Erklärungen – UNITED WE STAND https://unitedwestand.blackblogs.org summer of resistance - summit of repression - solidarity is our weapon Sat, 13 Mar 2021 09:22:41 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://unitedwestand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/406/2017/10/cropped-kundgebung-32x32.png Erklärungen – UNITED WE STAND https://unitedwestand.blackblogs.org 32 32 (Haft-)Strafe ohne Straftat https://unitedwestand.blackblogs.org/haft-strafe-ohne-straftat/ Sat, 13 Mar 2021 09:21:30 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=3172 Continue reading ]]> Seit den #NoG20-Mobilisierungen in Hamburg konnten wir beobachten, wie Staatsanwaltschaft, Staatsschutz und Teile der Politik versuchen eine neue Idee von Repression zu etablieren. Angestrebt werden nun immer wieder Verurteilungen, für die nicht einmal mehr eine real stattgefundene und individuell zugeordnete Straftat vorgeworfen wird – bestraft wird die politische Haltung der Aktivist*innen.

In drei verschieden Verfahrenskomplexen wirft die Staatsanwaltschaft
derzeit den jeweiligen Betroffenen gar nicht erst vor, selbst konkrete Straftaten begangen zu haben:

1. Im Elbchaussee-Verfahren soll das alleinige Mitlaufen in der Demo
als „schwerer Landfriedensbruch“ bestraft werden. Es wird versucht, den entstandenen Sachschaden jeder Person, die bei der Demonstration dabei gewesen sein soll, anzulasten.
2. Im Parkbank-Verfahren reicht der Staatsanwaltschaft bereits die
Möglichkeit, eine Straftat geplant haben zu können (die so genannte „Verabredung zu einem Verbrechen“).
3. Im Rondenbarg-Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft nach ihrem
ersten gescheiterten Versuch im Prozess gegen Fabio offenbar den Eindruck, dass der Vorwurf „besonders schwerer Landfriedensbruch“ nicht für eine pauschale Verurteilung der Demonstrant*innen reichen könnte. So versucht sie nun zusätzlich, die gesamte Demonstration als „bewaffnete Gruppe“ umzudefinieren.

Ob die Staatsanwaltschaft damit durchkommt, ist noch nicht entschieden, denn auch die Prozesse, die schon in einer Instanz stattgefunden haben, sind noch nicht abgeschlossen.

Diese exzessive Ausdehnung versucht die Hamburger Staatsanwaltschaft darüber zu realisieren, dass sie die Anwendung der jeweiligen Strafvorwürfe verdreht. Beim Vorwurf „Landfriedensbruch“ versucht sie mit Hilfe des sogenannten „Hooliganurteils 1 “ des BGH aus 2017, welches laut Urteil jedoch explizit nicht auf Demonstrationen
anwendbar ist, offenbar die Zeit auf vor 1970 zurückzudrehen – damals wurden die Voraussetzungen wann wer einen Landfriedensbruch begehen würde ungewöhnlicherweise entschärft, da sie mit dem Versammlungsrecht kollidierten. Damit dies möglich ist, versucht die Staatsanwaltschaft unliebsamen Demonstrationen das Politische abzusprechen.

Was die vermeintliche „Verabredung zu einem Verbrechen“ betrifft, so
wurde dieser Vorwurf bisher selten angewandt – wenn überhaupt, dann ging es jeweils um sehr konkrete, verabredete und juristisch
nachweisbare (Tötungs-)pläne.

Auch eine Demonstration, bei der ein paar gängige Feuerwerkskörper
fliegen, mal eben als „bewaffnete Gruppe“ zu bezeichnen, ist absurd.

Was all diese Angriffe der Staatsanwaltschaft eint, ist der Versuch,
Menschen mit politisch missliebiger Meinung endlich alleine für diese bestrafen zu können – bestenfalls mit Haft, eine Rechtsauffassung ohne Gesetzesgrundlage, die mit „Feindstrafrecht“ beschrieben wird. Danach verlieren diejenigen, die die staatliche Rechtsordnung bewusst ablehnen oder zerstören wollen, ihre Rechte als Bürger*innen und dürfen deshalb vom Staat mit allen Mitteln bekämpft werden. Das
„Feindstrafrecht“ kennt man in Deutschland bisher eigentlich nur im
Zusammenhang mit Terrorismusvorwürfen.

Es geht bei diesen „Versuchen“ also nicht „nur“ um die Begrenzung des
Versammlungsrechtsrechts über den strafrechtlichen Weg, vielmehr soll ein Bedrohungsszenario aufgebaut werden – das Gefühl „Wir können euch einfach so einsperren wenn wir wollen“ soll in die Köpfe.

Andere Stellen befeuern währenddessen das Bild einer linken Gefährlichkeit.

So sorgten in Hamburg der Staatsschutz und der Verfassungsschutz im Vorfeld der Rondenbarg Solidaritäts-Demonstration, zum Parkbank Prozess und bei anderen Gelegenheiten für die begleitende
Propaganda.

Und parallel zum Rondenbarg-Verfahren, kaum beachtet, schlug Herbert Reul, der Innenminister von NRW, bei der Innenministerkonferenz wie nebenbei eine Verschärfung des „Landfriedensbruch-Paragrafen“ ganz im Sinne der Anklagen vor. Als
Vorwand dienen ihm die „Querdenken“-Proteste, doch schon in der weiteren Erklärung nannte er den Hambacher Forst und fasste zusammen: Für die Polizei sei es zu kompliziert, die „guten“ von den
„bösen“ Demonstrant*innen zu trennen, darum müssten bei einem Regelbruch alle Anwesenden gleichermaßen verfolgt werden. Der
Wunsch der Hamburger Staatsanwaltschaft nach einer demonstrationsfeindlichen Verdrehung des Versammlungsrechts sollte hier ihren Paragraphen bekommen.

In all diesen Verfahren verschwimmen die Grenzen der Gewaltenteilung. Staatsschutz und Verfassungsschutz malen Gespenster an die Wand, die Politik fordert harte Strafen und die
Staatsanwaltschaft klagt entsprechend an.
Das höchste Hamburger Gericht, das Oberlandesgericht, lässt sich dabei keine Gelegenheit entgehen, politisch rechtslastige Beschlüsse festzuschreiben. An diesen Beschlüssen orientieren sich dann
„kleinere“ Gerichte.

Diese Angriffe sind umso bemerkenswerter, weil sie nicht als Reaktion
auf eine tatsächliche Stärke antiautoritärer, emanzipatorischer oder linksradikaler Politik erfolgen, sondern die parallel stattfindende gesellschaftliche Bewegung nach rechts aufgreifen und verstärken. Hier wird juristisch eine Verschiebung forciert, die wie das Echo rechtsradikaler oder verschwörungsideologischer Vorstellungen wirkt.

Dabei stehen Hamburg und die BRD mit dieser Entwicklung nicht allein. In vielen anderen Ländern beobachten wir Ähnliches.

Dem lauten Ruf nach einem autoritären Staat wird vielerorts mit
zunehmender Begeisterung gefolgt.

EA Hamburg, März 2021

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Rondenbarg-Pilotverfahren: Fünf Jugendliche ab Dezember vor Gericht https://unitedwestand.blackblogs.org/rondenbarg-pilotverfahren-fuenf-jugendliche-ab-dezember-vor-gericht/ Thu, 15 Oct 2020 14:56:53 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=3112 Continue reading ]]> Pressemitteilung des Bundesvorstands der Roten Hilfe e. V.:

Auch nach mehr als drei Jahren nach dem G20-Gipfel in Hamburg ist ein
Ende der staatlichen Repression nicht abzusehen. Im Dezember soll der
erste Prozess im sog. Rondenbarg-Komplex gegen fünf junge Angeklagte
starten. Sie sind die jüngsten der insgesamt über 80 Angeklagten, denen
im Rahmen eines Pilotverfahrens der Prozess gemacht werden soll. An
ihnen sollen exemplarisch die Beweisführung und Konstruktion der
Vorwürfe durchexerziert werden, die nach dem Willen der
Staatsanwaltschaft auch in möglichen späteren Verfahren gegen ihre
Genoss*innen angewandt werden sollen.

Die Angeklagten gehören zu den ca. 200 Demonstrant*innen, die am Morgen
des 7. Juli 2017 in der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld von
einer BFE-Einheit ohne Vorwarnung angegriffen wurden, als sie auf dem
Weg zu Blockadeaktionen waren. Bei diesem Angriff wurden zahlreiche
Aktivist*innen verletzt, elf von ihnen schwer.

Das staatsanwaltliche Konstrukt sieht nicht vor, individuelle strafbare
Handlungen nachzuweisen. Allein die Anwesenheit der Beschuldigten vor
Ort genüge, um ein gemeinsames Tathandeln zu unterstellen, was für eine
Verurteilung ausreiche. So werden auch den Beschuldigten keine konkreten
Straftaten zugeordnet. Falls sich diese Rechtsauffassung durchsetzen
sollte, wäre künftig jede Teilnahme an einer Demonstration mit enormen
Kriminalisierungsrisiken verbunden. Straftaten Einzelner könnten so
allen vor Ort befindlichen Personen zugeschrieben werden.

Weil das Landgericht Hamburg die jüngsten Beschuldigten ausgesucht hat,
kann die Öffentlichkeit von dem Verfahren ausgeschlossen und somit die
Begleitung durch solidarische Unterstützer*innen und kritische Presse im
Gerichtssaal unterbunden werden. Der anstehende Prozess bedeutet einen
massiven Eingriff in die Lebensgestaltung und Perspektiven der jungen
Aktivist*innen, der die ohnehin schon enorme Belastung durch die
eigentliche Repressionsmaßnahme verschärft. Einmal wöchentlich müssen
die Genoss*innen, die in verschiedenen Städten leben, ab Ende 2020 zu
dutzenden Verhandlungstagen nach Hamburg fahren. Damit wird es über
einen unabsehbar langen Zeitraum unmöglich, geregelte Ausbildungs- oder
Arbeitsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Als Prozessauftakt plant das
Gericht derzeit den 3. Dezember 2020.

„Von Anfang an war es skandalös, wie die Hamburger Polizei nach ihrem
blutigen Angriff gegen die Demonstration im Rondenbarg die Vorgänge
uminterpretiert hat“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der
Roten Hilfe e.V. „Die Aktivist*innen, von denen etliche nach dem
brutalen Einsatz im Krankenhaus behandelt werden mussten, sehen sich
seither massiver staatlicher Repression ausgesetzt. Dass nun den
Jüngsten die berufliche Perspektive zunichte gemacht werden soll, indem
sie ab Dezember aus dem gesamten Bundesgebiet regelmäßig zu den ohnehin
belastenden Prozessterminen nach Hamburg fahren müssen, obwohl ihnen
keinerlei konkrete Straftaten vorgeworfen werden, ist schlichtweg nicht
hinnehmbar. Die Rote Hilfe e.V. fordert die umgehende Einstellung dieser
offensichtlich politisch motivierten Verfahren und steht solidarisch an
der Seite der Betroffenen.“

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2. Prozesserklärung von Loïc | Elbchausseeprozess 9. Juli 2020 https://unitedwestand.blackblogs.org/2-prozesserklaerung-von-loic-elbchausseprozess-9-juli-2020/ Sat, 18 Jul 2020 18:39:56 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=3081 Continue reading ]]> »KEINE POLIZEI, KEINE PROBLEME«

So werde ich nun mit vier Jahren und neun Monaten Haft ohne Bewährung
bedroht – bei sofortigem erneuten Haftantritt. Drei Jahre dieser
Strafandrohung entsprechen nicht Taten, deren Autor ich gewesen sein
soll, aber zu deren Komplize ich gemacht werde.

Die meisten Leute sind keine Fans der G20. Es gab auch keine einzige
Demo für die G20 in Hamburg, außer vielleicht die der 30.000
PolizistInnen, die beschlossen hatten, jeglichen Verkehr zu verbieten,
außer für die Polizei und die Luxusfahrzeuge der GipfelteilnehmerInnen.

Als ich auf YouTube eine fünfzehnminütige Zusammenfassung der
Polizeigewalt des G20 von Hamburg veröffentlichte, sah ich bei meiner
Recherche, dass Olaf Scholz, ehemaliger Bürgermeister der Stadt, erklärt
hatte: »Diejenigen die Gewalt ausgeübt haben, sind weder die Polizisten
noch die OrganisatorInnen des Gipfels«. Doch wenn es ausreicht eine Lüge
zu bekräftigen, um sie wahrzumachen, dann sollten Sie wissen, dass ich
nie beim G20 Gipfel in Hamburg gewesen bin.

Ich denke dieses Verfahren würde viel schneller gehen, wenn die Anklage
sich auf die Taten beschränken würde, derer die Angeklagten persönlich
beschuldigt werden. Diese neuen Begrifflichkeiten der »Mit-Täterschaft«
und »Komplizenschaft«, die es ermöglichen Menschen für alles was auf
einer Versammlung passiert, verantwortlich zu machen, sind ein
Missbrauch juristischer Macht.

Eine der Forderungen der Revoltierenden von Hongkong ist die »Rücknahme
des Begriffs ›Aufständische‹ für die Bezeichnung von DemonstrantInnen,
da diese Bezeichnung eine viel größere Anzahl an Verhaftungen für
geringfügige Verstöße ermöglicht«. China war in Hamburg vertreten.
Dieser ewige Prozess fußt auf den gleichen Kriminalisierungen von
Versammlungen und der Verwendung von künstlicher Intelligenz. So kann
sich gefragt werden ob »Pekings Griff« nach Hongkong nicht auch ein paar
Finger in Richtung Hamburg gestreckt hat.

Während Versammlungen wurde nie ein Polizist für die Gewalt beschuldigt,
die ein anderer Polizist begangen hat. Im Übrigen wird ein Polizist an
sich fast nie angezeigt. Es gibt Reglementierungen zur Anwendung von
Gewalt, doch wenn sich die Polizei daran nicht hält – keine Verfahren.
Und hierbei lasse ich mich auf das Feld des reinen Legalismus herab.
Denn ob ich den Knüppel im Rahmen der Vorschriften auf den Schädel
bekomme oder ohne Einhaltung der Regeln – mein Gefühl der Revolte bleibt
dasselbe. Meine Empörung hört nicht bei der anatomischen Würdigung der
Gewalt auf.

Max Stirner schrieb:
»Des Staates Betragen ist Gewalttätigkeit, und seine Gewalt nennt er
›Recht‹, die des Einzelnen ›Verbrechen‹«. Ich denke, dass wenn
Gewaltanwendung ihren Ausdruck findet, diese in jeder Situation
hinterfragt gehört. Sie darf um keinen Preis zu einer Normalität
verkommen, zu einem unbeweglichen Recht.

*

War es in der Situation des G20 in Hamburg legitim den Gipfel mit Gewalt
zu verteidigen? Was wäre passiert, wenn es keinen einzigen Polizisten
zum Schutz des G20 Gipfels gegeben hätte?
Meine Sichtweise ist folgende.

