die Geldtheorie von Gesell: „…seine Geldtheorie dagegen scheint berufen, nicht, wie er annahm das Wirtschaftsregulativ der freiheitlichen Gesellschaft zu werden, wohl aber das Übergangsverfahren vom kapitalistischen Währungssystem zum geldlosen Kommunismus zu ermöglichen.“ (Erich Mühsam, Ein Wegbahner. Nachruf zum Tode Gesells 1930, in: Klaus Schmitt (Hg.), Silvio Gesell. Marx der Anarchisten? Texte zur Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus und der Kinder und Mütter vom patriarchalischen Bodenunrecht,Karin Kramer Verlag, Berlin 1989, S. 297.) Der letzte Satz ist natürlich Unsinn. Mühsam zeigt sich hier als negativer Geldfetischist, der sich am Ding Geld abreagiert, anstatt darüber nachzudenken wie die verdinglichten Tauschverhältnisse der Warenproduktion, also die Ware-Geld-Beziehungen durch eine klassen- und staatenlose gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel aufgehoben werden kann (siehe Kapitel II.6 des Textes Praktisch-geistige Reproduktion oder revolutionäre Aufhebung des Tauschwertes).

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Neue Broschüre: Globale Klassenkämpfe (2021/2022) https://swiderstand.blackblogs.org/2023/03/02/neue-broschuere-globale-klassenkaempfe-2021-2022/ Thu, 02 Mar 2023 23:58:24 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=607 Unsere neue Broschüre „Die Krise der biosozialen Reproduktion“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

1. Das produktive und „unproduktive“ Elend des Weltproletariats

2. Der Weltkapitalismus

3. Die Dynamik des weltweiten Klassenkampfes

4. Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung

5. Klassenkonflikte im Gesundheitswesen und in der Pflege

6. Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst und in den Staatsapparaten

7. Klassenkämpfe in der Rohstoff-, Chemie- und Energiebranche

8. Kämpfe auf dem Bau

9. Konflikte in Bildung und Wissenschaft

10. Klassenkonflikte bei den Druckereien, Medien und Internetplattformen

11. Klassenauseinandersetzungen im Handel

12. Konflikte im Personen- und Güterverkehr (Logistik)

13. Auseinandersetzungen in der Metall- und Elektrobranche

14. Klassenkonflikte in der Finanzbranche

15. Kämpfe in der Agrarproduktion und der Lebensmittelindustrie

16. Klassenzusammenstöße bei Starbucks

17. Konflikte in der Reinigungsbranche

18. Auseinandersetzungen in der Textilbranche

19. Proletarischer Widerstand gegen Aufrüstung, Waffentransporte und Krieg

20. Branchenübergreifende Massenstreiks

21. Gesamtgesellschaftliche Protestbewegungen

22. Die mögliche soziale Weltrevolution

6. Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst und in den Staatsapparaten

Die staatlich dienenden Lohnabhängigen werden von dem dialektischen Widerspruch bestimmt, dass sie einerseits im Auftrag der Bourgeoisie teilweise gegen das klassenkämpferische Proletariat repressiv vorgehen, andererseits aber auch selbst einen Klassenkampf gegen die regierenden BerufspolitikerInnen um Löhne und Arbeitszeiten führen. Falls sich der gesamtgesellschaftliche Klassenkampf in außergewöhnlichen Situationen zur sozialen Revolution radikalisiert, ist die antipolitische Zerschlagung des Staates notwendig. Diese ist jedoch unmöglich, wenn sich nicht große Teile der staatlich dienenden Lohnabhängigen auf die Seite der Revolution stellen (siehe Kapitel 22). Konflikte zwischen den staatlich dienenden Lohnabhängigen und den regierenden BerufspolitikerInnen sind also für die weitere Entfaltung der Dynamik des globalen Klassenkampfes enorm wichtig.

Aus der Perspektive von Kapital und Staat sind für deren Reproduktion selbstverständlich staatstragende Gewerkschaften wichtig, die darauf achten, dass der Klassenkampf der staatlich dienenden Lohnabhängigen im Rahmen des Bestehenden bleiben. Das sich das deutsche Nationalkapital voll auf seine Gewerkschaften verlassen kann, zeigte unter anderem die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Bundesländer im Jahre 2021. Als die Seite der regierenden BerufspolitikerInnen verhandelte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) und auf der Gewerkschaftsseite die DGB-Organisationen Verdi, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Gewerkschaft der Polizei (GdP), und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie die BeamtInnenorganisation dbb tarifunion. Die Bundesländer beuten durchschnittlich zwei Millionen staatlich dienende Lohnabhängige aus. Verhandlungen zum Tarifvertragsschacher fanden am 8. Oktober in Berlin, den 1./2. November und am 27./28. November 2021 jeweils in Potsdam statt.

Die Gewerkschaften gingen mit der Forderung nach fünf Prozent mehr Gehalt und einer Mindestlohnerhöhung von 150 Euro bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von einem Jahr in die Verhandlungen. Außerdem forderte Verdi, dass die Beschäftigten des Gesundheitswesens im öffentlichen Dienst der Bundesländer tabellenwirksam 300 Euro mehr Lohn pro Monat erhalten sollten. Für die Auszubildenden wurde eine Erhöhung der Vergütungen um 100 Euro verlangt. Auch strebte Verdi mit den Bundesländern einen separaten „Verhandlungstisch“ zum Gesundheitswesen an.

Während des Tarifvertragsschachers organisierten die Gewerkschaften ein paar Warnstreiks, damit der Druck der Basis kanalisiert und kontrolliert abgelassen werden konnte. So zum Beispiel die Gewerkschaft Verdi in Nordrhein-Westfalen. Am 9. November 2021 legten die Beschäftigten der dortigen Unikliniken in Düsseldorf, Essen und Köln die Arbeit nieder. Am 10. November organisierte Verdi Streiks an den Kliniken in Bonn und Münster. Außerdem organisierte die Gewerkschaft ebenfalls am 10. November einen bundesweiten Warnstreik von Nachwuchskräften im öffentlichen Dienst der Länder.

