Prozessbericht – UNFREIwillige Feuerwehr https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org Unterstützung für die Angeklagten der Kohlekraftwerksblockade Jänschwalde Mon, 03 Jun 2024 19:48:52 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Update im Prozess von Ava und Ralph: Revision verworfen https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/2024/06/03/revision-verworfen/ Mon, 03 Jun 2024 19:48:48 +0000 https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/?p=598 Continue reading ]]>

Vielleicht erinnert ihr euch nach an Ava und Ralph, zwei Personen, die nach der Blockade des Kohlekraftwerks Jänschwalde durch die Aktionsgruppe „Unfreiwillige Feuerwehr“ fast drei Monate anonym in Haft saßen. Das Urteil von 4 Monaten Haftstrafe wegen Nötigung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Störung öffentlicher Betriebe wurde vom Landgericht bestätigt. Jetzt verwarf das Oberlandgericht die eingelegte Revision, das Urteil wird also rechtskräftig. Damit steht auch zu befürchten, dass vor dem Amtsgericht Cottbus die Prozesse gegen weitere 18 Personen beginnt, denen vorgeworfen wird an der Blockade beteiligt gewesen zu sein.

Nach der Verhandlung vor dem Landgericht Cottbus im Juni/Juli 2023, gingen die Anwält*innen von Ava und Ralph in Revision. Das Landgericht Cottbus hatte sich dem Urteil des Amtsgerichts Cottbus aus dem November 2022 angeschlossen und die beiden ebenfalls zu 4 Monaten Haft ohne Bewährung wegen Hausfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung und Störung öffentlicher Betriebe verurteilt.

Jetzt, im Mai 2024 folgte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG), dieses hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. In der Revision ging es unter anderem um die Frage, inwiefern Ava und Ralph als volljährig angesehen werden dürfen und ob es rechtens war, dass die beiden nach Ewachsenenstrafrecht verurteilt wurden. Das OLG meint dazu nur, dass das Landgericht ja schon so einschätzen können wird, ob die beiden erwachsen aussehen oder nicht („optische Reifezeichen“). Vor allem aber, dass die „‚reflektierten Erklärungen‘ der Angeklagten (insbesondere zum Klimaschutz und zur Klimakrise)“ in den beiden Prozessen „von deren ‚geistiger Reife‘ zeuge“, so das OLG.

Heißt das also, man kann nur reflektiert über die Klimakrise reden wenn man erwachsen ist? Und heißt das im Umkehrschluss auch, dass man im Zweifel härter bestraft wird, wenn man die Zusammenhänge der Klimakrise gut und strukturiert wiedergeben kann? Wenn es also Zweifel an der Volljährigkeit von Angeklagten gibt, entscheidet Wissen über die Klimakrise also im für eine härtere Strafe? Das klingt alles ganz schön absurd, aber auch bezeichnend für den Umgang der Justiz mit Klimaaktivismus.

Auch ein weiterer Punkt der Revision in dem es um die Kalkulation der Schadenssumme ging, wurde als unbegründet fallen gelassen. Auf der Website energy-charts.info ist öffentlich einsehbar wie viel Strom die einzelnen Kraftwerksblöcke zu welchem Zeitpunkt produziert haben. Eine solche Grafik wollte die Verteidigung im Prozess als Beweismittel einführen um zu zeigen, dass der von der LEAG berechnete Schaden nicht mit den tatsächlich produzeirten Strommengen zusammenpasst. Das Gericht lehnte den Antrag aber ab und berief sich nur auf die „plausiblen“ Schätzungen der LEAG. Ach, das ist doch schön, wenn man sich selber aussuchen darf in welcher Höhe man geschädigt wurde!