Wäre der G20 Gipfel von Hamburg ohne Polizei abgehalten worden, hätten
sich die zum Gegenprotest angereisten Personen an den Ort des Treffens
begeben. Ohne anwesende Polizei hätte es keine Auseinandersetzungen
gegeben. Es hätte sich ein altes Demo-Sprichwort bestätigt: »Keine
Polizei, kein Problem. »Jede städtische Struktur, die den Kapitalismus
symbolisiert, wäre besetzt worden. Die Banken wären zu Orten des
Tausches und des Schenkens ohne Geld geworden. Die Entfernung von
Werbeschildern hätte freie Zeit für die Gehirne verschafft. Im Rahmen
dieses Gegengipfels hätte man sich in kleinere Versammlungen oder
Gruppen aufgeteilt. Da Menschen aus allen Kontinenten nach Hamburg
gekommen sind um zu protestieren, hätte es einen aus dem Austausch der
Meinungen und deren Diversität entspringenden überbordenden Reichtum
gegeben. Wir hätten uns gefragt, was mit den offiziellen Führungskräften
der G20 geschehen solle. Manche hätten sie ins Gefängnis werfen wollen,
doch eine Arbeitsgruppe mit dem Titel »Abschaffung aller Polizeien und
Gefängnis-Institutionen« hätte sich dem entgegengestellt. Eine Person
hätte diesen Utopisten, die eine Welt ohne Knäste und Polizei forderten,
vorgeworfen, das Chaos heraufzubeschwören. Ein Mensch hätte ihr
geantwortet: »Die meisten Menschen im Knast kommen aus den armen
Klassen, sehr wenige aus der Mittelschicht und noch weniger aus der
Klasse der Reichen. Dies zeigt auf, inwieweit das
Sich-im-Gefängnis-wiederfinden nichts mit der individuellen
Wahlfreiheit, sondern mit den materiellen Existenzbedingungen
zusammenhängt. Die Lösungen die sich vorgestellt und mit denen
experimentiert wird, sind unterschiedlich. Doch allen ist gemein, dass
sie die Idee verfolgen, die Gewalt und das Leid der Gesellschaft zu
lindern, ohne dafür auf die Intervention der Polizei angewiesen zu sein.
Diese Lösungen greifen die Ursachen an, indem sie gegen die Armut, die
Wohnungsnot, die soziale Exklusion und den Rassismus ankämpfen.«

Die erste kollektive Bewusstwerdung wäre dann gewesen, festzustellen,
dass alle zusammen gekommenen Personen aus den verschiedenen Nationen
keine Atomwaffen wollen. Und, dass aus den Herzen der verschiedenen
Völker ein gemeinsamer Wille nach Frieden herausragt.
Im Angesicht der zahlreichen Probleme, die die Zentralisierung der Macht
generieren, hätten wir mit der Notwendigkeit der Relokalisierung und
Selbstorganisation begonnen. Als dann Trump, nachdem er gewartet hätte
an der Reihe zu sein, das Wort ergriff, hätten wir gemerkt, dass wir
kaum auf die verschiedenen offiziellen Führungskräfte der G20 geachtet
haben.
Dann hätten wir auf die Schnelle einen Text mit dem Titel »Abolition
aller Führungskräfte und Tyrannen« verabschiedet. Dessen Idee wäre, dass
einE jedeR seinE eigeneR MeisterIn würde, ohne gehorchen zu müssen und
sich jeglicher Autorität zu unterwerfen. Der Text hätte mit diesem Zitat
von Anselme Bellegarrigue geschlossen: »Sie waren bis zum heutigen Tage
der Annahme das es Tyrannen gab? Tja! Sie haben sich getäuscht, es gibt
nur Sklaven: Da wo niemand gehorcht, befiehlt auch keiner.«

Und dann wäre etwas Unglaubliches passiert. Da wir ihnen keine besondere
Wichtigkeit mehr zugeschrieben hätten, hätten sich diese Staatschefs –
die niemand mehr als solche betrachtete – verwandelt. Die hätten die
Macht, die ihnen bis dahin zugeschrieben hatte, verloren.
Man hätte Trump nicht wiedererkannt. Die autoritären Züge seines
Gesichts hätten sich aufgelockert und er wäre ein Dichter geworden. An
der mexikanischen Grenze meditierend, könnte er die wenig glorreiche
Geschichte der Aneignung mexikanischen Landes durch die Vereinigten
Staaten vor sich sehen. Im eigens geschrieben Lied »Von den Mauern
meines Herzens zu den Mauern der Grenzen«, rief er zur Zerstörung der
Mauer und zur Rückgabe des Landes an Mexiko auf. Gleichermaßen hätte er
den indigenen Gemeinschaften in den USA große Gebiete rücküberlassen und
sich für die Pipeline-Projekte entschuldigt, die er selbst nach dem G20
verhindert hätte. Da er sein luxuriöses Flugzeug Musikgruppen zur
Verfügung gestellt hatte, damit sie darin Umsonstkonzerte organisieren
können, hätte er die Rückreise über den Atlantik auf einem großen
Segelschiff angetreten. Diese Reise würde durch das Gutdünken des Windes
bestimmt. Bis zu seiner Ankunft wäre seine Stimme sanft geworden.

Macron hätte seine Hütten in den Wäldern des Wendland gebaut, etwa
hundert Kilometer von Hamburg entfernt. Inspiriert von dieser Gegend,
die gegen ein Projekt der unterirdischen Atommülllagerung gekämpft hat,
hätte er entschieden, die AktivistInnen von Bure nicht länger als
Übeltäter zu sehen. Er war sein ganzes Leben inmitten der Geschäftswelt
umhergeirrt, den Lobbyvertretungen gefolgt. Von dieser Komödie ermüdet,
hätte dieser Gegengipfel der G20 ihn um die schwere Last der Macht
erleichtert. Als ehemaliger Präsident Frankreichs hätte er sich vom
Blick des Eichhorns definieren lassen. Die Räumung der ZAD von
Notre-Dame-des-Landes wäre nicht erfolgt. Die BesetzerInnen hatten,
durch ihren Kampf vor Ort, eine Feuchtzone vor der Versiegelung durch
einen Flughafen gerettet. Für Macron hätte der Begriff von Eigentum
keine Bedeutung mehr gehabt, als er erfuhr, dass der Vinci-Konzern,
welcher der Gesellschaft auf der Tasche liegt, den Preis des
nicht-gebauten Flughafens von ihm zurückforderte. Die Argumentation, die
er vorbereitet hatte, um die Räumung zu legitimieren, hätte in seinen
Augen keinen Sinn mehr gemacht. Klar, warum voranstellen, dass es sich
um Profiteure handelt, die keine Steuern zahlen? Er hätte ab sofort
begriffen, dass ein Reicher, der Steuern hinterzieht, ein tausendmal so
schlimmer Parasit ist, als diese paar hundert Menschen, die eine neue
Utopie aufbauen welche nach Selbstverwaltung strebt. Die sich
föderierenden Lebensräume der Gelbwesten hätten ihn ebenfalls tief
berührt. Kein einziger hätte seine Hände verloren. Keiner wäre
gestorben. Keiner wäre in den Knast gekommen.

Die Politik wäre nicht mehr in den Parlamenten verschlossen. Parlamente
wären im Übrigen Orte für Kunstvorführungen, von Konzerten und
Theaterstücken geworden. Wöchentlich würden dort Konferenzen mit den
Überlebenden anderer Kulturen stattfinden, die sich die unsere
auszurotten erlaubte, mit dem Vorwand den Fortschritt einzuführen. Es
gäbe dort auch Augenzeugenberichte zum nicht-zivilisatorischen Leben,
von Mikrogesellschaften die in der Lage waren wilde Wälder zu pflegen.
Es würde in der Folge beschlossen, die kapitalistische
Industriezivilisation zu verlassen, welche die Auslöschung aller
Spezies, auch der unseren, vorantrieb.
Es wäre für alle einleuchtend geworden, dass die Ausbeutung und
Beherrschung des gesamten Planeten zum Zweck der Durchsetzung unserer
zerstörerischen Wirtschaftsweise uncool war. Wir hätten festgestellt,
dass die Freiheit des Individuums von der Freiheit der anderen
Individuen abhängt. Dass eine tugendhafte Gesellschaft diejenige ist,
die auch für Millionen andere, die Möglichkeit zu existieren, lässt.
Ohne Dominanz, ohne den ganzen Raum einzunehmen, alles zu kontrollieren,
alles auszulöschen. Die Menschen hätten die Macht über ihr Leben
zurückgewonnen und begonnen vor Ort zu wirken. Macron hätte aufgehört zu
sprechen. Er würde sich verkleiden, um nicht wiedererkannt zu werden und
würde zuhören. Von einem Massenmanipulateur wäre er zu einem Betrachter
des Individuums geworden.

Präsident Xi Jinping hätte Elisée Reclus studiert: Die Entwicklung, die
Revolution und das anarchistische Ideal. Dann hätte er die riesigen
Knäste geöffnet und die Uiguren und alle zuvor unterdrückten
Minderheiten befreit. Er hätte die Gesichtserkennung aufgegeben. Es
hätte keine Repression gegen die Demonstrierenden von Hongkong gegeben.
Diese und alle anderen Städte Chinas und der Welt wären autonom und
selbstverwaltet geworden und hätten sich zu Kiezen – mit oder ohne
Werbung – in freien Vereinbarungen geformt.

Erdogan hätte wie alle anderen Staatschefs seine Macht verloren und
dabei der kurdischen Community ihre Selbstbestimmung überlassen. Es
hätte keinen Angriff auf Rojava gegeben. Und das Ideal des libertären
Kommunalismus des Schriftstellers Murray Bookchin würde weiterhin den
Geist der Region und darüber hinaus erglühen lassen.

Russland hätte keine AnarchistInnnen gefoltert.
Deutschland hätte aufgehört Waffen zu verkaufen.
Saudi-Arabien hätte aufgehört Jemen zu bombardieren.
England, die USA, Russland, China und Frankreich, welche die fünf
größten Waffenhändler sind, hätten aufgehört diese zu produzieren und zu
verkaufen.

Und so viele andere wundervolle Dinge, die ich vergesse oder die nicht
vorstellbar sind, denn es muss den revolutionären Situationen den Platz
lassen Utopien zu gebären. Anerkennen, dass die Person die man Heute
ist, weniger gut ist, als diejenige die Morgen aufsteht. Und somit, den
konservativen Hochmut hinter sich lassend, Schritt für Schritt den Pfad
der Perfektion beschreiten, ohne jemals anzuhalten.

*

Die überwiegende Mehrheit der MitbürgerInnen beteiligt sich durch
Steuerzahlungen an der Entwicklung von Rüstungsfirmen, der Existenz der
Polizei und der Armee.
Kriegswaffen, Polizisten die verstümmeln, Soldaten die morden. Warum
Waffen bauen, warum welche verkaufen, für wen? Frankreich verkauft
Waffen an Saudi-Arabien und an die Emirate – Länder die sich in Jemen an
Kampfhandlungen beteiligen. Mit über 230.000 Toten wird der Konflikt
durch die UNO als die »schlimmste humanitäre Katastrophe auf der Welt
bezeichnet«. Ohne Qualen hierarchisieren zu wollen, glaube ich, dass die
Vereinten Nationen falsch liegen. Seit Jahrzehnten findet infolge von
Waffenhandel und Minenausbeutung eine schlimmere humanitäre Katastrophe
in der Demokratischen Republik Kongo statt. In den 20 vergangenen Jahren
wird der dortige Genozid auf 6 bis 10 Millionen Tote geschätzt. Laut
Amnesty International arbeiten 40.000 Kinder über 10 Stunden am Tag, um
das Mineral Kobalt abzubauen, welches von Firmen wie Microsoft, Apple
oder Samsung verbaut wird. Diese Multinationalen müssten wegen
Komplizenschaft am Genozid angeklagt werden. Es gibt weitaus mehr
Beweise als in diesem Verfahren.

Noch ein Zitat aus dem Buch Erziehung und Revolution von George Chambat:

»Das Ziel des ›Museums der Arbeit‹ ist es, allen einen Zugang zur
Geschichte und Organisierung der Arbeit zu ermöglichen, von der
Extraktion der Materialien bis zum Verkauf der fertigen Produkte,
inklusive der Produktionskosten, dem Gewinn und dem Mehrwert der aus der
Arbeitsausbeutung resultiert. Das ließe keine Zweifel zu: »diese stummen
Lektionen, wären sie nicht eloquenter als das vergebliche revolutionäre
Geschrei mit dem sich die Redner der Taverne aufreiben? (…) Wenn man
sich den Einfluss einer solch ähnlichen Lektion der Dinge verdeutlicht,
die Intensität der Unruhen, die außerordentliche Krise, die in allen
Arbeitern gleichzeitig die Überzeugung heranwachsen lassen würde, dass
das gesellschaftliche Übel überall gleich ist«.

Das Problem der großen politischen Bewegungen ist, dass es immer die
Überlegung gibt, wie denn viele Menschen zu erreichen seien, wie eine
Massenbewegung entstehen könne.
Bevor sie auf ihr Herz hören, beginnen die Personen damit, auf einem
strategischen Niveau nachzudenken. Ihr Parolen sind leer und rütteln
niemand auf. Es muss mit den Individuen geredet werden, nicht mit den
Massen. Die Masse existiert nicht, sie darf nicht existieren. Mich sorgt
es, institutionelle Umweltpolitik mit immer neuen Kompromissen
voranschreiten zu sehen. Sie schlägt Energiewenden vor, die nichts
anderes sind als grüner Kapitalismus. Interessieren wir uns für jedes
Objekt, seinen Bau und seinen Bedingungen.
Solarpanele werden durch die Ressourcen- und Human-Ausbeutung in Afrika
gewonnen. Die Zusammensetzung erfolgt unter unwürdigen Bedingungen in
China und anderen asiatischen Ländern. Zudem werden verschmutzende
Materialien verwendet und der Bau – da dies ein Geschäftsmodell ist –
ist ein Opfer überflüssiger Programme, die von unserem Wirtschaftssystem
aufgezwungen werden. Die gleiche Problematik betrifft elektrische
Batterien und industrielle Windkraftanlagen. Der Dokumentarfilm »Planet
of the humans«, auch wenn an ihm einiges zu kritisieren wäre, hilft,
dieses oft unterbelichtete Thema zu vertiefen.

Es kann keine Ökologie im Kapitalismus geben.
Der Kapitalismus ist nicht reformierbar.

Wir können jetzt entscheiden, eine Vielzahl an Utopien auf den Ruinen
eines dahinsiechenden Wirtschaftssystems aufzubauen. Wir müssen effektiv
sein und diesen wahnsinnigen Lauf mit unseren Körpern und unseren
Handlungen vereiteln.

Lasst uns einen Impact haben, da, wo die zerstörerischen Projekte sich
etablieren.
Da. wo die Konzerne die Wälder zerstören.
Da, wo Atomprojekte die kommenden Generationen für Jahrtausende in Gefahr
bringen.
Da, wo die Mächtigen dieser Welt sich treffen.
Die Radikalität unserer Aktionen muss auf Augenhöhe des Desasters sein.

Zum Schluss: Jede Person, die sich in einem geistigen Universum
zurückzieht, um sich zu trösten, sich zu vergewissern, beteiligt sich an
der Zerstörung der »Schöpfung«.
Eine Zerstörung, die von unserer industriellen kapitalistischen
Zivilisation orchestriert wird. Eine Zivilisation, wie es sie
millionenfach gab und geben kann (wie auch weitere Formen von
nicht-zivilisatorischen Gesellschaften). Wir befinden uns derzeit in der
schlimmsten von allen, da sie die Möglichkeit aller weiteren Formen
existenziell aufs Spiel setzt. Stellen wir uns für einen kurzen
Augenblick vor, es gäbe einen »Gott«, und dass dieser uns auf Erden
ausgesetzt hätte und nicht direkt ins Paradies, damit wir die Wahl
hätten, ihm zu folgen oder es nicht zu tun. Die erste aller Missionen –
egal welcher eurer Glaube sei – wäre es zu kämpfen, damit diese
Freiheit, nämlich die Schöpfung, überdauern kann.

Ich bin glücklich, denn ich konnte ausdrücken, was mir auf dem Herzen
lag, ohne mich aufgrund der Angst vor dem Urteil oder den strategischen
Ratschlägen meiner AnwältInnen einzuschränken. Ich bin stolz darauf, an
den Demonstrationen gegen die G20 teilgenommen zu haben, dem Gipfel an
dem sich die größten Waffenhändler der Welt versammelten. Noch ist
nichts verloren, jeder Moment ist zu bewahren.

Zwei Zitate um zu schließen. Eins von Henri David Thoreau:
»Insofern ist jedes Unglück ein Sprungbrett ins Glück.«

Und ein weiteres von Nelson Mandela zum Gefängnis:
»Ein Mensch, der einen anderen seiner Freiheit beraubt, ist Gefangener
des Hasses, der Vorurteile und der Beschränkung des Geistes.«

Dankeschön.

Loïc, Hamburg, 9. Juli 2020.

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Prozesserklärung von Loic https://unitedwestand.blackblogs.org/prozesserklaerung-von-loic/ Fri, 26 Jun 2020 08:42:04 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=3037 Continue reading ]]>

Sehr geehrtes Gericht,

Endlich nähern wir uns dem Ende dieses Verfahrens, das im Dezember 2018 begonnen hat. Ich habe nicht gewusst, dass ein Prozess so lange dauern kann.

Ich wurde einige Tage nach meinen 23. Geburtstag im August 2018 verhaftet, die Polizeibeamten schlugen mit Geschrei die Tür des Hauses meiner Eltern ein, meine kleine Schwester musste sich mit den Händen über dem Kopf hinknien. Während ich das Zerbersten der Tür hörte, hatte ich die Bilder polizeilicher Gewalt bei Festnahmen durch die Polizei im Kopf, wie die Polizeibeamten loslegen und Personen schlagen. Ich bekam Angst und bin dann über das Dach in den Garten der Nachbarn gelangt und dann auf die andere Seite der Siedlung. Aber die Polizei hatte das ganze Viertel abgesperrt und eine Person, die in Socken auf der Straße unterwegs ist, macht sich sehr schnell verdächtig. Ein Polizeibeamter in Zivil begann hinter mir herzurennen und rief mir zu: „komm her, du kleiner Scheißkerl“. In seiner Stimme eine gewisse Feindseligkeit spürend, zog ich es vor, seiner Einladung nicht zu folgen, die, wenn ich „Scheißkerl“ zu ihm gesagt hätte, für Empörung gesorgt hätte.