Auch organisierten die Gewerkschaften GEW und Verdi unabhängig voneinander – die Bonzen dieser Gewerkschaften ließen ihre Mitglieder noch nicht einmal gemeinsam die Arbeit niederlegen – in der zweiten Novemberwoche Streiks von ErzieherInnen, Lehrkräften und Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Berlin. So rief Verdi MitarbeiterInnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zu einer achttägigen Arbeitsniederlegung auf, die am 10. November begann. Am 11. November rief die GEW zu einem Warnstreik auf. Am 16. November (Gesundheitstag) organisierte Verdi flächendeckende Streiks im Gesundheitswesen der Bundesländer. Außerdem organisierten die Gewerkschaften am 25. November 2021 noch einmal Warnstreik und Demonstration in Berlin, an der 4.000 KollegInnen teilnahmen.

Nachdem die Gewerkschaftsbonzen ein wenig streiken ließen, einigten sie sich mit den regierenden BerufspolitikerInnen der Bundesländer am 29. November 2021auf einen Tarifvertrag, der ein Reallohnverlust für die Lohnabhängigen bedeutete. Wieder einmal zeigte es sich, wie wichtig Gewerkschaften für ein funktionierendes Nationalkapital sind. Die im Tarifvertragsschacher aufgestellte Forderung nach einer finanziellen Gleichstellung von angestellten und verbeamteten LehrerInnen wurde fallengelassen wie eine heiße Kartoffel. Auch im Gesundheitswesen der Bundesländer wurde durch den Tarifvertrag keine generelle Lohnerhöhung erreicht. Die Gewerkschaftsbonzen setzten lediglich verbesserte Zulagenregelungen für bestimmte Bereiche durch. Generell bekamen die Lohnabhängigen des öffentlichen Dienstes 2,8 Prozent mehr Geld und eine steuerfreie Eimalzahlung von 1.300 Euro. Und dies bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten (1. Oktober 2021 bis 30. September 2023). Die nach dem Tarifvertragsschacher erst richtig einsetzende Inflation fraß die mickrige Lohnerhöhung vollständig und noch viel mehr auf.

Der Verdi-Apparat ließ, nachdem er erfolgreich zusammen mit der Regierungspolitik der Bundesländer einen gewaltigen Reallohnverlust organisiert hatte, ein wenig Gewerkschaftsdemokratie spielen. Er ließ, gnädig wie er ist, eine unverbindliche Mitgliederbefragung zu. Und am 17. Dezember 2021 beschloss die Verdi-Bundestarifkommission endgültig den erfolgreichen Angriff auf den Geldbeutel der Mitglieder. Auch die GEW zeigte sich so staatsmännisch wie sie ist und nannte auf einer Pressemitteilung vom 29. November 2021 den Tarifvertrag einen „verantwortungsvollen Abschluss in schwieriger Corona-Zeit“ (zitiert nach LabourNet Germany). Klar, es war ganz schwer für die regierenden Charaktermasken des kapitalistischen Staates. Da muss eine verantwortungsbewusste Gewerkschaft schon mal einen Reallohnverlust der staatlich dienenden Lohnabhängigen mit organisieren.

Auch in diesem reproduktiven Klassenkampf entfaltete sich bereits der Gegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und „ihrer“ lohnabhängigen Basis. An diesen knüpfen proletarische RevolutionärInnen an, ohne sich jedoch an die Kapital und Staat reproduzierenden Grenzen und das sozialreformistische Bewusstsein des innergewerkschaftlichen Protestes anzupassen.

So hieß es in einer Resolution der Verdi-Basisgruppe Botanischer Garten Berlin vom 7. Dezember 2021: „In der Tarifrunde der Länder (TV-L) haben sich Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf ein Verhandlungsergebnis geeinigt. Bis zum 22.12.21 sollen Mitgliederbefragungen in den Betrieben und Dienststellen stattfinden. Die Option ,weiterstreiken‘ ist in der Abfrage nicht vorgesehen! Tarifeinigung: Inflation frisst Lohnerhöhung! (…)

Durch den Reallohnverlust wird der öffentliche Dienst eine Abwertung, statt der notwendigen Aufwertung erfahren! Gravierend negative Folgen inklusive: Aus den Verwaltungen im öffentlichen Dienst wird jetzt schon berichtet, dass die Bewerberlage für Stellenangebote schlecht ist. Viele Beschäftigte wandern in die Privatwirtschaft ab. Aber nicht nur Beschäftigte leiden unter der mangelnden Ausfinanzierung, sondern alle Menschen, die von der öffentlichen Daseinsvorsorge abhängig sind: Studierende, Schüler, Kinder, Eltern, Pflegebedürftige, Geflüchtete etc. Stimmen wir für den Reallohnverlust, dann beteiligen wir uns auch daran, dass der öffentliche Dienst weiter an Kraft und Bedeutung verliert. Neoliberale Kräfte verwenden dann mangelnde Qualität als Folge der schlechten Ausfinanzierung als Argument für weitere Ausgliederungen! Mit den Ausgliederungen verliert die Politik Steuerungsmöglichkeiten und WählerInnen demokratischen Einfluss. (…)

(Anmerkung der Nelke: Hier haben wir die staatsreproduzierende Grenze des reproduktiven Klassenkampfes und -bewusstseins vor uns. Die KollegInnen hegen noch große selbstentwaffnende Illusionen in das demokratische Regime ihrer AusbeuterInnen. Sie kämpfen für eine Verbesserung des öffentlichen Dienstes, aber (noch?) nicht bewusst gegen den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Natürlich bekämpfen auch proletarische RevolutionärInnen die konkrete Wirtschaftspolitik in der strukturellen Profitproduktionskrise (siehe Kapitel 2) – Privatisierung der Gewinne, Verstaatlichung der Verluste –, aber sie schüren keine Illusionen in den Staatssektor.)

