Liebe Genoss*innen,
wir grüßen euch! Und wir danken euch, für eure kämpferische, politische Erklärung und euren Boykott des Prozesses!
Wir möchten euch unsere Solidarität aussprechen. Die Abtretung des Verfahrens der Hamburger Staatsanwaltschaft an die Zürcher Staatsanwaltschaft trennt und vereinzelt uns nicht. Wir haben uns weder in Hamburg 2017 auf der Straße noch im Knast spalten lassen und wir stehen auch weiterhin zusammen im Kampf für eine Gesellschaft, in der alle Menschen gut leben können. Proteste sind nicht nur legitim, sie sind notwendig!
Mit dem Prozess gegen euch und den Verurteilungen, den Anklagen gegen uns alle, den etlichen G20-Verfahren und Haftstrafen, den Verfolgungen durch öffentliche Fahndungen oder Hausdurchsuchungen der vergangenen Jahre rächt sich der Staat daran, dass die Interessen der Kapitalist*innenklasse in Hamburg nicht protestlos ausgehandelt werden konnten. Stattdessen gingen Zehntausende auf die Straße. Und das trotz massiver Einschränkungen wie Demonstrations- und Campverbote. Damit wir die bestehende gesellschaftliche Ordnung nicht ins Wanken bringen, wird wie auch bei eurem Prozess wieder vermehrt auf kollektive Bestrafung gesetzt. Die einfache Anwesenheit auf der Demonstration reicht aus, euch zu kriminalisieren. Die Herrschenden haben allen Grund dazu, denn der Großteil der Menschen hat nichts von der auf Profit statt auf Bedürfnisse ausgerichteten Wirtschaft. Sie haben nichts vom dem durch ihre Hände erarbeiteten Reichtum, im Gegenteil leiden sie unter den Folgen der strukturellen Ausbeutung: Armut, Krieg, Unterdrückung.
Entsprechend ging es auf dem jährlichen Gipfeltreffen der Regierungs- und Staatschefs der zwanzig wirtschaftsstärksten Länder 2017 zum Beispiel um Privatisierungen von Infrastruktur und Öffnung von Märkten für ausländische Investoren in Ländern in Afrika. Die damit einhergegangenen neuen Investitionsmöglichkeiten und Absatzmärkte dienen der Ausplünderung durch reiche Staaten und Kapitalist*innen. Es ging um die Klärung widerstreitender Kapitalinteressen beim Warenhandel und um die Absicherung der Finanzmärkte. Die unvermeidlichen Krisen werden dann aber auf dem Rücken der besitzlosen Klasse ausgetragen. Auch Aspekte der Gesundheitsversorgung wurden verhandelt – natürlich nicht zum Nutzen aller Menschen, sondern um am marktorientierten Gesundheitssystem festzuhalten. Wohin das führt, sehen wir aktuell unter anderem an der Bewältigung der Sars-CoV-2-Pandemie – Patente und privater Gewinn statt Gesundheit für alle. Daran hielten die G20 auch weiterhin bei ihren letzten Zusammenkünften 2020/2021 fest. Und ihr kürzlich beschlossenes Schuldenmoratorium für arme Länder beinhaltet im Grunde, dass die aufgeschobenen Zahlungsforderungen später mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen – abgesehen davon, dass ein Großteil der Schulden eh bei privaten „Gebern“ liegt, die sich daran nicht binden und auch mögliche Schuldenerlasse üblicherweise an Bedingungen geknüpft werden, die Abhängigkeiten verstärken.
In Anbetracht dieser Verhältnisse und Vorwürfen wie Landfriedensbruch lässt sich mal wieder fragen, wer hier eigentlich welchen und wessen Frieden bricht. Oder wie ihr auch in eurer Prozesserklärung geschrieben habt: von welcher Gewalt hier gesprochen wird. Das bereits im Herbst, noch vor Prozessbeginn verfasste Urteil von Richter Vogel gegen euch, zeigt erneut den Klassencharakter der bürgerlichen Justiz. Politiker wie Olaf Scholz schüren den Hass gegen uns und die juristischen Vertreter*innen des Staates führen ihn ordnungsgemäß aus. Ebenso wie rassistische und sexistische Gesetze, haben diese Verfahren natürlich politische Hintergründe – und auch eine solche auf blutigen Kämpfen aufgebaute Geschichte. Sie dienen dem Erhalt der Ausbeutung und der Macht der herrschenden Klasse. Dafür müssen solche Gipfel eben auch mit dutzenden Millionen Euro an Kosten und hochentwickelter Technologie wochenlang durch Polizei und Militär abgesichert werden.
