Presse – UNITED WE STAND https://unitedwestand.blackblogs.org summer of resistance - summit of repression - solidarity is our weapon Sun, 26 Jun 2022 10:36:54 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://unitedwestand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/406/2017/10/cropped-kundgebung-32x32.png Presse – UNITED WE STAND https://unitedwestand.blackblogs.org 32 32 Loic will Reststrafe in Frankreich absitzen https://unitedwestand.blackblogs.org/loic-will-reststrafe-in-frankreich-absitzen/ Sun, 26 Jun 2022 10:36:54 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=3204 Continue reading ]]> Loic muss wegen seiner Verurteilung wegen der G20-Proteste in Hamburg 2017 wieder in den Knast

Radio Dreyeckland (RDL) aus Freiburg hat im Dezember ein Gespräch mit Loic geführt,

Vor einiger Zeit wurde er im sogenannten Elbchaussee-Verfahren zu 36 Monaten Knast verurteilt. Nach 16 Monaten im Hamburger Untersuchungsgefängnis läuft nun ein Antrag seiner Anwält:innen, die Haft in Frankreich verbüßen zu können. Er muss also demnächst für einige Zeit ins Loch zurück. RDL hat uns freundlicherweise die Abschrift des Radiointerviews https://rdl.de/beitrag/loic-will-g20-reststrafe-frankreich-absitzen zu Verfügung gestellt. (Red.)

Interview von Luc Śkaille, geführt Ende Dezember 2021

RDL: Du hast ja schon damit begonnen die Situation zusammenzufassen. Was dich damals ins Gefängnis gebracht hat, waren die Proteste gegen G20. Willst du nochmal erklären was dir in dieser Prozedur vorgeworfen wird?

LOIC: Es geht in der Strafe vor allem um die Elbchaussee, eine der wohlhabensten Straßen in Hamburg. Es ist ein besonderer sehr spezieller Vorwurf, da es sehr stark eine kollektive Dimension bekommt, bei der alles was bei der Versammlung passiert ist mir und vier weiteren Angeklagten umfassend zur Last gelegt wird. So sind wir jetzt für allen Sachschaden der Demonstration verantwortlich zu machen, eine Million € in 20 Minuten und 19 verbrannte Autos. Und selbst wenn wir nicht diesen konkreten Straftaten zugeordnet werden, werden wir der Komplizität beschuldigt. Dafür habe ich, ich glaube zwei Jahre gekriegt. Die anderen werden tatsächlich nur beschuldigt dort mitgelaufen zu sein, was wirklich außerordentlich ist. Ich bin beschuldigt da noch etwas aktiver gewesen zu sein, mit einem Böller, der in eine Bank flog.

Ich habe zu den Vorwürfen keine Aussagen gemacht, da ich die kollektiv Beschuldigung ablehnte. Ich wäre im Zweifel darauf eingegangen, wenn sie von der Kollektivstrafe abgerückt wären. Etwa in dem ich bewiesen hätte, dass ich nicht vor Ort war.

Ich denke diese juristischen Auffassungen sind sehr gefährlich und können auch später dazu dienen die Rechtsprechung auszuweiten und immer mehr in Richtung Kollektivstrafen bei Demos und vor Gerichten gehen. Diesen Auffassungen müssen wir uns entgegenstellen.

RDL: Das Hamburger Gericht hat dich damals zu drei Jahren Haft verurteilt. Was war die Forderung der Staatsanwaltschaft? Wie ist das ganze von statten gegangen? Du warst ja letztlich schon 16 Monate im Knast. Aber wie war der Weg dorthin, was war die strafrechtliche Auseinandersetzung. Du wurdest zuerst in Nancy verhaftet und wurdest dann lange weggesperrt, weit weg von deinen Leuten…

LOIC: Also der Staatsanwalt wollte vor allem die Idee einer Demonstration zerschlagen. Für ihn hat es sich um eine organisierte kriminelle Bande gehandelt, mit paramilitärischem Vorgehen. Er hat argumentiert, eine Person in dieser Demonstration habe Stiefel getragen, Stiefel der Marke Ranger. Also war es eine paramilitärische Organisation. Das wurde letztlich abgeschmettert. Aber er hat vier Jahre und neun Monate gefordert. Dies hat er auch in der Revision gefordert, auch diese Revision wurde abgelehnt – so wie meine Revision auch.

Nun, es gab eine erste Durchsuchung bei meinen Eltern im Mai 2018. Es handelte sich um eine koordinierte Razzia in der Schweiz, in Spanien, in Frankreich und in Deutschland. In Spanien und in Frankreich haben sie damals niemand gekriegt.

Ich war damals auf der ZAD in Notre-Dame-des-Landes. Ich war dort ein paar Tage zuvor kontrolliert worden, also wusste die Polizei wo ich bin. Aber die Hausdurchsuchung musste dennoch stattfinden, auch wenn sie wussten, dass sie mich dort nicht finden würden. Sie war ja europaweit koordiniert.