Dass GEW und Verdi nicht einmal zu gemeinsamen Streiks aufgerufen haben, lässt uns vermuten: Es wäre mehr drin gewesen. Wie kann man die vorliegende Einigung als alternativloses Resultat gegenseitigen Kräftemessens repräsentieren, wenn die Kräfte auf Gewerkschaftsseite durch gemeinsame Streiks zu keinem Zeitpunkt gebündelt wurden? (…)

Das Totschlagargument der geringen ,Durchsetzungskraft‘ bzw. des geringen ,Organisationsgrades‘ muss in Frage gestellt werden. Wie sollen wir neue Mitglieder gewinnen, wenn die Gewerkschaft nicht im Ansatz zeigt, dass sie bereit ist, für die Durchsetzung ihrer Forderungen zu kämpfen, sondern schnellstmöglich den erstbesten (oder besser gesagt erstschlechtesten) faulen Kompromiss eingeht. (…)

Wir erteilen der Tarifeinigung mit Reallohnverlust für die Beschäftigten, die den Laden am Laufen halten, eine klare Absage! Ebenso kritisch sehen wir die Verfahrensweise und die demokratischen Prozesse: In der Multiple-Choice-Umfrage zum Verhandlungsergebnis können Verdi-Mitglieder die Option ,Weiterstreiken‘ nicht einmal ankreuzen. Gleichzeitig wird die Coronapandemie als Argument gegen Erzwingungsstreiks genutzt. Wir sagen: Die Pandemie ist das Argument zum Weiterstreiken!

Unsere Forderungen! Die Verdi-Basisgruppe des Botanischen Gartens Berlin fasste am 07.12.2021 nachfolgende Beschlüsse: Wir fordern die Gewerkschaften dazu auf eine Mitgliedsbefragung durchzuführen, bei der die Option des Erzwingungsstreiks vorgesehen ist. Wir rufen Betriebs- und Unterstützungsgruppen dazu auf, ebenfalls entsprechende Beschlüsse zu fassen und diese an die Bundestarifkommission zu senden und zu veröffentlichen.“ (Zitiert nach LabourNet Germany).

Diese Resolution machte den Klassengegensatz zwischen der Basis und dem Apparat von Verdi deutlich. Die KollegInnen appellierten allerdings noch an die Gewerkschaftsbonzen einen radikaleren Klassenkampf zu führen. Proletarische RevolutionärInnen treten grundsätzlich dafür ein, das Streikmonopol der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate durch die gewerkschaftsunabhängige klassenkämpferische Selbstorganisation in Form von wilden Streiks zu brechen. Dies erfordert jedoch eine hohe Reife des Klassenkampfes und des -bewusstseins, was eher in einzelnen Betrieben als in ganzen Branchen erreicht werden kann. Nur im verschärften Klassenkampf ist es möglich, dass der Klassengegensatz zwischen den Lohnabhängigen und den bürgerlichen Gewerkschafsbonzen eine solche offensichtliche Tiefe erreicht, dass gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees einer ganzen Branche entstehen, die das Streikmonopol dieser sozialreaktionären Apparate in der Praxis brechen. Darauf vorzubereiten, das entspricht der Tätigkeit von proletarischen RevolutionärInnen. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Gewerkschaften, die für einen Reallohnverlust streiken lassen, taugen noch nicht mal für einen reproduktiven Klassenkampf. Sie können das Klassenbewusstsein, dass das bewusste Sein des kollektiven Kampfes der Klasse ist, nur ersticken.

Den Gewerkschaftsbonzen allerdings vorzuwerfen, sie würden sich nicht „aktiv“ und „kämpferisch“ genug für „ihre“ Basis einzusetzen – also den Job des Sozialreformismus nicht effektiv genug ausüben –, kann nur die Gewerkschaftskette und die reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes reproduzieren. Es ist aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass die revolutionäre Zerschlagung der Gewerkschaftsapparate absolut notwendig ist, wenn sich das Proletariat grundsätzlich von kapitalistischer Ausbeutung und staatlicher Elendsverwaltung befreien will. Dieser mehrheitliche Wille der Klasse kann als bewusster Ausdruck des revolutionären Prozesses allerdings auch nur im und mit diesem, jedoch nicht davor sich herauszubilden. Aber damit dies vielleicht irgendwann einmal geschieht, müssen SozialrevolutionärInnen den absolut reaktionären Charakter der Gewerkschaften schon heute deutlich betonen und allen reformistischen Illusionen in diese Gebilde kompromisslos entgegentreten.

In Brasilien traten die SteuerbeamtInnen am 28. Dezember 2021 in den Bummelstreik. Davor hatte die regierende Charaktermaske des Staates, der Rechtsreaktionär Bolsonaro, die Bezüge der offiziellen Hooligans der Militär- und Bundespolizei sowie der GefängniswärterInnen erhöht, während die anderen KollegInnen des öffentlichen Dienstes leer ausgingen. Dagegen richtete sich der Bummelstreik der SteuerbeamtInnen. Sie machten Dienst nach Vorschrift bei der Überprüfung der Lebensmittelvorschriften und der Zollabfertigung. Bestandteil des Bummelstreiks war, dass die BeamtInnen „nur“ 8 Stunden am Tag arbeiteten. Sonst sind Überstunden die Regel, aber die wurden jetzt verweigert. Das führte zu langen Schlangen von LKWs an den Grenzposten in Südbrasilien. Dort werden Waren aus Argentinien, Chile und Paraguay importiert.

Das verzögerte die Zirkulationsperiode vieler Einzelkapitale – in dieser Periode wird Geld- in gegenständliches produktives Kapital (Produktionsmittel) beziehungsweise Waren- in Geldkapital (Verkauf der Produkte) verwandelt. Die Verlängerung der Zirkulationsperiode des Kapitalumschlags führte zu Profitverlusten. Der Bummelstreik der SteuerbeamtInnen wirkte also. Bereits 48 Stunden nach dessen Beginn führten die Verzögerungen zu einer Verringerung der Fleischproduktion um 60 Prozent. So protestierten dann auch zwei „Arbeitgeber“-Verbände, die Exporteure von Fleisch und die Betreiber von Kühlhäusern, gegen diese aus Kapitalsicht „illegalen“ Verzögerungen. Die den Bummelstreik organisierende Gewerkschaft Anfa Sindical betonte dagegen, dass sie streng im Rahmen der Legalität agierte. Ja, so etwas ist für Gewerkschaftsapparate sehr wichtig.