Von den 4 Monaten Haftstrafe haben Ava und Ralph schon fast 3 Monate in Untersuchungshaft verbracht. Wegen des 2/3-Grundatzes (höchstens zwei Drittel der Haftzeit sollen in Untersuchungshaft verbracht werden) wurden die beiden damals dann anonym aus der JVA entlassen. Unklar ist noch, ob die beiden jetzt tatsächlich wieder für die letzten Wochen Haft eingeladen oder gesucht werden. Egal ob JVA oder Untergrund, wir halten zusammen und werden weiter für Klimagerechtigkeit kämpfen! Für uns steht fest, der Kampf für Klimagerechtigkeit wird immer auch ein Kampf gegen Staat und Justiz sein. Ob die Justiz unsere Aktionen jetzt gut oder schlecht findet, hat wenig mit ihrer Notwendigkeit zu tun!

Jetzt wo das Urteil gegen die ersten zwei Angeklagten rechtskräftig ist, stehen vermutlich auch die Prozesse gegen die anderen 18 Angeklagten an. Termine gibt es noch keine.

Viele Prozesse kosten leider auch viel Geld, deshalb freuen wir uns immer über Spenden für Anwält*innen, Prozesskosten und eventuelle Geldstrafen, und natürlich auch, falls ihr Lust habt bei euch vor Ort eine Soli-Party oder ähnliches zu veranstalten. Unsere Kontodaten findet ihr hier:

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Feuerwehr im Gericht am 12.07.23 https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/2024/03/02/prozessbericht-vom-berufungstermin-mit-urteil-am-12-07-23/ Sat, 02 Mar 2024 15:59:21 +0000 https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/?p=555 Continue reading ]]> Auch zum 2. Prozesstermin der Berufungsverhandlung gegen Ava und Ralph war vorm Landgericht Cottbus einiges los. Vor dem Gebäude war eine Kundgebung, wo unter anderem die Zuschauer*innen warten konnten, die nicht eingelassen wurden, obwohl noch Plätze frei waren. Gegen die Versammlungsleitung gab es eine Anzeige wegen dem Banner „Burn All Prisons“.

Auch im Gericht wurde direkt zu Beginn 200€ Ordnunsgeld wegen Nicht-Aufstehens verhängt. Dafür hatte Ava zur Veranschaulichung der Sachlage etwas „Kohle“ und eine Feuerwehr zur Löschung der Klimakrise mitgebracht und wurde von einem Chor aus Ta-Tü-Tata unterstützt.

Bei der Zeugenbefragung der LEAG beanstandete die Verteidigung, dass die Rechtsabteilung der LEAG die Zeugen vorbereitet habe und forderte die Staatsanwältin als Zeugin zu vernehmen um zu klären welche Kontakte sie mit der LEAG dazu hatte.

Diesen und alle weiteren Anträge der Verteidigung lehnte das Gericht als rechtlich irrelevant ab und forderte mehr Respekt. Darauf antwortete Ava, dass alle Menschen Respekt verdienen, nicht aber die Institutionen.

Zum Plädoyer der Staatsanwaltschaft stimmte das Publikum „Wehrt euch, leistet Widerstand“ an. Dabei gab es aber auch nicht viel zu verpassen, weil die Staatsanwaltschaft einfach wiederholte, dass sie alle Tatbestände erfüllt sehe und dazu noch eine deutliche kriminelle Energie, aufgrund derer und einer potentiellen Fluchtgefahr auch noch ein Haftbefehl beantragt wurde.

Die Verteidigung widersprach der Staatsanwaltschaft. Hausfriedensbruch sei wegen mangelnder Umfriedung, nicht erfüllt, die Nötigung wegen fehlendem Zug, die Gemeinschaftlichkeit wegen fehlender nachgewiesener Absprachen. Die Sachbeschädigung sei wenndann von den Cops ausgegangen. Die Störung öffentlicher Betriebe sei nicht erwiesen, da weder die Schadenssumme noch ob Industrie oder private Haushalte Abnehmer*innen seien, geklärt wurden. Außerdem schade das Kraftwerk der Gesundheit der Bevölkerung und in Anbetracht der Klimakrise auch jeglicher Exsistenzgrundlage.