Ich finde mich also im Garten und dann in der Garage eines Nachbarn wieder, in der Falle. Mit dem Rücken zur Wand, gezwungen auf die Ankunft des Polizeibeamten zu warten, springt dieser auf mich und verdreht mir das rechte Handgelenk, wobei ich ihn das tun lasse. Ich mache ihn auf seine unnütze Gewalt aufmerksam und er antwortet mir: „Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich nicht auf dich geschossen habe“. Von diesem Standpunkt aus schätze ich mich allerdings in der Tat glücklich, noch am Leben zu sein. Es stimmt, dass zahlreiche Festnahmen durch die Polizei die unerfreuliche Tendenz haben, sich in eine Todesstrafe zu verwandeln. Aber dieser traurige Ausgang ist eher für diejenigen vorgesehen, die rassistischen Zuschreibungen ausgesetzten Einwohner der Arbeiterviertel sind. In Frankreich vergeht nicht ein Monat ohne Todesfälle bei Festnahmen. Die Tür zur Garage geht letztendlich auf, Polizeibeamten, Gendarmen, die Beamten der BAC & vermummte Zivilbeamte tauchen auf, mit Automatikwaffen in der Hand. Vielleicht 30 Mitglieder der « Ordnungskräfte ».

Der Nachbar, dem die Garage gehört, kommt aus seinem Haus und sagt mir spontan bei Erfassen der Situation: «  Geht es Loïc ? Möchtest du ein Glas Wasser ? ». Diese Bemerkung war ein Lichtblick in der Ernsthaftigkeit und der Schwere der Festnahme, ich tat mein Bestes, um ein Lachen zu unterdrücken und lehnte das Glas Wasser ab, da meine Hände zusammengebunden waren. Zurück im Haus meiner Eltern, um meine Schuhe anzuziehen, kann ich meine Schnürsenkel nicht zubinden und bitte die Gendarmen, meine Fesseln abzunehmen:“ Nein, das kann man auch so hinkriegen“ antwortet einer. Ich habe Herausforderungen immer gemocht und versuche es also, aber angesichts der hinter meinem Rücken gefesselten Hände und sogar mit sehr viel gutem Willen ist es einfach nicht machbar. Die Gendarmen lachen und machen sich über mich lustig. Meine kleine Schwester hält sich direkt daneben auf mit der Ernsthaftigkeit gemischter Gefühle, wie ich sie noch nie auf ihrem Gesicht gesehen habe, ihr Blick ist kraftvoll. Sie wirft den Gendarmen spontan ein kräftiges: „nehmen Sie ihm doch die Fesseln ab, damit er sich seine Schuhe anziehen kann“ entgegen. Ihre Stimme enthält eine göttliche Kraft, der Spott verwandelt sich in Verlegenheit. Ich habe die Blicke der Gendarmen sich auf dem Boden verlieren sehen und einer war bereit, mir die Fesseln abzunehmen. Hätte meine kleine Schwester gesagt » aber nehmen Sie ihm die Fesseln ab und lassen Sie ihn frei!“, dann wären die Gendarmen vielleicht gegangen und ich hätte meine kleine Schwester kurz umarmen können. Denn danach kamen 1 Jahr und 4 Monate Haft, 1 Jahr und 4 Monate, wo die Wärter selbst im Besucherraum Umarmungen verhindern.

Als ich im Gefängnis in Frankreich ankam, sagte mir ein 2 Meter großer Wärter: « Wenn du mein Auto abfackelst, schneide ich dich in zwei Teile.». Zwischen dem Polizeibeamten, der bereit ist, auf mich zu schießen und dem Wärter, der mich entzweischneiden will, ziehe es glaube ich vor, dass man auf mich schießt als in zwei Stücken zu enden. Aber was neben der Bedrohung mit dem Tod beunruhigend ist, ist dass dieser Wärter denkt, ich hätte ein Auto abgefackelt; in diesem Moment wird mir klar, dass der kommende Prozess eine gewaltige Täuschung ist. Indem man jemanden für die ganze Gewalt, die sich bei einer Demonstration ereignen kann, verantwortlich macht, schafft Ihr Unklarheiten in den einfachen Gedankengängen der Wärter und Polizeibeamten. Durch eine unverhältnismäßige Anklage ruft Ihr eine unverhältnismäßige Behandlung hervor.

Dieser Wärter bellt mit zweifelhafter Geschwindigkeit los: « Das nützt gar nichts, was du gemacht hast, sieh jetzt doch wo du dich befindest, wo sind sie, deine Freunde? Du bist jetzt hier… » Ich mache ihm deutlich, dass auch er hier ist, aber er lässt folgendes los: «… du bist allein, du bist in deinem Leben gescheitert. Du hast nichts verändert und du bist zu nichts nütze. Etc. » Ich habe nicht einmal die Gelegenheit, etwas zu sagen, oder Worte auszutauschen, er schneidet mir das Wort ab. Er fühlt allerdings nicht wirklich, was er sagt, ich habe das Gefühl, dass er den Auftrag hat, mich zu demoralisieren. Ich werde anschließend bei Ankunft im Gefängnis nackt durchsucht, und das noch einmal bei Verlassen des Gefängnisses zum Gericht, damit dort über die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls entschieden wird. Ich werde von der ERIS verlegt. Die ERIS sind Monstren, vermummt und mit Maschinengewehren ausgestattet, sie sind zu 8 in 2 Geländewagen, abgeschirmt durch abgedunkelte Fenster. Beim Appellationsgericht von Nancy angekommen, versucht sich ein Mitglied der ERIS – nachdem er mich an Händen und Füßen gefesselt hat – im Wartesaal vor der Anhörung auf dem weiten Feld der Ideen einen Sieg einzufahren: „Weißt du, dass du viel Geld kostest?“ sagt er. Ich antworte ihm: „Wissen Sie, dass jedes Jahr 40 Millionen Euro nach Meuse gepumpt werden, um die Zustimmung für das Projekt einer Nuklearabfalldeponie in Bure durchzusetzen? Er: «Was willst du, dass ich dagegen tue? ». Ich: « Oh nichts, ich wollte nur klarstellen, was viel Geld kostet »
Ende des Dialogs.

Während der Anhörung nähere ich mich der Richterin mit zwei vermummten ERIS – Beamten, einen zu meiner Rechten, einen zu meiner Linken. Die Situation ist völlig surreal, ich bin gefesselt. Meine Familie und Freunde sind da, um mich zu unterstützen. Mein großer Bruder, der Pfarrer, wirft mir ein kleines Stück Papier mit einigen ermutigenden Worten zu, ich fange es trotz der Fesseln auf, werde aber von einem ERIS-Beamten zu Boden gebracht. Die Richter ziehen sich sofort zurück und mein Bruder wird des Saales verwiesen. Obwohl ich noch immer am Boden bin, versuche ich das Papier mit aller Kraft in der hohlen Hand festzuhalten. Der Beamte übt dann Druck auf meinen Hals aus und ich heule vor Schmerzen auf und lasse los. Die Anhörung geht weiter. Die Anklageschrift wird auf eine Art und Weise übersetzt, aus der man heraushören kann, dass ich persönlich 19 Autos abgefackelt und eine Person in einem Gebäude verletzt habe.

In diesem französischen Gefängnis habe ich mich 1 Monat lang im Ankunftstrakt blockiert gefunden, während ich auf den Transfer nach Deutschland wartete. Traumatisiert hat mich die Tatsache, dass alle zwei Stunden, sogar mitten in der Nacht, ein Wärter vorbeikommt, der sicherstellt, dass ich noch am Leben bin, indem er mit ganz viel Lärm den Riegel der Tür zur Seite schiebt, bevor er das Licht anmacht. Ich habe nie mehr als zwei Stunden am Stück schlafen können. Ich hatte die Gelegenheit, einen Schrottsammler mit rumänischen Wurzeln zu treffen. Sein Verbrechen war, nicht angegeben zu haben, wieviel Geld er mit dem Aufsammeln von auf dem Bürgersteig gefundenen Gegenständen verdient hatte. Er hatte 4 Monate Haft für 400 € Steuerausfall des Staates bekommen. Es gibt Steuerhinterziehungen, Steuerparadiese, Geldwäsche, die « Panama-Papiere », die Luxleaks, Milliarden und Milliarden Euro, die zwischen den Händen der Reichen verschwinden. Aber ich habe keine Reichen oder Bankiers im Gefängnis gesehen, es hat nicht jeder die Mittel, um in einem Kontrabass-Koffer zu flüchten. Die 500 reichsten Personen Frankreichs haben ihren Reichtum seit der Finanzkrise von 2008 verdreifacht, und somit 650 Milliarden Euro erlangt.

Gleichheit bedeutet die Möglichkeit, dieselben materiellen Kapazitäten ausschöpfen zu können oder, eine Putzfrau kann nicht in einer Elbchaussee-Villa wohnen. Und die derzeitige fortschreitende Gentrifizierung in Hamburg dürfte die Dinge nicht in die Reihe bringen. Ungleichheiten tun sich auf. Der junge Italiener Fabio, ein vormaliger Gefangener des G20 in Hamburg, hatte vor Gericht erklärt (im Jahr 2017), dass die 85 reichsten Personen der Welt den gleichen Reichtum wie 50 % der ärmsten Bevölkerung besitzen. Die Situation hat sich seitdem verschlimmert. Ein Aufruf der Gelbwesten im Januar 2019 präzisierte, dass es sich künftig um 26 Milliardäre handelte, die so viel wie die Hälfte der Menschheit besitzen. Was man dahingehend von der Gerichtsinstitution lernen kann, ist, dass es unmoralisch ist, seine Steuern nicht zu zahlen, wenn man arm ist, jedoch akzeptabel, wenn die gut situierte Klasse sich das leistet. Das nennt man Klassenjustiz. Und ich habe in Ihren Institutionen nichts erfahren, was die menschliche Seele verschönern könnte, alles verdirbt sie.

Hier ein Zitat von Foucault :

“ Illegalismus von Gütern ist von dem der Rechte getrennt. Eine Teilung, die eine Gegenüberstellung der Klassen wiederherstellt, denn einerseits ist der Illegalismus, der den Arbeiterklassen am zugänglichsten ist, derjenige der Güter – gewaltsamer Transfer von Eigentum; und auf der anderen Seite beansprucht der gehobene Mittelstand, er, für sich, den Illegalismus der Rechte: die Möglichkeit, seine eigenen Regelungen und eigene Gesetze zurechtzudrehen; sich einen enormen Sektor der wirtschaftlichen Kreislaufs durch ein Spiel zu sichern, das sich im Rahmen der  Gesetzgebung bewegt – durch Stillhalten bei vorgesehenem Rahmen, oder durch das Tolerieren von Tatsachen. Und diese große Umverteilung des Illegalismus zeigt sich sogar in einem Spezialgebiet der Justizkreislaufs: für den Illegalismus der Güter – für Diebstahl – die gewöhnlichen Gerichte und Strafe; für den Illegalismus der Rechte – Betrug, Steuerhinterziehung, unregelmäßigen kommerziellen Betrieb – die Sondergerichtsbarkeit mit Transaktionen, gütlicher Einigung, Verminderung der Geldstrafen, etc. Der gehobene Mittelstand beansprucht die kreative Domäne des Illegalismus der Rechte für sich.“

Michel Foucault – Überwachen und Strafen, S. 172, französische Ausgabe

Als ich in einem Auto der deutschen Polizei nach Hamburg überstellt wurde, machte der Fahrer die Musik an und stellte den Ton lauter, als es « die Internationale » gab, die Beamten der « Soko SchwarzBlock » wollten sicherlich meine Reaktion sehen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihnen zu sagen, dass ich „die Maknovtchina“ bevorzugt hatte. Ich fand es interessant, mit einer Polizeibeamtin über Permakultur zu sprechen, obwohl sie mir zwischen zwei Gemüsesorten Fragen zu stellen versuchte, ob ich zum G20 gegangen wäre und was ich dort hätte machen können. Ich glaube, ich schaffte es letztendlich, ein größeres Interesse für Gemüse bei ihr zu wecken. In Hamburg angekommen, wurde ich mit einem anderen Lastwagen und weiteren Polizeibeamten in die Haftanstalt UHA verbracht. Wir haben an dem Abend mehrmals Station gemacht, an denen mehrere andere aus unterschiedlichen Gründen verhaftetetePersonen in meine kleine Zelle hinzukamen. Es gibt keine Sicherheitsgurte, deshalb stößt man sich von Zeit zu Zeit an der Wand. Wir waren zu viert ein wenig zusammengepfercht, und zwei Männer waren komplett betrunken. Einer von ihnen klopfte mehrfach gegen die Wand, um zu fragen, ob er auf die Toilette dürfe, sogar als es einen Stopp gab, um noch einen Verhafteten in die zweite Zelle zu bringen, jedoch vergeblich. Er konnte sich schließlich nicht mehr zurückhalten und pinkelte auf den Boden. Ich blieb also in der Balance auf der Bank mit meinen beiden Füßen nach oben, ein anderer versuchte die gleiche Taktik. Derjenige, der gepinkelt hatte und der letzte, der auch voll war, schienen sich der Situation nicht bewusst zu sein und ließen ihre Schuhe auf dem Boden. Die Pipi-Lache folgte den Bewegungen des Lastwagens und erstreckte sich schließlich über die gesamte Fläche und entfloh einige Male unter genau die Tür, hinter der sich meine Sachen aus dem Gefängnis in Frankreich befanden. Ein Teil eines Kartons absorbierte ein wenig Urin, aber es war dann ein Wärter, der ihn ohne dies zu bemerken transportierte. Auf gewisse Weise kann man sagen, dass hier Gerechtigkeit waltete. Weil es nicht gut ist, jemanden daran zu hindern, Pipi zu machen.  

Nach einigen Tagen unter Beobachtung in einer Zelle, in der das Licht ständig angeschaltet blieb, wurde ich mir über das Ritual des Wärters bewusst, der alle zwei Stunden ins Innere blickte. Der Vorteil ist, dass es hier keinen Riegel zum Verschieben gab, da die Tür ein kleines Sichtfenster hatte. In einer kleinen Zelle, in der sich nichts ereignete, sah ich alle 2 Stunden für einige Sekunden das Gesicht eines Wärters. Wenn ich mich für einen Moment in den Wärter hineinversetzte, der jeden Gefangenen ansehen muss, denke ich, dass ich angesichts so viel Elends in Tränen zerfließen würde. Ich glaube, die meisten Wärter lernen, keine Emotionen mehr zu haben. Sie sind fast wie Automaten oder Roboter. Und ich denke auch, dass die Mehrheit nicht von der Ausübung dieses Berufs träumt, aber dass die Wahl zum Beruf des Wärters häufig auf einem Mangel anderer offensichtlicher Alternativen beruht. Ich sage offensichtliche Alternative, da es viele Berufsaussichten im Kollektiv der Bauern oder Gemüseanbauer gibt. Saatgut zu säen, oder Verzweiflung in den Herzen derer, die man einsperrt, zu säen. Solange dieser Planet nicht komplett vor die Hunde gegangen ist haben wir meiner Meinung nach die Wahl. Ich blieb in den ersten vier Monaten in dem kleinen Gebäude A, das sich parallel zum Justizgebäude befindet, in dem wir uns gegenwärtig befinden. Ich spreche in meinem Zeugnis über das Verlassen des Gefängnisses auch über dieses Gebäude in dem Text: « die Mauern des Gefängnisses einreißen, die den Bereich von draußen trennt, und werde einige Passagen aufnehmen:

Dieses Gebäude ist für die Ankömmlinge bestimmt. Dort muss man 23Std./24 in der Zelle bleiben, 7 Tage von 7. Es ist eine düstere Umgebung, in der die Gefangenen zusammenbrechen, schreien oder gegen die Wände schlagen. Ich blieb dort 4 Monate. Im ersten Monat hatte ich nur die Bekleidung, die ich bei meiner Ankunft getragen hatte. Unmöglich meine Sachen, die ja gleichzeitig mit mir angekommen waren, zurückzubekommen.
In diesem Gebäude kann man zwei Mal die Woche um 6.45 Uhr morgens gemeinschaftlich duschen. Ich wusch also meine Unterhose, dann zog ich mich ohne diese wieder an, da man sie zuerst unter dem Ventilator meiner Zelle trocknen musste. In diesem Gebäude schreien die Wärter einen an und schubsen einen, wenn man die unsichtbare Linie zwischen seiner Zelle und dem Flur, auf dem das Essen ausgegeben wird, überschreitet. Der einzige Moment des Aufatmens in einer Zelle von weniger als zwei Metern Breite und 4 Metern Länge: das ist eine Stunde Ausgang pro Tag. 
In diesem Gebäude sind hauptsächlich Ausländer, deren Verbrechen es ist, bei einer Kontrolle keine Papiere zu haben, Kleindealer oder des Diebstahls Angeklagte. Ich habe die hasserfüllten Blicke der Wärter gesehen, die lange auf den von Rassismus betroffenen Gefangenen lasteten. Die Mehrheit der Ausländer, die ich beim Ausgang in diesem Gebäude getroffen habe, definieren die Wärter als Nazis. Es kommt mir komisch vor, dies heutzutage in dem Bewusstsein zu hören, dass in genau diesem Gefängnis die Nazis vor weniger als einem Jahrhundert mehrere Hundert Personen getötet hatten. Nach einem Monat Wartezeit konnte ich endlich meine Ersatzkleidung bekommen. Mit mehr als einem guten Dutzend Unterhosen und in dem Bewusstsein, dass die anderen Gefangenen nur eine einzige hatten, begann ich mit der Verteilung während der Stunde Ausgang. Meine Familie schickte mir ungefähr 50 Unterhosen. Es gab mir viel Kraft, den anderen Personen im Gefängnis mit dieser Verteilung helfen zu können, es stand dieser Satz mit einem Stift auf der Wand einer Zelle geschrieben „Wenn du anderen hilfst, hilfst du dir selbst.“ Es war in diesem Gebäude A, dass ich das erste Mal in Isolationshaft gesteckt wurde, da ein Wärter mich dabei überrascht hatte, wie ich den Tauben auf meinem Fenstersims Brot gab. Ich verstand gar nichts davon, was er mir bei Eintreten in meine Zelle sagte, und erst bei Verlassen der Isolationszelle nach 1 Stunde, erhielt ich ein kleines Stück Papier als Erklärung verkleidet, auf dem er in Französisch geschrieben hatte:           « Keine Vögel füttern.»