Da habe ich dann entschieden mit einem Text – Ich wähle die Flucht – zu erklären, dass ich mich nicht der Justiz stellen werde. Ich fand diese Verfahren völlig maßlos. Und ich habe auch gesehen, dass ich viel riskieren würde. Es gab eine mediale Propaganda rund um den G20-Gipfel. Am Tag der Durchsuchungen kam ein Polizei-Dokumentarfilm mit dem Titel „die schwarze Gewalt“ raus. Mit angsteinflößender Musik, Bildschnitten… es war eine kriminalisierende und die Demonstranten und Demonstrantinnen Entmenschlichende Produktion.

Da habe ich mir gedacht, dass ist keine gute Idee dem Haftbefehl nachzukommen.

Ich denke, ich hatte am Ende schon etwas Glück, auch wenn es echt hart ist, was mir widerfahren ist. Ich bin letztlich auf eine, im Vergleich zu den anderen Juristen des Gerichts von Hamburg, relativ fortschrittliche Richterin gestoßen. Ich wäre sonst vermutlich noch im Gefängnis, mit einem anderen Richter, der der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt wäre.

Insgesamt habe ich ja Niemanden verletzt. Die anderen Beschuldigungen waren zwei Flaschen Bier in Richtung der Polizei geworfen zu haben, ohne sie zu treffen, wie auf den Videos zu sehen ist. Und dann waren da noch zwei Pflastersteine in Richtung der Wasserwerfer, die ich, wie auf den Videos zu sehen ist, auch nicht traf. Es ist also völlig vermessen, es gab nicht einmal Verletzte.

In diesem Zusammenhang will ich etwas in Erinnerung rufen. Vor kurzem wurde in den USA einer freigesprochen, der zwei Menschen während den Demos für George Floydd getötet hatte. Die Person war zu dem Zeitpunkt Minderjährig, aber er hat zwei Menschen getötet.

In meinem Prozess gab es auch zwei Minderjährige denen nur vorgeworfen wird, auf einer Demonstration mitgelaufen zu sein. Sie wurden zu Arbeitsstunden verurteilt. Nun wird ihr Prozess nochmal für mehrere Wochen aufgerollt, wir wissen noch nicht wann. Sie werden möglicherweise zu Bewährungsstrafen verurteilt, vielleicht zu mehr. Knast wegen des mitlaufens in einer Demo. Und dann befindet einer von der White-Power Bewegung sich nach dem töten zweier Menschen vor Gericht und wird freigesprochen.

Klar das ist in den USA, aber es ist immer noch die gleiche westliche Welt. Wir merken, dass es oft übertriebene Strafen gegenüber etwa Antifas gibt. Gegenüber Linksradikalen wird hart durchgegriffen, während man milde gegenüber Rechtsradikalen walten lässt. Es ist wichtig dieses Verhältnis zu betrachten.

RDL: Also nochmal um es für die Hörerinnen und Hörer in Erinnerung zu rufen. Du wurdest im August 2018 im Hause deiner Eltern verhaftet. Du hast danach 16 Monate gesessen und du konntest dann vor, beziehungsweise während dem Prozess aus dem Knast. Das war dann im Winter. Im Dezember 2019. Und der Prozess hat sich dann bis Mitte des Jahres gestreckt… Nun bist du knapp zwei Jahre wieder draußen. Nach dieser Zeit im Knast und dann in „Teilfreiheit“ will die Justiz dich erneut einsperren. Es gab einen gerichtlichen Beschluss am 13.12., vielleicht willst du uns hierzu mehr erzählen. Du musst die Haftepisode nicht weiter vertiefen wenn du es nicht möchtest.

LOIC: Was außerordentlich ist, ist dass dieser Prozess im Dezember 2018 angefangen hat und er bis Juli 2020 dauerte. Ich habe über 70 Tage Prozess gehabt, mit teilweise Pausen von bis zu zwei Wochen. Während dem Verfahren gab es eine Menge bourgeoiser Zeugen, die berichtet haben, was sie auf der Elbchaussee sahen. Es gab viele Polizeizeugen, deren Berichte teilweise vollständig erfunden waren. Das wurde von der Richterin bei immerhin fünf Zeugen festgestellt.

Was wirklich hart war, war immer wieder vor die gleichen Leute zu treten, um verurteilt zu werden für Handlungen, die ich nicht mal unbedingt selbst verwirklicht habe. Aktionen, die die Frucht einer Demonstration waren. Ich denke auch dass die Repression so heftig ist, weil es sich um eine Straße der Reichen handelt. Es gab viele andere Demos wo die Idee der gemeinschaftlichen Straffälligkeit und der gemeinschaftlichen Schuld nicht so relevant waren.

In der französischen Geschichte ist das ein Mechanismus, der während der Anarchistengesetze, den Lois-Scélérates angewendet wurde. Da wurden Schriftsteller, Leute die sich auf bestimmte Aktionen positiv bezogen in der gleichen Art behandelt, als wenn sie die Aktion durchgeführt hätten. Dass sind Dinge bei denen wirklich aufgepasst werden muss und gegen die wir kämpfen müssen.

Daher bin ich sehr wütend.

Ich habe zwei ziemlich offensive Prozesserklärungen gemacht.