Weiterhin ging die Verteidigung auf die öffentliche Wahrnehmung und Stimmungsmache gegen Klimaaktivist*innen ein. Außerdem wurde die U-Haft als Erzwingungshaft kritisiert. Abschließend plädierte die Verteidigung auf Freispruch und Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts.

Ava und Ralph gingen in ihrem Schlusswort auf die Haftbedingungen ein und forderten Haftentschädigung. So meinte Ralph unter anderem: What the Fuck is los? Soll ich der Staatsanwaltschaft noch vertrauen, die mit der LEAG quatscht und mich in eine acht Quadratmeter Zelle sperren will? Auch betonten sie erneut: Die Klimakrise untergräbt die Demokratie! Niemand kann bestreiten, dass die Klimakrise keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben darstellt!

In der Verkündung des Urteils scheint es aber, als habe die Kammer gar nicht so genau zugehört.Im Namen des Volkes, so der Vorsitzende Richter am Landgericht Cottbus Hanning, ergeht folgendes Urteil: Die Berufungen werden verworfen. Haftbefehl wird abgelehnt. Fluchtgefahr besteht nicht. Es bleibt also beim Urteil des AG Cottbus. Vier Monaten Haft ohne Bewährung!

Dabei sprach er noch ganz am Ende von dem Tagebau, obwohl es doch die ganze Zeit ums Kraftwerk ging. Ein*e Zuschauer*in korrigiert ihn und wird noch mit dem Stuhl aus dem Saal und bis zur Kundgebung getragen. Hätte die Kammer mal den ersten Antrag zur Verlegung in den Tagebau zugestimmt, hätte sie den Unterschied zum Kraftwerk vielleicht erkannt.

Mit diesem Urteil ist es aber noch lang nicht vorbei. In dem Prozess gegen Ava und Ralph läuft gerade die Revision und 18 weitere namentlich bekannte Personen sind mittlerweile mit den gleichen Tatvorwürfen angeklagt.

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Ein neuer Brief von Ralph: Tag des Gerichts https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/2022/12/02/ein-neuer-brief-von-ralph-tag-des-gerichts/ Fri, 02 Dec 2022 16:19:50 +0000 http://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/?p=471 Continue reading ]]> CN: Polizeigewalt, Schmerzgriffe [Anmerkung abtippende Person]

Dies ist mein Gedächtnisprotokoll vom 17.11.2022. zu diesem Zeitpunkt saß ich ca. 57 Tage in Haft in der JVA Cottbus Dissenchen. Am besagten Tag war die Hauptverhandlung unseres Prozesses angesetzt. Im Vorfeld haben unsere Anwältis bewirkt das Ava und ich gemeinsam abgehandelt werden. Ich für meinen Teil habe mich auf den Prozess gefreut, da dieser „Klarheit“ verschafft. U-Haft fühlte sich für mich an wie ein Becken mit Gelée, wo man weder vorwärts noch rückwärts kommt. Ein Prozess bringt so in gewisser Form Klarheit. 

Der Tag beginnt mit einer unruhigen Nacht, Gedanken über verschiedene Szenarien wie Freiheit, weitere Haft, an Ava, das Sehen von Unterstützenden und der Ausbruch aus der Monotonie der Haft hielten mich wach. 
Um ca. 6:00 werde ich dann, wie jeden Morgen, geweckt, jedoch mit der Unterschied, dass ich aufstehe, mich anziehe, und mich duschen gelassen werde. Auch trinke ich Kaffee um mich selbst zu erwecken. Dann gehts raus aus dem Haftraum in eine Wartezelle, dort steht ein anderer in Straßenklamotten und löst ein Kreuzworträtsel, ich bin nervös, überlege welche erste Verlautbarung ich verlesen soll. Ich hatte drei an der Zahl, eine ist sehr meinungs-geprägt, zweite sehr juristisch, gespickt mit Sätzen aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts eine weitere etwas emotionalisierende Erkläung. 