Nach 4 Monaten in diesem Gebäude A, konnte ich in ein anderes Gebäude gehen, in dem es mehr Stunden am Tag mit offener Zelle gab. Ein Gefangener hatte das Gesellschaftsspiel Risiko gekauft, aber da man dieses Spiel nicht mit mehr als maximal 6 Spielern spielen konnte und wir 12 auf der Etage waren, begann ich, aus den Kellogs-Schachteln, die die anderen Gefangenen beim Händler kaufen konnten, Erweiterungskarten zu basteln, und aus Mehl, Salz und Wasser Figuren herzustellen. Um sie farbig anmalen zu können, hatte ich eine Schachtel mit Buntstiften gekauft, die ich pulverisierte und dabei vor dem Hinzufügen von Wasser auf die Entfernung von Holzstücken achtete, um eine flüssige Farbe zu erhalten. Man kann sich viele Gesellschaftsspiele mit Mehl, Wasser und ein wenig Salz vorstellen. Ein anderer Gefangener hatte sogar mit der Ausgestaltung der Flächen von Gebieten begonnen, die ich mir für die Herstellung des Spielbodens in 3 D vorgestellt hatte. Ich denke, ich habe im Gefängnis mindestens 50 Partien Risiko gespielt. Eine Partie konnte sich über mehrere Wochen hinziehen, da wir bis zu zehn Spieler waren. Um Ihnen eine Idee zu vermitteln, es gibt 42 Gebiete auf dem Basisspiel, die größten von mir hergestellten Spielböden, umfassten 189 Gebiete. Ich war oft der erste, der sich aus der Partie eliminieren ließ, da ich immer versuchte, die stärksten zu bekämpfen und die anderen zum Ausgleich zu motivieren, indem sie angriffen. Ich bemerkte, dass sich im Gefängnis oft jemand für den Chef hält und jeder ihn fürchtet und sich keiner traut, ihn in dem Spiel zu bekämpfen, um keine Spannungen zu erzeugen; das ist also immer derjenige, der gewinnt. Ich habe auch ungefähr 50 Alternativregeln für das Risiko-Spiel geschrieben, um es mehr in Richtung Zusammenarbeit als in Richtung Wettbewerb zu lenken. Unglücklicherweise konnte ich bei Verlassen des Gefängnisses lediglich die Spielböden wiedererlangen, die Karten und Figuren sind in meiner Zelle verblieben und wurden nicht zu meinen Sachen getan.

Was ich nie vergessen werden ist das Öffnen der Tür jeden Morgen um 6.45 Uhr durch den Wärter, der zu mir: „Morgen“ sagte. Anfangs antwortete ich und fand es interessant, dass man sich die Mühe machte, mir jeden Morgen Guten Tag zu sagen, das verleiht einem ein wenig Rücksichtnahme, Menschlichkeit. Aber siehe da, eines Morgens hatte ich schlechte Laune und keine Lust, zu antworten und der Wärter begann, zu insistieren „MORGEN! MORGEN ! ». Ich legte meinen Kopf auf mein Ohr und er ging. Ich hatte jedoch nichts gesagt, ich hatte seinen Gruß nicht erwidert. Am nächsten Morgen, als ein anderer Wärter zu mir « Morgen » sagte, machte ich einen Test und hob einfach meinen Fuß, er ging dann auch. Ich begriff also mit Schrecken, dass « Morgen » an jedem Morgen keinen morgendlichen Gruß bedeutete, sondern eine Frage: „Sind Sie noch am Leben?“ Und dass egal welche Geste oder Antwort dem Wärter bedeutete » Alles ist gut, ich habe mich noch nicht umgebracht“. Dieses Wort lässt mir heute noch das Blut in den Adern gefrieren.

Es gibt andere von mir geschriebene Texte, in denen ich meine Höhepunkte im Gefängnis detaillierter beschreibe. Zum Beispiel, wie ich mich zweimal in Isolationshaft wiederfand, aufgrund von erlogenen Anschuldigungen, dass ich bei zwei Demonstrationen von Unterstützern aus meinem Fenster gerufen hätte. Als dies das zweite Mal passierte, unterzeichneten die anderen Gefangenen eine handschriftliche Petition und bestätigten, dass ich nicht aus meinem Fenster gerufen hätte. Als ich davon hörte, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Ich habe sehr starke Momente im Gefängnis erfahren. Oft geben wir uns der Ironie unserer Existenz und unserem Austausch mit anderen hin. Im Gefängnis gab es einen Austausch & Personen, die ich mit einer Intensität treffen durfte, die ich nie vergessen werde. Ein weiterer Text « Eskalation der Willkür, Disziplinarverfahren und Befreiung eines Vogels » erklärt auch, wie ich ein totes Vogelbaby in einer Wartezelle während des Verfahrens entdeckte. Ich brachte es mit in das Gericht, da mir keiner glauben würde, wenn ich es ohne Beweis erzählen würde. Es ist einer dieser kleinen Kerker, die sich neben jedem Anhörungssaal befinden. In diesem herrschte ein Geruch sich zersetzenden Kadavers. Ich erzählte auch, wie mich eine Wärterin eine ganz magere Taube auf dem für die Gefangenen reservierten Flur zum Gericht einfangen ließ. Ich konnte sie aus dem Fenster des Anhörungssaals fliegen lassen.

Ich träume auch weiterhin heute noch zwei oder drei Mal die Woche, dass ich in verschiedenen Situationen oder an verschiedenen Orten von der Polizei verhaftet werde. Einmal pro Monat träume ich, dass ein Polizeibeamter während der Verhaftung auf mich schießt. Es fällt mir schwer, Initiativen zu ergreifen, da man Sie im Gefängnis nichts aus eigenem Willen machen lässt, Sie müssen sich stets dem Willen von außen unterwerfen. Ich bemerke, dass ich mich darüber hinaus leichter von anderen mitziehen lasse, und dass es schwierig ist, mich selbst zu bestätigen oder einfach ich selbst zu sein. Ich weiß nicht mal mehr, wer ich bin. Ich habe keine Identität mehr und alle Leute, die ich treffe, kennen mich über dieses Verfahren: « Ah, das ist der aus dem Verfahren ». Dieser Prozess wird meine neue Identität. Und selbst wenn man mir eine Frage darüber stellt, was ich in Hamburg tue, dann komme ich zwangsläufig dazu, den Prozess zu erwähnen, weil ich sonst nicht hier wäre, sondern bei meinen Angehörigen in Frankreich. Ich sehe keinen Sinn in dieser Stadt und sie kommt mir ziemlich trist vor. Ich habe Städte immer gehasst. Ich glaube, man sollte sie abbauen und gratis und steuerfrei Parzellen an diejenigen, die diese wünschen, verteilen. Städte sind keine heiligen Orte, es gibt keinerlei Autonomie von Nahrung oder Energiequellen. Über kurz oder lang werden sie kollabieren. Meine Familie und meine Freunde fehlen mir. Denn eines der Grundsätze der Inhaftierung ist es, Sie von Ihren Angehörigen und Ihrem Lebensort zu trennen, ich habe den Eindruck, dass ich trotz des Verlassens des Gefängnisses im Dezember immer noch eingeschlossen bin. Ich bin nur ein Mal meine Familie in Frankreich besuchen gewesen, weil ich einen Moment zwischen der Arbeit und den Sitzungstagen gefunden habe. Und seit dem Coronavirus ist es unmöglich, über die Grenze zu kommen. Eine Freundin namens Monique Tatala war im Februar schwer krank, und als ich endlich ein Wochenende freischaufeln konnte, um sie im Krankenhaus zu besuchen, erfuhr ich, dass sie einige Tage vor meiner Abreise verstorben war.

Ich bin in Nancy geboren, einer Stadt im Nordosten Frankreichs, 80 Kilometer vom Dorf Bure entfernt, wo sich das Projekt der Deponierung in 500 Metern Tiefe von höchst radioaktiven Nuklearabfällen abspielt. Vor Beginn des Jurastudiums zur Ausübung des Berufs des Umweltanwalts, führte ich große Reisen allein auf dem Fahrrad durch, wo ich begann, sämtliche Lieblingsbücher von Christopher McCandless, dem jungen Mann, dessen Leben den Film „Into the Wild“ inspiriert hat, zu lesen. Ich konnte Tolstoï, Jack London und Henri David Thoreau, meinen bevorzugten Autor entdecken. Letzterer lebte 2 Jahre allein im Wald und weigerte sich, dem Sklaverei der Schwarzen praktizierenden amerikanischen Staat Steuern zu zahlen. Er lebte ein unabhängiges Leben, indem er eine kleine Hütte im Wald baute, obwohl bestimmte Zeugen erzählen, dass seine Mutter ihm weiterhin seine Wäsche wusch und dass die auf dem Fenstersims der Hütte deponierten Kuchen verschwanden. Er wandte sich auch gegen den gegen Mexiko geführten Krieg, der letztendlich ein Kolonisationskrieg der USA mit dem Verlust enormer Gebiete von Mexiko war. Ohne diesen Krieg wäre Texas zum Beispiel nicht Teil der USA. Die Mauer, die Mexiko und die USA trennt, ist eine einzureißende Mauer.

Hier ist ein Zitat aus seinem Bericht, geschrieben nach seinem Aufenthalt im Gefängnis für eine Nacht im Juli 1846, 174 Jahre vor dem G20 von Hamburg:

« In meiner kurzen Erfahrung des menschlichen Lebens fand ich heraus, dass Hindernisse auf meinem Weg nicht lebendige Menschen, sondern tote Institutionen waren. Die Menschen sind so unschuldig wie der Morgen für denjenigen, der früh aufsteht, für den zuversichtlichen Pilger sowie für die morgendlichen Reisenden, an denen er auf seinem Weg in die Poesie vorbeigekommen ist. Während Institutionen wie die Kirche, der Staat und die Schule, das Eigentum auf Grund des blinden Respekts, den man ihnen zollt, düstere und geisterhafte Gespenster. Als ich mich meinem poetischen Traum vom irdischen Paradies hingab, hatte ich nicht damit gerechnet, von einem Chippewa gestört zu werden; aber ich dachte, dass er wahrscheinlich von einer monströsen Institution verschlungen werden würde. Der einzige Wegelagerer, den ich je getroffen habe, war der Staat persönlich. Als ich mich weigerte, die von ihm für diesen von mir nicht gewollten Schutz geforderte Steuer zu zahlen, hat er selbst sie mir gestohlen. Als ich die von ihm ausgerufene Freiheit einforderte, sperrte er mich ein.                                                                                           
Ich liebe die Menschheit, ich hasse die Institutionen ihrer Vorfahren.  Weder die Diebe, noch die Wegelagerer, sondern die Gendarmen und die Richter, auch nicht die Fischer, sondern die Priester, auch nicht die  Ignoranten sondern die Pedanten & Pädagogen, auch nicht die ausländischen Feinde, sondern die in Marsch gesetzten Armeen, auch nicht die Piraten, sondern die Kriegsschiffe. Kein böser Vorsatz ohne Bezahlung, sondern organisiertes Wohlwollen. Zum Beispiel kann sich der lediglich als Mann und Nachbar – letzterer mit ungefähr 70 Jahren Lebenserwartung – angesehene Gefängniswärter oder Gendarm als aufrechter und vertrauenswürdiger Mann mit einem denkfähigen Gehirn erweisen, als Beamter und Staatsinstrument jedoch nicht mehr Verständnis oder Herz als der Schlüssel seines Gefängnisses oder seines Schlagstocks haben. Das Traurigste daran ist, dass die Menschen freiwillig die Natur & das Amt eines brutalen Charakters annehmen. Es gibt sicherlich genug Möglichkeiten, die einen Menschen seinen Lebensunterhalt verdienen lassen, ohne ihn in schädlicher Weise als Nachbarn & Gefährten zu haben.  Es gibt sicherlich genug Steine auf dem Weg des Reisenden, ohne dass jemand seinen eigenen Körper zu alledem hinzufügt.                                                                                                                                             Um ein einziges Beispiel zu nehmen: es sind zweifellos nie schlimmere Verbrechen seit Anbeginn der Zeiten als die des aktuellen mexikanischen Krieges begangen worden [zu Bedingungen beendet, zu denen Mexiko sich gezwungen sah, den Vereinigten Staaten Texas, Kalifornien, Utah, Nevada, Colorado, Wyoming, Neumexiko und Arizona zu überlassen  (..)].
So wie die gnadenlose Befehlsführung: beweg dich oder du wirst vertrieben, sei der Meister deiner Handlungen oder du wirst zu einem der unbedeutendsten Sklaveninstrumente, ohne dass du es überhaupt bemerkst.
Alle Menschen sind mehr oder weniger im Grabmal ihrer Bräuche gefangen, und bei einigen kommen nur die wenigen Haare auf ihrer Schädeldecke aus der Erde hervor.     Diejenigen, die physisch tot sind, sind mehr wert, da wenigstens Leben bei ihrer Zersetzung stattfindet.                   
Diejenigen, die ein Gebiet zu verteidigen haben, das sie sich unrechtmäßig durch Eigentumsurkunde zugeeignet haben, Sklaven, die sie zu ihrer  Bedienung halten, diejenigen, die ihre letzte Inspiration gern erhalten würden, um sie auf ewig zu bewahren, fordern die Hilfe der Institutionen, dieses stereotypisierten und erschreckenden Testamente der Vergangenheit. Aber diejenigen, die selbst etwas sind, das es zu verteidigen gilt, die nicht versklavt sind, die ein Abkommen mit ihrer Zeit geschlossen haben, lehnen diese Art der Unterwerfung ab“.

Die erste Sache, die mich beim Lesen seines Tagebuchs traurig gemacht hat, ist das Fehlen praktisch jeder Wildnis heutzutage. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Führen eines Lebens der inneren Meditation wie seines sogar kriminell wäre, da unsere industrielle Zivilisation derzeit jeden Tag 200 Tier- und Pflanzenarten zerstört. Das wäre eine Meditation über die Katastrophe. Am 7. Juli 2020 werden 219 000 Pflanzen – und Tierarten, die von unserer industriellen & kapitalistischen Zivilisation seit dem G20 in Hamburg ausgelöscht sein. Die Demonstrationen haben meiner Ansicht nach keinerlei Spezies verschwinden lassen, nicht einmal ein einziges Unternehmen von Luxusmarken. Ich habe keine Lust, hier das Ausmaß der Katastrophe eines stattfindenden Untergangs aufzulisten, ich glaube, jeder hat davon gehört und kann sich über einige Recherchen Informationen verschaffen. In den dieses Gericht beschäftigenden Anhörungen, habe ich Verständnis für die Bekämpfung des Nationalsozialismus mit Gewalt vernommen, aber in einer Demokratie, wie wir sie heute kennen, ist das nicht angemessen. Das Problem besteht darin, dass wir uns nicht in einer Demokratie, sondern in einer repräsentativen Demokratie befinden.