Nun, um noch auf den Knast einzugehen, ich war im Haus A. Das Haus A ist ein schreckliches Gebäude, über 200 Jahre alt. Zu den Bedingungen: Du bist 23 Stunden von 24 in einer Zelle. Es darf zweimal die Woche geduscht werden, um 6:45 Morgens muss die ganze Etage ran. Das sind 25 Leute für vier Duschen in insgesamt 30 Minuten. Es gibt keine Wechselsachen, also keine Klamotten. Bis meine Sachen ankamen hat es über einen Monat gedauert. Ich schrieb meinen Eltern, dass ich Sachen brauche und habe dann 50 Unterhosen auf einmal gekriegt.

Dann konnte ich die beim Hofgang an andere Mitgefangene verteilen, die hatten ja das gleiche Problem.

Normalerweise bleibst du maximal für einen Monat im Haus A. Danach wirst du in andere Gebäude verlegt, denn es ist eigentlich eher ein Gebäude für die Ankömmlinge. Ich war aber länger in diesem Gebäude gefangenen, weil meine Verfahrens-Komplizen, mit denen wir uns nicht begegnen sollten, in den anderen Gebäuden eingesperrt waren. Das war die Begründung.

Gut, ich konnte diese Unterhosen verteilen. Die hatte ich in den Taschen und das sprach sich rum. Also kamen immer wieder Leute und sagten, hey, hast du noch eine Unterhose übrig.

Ich hatte auf einer Knastmauer diese Inschrift gelesen: „If you help someone, you help yourself“. Dieser Satz hat mir im Gefängnis viel Kraft gegeben.

Ich war schon in einer privilegierten Situation. Ich habe viele Briefe bekommen, viel Unterstützung. Ich hatte auch kein Schamgefühl im Bezug auf die G20-Proteste an denen ich teilnahm. Ich wusste dass es so viel Solidarität gab.

Und dem Gegenüber, die G20, die Waffenhändler… Gut das braucht nicht vertieft zu werden, Schufte eben.

Ich fühlte mich jedenfalls tugendhafter als ein Erdogan, ein Trump oder Saudi-Arabien, die ja auch da waren. Ich hatte also keine Schuldgefühle.

Das Knastsystem schafft es manche Leute sehr negativ zu beeinflussen. Da sind dann Schuldgefühle, dass sie etwa von der Familie zurückgewiesen werden. Es sind viele Leute aus sozial-benachteiligten Verhältnissen. Leute die vielleicht etwas gedealt haben, um ein bisschen Geld zu verdienen. Das hat mich wirklich erschüttert. Ich hatte schon dazu gelesen, oder in linken Zusammenhängen solche Geschichten gehört. Aber das dann zu sehen… Kaum Leute aus dem Mittelstand, überhaupt keine Menschen aus reichen Verhältnissen. Nicht etwa Leute wie ein Scholz oder andere, die nie in den Knast gehen, obwohl sie es eigentlich müssten.

Nun dadurch, dass wir uns mit diesen Leuten im gleichen Kontext wiederfanden, bin ich vielen dieser Menschen ein Stück weit auf Augenhöhe begegnet. Du findest dich in der gleichen Unterdrückung wieder, an einem Ort an dem du vom Staat als Scheiße definiert wirst. Das hat zu Begegnungen geführt.

Wenn ich jetzt etwa in einem ärmeren Viertel unterwegs bin, außerhalb der Haft, komme ich mit den Leuten nicht so schnell in Kontakt, da ich aus einem Mittelschichtenhaushalt komme.

Da ich nicht Deutsch sprach, war ich auch in der Situation eines ausländischen Gefangenen. Das hat die Begegnung mit einigen Personen dort eher erleichtert.

Da waren wundervolle Menschen dabei, denen jedoch viel Leid widerfährt.

Ja dieses Haus A ist wirklich scheiße. Viele BiPoC Menschen die ich traf sagten, die Schließer seien Nazis. Da ist ein Fakt den ich mehrfach hörte. Auch wenn ich das selber nicht so erlebt habe, habe ich die verachtenden Blicke der Wärter erlebt. Sie warfen widerliche Blicke in Richtung der inhaftierten BiPoC-Personen. Ich habe gesehen wie manche von ihnen herumgeschubst wurden, nur weil sie während dem Einschluss noch ein Buch in der Zelle des Nachbarn suchten. Ich habe echt sehr harte Dinge gesehen, für nichts. Es gibt wirklich eine Verachtung des Menschen im Knast.

Einige von ihnen drehen durch. Sie fragen „Warum werden immer wir kontrolliert?“.

Es sind mega viele Leute auf der Straße, die Bullen fahren vorbei, ich hab gerade jemand Weed verkauft und ich werde kontrolliert. Nicht etwa der Weiße der gerade Gras gekauft hat.

Es gibt solche Straßen in Hamburg, eine Straße nahe der Elbe, ich weiß nicht mehr wie sie heißt. Da wo auch die Welcome-To-Hell Demo war. Das ist verrückt in dieser Straße. Wenn die Bullen vorbei fahren, verstecken sich alle BiPoC-Leute, in Eingängen oder Läden.

Ich hab das erlebt als ich wieder draußen war – derweil gehen alle Weißen ganz gemütlich umher. Es gibt ein systematisches racial-profiling. Und weil viele der Betroffenen schon eh schwerer einen Job finden, ticken halt manche. Und dann gehen sie in den Bau. Sechs Monate wegen zwei Gramm Gras, weil es das zweite mal war. Diese Verachtung zu sehen, dass ist einfach unfassbar.

