Category Archives: Abschiebung und Asyl

Asylbewerber kommen nach Essen – Anwohner protestieren

Am Mittwoch kommen die ersten Roma im Essener Stadtteil Bedingrade an. Sozialdezernent Peter Renzel beruhigt: Die Bleibe in der Turnhalle sei keine dauerhafte Unterkunft. Die „Antifa“ wirft Bürgern, die gegen die Unterbringung protestieren wollen, Rassismus vor.

Heute sollen die ersten der bis zu 60 Asylbewerber in der Turnhalle des ehemaligen Schulzentrums Bedingrade an der Lohstraße ankommen – nur übergangsweise, wie Sozialdezernent Peter Renzel gestern unterstrich. Bis zum 31. Oktober, so sei es vereinbart, sollen die Menschen – im Wesentlichen Roma aus Serbien und Mazedonien – Bedingrade wieder verlassen haben. Doch ob diese Nachricht die aufgebrachten Nachbarn vor Ort beruhigen kann, ist zweifelhaft.

Gestern waren Bürger in den Straßen unterwegs, um Unterschriften gegen die Unterbringung zu sammeln. Gleichzeitig hat sich die „Anitfa Essen“, die sich den Aylbewerbern sehr verbunden weiß, rüde zu Wort gemeldet: „Anwohner und Lokalpolitiker betreiben rassistische Stimmungsmache gegen die neue Flüchtlingsunterkunft, heißt es in einer Mitteilung. Continue reading Asylbewerber kommen nach Essen – Anwohner protestieren

Innenminister heizt Flüchtlingsdebatte an – Keine Chance auf Asyl

Einen „zunehmenden Asylmissbrauch“ sieht Innenminister Friedrich. Doch die realen Zahlen sind weit weniger dramatisch. Zum Beispiel in Köln.

Die Turnhalle am Reitweg im Kölner Stadtteil Deutz ist umzäunt von Stacheldraht. Vier Männer und eine Frau kauern vor dem Eingang im Nieselregen und rauchen. Sie sehen ärmlich aus. Und traurig. Sie anzusprechen ist nicht möglich: Ein privater Wachdienst sichert das Gelände. Er lasse nur Bedienstete der Stadt und Menschen mit einer speziellen Genehmigung durch, sagt der bullige Wachmann in freundlichem, aber bestimmtem Ton. Und „Personen mit einem Asylausweis um den Hals“.

Rund 200 Flüchtlinge befinden sich derzeit in der Sporthalle des Deutzer Berufskollegs, die die Stadt als Notunterkunft bereitgestellt hat. Die meisten von ihnen sind Roma aus Serbien und Mazedonien. Nach Köln sind sie Ende vergangener Woche gebracht worden, weil die Erstaufnahmeeinrichtungen Nordrhein-Westfalens in Dortmund und Bielefeld überfüllt sind. Auch die Durchgangseinrichtungen in Hemer und Schöppingen platzen aus allen Nähten. Continue reading Innenminister heizt Flüchtlingsdebatte an – Keine Chance auf Asyl

Missbrauchsdebatte schürt Rassismus

Ein Großteil der Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien sind Angehörige der Roma-Minderheit. Diese werden in ihren Herkunftsländern massiv diskriminiert.

Die aktuelle Debatte um Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien geht einher mit einer pauschalen Denunziation von Roma. So redet der deutsche Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von „Asylmissbrauch“ und fordert die Einschränkung der Visafreiheit für Serbien und Mazedonien. Sekundiert wird diese pauschale Diskreditierung der Asylsuchenden von zahlreichen Landesinnenministern, die Asylschnellverfahren, Leistungskürzungen und ähnliches fordern.

PRO ASYL unterstützt die heutige Erklärung mehrerer Roma-Organisationen über die Situation von Roma in den Herkunftsländern, die heute veröffentlicht wurde. Darin fordern die Organisationen ein Ende der Hetze gegenüber Roma. Zudem dürfen Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien nicht vom Recht auf Asyl ausgeschlossen werden. Sie haben ein Recht auf eine Einzelfallprüfung.