Dieses System braucht und ruft Gewalt hervor. Das zeigt sich an den militarisierten, tödlichen Grenzen, an den hunderten Millionen von Menschen, die in extremer Armut leben und bei all jenen, die die Folgen von durchs Kapital geschürten Kriegen ertragen müssen – Verhältnisse, in denen Sexismus, Faschismus und Rassismus sich vortrefflich entfalten können. Deutlich wird das auch an der Zusammenarbeit bei Angriffen gegen emanzipatorische Bewegungen wie gegen den Freiheitskampf in Kurdistan oder der Zapatistas. Und natürlich sind die Ausbeutungsverhältnisse auch täglich vor unserer eigenen Haustür sichtbar, beziehungsweise dahinter: schlechte Wohnverhältnisse, Wohnungslosigkeit, Prekarisierung, Illegalisierung, Knast.
Wir haben großen Respekt vor eurem Protest im Gerichtssaal und eurer konsequenten Aussageverweigerung. Der Kampf für eine solidarische Gesellschaft geht weiter. Die Massen an Menschen, die sich überall und immer wieder gegen ihre Unterdrückung auflehnen, wissen, dass Freiheit noch nie einfach verschenkt wurde.
Für eine klassenlose Gesellschaft, in der keine Privatisierungen, sondern Vergesellschaftung vorangetrieben wird! In der wir nicht gezwungen sind, unsere Arbeitskraft zu verkaufen, deren Mehrwert sich die Kapitalist*innen aneignen, wobei wir selbst nur so viel erhalten, dass es gerade zu unserer Reproduktion reicht – und für viele nicht einmal dazu. Für eine Gesellschaft, in der Herrschaftsformen wie Rassismus und Sexismus keinen Platz haben und in der eine solidarische Gemeinschaft an die Stelle der kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse tritt. Für wirklichen Frieden!
Wir wünschen euch viel Kraft! Wir stehen zusammen, für ein gemeinsames besseres Leben für alle.
Wir danken allen, die uns und andere von Repression Betroffenen mit ihrer Solidaritätsarbeit unterstützen und senden kämpferische Grüße an all jene in der Welt, die sich gegen die inhumanen Zustände wehren – auf der Straße und in den Knästen!
Hoch die internationale Solidarität!
Mehrere Angeklagte des Rondenbarg-Verfahrens in der BRD
]]>Solidarität für Loic und die anderen angeklagten Gefährten!
Vor drei Jahren sind mehrere zehntausend Frauen und Männer aus allen Ländern Europas in Hamburg auf die Straße gegangen, um gegen den G20-Gipfel zu demonstrieren, jeder mit seinen eigenen Mitteln, seinen eigenen Demonstrationsformen und seinen eigenen Empfindungen. Allen gemeinsam war die Überzeugung, dass der Gipfel Ausdruck einer Welt voller Ungerechtigkeit und Ausbeutung war.
Viele leiden weiterhin unter den Rachegelüsten der Staatsanwaltschaft. Am 10. Juli dieses Jahres wird das Urteil in jenem Prozess gefällt, der wahrscheinlich der wichtigste der Prozesse gegen die Demonstranten ist.
Fünf Gefährten werden beschuldigt am Morgen des siebten Juli an der Demonstration auf der Elbchaussee teilgenommen zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert für sie Strafen bis zu vier Jahren und neun Monaten Haft.
Am kommenden Freitag riskieren unsere Brüder und Freunde zurück ins Gefängnis geschickt zu werden.
Loic – vor allem er – wurde bereits ein Jahr und vier Monate in Untersuchungshaft gehalten.
Es werden ihnen keine besonderen Straftaten vorgeworfen, vielmehr seien sie „Teil“ einer Gruppe von Personen gewesen, die Straftaten begangen hätten.
Ihre Verurteilung würde den Weg freimachen für viele weitere Verurteilungen all jener, die beschließen, an einem Protest auch nur teilzunehmen; ein gefährlicher juristischer Präzedenzfall soll geschaffen werden, der sich an alle richtet, die für einen andere, eine bessere Welt zu kämpfen bereit sind.
Lasst uns alles tun, die Gefährten nicht allein zu lassen.
Unsere Solidarität gilt Loic und den anderen Angeklagten des Elbchausseeprozesses!
Euer Fabio
]]>Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
United we Stand!
Free Loïc! Liberté pour Loïc ! Freiheit für Loïc!
Gipfelgestöber? Kein Schnee von Gestern!
Ziel unserer Proteste war und ist, die Gipfelstaaten und deren Sicherheitsarchitekturen anzugreifen, um deren Strategien zur Verteilung von Macht und Reichtum zu durchkreuzen. Sie bauen durch Ausbeutung, Krieg, Umweltzerstörung, Hungerkatastrophen und die Bekämpfung von Fluchtbewegungen den Reichtum der reichsten Länder auf Kosten des Großteils der ärmeren Weltbevölkerung immer weiter aus.
