Gedankenspaziergang – Wald Statt Asphalt Danni Bleibt https://waldstattasphalt.blackblogs.org Der Blog der Waldbesetzung gegen die A49. Kämpf mit uns für eine befreite Welt! Wed, 14 Dec 2022 16:30:27 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Let’s organise collective! https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2022/11/10/lets-organise-collective/ Thu, 10 Nov 2022 12:34:31 +0000 http://waldstattasphalt.blackblogs.org/?p=2220 Continue reading ]]> Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.

Über 8 Wälder sind aktuell besetzt. Monatelang wurde gekocht, gebaut, ins Feuer geschaut, Leuten klettern beigebracht und Sharingrounds gehalten. Menschen gingen ein und aus, blieben mal für paar Tage, mal für mehrere Monate oder kamen immer wieder. Doch was passiert, wenn die Wälder geräumt wurden.
Noch hat sich über Wälder hinaus keine selbstorganisierte kollektive Struktur organisiert. Immer wieder ging es in den nächsten Wald, die nächste Besetzung, neue Orte, neue Leute. Immer wieder auf Reisen.
Gibt es politische Kollektive, die sich aus Waldbesetzungen heraus organisiert haben, von Besetzeris?
Viele meiner Freunde leben in dem einen oder anderen Wald, wir sehen uns ab und zu und besuchen uns mal, aber so weit gedacht haben wir nie. Wobei es definitiv für mich die bessere Option ist, als in ein „altes“ Leben, dass es so eh nicht mehr gibt, zurück zu gehen, für was sich einige Bekannte auch entschieden haben.
Da kommt direkt die Sache mit, was für ne Struktur solls denn geben. Naja ich mein eher sowas wie ne große hängePlattform, also was physisch existierendes, ein Ort, wo ich hin kann, und eine feste Comumnity, die sich organisieren will und am besten auch gleich zusammen wohnen.
(Politische)Perspektiven schaffen, für weiter als paar Monate. Raus aus der Individualität und Vereinzelung hinzu was noch kollektiverem.
Im Wald sind wir dauerbeschäftigt. Es gibt immer was zu tun. Keine Zeit und Lust ans nächste Halbjahr zu denken. Und obwohl alle ständig unter Leuten sind, gibts immer auch welche, die ohne Bezugi da sind, was einen großen Unterschied machen kann. Einerseits kann es dich stärken, fürs Selbstbewusstsein und andererseits ist es auch schwieriger fürs Vertrauen und so, weil du die Menschen erst noch kennen lernst und die meisten schon Buddys haben.
Und am Ende ist der Wald geräumt, du hast viele Leute getroffen und zum Schluss doch keine Ahnung was jetzt kommt…
Lasst mal bitte vorher schon drüber sprechen welche Ideen es so gibt für danach! Suchen andere auch eine politische Wohnmöglichkeit, ein Kollektiv oder haben paar Aktionsideen?
Und probieren wirs dann auch aus und setzen es um.

Wofür machen wir die Dinge, die wir tun – ein paar Ideen

Ob Waldbesetzung, politische Kommune, Projekthaus, oder Autonome Zentren, die Aufrechterhaltung ist super kräftezehrrend.
Alzu oft führen Frustration, Burnout und Depressionen in menschlichen Zusammenleben zum Wegbrechen von Leuten. Es werden Effizienzgedanken, starre Rollenverteilungen und Vereinzelung reproduziert. Menschen fühlen sich nicht wohl, sind müde, überfordert oder suchen Stabilität und Sinn.
Oft fehlen die Strategien, und die Orientierung, sich als politischer Mensch/Freiraum im Großen und Ganzen verordnen zu können. Die Übersicht fehlt, wofür machen wir die Dinge, die wir tun, wozu sollen sie langfristig führen, welche Strategie verfolgen wir.
Es kostet Zeit darüber zu reflektieren und manchmal fehlt die Kraft dazu.
Nach der ersten Hürde die auftaucht, bzw Frage, auf die sich nicht direkt ne Antwort finden lässt, steht schnell alles in Frage, der komplette Aktivivismus.
Das schlägt emotional ein, und wenn die Zweifel und die Fragen nicht geteilt werden, steht mensch alleine da mit der unzufriedenstellenden Situation
und strauchelt.
Eine Langzeit Perspektive auf die
eigene politische Wirksamkeit kann dabei sehr Stabilität geben. Sie verhilft mir zu Resilienz/Widerstandsfähigkeit gegenüber plötzlichem Abwerten und Unsicherheiten.

Bin ich politisch wirksam?

Fall du dich gerade an einem selbstorganisierten Raum aufhälst, dann klar ja. Durch deine Anwesenheit, entziehst du dich für diese Zeit vom kapitalistischen System und richtest deine Aufmerksamkeit ob bewusst oder unbewusst einer Alternative, einem Freiraum. Es kommt einem vielleicht so vor, als würde das gar nichts verändern, doch dieser Raum besteht aus Menschen, die ihre Aufmerksamkeit in diesem Moment darauf richten.
Sie sind nicht besonders in dem Sinne, alle eint die selbe Situation und die dadurch entstehenden kollektiven Möglichkeiten.
Mit jedem Menschen mehr, steigen diese, und mit jedem Menschen weniger zerfällt der Raum. Hier treffen sich Leute, politisieren sich über Monate manchmal Jahre lang und organisieren Veranstaltungen und Aktionen.
Desto mehr Freiräume in einer Stadt oder einem Viertel, desto größer die Wirkkraft und der Einfluss auf das gesellschaftliche Gefüge an diesem Ort durch Begegnungen, Gespräche und politischer Aktivitäten.
Ob politische Kommune, Projekthaus, Waldbesetzung, oder Autonome Zentren, ihre Aufrechterhaltung ist kräftezehrrend doch hat zeitverzögert und langfristig viele Auswirkungen. Sie sind Vorbildcharakter für spätere Generationen und halten emanzipatorische Räume und Kämpfe aufrecht.

Jeder Ort zählt, weil jede aktive Person zählt.

Warum macht es strategisch Sinn …

in einer Waldbesetzung/einem Projekthaus/ einem politischen Kollektiv zu leben statt konform?
Es ist eine politische Praxis, die wir dadurch verteilen. Das Ziel ist eine antikapitalistische, kollektive, freie und selbstbestimmte Lebensweise in einer Gemeinschaft, die sich selbstorganisiert ohne Herrschenden. In dem wir versuchen sie zu praktizieren wird sie an dieser Stelle realer. Und gleichzeitig bauen wir durch Aktionen, Koorperationen und Bündnissen Gegenmacht von unten auf.
Zeitverzögert führt das zu Diskursveränderungen und zu einer veränderten Agenda im System.
Es gibt viele Ansätze wie Veränderung herbeigeführt wird, eine mögliche Art, die noch eher unrevolutionär oder unambitioniert klingt, ist das Zusammenspiel von anarchistsichen Freiräumen/Keimzellen mit kollektiven bürgerlichen Akteuren wie Vereinen oder Initiativen, die zu (strukturellen) Gesetzesveränderungen führen, durch Klagen oder Bürgerentscheiden.
Mit der Zeit über Jahrzehnte verbreitet sich das Gedankengut und die Praxis und verdrängt konservatives, kapitalistische Aktivitäten immer mehr und rückt Gemeineigentum, soziale und lokale Formen des Wirtschaften in den Fokus. So eine langfristige Perspektive. Aktivistsich sein über diese lange Zeit braucht Geduld und einen langen Atem. Der Ansatz ist nicht wirklich was Neues, und nicht zu oft bleiben strukturelle Veränderungen aus, und Bewegungen werden vertröstet mit politischen Blablabla. Doch es stimmt, dass die Strategie des Mehrwerdens Macht erzeugt und erzeugt hat.
Und mal von diesem konservativen Ansatz abgesehen gibt es noch gefühlt zweihundert revolutionärere Ansätze, warum es gut ist sich mit anderen selbstzuorganisieren und anarchistisch zu leben.
Klar gibt es immer das Totschlag Argument von, das kommt doch eh alles zu spät, mit Klimakrise und Globalen Kriegen. Aber wer es nicht riskiert und sich lieber mit dem Bestehenden zufrieden gibt, bitte schön. Neue Ansätze und Strategien lassen sich vom bürgerlichen Eigenheim eher weniger gut gemeinschaftlich überlegen. Es ist auch immer wieder ein neu ausprobieren und experimentieren.