Die Situation der Roma in Serbien und Mazedonien ist äußerst prekär. Nach Aussagen der serbischen Regierung (2008) leben circa 60 Prozent der geschätzten 450 000 Roma in Serbien in unsicheren und unhygienischen Lebensverhältnissen; 30 Prozent haben keinen Zugang zu Trinkwasser; 70 Prozent keinen Zugang zur Kanalisation. Studien belegen, dass Romakinder in Sonderschulen mit einem Anteil von mehr als 30 Prozent deutlich überrepräsentiert sind. Umfragen zufolge gelten sie als die meist diskriminierte Bevölkerungsgruppe in Serbien, eine Diskriminierung, die sich insbesondere im Zugang zum Arbeitsmarkt deutlich macht.

Auch die EU-Kommission stellt fest, dass Roma in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung grundlegender Rechte wie beispielsweise dem Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt hindert.

Eine solche umfassende Diskriminierung und soziale Ausgrenzung kann durchaus zur Schutzgewährung führen. Das oberste Asylgericht in Frankreich hat im November 2011 entschieden, dass die Lebensverhältnisse der Roma in Serbien menschenunwürdig sind und ihnen deshalb ein Schutzstatus gewährt werden muss. Das nun geforderte Schnellverfahren ist inakzeptabel: In einem fairen Verfahren muss die Situation im Einzelfall geklärt werden.

PRO ASYL kritisiert die aktuellen Äußerungen der Innenminister gegenüber Roma als Stimmungsmache auf dem Rücken der Betroffenen und fordert die Rückkehr zu einer sachlichen Debatte.

Zahlreiche EU-Berichte und Berichte von Menschenrechtsorganisationen beleuchten die Lage der Roma in Serbien und Mazedonien:

Weiterführende Links und Quelle: Pro Asyl
Stand: 15.10.2012

»Rassistische Hetze«

Flüchtlingsorganisationen prangern Kampagne gegen Roma anMigrantenorganisationen kritisieren eine neuerliche Welle »rassistischer Hetze« gegen Flüchtlinge. Die Kampagne werde maßgeblich von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinem niedersächsischen Amtskollegen Uwe Schünemann (CDU) getragen, heißt es in einer gestern veröffentlichten Erklärung. Leidtragende seien vor allem Roma aus Serbien und Mazedonien.

Friedrich hatte in der Bild-Zeitung angekündigt, die Asylverfahren beschleunigen und die Visumpflicht für Serben und Mazedonier rasch wieder einführen zu wollen. Damit reagierte er auf die wachsende Zahl von Asylbewerbern aus diesen beiden Ländern. Friedrich sprach von Asylmißbrauch, weil die Betroffenen wüßten, daß sie kaum Chancen auf Anerkennung in Deutschland hätten. »Da liegt die Vermutung nahe, daß sie eher aus wirtschaftlichen Gründen kommen und nicht, weil sie Schutz vor Verfolgung suchen.«

Auch Schünemann warf Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien Mißbrauch des Asylrechts vor. Bei dieser Gruppe gebe es einen »100prozentigen Mißbrauch des Asylrechts und von Sozialleistungen«, da die Anerkennungsquote null betrage, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag: »Viele sagen bei der Aufnahme ganz offen, daß sie nach Deutschland kommen, weil sie gehört haben, daß es hier jetzt mehr Geld gibt.«

Schünemann meinte wahrheitswidrig, die Aufnahmelager in ganz Deutschland seien bereits jetzt überfüllt. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, daß die Asylverfahren bei offensichtlichem Mißbrauch innerhalb von 30 Tagen gerichtsfest abgeschlossen würden.