Emmanuel-Joseph Sieyès, erklärte in seiner Rede vom 7. September 1789 direkt nach der französischen Revolution: « Frankreich muss keine Demokratie sein, sondern eine repräsentative Demokratie. Die Wahl zwischen diesen beiden Arten der Gesetzgebung ist zwischen uns nicht anzuzweifeln. Zum ersten hat die enorme Vielzahl unserer Mitbürger weder ausreichend Kenntnis noch genug Freizeit, um sich direkt mit den Gesetzen befassen zu wollen, die Frankreich regieren sollen; sie müssen sich daher darauf beschränken, Repräsentanten zu wählen. […] Die Bürger, die Repräsentanten nominieren, verzichten daher und müssen darauf verzichten, selbst das Gesetz zu ins Leben zu rufen; sie haben keinen besonderen Willen aufzuerlegen. Wenn sie den Willen diktieren würden, wäre Frankreich kein repräsentativer Staat mehr, es wäre ein demokratischer Staat. Das Volk, ich wiederhole es, in einem Land, das keine Demokratie ist (Frankreich wüsste nicht, wie es eine sein sollte), das Volk kann lediglich durch seine Repräsentanten sprechen und handeln. »

Diese aktiv an der Ausarbeitung des politischen Systems nach der französischen Revolution beteiligte Person besitzt die intellektuelle Ehrlichkeit, eine repräsentative Demokratie anzuerkennen, die keine Demokratie ist. Heute lullt uns die herrschende Klasse zur Vermeidung des Verlusts ihrer Interessen und des Risikos, unter einer neuen Unzufriedenheit des Volkes zu verschwinden, bereits ab der Schulzeit ein und wiederholt unablässig im Fernsehen, dass wir uns in einer „fortgeschrittenen Demokratie“ befinden. Diese anmaßende Formulierung will uns glauben machen, dass wir sogar über die Demokratie hinausgegangen sind, während wir in Wirklichkeit nie diese Stufe erreicht haben, sondern uns immer noch in einer repräsentativen Demokratie befinden.

Ich habe mich dazu entschlossen, lieber zu handeln, als meine Macht an einen Repräsentanten abzugeben. „Sie schicken Ihre Beauftragten in ein Milieu der Korruption; seien Sie nicht überrascht, wenn sie dort korrumpiert herauskommen“ schrieb Élisée Reclus in ihrem Text: « Wählt nicht, handelt ». Die Parlamente sind mit Lobbyismus, den Interessen riesiger Unternehmen und der Finanzwelt überschwemmt.

Ich begann also, mich der Bewegung Anonymous anzuschließen, und beschränkte mich dabei auf das Schreiben von Texten und die Aufnahme von Videos über einen Einsatz gegen die großen unnützen und aufgezwungenen Projekte. Es zielte auf die Internetseiten riesiger Industrien oder des französischen Staates hinsichtlich der Umsetzung unterschiedlicher Projekte, wie zum Beispiel des Staudamms von Sivens, des nuklearen Abfalleimers in Bure oder dem Flughafen von Notre Dame des Landes. Gleichzeitig ging ich zur Demonstration vom Oktober 2014 in Sivens, wo Rémi Fraisse durch eine Granate der Polizei ca. einhundert Meter von mir entfernt getötet wurde. Das war eine meiner ersten Demonstrationen, und ich war von der polizeilichen Gewalt traumatisiert, die 400 Explosivgranaten führten zu Nachtblindheit, der Lüge des Staats, die die Umstände seines Todes verschleierten, der Medienpropaganda der Kriminalisierung, und der Gleichgültigkeit der Justiz, die eine Einstellung trotz der Forderungen der Familie von Rémi nach symbolischer Verurteilung aussprach. Am nächsten Morgen rief ich umgehend meine kleine Schwester an, und weinte und wurde mir bewusst, dass ich bei all den um mich herum explodierenden Granaten hätte sterben können. Ich habe seitdem auch Hörprobleme, die sich verschlechtert haben, und einen schrillen anhaltenden Tinnitus in meinem Ohr. Aber das Schlimmste für mich ist, dass ich heute vor Ihnen sagen kann, dass ein junger Mann meines Alters fast neben mir bei einer Demonstration gestorben ist, und dass ich es kaltblütig sagen kann. Etwas in mir ist während meiner Haft erloschen, ich habe im Gefängnis einen Teil meiner Emotionen verloren.
Damit Sie es ein wenig besser begreifen können, möchte ich Ihnen über einige Bereiche in Bezug auf diesen Tag der Mobilisierung erzählen, der sich mitten in der Natur von Tescou (Südosten von Frankreich) ereignet hat; die Präfektur hatte versprochen, keine Gendarmen einzusetzen, um keine Spannungen auszulösen, und wollte im Fall der Fälle sogar die Baufahrzeuge zurückziehen.
Der Staudamm von Sivens wurde von der CACG unterstützt, einer Einrichtung öffentlicher und privater Natur, was ihr die Umsetzung einer Erklärung über den öffentlichen Nutzen erlaubte, sowie den Zugriff auf die Gelder der Steuerzahler : fast 4 Millionen Euro öffentlicher Gelder für den Bau eines Staudamms für den Betrieb einer Intensivlandwirtschaft. Aber der Gipfel war, dass der Staudamm von Fourrogue, der gerade vor diesem Projekt des Staudamms von Sivens realisiert worden war, nach seinem Bau durch das Verwaltungsgericht für illegal und ungeeignet erklärt worden war. Er konnte demzufolge nicht einmal den Auftrag durchführen, für den er gebaut worden war, das heißt die Bewässerung der Agrikultur. Das belegt das Interesse hinter diesen Projekten, nämlich hauptsächlich die Unterschlagung öffentlicher Gelder. Die Träger dieses Projekts wollen ca. 50 Staudämme in der Region bauen und überlegen derzeit die erneute Umsetzung eines Staudammprojekts, nicht weit von der Gegend entfernt, in der Rémi, ein junger Mann von 21 Jahren, von der Polizei getötet wurde. Ein kleiner Fluss muss sich frei bis ins Meer erstrecken können. Ist es gesünder, sich an die Natur anzupassen oder die Natur dem Kapitalismus anzupassen?

Ich würde gern erklärt bekommen, wo der Fortschritt bei Konzernen wie Bayer/Monsanto liegt, die das Lebende patentieren und Mutationen an Pflanzen dergestalt vornehmen, dass eine Wiederverwendung der Saat jedes Jahr unmöglich ist, ohne sie kaufen zu müssen. Es hat sich heutzutage gezeigt, dass in den alten Artenvielfalten der Saat ein genetischer Code von Generation zu Generation über diese weitergegeben wird, die Pflanze passt sich an ihre Umgebung an, sie besitzt Intelligenz, sie verbessert sich und erstarkt von Jahr zu Jahr. Bayer & Monsanto sind für den Tod von mehreren zehntausend Personen durch Krankheit oder Selbstmord verantwortlich, insbesondere indem sie die Nutzung bestimmter Samen verboten und genetisch modifizierte Saat aufzwangen. In Indien verschulden sich die Bauern zum Beispiel, weil sie sie jedes Jahr nachkaufen müssen, man sieht jedoch nie die Leiter der Unternehmen aus diesem Grund ein Jahr und 4 Monate im geschlossenen Vollzug verbringen. Um auf die Bewegung Anonymous zurückzukommen, ich habe im Internet über die Existenz des Projekts einer Deponie nuklearer Abfälle in Bure erfahren, nur ein paar Schritte von mir entfernt. Ich hatte darüber nichts in der Schule gehört, bei JT, einem TV-Kanal oder in den Zeitungen. Ich habe daher Recherchen angestellt und entdeckt, dass die Leute seit mehr als 20 Jahren gegen dieses Projekt kämpfen und mobilmachen. Es hat sogar eine von 50.000 Menschen handsignierte Petition gegeben, die die Organisation eines lokalen Referendums forderte, um herauszufinden, ob die Bevölkerung mit diesem Projekt einverstanden war. Diese Petition wurde ignoriert. Es wäre tatsächlich schädigend für die lokalen Behörden, 80 Millionen Euro zu verlieren, die jedes Jahr zur « wirtschaftlichen Begleitung“ des Projekts der Deponie zugeteilt werden. Bis in die Schulen hinein fließt das Nukleargeld stetig, und Schulausflüge werden in die unterirdischen Tunnel organisiert, in denen bereits zwei Arbeiter bei einem Zusammenbruch der Stollen starben.  

Als der Agence Nationale pour la Gestion des déchets Radioactifs (Nationale Agentur für das Management Radioaktiver Abfälle) in Erinnerung gebracht wurde, dass es später zu einem Zusammenbruch der Tunnel kommen würde, lautete die Antwort des Verantwortlichen : « Das ist so geplant, Cigéo wird zusammenbrechen, aber wir bevorzugen es, von einem Zusammenlaufen der Felsen zu sprechen. » Ich glaube eher, dass ein Zusammenlaufen der Kämpfe die Verrücktheit dieses Projekts verhindern wird. Auf die gleiche Art und Weise, wie der italienische Schriftsteller Erri de Luca  dies für das Projekt der Linie TGV Lyon-Turin in Italien bestätigt hat, glaube ich, dass das Projekt des Deponie nuklearer Abfälle gebremst, behindert und vereitelt werden muss zum Zweck einer legitimen Verteidigung der Gesundheit, der Erde, der Luft und des Wassers.

Deutschland hat nach Fukushima theoretisch die Nuklearenergie gestoppt, aber die Nuklearabfälle bleiben ein Problem. In Frankreich, wo wir auch nicht wissen, wohin mit den Abfällen, werden wir die Kraftwerksparks erneuern und eine neue Generation von Reaktoren (EPR) einführen, hauptsächlich um sie ins Ausland verkaufen zu können.

In Bezug auf das aufwendige Management in Somalia durch die nukleare Abteilung, führte dies dazu, dass die Fässer mit Nuklearabfall ins Meer geworfen wurden und es an diversen Deponien vielfach zu Unfällen (in Neumexiko, sowie in Deutschland) ; es scheint offensichtlich, dass das Management der Nuklearabfälle nicht diesen verantwortungslosen Individuen überlassen werden darf.

„Man löst keine Probleme mit den Denkweisen, die sie verursacht haben“
– Albert Einstein

Es ist wichtig, ehrlich anzuerkennen, dass wir nicht wissen und nie gewusst haben, was wir mit nuklearem Abfall machen sollen. Von nun an ist ein umgehender Stopp der Produktion dieser Abfälle unumgänglich.
Diese Frage des Managements müsste von der ganzen Gesellschaft in Erwägung gezogen und dabei unabhängige Untersuchungen finanziert werden. Woher nimmt man das Geld? Es werden jedes Jahr 80 Millionen Euro in die Départements Meuse und Haute-Marne gepumpt, um die Zustimmung derer zu kaufen, die morgen verstrahlt sein werden. In zeitgemäßer Sprache nennt man das nicht « korrumpieren », sondern „mit der sozialen Akzeptanz eines Projekts arbeiten“. Lasst uns diese Summe in die Suche nach Alternativen umleiten. Für bestehenden Abfall könnten wir lieber versuchen, Lösungen unter Zuhilfenahme der Wissenschaft zu finden, als Gewissen zu kaufen. Es gibt die Geschäftsführer der Atomwirtschaft, Nukleokraten und sonstige Personen, die Millionen, wenn nicht Milliarden an Gewinnen auf dem Rücken unseres Lebens verdient haben, sie müssten gleichermaßen das Geld zurückgeben, für ein Überleben der Menschheit.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass Deutschland von dem Projekt der Deponie wahrscheinlich stärker betroffen sein wird, da Bure sich im Nordosten von Frankreich befindet und im Bereich vorherrschender Winde aus dem Osten liegt.

Es ist dieses Engagement im Bereich der Informatik gegen Bure und den Staudamm von Sivens, die mir eine erste Verurteilung der Justiz nach dem Besuch von 7 Beamten der DGSI am Wohnsitz meiner Eltern eingebracht hatte. Die nachfolgenden 48 Stunden in Polizeigewahrsam waren der Horror. Da ich mich der Mitarbeit verweigerte, gingen die Beamten soweit, damit zu drohen, dass sie meinen besten Freund in Polizeigewahrsam nehmen würden, da er im Rush eines Videozusammenschnitts zu sehen war. Sie schafften es, dass ich zusammenbrach, indem sie Druck in Zusammenhang mit diesem engen Freund ausübten, der meine politische Meinung nicht teilt. Ich erwähne diese ausufernde Niederträchtigkeit der Elite der französischen Polizei mit Nachdruck. Ich war jung, ich hielt es nicht für möglich, dass man so weit gehen würde. Druck über Nahestehende auszuüben, ich dachte, das sei nur im Film oder unter einer Diktatur möglich. Ich bekam vier Monate Gefängnis mit Bewährung aufgebrummt, sowie ein Verbot für fünf Jahre, an Auswahlverfahren für bestimmte Berufe der Öffentlichkeit teilzunehmen. Da ich mich zu dem Zeitpunkt im ersten Semester meines Jurastudiums befand, entschied ich mich für die Einlegung der Berufung, um die Aufhebung eines Berufsverbots zu beantragen, damit ich meine Studien weiterführen und versuchen konnte, Anwalt im Bereich Umwelt zu werden. Unglücklicherweise bestätigte das Berufungsgericht das Verbot, das zudem für einen Zeitpunkt von 5 Jahren ab dem Zeitpunkt reaktiviert wurde. In dem Moment musste ich dieses berufliche Projekt ad acta legen und wandte mich dann dem Gemüseanbau zu. Ein Bereich, in dem der Staat mich noch nicht eingeschränkt hat.

In Frankreich werden die deutschen Polizeibeamten wie die Könige der Deeskalation angesehen, ich habe zwischenzeitlich in Hamburg gesehen, wie Tausende von Demonstranten eine Mauer hochkletterten, um der Polizei zu entkommen, die mit Schlagstöcken auf Schädel einschlugen. Es war der erste Tag der Demonstrationen in Hamburg gegen den G20, die Wasserwerfer, die fast von Anfang an bei den Begleitfahrzeugen waren, wurden in Stellung gebracht, und die aus allen Richtungen eingesetzten Polizeibeamten ließen nicht einem nicht einmal die Möglichkeit zur Flucht. Es gab mehrere Dutzend schwer am Kopf Verletzter. Warum wird seitens der Gerichte Stille gegenüber der Polizeigewalt bewahrt? Wo sind die Fotos in den Medien der Polizeibeamten, die mit Schlagstöcken auf die Schädel einschlagen und die Spalten über Aufrufe zur Denunzierung im Zeitraum nach dem G20?

Ich beschuldige die Gerichte im Allgemeinen, an einer geschlossenen Gruppe von Personen teilzunehmen, die auf Basis von Arbeitsteilung zwischen der die Taten ausübenden Polizei und den Gerichten, diese Delikte durch ihre laxe Haltung verursachen und ermutigen. Die dieser Gruppe angehörigen Gerichte sind Komplizen sämtlicher von der Polizei ausgeübten Gewalt beim G20, da sich niemand von dieser Gewalt distanziert hat. Es gibt seit dem G20 keinerlei Verurteilung von Polizeibeamten trotz zahlreicher Videos und Dokumentation seitens der Bürger. Aber das ist auch ein strukturelles Problem der polizeilichen Institution, die Polizei erhebt keine Ermittlungen gegen sich selbst. Ich beschuldige die Judikative im Allgemeinen.