Und wie es so trefflich in Schwarze Saat heißt: Unser Ziel ist kein Warten auf Morgen, sondern das Heute, hier und jetzt, für uns, unsere Liebsten, unsere Tier und Pflanzenwelt, unsere Erde kämpfen und etwas schaffen, für dass es sich zu leben lohnt.

Für langfristige Veränderungen braucht es emanzipatorische Alltagsformen, die in Freiräumen gelebt wird. Massenproteste reichen nicht, es braucht ergänzend dazu auch massenhaftes gemeinschaftliches Anders Leben.
Dabei ist es hilfsam sich anderen Projekten anzuschließen oder gemeinsam ein eigenes zu starten. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, es kann leichter sein, sich in der Nähe von anderen zu etablieren, dann erhöht sich die Wirkung in der spezifischen Region mit einem Akteur mehr etwas zu verändern und es lassen sich eventuell leichter und schneller Erfolge erzielen. Oder das eigene Projekt ist ein Pionier in der Gegend, dann fühlt es sich oft an, wie Wasser gegen Windmühlen zu arbeiten, doch über die Jahrzehnte wird auch dort dadurch die politische Atmosphäre verändert. Es kommt auf den eigenen Kontext an.

Hinzu kommt, dass zähe Zeiten, wo weniger Zulauf ist und Gruppen sich verkleinern, oft die wichtigsten sind, weil in der Zeit meist Erfolge, die noch folgen werden verzögert am heranwachsen sind. Und manchmal scheitern eben auch Projekte oder Initiativen, in denen sich die Menschen danach wieder neu finden und orientieren können. Gut ist zu reflektieren, warum es nicht geklappt hat und was sich daraus mitnehmen lässt.

Wie wir uns organisieren entscheidet ob wir einander näherrücken oder uns entfernen

Menschen in Projekten, die versuchen anders zu leben und sich anders zu organisieren, machen sich verletzlicher, als jene die der Norm entsprechen. Das soziale Umfeld verändert sich. Wenn es einem mal nicht so gut geht und ein Tief da ist, sind wir empfindlicher. Eigene Entscheidungen werden hinterfragt. Dann kommt es drauf an wie aufmerksam meine Comunity ist und ob ich sie nach Support frage, oder mich isoliere.

Füreinander sorgen, in schwierigen Zeiten sich unterstützen und Dasein, hat das genug Raum im Projekt? Haben wir miteinander Spaß und Zeiten der Erholung? Reden wir über Privates, individuelles abseits vom Aktivismus, über Pläne und Ideen und Möglichkeiten für langfristig?

Für mich ist ausschlaggebend, damit ich politisch aktiv bleibe, meine Verwurzelung im Aktivismus. Dass ich mich einerseits orientieren kann und Vorstellungen habe über mögliche politische Wege/Erfolge. Und dass ich gleichzeitig eine stabile Gemeinschaft habe, die mich trägt und der ich vertraue.
Beides braucht Zeit und Arbeit. Eine mögliche Übersicht für die Zukunft und langfristig paar coole Leute, kommen meist nicht direkt einfach so. Oft ist Initiative ergreifen gefragt und es selbst in die Hand nehmen, auch wenn es anstrengend ist, es lohnt sich für heute, hier und jetzt.
Wer weiss was morgen kommt…

Let’s take the risk, let’s resist.

 

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Gedanken zur Militanz/Radikalitätsdebatte in der Bewegung https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2021/12/19/gedanken-zur-militanzdebatte-in-der-bewegung/ Sun, 19 Dec 2021 22:25:34 +0000 http://waldstattasphalt.blackblogs.org/?p=2110 Continue reading ]]> Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.

Zitat Taz.de zum Thema Militanz in der Klimabewegung:
„Muss die Klimabewegung radikaler werden? Das ist die falsche Frage. Radikalität ist kein Selbstzweck. Die Frage ist, wie man es schafft, mehr Menschen aus verschiedenen Milieus für eine Klimapolitik zu gewinnen, die der Realität der Klimakrise entspricht. Damit bei der nächsten Wahl die Mehrheit nicht wieder sagt, dass ihr das Klima echt wichtig sei, aber nicht entsprechend wählt.“=> https://taz.de/Klimabewegung-und-Radikalitaet/!5818080/

Das Problem dabei ist, das Wahlen den Kapitalismus niemals überwinden werden. Radikalität ist kein Selbstzweck, das mag sein. Aber dennoch brauchen wir Strategien, wie wir die kapitalistischen Zwänge und ihre Normalität durchbrechen.

Hier ein paar Gedanken:

Wir sollten erkennen, dass unsere Aufgabe nicht darin besteht, mehr Menschen von unseren Ideen zu überzeugen, sondern den zubetonierten gesellschaftlichen Diskurs aufzubrechen, um Ideen Raum zum wachsen zu geben. Dabei ist es nicht zwingend nötig, Menschen von unseren eigenen Ideen zu überzeugen oder ihre Meinung zu ändern, denn im Kapitalismus ist die Meinung nicht die Ursache für das Handeln der Menschen, sondern ihr Alibi. Die Meinungen werden angepasst, um sich nicht eingestehen zu müssen, selbst Teil des Unterdrückungssystems zu sein. Stattdessen müssen wir die Menschen wieder dazu bringen, eigene Ideen zu entwickeln, und für diese zu kämpfen.

Die strategische Frage ist also nicht, wie wir mehr Menschen in unsere Kämpfe bringen können, sondern wie wir unsere Kämpfe dazu bringen können, die Normalität in der Gesellschaft zu durchbrechen um andere aufkeimende Kämpfe und Ideen zu stärken, ohne dabei zu vergessen unsere eigenen Kämpfe aufrecht zu erhalten und unsere Ideen zu verwirklichen.

Sichtbarkeit ist dabei das beste Instrument, um die Gesellschaft zu beeinflussen. Wenn Aktionen als Signale der Unordnung wirken und die Illusion des sozialen Friedens zermürben, dann durchbrechen Sie die Normalität, und sind dadurch sichtbar. Gleichzeitig trennen solche Aktionen uns auch von der Gesellschaft. Es ist nicht möglich, das System anzugreifen, ohne die Gesellschaft zu stören. Dabei ist die Gesellschaft aber nicht das eigentliche Problem, sondern sie reproduziert die bestehenden kapitalistischen Zwänge.