Offensichtlicher Mißbrauch? Ende August stellte die EU-Kommission in ihrem dritten Bericht zur Visa-Liberalisierung erneut fest, daß die Roma in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung grundlegender Rechte wie beispielsweise dem Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt hindert. Continue reading »Rassistische Hetze«

“Die Roma müssen weg!”

Antiziganismus in Europa: Während Bürger_innen von Marseille ungehindert von der Polizei zur Selbstjustiz greifen, um unliebsame Roma loszuwerden, können slowakische Behörden durch massiven Polizeieinsatz ein antiziganistisches Pogrom verhindern. Im bulgarischen Maglizh haben die Behörden über 30 von Roma bewohnte Häuser einreißen lassen.

Anwohner_innen des Marseiller Stadtteils Créneaux haben in der Nacht von Donnerstag auf Freitag knapp 50 Roma aus ihrem Camp vertrieben und die Unterkünfte mit allen Habseligkeiten anschließend in Brand gesetzt. Die Bürger_innen hatten bereits angekündigt, die Anwesenheit der Roma nicht länger zu dulden. Die Roma sind in Autos und Wohnwagen geflohen. Die Polizei rückte an, griff aber nicht ein. Da es nicht zu Gewalttaten gekommen sei, habe es auch keine Festnahmen gegeben, so die Logik der Behörden.
Bereits in den vergangenen Wochen hat die Polizei selbst etliche Camps räumen lassen und Hunderte Roma vertrieben. Auch die Anwohner_innen von Créneaux hätten sich von den Roma „belästigt“ gefühlt, zitiert die FAZ die zuständige Stadtteilbürgermeisterin, die Sozialistin Samia Ghali. Um dem „Stehlen“ und der „Verschmutzung“ Einhalt zu gebieten, hatten die Bürger_innen kurzerhand zur Selbstjustiz gegriffen. Continue reading “Die Roma müssen weg!”

Filmkritik „Revision“

Am 29. Juni 1992 gegen 3.45 Uhr wurden in Nadrensee (Mecklenburg-Vorpommern) an der polnisch-deutschen Grenze die zwei rumänischen Roma-Männer Grigore Velcu und Eudache Calderar aus einer größeren Gruppe von „illegalen“ Grenzüberquerern von Jägern, darunter dem Polizisten Heinz Katzer, erschossen. Nach der Revolution 1989 in Rumänien ging die Familie Velcu nach Deutschland, wo sie in Gelbensande in einem Asylbewerberheim lebten. Als Grigore Velcus Mutter starb, wurde sie auf dem Dorffriedhof begraben; das Grab wurde 1992 mehrmals geschändet. Um die nötigen Papiere für die Überführung nach Rumänien zu besorgen, fuhr ihr Sohn nach Rumänien zurück, obwohl er das nicht durfte. Bei der Rückkehr wurden er und sein Freund ermordet. Eines der Opfer starb durch einen gezielten Kopfschuss.
Revision Filmplakat
Dem neu in die Kinos gekommenen Film „Revision“ kommt der Verdienst zu, diesen Fall und seine skandalösen Begleitumstände neu aufzurollen. Dafür haben die Filmmacher Interviews mit den Familien-Angehörigen der Opfer, mit den damals zuständigen Behörden, dem Anwalt des Haupttäters und weiteren Zeugen geführt. Erst durch die Interviews erfuhren die beiden Opfer-Familien Calderar und Velcu aus Rumänien davon, dass niemand wegen des Doppelmords an ihren Vätern bzw. Ehemännern bestraft wurde.