Seit den Protesten gegen den G20 Gipfel im Juli 2017 gab es zahlreiche Repressalien gegen unsere Bewegung. Unser Freund Loïc gehört zu denjenigen, an denen der Staat seine besondere Rache übt: Er sitzt seit Herbst 2018 wegen des Vorwurfs der Beteiligung an militanten Interventionen in Untersuchungshaft. Neben über 160 Verurteilungen sind – Stand heute – hunderte Verfahren gegen Gipfelgegner*innen anhängig.
Außer Loic sitzen zur Zeit zwei weitere Menschen im Knast, die laut Presse im Verdacht der Planung und Vorbereitung einer Brandstiftung anlässlich des zweiten Jahrestages des G20-Gipfels 2017 in Hamburg stehen. Sie wurden in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2019 festgenommen und sind seitdem in U-Haft. Eine weitere Gefährtin erhielt Haftverschonung unter Auflagen.
Freiheit für die Drei von der Parkbank!
Der Widerstand gegen die Gipfel der Herrschenden war und bleibt legitim. Solidarität mit den Betroffenen der Repressionsapparate ist Teil des Widerstandes gegen ihr neoliberales Imperium.
Knäste zu Baulücken!
Seit seiner Festnahme im August 2018 und der schnell folgenden Auslieferung an Deutschland ist Loïc im Knast Holstenglacis in Hamburg inhaftiert. Er lebt nun zusammen mit vielen Gefangenen aus anderen Ländern, die hier kriminalisiert werden, weil sie ohne Papiere unterwegs waren, Kleinstmengen an verbotenen Drogen bei sich hatten, ohne Fahrschein erwischt wurden, nach § 129b den Widerstand gegen die Herrschenden in anderen Ländern unterstützt haben sollen oder sich einfach zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielten.
Knast ist ein Mittel der Rache und war immer auch dazu da, um Widerständige und Aufständische von radikaler und praktischer Kritik am herrschenden System abzuhalten. Der Knast und die deutsche Justiz spiegeln die sozialen Ungleichheiten in aller Schärfe wider – Benachteiligte, Unzufriedene und besonders Nicht-Deutsche befinden sich dort zu Zehntausenden ihrer Freiheit beraubt. Als Ausländer landest du schneller im Knast – und bleibst auch länger drin. Wie auch die kämpferischen Gefangenen arbeiten wir täglich für eine Gesellschaft, in der es keine Knäste mehr braucht und die Lüge ihrer „Freiheit der Märkte“ und ihrer Gerechtigkeitsfantasien entlarvt werden.
Die Rache mit der Brechstange
Der Prozess um den „Tatkomplex Elbchaussee“, einer militanten Spontan-Demo in einem Hamburger Nobelviertel, wegen der auch Loïc mit vier weiteren Linken beschuldigt wird, findet seit Januar unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dieser Beschluss fußt auf dem jungen Alter der Beschuldigten und auf der „erziehungsschädlichen Solidaritätsarbeit“, was die Unterstützung der Angeklagten erheblich erschwert.
Auch sind die Besuchszeiten äußerst be-schränkt: Die Abschottung von der Außenwelt ist in der UHA-Holstenglacis umfassend.
Der Prozess wird gegen Loic und gegen 4 Freunde und Genossen aus Frankfurt/Offen-bach geführt, von denen die beiden Erwachsenen nahezu 8 Monate in U-Haft waren, bevor die Haftbefehle aufgehoben wurden.
Der Prozess findet in einem Kontext medialer Diffamierung der Gipfelproteste statt und förderte auch einige Spannungen innerhalb der Justizbehörden zu Tage. So scheiterte die Staatsanwaltschaft bereits zwei Mal mit dem Versuch die Vorsitzende Richterin abzusägen. Das Verfahren ist gespickt von Einblicken in die Schwäche der Anklage, die die bloße vermeintliche Anwesenheit der Angeklagten, wie schon beim „Rondenbarg-Komplex“, nutzen möchte, um sie für den Millionenschaden zur Rechenschaft zu ziehen.
Doch auch für Grausamkeiten der Rachejustiz mangelt es im Rahmen der G20-Verfahren nicht an Beispielen. Die Haftbedingungen für die „Elbchaussee-Beschuldigten“ wurden erst nach Monaten schrittweise gelockert. Zu Loïc gibt es Berichte von Einsperrungen im Keller der U-Haftanstalt während solidarischen Kundgebungen vor dem Knast. Im Mai zwangen ihn Schließer zu einer Pause in einer Zelle im Gericht, in der drei tote Vögel lagen, was unser Freund jedoch kreativ nutzte, indem er einen der Kadaver, begleitet von einer politischen Rede, an der restlichen Sitzung des Gerichts teilhaben ließ.