Das Ziel besteht deshalb darin, Aktionen zu machen, die als Einladung an andere dienen, sich zu Kompliz*innen zu machen… Egal ob mitleidig oder lächelnd, wenn sie ihre Unterstützung anbieten oder auf die Straße gehen, dann haben wir sie an Bord geholt, egal ob sie alle unsere Ideen teilen oder nicht.

Aber solange wir uns nur als politische Subjekte verstehen, die an Demonstrationen teilnehmen, und in Gruppen organisiert sind zusammen mit Menschen, die möglichst die selben Ideen haben wie wir selbst, und dies als Ersatz dafür fungiert, mit Menschen Beziehungen einzugehen und so Netzwerke zu schaffen, die es uns ermöglichen, Aktionsformen zu wählen, mit denen wir die gesellschaftliche Normalität durchbrechen können, werden wir weitgehend isolierte politische Subjekte und Gruppen bleiben.

Netzwerke sind stärker als Hierarchien.

Unsere Netzwerke sind stark wenn jede Einheit eine Vielzahl von Verbindungen hat, anstatt dass es nur einige wenige Knoten gibt, über die alle Verbindungen laufen.

Die Frage „nach welcher Vision oder welchem Plan wird die Gesellschaft nach dem Kapitalismus organisiert sein?“ bringt uns dabei nicht weiter.

Wir werden stärker sein als je zuvor, wenn wir lernen zu verstehen, dass nicht alle so handeln werden wie wir. Unsere Effektivität liegt nicht darin, die ganze Welt gleich zu machen, sondern darin, den besten Weg zu finden um mit denen komplementär in Beziehung zu treten, die anders sind und eigene Ideen haben.
Wir sind dann ein intelligenter und uns selbst organisierender Organismus, solange wir alle Pläne machen, Visionen und Ideen teilen und Initiativen ergreifen. Alle Organisationsformen werden immer wieder neu zwischen den Menschen ausgestaltet werden müssen, die sich organisieren wollen.

Wir sollten uns auch nicht darauf beschränken, ein System zu schaffen, das das bestehende System ersetzt oder eine Infrastruktur zu schaffen, die die bestehende Infrastruktur überflüssig macht.

Wenn wir die physische Verwirklichung unserer Projekte und Ideen als Sieg betrachten, werden wir eine konservative Haltung einnehmen und versuchen, diese Projekte zu retten oder zu schützen, wobei wir aus dem Auge verlieren, was ihren größten Wert ausmacht:

Unsere Projekte sind nützlich, wenn wir sie nutzen, um die gesellschaftliche Normalität zu durchbrechen.

Klar werden wir physisch viel von dem verlieren, was wir erschaffen, aber das ist okay, denn sie dienen nicht dazu, erhalten zu werden, sondern dazu, uns neue Fähigkeiten beizubringen und der Gesellschaft Visionen von neuen möglichen Welten zu vermitteln.

Was es zu erhalten gilt, sind die Ideen und Lösungen, die wir in unseren Projekten erarbeiten und die Netzwerke, die wir knüpfen.

Denn nur dann können wir auf Ihnen aufbauen, unsere Ideen weiterentwickeln und immer wieder neue Projekte verwirklichen.
Damit unsere Projekte und Aktionen Orte sind, an denen wir ehrlich unsere Visionen einer anderen Welt zum Ausdruck bringen.

Danni lebt!

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Kritische Bemerkungen zu ‘Barrikade’ https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2021/04/27/kritische-bemerkungen-zu-barrikade/ https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2021/04/27/kritische-bemerkungen-zu-barrikade/#comments Tue, 27 Apr 2021 10:35:14 +0000 http://waldstattasphalt.blackblogs.org/?p=1959 Continue reading ]]> Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.

Auf dem Klimacamp in Dannenrod wurde David Klammers Film Barrikade das erste Mal gezeigt. Es handelt sich hierbei um eine Sammlung an Bildmaterialien aus dem Dannenröder Wald aus der Zeit vor sowie während der polizeilichen Räumung im vergangenen Jahr. Klammers erstes umfangreiches Filmprojekt spiegelt dessen scharfen, ästhetischen Blick wieder, wie wir ihn aus zahlreichen Fotoreportagen, u.a. aus dem Hambacher Wald, kennen. Es steht außer Frage, dass David Klammer die Kunst der Fotografie versteht und es ihm mit seinen Bildern gelingt das Publikum sowohl ästhetisch, als auch emotional anzusprechen. Die filmischen Aufnahmen für Barrikade demonstrieren Davids Fähigkeit sein fotografische Talent auch auf das cinematografische Medium zu übertragen. Allerdings ist der mediale Wechsel von Fotografie zu Cinematografie nicht nur eine technische Angelegenheit, sondern birgt auch tief gehende narrative Implikationen.

Fotograf*innen haben eine nicht zu unterschätzende narrative Macht in dem sie ihren Blickwinkel auf die materielle Realität projizieren. Sie entscheiden welche Bilder aufgenommen werden, welche Details betont und welche raus gelassen werden. Je nach Kamerapositionierung sehen Objekte groß und beeindruckend oder eher klein und marginal aus. Die Kameraperspektive beinhaltet immer eine Subjektivierung der Realität, auch wenn die Person hinter der Kamera es anstrebt eine rein ‘objektive Realität‘ festzuhalten. Ein typisches Beispiel hierfür sind Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstrant*innen. Die fotografierende Person entscheidet in diesem Fall durch die gewählte Positionierung der Kamera, ergo den eigenen Blickwinkel, ob das Foto im Endeffekt die Polizei oder die Demonstrierenden als bedrohliche bzw. angreifende Partei darstellen wird. Für Mainstreammedien arbeitende Fotograf*innen positionieren sich in ihrer Arbeit tendenziell, sowohl ideologisch als auch physisch, an der Seite der Polizei.

Diese narrative Macht wird im Falle des cinematografischen Mediums exponentiell vergrößert. Nicht nur Selektion und Blickwinkel gehören zu den unvermeidbaren Machtmitteln, denn hier kommen zusätzliche sprachliche Ebenen hinzu, welche großen Einfluss auf die Wahrnehmung der gezeigten Bilder haben. Dazu gehören die verbale Sprache (explizite Botschaften) sowie Filmschnitt, Sequenz und Handlung (die implizite Botschaften in sich tragen).

Auf all diesen Ebenen – Selektion, Perspektive, verbale Sprache und implizite Narrativierung – manifestiert sich – bewusst oder unbewusst – die Subjektivität der filmschaffenden Person, auch wenn diese behaupten kann, selbst nicht zu Wort zu kommen und nur andere Personen dessen eigene Geschichte erzählen zu lassen. Subjektivität wohnt jedoch auch immer Ideologie inne. In einer augenscheinlichen Abwesenheit von Ideologie schleicht sich so die hegemoniale, sprich die tief internalisierte bürgerliche, Ideologie ein.

Wir sind der Meinung, dass sich auch in Barrikade, ein Film der vorerst als ästhetisches Sammelsurium an Einblicken in die Besetzung ohne klar intendierten Handlungs- oder Erzählstrang erscheint, ein bürgerlicher politischer Inhalt eingeschlichen hat – nicht unbedingt als gezielte ‘kontrarevolutionäre Propaganda’, sondern als Konsequenz einer versuchten ideologischen Neutralität. Dies möchten wir Anhand von zwei uns aufgefallenen Szenen im Kontext des gesamten Filmschnitts verdeutlichen. Die folgenden Bemerkungen richten sich sowohl als konstruktive Kritik an David Klammer, als auch als Anstoß zum aufmerksamen Medienkonsum an Zuschauer*innen des Films.