RDL: Wow

LOIC: Ja ich könnte noch viel erzählen

RDL: Ja. Wir können noch mehr darüber reden. Es ist wirklich super uns deine Erfahrungen anzuvertrauen. Ich denke es ist auch für andere Menschen, die Repression erleben wichtig. Erfahrungen durch jemandem der es lebt, der daran arbeitet und der sich mit dieser politischen Klarheit mitteilt. Knast als solches ist ja auch in der Gesellschaft oft ein Tabuthema. Also, über diese Gefühle, auch über die Schuld und die Scham zu reden… Auch über die Funktionsweise des Gefängnissystems, über die Repression die funktioniert und die Menschen beschädigt. Ich wünsche mir, dass du viel Kraft hast, um das abzuwehren.

Also, du konntest nach diesen 16 Monaten wieder raus. Du warst jetzt ja quasi zwei Jahre in einer Art Halbfreiheit, da ja immer noch die Drohung im Raum steht, in den Knast zurückkehren zu müssen. Jetzt gab es neue Entwicklungen in den letzten Wochen. Möchtest du das nochmal erklären…?

LOIC: Also am 13.12. gab einen Beschluss zu den Revisionsverfahren. Meine Revision, die meine AnwältInnen eingeleitet haben, und die den bisherigen Haftaufschub ermöglicht hat, wurde letzten Endes von der deutschen Justiz abgelehnt. Und auch der Revisionsantrag des Staatsanwaltes der 4 Jahre und 9 Monate haben wollte.

Jetzt stehe ich der Ausführungsverordnung des damaligen Urteils vom Juli 2020 am Ende des Prozesses gegenüber. Jetzt ist offenbar schon ein Brief für mich an den Ort in Hamburg geschickt worden, an dem ich seit dem Sommer nicht mehr lebe. In diesem Brief dürfte stehen, dass ich nun wieder in den Knast muss, um die Reststrafe zu verbüßen. Jetzt warten wir was passiert, wann ich diesen Brief in Frankreich zugestellt bekomme. Das geht jetzt noch um Fristen, aber es könnte Ende Februar, März, höchstens April werden. Dann wäre es wohl nötig wieder ins Gefängnis zu gehen, es geht um 20 Monate ohne Bewährung. Und auch was Hafterleichterung betrifft ist alles unklar. Es könnte theoretisch nach 8-9 Monaten rum sein. Aber das ist sehr dynamisch, eine Grauzone mit wenig Klarheit.

Persönlich geht es mir gerade eher gut.

Diese Situation treibt mich gerade an, weil es mich empört.

Ich würde gerne etwas teilen.

Ich habe vor kurzem Blutuntersuchungen machen lassen. Da wurden mir einige Fragen gestellt. Unter anderem wurde ich gefragt ob ich schon mal im Gefängnis war. Ich habe „ja“ gesagt, und die Person von der Blutabnahme war völlig schockiert:

Sie fragte, „warten Sie mal kurz, so sehen sie ja gar nicht aus“ – Gut dass ist natürlich etwas öde so ein oberflächliches Urteil, aber gut egal – Dann fragte die Person: „Was haben Sie getan?“ Ich habe gesagt es ging um Demos bei G20. Die Person fragt „Was, für Demos bei G20? waren Sie im Knast? Wie lange denn?“ Ich so: 16 Monate. Und die Person „Wie lange?“; Ich: ein Jahr und vier Monate. „Waas?“. Und ich muss vielleicht nochmal 20 Monate rein „Wie 20 Monate?! Und zwischenzeitlich waren Sie draußen? Dass ist ja völlig verrückt! Sowas habe ich noch nie gehört! Leute die ich so kenne, die machen viel schlimmeres als Sie. Leute mit Aggressionen, sexuelle Übergriffe. Die kommen viel besser weg, die gehen nicht mal in den Knast. Das ist ja total empörend“.

Und: Es war keine besonders politisierte Person, keine Person die da viel drüber nachgedacht hatte, dass war klar. Und das spricht mich an.

Die Tatsache dass sie sich gerächt haben, mit hoher Repression.

Aber drei Jahre ohne Bewährung für diese Tatvorwürfe, dass gehört angeprangert, dem muss sich widersetzt werden.

Die Justiz wollte auch Exempel statuieren um Angst zu erzeugen. Diesen Diskurs hört man viel aus der Rechten und Konservativen Ecke. „Es würde zu lax vorgegangen, es bräuchte ein härteres Vorgehen gegen die Linksextremen.“ Äh, die Linksradikalen, Pardon.

Es ist für mich wichtig unsere Überzeugungen weiterhin stark zu vertreten. Als eine Art Pädagogik die wir der Repression entgegensetzen. Um zu zeigen, dass es so nicht möglich ist, uns als Bewegung oder als rebellische Personen zu brechen … Das Gegenteil muss erfolgen.

Ich hatte das Glück vor kurzem andere Beschuldigte wieder zu treffen. Ich traf auch Fabio, einem italienischen ehemaligen Gefangenen, der auch eine offensive Prozesserklärung bei seinem Prozess verlas.

Wir würden gerne ein größeres Treffen anstoßen, eine Konferenz, um über die Repression zu reden und darüber was wir auch mit den AnwältInnen zusammen erlebt haben.