Libérez notre camarade
Loïc ist ein Freund aus Frankreich, der im August 2018 wegen eines europäischen Haftbefehls beim Besuch seiner Eltern in Nancy festgenommen wurde. Eine vorübergehende Freilassung lehnte das Gericht im Juni 2019 unter anderem damit ab, dass ein breites „internationales Netzwerk“ von Freund*innen an seiner Seite stehe, weshalb eine „erhöhte Fluchtgefahr“ bestünde.
Loïc wuchs mit dem Teils massiven Protest gegen unnütze Großbauprojekte und den neoliberalen Reformen der unterschiedlichen französichen Regierungen der letzten Jahre auf. Er fehlt uns auf der Straße und in den Wäldern; sei es im Widerstand gegen das geplante Atommüllager in Bure oder auf dem ZAD, einem besetzten Gelände mit Ansätzen anarchistischer Gesellschaftsentwürfe.
Als Dichter, Gärtner und Musiker kämpft unser Freund auch heute mit der Kraft der Künste, Gedanken und Worte für eine bessere Welt. Seine fortwährende Inhaftierung und der politische Tenor der Hamburger Justiz sind ein Angriff auf uns alle. Loïc büßt stellvertretend für alle, die den Gipfel von Hamburg zum Scheitern bringen wollten.
Egal, was Loïc vorgeworfen wird, er ist ein Aktivist für eine andere Welt, gegen die herrschenden Verhältnisse – und ein Freund. Schreibt ihm, unterstützt ihn und engagiert euch für eine Gesellschaft, die keine Knäste braucht. Steht ein gegen die Gipfel der Herrschenden und fordert die sofortige Freilassung von Loic, den Gefährten von der Parkbank, den § 129b-Gefangenen und allen anderen politischen und sozialen Gefangenen.
Loïc muss raus. Bald. Schnell. Sofort!
Kampagne
#LibertePourLoic – United We Stand
https://unitedwestand.blackblogs.org
Schreibt Loïc:
Loïc Schneider
UHA Holstenglacis
Holstenglacis 3
20355 Hamburg
Kontakt seiner Supportstruktur:
[email protected]
https://laneigesurhambourg.noblogs.org
]]>
wir haben gehört, dass ihr 3 am Montag, den 08. Juli festgenommen
wurdet. Eine*r von euch ist inzwischen wieder draußen.
Wir wünschen euch viel Mut und Kraft. Der Kampf geht weiter, für euch
haben sich nur die Bedingungen verändert.
Mit Power durch die Mauern, ob drinnen und draußen, bis sie brechen!
Bundesweite Solistrukturen gegen G20
14. Juli 2019
]]>Erste Elemente um den Verlauf des Verfahrens zur Elbchaussee zu begreifen, dass am 18. Dezember in Hamburg begonnen hat – oder: Wie der deutsche Staat versucht zu belegen, dass alle Personen die an einer Demonstration teilnehmen, organisierte Schwerverbrecher*innen sind, und als solche verurteilt gehören.
Ein*e jede*r weiss, dass die Justiz ein unflätiges Theater ist, bei dem die Reichen und ihre Handlanger*innen die Armen und Rebell*innen angehen. Dennoch sind seine Aufführung mitnichten gleichwertig. Es erscheint oft als flink oder gar abgehackt. Mal erscheint es, als zu gut geölt, kein Zweifeln am seinem Ausgang lassend, dramaturgisch schwach.
Die Aufführung die am Dienstag, den 18. Dezember vor dem Hamburger Gericht begann, kommt angesichts der 29 geplanten Verhandlungstage bis Mai mit viel Hecheln daher und mit mehr Überraschungen, als abzusehen war. In der Kritik: Das äußerst schlecht geschriebene Szenario, ein beklemmender Casting-Fehler und eine unerwartete Intervention. Versuch einer Aufschlüsselung.
Erste Elemente um den Verlauf des Verfahrens zur Elbchaussee zu begreifen, dass am 18. Dezember in Hamburg begonnen hat – oder: Wie der deutsche Staat versucht zu belegen, dass alle Personen die an einer Demonstration teilnehmen, organisierte Schwerverbrecher*innen sind, und als solche verurteilt gehören.
Ein*e jede*r weiss, dass die Justiz ein unflätiges Theater ist, bei dem die Reichen und ihre Handlanger*innen die Armen und Rebell*innen angehen. Dennoch sind seine Aufführung mitnichten gleichwertig. Es erscheint oft als flink oder gar abgehackt. Mal erscheint es, als zu gut geölt, kein Zweifeln am seinem Ausgang lassend, dramaturgisch schwach.
