Redebeitrag: Keine Räume für Neonazis im Kentroper Weg!

Unser Redebeitrag auf der antifaschistischen Demonstration „Kein Raum für Rechts – Nazistrukturen zerschlagen!“ am 3.10.2017 in Hamm:

Liebe Anwohner*innen, liebe Freund*innen,

in der unmittelbaren Nachbarschaft, im Kentroper Weg Nr. 18, befindet sich das sogenannte „nationale Zentrum“ der Hammer Naziszene. Die Hinterhofräumlichkeiten werden seit dem Jahr 2013 von lokalen Mitgliedern und Kadern der extremen Rechten in Beschlag genommen. Diese nutzen die Räumlichkeiten regelmäßig, sowohl für halb-private Feierlichkeiten als auch als offen beworbenen rechten Veranstaltungsraum.
Die Lokalität ist ein beliebter Anlaufpunkt für Nazis aus der Region und darüber hinaus. So fanden im Kentroper Weg mindestens sieben Konzerte mit Rechtsrock-Bands, welche sich im Kontext des rechtsterroristischen und seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbotenen Netzwerk „Blood and Honour“ bewegen, sowie etliche den Nationalsozialismus verherrlichende Vorträge mit Geschichtsrevisionist*innen und Holocaust-Leugner*innen wie Udo Walendy, Ursula Haverbeck und Ernst Zündel, sowie ehemaligen SS-Männern statt.
Darüber hinaus bestehen gute Kontakte zur NPD. Während des Kommunalwahlkampfs 2014 diente die Lokalität zudem als Wahlkampfzentrale für die Partei „Die Rechte“. Einer rechten Kleinstpartei, die als Auffangbecken für drei im Jahr 2012 verbotene Nazi-Kameradschaften aus Dortmund, Aachen und Hamm dient und von deren Kadern angeführt wird.

Rückzugsorte wie jener im Kentroper Weg stärken die lokale Naziszene, indem sie Möglichkeiten zur Organisierung, Vernetzung, Anwerbung, Indoktrinierung und Finanzierung bieten. Und die bundesweit gut vernetzte Hammer Naziszene weiß diese Freiräume zu nutzen.
Die Stadt Hamm hat bislang gegenüber dem Nazitreffpunkt im Kentroper Weg die gleiche Strategie angewandt, die sie für die gesamte Hammer Naziszene seit mehr als einem Jahrzehnt fährt: Ignoranz. Offiziell gibt und gab es in Hamm nie ein Naziproblem.
Egal wie präsent die Nazis in der Stadt waren oder wie dreist sie auftraten – die Stadt, allen voran der Bürgermeister, verleugnete die Existenz einer Naziszene oder redete sie zumindest so klein wie nur möglich. Von der Mär von den von außerhalb angereisten Nazis auf den regelmäßigen Demos in der Stadt, der ebenso bewährten wie sinnlosen „Türen zu und Mülltonnen raus“-Handlungsempfehlung für die Stadtgesellschaft bis hin zur Verklärung von brutalen Überfällen auf politische Gegner*innen als „Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen“ oder besser gleich „Extremisten“: Für nichts schienen sich die Offiziellen zu schade zu sein – Hauptsache, Hamm steht nicht als Stadt mit einem Naziproblem in der Öffentlichkeit. Die Folgen sind bekannt: Die Szene um die „Kameradschaft Hamm“ entwickelte sich zu einer der Aktivsten in NRW.
Nur dem langjährigen Engagement antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Gruppen ist es zu verdanken, dass die Naziszene in Hamm nicht ungestört weiter wachsen konnte. Die Nazis mussten immer wieder herbe Niederlagen verkraften: Sie verloren Räume, konnten Demonstrationen nur eingeschränkt durchführen, waren nicht mehr die prägende Kraft im Stadtbild und mussten persönlich wie organisatorisch mit empfindlichen Konsequenzen für ihre Aktionen rechnen.

Mittlerweile hat sich die Strategie der Hammer Nazis gewandelt. Anstelle von stetiger Präsenz auf kommunalpolitischer Ebene setzt sie zunehmend auf interne Veranstaltungen und Rechtsrock-Konzerte. Über diese subkulturelle Vernetzung politisiert sie Jugendliche, vernetzt sich und erschließt sich neue Einnahmequellen. Denn Rechtsrock-Konzerte sind dank hohen Eintrittspreisen, dem Verkauf von Merchandise und Tonträgern sowie dem Getränkeverkauf ein lukratives Geschäft. Dieser Strategiewechsel mag auch personelle Gründe haben: Der langjährige Kameradschaftsführer und Parteifunktionär Sascha Krolzig wohnt mittlerweile in Bielefeld, dafür zog mit Martin Böhne ein bestens vernetzter Veteran der Rechtsrockszene in die Stadt, der bei Szenegrößen wie „Sleipnir“, „Sturmwehr“, und „Oidoxie“ spielt bzw. spielte.