Es ist für mich wichtig, weiter zusammen zu kommen, der Repression zum Trotz. Es ist wichtig das weiter zu thematisieren, darüber zu reden, es sichtbar zu machen und es zu humanisieren. Und das ist was ich weiter machen werde. Diese offensive Haltung zu bewahren.

Ich finde es vollkommen absurd, dass eine so verabscheuungswürdige Person wie Olaf Scholz, der sich immerhin getraut hat zu sagen, es habe in Hamburg „keine Polizeigewalt“ bei G20 gegeben, sich nun als Kanzler Deutschlands wiederfindet.

Das ist echt schräg. Zudem hängt er in so vielen Affären drin, dass sich gefragt werden muss, warum er noch immer nicht hinter Gittern ist.

Das revoltiert mich alles schon sehr. Das werde ich weiterhin anprangern.

Es ist wichtig ihnen zu zeigen, dass selbst wenn einer drei Jahre bekommt, dass er dann lästig bleibt. Dass er ätzend bleibt.

Ich freue mich weiterhin, wenn Leute solidarische Aktionen machen, wenn ich nun wieder in den Knast gehe. Ich glaube es ist sehr wichtig, dass sie verstehen, dass dahinter eine Bewegung steht und dass wir diejenigen, die von der Repression eingeholt werden, nicht alleine lassen.

Was ich auch noch sagen wollte, ist, dass das was mir Kraft gibt, vor allem auch das Ausdrücken und Mitteilen meiner Gedanken ist, und dass diese verstanden werden können. Ich hasse es mit Vorurteilen behandelt zu werden. Besonders in den Prozessen, wo vor allem der Staatsanwalt redet. Ein Mensch der noch nie auf einer Demo war, aber er redet viel. Der wird dann eine Realität beschreiben, ein Narrativ schaffen, Fakten konstruieren – obwohl er nicht präsent war.

Und dann, wenn du vor der Justiz stehst, bevorzugen es viele oftmals nichts zu sagen. Oder sogar noch mehr auf das Spielchen eingehen und sich entschuldigen. In der Hoffnung milde behandelt zu werden.

Was dann medial und in der populären Vorstellung dabei rüber kommt, ist: entweder „die Person hatte Angst“, oder „sie hatte keine Ideen“. „Das sind dann wohl Leute, die kommen nur her um „Bullen zu batschen“ und so.“

Mich interessiert es, eine Idee, Gedanken zu entwickeln und das habe ich mit meiner ersten Prozesserklärung gemacht. Ich werde weitere Texte machen, um zu unterstreichen, welche Ideen ich weiterhin habe und dass diese sich auch weiter entwickeln.

Ich will auch meine Entschlossenheit zeigen.

Ich glaube es ist wichtig das zu machen, weil wir noch in einem Rahmen sind, in dem der revolutionäre Geist oftmals stigmatisiert und noch nicht besonders gut verstanden wird.

Diese Arbeit von Pädagogik gegenüber der Justiz muss natürlich nicht jeder machen. Aber ich finde das Erklären wichtig. Und ich lade auch alle dazu ein, die die Justiz nicht anerkennen, dies mit ein paar Sätzen in den Prozessen zu verdeutlichen. Schweigen kann nämlich durch die Gesellschaft fehlerhaft interpretiert und verachtet werden.

Ich will lieber eingesperrt sein und verstanden werden, oder mich zumindest erklärt haben.

Das ist mir lieber als unter Vorurteilen zu leiden, eingesperrt zu sein und verachtet und missverstanden zugleich.

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Verleihung des Hans-Litten-Preises 2018 an den Anwaltlichen Notdienst und das Legal Team beim G20 https://unitedwestand.blackblogs.org/verleihung-des-hans-litten-preises-2018-an-den-anwaltlichen-notdienst-und-das-legal-team-beim-g20/ Sun, 09 Dec 2018 20:27:25 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=2489 Continue reading ]]> Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen hat Ende Oktober den Hans-Litten-Preis an den Anwaltlichen Notdienst zum G20 in Hamburg und den G20-EA verliehen. Der Preis wird alle zwei Jahre an mutige Jurist*innen vergeben, die sich durch ihr vehementes Eintreten für das Recht hervorgetan haben, besonders, „wenn Recht und Gesetz unter politischen und gesellschaftlichen Druck geraten sind“. 

Auszüge aus den Dankesreden der Preisträger*innen:

„Wer während der Tage des Protests gegen den G20-Gipfel festgenommen
worden ist, und über dessen weitere Freiheitsentziehung nach
Polizeirecht oder nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zu
entscheiden war, begegnete einem eigens hierfür eingerichteten Gericht,
an dem um die 100 Richter und Richterinnen tätig gewesen sind, die sich
freiwillig für diese Tätigkeit gemeldet hatten. Das Gericht hieß nach
dem Ortsteil, in dem es untergebracht aufgebaut worden war „Neuland“. Dass man das ganz anders, als geographisch verstehen konnte, ist mir erst vor kurzem aufgefallen.
Dieses Sondergericht hat ein Strafrecht zur Anwendung gebracht, das der
Strafrechtslehrer und Rechtsphilosoph Günther Jakob in den 80iger Jahren
des vergangenen Jahrhunderts als Feindstrafrecht beschrieben hat.
Jakobs hat damit ein Strafrecht bezeichnet, das bestimmten Gruppen von
Menschen die Bürgerrechte versagt und sie als Feinde der Gesellschaft
oder des Staates außerhalb des für die Gesellschaft geltenden Rechts
stellt. Im Feindstrafrecht sind alle zur Verfügung stehenden Mittel
erlaubt. Es ist deshalb kein Strafrecht im herkömmlichen Sinne, sondern
ein von rechtsstaatlichen Bindungen befreites Instrument zur Gefahrenabwehr.
Zur Erläuterung das Beispiel eines von mir vertretenen jungen Mannes:
In einem Hamburger Gewerbegebiet ist am frühen Morgen des 7. Juli 2017
eine Demonstration von 2- 300 Personen unterwegs gewesen, die sich an
Aktionen in der Hamburger Innenstadt beteiligen wollten. In der Straße
Rondenbarg ist sie auf eine Polizeieinheit getroffen. Es ist zu einer
sehr kurzen Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf aus der
Demonstration einige, etwa sechs, Steine und einige Bengalos in Richtung
der Polizei geworfen worden sind. Die Polizei hat die Demonstration
innerhalb weniger Sekunden im wahrsten Sinne des Wortes zerlegt. Es sind
alle Personen, die im Bereich dieses Geschehens angetroffen worden sind,
festgenommen und dem Haftgericht vorgeführt worden. So auch mein
Mandant. Zur Vorführung vor den Haftrichter lag eine Akte vor, in der
über ihn nichts drin stand, außer, dass er am Rondenbarg festgenommen
worden war. Nicht wo und unter welchen Umständen. Erst recht keine
einzige konkrete strafbare Handlung, die ihm zum Vorwurf gemacht werden
sollte.
Es ist ein Haftbefehl gegen den Mandanten ergangen. Die Begründung
lautete auszugsweise:
„Er ist offensichtlich als reisender Krimineller nur zur Begehung von
Straftaten im Rahmen des G20-Gipfel nach Hamburg gekommen… Es handelt
sich um eine geplante und organisierte Tat, wobei sich die Beteiligten
im Vorfeld gezielt bewaffnet und vermummt haben. Dabei ist insbesondere
dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich der Aufzug offenkundig
ausschließlich mit dem Ziel zusammengeschlossen hat, zielgerichtet die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu untergraben und dieses gewaltsam durchzusetzen.“
Wie gesagt, zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nicht einmal, wo der
Mandant festgenommen worden war, geschweige denn, was er vor Ort
überhaupt getan hatte, ob er überhaupt etwas strafrechtlich relevantes
getan hatte. […] Staatsanwaltschaft und Gerichte haben hier, jenseits
rechtsstaatlicher Grundgarantien, die Strafverfolgung ohne Straftat
etabliert. Die gibt es seitdem.
Parallel zu dem Geschehen am Rondenbarg hat sich ein Aufzug schwarz
gekleideter Personen durch Altona bewegt, aus dem heraus tatsächlich
eine Vielzahl von Straftaten begangen worden ist. Es hat sich hierbei im
wesentlichen um angezündete Autos und eingeworfene Scheiben gehandelt.
Seit Juni, also seit nunmehr vier Monaten, sitzen zwei junge Männer
aus dem Frankfurter Raum in in Hamburg in Untersuchungshaft, denen
Vorgeworfen wird, Teil dieses Aufzuges gewesen zu sein. Ihnen wird
ausdrücklich nicht vorgeworfen, sich selbst an einer einzigen der dort
begangenen Straftaten beteiligt zu haben. Dennoch hat die StA sie der
Mittäterschaft aller dort begangenen mehr als 130 Taten angeklagt,
allein weil sie sich nicht von dem Aufzug distanziert hätten.
Das ist Feindstrafrecht! Das alles zeigt, wie dünn das demokratische
Eis, auf dem wir uns bewegen, auch im Bereich der Strafjustiz geworden
ist. Sich dieser Entwicklung entgegenzustellen halten wir für die Aufgabe
und die Pflicht aller demokratisch gesonnen Juristinnen
und Juristen.“