Durch den Film wird schnell klar, dass die Ermittlungen extrem unmotiviert abliefen und offenbar gezielt verschleppt wurden. Offensichtlich wurde die Tat nicht als Doppelmord an zwei Menschen wahrgenommen, sondern als Unfall, dem „nur“ zwei fremde Flüchtlinge zum Opfer gefallen sind.
Das fängt schon damit an, dass die Tat in einer ersten dpa-Meldung als „Jagdunfall“ bezeichnet wurde. Hier steuert der Film gut gegen die offizielle Version von der Tat an. Die Filmemacher stellen die Szene nach und beweisen, dass die Jäger die aufrecht gehende Menschengruppe aus der Entfernung über ihre Zielfernrohre kaum mit Wildschweinen verwechselt haben dürften. Dieses Verteidigungsbehauptung vor Gericht, wirkt somit nur wenig glaubhaft. Hinzu kommt nach, dass der Todesschütze, Heinz K., als Jagdpächter wusste, dass es in dieser Zeit zu vielen Grenzübertritten kam, weswegen sich sich andere Jäger dazu entschlossen hatten ganz auf die Jagd zu verzichten. Die anderen beiden Jäger aus der Gruppe befanden sich auf einer organisierten Jagdreise, wofür sie am Morgen nach der Tat mit Heinz K. noch die Kosten abrechneten. Erst Tage später wurden die Jäger verhaftet. Der Jäger Gerhard R. wurde festgenommen und kam einen Tag in Haft, Heinz K. vier Tage und der dritte Jäger überhaupt nicht.
Zwei Jahre nach der Tat, im Jahr 1994, kam es zu einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Dieses Verfahren sollte 1995 eingestellt werden, wozu es aber durch eine kritische Berichterstattung nicht kam. So folgte 1996 dann doch noch eine Hauptverhandlung. Lakonisch wurde hier festgestellt, dass die rumänischen Zeugen „nicht erreichbar“ gewesen wären; in Wahrheit hatte sie niemand ernsthaft versucht zu erreichen. Eine Optikerin als Sachverständige gab in dem Prozess an, dass eine Verwechslung über Zielfernrohr eigentlich nicht möglich gewesen sei. Dann wurde der Prozess erneut verschleppt, weil ein neues Gutachten verlangt wurde. Dieses neue Gutachten wurde erst 1999 erstellt. Am 20. Oktober 1999 wurden die Angeklagten dann freigesprochen. Eine Berufung wird am 24. Januar 2002 verworfen.

Die ermittelnden Behörden selbst leisteten kaum Aufklärungsarbeit. Der Tatort, ein Weizenfeld, wird sogar ohne Spurensicherung umgepflügt. Außerdem hatten evtl. Unbekannte, möglicherweise die Täter vorsätzlich um ihre Tatspuren zu verwischen, das Feld in Brand gesetzt. Jedenfalls wird berichtet, wie plötzlich das Feld in Flammen gestanden habe.
Zeugenberichte legen zudem nahe, dass einer der Angeschossenen noch lebte, als die Feuerwehr am Tatort eintraf. Eventuell war hier unterlassene Hilfeleistung im Spiel.
Es gab 37 Tatzeug_innen aus der Gruppe der Flüchtlinge, von denen aber keine_r verhört wurde, obwohl von den 20 von der Polizei Verhafteten, mehrere von der Tat berichteten. Stattdessen wurden alle abgeschoben. Diese Abschiebungen von rumänischen Flüchtlingen wurden damals rigoros gehandhabt. Im Jahr 1993 handelte die Bundesrepublik mit Rumänien ein offizielles „Rückübernahmeabkommen“ aus.

Interessant ist, dass einer der Tatzeugen im Interview davon berichtet, dass er beim Mord ein Polizeifahrzeug gesehen habe, auf dessen Motorhaube jemand mit einem Gewehr gelegen hätte. Diese Version der Tat, taucht, im Gegensatz zu der Jäger-Geschichte, an keiner anderen Stelle auf. Leider fragt der Interviewer hier nicht nochmal nach.
Der, aller Wahrscheinlichkeit nach, gezielte Doppel-Mord fand in einem besonders aufgehetzten und rassistischen Klima statt. Im Film wird auch das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen erwähnt. Ein Zeuge berichtet von den Zuständen an der „Zentralen Aufnahmestelle“ in Rostock-Lichtenhagen. Der Zeuge berichtet auch davon, dass er damals zusammengeschlagen wurde.
In dem Film werden allerdings die damaligen Medien-Diskurse über Flüchtlinge („Asyldebatte“) kaum erwähnt.