Die erste Szene, welche wir hier zur Verdeutlichung der zuvor erörterten Punkte anbringen möchten zeigt – ohne jegliche Kontextualisierung – eine Diskussion zwischen zwei A49-Gegner*innen und einem A49-Befürworter. Das Gespräch dreht sich um Recht, Ordnung, Polizeigewalt und das (angeblich beobachtete) Werfen von Steinen. Inwiefern diese Szene chronologisch in die gesamte Konfliktentwicklung und die schlussendliche Eskalation dessen passt bleibt den Zuschauer*innen durch die fehlende Kontextualisierung verborgen. Die Szene endet mit der Aussage seitens des A49-Befürworters, dass die Polizei nur dann Gewalt ausübe wenn sie mit Steinen beworfen werde. Als der Film auf dem Camp in Dannenrod gezeigt wurde, löste diese Aussage übermütiges Gelächter im Publikum aus – für die dort anwesenden Zuschauer*innen war diese Aussage eine so offensichtliche Unwahrheit, dass diese nur als lustig, oder geradezu lächerlich, empfunden werden konnte. Hier muss natürlich berücksichtigt werden, dass die Zuschauer*innen in diesem Fall alle bereits mehr oder weniger Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben durch welche sie diese Aussage definitiv widerlegen können. Problematisch ist jedoch, dass genau diese Aussage des A49-Befürworters eine explizite Äußerung der hegemonialen Ideologie ist, welche sich tief in den Köpfen des deutschen Bürgertums verankert hat. Der kritische Punkt hier ist nicht der Fakt, dass dieser Ausschnitt in den Film aufgenommen wurde – dieser ist sogar durchaus informativ, beispielsweise mit Blick darauf wie ein Großteil des deutschen Bürgertums an Märchen glaubt die so weit von der Wirklichkeit entfernt sind, dass es selbst die Brüder Grimm in Erstaunen versetzen würde – sondern, dass diese explizit falsche Aussage an keiner Stelle im Film widerlegt wird. Sie wird leider sogar – wenn auch unbewusst – implizit bestätigt.

Zu keinem Zeitpunkt werden im Film Bilder roher Polizeigewalt gezeigt; wann immer die Polizei porträtiert wird, sehen wir zuvorkommende, nette, gesprächsbereite, wenn nicht fast schon charismatische, Polizist*innen. Was wir nicht sehen sind Bilder von Polizist*innen die sicherheitsrelevante Seile durchtrennen oder von SEKlern die auf wehrlose Menschen einprügeln. Wir sehen keine Bilder von anlasslosen Festnahmen oder Schmerzgriffen, keine Bilder von gebrochenen Knochen, keine Erfahrungsberichte von Polizeigewalt abseits von Kamerapräsenz, keine Berichte von Sanitäter*innen. (Vielleicht eine Ausnahme: Ü-60 Person die darüber berichtet wie sie weggetragen wurde und dies weh getan hat.) Stattdessen sehen wir wie ein SEKler mit schauspielerischer Brillanz behauptet den Menschen, welche er in diesem Moment räumt, eigentlich ganz ähnlich zu sein. In derselben Szene wird außerdem ein Schneeballhaufen gezeigt, welcher suggestiv auf die Aussage des A49-Befürworters einige Szenen zuvor im Film bezogen werden könnte. Das, von Klammer vielleicht nicht intendierte, Zusammenspiel all dieser Szenen führt zu einer Banalisierung und Täuschung. Die irrtümliche bürgerliche Wahrnehmung der Polizei wird also sowohl explizit ausgesprochen als auch implizit bestätigt. Ergänzt wird das Ganze von einer mehr oder weniger verborgenen impliziten Botschaft: hier wird doch nicht mit Steinen geworfen, nur spielerisch mit Schneebällen. Auch das stimmt nicht: es hat während der Räumung sowohl Stein- als auch Schneeballwürfe gegeben.

In dieser Szene wird die filmmacherische Macht also sehr deutlich. Die falsche Aussage (verbalisierte explizite Botschaft) wird aufgenommen (Selektion) und durch den Filmschnitt implizit bestätigt. Uns geht es nicht darum die narrative Macht an sich zu kritisieren; sie ist nämlich inhärent, unvermeidbar und auch potentiell fruchtbar. Wir kritisieren, dass sie – wahrscheinlich unbewusst – falsch angewendet wird und somit Lügen untermauert anstatt sie zu widerlegen. Ein konkreter Alternativvorschlag für die Einbettung dieser Szene in den Film wäre es, die genannte Aussage (Polizei übt nur Gewalt aus wenn sie mit Steinen beworfen wird) anhand einer darauffolgenden Szene sofort zu widerlegen, beispielsweise mit Bildern anlassloser Polizeigewalt, oder, wenn diese Bilder nicht vorhanden sein sollten, beispielsweise ein Erfahrungsbericht anlassloser Polizeigewalt. Ein diesbezüglich empfehlenswertes Vorbild ist beispielsweise der Film In unser aller Namen über die Thematik des Braunkohlebergbaus und die Konflikte im Hambacher Wald. Hier zeigt sich der Filmmacher ‘politisch neutral’, indem er beiden Konfliktparteien zuhört, den Schnitt aber tendenziell so gestaltet, dass auch einem unwissenden Publikum deutlich wird wie lügnerisch politisch-hegemoniale Äußerungen (z.B. von Innenminister Herbert Reul) eigentlich sind – in diesem Fall folgen auf solche Aussagen entsprechende Szenen welche die Absurdität dieser aufzeigen.

Es ist durchaus möglich, dass in Barrikade keine Szenen roher Gewalt zu sehen sind, weil dieses Gewalt tendenziell gezielt dann ausgeübt wird wenn keine Kameras präsent sind. In diesem Fall besteht, wie zuvor bereits erwähnt, die Möglichkeit Erfahrungsberichte von betroffenen Personen oder Sanitäter*innen zu nutzen um diese dennoch zu dokumentieren. Eine weitere Möglichkeit für das Fehlen von Szenen roher Gewalt kann auch die bewusste Entscheidung sein das Publikum durch die Vermeidung ebendieser zu schonen. Dies halten wir für problematisch, da es einem Vertun einer uns eh schon sehr selten zukommenden politischen ‚Machtquelle‘ (im Sinne der Einflussnahme auf die Wahrnehmung der Geschehnisse) gleichkommt.

Gewaltloser Widerstand, welcher durchaus die Hauptmethode während der Räumung im Dannenröder Wald war, entlehnt seine Macht an seine Spiegelfunktion: dessen Wirksamkeit stützt sich darauf staatliche Gewalt hinzunehmen und so das Herrschaftssystem dazu zu nötigen sich in seiner Gewalt zu offenbaren. Ergo: Offenbarung von Gewalt ist notwendig damit es überhaupt funktioniert. (Historisches Beispiel: Martin Luther King hat sich bewusst Städte ausgesucht von denen bekannt war, dass die Polizei dort ausdrücklich rassistisch und gewalttätig handelte.) Diejenigen die Polizeigewalt erleben, werden nicht geschont; wir sehen nicht ein wieso Zuschauer*innen notwendigerweise geschont werden sollten wenn sich die Gewalt schon vollzogen hat und durch ein Ausblenden in der medialen Dokumentation somit weiterhin im Verborgenen verweilt. Desweiteren sind wir der Meinung, dass es nicht notwendigerweise einen Widerspruch zwischen Ästhetik und Gewalt geben muss und somit auch ein Film mit ästhetischem Anspruch gewalttätige Szenen beinhalten kann. Diese könnten auch dazu beitragen das ‘idyllische Waldleben’, was im Falle von David Klammers Film scheinbar ein Fokus gewesen ist (obwohl der Film dramatischerweise Barrikade heißt), durch eine bewusste Kontrastierung mit der Realität kapitalistischer Herrschaft zu betonen.