„Er [Fabio] wurde festgenommen und dem G20-Sondergericht Hamburg-Neuland
zugeführt. Ohne die Behauptung eines konkreten Vorwurfs wurde Haftbefehl
wegen Landfriedensbruchs erlassen. Der Haftgrund: Fluchtgefahr, er sei
Italiener. Auf die Haftbeschwerde wollte das Landgericht verschonen,
doch das Hanseatische Oberlandesgericht beschloss die Haftfortdauer. […]
„Zwar hat der Beschuldigte im elterlichen Haushalt in Italien
(vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 60. Aufl., § 112 Rn. 20
a) einen polizeilich gemeldeten Wohnsitz und geht – eigenen Angaben
zufolge – einer festen Arbeit nach. Die Art der Tatausführung belegt
aber, dass er jederzeit bereit und in der Lage ist, sich – auch in
anderen Staaten und fremden Kulturen – kriminellen Strukturen
unmittelbar anzuschließen und in ihnen unterzutauchen.“
Die Sprache ist maßlos, sie ist erschreckend. So bekämpft man einen
Feind, der das Jugendrecht, die Unschuldsvermutung und
Beschuldigtenrechte nicht verdienen soll, weil in ihm – dem unbekannten
jungen Menschen – eine allumfassend drohende Gefahr für die bürgerliche
Ordnung vermutet wird. Fabio V. wurde erst Ende November aus der U-Haft
entlassen. Im Januar 2018 schlug das Amtsgericht nach neun
Verhandlungstagen vor, das Verfahren einzustellen.
Die „drohende Gefahr“ – deren Teil Fabio V. angeblich war – ist das
Kernstück aller neuen Polizeigesetze. Durch Annahme dieser Gefahr wird
die Befugnis zu tiefen Eingriffen in die Grundrechte aufgeschaltet. Die
Deutungshoheit darüber, was eine drohende Gefahr ist, hat die Polizei.
Es handelt sich um die Neuschöpfung eines Rechtsbegriffs. Sie verändert
das Polizeirecht im Kern und senkt die Schwelle für polizeiliches
Eingreifen rasant ab. Bisher unterschied das Polizeirecht zwischen
abstrakter und konkreter Gefahr. Polizeiliche Eingriffe waren nur bei
konkreter Gefahr erlaubt. Nun reicht eine – oft aus geheimdienstlichen
Quellen stammende – Vermutung.
G20 war von Seiten der Polizei vielleicht ein Test, jedenfalls ein
Beispiel: Hamburg dokumentierte das Bild eines Polizeistaats, das Bild
einer Aufstandsbekämpfung – aber es fehlte der Aufstand. Die drohende
Gefahr waren die Demonstranten, waren die GrundrechtsträgerInnen.
[…] Die wirkliche Gefahr kommt von den noch Mächtigen, die sich das
Recht nehmen, immer neue Mauern gegen die Armen dieser Welt zu
aufzubauen, um ihren fast grenzenlosen Reichtum zu bewahren. Sie
definieren es heute als Recht, die Retter der Ertrinkenden im Mittelmeer
als Kriminelle vor die Gerichte zu zerren. Sie definieren es heute als
Recht, die in Richtung der USA marschierende Flüchtlingskarawane mit
militärischer Gewalt zurückzuschlagen. Was sich ankündigt, ist wieder
eine Zeit der Unmenschlichkeit, wieder eine Zeit der Barbarei und es
wird wieder so getan, als sei dies Recht, weil es in einem Gesetz steht.“

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Die Innenbehörde schafft sich ihr eigenes Strafsystem https://unitedwestand.blackblogs.org/die-innenbehoerde-schafft-sich-ihr-eigenes-strafsystem/ Fri, 16 Mar 2018 17:38:47 +0000 http://unitedwestand.blackblogs.org/?p=1942 Continue reading ]]> Auf Grundlage einer erst im Mai 2017 – pünktlich zum G20 – eingeführten Regelung will die Innenbehörde durch die Ausländerbehörde politische Proteste von „Ausländer*innen“ unabhängig von nachgewiesenen Straftaten generell mit Ausweisung und Einreisesperre bestrafen. Konstantin soll, wie zuvor Evgenii, nach dem Willen der Innenbehörde ausgewiesen und mit einer 5-jährigen Einreisesperre für das Schengen-Gebiet versehen werden.

Die Behörde spielt hier „Gedankenpolizei“, die Absichten präventiv erkennen können will und entsprechend bestrafen kann. Der Ausweisungstext enthält auch die Drohung, dass eine Rückkehr nach Deutschland vor Ablauf der Einreisesperre mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird.
Die Ausweisungsbegründungen beginnen mit unterstellten Absichtserklärungen, die als solche noch nicht einmal in den Anklageschriften vorkommen, auf die sich die Ausländerbehörde bezieht. Evgenii und Konstantin seien eingereist „um hier an Kundgebungen und/oder Protesten gegen den ab 06.07.2017 terminierten G20-Gipfel in Hamburg teilzunehmen.“ dabei seien sie „polizeilich in Erscheinung getreten“.

Die dann folgenden (bereits fallengelassenen) Strafvorwürfe, garniert die Ausländerbehörde mit inneren Vorgängen des Angeklagten, um ihm Gewaltbereitschaft zu unterstellen: „ … entgegen der Vorstellung Ihres Mandanten wurde der Polizeibeamte hierdurch jedoch nicht ersthaft verletzt“ und „anders als geplant“ seien keine Beamten durch (vor Gericht bereits widerlegte) Flaschenwürfe verletzt worden. Entsprechend schreibt die Behörde: „Das gilt auch unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung seines Handelns. Die von ihm begangenen Taten und deren Begleitumstände im Zusammenhang mit den G20-Krawallen sind i.Ü. nach der hier vorliegenden Anklageschrift zweifelsfrei nachgewiesen“.