Die Aufführung die am Dienstag, den 18. Dezember vor dem Hamburger Gericht begann, kommt angesichts der 29 geplanten Verhandlungstage bis Mai mit viel Hecheln daher und mit mehr Überraschungen, als abzusehen war. In der Kritik: Das äußerst schlecht geschriebene Szenario, ein beklemmender Casting-Fehler und eine unerwartete Intervention. Versuch einer Aufschlüsselung.
Die Ausgangslage ist bekannt. Auf der einen Seite stehen die Stadt Hamburg, ihre Bullen und ihre Justiz, auf der Suche nach Rache für die Schmach die sie während den Hamburger Aufständen erlitten, welche ihren G20-Gipfel 2017 ruiniert haben. Dieser Teil der Beteiligten hat die ganz großen Mittel mobilisiert, um einen Erfolg mit Wiederhall zu erzeugen. Der Löwenanteil zur Absatzförderung des Verfahrens wurde von den Medien übernommen. Verleumdungsaufrufe, Razzien, europäischer Haftbefehl und andere Verhaftungen im Ausland haben zur Illusion einer effizienten Ermittlungsarbeit beigetragen (immerhin 180 Vollzeitermittler über 15 Monate).
Auf der anderen Seite sind die fünf Beschuldigten, verfolgt, verleumdet, festgenommen und (im Fall von drei unter ihnen) eingesperrt. Sie sollen für die Vorwürfe zur Rechenschaft gezogen werden: Beteiligung an der Express-Verwüstung der schicken Elbchaussee in den frühen Morgenstunden des 7. Juli. In wenigen Minuten soll dieser zügige Spaziergang gegen die reichsten Herrscher auf diesem Planeten eine Millionen Euro werte Zerstörung mit sich gebracht haben, da systematische Sachschäden an den Symbolen des Reichtums und der Macht verursacht wurden: Banken, Konsulate, Autos, Läden und ein berühmtes skandinavisches Geschäft für Drecksmöbel.
Auf dereinen Seite befinden sich also fünf junge Menschen, vier Deutsche und ein Franzose. Auf der anderen eine Bullenarmada, Richter, Politiker und Journalisten die von ihrer Schuld überzeugt sind. Doch von welcher Schuld wird hier gesprochen? So lautet die geheimnisvolle Fragestellung, die aich am ersten Tag des Prozesses allen Anwesenden aufdrängte.
Nachdem sich der unheilverkündende Vorhang aufgrund dutzender UnterstützerInnen die den Saal füllten verspätet öffnete, begann das Gericht mit der Verlesung der unzähligen Tatvorwürfe. Es folgte eine einschläfernde Verlesung der zahllosen Sachbeschädigungen die an der morgentlichen Demonstration erfolgten. Dazu gehörte eine weitschweifige Verlesung der Nummernschilder verbrannter Fahrzeuge wie auch eine Schätzung des Wertes einer jeden Zerstörten Fensterscheibe im Viertel. Denn darum geht es doch. Wenn Autos brennen und Scheiben bersten, dann fordert der Staat, dass diejenigen, die Autos verbrennen und Scheiben zerstören, bestraft werden. Dennoch dürften geneigte Zuschauer*innen durch eines sehr überrascht worden sein: Es fehlte jegliche Verknüpfung zwischen den beschuldigten Personen und den angeführten Straftatbeständen. Anders gesagt: Der Prozess, der landein landaus als das Verfahren gegen die Feuerteufel der Elbchaussee angekündigt wurde, beschuldigt fünf Personen, denen mitnichten vorgeworfen wird, tatsächlich Scheiben zerstört oder Autos den Flammen übergeben zu haben.
Was den Beschuldigten vorgeworfen wird ist vor allem deren angebliche Anwesenheit bei dieser Versammlung – und einige weitere Gesten im Fall unseres Freundes Loïc. Und was die Staatsanwaltschaft, also der Staat, im Laufe der kommenden Monate durchsetzen will, ist, dass es möglich sein soll Menschen zu mehrjährigen Haftstrafen zu verurteilen, für die einfache Gegebenheit, dass diese auf einer Demonstration gewesen sein sollen, bei der es Sachschaden gab – und dass ohne beweisen zu müssen, dass diese Personen praktisch an diesen Beschädigungen beteiligt waren. Damit dieser Hokuspokus gelingt, muss es möglich sein aus einer Demonstration eine organisierte kriminelle Bande zu machen – diese Heldentat zu verwirklichen erscheint als das Ziel des Hamburger Staatsanwaltes Tim Pashkowski.