Während ich auf und ab und wieder auf und ab in der Wartezelle laufe, kommen zwei beamte, geben mir ne Plastiktüte mit zwei Käsebroten und einem Liter Wasser, legen mit klobige Handschellen an, ich schnappe mir noch meine texte und werde in einen Bus gebracht. zu diesem Zeitpunkt ist es 7:45. Im Bus schaute ich aus dem Fenster und singe leise aber hoffnungsvoll einige Lieder. Die Zellen im Bus sind aus weißem Plastik und Stahl, das Fenster ist vielleicht  5 Centimeter hoch und 15 breit. Ich weiß, dass die Fahrt rund 15-20 Minuten dauert, dennoch verfliegt die Zeit. Im Gericht angekommen geht es durch den Hintereingang rein und ich komme erneut in eine Wartezelle. Irgendwann geht die Tür auf, mir werden wieder Handschellen angelegt und es geht zwischen zwei Beamtinnen hoch in den Saal. Auf dem Weg sehe ich Ava und freue mich ein positives Gesicht zu sehen. 

Der Saal ist klein, zwei Reihen an zwei [Wort nicht lesbar] in der vordersten Reihe sitzen 4 Bedienstete, doch in den hinteren sehe ich positive Gesichter und freue mich! An dieser Stelle, vielen Dank für euer aller Kommen! Die Sitzung wird eröffnet die beiden Staatsanwältinnen, einer männlich gelesen, eine weiblich gelesen werden vorgestellt, Richterin stellt sich vor, alles nimmt seinen Gang. 

Ich sitze da mit leichten Magenkrämpfen und drehe meinen Stift in der Hand. Als erstes erhält Ava das Wort, und verliest eine richtig krasse Rede. Ich lausche gespannt, während das Versagen der Klimapolitik Stück für Stück aufgeschlüsselt wird. Leider kann ich jetzt (22.11.) nicht mehr zitieren, aber nur empfehlen sich mal durchzulesen. Währendessen schießt mir meine, im vergleich mickrige Rede durch den Kopf. 
Dann komme ich an die Reihe, verlese mein Statement, setze mich wieder und beobachte die Staatsanwaltschaft. Dann werden einige Fotos gezeigt von einem Laptop mit Windows 7. Mir erscheint das irgendwie witzig, wie die Justiz im technischen Sinne hinter der Zeit ist. Es folgen Beweisanträge mit Tatsachen wie, dass die Klimakrise existiert, das CO2 ein Treibhausgas ist und dass das Kraftwerk Jänschwalde die Krise mit anheizt, die Staatsanwaltschaft, vor allem der männliche Part, guckt, mit dem Gesicht zerknirscht, in unsere Richtung, als würde es ihn langweilen. 

Um ca. 10 gibt es eine Pinkelpause, also wieder Handschellen an, im Gänsemarsch runter, in die Zelle, Handschellen ab. Ich merke, das ich deutlich ruhiger bin, und mein magen nicht mehr rummotzt. Ich rauche eine Kippe, und das Spiel mit den Schellen beginnt erneut. Oben angekommen werden die ersten Zeugen vernommen, Staatsanwaltschaft fragt vor allem nach Blackouts, keiner der vernommenen LEAG Zeugen, außer einer, waren vor Ort, die anderen waren beim Krisenstab. Was bemerkenswert ist, alle Zeugen beantworteten die Fragen der Staatsanwaltschaft vorbildlich, jedoch wenn unsere Anwältis fragen drücken sie sich um jede Frage. Auf einige Fragen antworten sie mit Zitat „sag ich nicht“. Um die Lage weiter ins Absurde zu treiben müssen Fragen von Aussagen des Zeugens vor diesem diskutiert werden. Auch schaltet sich der männlich gelesene Staatsanwalt ein und befragt für den Verteidiger den Zeugen und dieser antwortet.
Etwa um 12:15 Gibts dann Mittagspause und Ava und ich werden in einer zelle gebracht. Das war toll. Wir tauschen uns über die letzten Monate aus, über die Zustände in Luckau-Duben, über die Petitionen von dort, über die Erwartungen an den Tag. 