Die Gewerkschaft Anfa Sindical forderte die Aufstockung des Personals und „eine gerechtere Verteilung der Lohnerhöhungen“ im öffentlichen Sektor. Letzteres war purer Moralismus, denn Lohnarbeit hat grundsätzlich etwas mit Ausbeutung, aber absolut gar nichts mit „Gerechtigkeit“ zu tun.

Die erste Reaktion der SteuerbeamtInnen auf Bolsonaros Erhöhung der Bezüge ausschließlich der Repressionskräfte war eine Kündigungswelle (siehe auch Kapitel 14 über den Streik der Angestellten der Zentralbank dagegen).

In Belgien entfaltete sich am 31. Mai 2022 im öffentlichen Dienst des Landes ein eintägiger Generalstreik. Dazu aufgerufen hatten die Apparate der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst CGSP und FGTB. Der Ausstand stand unter dem moralistischen Motto „Wir bekommen weder die Mittel, noch den Respekt, den wir verdienen!“ Für das Kapital sind alle Lohnabhängigen strukturell nur Ausbeutungsmaterial. Es ergibt nicht viel Sinn, wenn ProletarierInnen von der Bourgeoisie – einschließlich der den Staat managenden BerufspolitikerInnen – „Respekt“ einfordern. Wenn die Gewerkschaftsbonzen von Kapital und Staat „Respekt“ einfordern, dann sagen sie faktisch: Gebt euch mehr Mühe, um die Gewerkschaften und über sie die Belegschaften in das Nationalkapital zu integrieren. Verwirklicht diese Integration vor allem auf einem materiell höheren Level.

Doch auch staatlich dienende Lohnabhängige werden vom Staat objektiv-strukturell als Kostenfaktor behandelt, bei dem es vor allem zu sparen gilt. Auf diesen Fakt weisen proletarische RevolutionärInnen hin, um praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Sie fordern nicht Respekt für die Lohnabhängigen von Staat, sondern machen deutlich, dass der letztere ein struktureller Klassenfeind ist. Diese Radikalisierung des Klassenbewusstseins und des Klassenkampfes zum bewussten Fight gegen den Staat als Ausbeuter versuchen die Gewerkschaftsapparate mit aller Gewalt zu verhindern – auch mit Moralausdünstungen, die jedoch die staatlich dienenden Lohnabhängigen praktisch-geistig genau als solche reproduzieren. Um sich aus dieser Rolle zu befreien, müssen sie den Staat antipolitisch zerschlagen.

Doch das wollen die Gewerkschaften nicht. Sie haben „Respekt“ gegenüber dem Staat. Diesen bringen sie auch zum Ausdruck, wenn sie ihre lohnabhängige Basis begrenzt für reproduktive Ziele mobilisieren. So forderten die beiden Gewerkschaften vom Staat mehr „Kaufkraft“ – was auch gut für das Kapital ist, welches in der Konsumgüterindustrie angelegt ist –, mehr „Respekt für den sozialen Dialog“, womit sie natürlich wundervoll den Klassengegensatz zwischen den kapitalistischen Staat und den von ihm ausgebeuteten Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst verkleistern. Und „mehr Respekt“ verlangen die Gewerkschaftsbonzen auch für die Renten der staatlich dienenden Lohnabhängigen. Innerhalb dieser den Staat und das Kapital reproduzierenden Grenzen ließen CGSP und FGTB an jenem 31. Mai 2022 im Verkehr, bei den BürgerInnendiensten und in den Schulen streiken. Wahrlich, die Gewerkschaften haben den „Respekt“ des Staates redlich verdient…

In Südafrika wurde am 17. August 2022 die Demonstration der ArbeiterInnen der Kommunalbetriebe und der Verwaltung des Bezirks Steve Tshwete in Middleburg brutal von den Bullen des herrschenden ANC-Regimes und privaten Sicherheitsdiensten angegriffen. Die KollegInnen kämpften seit März 2022 für die Einhaltung des Tarifvertrages, der 2021 ausgehandelt wurde, und für die Anhebung der Gehaltsstufen. Das ANC-Regime ging bereits im April 2022 repressiv gegen die Kommunalangestellten vor. 13 Lohnabhängige wurden wegen einer Arbeitsniederlegung vom Dienst suspendiert. Im Juli wurden weitere 100 klassenkämpferische Kommunalangestellte entlassen. Dagegen richtete sich die Demonstration vom 17. August 2022, bei der das Regime wieder mal seine blutige Fratze zeigte. Dessen Hooligans schossen auf die demonstrierenden KollegInnen, als diese versuchten in das Verwaltungsgebäude von Steve Tshewete zu gelangen. Dabei starb ein Mensch noch am Ort des Geschehens, ein weiterer erlag später im Krankenhaus seinen Schussverletzungen. Zwei weitere Menschen wurden verwundet.

Aus dieser abermaligen blutigen Lektion ist klar folgende Schlussfolgerung zu ziehen: Das ANC-Regime ist gegen das klassenkämpferische Proletariat nicht weniger brutal als das frühere rassistische Apartheid-Regime! Nationale „Befreiung“ ist untrennbarer Teil der kapitalistischen Sozialreaktion! Nur durch die soziale Revolution kann sich das Proletariat aus Ausbeutung und Unterdrückung befreien!

Sehr bedeutend für die Entwicklung einer klassenkämpferischen Solidargemeinschaft zwischen den staatlich dienenden Lohnabhängigen und dem migrantischen Proletariat war der Protest gegen die repressive Abschiebepraxis des britischen Staates. Dieser will seit Juni 2022 Asylsuchende aus Ruanda noch während ihres Verfahrens dorthin abschieben. Der erste Abschiebeflug im Juni wurde noch gerichtlich unterbunden. Doch am Ende des Jahres änderte sich die rechtliche Situation. Die Justiz des Landes gab der Exekutive grünes Licht. Am 19. Dezember 2022 erklärte ein Gericht diese Verschärfung der Repression für rechtmäßig. Diese würde nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen.