„Aufgrund der vorliegenden polizeilichen Erkenntnisse muss davon ausgegangen werden, dass Ihr Mandant nach Deutschland gekommen ist, um sich zur Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten zu beteiligen. Damit stellt er eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und gefährdet erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland.“

„Ferner besteht auch unabhängig von den tatbestandlichen Vorraussetzungen der §§ 125 ff Strafgesetzbuch und deren konkretem Nachweis – ein erhebliches öffentliches Interesse dahingehend, derartige gewaltsame Ausschreitungen in Deutschland zu vermeiden. Die Fernhaltung von Ausländern, die im Rahmen derartiger Gewaltsituationen angetroffen werden, sich beteiligt haben und/oder nach den Umständen gewaltorientierten Gruppierungen zugerechnet werden müssen, bei denen somit aufgrund ihres persönlichen Verhaltens von einem erheblichen Gefahrenpotential für hohe Schutzgüter auszugehen ist, ist hierfür ein geeignetes und legitimes Mittel“

… „zudem (besteht) ein erhebliches politisches Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass wichtige politische Veranstaltungen gewaltfrei durchgeführt werden können und dass insbesondere eine Gefährdung hochrangiger Staatsgäste, … verhindert wird. Es geht insoweit bei der Bekämpfung von derartig politisch motivierter Gewalt nicht nur um einen bedeutsamen materiellen bzw. körperlichen Schaden von möglichen Gewaltopfern, sondern nicht zuletzt auch um die Vermeidung eines erheblichen politischen Schadens und um den Schutz gewichtiger politischer Belange der Bundesrepublik.“

„Das persönliche Verhalten Ihres Mandanten lässt auf eine gewaltorientierte, politische Gesinnung schließen, bzw. auf eine Gesinnung, die auch die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einschließt und die Ausübung von Gewalt befürwortet. Dies birgt auch für zukünftige politische Begebenheiten und Veranstaltungen ein fortdauerndes Gefahrenpotenzial, das jedenfalls nicht nach dem G20-Gipfel einfach entfallen sein wird, sondern auch im Hinblick auf zukünftige andere vergleichbare politische Ereignisse, Veranstaltungen oder sonstige Anlässe die von einer politisch motivierten gewaltbereiten Szene aufgegriffen und politisiert werden, weiterhin gegenwärtig sein dürfte, und zwar für einen noch deutlich langfristigen Zeitraum. Im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit ist im Fall Ihres Mandanten deshalb eine noch deutlich langfristige Fernhaltung gerechtfertigt. Die Frist ist unter spezial- und generalpräventivem Aspekt jedenfalls so zu bemessen, dass sie sowohl Täter vom Bundesgebiet fernhält, solange eine Gefahr von ihm ausgeht, wie auch andere von solchen Taten abschreckt.“

„Eine zu kurze Frist würde dem spezial- und generalpäventiven Zweck der Ausweisung nicht gerecht werden und stünde auch nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Ausweisungsgründe.“

Nachdem bereits mehrere Wochen vor dem Gipfel die Grenzen verstärkt überwacht wurden, worunter vor allen Dingen Menschen zu leiden hatten, denen aufgrund ihres Status die Einreise in die BRD verwehrt wird, übernimmt die Ausländerbehörde nun nach den Protesten zunehmend strafrechtliche Aufgaben. Während die Strafgerichte offiziell noch an den Nachweis einer „Schuld“ gebunden sind – was im Fall von Konstantin trotz Aktenmanipulation und Absprachen unter den Polizeizeugen nicht gelang, versuchte die Ausländerbehörde noch während des laufenden Strafverfahrens die Ausweisung umzusetzten – sogar die Staatsanwaltwaltschaft musste schriftlich intervenieren um überhaupt das Verfahren beenden zu können. Von allen Vorwürfen ist bis Redaktionsschluss lediglich ein „Widerstand“ übrig geblieben.

Die Ausländerbehörde erhält gezielt zunehmend strafende Kompetenzen, die am Strafgesetzbuch vorbei laufen. Als Grundlage von Aufenthaltsverboten soll rein präventiv eine vermutete missliebige Gesinnung ausreichen.
Die Innenbehörde ist sich sicher: „Gründe, die dieser Entscheidung – auch unter Berücksichtigung von § 60 AufenthG – entgegenstehen könnten sind nicht ersichtlich“.
Ob dies bei kommenden Protesten mit internationaler Beteiligung öfter passieren wird, ist noch offen. Dass Sachbearbeiter*innen, die täglich für Abschiebungen sorgen, dies begeistert versuchen umzusetzen, verwundert nicht.
Die Hamburger Innenbehörde versucht mit Hilfe der Ausländerbehörde auf diesem Weg das Versammlungsrecht zu untergraben. Wer keine deutschen Papiere hat und sich nicht von vorn herein abschrecken lässt, der*dem soll nach dem Willen der Innenbehörde das Grundrecht auf Versammlung entzo-
gen werden, die*der soll schlicht aus Deutschland verbannt werden. Und wer es trotz Verbannung wagen sollte, sich an Protesten zu beteiligen, soll allein dafür mit Haft belangt werden. All dies selbstverständlich rein präventiv.

Dass wir uns dieser Entwicklung entgegenstellen müssen, liegt auf der Hand. Damit sich diese Machenschaften nicht etablieren und auch in Zukunft internationale Zusammenarbeit möglich ist, müssen wir jetzt laut werden!
Einmal mehr gilt, den Ausländerbehörden mit allen Mitteln das Handwerk legen!
Weitere Infos zum Vorgehen der Ausländerbehörde findet ihr auch beim G20APuA.

Diesen und weitere Texte findet ihr in dichthalten 2.

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