Ich hatte große Erwartungen, weil für mich war es mit das Belastendste, dass es keinen Rahmen gab. Ava hat aus meiner Perspektive vieles mehr gefasst aufgenommen, was ich sehr bewundere, aufgrund ihrer Haftumstände. 
Um ca. 13:00 gehts weiter, also wieder Handschellen und Gänsemarsch. Auch gehts weiter mit Zeugen aus dem LEAG Krisenstab, welche weiter mit Aussagen auffallen wie „sag ich nicht“, der männlich gelesene Staatsanwalt spielt sich weiter als Vermittler auf und reagiert weiter gelangweilt und abwertend auf Feststellungen der Klimakrise. Ich höre weiter zu, im Schneidersitz sitzend und den Stift drehend. Die Bullenzeugen machen aber im Vergleich einen okayen Job, weil sie auf Fragen antworten. Auch kommt es nie anscheinend irgendwelchen Zeugen in den Sinn, dass dies eine Versammlung sei, was ein bisschen komisch ist, aber naja. 

Zwischen 17 Uhr und 18 Uhr gibts erneut ne Pause, wann genau kann ich leider nicht mehr konkretisieren. 
Da besprechen sich Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ava und ich werden wieder in ne Zelle gesperrt, essen unsere Käsebrote und ärgern uns über die Staatsanwaltschaft und den Hochdruckwasserhahn, der die Zelle zum schwimmen bringt. Wir scherzen gemeinsam und tauschen unsere verschiedenen Bedürfnisse weiter aus. Später kommen dann die Anwältis und sagen uns, dass die Staatsanwaltschaft mindestens 6 Monate Haft fordern wird. Dies tut die Staatsanwaltschaft, weil sie Zitat „Druck von oben hat“. Was genau ist leider unklar, aber auch nicht groß verwunderlich, wenn der CDU Justizminister von Brandenburg in der Presse von Verbrechern schwardronisiert. Auch ging in den Wochen davor viel Wirbel durch Politik und Presse, zu Aktionen der letzten Generation. Immer wieder forderte die CDU härtere Strafen, in Bayern sitzen Menschen in Präventionshaft etc. [Anmerkung: die Aktivistis sind inzwischen frei] Das Gericht ließ auch durchklingen, dass wenn heute kein Urteil gefällt werden würde, es zwischen 3-4 Monate liegen wird. Das war für mich zumindest nen ziemlicher Brocken. Also überlegten wir hin und her, wägten verschiedene Strategien ab und einigten uns darauf den Prozess heute zu Ende zu führen. Also wieder Handschellen an und im Gänsemarsch nach oben.
Im Saal wird noch ein Zeuge vernommen, Bweisanträge gestellt. die Staatsanwaltschaft verliest ihr Plädoyer, was sehr der Anklageschrift gleicht und spricht sich bei mir für 6 Monate und bei Ava für 8. Alle schauen sich leicht schockeirt um. Es wirkt weder wie ein Versprecher noch ein Ausversehn. Ob dies ein kläglicher Versuch der Spaltung war, weiß ich nicht. Jedoch kläglich allemal!

Dennoch macht mein Anwalt sein Plädoyer, wo nochmals alle Tatvorwürfe als nicht erfüllt herauskristalisiert werden. Dies war nur möglich, weil die Staatsanwaltschaft so unzureichend argumentiert hat, wie ich es selbst nicht für möglich gehalten habe. Würde ich in einer Prüfungssituation ähnliche Argumentationslücken aufweisen, würde ich sehr sicher durchfallen. Zurecht. 
Danach hält die Anwältin von Ava ein sehr gutes Plädoyer, wo sich auch das „Missverständnis“ zu den 8 Monaten aufgeklärt. Eigentlich wollte die Staatsanwältin 6 sagen. Danach waren alle im Saal merklich entspannter.
Dann ging es wieder zu ner 15 Minuten Pause bis zur Urteilsverkündung.