Was wir in Barrikade stattdessen sehen sind eine Triggerwarnung zu Beginn, obwohl keine rohe Gewalt zu sehen ist (diese ist natürlich dennoch sinnvoll, da es nicht im Ermessen einer Person liegt welcher Grad an Gewalt eine Triggerwarnung benötigt und welcher nicht) sowie Szenen von scheinbar übermäßig emotionalen, aufgebrachten Aktivist*innen deren Aufregung durch fehlende Kontextualisierung schwer nachzuvollziehen ist. Dies bestätigt wiederum den stereotypischen Eindruck von jammernden, pöbelnden (oder kiffenden) arbeitslosen ‚Taugenischtsen‘ die einfach nicht klarkommen im Kontrast zu vernünftigen, gesprächsbereiten, ruhigen und verantwortungsvollen Beamt*innen.

Die zweite Szene, welche wir als Beispiel anführen möchten, zeigt ein Gespräch zwischen zwei Menschen in der Besetzung. Eine der beiden Personen predigt Pazifismus und behauptet, dass alle erfolgreichen Revolutionen bisher gewaltfrei verlaufen seien. Das Gespräch endet mit einer Umarmung und der Bitte der zweiten Person ‘dies in die Welt zu tragen’. Was genau in die Welt getragen werden soll wissen die Zuschauenden nicht, da nur ein Teil des Gesprächs gezeigt wird und somit auch hier der Kontext fehlt. Doch was der Filmschnitt in diesem Falle suggeriert ist klar: auf die explizit pazifistische Aussage folgt eine visuelle (Umarmung) und verbale (Bitte dies in die Welt zu tragen) Bejahung. Auch hier richtet sich unsere Kritik an die explizit und implizit vermittelte Botschaft welche sich in der Aneinanderreihung der entsprechenden Szenen verbirgt; hierbei spielt der Filmmacher eine aktive Rolle bei der Verbreitung einer ideologisch gefärbten Unwahrheit. Wir brauchen hier keine historische Monographie zu schreiben um zu beweisen, dass die Aussage einfach falsch ist. Zwei Wörter reichen schon: Französische Revolution. Der Szene ist an sich problematisch, indem sie eine Unwahrheit verbreitet und dadurch politischer Aufklärung im Weg steht. Sie passt allerdings auch in die Gesamtstimmung des Films, die allgemein eher verharmlosend anmutet.

Wir behaupten nicht, dass gewaltlose Widerstandsformen keine Daseinsberechtigung haben; diese Daseinsberechtigung sollte jedoch nicht auf Mythen und historischen Falschdarstellungen basieren. Doch hier geht es nicht nur um einen zufälligen faktischen Irrtum – wir reden hier immer noch über Ideologie. Die hegemoniale Ideologie schreibt vor, dass Widerstand nur legitim ist und nur erfolgen kann wenn er bunt, kreativ und ‘gewaltfrei’ ist – das heißt: wenn das staatliche Gewaltmonopol respektiert wird. Diese Behauptung dient einem Selbsterhaltungszweck; die Ideologie ist Mittel zur Legitimierung gewaltvoller Herrschaftsstrukturen, Verschleierung struktureller Gewalt und Delegitimierung von allem was die Hegemonie ernsthaft herausfordert. Dazu gehört auch gewaltbereite Gegenmacht. Die Ideologie lässt keine Chance unversucht Widerstand zu pazifizieren und im Rahmen von ‘demokratischer Meinungsäußerung’ zu verdrängen sowie auch die Polizei, den Hebel der Staatsgewalt, als politisch neutralen Friedens- und Ordnungsbewahrer darzustellen. Doch in der Abwesenheit gewaltbereiten Widerstandes waltet hegemoniale Gewalt souverän. Allgemeine Gewaltlosigkeit hat es nämlich noch nie gegeben.

Es könnte der Eindruck entstehen, dass wir hier über Details stolpern, statt einfach zu betonen, dass David Klammer einen schönen Film geschaffen hat. Doch genau in diesen Details, in Subtilitäten und in Subtexten, nistet sich Ideologie ein. Die Bestätigung hegemonialer Ideologie benötigt lauter implizite und subtile Methoden – sie reproduziert sich unbemerkt und scheinbar wie von selbst – da sie sich schon fest im Geist des bürgerlichen Mitte verankert hat und die subjektive Wahrnehmung der Realität als Bezugsrahmen dient. Sie in Frage zu stellen benötigt hingegen eine wiederholte und nicht zu leugnende Konfrontation mit den die ideologische Indoktrinierung widerlegenden Fakten. Wir sind der Meinung, dass Ästhetik und politische Aufklärung durchaus verbunden werden können, doch wenn das Zusammenspiel ebendieser unvorsichtig gestaltet wird besteht so auch immer die Gefahr der politischen Vernebelung.

Theoretische Hintergründe zu Ideologie und Hegemonie sind u.a. in den Werken von Philosophen wie Antonio Gramsci und Slavoj Žižek zu finden.

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Freie Klage- und Trauerschrift https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2020/11/20/freie-klage-und-trauerschrift/ https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2020/11/20/freie-klage-und-trauerschrift/#comments Fri, 20 Nov 2020 11:21:02 +0000 http://waldstattasphalt.blackblogs.org/?p=1589 Continue reading ]]> Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.

Es war einmal das Barrio Drüben

Wenn du am späten Morgen an der Ground Kitchen angekommen bist, kochte natürlich irgendwas auf dem Feuer. Kaffee, Porridge oder schon irgendein Eintopf, der irgendwie immer gut wurde. War das Essen überhaupt mal komplett verkackt? Vielleicht ein, zwei Mal gab es angebrannte Pampe.

Die Menschen rund herum wuselten, bauten an ihren Behausungen weiter. Spirit Level bekam eine Tür, dann Wände und dann einen kleinen Ofen für den anstehenden Winter.

Menschen haben dort dicht an dicht geschlafen, und sie haben ihre Wärme geteilt und vervielfacht.

Weißt du noch, als Spirit Level noch existierte? Bevor es von den uniformierten Staatsgewaltätern heruntergerissen wurde? Scheiße ja, es ist erst Tage her.

Spirit Level hatte eine Couch. Es war ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer und an einem Seil hingen Klettergurte, die mensch sich spontan ausleihen konnte, um zum Beispiel die höchsten Baumhäuser Cop Catcher und Baramborak zu erklimmen.

Drüben war ein Zuhause. Seine BewohnerInnen waren kreativ und lustig und international und anarchistisch. Es war ein fantastischer, offener Ort. Dann wurde es umstellt von gesichtslosen StaatsarbeiterInnen, die gendern nicht mögen, mit ihren Waffen und Maschinen. Und die BewohnerInnen von Drüben’s Baumhäusern wurden riskant und rücksichtslos herausgerissen. Danach wurde auch der Rest abgerissen. Und das wurde dann Arbeit genannt.