Interessant ist die Technik des Dokumentar-Films. Die aufgenommenen Gespräche werden nämlich den interviewten Personen noch einmal vorgespielt und sie beim Zuhören ihrer Aussagen und Kommentare gefilmt.
So bekommt man auch den Anwalt des Hauptangeklagten zu Gesicht, wie er sich selbst zuhört, als er trocken meint, dass sein Mandant seine Haftpflichtversicherung über den Fall informiert habe, wegen „etwaiger Schäden“. Erstens klingt das wie ein Auto-Unfall und zweitens hat damals niemand die Familien wegen möglicher „Entschädigungen“ informiert, obwohl die Adressen in den Akten zu finden war.
Im Gegensatz zu den Ermittlungen, spielen die Familien in dem Film eine große, ja sogar die Hauptrolle. So berichten Familien-Angehörige über ihre Gründe nach Deutschland zu gehen:
„Damals war es unmöglich in Rumänien zu leben.“ Gemeint ist wohl das antiziganistische Klima. Das einige ihre Familie mitnahmen hatte auch gute Gründe: „Wie alle Eltern wollte er seine Familie dahin bringen, wo es besser ist.“
Am Treffendsten erscheint ein Interview-Satz in der Doku: „Man stelle sich vor eine Gruppe von Sinti und Roma hätte zwei Deutsche erschossen.“

Mehr unter: www.revision-film.eu

Aktionstage gegen die Abschiebungen von Roma und anderen Flüchtlingen vom 28. – 30.September ein Karlsruhe / Baden-Airpark – Kundgebung mit Irie Révoltés

Seit mehr als zehn Jahren wurden tausende Menschen aus dem Balkan unfreiwillig und teilweise mit roher Polizeigewalt vom Flughafen Baden Airpark abgeschoben. Der Flughafen stellt sämtliche Logistik, das alte Terminal und die Transportmittel der Abschiebemaschinerie zur Verfügung.

Seit dem 21. April 2010 ist das Regierungspräsidium Karlsruhe, neben der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld, für die Abschiebungen von mehr als 15.000 Personen, davon etwa 11.000 Angehörige von Roma-Gemeinschaften zuständig. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sind Kinder und Jugendliche, alte und kranke Menschen. Dank anhaltender Proteste wurden immer wieder Abschiebungen verhindert. Neben Roma-Organisationen haben sich Flüchtlingsgruppen, UNICEF, der Europarat, zahlreiche gesellschaftliche Gruppen und Persönlichkeiten immer wieder gegen die Abschiebepraxis gestellt.

Hinsichtlich der aktuellen Abschiebungen von Angehörigen der Roma-Minderheiten entwickelt sich der Baden Airpark zu einem regelrechten Roma-Abschiebe-Flughafen. Die Armut und Verzweiflung, die sich durch den Balkankrieg für die Roma um ein vielfaches verschlimmert hat, werden von den Behörden offiziell ausgeblendet. Im Kosovo, in Serbien und Mazedonien herrscht für die Roma-Minderheiten eine unerträgliche Lebenssituation.Rassistische Übergriffe gegenüber Roma, Unterdrückung und gesellschaftliche Ausgrenzung gehören zum Alltag.