Unten angekommen überlege ich was ich noch zu sagen habe in diesem Prozess. Es ist gar nicht so leicht, weil weder Gericht noch Staatsanwaltschaft auf die Klimakrise eingehen. Auch sind meine Gedanken damit beschäftigt, ob ich weitere 2 Monate, ausgesperrt von allem gesellschaftlichen, freundlichen, ja ausgesperrt von allem lebendigen verbringen kann. Während des Prozesses hat die Staatsanwaltschaft immer wieder auf unsere Familien angespielt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde ich hätte es bei Seite geschoben. Jedoch weiß auch ich, dass die Staatsanwaltschaft uns damit einschüchtern will, dass versucht wird so Druck aufzubauen. All das geht mir durch den Kopf und schon machts wieder block, block, die Tür schwenkt auf, Handschellen an und im Gänsemarsch in den Saal. 

Im Saal wieder angekommen, erheben sich viele für die Urteilsverkündung. Gleichzeitig bleiben einige aus Protest sitzen, als sie angedroht bekommen, dass sie dann den Saal verlassen müssen erhebt sich ein wundervoller Protest. Menschen singen, ich stimme mit ein. Die Wachhabenden schirmen mich und Ava ab. Ich danke euch für euren Protest. Auch jetzt beim Schreiben dieser Zeilen habe ich das Lied auf den Lippen und den Protest im Herz. 

So schnell wie der Protest kam, so schnell wurde dieser gewaltsam unterbunden. CO2Ps welche im Gang warteten waren sofort zur Stelle, drückten die Menschen zu Boden und verdrehten die Arme und Finger. Manche wurden rausgetragen, andere mussten auf Knien kriechend mit den Arm im Schmerzgriff den Saal verlasserrn. 

Nun, da der Raum fasst geleert war, konnte das Theater weitergehen, wobei Angeklagte, Anwälte, Staatsanwaltschaft und Gericht das Ende des Stückes kannten. Mit einer Urteilsverkündung gab es dann 4 Monate. 

Das Spiel mit den Handschellen kam zu seinem letzten Abgang von der Bühne des Saals. 
Unten wieder angekommen besprachen Ava und ich uns noch ein bisschen , dann kamen die Anwältis. Wir redeten über rechtliche Optionen, ich hatte das Gefühl, dass alle ausgelaugt und frustriert waren. es waren knapp 12 Stunden vergangen und das merkten alle. 
Als erstes verließen uns die Anwältis, dann wurde Ava weggebracht. In der Hektik nahm sie auch meinen Haftbefehl und meine drei Reden mit, was mir nicht wirklich auffiel. Aber an die Ava, hau raus, was du willst. 
Dann ging es zurück für mich, also Handschellen an, in nen Sixxer mit Gittern rein und rausgucken. An was ich da dachte, weiß ich nicht mehr. Im Gefängnis angekommen, fragte ich während meiner Durchsuchungen ob ich noch ein paar Brote haben könnte, weil meine Ration war 2 Käsebrote und 1 Liter Wasser. Dies wurde verspeist, dann gings in die Zelle, ich konnte noch die Hälfte der Tagesschau um 8 zur Hälfte sehen und schaute noch nen Film im Fernsehn. 

Weil ich damit gerechnet hatte, hat ich mir von den vorherigen Tagen etwas aufgespart und aß dann mein Abendbrot mit Margarine. Irgendwann machte ich den Fernseher aus und schlief ein. 

