„Dreckige Zigeuner, wir bringen Euch um.“ Solche Worte hören Roma in Ungarn nicht nur, 2009 wurden sie wahr. Um mit rechtsextremistischen Bedrohungen in ihrem Land künftig besser fertig zu werden, haben Roma in der Stadt Pecs nun eine eigene Garde gegründet – zur Selbstverteidigung.
Die Männer und Frauen der paramilitärischen Ungarischen Garde marschieren gern kriegerisch: Trommeln, Flaggen, Uniform – wie in Budapest zu ihrem fünfjährigen Jubiläum Ende August auf dem Heldenplatz im Stadtzentrum oder jüngst in Cegled, 80 Kilometer südöstlich von Budapest durch eine Romasiedlung. Dort ohne Trommeln, aber mit Parolen: „Dreckige Zigeuner, wir bringen Euch um“ , brüllten die etwa 400 Gardisten und ihre Sympathisanten.
Die Polizei sah lange zu. Seit Jahren werden die Roma von den Neonazis der Ungarischen Garde drangsaliert. Die vielen Splittergruppen der Garde verstehen sich als Bürgerwehren und rechtfertigen ihre Auftritte durch „Hilferufe“ aus der Bevölkerung. Dabei bleibt es nicht immer bei Aufmärschen.
Weil der Staat uns nicht vor „Zigeunerkriminalität“ schützt
2009 ging ein Roma-Haus in Flammen auf, der 27-jährige Vater und sein fünfjähriger Sohn wurden erschossen, als sie sich retten wollten. Die Täter kamen aus dem Dunstkreis der Garde. Die mutmaßlichen Mörder von sechs ungarischen Roma, darunter ein Kleinkind, beriefen sich vor Gericht auch auf die Garde und deren Parolen. Tenor: Weil der Staat sie nicht ausreichend vor „Zigeunerkriminalität“ schütze, übten sie nun Selbstjustiz.
Offiziell ist die rechtsextreme Ungarische Garde verboten, ihre Splittergruppen nicht. In der südungarischen Stadt Pecs hat eine Roma-Vereinigung der Stadt nun ihre Gegengarde gegründet – zur Selbstverteidigung. Die Vorsitzende ist eine Frau – Helena Ganyi.
Menschenketten als Schutzschild
„Wenn die Mitglieder unserer Roma-Garde Aktionen und Angriffe der rechtsextremen Ungarischen Garde erfahren, dann haben sie als erstes den Auftrag, die Polizei zu rufen“, erläutert Ganyi: „Und solange die Polizei nicht eintrifft, soll eine Menschenkette, ein Schutzschild gebildet werden, mit dem wir die Roma schützen wollen – unbewaffnet.“
Nach Angaben Ganyis hätten sich bereits hunderte Roma der Garde angeschlossen. Nun soll landesweit dafür geworben werden. Roma-Vereinigungen in Ungarn sind uneins darüber, ob dies der richtige Weg ist.
Hoffen, dass die Roma-Garde nicht landesweit zustande kommt
Der ehemalige Roma-Beauftragte der Sozialisten, Laszlo Teleki, selbst Roma und Parlamentsabgeordneter sagte im ungarischen Radio dazu, er vertraue immer noch darauf, dass die Roma-Garde landesweit nicht zustande komme. „Ich gestehe jedoch auch meine Ängste und Zweifel ein. Hoffnung gibt mir das kluge Verhalten der Roma in den vergangenen Jahren“, führte er aus. Die Volksgruppe sei vielen Angriffen ausgesetzt gewesen und habe die Situation dennoch nicht eskalieren lassen.
Die Ungarische Garde hat neue Märsche für September angekündigt. Aus Sicht Telekis ist es schwer, eine Prognose zu stellen: „Ich hoffe, dass die ungarischen Roma auch weiterhin nicht den Fehdehandschuh aufheben, den ihnen die Rechtsextremen hinwerfen.“ Die Gesetze, die Behörden, der Staat und die Regierung müssten für Ordnung und Sicherheit sorgen, betont der Politiker.
Orban grenzte sich bislang nur halbherzig von den Rechtsextremen ab
Bisher grenzte sich die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban nur halbherzig von den Rechtsextremen ab. Von der sogenannten Nationale Roma-Strategie für Gleichberechtigung – ist kaum etwas umgesetzt worden. Während der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns vor eineinhalb Jahren war diese noch mit viel Aufwand als vorbildlich für die Europäische Union beworben worden.
Quelle: tagesschau.de
Stand: 07.09.2012