So scheint, als könne dass von der Anklagebehörde geschnürte Drama zu einer unreifen Satire mutieren. Denn die Leere der Anklage, welche die Verteidigung seit Monaten aufzuzeigen versucht, scheint auch der Vorsitzenden der 17e Strafkammer nicht entgangen zu sein. Im Rahmen der mündlichen Auseinandersetzungen vor Prozessbeginn, stellte die Richterin Anne Meyer-Goring fest, dass ihre Einschätzung der höchsten zu erwartenden Strafen deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft liegt. Sie forderte ohne Erfolg eine Entlassung von zwei der Angeklagten und kritisierte als Jugendrichterin (zwei der Beschuldigten waren zum Tatzeitpunkt minderjährig) die Arbeit der Ermittler, die sie beschuldigte die Verfahren auf Einfluss politischem und medialem Drucks aufzubereiten. Diese Missbilligung führte dazu, dass die Staatsanwaltschaft versuchte ihr im Vorfeld den Fall noch Anfang Dezember zu entziehen. Dieser Befangenheitsantrag wurde nicht angenommen, so dass Sie nun die Aufgabe hat, diesen umfangreichen Prozess führt und die schwierige Aufgabe hat, diese neuen repressiven Methoden der deutschen Polizei und ihre politischen Vorstellungen (die Kriminalisierung sämtlicher an einer teilweise gewalttätigen Versammlung beteiligten Personen) zu bewerten.
(Es wäre uns natürlich fern, eine Beamtin zu verehren. Auch wenn Sie sich zur Verteidigung des „guten Rechtsstaates“ aufmacht und als Bollwerk gegen bestimmte polizei-politische Auswüchse anrennt, trägt Sie noch immer die Logik der anklage mit,die bis zu drei Jahre Haft ohne Bewährung einfordert.)
Zu den erheiternden Innovationen im Rahmen der ermittlungen gehört nicht zuletzt die massive und automatisierte Erfassung von Einwohner*innen und Demonstrant*innen mithilfe der speziell für diesen Anlass besorgten Gesichtserkennungssoftware. Zehntausende Gesichter wurden aufgenommen, sortiert, klassifiziert und nach „Profilen biometrischer Gesichtserkennung“ gespeichert, die ermöglichen sollen Individuen auf anderen Bildern zu erkennen, ihre Bewegungen in Menschenmengen nachzuvollziehen etc. Da dies einer soliden rechtlichen Grundlage entbehrt brauchte es nicht nur Aktivist*innen und Anwält*innen um dies anzuprangern. Dienstag, am Tag des Prozessbeginns ordnete der Datenschutzbeauftragte die Absage der Verwendung des Programms an. Wir reden immerhin über 100 Terrabites an Informationen, 32.000 Foto- und Videodateien einer niemals festgestellten Anzahl an betroffenen Personen.
Die Polizei hat ihre eigenen Bilder verwendet, aber nicht nur. Es stammt von ÖPNV-Kameras, Bahnhöfen, Medien und zahllosen ehrlichen Bürgern die ihre Diffamierung auf einem speziell von den Behörden eingerichtenten Verratsportal veröffentlichten. Der Datenschutzbeauftragte stellte fest, dass diese Prozedur „in erheblichem Maße die Freiheitsrechte einer vielzahl an Personen“ beschnieidet. Er fordert die Löschung der Daten und den Verbot der Software „Videmo360“. Die Bullen würden ihr millionenschweres Spielzeug ihrerseits gerne weiter verwenden, auch wenn es nicht den bahnbrechenden Erfolg gebracht hat (gerade mal drei identifizierte Personen im Zusammenhang mit dem G20). Dies beweist die neue Serie an öffentlichem Bild-Fahndungsmaterial, bei der die hamburger Polizei in derselben Woche 54 Gesichter veröffentlichte. All dies um die Kultur der Diffamierung und des Verrats erneut zu stärken
In dieser Stimmung wurde also der Schau-Prozess eröffnet, bei dem sich alle Aktivist*innen, Jurist*innen und Politiker*innen einig sind: Er könnte Rechtsgeschichte schreiben und möglicherweise schwerwiegende Folgen für das Recht auf Versammlungsfreiheit haben. Und da kein gutes Spektakel wirklich ohne Publikum auskommt, wurde sich darauf geeinigt die kommenden Prozesstage, am 8. und 10. Januar, öffentlich zu halten. Die kommenden Akte dürften einige Ungereimtheiten und Schwächen der Anklageschrift zutage fördern und vielleicht den bleibenden Fragen neue Elemente servieren.
Zum Beispiel: Dürfen deutsche Bullen alles, wenn Sie im Ausland unterwegs sind? Oder, entsteht der Schwarze-Block, so wie es die Staatsanwaltschaft vorgibt „aus einer arbeitsteiligen, überlegten, Kooperation“ ? Was hat es mit der „mentalen Unterstützung“ der die „friedlichen“ Demonstrant*innen beschuldigt werden auf sich und inwieweit sollen diese diejenigen unterstützt haben, die Dinge kaputt gemacht haben? Kann ein Mensch für Handlungen auf einer Demonstration verantwortlich gemacht werden, wenn diese Person die Demonstration bereits verlassen hat? Ist es wirklich möglich zu behaupten, dass das Bewegungsprofil einer Person so einzigartig ist wie ihre Fingerabdrücke?