Doch die Lohnabhängigen leisteten Solidarität mit den MigrantInnen. Die Basismitglieder der Gewerkschaft der RegierungsbeamtInnen und des öffentlichen Dienstes, Public and Commercial Service Union (PCS), protestierten gegen diese brutale Form der staatlichen Repression und der Apparat musste mitziehen. Auch die Transportarbeitergewerkschaft RMT war bereit, diese Abschiebungen zu behindern. An dieser Solidarität der Lohnabhängigen scheiterten die Versuche des britischen Staates, im August und Oktober 2022 MigrantInnen nach Ruanda abzuschieben. Die ArbeiterInnen, die diese Flüge abfertigen sollten, spielten nicht mit und die Gesellschaft, die die Flüge hätte durchführen sollen, kündigte den Vertrag auf. Durch diese widerständische Solidarität konnten bis Ende des Jahres 2022 Abschiebungen nach Ruanda verhindert werden.

Auch nach der juristischen Absegnung der Abschiebung nach Ruanda „bleibt sie“ für die Gewerkschaft PCS „moralisch verwerflich und absolut unmenschlich, und die PCS fordert das Innenministerium auf, das anzuerkennen und aufzugeben.“ Diesen moralistischen Appell an den politischen Gewaltapparat der Bourgeoisie, verband die staatstragende PCS mit einem Bekenntnis zu einer grundsätzlichen Kooperation mit dem Staat: „Wir möchten, dass das Innenministerium seine feindselige Haltung gegenüber Flüchtlingen aufgibt, um mit uns zusammenarbeitet, um ein humanes System aufzubauen.“ (Zitiert nach: Dieter Reinisch, Streiks gegen Abschiebungen, in: junge Welt vom 27. Dezember 2022, S. 15.)

SozialrevolutionärInnen betonen im Gegensatz zu reformistischen Gewerkschaftsbonzen, dass soziale Emanzipation nicht mit dem Staat, sondern nur gegen ihn zu erkämpfen ist. Letztendlich nur durch seine antipolitische Zerschlagung (siehe Kapitel 22).

Der Trotzkist Dieter Reinisch schürte in der linksreaktionären Tageszeitung junge Welt Illusionen in die sozialreformistisch-staatstragende PCS: „Mit ihren rund 235.000 Mitgliedern ist die PCS die sechstgrößte britische Gewerkschaft, und sie zählt zu den kämpferischen. Serwotka ist seit 2005 Generalsekretär. In den 1980ern war der jetzt 59jährige Mitarbeiter der trotzkistischen Wochenzeitung Socialist Organiser, danach im Wahlbündnis ,Socialist Alliance‘ aktiv und später in der Partei ,Respect‘, die 2004 als Abspaltung von Labour aus der Bewegung gegen den Irakkrieg entstand.“ (Dieter Reinisch, Streiks gegen Abschiebungen, a.a.O.)

Wir sehen hier deutlich, wie der Trotzkismus als dekadente parteimarxistische Politideologie (siehe Kapitel 4) mit seinem Gewerkschaftsreformismus nur Kapital und Staat reproduzieren kann. Dagegen orientieren wir klar auf die antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung des Staates.

Die PCS organisierte auch die Streiks der britischen Grenzschutzbehörden im Dezember 2022. Viele von ihnen werden an Passkontrollen an See- und Flughäfen eingesetzt. Ein erster Ausstand entfaltete sich vom 23. bis zum 26. Dezember. Außerdem legten die KollegInnen vom 29. bis zum 31. Dezember 2022 die Arbeit nieder. Sie streikten für zehn Prozent Lohnerhöhung, „Rentengerechtigkeit“, „Arbeitsplatzsicherheit“ (also auch sozialkonservativ für die Existenz von Staaten und deren Grenzen) und den Verzicht auf Kürzungen bei Entlassungen. Der Ausstand betraf die Flughäfen in Birmingham, Cardiff, Catwick, Glasgow, Heathrow und Manchester sowie den Hafen von Newhaven.

Der britische Staat setzte während dieses Klassenkampfes der Grenzschutzbehörden SoldatInnen als Streikbrecher ein. Der britische Staatssender BBC zitierte am 29. Dezember 2022 einen Sprecher des Flughafens Heatrow, dass die Einreisehallen „frei zugänglich“ seien und der Flughafen „keine Probleme“ hätte. Einige Tage vor dem Streik konnte mensch im Guardian lesen, dass die kurzfristig zu Streikbrechern ausgebildeten SoldatInnen und BeamtInnen angehalten worden seien, die Menschen nicht aufzuhalten, „es sei denn, es gebe Hinweise auf eine Straftat“. Der Kommentar von PCS-Generalsekretär Mark Serwotka in einer Mitteilung der Gewerkschaft: Die Regierung habe sich gebrüstet, es gebe keine Warteschlangen bei der Passkontrolle, „aber natürlich gibt es keine Warteschlangen, wenn niemand angehalten wird.“ (Alle Zitate aus: Militär kontrolliert, in: junge Welt vom 30. Dezember 2022, S. 9.)

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Plattform: Die Möglichkeit der Weltrevolution https://swiderstand.blackblogs.org/2023/01/11/platform-die-moeglichkeit-der-weltrevolution/ Wed, 11 Jan 2023 23:53:20 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=521 Soziale Befreiung und Sozialer Widerstand sind Bestandteil der Antipolitisch-Sozialrevolutionären Tendenz (AST). Die AST hat ihre zweiteilige Plattform veröffentlicht. Sie ist hier 1. Teil und 2. Teil auf booklooker.de erhältlich.

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Neue Broschüre: Die Krise der biosozialen Reproduktion https://swiderstand.blackblogs.org/2022/11/28/neue-broschuere-die-krise-der-biosozialen-reproduktion/ Mon, 28 Nov 2022 00:06:00 +0000 http://swiderstand.blackblogs.org/?p=505 Unsere neue Broschüre „Die Krise der biosozialen Reproduktion“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Allgemeine Betrachtung über die menschliche biosoziale Reproduktion

  1. Der menschliche Stoffwechsel mit der Natur
  2. Produktions- und biosoziale Reproduktionsverhältnisse
  3. Gesundheit
  4. Glück