Nach einem UNICEF-Bericht haben zwei Drittel der Roma-Haushalte nicht genügend zu essen. Bis zu 40 % der Kinder gehen nicht zur Schule, 20 % der Kinder sind krank. Kinderarbeit ist Alltag. Viele haben keinen Strom, kein Wasser und keine Toilette in ihrem Haushalt. Von „Wohnen“ kann nicht die Rede sein. Hinsichtlich dieser verzweifelten Lebenssituation kommen viele hierher, in der Hoffnung, ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Doch anstatt humanitäre Hilfe zu leisten, wirft die deutsche wie auch die EU-Politik den Roma Asylmissbrauch vor. Länder wie Serbien und Mazedonien werden massiv unter Druck gesetzt, den „Asylmissbrauch“ einzudämmen. Mit einer Flugblatt- und Plakatkampagne wird in Serbien Stimmung gegen die Ärmsten der Armen gemacht. Anfang des Jahres machte der serbische Jusitzminister einen Vorschlag zur Strafverfolgung von sog. „Asylmissbrauch“. Mazedonien hat bereits ein Gesetz erlassen, das den Behörden den Entzug des Reisepasses nach einer Abschiebung erlaubt. Abgeschobene müssen in Mazedonien mit einer Strafe zwischen 2.000 und 3000 Euro rechnen. Alles Maßnahmen, die mit europäischen Menschenrechtsstandards unvereinbar sind.

Die Veranstalter der Aktionen am Baden Airpark fordern: Schluss mit der öffentlichen Diskriminierung der Roma sowie anderer ethnischer Minderheiten! Abschiebungen tragen zu keiner Lösung der Flüchtlingsfrage bei. Diesem Land würde es besser anstehen, die Abschiebungen auszusetzen und insbesondere den Kindern und Jugendlichen eine Perspektive zu bieten – auch hinsichtlich der Schuld, die sich Deutschland in der Vergangenheit speziell gegenüber Roma aufgeladen hat. Die EU muss die Abschiebungen stoppen, um eine dauerhafte Lösung der Flüchtlingsfrage zu erreichen. Sie muss die Menschen nach besten Möglichkeiten unterstützen und ihnen alle Rechte zum Schutz von Minderheiten garantieren. Die derzeitige Politik jedoch hat derzeit offenbar anderes im Sinn…die nächste Abschiebung vom Baden Airpark findet am Donnerstagmorgen, den 18. Oktober 2012 statt. Wir rufen daher zur kritischen Beobachtung auf.

Sofortiger Abschiebestopp! Kein Mensch ist illegal!

Weitere Informationen unter:
Indymedia &
Stop Deportation

Tschechien: Roma-Familien droht Zwangsvertreibung

Die Behörden von Ostrava (Nordosten der Tschechischen Republik) zwingt über 40 Roma-Familien zur Räumung ihrer Mietwohnungen. 14 Familien haben Verträge für unzureichende Unterkünfte in Schlafsälen erhalten, aber über 30 restliche Familien haben keine Alternative angeboten bekommen.

Warum fand eine Zwangsräumung statt

Die Baubehörden von Ostrava haben den Roma-Familien im mündlichen Räumungsbescheid am 3. August mitgeteilt, dass sie 24 Stunden Zeit hätten, um die Gebäude zu räumen, sonst würde die Polizei eingeschaltet werden. Laut Baubehörden rechtfertigt die Unbewohnbarkeit der Gebäude diese Zwangsräumung. Das Baugefüge sei unsicher, die Stromversorgung defekt und das Abwassersystem funktionsunfähig. Die Kreisverwaltung und die Besitzer der Gebäude haben aber das Abwassersystem nicht ordnungsgemäß instand gehalten, so dass viele Häuser mit ungeklärtem Abwasser verseucht sind.

14 Familien haben Verträge für unzureichende Unterkünfte in Schlafsälen erhalten und unterschrieben, obwohl sie nicht umziehen wollen. Aber sie haben keine andere Alternative und fürchten obdachlos zu werden. Diese Unterkünfte entsprechen nicht den internationalen Wohnstandards insbesondere, was Platz und Leistbarkeit betrifft. Jede Familie (die bis zu 9 Mitglieder zählt) bekommt ein Zimmer. Küche und Bad müssen von mehreren Familien geteilt werden. Die Miete ist mindestens doppelt so hoch wie die Miete für ihre Wohnung, was die Frage aufwirft, ob diese Familien sich so eine Unterkunft auch leisten werden können. Die restlichen Familien haben keinen konkreten Vorschlag für eine Wohnmöglichkeit erhalten.