Ich schreibe diesen Text mit einigen Tagen Abstand, leider ohne Notizen, aber selbst Schuld 🙂

Ich möchte nochmals allen danken, die beim Prozess waren, die uns unterstützen, die Briefe schreiben, die sich aktiv für mehr Klimaschutz und eine bessere Zukunft anstrengen. Ich will euch sagen, ihr seid nicht allein selbst wenn es sich so anfühlt. 

Klimaschutz bleibt Handarbeit! 

RALPH

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Prozessbericht – Ava & Ralph vor dem Amtsgericht Cottbus https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/2022/11/18/prozessbericht-ava-ralph-vor-dem-amtsgericht-cottbus/ Fri, 18 Nov 2022 00:15:29 +0000 http://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/?p=378 Continue reading ]]> Der Prozess ging über 10 Stunden und hatte 8 Zeugen. Trotzdem kann man das allermeiste was gesagt wurde, getrost vergessen.

Witzig war, wie die Staatsanwältin behauptete, die Klimakatastrophe sei „keine gegenwärtige Gefahr“ im Sinne des §34 StGB („Rechtfertigender Notstand“), und dass sie uns empfahl Petitionen dagegen zu schreiben.

Auch ansonsten zeigte das Gericht nur, dass es sich eh nicht für Argumente interessiert – die halbe Stunde schlüssiger und durchaus auch emotionaler Plädoyers der Verteidigung, die die Anklage völlig auseinander nahmen, wurde einfach ignoriert.

Es schien, als hätte es eine Weisung von oben gegeben, dass hier ein Exempel statuiert werden müsse – so hatte Innenminister Michi Stübgen ja bereits am Tag der Aktion „empfindliche Strafen“ gefordert. (In einem Staat mit Gewaltenteilung überlässt es die Regierung als Exekutive ja der Judikative, zu entscheiden was und wie bestraft wird – das scheint hier nicht so üblich zu sein.) Deswegen ist es auch ein bisschen egal, was gestern so erzählt wurde, und wie wenig die Zeugen von der Tat wussten, es hätte das Urteil auch nicht beeinflusst, wenn sie von pink gefärbten Dackeln erzählt hätten. Zwischendurch hat z.B. ein Zeuge Kohlekraftwerke mit Kernkraftwerken verwechselt.

Letzten Endes wurden Ava und Ralph zu 4 Monaten Haft verurteilt – wegen Störung öffentlicher Betriebe (auch wenn nicht bewiesen werden konnte, dass die öffentliche Versorgung mit Energie beeinträchtigt wurde), Hausfriedensbruch (auch wenn es keine ernstzunehmende Umfriedung gab), Nötigung (auch wenn unklar war, wer zu welcher Handlung genötigt wurde), und Sachbeschädigung (auch wenn die Richterin dafür behaupten musste, „unbrauchbar machen“ würde den Tatbestand erfüllen – obwohl das nur bei §316b StGB drin steht, nicht in §303 StGB).

Als am Ende das Urteil verlesen wurde, fing das Publikum an zu singen: „wehrt euch, leistet Widerstand – gegen die Braunkohle hier im Land – auf die Barrikaden, auf die Barrikaden!“ Dies wurde vom Gericht als Störung aufgefasst, weshalb es sich für einen nicht-öffentlichen Betrieb entschied, und die Öffentlichkeit aus dem Saal tragen ließ. Das war ein krönender Abschluss eines durch und durch absurden Prozesses.

Wir sind natürlich ein bisschen parteiisch (aber wenigstens geben wir das zu). Eine der wenigen vernünftigen Sachen, die gesagt wurden, war Avas Statement zu Beginn des Prozesses – das könnt ihr hier nachlesen:

Ava hat sich so viel Mühe gegeben das aufzuschreiben – schreibt ihr und/oder Ralph doch vielleicht einen Brief zurück? Sie freuen sich drüber! Zeigt ihnen, dass sie im Knast nicht alleine sind.

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