Kapitalistische Warenproduktion, Lohnarbeit und Staat
I. Warenproduktion

  1. Das Wesen der kapitalistischen Warenproduktion
  2. Die kapitalistische Warenproduktion als permanente biosoziale Reproduktionskrise
    II. Lohnarbeit und „unproduktives“ Elend
  3. Lohnarbeit als produktives Elend
  4. Lohnarbeit als dialektischer Widerspruch
  5. Biosoziale Reproduktionstätigkeiten als Lohnarbeit
  6. Der reproduktive Klassenkampf
  7. Das „unproduktive“ Elend des Proletariats
  8. Kritik des bürgerlichen „Armut“-Begriffes
    III. Staat
  9. Der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung
  10. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den Staat
  11. Der Sozialstaat als politische Elendsverwaltung
  12. Staatliches Gewaltmonopol und biosoziale Reproduktion
  13. Die kapitalistische Internationale und die biosoziale Reproduktion

Privathaushalte, Geschlechter, Liebe und Sexualität
I. Privathaushalte

  1. Privathaushalte als biosoziale Reproduktionsverhältnisse im Kapitalismus
  2. Formen der Privathaushalte
    II. Geschlechter
  3. Biologische Geschlechter
  4. Soziale Geschlechterrollen
  5. Individuelle Geschlechtsidentität
    III. Liebesbeziehungen
  6. Die monogame Liebesbeziehung/Kleinfamilie/Ehe
  7. Polyamorie und Beziehungsanarchie
  8. „Liebe“ und Gewalt
    IV. Sexualität
  9. Sexualität als biosoziale Reproduktion
  10. Staat und Schwangerschaftsunterbrechung
  11. Prostitution als Ware-Geld-Perversion
  12. Heterosexuelle Normierung und Regenbogen-Toleranz

Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise
I. Die globale ökosoziale Krise

  1. Vergiftung, Verseuchung, Vermüllung und Entwaldung
  2. Artenmassensterben
  3. Der Klimawandel
  4. Das planetare Fleischkapital
  5. Die internationale Agrarindustrie
  6. Zoonosen
    II. Lösungsversuche
  7. Kapitalistisch-technokratische Krisenlösungsstrategien
  8. Klassenübergreifende Ökologiebewegung und proletarischer Klassenkampf
  9. Kleinbürgerlich-reformistische/radikale Lösungsversuche
  10. Der antipolitisch-sozialrevolutionäre Lösungsansatz

Der reproduktive Klassenkampf

Im Kapitel II.2 haben wir den dialektischen Widerspruch der Lohnarbeit aus proletarischer Perspektive dargestellt, nämlich, dass sie einerseits die Grundlage der biosozialen Reproduktion der Lohnabhängigen ist, andererseits diese aber auch untergräbt. Gegen die absolute Tendenz des Kapitals durch Überausbeutung mörderischen Raubbau am Leben und an der Gesundheit der lohnabhängigen Arbeitskraft zu leisten, entwickelt sich der Klassenkampf als Notwendigkeit der biosozialen Reproduktion des Proletariats. Ohne den Kampf des Letztgenannten für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten hätte die Bourgeoisie das Proletariat durch Überausbeutung ausgerottet. Der Klassenkampf des Proletariats ist also im Doppelsinn reproduktiv. Erstens sichert es die biosoziale Reproduktion des Proletariats gegen die totalitäre Tendenz des Kapitals zur dessen Überausbeutung. Zweitens reproduziert der Klassenkampf, indem er im Normalfall in den Grenzen des Kapitalismus geführt wird, auch diese Gesellschaftsordnung.

Der reproduktive Charakter des Klassenkampfes wird sowohl durch seine den Kapitalismus erneuernden als auch durch seine revolutionären Tendenzen relativiert. Durch den Klassenkampf wird die kapitalistische Produktionsweise ständig erneuert. Erkämpft zum Beispiel das Proletariat eine kürzere Tages- und Wochenarbeitszeit, reduziert es die Mehrarbeitszeit. Also jene Zeit, in der die Lohnabhängigen den Mehrwert produzieren (siehe Kapitel I.1). Das kann natürlich das kapitalistische Management der Einzelbetriebe nicht akzeptieren. Es wird versuchen, die Arbeit zu intensivieren. So dass die Lohnabhängigen in der kürzeren Zeit mindestens genauso viel Mehrwert produzieren wie vorher. Durch die einzelkapitalistische Erhöhung der Arbeitsintensität sinkt die selbstreproduktive Arbeitszeit, die Zeit in der die Lohnabhängigen einen Tauschwert produzieren, der ihrem Lohn entspricht, relativ zu der Gesamtarbeitszeit. Wodurch die Mehrarbeitszeit relativ zur selbstreproduktiven Arbeitszeit und damit der Mehrwert steigt.

Oder dem klassenkämpferischen Proletariat gelingt es, relativ große Lohnerhöhungen durchzusetzen. Dann kann es sein, dass der Einsatz von bestimmten Maschinen lukrativ wird, der es vorher nicht war. Im Kapitalismus lassen sich Maschinen nur profitabel einsetzen, wenn ihr Preis geringer ist als die Lohnhöhe der ArbeiterInnen, die durch sie eingespart werden können. Durch proletarischen Klassenkampf erhöhte Löhne können also dazu führen, dass Maschinen profitabel einsetzbar werden, was vor der Lohnerhöhung nicht der Fall war. Steigt die Arbeitsproduktivität stärker als die Kapitalvermehrung, kann die Erwerbslosigkeit zunehmen. Die Nachfrage nach Arbeitskräften sinkt tendenziell und damit fallen auch die Löhne, was die Profitabilitätsspanne des Einsatzes neuer Maschinen reduziert. Gelingt es dem wirtschaftlichen Kern der Bourgeoisie (KapitalistInnen und WirtschaftsmanagerInnen) in einem erfolgreichen Klassenkampf von oben die Löhne stark zu senken, wird es für bestimmte Einzelkapitale lukrativ, unterhalb der technologischen Möglichkeit produzieren zu lassen, also lebendige Arbeitskräfte gegen von anderen Kapitalen und/oder in anderen Ländern eingesetzte Maschinen konkurrieren zu lassen.