Helfen Sie mit.

Der Bürgermeister von Ostrava soll sicherstellen, dass eine Zwangsräumung der letzte Ausweg ist, nachdem alle anderen möglichen Alternativen erkundet wurden. Außerdem soll er sicherstellen, dass Keiner durch die Zwangsräumung obdachlos wird und dass eine Unterkunft angeboten wird, die den internationalen Wohnstandards entspricht. Insbesondere, was Räumlichkeiten, Leistbarkeit, Standort und Zugang zur Grundversorgung betrifft.

Ferner soll es ernst gemeinte Besprechungen mit den betroffenen Roma-Familien geben, um langfristige Unterkunftslösungen zu finden, die internationalen Wohnstandards entsprechen.

Bitte informieren Sie auch die beiden Minister, dass Sie an den Bürgermeister geschrieben haben oder senden Sie ihnen die Kopie Ihres Briefes an den Bürgermeister.

Quelle und Musterbriefe: Amnesty International
Stand: 06.08.2012

Im Wahlkampf Gegenteiliges versprochen

Nach den heftigen Protesten wegen der Massenabschiebung von Roma aus Frankreich unter dem abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy ist die neue sozialistische Regierung unter Beschuss geraten. Anlass für die Kritik war die Räumung von mehreren Roma-Lagern und die Rückführung deren Bewohner nach Rumänien. Die EU-Kommission will die Vorfälle prüfen.

Ende vergangener Woche räumte die Polizei nahe der Stadt Lille ein Roma-Lager und vertrieb die rund 200 Bewohner aus ihren Wohnwagen. Bereits in den Tagen davor waren bei Razzien in Paris und Lyon zudem Hunderte eingewanderte Roma ohne gültige Papiere zum Verlassen ihrer Wohnungen gezwungen worden. Zahlreiche Roma wurden zudem nach Rumänien rückgeführt.

Nach der Polizeiaktion in Lille, wo Sozialistenchefin Martine Aubry Bürgermeisterin ist, kritisierten Bürgerrechtler und Kirchenvertreter zudem, die Behörden hätten den aus ihren Wohnwagen vertriebenen Roma, zu denen auch etwa 60 Kinder zählten, keine Übergangswohnungen zur Verfügung gestellt. Continue reading Im Wahlkampf Gegenteiliges versprochen

Ausländerbehörde greift durch: Abschiebung aus dem Feriencamp

Eine Hamburger Behörde will eine Roma-Familie abschieben. Die Mutter soll durch Wegnahme des Babys genötigt worden sein, den Aufenthaltsort der Geschwister preiszugeben.

Die 12-Jährige Dvevrija Aliji sitzt gerade in den Dünen der nordfriesischen Insel Föhr am Lagerfeuer. Das Roma-Mädchen ist mit ihren kleineren Schwestern Sibela (11), Nazira (9) und Sajda (7) ins Sommercamp der SPD-nahen Jugendorganisation „Die Falken“ gereist. Sie singen Lieder der Arbeiterbewegung und der Hoffnung. „Sie sangen gerade ’Unter dem Pflaster, ja da liegt der Strand‘, als um 20.30 Uhr mein Handy klingelte“, berichtet der Landeschef der Hamburger Falken, Tilmann Dieckhoff.

Eine Mitarbeiterin der Hamburger Ausländerbehörde ist in der Wohnung der Alijis, will den Aufenthaltsort der vier Mädchen wissen und fordert, dass sie zur Abschiebung abholbereit sein sollen. „Allein die Tatsache, dass die Kinder nicht mehr mit der Fähre ans Festland gebracht werden konnten, verhinderte vermutlich die Abschiebung aus dem Ferienlager“, sagt Dieckhoff. Continue reading Ausländerbehörde greift durch: Abschiebung aus dem Feriencamp