Die vermeintliche Ruhe in der Stadt ist also eine Trügerische. Naziveranstaltungen hinter verschlossenen Türen sind nicht weniger gefährlich als Aufmärsche und Kundgebungen. Rechtsrock-Netzwerke dienen nicht „nur“ der Verbreitung rechter Propaganda und der Finanzierung der Szene. Konspirativ und teilweise mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität aufgebaut, bilden diese Netzwerke eine Basis für militante Nazigruppen und rechten Terror. Die jahrelange Mord- und Anschlagsserie des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) wäre ohne die finanzielle und logistische Unterstützung von Netzwerken wie „Blood & Honour“ nicht möglich gewesen. Noch heute nutzen Nazis Rechtsrockkonzerte, um die Angeklagten im NSU-Prozess finanziell und ideologisch zu unterstützen und ihre Taten zu verherrlichen. Bands wie „Oidoxie“ propagieren dabei ganz offen rechten Terror und terroristische Netzwerke wie „Combat18“ werden wieder zunehmend aktiv.

Die Nazis in Hamm haben in der Vergangenheit wieder und wieder bewiesen, dass alle, die nicht in ihr Weltbild zu passen scheinen, ein potenzielles Angriffsziel darstellen. So gab es in den letzten Jahren in der Innenstadt, aber auch aus den Räumlichkeiten am Kentroper Weg 18 selbst heraus Angriffe auf vermeintlich linke Jugendliche und in der unmittelbaren Nähe wurde eine Gruppe von Geflüchteten mit einer Pistole verfolgt. Anlässlich einer antifaschistischen Kundgebung gegen den Nazitreffpunkt hängten die Nazis Plakate mit der Aufschrift „Nazikiez“ am Kentroper Weg auf. Ein Herrschaftsanspruch den sie auch gegenüber missliebigen Nachbarinnen und Nachbarn durchzusetzen versuchen: Diese wurden bereits mehrfach angegangen und bedroht.

Bei den Räumlichkeiten im Kentroper Weg 18 handelt es sich nicht um ein harmloses Vereinsheim, sondern um einen Anlaufpunkt für die die extreme Rechte aus Hamm und der näheren Umgebung, um ihr menschenverachtendes Gedankengut miteinander zu teilen, neue Mitglieder anzuwerben und ihre Aktivitäten zu finanzieren.
Der Vermieter der Immobilie hat kein Problem mit seinen Nazi-Mietern, ist er doch selbst ein ehemaliges Mitglied der extrem rechten Partei „Die Republikaner“. Auch die Stadt Hamm hat bisher ihre rechtlichen Möglichkeiten, dem Treiben der Rechten im Kentroper Weg ein Ende zu bereiten, nicht genutzt. Wo sonst peinlich genau kontrolliert wird, wird hier anscheinend gar nicht nachgefragt: Öffentlich beworbene kommerzielle Veranstaltungen mit festen Eintritt werden als private Feiern akzeptiert, offene Bezüge zu verbotenen und rechtsterroristischen Gruppen werden als „Profilierungsdrang“ verharmlost und die gezielte Störung von antifaschistischen Kundgebungen wird auf dem kurzen Dienstweg als Spontandemo akzeptiert, während man damit beschäftigt ist, den antifaschistischen Selbstschutz zu kriminalisieren.

Wir können und wir werden uns nicht darauf verlassen, dass die Stadt Hamm etwas gegen die lokalen Nazistrukturen tut und den Nazitreffpunkt am Kentroper Weg dicht macht. Wir werden weiterhin nicht hinnehmen, dass sich Nazis in Hamm ungestört organisieren und ihre Freiräume ausbauen können. Wir wissen, dass wir mit diesem Anliegen nicht alleine sind. Es gibt in Hamm eine Zivilgesellschaft, die diesen Zustand nicht akzeptiert. Es gibt Menschen und Gruppen, die gegen die Etablierung eines Nazizentrums in der Stadt kämpfen. Ihnen gilt unsere Unterstützung!
Und mit euch zusammen werden wir weiter recherchieren, Dinge öffentlich machen, auf der Straße präsent sein und den Nazis keine Ruhe lassen: Wir hören damit nicht auf, bis die Scheiße aufhört! Nazizentrum am Kentroper Weg dichtmachen – Nazistrukturen zerschlagen!

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