Das Drama was der Staat sich hier zu schreiben zwingt wird vermutlich nicht zu einer Komödie werden. Dennoch sollte jede der kommenden Sitzungen als Möglichkeit begriffen werden, sowohl die Lächerlichkeit der Anschuldigungen als auch die Richtigkeit der angeführten Aktionen zu unterstreichen. Sie sollten als die Gelegenheit begriffen werden in verschiedenster Art unsere Genossen und Freunde zu unterstützen, die Widerwillen zu Schauspielern in diesem grotesken Schelmenstück geworden sind. Es gab erste Versammlungen und Aktionen in den Tagen um den Prozessbeginn, in Paris, in Nancy, in Freiburg, in Frankfurt und in Berlin, sowie eine größere Vorabenddemo in Hamburg. Es gab Feuerwerk auf den Dächern befreundeter Projekte und Parolen und Gesänge erhoben sich vor den mauern des Knastes, in dem drei der Beschuldigten noch eingesperrt sind. Am Tag der Prozesseröffnung wurden sie mit Applaus im Gerichtssaal empfangen und haben ihn mit gehobener Faust wieder verlassen. Der Prozess wird lang sein – wir sind dieser Tage mit unseren Gedanken bei ihnen!
Liberté pour Loïc !
Freiheit füralle Gefangenen des G20 !
Grenzüberschreitendes Solikomitee
Nächste Prozesstermine:
Januar: 8, 10, 15, 17, 22, 24, 29, 31
Februar: 7, 8, 14, 15, 20, 21
März: 18, 22, 28, 29
April: 4, 5, 25, 26
Mai: 2, 3, 9, 10
Anmerkung: Der Prozesstag am 8. Januar dauert nur etwa 15 Minuten.
Unterstützung zur Finanzierung
Die Verteidigung von Loïc, sein Leben im Knast und Reisen zu seiner Unterstützung kosten viel Geld.wenn ihr euch beteiligen könnt, spendet an die Rote Hilfe und/oder an den Verein CACENDR (Betreff: „Don pour Loic“). Danke!
RIB: https://manif-est.info/home/chroot_ml/ml-manif-est/ml-manif-est/public_h…
Die Frage mit den Büchern:
Loïc will Bücher, viele Bücher, sehr viele Bücher um, wie er sagt „die intellektuelle Waffe zu ernähren“. Er liesst etwa zwei Bücher am Tag (nicht die Plejaden) in einer kleinen Zelle, zwischen Schlaf und den paar dutzend Minuten Hofgang. Die Regeln der Knastverwaltung sind hart: Die Bücher müssen neu sein, müssen vorher der Knastverwaltung gemeldet werden usw. Die ersten Bücher haben einen Monat gebraucht um ihn zu erreichen. Um Dopplungen zu vermeiden, ist es am einfachsten mit Spenden. Wenn ihr Verleger*in, Buchändler*in oder Autor*in seit, könnt ihr auch durch Bücherspenden eurer Solidarität Ausdruck verleihen. Kontaktiert dafür gerne die unten angegebene Kontaktadresse, das wird ihn sehr freuen. Danke!
Kontakt:
soutienloic(at)riseup(dot)net
]]>ist eine ausführliche Reportage und Reflexion über das, was vor, während und nach dem G20 – Gipfel in Hamburg passiert ist. Gleichzeitig ist es ein Brief, der an die Aktivist*innen und Bewohner*innen von Buenos Aires, Argentinien gerichtet ist – wo nun bald der nächste Gipfel (-Protest) stattfinden wird.
Die Autor*innen aus Paris und Hamburg haben sich gemeinsam an der Protestwoche beteiligt. Bereits im September 2017 begann Arbeit an dem Buch. Das Ganze wurde klandestin kommuniziert und verfasst, weil von Seiten der Politik und Polizei angeblich eine „internationale Verschwörung“ für den ja auch militanten Widerstand verantwortlich gewesen sein soll.
Die ca. 25 Produzent*innen kommen aus vier Kontinenten, sowie auch aus politisch unterschiedlichen Geschichten und Haltungen – einige verstehen sich als militant, andere ausdrücklich als gewaltfrei. Ihre Wahrnehmung über die Geschehnisse ist dennoch eine weitgehend gemeinsame und sicherlich ein Beitrag zur Geschichtsschreibung über den G20, sowie dafür geeignet etwas Licht in den Rauch von Tränengas, brennenden Barrikaden und zahlreichen medialen Nebelkerzen zu bringen.