Arbeit für ein völlig aus der Zeit gefallenes Projekt. Für ein lebensverachtendes System. Und dann verarschen die Grimmigen mit den dunkelblauen Helmen dich auch noch, während du in den Bäumen ausharrst. Und reden die ganze Zerstörung von Zuhause und Trinkwasserschutzgebiet schön – als einen einfachen Arbeitsauftrag, der ihnen auf keinen Fall nahe gehen soll. Sie klammern sich stur an ihre gesetzlich festgelegten Ideale.

Sie arbeiten selbstgerecht und mit „Schnelligkeit vor Sicherheit“ an diesem ohnehin lächerlichen Auftrag von der schwarz-kotzgrünen Landesregierung Hessens, die sich auf Beschwerden hin weiterhin nur feige rausredet. Verdammte Heuchler.

Verdammte Scheiße, es geht hier um unsere Zukunft!

Eigentlich bin ich auch gar nicht in erster Linie wütend, sondern traurig.

Drüben war einmal, und was bleibt? Die Menschen, egal, wo sie jetzt sind.

Unabhängiger Mensch aus der Waldbesetzung Dannenröder Forst

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Geschichten aus dem Wald https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2020/11/18/geschichten-aus-dem-wald/ https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2020/11/18/geschichten-aus-dem-wald/#comments Wed, 18 Nov 2020 16:10:44 +0000 http://waldstattasphalt.blackblogs.org/?p=1565 Continue reading ]]> Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.

Anklage: „Ihr wagt es euch über das Gesetz zu stellen?“, droht der Polizist auf Twitter, „Wer Recht bricht, muss die Gewalt des Staates spüren.“ Und im Parlament argumentiert der Politiker: „Die Rodung wurde im Parlament diskutiert und beschlossen. Das Anliegen den Wald zu schützen entspricht nicht dem Willen der Mehrheit.“ Und der Unternehmer antwortet im Interview: „Wie kann ein Wald wichtiger sein als eine Autobahn? Ein Wald ist unproduktiv und schafft keine Jobs.“ Und in der Talkshow fragt die Moderatorin die Aktivistin: „Das oberste Verwaltungsgericht sieht den Bau der A49 durch den Dannenröder Forst als rechtens und Sie besetzen den Wald und bauen Barrikaden und Baumhäuser. Frau Fichtner, sind Sie demokratiefeindlich? Wie stehen Sie zu Gewalt?“

Vielleicht, wenn der empörte Bürger, der Politiker, der Unternehmer, die Moderatorin den Mut hätten einen Fuß in den Wald zu setzen – ohne schlechte Absicht, ohne Vorurteil, ohne Besserwisserei und ohne Anschuldigung – vielleicht, könnten sie dann erkennen, dass es in dem Kampf um den Dannenröder Forst um mehr als nur das Recht oder Unrecht eines Gerichtsurteils geht. Es geht um die Verteidigung und den Aufbau einer Welt, die den ökologischen und ökonomischen Kollaps des bestehenden Systems überleben kann.

Würden die Stimmen der Medien den Stimmen des Waldes lauschen, sie könnten viele Antworten finden, wie diese Welt aussehen wird und welche Strategien auf dem Weg dorthin die sinnvollsten sind. Nur eines steht fest: Die Klimakrise, der schleichende ökologische Kollaps vernichtet Tag für Tag die Grundlagen menschlichen und nicht-menschliches Lebens. Weder die UN, noch die Weltbank, weder die chinesische, noch die europäischen Regierungen sind in der Lage Lösungen zu finden. Die Reform unseres wachstumsbasierten Wirtschaftssystems durch Technologie, Subventionen und transnationale Abkommen ist gescheitert.

Gewalt: In der Mahnwache Schmitthof [1] fliegen die Bälle. Zwei Menschen jonglieren in der Morgensonne. Andere sitzen auf dem Fahrradweg und frühstücken. In der Nacht war es schweinekalt. Nicht mal die zwei zusätzlichen Decken aus dem Free-Shop hatten gereicht. Ein Auto biegt von der Bundesstraße ab und fährt bis kurz vor den Infostand der Mahnwache. Flitch steht auf, geht auf das Auto zu. „Wo wollen Sie hin? Brauchen Sie den Weg?“, fragt er den alten Mann hinter dem Steuer. Der Mann reagiert agressiv. Er brüllt Flitch an, schaut ihm in die Augen und drückt auf das Gas. Flitch hechtet zur Seite. Das Auto erwischt ihn am Knie. Bevor wir reagieren können, dreht der Fahrer um und fährt davon.

Flitch rappelt sich auf: „Ich ruf die Polizei! Also nicht um den Typen anzuzeigen. Ich will mit ihm reden und verlange eine Entschuldigung von ihm. Ich weiß das Nummernschild, also kann die Polizei die Adresse ermitteln und ihn hier herbringen. „Als Flitch der Polizei seine Absicht erklärt, halten sie wenig von seinem Plan: „Mit dem wirst du nicht reden können. Was soll das bringen?“, meinen sie, aber letztlich willigen sie ein und bringen den Mann zurück zur Mahnwache. Gespannt beobachten wir wie Flitch und der alte Mann auf eine Brücke laufen um miteinander zu reden. Nach einer Weile kommt Flitch zurück: „Ich habe ihm gesagt, dass sein Verhalten unterstes Kindergartenniveau war. Egal was er über uns denkt – mit dem Auto anfahren geht gar nicht. Dann wollte er mich anlügen. Ich habe ihm klar gemacht, dass unser Gespräch kein Gerichtsprozess ist. Er muss nicht lügen, weil ich nur eine ehrliche Entschuldigung will. Schließlich hat er sich bei mir entschuldigt.“ Flitch wendet sich den Polizist*innen zu: „Sie können ihn zurückbringen.“ Die Polizist*innen sind überrascht: „Sie wollen ihn nicht anzeigen?“ Flitch schüttelt den Kopf: „Warum sollte ich auf Gewalt mit noch mehr Gewalt reagieren? Das ist nicht die Art von Welt, die ich hier bauen möchte.“

Später am Abend sitzen wir am Feuer in der Jurte und reden. Blume erzählt: „Für die meisten Bürgis [2] ist bereits die Besetzung an sich ein Akt der Aggression. Sie sehen in uns gewalttätige Menschen. Dabei stellen wir uns trainierten, bewaffneten Polizeitrupps und schweren Maschinen mit nichts als unseren Körpern entgegen. Einmal war ich dabei, da sind Steine geflogen. Manche schlugen die Steine gegeneinander um Lärm zu machen. Andere warfen die Steine in Richtung der Cops, um sie auf Abstand zu halten. Wir waren wütend, weil die Cops unser Zuhause zerstört und uns körperliche Schmerzen zugefügt hatten. Mit den Steinen haben wir ihnen Angst gemacht, aber verletzt haben wir sie nicht… Ich kenne hier keinen Menschen, der Gewalt ausübt mit der Absicht einen anderen Menschen zu verletzen. Nia antwortet: „Ne, einen kennen wir jetzt. Den Mann im Auto.“ Wir schweigen, schauen ins Feuer, trinken Tee. Nach einer Weile kichert Nia: „Also wenn alle Bürgis handeln würden wie Flitch – die Gerichte und die Polizei hätten nix mehr zu tun. Ob das so gut für uns wäre?“

Widerstand: “Wer fragt ob‘s im Camp noch ‘n Meißel gibt? Die steinige Oberfläche ist zu dick. Wir brauchen da zwei Meißel.“ Python delegiert. Lilie schichtet Holz. Pink wickelt Draht. Chia haut in das Loch. Nero mischt Beton. Matte und Flitch rauchen. Ich ruf in der Mawa an. Es gibt keinen zweiten Meißel. Egal. Die Barrikade reicht bereits über den ganzen Weg. Nur noch ein schmaler schlammiger Pfad bleibt geöffnet. Was noch fehlt ist ein Pfeiler. Eine einbetonierte Metallstange, damit ein Räumpanzer die Barrikade nicht einfach wegschieben kann.