Der Klassenkampf ist jedoch nicht nur auf das Engste mit der kapitalistischen Modernisierung verzahnt, sondern auch eng mit der Krisendynamik verbunden. Das streikende Proletariat produziert keinen Mehrwert, aber es gelingt ihm vielleicht unter den besten Bedingungen eine Lohnerhöhung und eine Arbeitszeitverkürzung zu erkämpfen, die das kapitalistische Management nicht sofort mit den oben beschriebenen Gegenmaßnahmen beantworten kann. Der erfolgreiche proletarische Klassenkampf kann zum Sinken der Mehrwertrate führen. Die Erhöhung der Mehrwertrate ist aber die wichtigste kapitalistische Gegenmaßnahme zum tendenziellen Fall der Profitrate (siehe Kapitel II.2). Das klassenkämpferische Proletariat kann also unter den besten Bedingungen zum tendenziellen Fall der Profitrate beitragen.

So war das zum Beispiel während des proletarischen 1968, die starke Zunahme des Klassenkampfes am Ende des Nachkriegsaufschwunges am Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in Europa, Teilen Asiens (zum Beispiel im Libanon) und Nordamerika. Der sich verschärfende Klassenkampf übte massiven Druck auf die Mehrwert- und Profitraten aus. Er hatte einen wichtigen Anteil daran, dass der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus 1974 aus der Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung in die der strukturellen Profitproduktionskrise geriet (siehe Kapitel II.2). Die strukturelle Profitproduktionskrise führte mit ihrer Massenarbeitslosigkeit – die mal ab und mal zu nahm – zu einer deutlichen Verschlechterung der biosozialen Reproduktion der Lohnabhängigen. Und auch zu einer massiven Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Der westeuropäischen und nordamerikanischen Bourgeoisie gelang es durch eine Offensive im Klassenkampf von oben, die Mehrwertrate wieder zu erhöhen und damit dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken.

War das klassenkämpferische Proletariat am Ende des kapitalistischen Nachkriegsaufschwunges das Subjekt der sich entwickelnden strukturellen Profitproduktionskrise, wurde es bei deren weiteren Entfaltung weitgehend zum Objekt des erfolgreichen Klassenkampfes von oben. Der proletarische Klassenkampf trug also unter den besten Bedingungen – die einer Periode der beschleunigten Vermehrung des Kapitals – dazu bei, dass sich die biosozialen Reproduktions- und Kampfbedingungen in der strukturellen Profitproduktionskrise extrem verschlechterten. Bleibt der Klassenkampf in den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen, kann er sich bestenfalls zu Tode siegen.

Es besteht aber nach wie vor die Möglichkeit, dass sich der Klassenkampf in außergewöhnlichen und extremen Situationen – die von der Verschärfung der kapitalistischen Krisendynamik geboren werden – zur sozialen Revolution radikalisiert (siehe Kapitel II.4 der Schrift Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise). SozialrevolutionärInnen kämpfen bewusst dafür, dass diese Möglichkeit zur materiellen Gewalt wird. Sie predigen nicht in einer abstrakten „Agitation und Propaganda“ die Notwendigkeit der sozialen Revolution. Diese ist zwar in der Tat notwendig, um die permanente Krise der biosozialen Reproduktion, in der sich große Teile des Weltproletariats befinden (siehe die Kapitel I.2 und II.1), progressiv zu beenden. Der reproduktive Klassenkampf vermag diese Krise nur vorübergehend einzudämmen.

Aber zu dieser Erkenntnis kann die übergroße Mehrheit des globalen Proletariats sich nur in einer möglichen radikalen Verschärfung des Klassenkampfes durchringen. Mehrheitliches revolutionäres Klassenbewusstsein kann nur das bewusste Sein der sozialen Revolution sein. Bewegt sich der Klassenkampf innerhalb des den Kapitalismus reproduzierenden und modernisierenden Grenzen, kann sich nur eine mikrokleine Minderheit der Lohnabhängigen und der Intellektuellen zu einem revolutionären Bewusstsein entwickeln. Diese mikrokleine Minderheit kann praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes geben – aber sie kann nicht künstlich eine soziale Revolution auslösen. Letztere kann sich nur möglicherweise durch die gegenseitige Durchdringung der extremen Verschärfung der kapitalistischer Krisendynamik und der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes herausentwickeln. So war die europäische revolutionäre Nachkriegskrise (1917-1923, siehe Kapitel II.4 des Textes Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise) die proletarische Reaktion auf das extreme Elend, welches das imperialistische Großmassaker des Ersten Weltkrieges mit sich brachte. Es ist alles andere als undenkbar, dass die sich extrem verschärfende kapitalistische Krisendynamik auch in Zukunft revolutionäre Situationen vorbereiten wird. Und auf diese Situationen müssen sich bewusste SozialrevolutionärInnen bereits im reproduktiven Klassenkampf vorbereiten.

Praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben, heißt auch, die sich oft instinktiv-vorbewusst entfaltenden revolutionären Tendenzen der reproduktiven Auseinandersetzung des Proletariats mit der Bourgeoisie, bewusst zu machen. Es ist bereits eine revolutionäre Tendenz des proletarischen Klassenkampfes, dass er überhaupt existiert. Lohnabhängige zeigen in ihm, dass sie viel mehr sind als menschliches produktives Kapital, dass für die Bourgeoisie den Mehrwert produziert. Dass sie ihre biosozialen Bedürfnisse gegen den totalitär herrschenden Anspruch des Kapitals „Vermehre mich!“ verteidigen und teilweise auch militant durchsetzen.

Die proletarische Selbstorganisation für die eigenen biosozialen Bedürfnisse ist eine revolutionäre Tendenz und Potenz des reproduktiven Klassenkampfes. Im Normalfall der kapitalistischen Ausbeutung und politischen Verwaltung (siehe Teil III) wird das Proletariat durch Kapital und Staat klassenmäßig fremdbestimmt. Nur im und durch Klassenkampf kann sich das Proletariat für seine eigenen biosozialen Bedürfnisse selbst organisieren. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist ein dialektischer Widerspruch, der sich zwischen den beiden Polen „lohnabhängig“ und „selbstorganisiert“ entfaltet. Innerhalb des reproduktiven Klassenkampfes kann sich dieser Widerspruch nur bewegen. Die progressive Lösung dieses dialektischen Widerspruches stellt die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats dar.