Bertold Brecht hat gesagt: „Der reißende Fluss wird gewalttätig genannt. Warum nicht das Flussbett, das ihn einengt.“

 « Muss man den G20 ausrichten oder ihn durch Proteste verhindern? »

Wir finden in diesem Gipfel die fünf größten Waffenhändler der Welt, nämlich die Vereinigten Staaten, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, sämtlich auch ständige Mitglieder des Sicherheitsrats der UNO. „Wenn man für den Frieden ist, verkauft man keine Waffen“, das sind die Worte eines Mannes aus Guinea ohne Papiere, geäußert im Verlauf des Ausgangs im Gebäude A. Er hat mir viel über Guinea und Afrika im Allgemeinen erzählt, ein an Ressourcen sehr reicher Kontinent, der jedoch aufgrund der Ausbeutung durch das kapitalistische System arm ist. Wenn Thomas Sankara oder Patrice Lumumba nicht beide von in der nördlichen Hemisphäre des Landes gebauten Waffen ermordet worden wären, dann hätte Afrika heute ein anderes Gesicht.
Während des G20 von Hamburg verkauften Frankreich und Deutschland Waffen in die Türkei. Die Waffen wurden wahrscheinlich bei der türkischen Offensive gegen die Kurden in Rojava im Norden Syriens verwendet. Türkische Journalisten befinden sich immer noch in Haft, weil sie aufgedeckt hatten, dass Erdogan Waffen nach Daesh geliefert hatte. Wenn eine Person einem Demonstranten einen Stein gibt, kann sie der Komplizenschaft an einer Tat extremer Gewalt angeklagt werden und riskiert, im Gefängnis zu landen. Aber Waffen zu verkaufen ist eine rechtmäßige Tat. Das Problem ergibt sich vielleicht aus der Tatsache, dass es ein Geschenk ist, und dass es in Euren Augen richtiger ist, Steinhändler zu werden. Oder vielleicht hat das nichts mit finanziellen Interessen zu tun und es würde sich um eine moralische Frage handeln: es ist gut, Waffen zu verkaufen, da sie dem Krieg dienen, um Frieden zu schaffen, ein bereits von George Orwell in seinem Werk 1984 beschriebener Widerspruch. Anarchisten wurden kürzlich in Russland gefoltert. Die Folter, auf die man in der Türkei oder in Saudi- Arabien trifft. Habt Ihr einfach nur die Vorstellung extremer Gewalt, die Euer Gipfel verkörpert, diese Versammlung der 20 reichsten Staaten des Planeten?

Es gibt einen besonders schwerwiegenden Aspekt in dieser Angelegenheit, 5 Personen müssen für sämtliche Schäden einer Demonstration gradestehen. 99 % der vorgeworfenen Taten zielen nicht persönlich auf die Angeklagten ab. Die Anklage erstreckt sich auf über eine Million Euro Schäden. Der Staatsanwalt versucht eine weitreichende Sicht der Komplizenschaft zu konstruieren und aufzuerlegen, bis zu dem Punkt, wo er sogar über die angenommene Präsenz der Angeklagten hinausgeht. Konkret gesagt, stellen Sie sich vor, dass bei einer Demonstration jemand 50 Meter vor Ihnen ein Auto abfackelt : Sie werden als verantwortlich für die Schäden angesehen. Aber das ist nichts! Stellen Sie sich jetzt vor, Sie verlassen die Demonstration, 10 Minuten später wird ein Molotow – Cocktail geworfen: obwohl Sie nicht mehr vor Ort sind, werden Sie auch dafür verantwortlich gemacht.

Es gibt viele Probleme in diesem Verfahren, im Gefängnis, in der Polizei, im Kapitalismus, im Staat und seiner Welt. Diese unterschiedlichen Themen sind unter anderem wie die allgemeine Verwesung: das Streben nach Führung, die Globalisierung, die Klassifizierung. Die Persönlichkeit des Einzelnen, seine Identität, seine Kreativität, seine Einzigartigkeit müssen in einen Behälter, in eine Gruppe.

Hier ein weiteres Zitat von Thoreau :

« Der einzigartige Charakter eines Mannes zeigt sich in jeder Linie seines Gesichts und jeder seiner Handlungen. Einen Mann mit einem anderen zu verwechseln und sie immer global zu betrachten, ist ein Zeichen von Dummheit. Der eingeschränkte Geist unterscheidet nur Ethnien, Nationen oder Großfamilien, während ein weiser Mann den Einzelnen unterscheidet.  »

Tagebuch von Thoreau – Juli 1848

Ich werde nicht erklären, was ich nicht getan habe, und wenn Sie mich fragen, was ich denke, dann könnte dies diesem weiteren Zitat gerecht werden :

«Wie auch immer mein Urteil über diese oder jene Handlung oder diese oder jene einzelne Person ausfällt, ich werde meine Stimme nie gemeinsam mit den Schreien des Hasses erheben, die Bewaffnete, Polizei, Gerichtsbarkeit, Priester und Gesetze in Bewegung setzen, um ihre Privilegien aufrechtzuerhalten.. » –  Elisée Reclus

Es bleibt Ihnen noch ein wenig Zeit vor Ende dieses Verfahrens, um die Anklageschrift auf nur das zu begrenzen, was ich machen konnte, solange das nicht der Fall ist, weigere ich mich, mich hinsichtlich der mich betreffenden Anklage in Bezug auf die Demonstration in der Elbchaussee zu äußern. Man muss sicher sein können : ob ich tatsächlich anwesend war, ob Sie mich mit einer anderen Person verwechselt haben oder ob ich einfach nicht da war, mit Beweisen.

In Frankreich wurde ich anklagt, einen Zaun um ein Projekt einer Deponie nuklearen Abfalls zerschnitten zu haben, ich habe diese Handlung vor Gericht auf mich genommen, um sie zu erklären. Die Rückverschriftlichung dieses Verfahrens ist in einer Broschüre mit dem Titel: « Sie müssen wissen, dass ich von Ihrer Institution nichts erwarte“, die auch ins Deutsche übersetzt wurde. Weitere Verfahren gegen Anarchisten wie das von Alexandre Marius Jacob enthalten ebenfalls eine Anerkennung und Erklärung vor Gericht über die durchgeführten Taten. Es handelt sich um eine Strategie der Unterbrechung. Ich verstehe die Haltung, sich nicht erklären zu wollen und zu schweigen, und ich möchte den Personen gegenüber Solidarität zeigen, die das Schweigen bei den Verfahren gewählt haben. Gleichwohl verabscheue ich die lügnerischen Berichte der Staatsanwälte oder der Polizei. Und es findet in Ihren Gerichten statt, in denen Ihre Versionen sich manifestieren und von den Richtern und dann den Medien aufgenommen werden. Wenn ich mich heute erkläre, dann zu dem Zweck, Ihnen eine von mir in den Straßen von Hamburg erlebte Realität zu übermitteln. 

Am Nachmittag des 7. Juli 2017 gab die deutsche Polizei eine weitere Demonstration ihrer Deeskalationsstrategie. In einem nicht enden wollenden Ballett der Polizeibeamten, die wiederholt im Vorbeikommen alles um die Rote Flora herum beschuldigten. Ich sah mehrfach, wie die Polizei grundlos mit Schlagstöcken auf Personen auf dem Bürgersteig einschlug, sowie auf Personen, die auf den Terrassen der Bars saßen und ein Getränk zu sich nahmen. Vielleicht war es im Geiste der Polizei so, dass die Tatsache einer einfachen Präsenz um die Rote Flora herum schon eine ausreichende Schuld bedeutete. In dem kleinen Park direkt dahinter liefen 4 Polizeibeamten auf eine Person zu, die sich in einer Ecke neben einem Busch befand, diese Person wurde abseits der Blicke & Kameras geschlagen. Ich sah einen Journalisten, der von der Polizei geschlagen wurde. Und dann die xte Person, die vor der Roten Flora schwer mit Schlagstöcken geschlagen wurde, ich näherte mich spontan mit weiteren Personen, schreiend vor Empörung. Ein Polizeibeamter starrte mir ins Gesicht. Alle meine Freunde in Frankreich wissen, dass ich eine ruhige Natur habe, aber das Gefühl der Ungerechtigkeit empört mich. Ich stellte also meinen Rucksack auf den Boden und warf 2 vor mir befindliche Flaschen Bier in Richtung der Polizei. Es gab gewalttätige Aktionen seitens der Polizei als Ursprung dieser Geste, ich möchte mich damit nicht entschuldigen. Umso mehr als dass es mir nicht gelang, die Polizeibeamten zu treffen und die Flaschen daneben zu Boden fielen (wie auf dem Video zu sehen ist). Sicherlich sieht es in Ihren Augen so aus, dass es illegal bleibt, ob das Wurfgeschoß einen Polizeibeamten trifft oder nicht, genauso wie ihre Gesetze es verbieten, auf Höhe des Kopfes den Schlagstock zu benutzen oder Tränengas ins Gesicht zu sprühen. Hat es dahingehend bereits ein Verfahren gegen einen Polizeibeamten gegeben, der Schläge mit dem Schlagstock in die Luft in die Nähe des Kopfes ausführte, ohne diesen zu treffen? Nein. Es hat nicht einmal einen einzigen Prozess gegen einen Polizeibeamten gegeben, der beim G20 mit dem Schlagstock auf einen Schädel eingeschlagen hat. Muss man von nun an mit einem Helm zu einer Demonstration gehen?

Ein wenig später sieht man mich auf einem Polizeivideo auf eine Dame eines gewissen Alters zulaufen, die ihr Fahrrad schiebt. Sie war mitten auf der Straße stehengeblieben, während sich ein Wasserwerfer auf sie zubewegte. Ich habe ihr zurück auf den Bürgersteig geholfen und dort angekommen, waren wir einem Wasserstrahl aus dem Wasserwerfer ausgesetzt, der sich klar gegen uns beide richtete. Sie beweisen damit immer eine überschießende Fantasie und eine extreme Feinfühligkeit, wenn Sie in Ihren Anklageschriften schreiben, dass dieses Wurfgeschoß gegen die Polizei gerichtet war und dabei hinzufügen « dabei in Kauf nehmend, dass er die Polizeibeamten hätte schwer verletzen können.» Denn bevor man sich das vorstellt, sollte man vielleicht klarstellen, dass das Wurfgeschoß tatsächlich einen Polizeibeamten trifft. Wenn diese Sache einmal vorbei ist, muss man anerkennen, dass es schwierig ist, einen Polizeibeamten schwer zu verletzen, wenn dieser im Gegensatz zu den Demonstranten, die diese nicht tragen, eine Schutzkleidung trägt. Beim Warten traf der kraftvolle Wasserstrahl uns ganz offensichtlich und niemand wirft der Polizei vor, die ihn abgeschossen hat, dass sie dabei eine schwere Verletzung der älteren Dame in Kauf genommen hat. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es Letzterer gut ging, hob ich einige Augenblicke später 2 Steine auf und warf sie in Richtung des Wasserwerfers. Die Polizeibeamten waren hinter dem Wasserwerfer aufgestellt.

Finden Sie mich nicht in Ihrer Definition des guten oder bösen Demonstranten wieder, Sie sollten nur wissen, dass ich jeder Person gegenüber solidarisch bleibe, die sich nach Demonstrationen vor der Justiz befindet : ob es die des G20 oder der Gelbwesten sind, die von Minneapolis oder der Arbeiterviertel in Chile oder der von Hong-Kong. Denn noch einmal, wie auch immer mein Urteil über diese oder jene Handlung oder diese oder jene einzelne Person ausfällt, ich werde meine Stimme nie gemeinsam mit den Schreien des Hasses erheben, die Bewaffnete, Polizei, Gerichtsbarkeit, Priester und Gesetze in Bewegung setzen, um ihre Privilegien aufrechtzuerhalten.

Es gab zahlreiche Versuche zur Blockierung des G20 mit nicht gewalttätigen Sit-ins; ich habe auch an dieser Strategie teilgenommen und eine neben mir befindliche Person fand sich mit einem Veilchen wieder, während ein weiterer Polizeibeamter mir Fußtritte versetzte, während wir saßen. Ich stellte fest, dass die Verwendung dieser Taktik weniger gefährlich im Beisein von Kameras ist, die die Szene festhalten. Die Polizei scheint sehr auf ihr Image bedacht zu sein, und hält sich mit der Demonstration ihrer Gewalt unter Objektiven zurück, zögert jedoch nicht mit dem Einsatz ihrer dunklen Seiten, sobald sich ein wenig Schatten zeigt.

« Der passive nicht gewalttätige Widerstand ist insoweit wirksam, als dass Ihr Widersacher den gleichen Regeln folgt wie Sie. Aber wenn eine friedliche Demonstration auf nichts als Gewalt trifft, endet die Wirksamkeit. Für mich ist die Nichtausübung von Gewalt kein moralisches Prinzip, sondern eine Strategie. Es gibt keine moralische Güte bei der Verwendung einer wirkungslosen Waffe. »

– Nelson Mandela

Es gibt eine Studie aus Februar 1989 über die Auswirkungen der von dem Strafvollzugsbeamten getragenen Uniformen in Kanada. Die Studie hatte ergeben, dass eine Person eher gewaltbereit ist, wenn sie eine Uniform trägt. Das ist der Grund, warum ich nicht unbedingt die Einzelperson beschuldige, sondern die Situation, die sich aus dem Beruf des Polizeibeamten ergibt. Es ist möglich, dass es bald so wie in Minneapolis für mehr und mehr Menschen notwendig wird, die Polizei abzubauen.

Als letzten Punkt : die deutsche Presse stellt häufig den wirtschaftlichen Einfluss von Demonstrationen als wichtigsten Punkt heraus. Ich denke, dass ich für den gesamten G20 in Hamburg gehört habe, dass es sich um 10 Millionen Euro Schäden handelt. Ich werde Ihnen beweisen, dass eine sich gesund ernährende Person, die ein paar Schäden bei einer Demonstration anrichtet weniger Geld kostet, als eine am McDo gewöhnte Gesellschaft. Ein Artikel in der Zeitschrift „Libération“ aus dem Jahr 2019 schätzt, dass die Kosten schlechter Ernährung für die Gesundheit in Frankreich bei 55 Milliarden Euro im Jahr liegen. Es bräuchte jedes Jahr 5.500 Demonstrationen mit 10 Millionen Euro Schäden, um den wirtschaftlichen Einfluss schlechter Ernährung auszugleichen. In dem Wissen, dass die Mobilisierungen sich über 4 Tage hinzogen, ist es nicht möglich, mehr als 92 davon im Jahr durchzuführen. Es sei denn, man erlaubt sich die Vorstellung mehrerer Demonstrationen gleichzeitig. Dann müsste man gleichzeitig 59 Demonstrationen wie die in Hamburg durchführen und dies in einem Jahr kontinuierlich wiederholen, um die wirtschaftlichen Schäden der schlechten Ernährung in Frankreich in gleicher Höhe zu erreichen. Ich habe keine Zahlen in Bezug auf Deutschland gefunden, glaube aber, dass diese ziemlich identisch sein dürften. Aufgerundet kann man sagen, dass schlechte Ernährung in Deutschland und Frankreich 100 Milliarden Euro kostet. Also 300 Milliarden Euro seit dem G20 in Hamburg, ist es nicht weiser, Prozesse gegen die Großen der Nahrungsmittelindustrie zu führen, die unsere Nahrung und unsere Leben vergiften?

Hier einige Worte von Ravachol :

« Bei der Erstellung der Paragraphen des Gesetzes haben die Gesetzgeber vergessen, dass sie nicht die Ursache, sondern nur die Auswirkungen angehen, und sie damit keinesfalls das Verbrechen ausmerzen; in Wahrheit bestehen die Gründe immer noch und nur die Auswirkungen ergeben sich. Ja, ich wiederhole es: es ist die Gesellschaft, die die Kriminellen hervorbringt und ich schwöre Ihnen, anstatt sie zu schlagen, sollten Sie Ihre Intelligenz und Ihre Kraft darauf richten, die Gesellschaft zu verändern. Plötzlich unterdrücken Sie jegliches Verbrechen; und Ihr Werk, das sich nun gegen die Gründe richtet, wird viel größer und viel befruchtender sein als es Ihre Justiz bewirken kann, die sich darauf reduziert, die Auswirkungen zu bestrafen »

Ich habe gehört, dass das Gericht bestrebt war, zu wissen ob die Strafe ausreichend für einen erzieherischen Effekt auf die Angeklagten war. Ich war überrascht, etwas über diese Art von erzieherischem Effekt herauszufinden. Glauben Sie, dass Strafe durch Einsperren einen dazu zwingt, nicht wieder anzufangen? Es gibt einen offenen Vollzug, wobei die Rückfallquote in Norwegen bei 20 % liegt, der Bereich, in dem ich 1 Jahr und 4 Monate eingesperrt war, hat eine Rückfallquote von 70 %. In diesem norwegischen Gefängnis singen die Wärter manchmal ein Lied für die Neuankömmlinge, es wird einem zugehört, man erfährt Liebe und Berücksichtigung. Als ich in Ihrem Gefängnis ankam, war ich einen Monat mit derselben Unterhose 23 von 24 Stunden eingesperrt und erhielt ernste Blicke von den Wärtern, die Dich verachten. Aber auf das Risiko hin, mich nicht ganz klar ausgedrückt zu haben, denn man könnte denken, dass ich mit einem norwegischen Gefängnis zufrieden sei. Wie Revachol sagte, « es ist die Gesellschaft, die Kriminelle hervorbringt » und der Kriminologe Alexandre Lassange bestätigte „die Gesellschaft hat die Kriminellen, die sie verdient“. Ich denke, indem man die Gesellschaft ändert, dass wir jegliches Verbrechen ausmerzen können. Und ich denke, dass es in diesem Verfahren 0 % Chance auf einen Rückfall gibt, da der Grund verschwunden ist, es wird nie wieder einen G20 in Hamburg geben.