Ein Mann fährt mit seinem Fahrrad bis kurz vor die Barrikade. Er steigt ab und schiebt das Fahrrad langsam die Böschung entlang. „Brauchen Sie Hilfe?“ fragt Flitch. Der Mann lacht: „Normalerweise würde ich das nicht gut heißen, was ihr hier macht. So ein schöner Waldweg! Aber besser so, als eine Autobahn. Macht euch keine Sorgen. Ich komme hier durch.“ Nero hält beim Beton mischen inne: „Schon ironisch, oder? Wir wollen den Bau einer Autobahn verhindern und jetzt stehen wir im Wald und mischen Beton.“ Der Mann schüttelt den Kopf. „Ich bin euch dankbar. Seit vierzig Jahren kämpfen wir hier gegen den Bau der A49. Immer wieder haben wir verloren. Aber diesmal gewinnen wir. Hier kommen die nicht durch.“ Er radelt davon.

Wir arbeiten weiter. Steinplatte durchmeißeln, Stange rein, Beton drauf, Autoreifen drumrum, Stöcke durch, Draht wickeln. Aus der entgegengesetzten Richtung radelt ein zweiter Mann heran. Er steigt ab, trägt sein Fahrrad durch den Matsch. „Gott sei mit euch!“, ruft er, „Gesegnet seid ihr!“ Chia grinst: „Eine heiliggesprochene Barrikade!“ Ich beobachte wie langsam das Tageslicht verschwindet, lausche den verbliebenen Geräuschen: Hämmern, Lachen, Stimmen aus den Wipfeln der Bäume.

Mit der Dämmerung kommen die Kälte und der Hunger. „Ich mache Feierabend. Wo und wann arbeiten wir morgen weiter?“ Python schaut fordernd in die Runde. Salle schaufelt den letzten Rest Beton neben den Pfeiler: „Das sehen wir dann. Geh ruhig, wenn du Feierabend machen willst. Wir schaffen das auch ohne dich“ Python verschwindet im Wald. Matte dreht sich eine Zigarette: „Wenn hier morgen die Polizei räumt, bauen wir keine Barrikaden, sondern sitzen da oben.“ Sie deutet auf die schwebende Liege über der Wegkreuzung. Ich folge dem Seil mit meinen Augen, das von der Liege hoch in die Bäume und wieder runter bis zur Barrikade führt. Zwanzig Meter hoch hängt die Liege in der Luft. An dem Seil bei der Barrikade hängt ein Zettel: „Wer dieses Seil durchtrennt, tötet einen Menschen.“ [3]

Solidarität: Fasziniert beobachte ich das Treiben der Küfa. [4] Der Lagerraum ist voll bis oben hin: Säcke voller Getreide, Kartoffeln und Linsen. Kistenweise Obst und Gemüse. Literweise Öl, Gewürze, Dosen. Ein metergroßer Kürbis. Die Solidarität ist groß: Ansässige Bäuer*innen bringen Überschüsse ihrer Ernte vorbei. Aktivist*innen containern Essen von den umliegenden Supermärkten. Anwohner*innen und Besucher*innen spenden Einkäufe.

In einem Zelt vor dem Lagerraum kocht das Team der Küfa in riesigen Töpfen das Abendessen für alle, die Essen wollen. Eine Bewohnerin von Drüben [5] kommt mit drei Eimern vorbei: „Die in Nirgendwo [6] brauchen dreißig Portionen. Und zwanzig für Oben [7]. Kann wer mitkommen und mir helfen die Eimer zu tragen?“ Zwei Menschen melden sich zum Tragen. Andere schnibbeln, waschen ab, räumen auf, suchen sich eine Arbeit – zu tun gibt es genug. An der Wand des Kochzelts hängt ein Zettel: „Empfehlungen für eine hierarchiearme Küche: Erst fragen, dann erklären. Bitten statt befehlen. Pausen machen statt Frust ablassen.“

Während mehrere Menschen ein Lastenrad beladen, welches das Essen zur Ausgabe im Camp transportiert, betrachte ich das Gasthaus Jakob neben dem Küchenzelt. In dem Gasthaus können Camp- und Waldbewohner*innen warm duschen. Es gibt einen Ruheraum mit Internet. Die Besitzerin unterstützt den Kampf für den Erhalt des Dannenröder Forstes. Im Gespräch erzählte sie: „Vor ein paar Wochen rief mich eine Kollegin von einem Gasthaus in einem Nachbardorf an. Sie meinte, sie habe ein gutes Angebot. Es ging um die Leute von Strabag. [8] Die würden gut zahlen. Ich lehnte ab. Auf den Wiesen hier dürfen die Bauern nicht mal Schafe halten, weil Hunderttausende ihr Trinkwasser von hier beziehen und dann soll eine Autobahn gebaut werden?“

Ich beobachte wie das Lastenrad Richtung Camp verschwindet und schaue den drei Menschen hinterher, die mit Eimern voller Essen in den Wald wandern. Wenn wir eine Welt bauen könnten, die funktionieren würde wie der Wald und das Camp, wie sähe sie aus? Wie wäre eine Welt, die auf Vertrauen basiert anstatt auf Kontrolle, auf Freiwilligkeit anstatt auf Pflicht, auf geteilter Verantwortung anstatt auf Befehl und Gehorsam?

Echo: Im Wald gelingt es uns hunderte Menschen mit Essen, Trinken, Decken, Kleidung und Schlafraum zu versorgen. Wir [9| organisieren Diskussionen, Kinoabende, Skill-Sharing-Workshops und Pressearbeit. Wir betreiben Sanitäter-, Rückzugs-, Free-Shop-, Bastel-, und Awareness-Zelte. Für Kinder machen wir kinderfreundliches Programm im Zirkuszelt. Für Rollstuhlfahrer*innen bauen wir Rampen. Für Hunde-besitzer*innen organisieren wir Hunde-Sitting.
Wenn die Polizei oder Nazis unsere Strukturen angreifen oder sabotieren, verteidigen wir sie. [10]

Im Plenum entscheiden wir gemeinsam, was wir machen und was nicht – ohne Chef*in und ohne Mehrheits-Diktatur. Jede*r kann vorschlagen. Jede*r kann widersprechen. Kein Mensch muss mitmachen. Unsere Gesichter, Namen und Fingerabdrücke verhüllen wir – nicht weil wir Gewalt ausüben wollen, sondern weil wir gelernt haben, dass die Medien und die Polizei nach Täter*innen suchen, um ihre Wahrheit auf unschuldige Körper zu projezieren. Unser Widerstand kennt kein Ende und keinen Sieg: Nicht im Hambi, nicht im Danni und nicht in der Lausitz – weder vor der Räumung, noch danach.