Für die Compas in Buenos Aires soll der Brief eine Hilfe sein, mit ähnlichen Situationen besser umzugehen – Fehler möglichst nicht zu wiederholen und positive Aspekte aufnehmen zu können. Erlöse des Buchverkaufs werden für Repressionskosten in Buenos Aires gespendet.
Ihr könnt die deutsch/englische Version als E-Book / PDF hier herunterladen.“
]]>Update: Loic wurde mittlerweile nach Hamburg gebracht und sitzt nun im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis.
]]>
Unter einem Alias war der Bremer als Pressesprecher des linken „Social
Strike“-Bündnisses aufgetreten. Dieses hatte, zeitgleich zu den
Anti-G20-Demonstrationen in der Hamburger Innenstadt, zu Protesten im
Hamburger Hafen aufgerufen. In der Verhandlung erklärte der Angeklagte,
mit den Protesten im Hamburger Hafen habe das Bündnis zeigen wollen,
dass „Zentren der Logistik wie der Hamburger Hafen die Knotenpunkte des
weltweiten Exports bilden.“ Der Hafen sei damit „ein Symbol für das
deutsche Exportmodell, die deutsche Krisenpolitik und ihre sozialen wie
ökologischen Verwüstungen“. Nach Aussage des Sprechers des Hamburger
Hafens kam es in Folge der Proteste zu drei Tagen Rückstau bei den
Transporten, die den Hafen durchlaufen.
Auch die Bremer Basisgruppe Antifaschismus war Teil des „Social
Strike“-Bündnis und an der Organisation der Proteste beteiligt. Zum
heutigen Prozess erklärt ihr Sprecher Sebastian Hinze: „Mit dem
Verfahren wurde nicht nur versucht antikapitalistischen Protest für
strafbar zu erklären. Auch die Möglichkeiten zur kritischen
Öffentlichkeitsarbeit sollten so eingeschränkt werden. Das Verfahren
richtete sich zwar gegen einen einzelnen Aktivisten. Gemeint sind aber
alle, die mit dieser Gesellschaft nicht einverstanden sind.“ Hinze
erklärt weiter, „alle im Zuge des G20-Gipfels Angeklagten“ stünden
„beispielhaft für die Kriminalisierung von Menschen mit grundsätzlicher
Kapitalismuskritik. Auch mit ihnen allen erklären wir uns ausdrücklich
solidarisch.“
Der Genosse hat vor Gericht eine Erklärung verlesen, sie findet sich hier: http://basisgruppe-antifa.org/wp/2018/07/30/g20-prozess-in-bremen-solidaritaet-mit-linkem-aktivisten-aus-bremen/
]]>
Gestern (am 27.06.18) haben bundesweit im Zuge der G20 Repressionen 13 Razzien
stattgefunden. Sechs Genoss*innen und Freund*innen sitzen im Knast, vier
davon aus Frankfurt/Main und Offenbach. Wir hatten uns im Voraus
verabredet, um auf die Angriffe auf emanzipatorische Strukturen und
gerechtfertigte Kämpfe – in diesem Fall gegen den G20 Gipfel – gemeinsam
zu reagieren. Deshalb haben sich 100 Leute zusammengefunden, um eine
Antwort auf die Vorgänge zu finden und sich mit den Gefangenen des
heutigen Tages zu solidarisieren. Unsere Solidarität gilt den Gefangenen
und ihrem Umfeld, auch wenn wir wissen, dass wir alle damit gemeint
waren. Die heutigen Festnahmen reihen sich ein in eine Vielzahl von
Angriffen der Repressionsorgane gegen die G20-Proteste; angefangen bei
Öffentlichkeitsfahndungen, über mehrere Wellen von internationalen
Hausdurchsuchungen und Verhaftungen, bis hin zu Terrorisierungen ganzer
Stadtteile und massiver medialer Hetze. Wir fordern die sofortige
Freilassung aller unserer Genoss*innen und erklären unsere Solidarität
mit allen emanzipatorischen Kämpfen weltweit. Kein Angriff auf unsere
Leute und Strukturen darf unbeantwortet bleiben. Bei Repression ist
unser aller Solidarität gefragt, organisiert euch, werdet aktiv und
lasst die Leute nicht alleine.
United we stand – Fight G20!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Emanzipatorische Kämpfe in die Offensive!
Solitreffen Frankfurt am Main 28. Juni 2018
Anfragen, Soliaktionen etc. bitte an:
[email protected]
Spendet für die Gefangenen:
Spendenkonto der Ortsgruppe Frankfurt
Rote Hilfe e.V. – Ortsgruppe Frankfurt
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS
Konto: 4007238390
BLZ: 43060967 GLS-Bank
Betreff: G20