Meine nächste Erklärung wird einen Text enthalten, der von einem G20 ohne Polizei ausgeht, was ich als Alternative zu Ihrem Gipfel ansehe, sowie eine Kritik an der industriellen Zivilisation und den erneuerbaren Energien des grünen Kapitalismus. Ich werde ihrem Gericht außerdem einen Comic mit Kartoffelmännchen präsentieren, die ich im Gefängnis gezeichnet habe und in der ich erkläre, wie sich alle Staaten der Welt ihrer Atombomben entledigen könnten.

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Infos zum 4.4.2020 https://unitedwestand.blackblogs.org/infos-zum-4-4-2020/ Wed, 18 Mar 2020 15:47:01 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2997 Continue reading ]]>

 

 

 

 

 

Liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen, liebe, äh, sonstige Sozialkontakte,

am 4. April sollte in Hamburg eine Demo unter dem Motto UNITED! Gegen Rassismus, Überwachung und Repression stattfinden. Wir haben für die Teilnahme als explizit anarchistischer Block mit Plakaten, Flyern und einer bereits geplanten Veranstaltungstour mobilisiert. Aus virusbedingten Gründen werden wir den Block nun absagen. Stattdessen rufen wir dazu auf, die Gefangenen mit verschiedensten Aktionen wissen zu lassen, dass wir sie auch in dieser Zeit nicht vergessen werden. Bekannter Weise braucht es für einige Aktionsformen nur wenig Leute und Briefeschreiben geht auch sehr gut alleine! Wir befürchten, dass auch hier absehbar ganze Knäste unter Quarantäne gestellt werden, was 24 Stunden Einschluss, keine Besuche, keine Anwält*innen und keine gemeinsamen Essen in Gemeinschaftsräumen bedeuten wird. In Gefängnissen in Portugal, Spanien und Italien gelten diese Bedingungen bereits, was zu Aufständen, Ausbrüchen(!) und beschissener Weise auch Verletzten (in Italien sogar zu Toten), geführt hat.

Also: Solidarität statt Hysterie! Wer hamstert ist zu faul zum Plündern!

Anarchist*innen

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DIE MAUERN NIEDERREIßEN, DIE DEN KNAST VON DER AUßENWELT TRENNEN https://unitedwestand.blackblogs.org/die-mauern-niederreissen-die-den-knast-von-der-aussenwelt-trennen/ Sun, 12 Jan 2020 17:34:29 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2954 Continue reading ]]> Wie die richtigen Worte finden, nach einem Jahr und vier Monaten Knast? Wie diese Mauer niederreißen, die die Außenwelt von der des Gefängnisses trennt? Im Knast habe ich mich aufgelöst, habe nicht mehr an mich gedacht. Ich habe mich geleert, um nicht zu leiden. Ich habe mich auch von meinen Erinnerungen abgekapselt, von dem, was Draußen passiert, um mich auf dieses neue Leben zu konzentrieren, das Leben mit den anderen Gefangenen. Dies war einer der Gründe, warum ich nur wenig Kraft hatte, um auf die vielen Briefe zu antworten, die ich bekommen habe. Heute stelle ich fest, dass ich nicht mehr viel fühle, dass ich keine Leidenschaft mehr habe (außer dem Schnee). Es herrscht Leere. Mein Geist ist woanders. Mir wohnt eine neue Auffassung der Zeit inne, ich erlebe Augenblicke des Betrachtens, der Stille, der Abwesenheit.

Der Prozess wurde immer weiter geschoben. Nun sollte er Ende April zum Abschluss kommen. Die Freilassung am 18. Dezember kam völlig unerwartet. Wenige Wochen zuvor hatte die Staatsanwaltschaft noch angekündigt gegen eine eventuelle Entscheidung des Gerichts zugunsten einer Freilassung vorzugehen. Ich erwartete allerhöchstens zwei Stunden auf freiem Fuß, bevor ich wieder eingesperrt würde, so wie es zwei anderen Angeklagten erging, die nach der Entlassung aufgrund des staatsanwaltschaftlichen Widerspruchs erneut in den Knast mussten. Ich hatte mich schon darauf vorbereitet zu sagen, ich wolle in der Zelle bleiben bis eine entgültige Entscheidung gefällt würde. Denn für zwei Stunden rauszukommen würde darüber hinaus, dass es einem das Gehirn zerdeppert, zusätzlich bedeuten, erneut ins Gebäude A zurückzukehren.

DAS GEBÄUDE A

Dieses Gebäude ist das, wo angekommen wird. Hier ist Mensch 23 von 24 Stunden auf Zelle. Es ist ein dunkler Ort, wo die Gefangenen durchdrehen, schreien und gegen die Wände schlagen. Ich war vier Monate dort. Während des ersten Monats nach meiner Ausweisung hatte ich nur die Kleidung die ich bei meiner Ankunft trug. Es war unmöglich an meine Klamotten zu kommen, obwohl diese schon längst da waren. In diesem Gebäude gibt es eine Gruppendusche, die zwei mal pro Woche genutzt werden darf – Morgens früh um 6:45 Uhr. Dort wusch ich meine Unterhose, die ich dann auf der Heizung in der Zelle trocknete, zu der ich mit meinen Restklamotten gekleidet gelangte. In diesem Gebäude wird man von den Wächtern bei der Essensausgabe angebrüllt, wenn die unsichtbare Linie entlang der Zelle in Richtung Gang überschritten wird. Der einzige Moment zum Atmen jenseits dieser 2×4 Meter Zellen war der einstündige Hofgang. Im Gebäude befinden sich vor allem Ausländer, deren Straftat darin besteht keine Papiere zu haben, des Dealens kleiner Mengen Drogen oder des Diebstahls beschuldigt zu sein. Ich habe Gefängniswärter gesehen, die ausländische Inhaftierte schlugen, die es versuchten auf dem Rückweg vom Hofgang ein Buch aus der Nachbarzelle mitzunehmen. Ich habe hasserfüllte Blicke der Wärter gesehen, die sich gegen rassifizierte Inhaftierte richteten. Die meisten Ausländer die ich auf dem Hof des Gebäudes A traf, definierten die Gefängniswärter als Nazis. Es ist unheimlich das heute zu hören, angesichts dessen, dass vor einem Jahrhundert hunderte Inhaftierte genau hier von Nazis ermordet wurden.

DER ELBCHAUSSEE-PROZESS ODER DIE UNWAHRSCHEINLICHE KOMPLIZENSCHAFT

Der Prozess ist besonders. 99 % der vorgeworfenen Taten haben nichts mit den Beschuldigten zu tun. Die Anschuldigung dreht sich um über eine Million Euro Sachschaden. Die Staatsanwaltschaft versucht eine sehr weite Auffassung von Komplizenschaft durchzusetzen, die noch weit über die vermeintliche Anwesenheit der Beschuldigten hinaus geht. Stellt es euch konkret vor: Ihr seid auf einer Demo und 50 Meter von dort verbrennt jemand ein Auto – und ihr werdet für den Sachschaden verantwortlich gemacht. Doch das ist noch gar nichts! Stellt euch vor, ihr hättet die Demonstration verlassen und zehn Minuten später wird ein Molotow-Cocktail geworfen: Obwohl ihr nicht mehr anwesend seid, werdet ihr dafür verantwortlich gemacht.

Es gibt viele Probleme in diesem Verfahren, im Knast, bei der Polizei, im Kapitalismus, im Staat und seiner Welt. Diese verschiedenen Themen haben unter anderem folgende Widerlichkeiten gemeinsam: Den Durst nach Verwaltung, die Globalisierung, die Klassifizierung. Eure Persönlichkeit, eure Identität, Kreativität, Einzigartigkeit – alles muss in eine Schublade passen.

«Die Einzigartigkeit des Charakters eines Menschen manifestiert sich in jedem Zug seines Gesichtes und in jeder seiner Handlungen. Einen Menschen mit einem anderen zu verwechseln und zu Pauschalisieren ist ein Zeichen von Dummheit. Stumpfe Geister halten nur Rassen, Nationen oder Klans auseinander, der Weise die Individuen.»

Thoreau, Tagebuch – Juli 1848 (169 jahre vor demG20 Gipfel in Hamburg)

Im November vergangenen Jahres, rund ein Jahr nach Prozessbeginn, schlug ich vor, eine Erklärung abzugeben, unter der Bedigung, dass sie öffentlich zugelassen würde. Die Richterin hatte erst verkündet, dies sei möglich, änderte dann jedoch ihre Meinung, weil es gesetzlich nicht möglich sei, die Öffentlichkeit für eine bestimmte kurse Zeit auszuschlieBen. So kommt es, dass von mir noch keine Deklaration kam, trotz der knapp fünfzig Verhandlungstage. Die letzten Verhandlungstage zum Ende des Prozesses müssen öffentlich sein.

Seitdem ich am 18. Dezember aus der Haft entlassen wurde, sagen mir die Menschen, die ich treffe, es sei ein schönes Weihnachtsgeschenk. Das Bekümmernde dabei ist, dass dieses Geschenk ein Jahr Verspätung hat: Ich habe schon eine Weihnacht im Gefängnis verbracht.

GRÜNDE UND BEDINGUNGEN MEINER FREILASSUNG

Immerhin hat das Gericht letztlich meiner Freilassung zugestimmt. In seiner Begründung erklärt es, dass ein Fluchtgrund aus mehreren Gründen nicht mehr gegeben sei. Allen voran würde eine erneute Flucht einen neuen europäischen Haftbefehl bedeuten und dann würde die ganze Prozedur von Vorne beginnen. Zudem habe sich, seitdem eine Freilassung im Juni abgelehnt wurde, die zu erwartende Strafe proportional zur bereits verbüßten Strafe in einem Ausmaß verschoben, dass der Fluchtanreiz geringer sei. Das Gericht meint ebenfalls, dass ich die Freiheit, Kontakt zu meiner Familie zu haben, ebenfalls nicht durch eine erneute Flucht auf’s Spiel setzen wollen würde. Hierfür wird die Kontrolle meiner privaten Briefpost angeführt. Dennoch empfindet das Gericht meine Kooperation mit dem Staat als mangelhaft. Es wurde eine Einlassung im Rahmen des nichtöffentlichen Verfahrens erwartet, was ich bis jetzt abgelehnt habe. Da ich dennoch verkündet habe, eine öffentliche Erklärung am Ende des Prozesses abzugeben, erwartet das Gericht, dass ich nicht flüchten werde, da ich das Wort ergreifen will. Grundsätzlich beschreibt mich der Beschluss des Gerichtes als einen „jungen, höflichen und freundlichen Mann“, was scheinbar das Vertrauen in mich steigert.

Nun erlebe ich also seit dem 18. Dezember eine bedingte Freiheit. Bis zum Ende des Verfahrens muss ich die folgenden Bedingungen erfüllen:

Eine Meldeadresse in Hamburg haben.
Mich Montag und Donnerstag bei der Hamburger Polizei melden.
Als Baumpfleger arbeiten.
Meine Papiere und meinen Pass beim Gericht hinterlegen .
Gerichtlichen Ladungen nachkommen.
Keine Straftaten Begehen.

BEDINGTE GEDANKENFREIHEIT

Nun bin ich also Draußen und frei mich auszudrücken. Doch diese Freiheit ist auch theoretisch und an Bedinungen geknüpft. Es fehlt weder an Lust noch an Dingen, die gesagt werden müssten, doch angesichts dessen, was das Gericht von mir erwartet, ist es eine Illusion zu denken, ich könne
mich frei ausdrücken. Auch in diesem Bereich bleibt meine wiedererlangte Freiheit sehr relativ.

Dennoch hat sich mein Blick auf die Welt nicht geändert. Auch wenn ich seit 16 Monaten abgekapselt bin, ist es besonders schockierend, sich über die massive Repression gegen Demonstrationen in Frankreich (Gelbwesten und andere) zu informieren. Es gibt rund tausend Verurteilungen zu Haftstrafen. Ich habe von Strafen von bis zu fünf Jahren Haft gehört und vor kurzem von dreieinhalb Jahren geschlossener Haft gegen einen Menschen aus Nancy. Gleichzeitig bekommt ein Polizist zwei Monate auf Bewährung, weil er schutzlose Leute mit einem Pflasterstein beworfen hat. Er wird weiterhin aktiv sein: Kein Eintrag im Vorstrafenregister. Wenn ihr einen Pflasterstein auf Leute mit Helmen und Schilden werft, bekommt ihr mehrere Jahre Knast. Ist das Justiz? Das Gefängnis ist ein Wahnsinn. Vorurteile sind ein Wahnsinn, der zu Leid und Gleichgültigkeit führt.

Vergewaltiger und Mörder repräsentieren nicht einmal 5% der Gefängnisbevölkerung. Die Armen sind es, die sich hinter den Gittern wiederfinden. Ich habe im Gefängnis keine Vertreter der Bourgeoisie und keine Banker gesehen – und Polizisten auch nicht. Dennoch geht die primäre Gewalt und die vorwiegende Kriminalität in der Gesellschaftspyramide von oben aus. Die Personen, die in den Knast geworfen werden, werden es fast gänzlich aufgrund des Drucks der oberen Klassen, der Ausbeutung, die Reiche an den Armen üben, und der sozialen Ungleichheit wegen. Ich habe keine Reichen im Knast getroffen, nur Arme. Es ist Zeit anzunehmen, dass die Wahl in dieser Situation fast ohne Einfluss ist. Die Situation der Armut ist kriminell.

Acht Menschen besitzen soviel wie die Hälfte der Weltbevölkerung!

AN DIEJENIGEN DIE KÄMPFEN

Nachdem ich die Gefängniswelt erlebt habe, fühle ich mich solidarisch mit denen verbunden, die eingeschlossen sind. Daher wünsche ich :

Solidarität und Kraft all denjenigen, die in Frankreich infolge der Demonstration der Gelbwesten und im Rahmen der Proteste gegen Macron’s Rentenreform & seine neoliberale Privatisierungswelt eingeknastet wurden.
Solidarität und Kraft den Aufständischen in Chile, die unter der gleichen neoliberalen & Privatisierungs-Politik leiden.
Solidarität und Kraft dem autonomen Viertel von Exarcheia in Griechenland.
Solidarität und Kraft den gefolterten Anarchisten in Russland.
Solidarität und Kraft den gefolterten Gefangenen auf Guantanamo.
Solidarität und Kraft den Aufständischen in Hong Kong, auf dass immer mehr schwarze Fahnen über den Demonstartionszügen wehen und die amerikanischen Fahnen ersetzen.
Solidarität und Kraft den Anarchisten und Atomkraftgegnern in den USA , in Frankreich, in Deutschland & überall auf der Welt.
Solidarität und Kraft für Rojava, auf dass die konkrete Geschichte von Emanzipation, Autonomie, Ökologie & Feminismus andauere.
Solidarität und Kraft für Afrika, die große Vergessene , noch immer und stetig geplündert für den Wohlstand der Länder des Nordens.

Auf das jede*r Gefangene sich zu ihrer*seiner Zeit im Knast ausdrücken mag, damit wir schnellstmöglich diese grauenhaften Mauern durchbrechen, die soviel Leid säen. Diese Mauern, die wir nur akzeptieren, weil wir diejenigen, die dahinter sitzen, nicht in die Augen schauen können.