Wir konfrontieren den andauernden Ausnahmezustand, den schleichenden Kollaps, die soziale, politische und ökologische Krise der Gegenwart. Wir stehen nicht über dem Gesetz. Wir stehen entgegen der Gewalt. Wenn sich die Gewalt gegen die Natur richtet, ist es uns ein Gesetz diese mit unseren Körpern zu verteidigen. Wir sind nicht gegen Fortschritt. Wir sind gegen ein Wirtschaftssystem, das die Lebensgrundlagen von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen zerstört. Einen 300 Jahre alten Wald zu roden um Platz für eine Autobahn zu machen, ist ein irrationaler, unwiderruflicher Rückschritt. Wir sind nicht demokratiefeindlich. Wir fordern eine radikale, direkte Demokratie in allen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen. Demokratiefeindlich ist, dass mit den Stimmen einer stummen, ungefragten Mehrheit der Profit und die Machtfülle einiger weniger immer weiter vergrößert und ausgebaut wird.

Wenn auf Klimakonferenzen Abkommen ohne jede Verbindlichkeit beschlossen werden; wenn regierende Parteien machttrunken ihre Versprechen und Ideale vergessen; wenn CEOs von Ölfirmen und Autofabriken lächelnd grünes Wachstum predigen; wenn Gerichte maßlosen Profit und Umweltzerstörung als rechtens verteidigen, während Protest und Aktivismus kriminalisiert wird; wenn die Polizei den Schlagstock zückt sobald die Kameras wegschauen; wenn die Wahrheit auszusprechen als extrem gilt und danach zu handeln als gefährlich – dann sehen wir den Widerstand innerhalb und außerhalb der Parlamente als unsere Pflicht. Wir leben die Welt der Zukunft – nicht irgendwann und irgendwo, nicht als akademische Theorie oder utopische Ideologie, sondern als radikal-lebensbejahende Praxis im Hier und Jetzt.


[1] Mahnwache Schmitthof: Um den Dannenröder Forst herum gibt es eine Reihe angemeldeter Mahnwachen, in denen Menschen zelten und die Eingänge des Waldes bewachen. Die Mahnwache Schmitthof befindet sich zwischen Herrenwald und Dannenröder Forst nahe der geplanten Rodungstrasse. In der „Mawa Schmitt“ gibt es ein Infozelt, eine Jurte samt Kochstelle, zwei Kompostklos und einen Haufen netter Menschen.

[2] Bürgis: Bezeichnung für bürgerliche Menschen. Oder auch: Menschen, die gerne moralisch urteilen und reden ohne groß zu handeln.

[3] Durchtrenntes Seil: Am 15. November durchtrennt die Polizei bei einer Räumungsaktion ein Sicherheitsseil. Eine Person fällt aus 5 Meter Höhe zu Boden und wird dadurch verletzt.

[4] Küfa: Vegane Küche für alle. Wer Hunger hat, der isst. Wer Energie hat, hilft mit. Wer Lebensmittel besitzt, spendet. Die Küfa ist das Herz der Bewegung.

[5] Drüben: Ein Baumhausdorf am Waldrand in Richtung des Herrenloswaldes. Hier beginnt die geplante Trasse der A49 durch den Dannenröder Forst.

[6] Nirgendwo: Ein Baumhausdorf tief im Wald. Hier gibt es die höchsten Baumhäuser und die Bäume sind groß und dick und alt.

[7] Oben: Ein Baumhausdorf in der Mitte des Waldes. Hier gibt es Skill-Sharing Workshops zum Klettern lernen, einen Lehm-Pizza-Ofen und eine kleine Waldbühne.

[8] Strabag: Multinationales Unternehmen, welches den Zuschlag für den Bau der Autobahn von der DEGES, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums steht bekommen hat.

[9| Wir: Das „Wir“ im Text ist ein Produkt der Sichtweisen und Reflektionen der beiden Autor*innen. Die Autor*innen sehen sich als Teil der radikalen Klimagerechtigkeitsbewegung. Das „Wir“ spricht nicht für die Bewegung. Wer will, ist wir. Wer nicht will, ist nicht wir.

[10] Polizei und Nazis: Immer wieder sichten Waldbewohner*innen einzelne oder mehrere unbekannte Menschen, die in ziviler Kleidung durch den Wald laufen. In der Nacht werden Seile sabotiert, Zelte aufgeschnitten und Gegenstände geklaut. Die Vermutung ist, dass es sich hierbei um Polizisten oder Nazi handelt, die den Waldbesetzer*innen Schaden zufügen möchten.


Dieser Text beruht auf Erfahrungen und Ereignissen, die vor dem 10. November stattgefunden haben. Am 10. November wurde der Tag X ausgerufen: Die Räumung hat begonnen. Über 2000 Polizist*innen aus ganz Deutschland sind im Einsatz. Seit inzwischen 7 Tagen versucht die Polizei den Wald zu räumen. Die offizielle Rodungssaison endet im Februar.

Schnegg & Energia

  1. November 2020

 

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Gedankenspaziergang (am 22.01.2020) https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2020/03/09/gedankenspaziergang/ Sun, 08 Mar 2020 23:52:08 +0000 http://waldstattasphalt.blackblogs.org/?p=521 Continue reading ]]> Dieser Text wurde von einer Einzelperson aus der Besetzung heraus geschrieben. Er spiegelt somit auch nur die subjektiven Meinungen und Ansichten einer Einzelperson und keinesfalls die einer Gruppe oder Bewegung wieder.

 

Manchmal, wenn ich traurig bin

Wegen dem, was sich zusammenbraut

Weil ihr an eurem Reichtum baut

Hat das denn ueberhaupt noch Sinn?

 

Da frag ich mich

Warum du nicht Teil bist

Du, fuer dich

Von diesem Grossen und dem Ganzen

Das wir gemeinsam schaffen werden

Warum wir nicht zusammen tanzen

Oder ob wir doch nur einsam sterben

 

Es ist schoen, einfach nicht zu wissen

Hae? Wie? Was? Warum eigentlich?

Uns geht es doch gut

Und so nichts tun zu muessen

 

Es zerreisst dir nicht dein Herz

Nein, du fuehlst nicht diesen Schmerz

Wenn

Wieder und wieder und wieder

So viel zerstoert wird

In uns und um uns

Und dich dein Mut verlaesst

 

Nein davon willst du nichts wissen

Von den Baeumen mit den Rissen

Mit tiefen Furchen jener Kriege

Euer Hass gegen ihre Liebe

Eure Hiebe gegen ihre Triebe

 

Auch wir tragen diese Zeichen

Wir sind stark

Und wir sind viele

Doch mir mag das nicht reichen

 

Ich will

Dass auch du Teil bist

Mit uns gehst

Dass du kaempfst

Und vielleicht faellst

Doch vor allem siehst

Was dich umgibt

 

Du musst nicht

Aber

Du musst auch nicht da sitzen

Und einfach alles hinnehmen

 

Bitte sag mir in‘ s Gesicht

Dass du lieber nichts tust

Lieber schweigst

Als dass du schreist

Dann ist das dein Ding

 

Doch, mit jedem bisschen

Was wir geben

Koennen wir dich vielleicht bewegen

Doch noch deine Faust zu heben

 

Und zu schreien

Mit uns

Laut

Und zu leben!

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