Die Selbstorganisation des Proletariats entfaltet sich bereits im konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf. Die Lohnabhängigen missachten in dieser Form des Klassenkampfes heimlich einige Anweisungen der kapitalistisch-bürgerlichen Arbeitshierarchie, um ihre Ausbeutungsobjektivität abzumildern. Sie machen – wo es die Lücken der Kontrolle und Überwachung zulassen – selbstbestimmt inoffizielle Pausen, lassen kleinere Produkte und Produktionsmittel illegal mitgehen, wodurch sie ihren Lohn aufbessern und so weiter und so fort.

Formen des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes sind auch die Sabotage und die produktive Aneignung der Produktionsmittel. Bei der Sabotage machen die Lohnabhängigen – dabei Lücken der Kontrolle ausnutzend – das kaputt, was sie kaputt macht: die Produktionsmittel, die in der Hand des Kapitals immer auch mächtige Zerstörungsmittel der Natur und der lohnabhängigen Arbeitskräfte sind. Die proletarischen Saboteure erkennen praktisch-faktisch das Eigentum der Bourgeoisie an den Produktionsmitteln nicht an. Sie zerstören fremdes Eigentum und missachten den Arbeitsvertrag. Sie sollen an und mit den Produktionsmitteln Mehrwert für das Kapital produzieren, diese aber nicht kaputtmachen. Die Lohnabhängigen täuschen mit der Sabotage einen technischen Defekt vor, um während der Reparatur beziehungsweise der Auswechselung der kaputten Produktionsmittel mal ein wenig Pause zu haben.

Auch die individuelle produktive Aneignung der Produktionsmittel durch die Lohnabhängigen stellt eine praktisch-faktische Nichtanerkennung des kapitalistischen Eigentums dar. Bei dieser Form des illegal-konspirativen Alltagsklassenkampfes, die bei Lücken in der Kontrolle sowohl in traditionellen handwerklichen Betrieben als auch an modernen Computerarbeitsplätzen möglich ist, stellen die Lohnabhängigen, immer wenn der Chef nicht hinguckt, Produkte für sich selbst her. Während dieser illegal-konspirativen produktiven Aneignung hören die Produktionsmittel faktisch auf gegenständliches produktives Kapital zu sein. Mit ihnen wird während der Aktion kein Warenkapital für die Bourgeoisie produziert, sondern Produkte für den eigenen Bedarf. Durch die illegale produktive Aneignung der Produktionsmittel hört der unmittelbare Produzent in und durch die Klassenkampfaktion faktisch auf menschliches produktives Kapital zu sein. Er produziert faktisch in dieser Zeit kein Tausch- und Mehrwert für die Bourgeoisie, sondern stellt selbstorganisiert Dinge für sich selbst her. Er hebt sich also tendenziell revolutionär selbst als Lohnabhängiger auf. Formal und für die viel längere Zeit, in der die produktive Aneignung nicht erfolgen kann, bleiben die Produktionsmittel und er selbst natürlich gegenständliches und menschliches produktives Kapital. Das sind die reproduktiven Grenzen auch dieser Form des Klassenkampfes.

Streikende Lohnabhängige hören selbstbestimmt auf, Tausch- und Mehrwert für das Kapital zu produzieren. Das ist eine revolutionäre Tendenz und Potenz. Bleibt der Klassenkampf jedoch im Rahmen des Kapitalismus, müssen die Lohnabhängigen die Arbeit irgendwann wieder aufnehmen. War die Arbeitsniederlegung einigermaßen erfolgreich, dann hat sich durch höhere Löhne beziehungsweise eine kürzere Arbeitszeit die Ausbeutungsobjektivität vielleicht etwas abgemildert, aber sie hat sich reproduziert. Das ist die reproduktive Grenze des Klassenkampfes. Aber während des Streiks haben die Lohnabhängigen ihre kollektive Kraft gespürt. Ausstände erhöhen tendenziell und potenziell das kollektive Klassenbewusstsein des Proletariats. Das gehört zu dessen revolutionären Tendenzen und Potenzen.

Fazit: ProletarierInnen sind als Marktsubjekte (siehe Kapitel I.2), Familienmenschen (siehe die Schrift Privathaushalte, Geschlechter, Liebe und Sexualität) und StaatsbürgerInnen (siehe Teil III dieses Textes) absolut kleinbürgerlich. Nur im und durch den kollektiven Klassenkampf entfalten sich die revolutionären Tendenzen und Potenzen des Proletariats. Im reproduktiven Klassenkampf bewegt sich der Widerspruch zwischen den kleinbürgerlichen und den revolutionären Tendenzen der Lohnabhängigen. Gelöst werden kann dieser Widerspruch nur durch die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats.

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Gewerkschaften sind die bürokratisch entfremdeten Ausdrücke des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen im Rahmen des Kapitalismus. Sie reproduzieren in der Regel die kapitalistische Klassengesellschaft in Form von bürgerlich-bürokratischen Apparaten aus hauptamtlichen FunktionärInnen auf der einen Seite und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen. Hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen, die maßgeblich bestimmen, was läuft und was nicht läuft, gehören sozial nicht zum Proletariat. Gewerkschaften sind also in Regel kein Ausdruck der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats, sondern verkörpern ihr Gegenteil, nämlich die bürgerlich-bürokratische Fremdbestimmung der Klasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist die Anpassung an den Kapitalismus beziehungsweise die Integration in den bürgerlichen Staat (siehe Kapitel III.2).

Bereits in den gewerkschaftlich kontrollierten Streiks, besonders in den längeren Ausständen, entwickelt sich die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen und der Apparate. Der vollendete Ausdruck der klassenkämpferischen Selbstorganisation ist die gewerkschafsunabhängige Arbeitsniederlegung, der sogenannte wilde Streik. Die klassenkämpferische Selbstorganisation kommt in wilden Ausständen sowohl informell als auch in gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees zum Ausdruck. Der selbstorganisierte Klassenkampf ist in all seinen Formen die progressive Alternative zu den Gewerkschafsapparaten. Auch wenn sie im Rahmen des reproduktiven Klassenkampfes noch nicht den Charakter der revolutionären Klassenkampforganisation annehmen kann (siehe Kapitel II.4 des Textes Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise).

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