Loïc,

Zu einem endlosen Prozess nach Hamburg ausgeliefert

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G7 EZ in Biarritz – eine Einschätzung https://unitedwestand.blackblogs.org/g7-ez-in-biarritz-eine-einschaetzung/ Mon, 26 Aug 2019 16:26:38 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2832 Continue reading ]]> Protest oder gar Widerstand fiel noch verhaltener aus als erwartet. Der
militante antikapitalistische Widerstand des südlichen (spanischen)
Baskenlandes hat sich weder an der Mobilisierung noch an der
Durchführung von Aktionen beteiligt und war nur vereinzelt
repräsentiert. Dies hat mehrere Gründe. Eine Verhinderung des Gipfels
erschien von Anfang an aussichtslos, da Biarritz als Kleinstadt der
Reichen und Touristen sehr leicht absperrbar war. Eine intensive
Mobilisierung und Vorbereitung hätte unverhältnismäßig viel Kraft und
Aufwand gekostet, die alltäglichen sozialen Kämpfe hätten vernachlässigt
werden müssen. Die Mobilisierung wurde frühzeitig von gewaltfreien
Kräften dominiert, insbesondere EH Bildu (Nachfolgeorganisation von Heri
Batasuna) und Attac, die den üblichen Aktionskonsens des zivilen
Ungehorsams festlegten. Etwa 300 eigene Ordner sollten jegliche Störung
des verordneten Konsens unterbinden. Das ging auch den Gelbwesten zu
weit, die im Camp täglich eine Mahnwache gegen den unsolidarischen
Konsens abhielten. Schließlich haben sich auch weitere Leute nicht an
den Konsens gehalten. Auf dem auf 4000 bis 6000 Menschen ausgelegten
Camp waren etwa 3000 Leute anwesend. Dort fand der Gegengipfel mit
vielen Veranstaltungen statt. Etwa 500 Leute machten sich auf und
besetzten zwei Kreisverkehre in der Nähe der Autobahn, verstärkt durch
Baustellenmaterial, Verkehrsschilder, Steine etc. Sie wurden mit
Tränengas und Gummigeschossen geräumt, es kam an einem Kreis zu etlichen
Festnahmen. Die größte Aktion war die G7EZ-Demo am Samstag mit etwa
15.000 Teilnehmern in der Grenzstadt Hendaye etwa 30 km von Biarritz
entfernt, für die Herrschenden also völlig ungefährlich und daher auch
eher ein soziales Happening.
Im nördlichen (französischen) Baskenland ist wohl etwas mehr gelaufen,
das wissen wir aber nur vom Hörensagen. Etwa 1000 Leuten – Gelbwesten
und andere Militante – ist es gelungen, in die nördlich von Biarritz
gelegene und militärisch abgesicherte Stadt Bayone einzudringen, dort
kam es zu eingeschlagenen Scheiben und Steinwürfen auf Bullen,
beantwortet mit Tränengas und Wasserwerfern.
Insgesamt kam es zu 68 Festnahmen, davon befinden sich 38 Leute in
Untersuchungshaft, das sind angesichts des bescheidenen Aktionsniveaus
unverhältnismäßig viele.
Es hätte viel mehr gehen können rund um Biarritz, wenn viel mehr
entschlossene und vorbereitete Leute gekommen wären und das Geschehen
nicht den reformistischen Gruppen überlassen worden wäre.

Freiheit für alle G7-Gefangenen, für Loic und die zwei von der Parkbank.

SK-UWS

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Solidaritätserklärung an die 3 Leute von der Parkbank https://unitedwestand.blackblogs.org/solidaritaetserklaerung-an-die-3-leute-von-der-parkbank/ Mon, 15 Jul 2019 19:09:11 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2776 Continue reading ]]> Liebe 3 von der Parkbank,

wir haben gehört, dass ihr 3 am Montag, den 08. Juli festgenommen
wurdet. Eine*r von euch ist inzwischen wieder draußen.

Wir wünschen euch viel Mut und Kraft. Der Kampf geht weiter, für euch
haben sich nur die Bedingungen verändert.

Mit Power durch die Mauern, ob drinnen und draußen, bis sie brechen!

Bundesweite Solistrukturen gegen G20

14. Juli 2019

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Zine zum G20-Gruppenprozess fertig! https://unitedwestand.blackblogs.org/zine-zum-g20-gruppenprozess-fertig/ Tue, 07 May 2019 20:59:35 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2708 Continue reading ]]> Nach langer Arbeit ist endlich unser Zine zum Prozess und der
Soligruppenarbeit fertig geworden. Für uns war es eine Möglichkeit zu
reflektieren, was gelaufen ist. Darüber hinaus hatten wir den Eindruck,
das es noch nicht so viel Texte zu Prozessen gibt, die relativ
glimpflich abgelaufen sind. Auch der Frage, wie okay oder scheiße
eigentlich Deals sind und wie wir damit umgegangen sind haben wir uns
genähert. Viel Spaß mit dem Heft!

https://g20gruppenprozess.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/678/2019/05/Zine-web.pdf

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Redebeitrag United we Stand – Solidarität Heißt Weiter Kämpfen! auf der Knastkundgebung am 13.4.2019 https://unitedwestand.blackblogs.org/redebeitrag-united-we-stand-solidaritaet-heisst-weiter-kaempfen-auf-der-knastkundgebung-am-13-4-2019/ Fri, 19 Apr 2019 18:07:39 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2679 Continue reading ]]> Hallo liebe FreundInnen und GenossInnen drinnen und draußen ! Erst mal
solidarische Grüße an Loic, alle anderen politischen Gefangenen und alle
Gefangenen überhaupt.
Dies ist ein Redebeitrag von Solidarität Heißt Weiter Kämpfen !
Vor knapp 2 Jahren im Juli 2017 gab es den G20-Gipfel in Hamburg, ein
Treffen der 19 reichsten Länder der Welt und der EU. Es trafen sich
Imperialisten wie Trump und Putin, Diktaturen wie Erdogan, Folterstaaten
wie Saudi-Arabien sowie die sog. bürgerlichen Demokratien wie Frankreich
und Deutschland. Eine selbst ernannte Weltregierung ohne jegliche
Legitimation. Ziel der G20 war die Absprache von Strategien zur
Verteilung von Macht und Reichtum, um durch Ausbeutung, Enteignung,
Krieg, Umweltzerstörung, Hungerkatastrophen und die Bekämpfung von
Fluchtbewegungen den Reichtum der reichsten Länder auf Kosten des
Großteils der ärmeren Weltbevölkerung zu sichern und auszubauen. 8
Milliardäre haben mehr Vermögen als 50 % der Weltbevölkerung.
Der Gipfel der Herrschenden traf auf den zigtausendfachen Widerstand der
linken Bewegung gegen die Weltherrschaft der G20-Staaten generell und
gegen die Abhaltung des Gipfels in einem linken Szeneviertel als
Kampfansage und Provokation im besonderen.


Staatliche Repression gab es schon im Vorfeld: Demoverbotszone von 38
qkm, Verbot jeglicher Camps, Observationen, Hausdurchsuchungen, ein
Extra-Knast für G20-Gegner mit einem hieran angeschlossenen Sondergericht.
Rund um den Gipfel gab es dann den größten Polizeieinsatz in Deutschland
nach dem 2. Weltkrieg mit 31.000 Bullen, 44 Wasserwerfern, 10
Räumpanzern, 28 Hubschraubern, 30 Booten, 70 Pferden und 185 Polizeihunden.
Dem entgegen stand die Massivität und Vielfältigkeit des Widerstands.
Massencornern, Techno-Rave „Lieber tanz ich als G20“ mit 25.000 Leuten,
autonome antikapitalistische Demo „Welcome to Hell“ mit 15 bis 20.000
Menschen, die Blockaden des zivilen Ungehorsams rund um die Rote Zone,
militante Aktionen wie in der Elbchaussee, Straßenkampf und Riot im
Schanzenviertel mit einem für 4 Stunden polizeifreien Gebiet sowie die
spektrenübergreifende Großdemonstration mit 80.000 Menschen und vieles
andere. Insgesamt waren ca. 200.000 Menschen an den verschiedenen
Protesten beteiligt.
Wie erwartet brachte der G20-Gipfel auch aus Sicht der Herrschenden
keinerlei konkrete Ergebnisse. Die Kosten beliefen sich auf 300
Millionen EUR. Blockaden zivilen Ungehorsams, militante
Kleingruppenaktionen, Massenmilitanz und Riot. Immer wieder verlor der
hochgerüstete Repressionsapparat die Kontrolle über das Geschehen. Das
staatliche Gewaltmonopol wurde massiv in Frage gestellt und war
phasenweise über mehrere Stunden aufgehoben. Barrikaden und
Aneignungsaktionen bestimmten das Bild. Polizeieinheiten wurden mehrfach
in die Flucht geschlagen.

Unmittelbar nach dem Gipfel begann der staatliche Rachefeldzug. Die
massive Repression des Staates nach den Aktionen während des G20-Gipfels
hält bis heute an. Eine mehrfach als Öffentlichkeitsfahndung inszenierte
Menschenjagd in ganz Europa sowie zahlreiche Hausdurchsuchungen und
Festnahmen zeigen einerseits den Verfolgungseifer des Staates,
andererseits die Willkür und Schwäche der staatlichen Behörden.
Die eigens für die G20-Repression gegründete Soko „Schwarzer Block“ mit
180 Beamten leitete bis jetzt ca. 3.500 Ermittlungsverfahren gegen 900
namentlich bekannte Personen sowie gegen Unbekannt ein. Grundlage war
oftmals die Auswertung von Foto- und Videodateien unter Anwendung von
Gesichtserkennungssoftware. Es gab bisher 5 Öffentlichkeitsfahndungen
mit Lichtbildern von 400 Personen, von denen angeblich 110 Personen
identifiziert worden sein sollen. Die Justiz kommt nicht hinterher, erst
143 Gerichtsverfahren waren (Stand Januar 2019) abgeschlossen, davon 9
Haftstrafen ohne Bewährung, 51 Freiheitsstrafen mit Bewährung, der Rest
sind Geldstrafen, Einstellungen und Freisprüche. Immerhin liegt die
Freispruchquote von 10 % in G20-Verfahren weit über dem Durchschnitt von
2 %.
Ein Ende des juristischen Nachspiels ist noch lange nicht in Sicht.
Seit dem 18.12.2018 läuft der sog. „Elbchausseeprozeß“ gegen 4 Leute aus
Frankfurt/Offenbach und Loic aus Frankreich. 2 Leute aus
Frankfurt/Offenbach saßen nahezu 8 Monate in Untersuchungshaft, bevor
die Haftbefehle im Februar diesen Jahres endlich aufgehoben wurden. Loic
aus Frankreich wurde im August 2018 aufgrund eines von Deutschland
erwirkten internationalen Haftbefehls in Frankreich festgenommen, im
Oktober 2018 nach Deutschland überführt und ist als einziger noch immer
in Untersuchungshaft. Loic muss raus aus dem Knast !
LIBERTE POUR LOIC !!! – Musik-Einlage-
Am frühen Morgen des ersten Gipfeltages machten einige 100 AktivistInnen
ihrer Wut über die herrschenden Verhältnisse Luft und verdeutlichten
ihre Unversöhnlichkeit mit dem kapitalistischen System durch das
Entglasen von Konsulaten, Banken, Geschäften und Ämtern und das Anzünden
von Autos in der im Villenviertel gelegenen Elbchaussee. Angesichts der
verhältnismäßigen Stille, ja Gleichgültigkeit, bei Angriffen auf
Geflüchtete und ihre Unterkünfte ist es dennoch nicht verwunderlich,
welche Empörung ein paar zerstörte Scheiben und Autos hervorrufen. Noch
immer gilt: „Scheiben klirren und ihr schreit, Menschen sterben und ihr
schweigt !“ Den in der Elbchaussee Geschädigten wurde eine Zahlung von
bis zu 40 Millionen EUR zugesichert, den Angehörigen der Opfer des NSU
insgesamt eine Million EUR Entschädigung gewährt. Dies verdeutlicht die
massive Diskrepanz bei der Wahrnehmung des Wertes von Menschenleben im
Vergleich zu Waren und Konsumgütern. Das Auto ist des Deutschen liebstes
Kind !
Die 5 Beschuldigten werden als vermeintliche Täter präsentiert,
konkrete Taten werden ihnen nicht vorgeworfen, sie sollen vor Ort
gewesen sein. Auf diese Weise konstruiert die Staatsanwaltschaft eine
strafrechtliche Mithaftung für Alles ! Bereits die bloße Anwesenheit auf
einer Demo, aus der heraus strafbare Aktionen stattfinden, soll für
jeden Teilnehmer strafbar sein, selbst wenn er erst später
hinzugekommen ist oder sich vorzeitig entfernt haben sollte. Aus
juristischer Sicht ist es sicher sinnvoll und notwendig, dieses
Konstrukt der Kollektivschuld anzugreifen.
Nach unserem Verständnis der Solidarität ist es völlig egal, ob jemand
bei einer solchen Aktion aktiv oder lediglich anwesend ist. Unsere
Solidarität gilt allen an der Aktion Beteiligten ! Widerstand ist
vielfältig und unteilbar, unsere Solidarität gilt allen von Repression
Betroffenen, egal was sie nach den Anschuldigungen der Klassenjustiz
gemacht haben sollen. Solidarität ist unteilbar !
Es ist offensichtlich, dass es nach der Anklage darum gehen soll,
Menschen von künftigem politischen Protest abzuhalten und eine ganze
Bewegung einzuschüchtern, in dem einzelne drakonisch bestraft werden.
Polizei und Staatsanwaltschaft wollen nach mehr als 1 ½ Jahren Arbeit
der eigens eingerichteten Soko „Schwarzer Block“ endlich Ergebnisse
vorweisen, „Schuldige“ präsentieren und mit Hilfe der Gerichte ein
Exempel statuieren.
Die Angeklagten haben einen langen Prozess vor sich, inzwischen wurden
weitere Verhandlungstage bis in den September 2019 angesetzt. Der
Show-Prozess Elbchaussee muss weiterhin begleitet und kritisiert werden.
Die ersten beiden Prozesstage fanden vor einem überfüllten Zuhörerraum
statt, die Angeklagten wurden mit minutenlang anhaltendem Beifall,
Victory-Zeichen und erhobenen Fäusten begrüßt und verabschiedet. Am 3.
Prozesstag wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit
für die gesamte Dauer der Beweisaufnahme ausgeschlossen, dies gilt bis
zu den Plädoyers und der Urteilsverkündung. Der beabsichtigte
„Geisterprozess“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist ein Angriff auf
die kritisch-solidarische Prozessbegleitung, auf uns als
Solidaritätsbewegung insgesamt. Der Ausschluss erfolgte gegen den
erklärten Willen der – auch jugendlichen – Angeklagten und ihrer
Verteidiger. Zur Begründung wurde doch tatsächlich behauptet,
Solidarität sei „erziehungsschädlich“, die Jugendlichen könnten nicht
frei und unbeeinflusst entscheiden, ob sie aussagen und Reue zeigen
wollen, dies unter anderem aufgrund der Empfehlung zur
Aussageverweigerung durch die Rote Hilfe und die Unterstützung durch
United we Stand sowie infolge der Solidaritätsbekundungen aus dem
Publikum. Der wahre Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit ist das
kämpferische Verhalten der solidarischen Bewegung, die sich weder
distanziert noch einschüchtern läßt und dies auch deutlich zum Ausdruck
bringt. Die Angeklagten wollen und brauchen weiterhin unsere volle
Solidarität, insbesondere Loic, der immer noch im Knast ist.
Schon zu Prozessbeginn gab es in mehreren Städten, auch in Frankreich,
Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen, so auch die kraftvolle Demo
am Vorabend des ersten Prozesstages in Hamburg mit ca. 500 Teilnehmern,
später dann am 16.3.19 zum Tag des politischen Gefangenen eine weitere
Demo mit ca. 400 Personen. An den einzelnen Prozesstagen gab es immer
wieder Kundgebungen vor dem Gerichtsgebäude mit Redebeiträgen und Musik.
Außerdem gibt es vor jedem Prozesstag von 7.00 bis 8.00 Uhr
Radiosendungen auf FSK zum aktuellen Prozessgeschehen. Das wird so
weitergehen, die nächsten Prozesstermine sind am 26.April sowie am 2.
und 3.Mai, jeweils um 9.30 Uhr, immer noch ohne Öffentlichkeit im
Gerichtsgebäude, aber mit Kundgebung ab 9.00 Uhr davor.
Solidarität ist vielfältig. Es hat auch direkte Soli-Aktionen gegeben,
auch in letzter Zeit. In einer auf Indymedia erschienenen Erklärung vom
29.3.19 heißt es: „In der Nacht vom 28. auf den 29.3 wurden an der
Randalehauptstraße Elbchaussee bei zwei Immobilienbüros die Scheiben
zerstört. Gegen die Stadt der Reichen ! Mit Freude war festzustellen,
dass in der gleichen Nacht andere Wütende das Amtsgericht in Barmbek
angegriffen haben. Keine Ruhe den G20-Schauprozessen, unterstützt die
Gefangenen, Anna und Arthur halten das Maul ! Solidarität heißt weiter
kämpfen !“ (soweit diese Erklärung).
Wir werden weiterhin Demos machen, wir werden weiterhin Kundgebungen
machen, zu den Prozessterminen beim Gericht und auch hier am Knast.
Zeigen wir den Angeklagten, dass sie nicht alleine sind. Schreibt
massenhaft Postkarten und Briefe an Loic. Lasst uns die Isolation
durchbrechen ! Für Loic: Solidarität heißt weiter kämpfen, für dich und
gemeinsam mit dir !
Wir lassen uns nicht spalten in „Gut“ und „Böse“, der Widerstand gegen
den G20-Gipfel in Hamburg war legitim.

Unsere Solidarität gegen ihre Repression !
Solidarität ist eine Waffe !
Solidarität heißt weiter Kämpfen !

United we stand !

Power durch die Mauer bis sie bricht !
Liberte pour Loic !

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