Genaues Hinsehen unerwünscht!
Delegation des Petitionsausschusses Baden Württemberg sagt Treffen mit alle bleiben! Team im letzten Moment ab und kommt zu dem Entschluss: „Die Roma werden nicht diskriminiert“.
Schon bei der Vorbereitung der Tour des Petitionsausschusses hatten wir unsere Hilfe angeboten. Wir wollten so verhindern, dass diese Kommission wieder nur zu einer Besichtigungstour von ausgesuchten Vorzeigeorten und einigen Besuchen bei vorbereiteten und gepäppelten Familien endet, wie schon bei Informationsreisen von Politikern zuvor geschehen. Für unsere Forderung an die Delegationsmitglieder genauer hinzusehen gab es gute Gründe und auch viele Unterstützer und standen mit der Leiterin des Petitionsausschusses, Beate Böhlen (Bündnis 90 die Grünen), in Kontakt. Unser Mitwirken an der Planung wurde leider abgewiesen aber man vereinbarte mit uns zumindest ein Treffen am Samstagabend, bei dem wir den Delegationsmitgliedern unsere Kenntnisse präsentieren sollten. Zu unserer großen Enttäuschung wurde dann diese Verabredung kurzfristig abgesagt. Hinzu kam, dass wir darüber informiert wurden, dass bereits einen Tag vor unserer geplanten Verabredung von den Delegationsmitgliedern einvernehmlich entschieden wurde, dass die Situation so schlecht nicht sei, und dass man weiter abschieben könne. Ein Treffen mit uns war somit überflüssig geworden in den Augen der Organisatoren. Das die Delegation innerhalb von drei Tagen und ohne Einbeziehung von unabhängigen Roma zu der Überzeugung gelangen konnte, das es im Kosovo keine Diskriminierung von Roma gäbe ist in unseren Augen dreist und wiederspricht unseren Erfahrungen gänzlich!
Wir haben von den Familien, die wir besuchen konnten mehrfach Berichte über polizeiliche Willkür und Schikane erhalten und mussten sogar selber erleben, wie es ist in einer Gruppe mit drei (leicht als solche zu erkennenden) Roma unterwegs zu sein. Kaum hatte unser erster Tag im Kosovo begonnen wurden wir nach dem Frühstück auf offener Straße ohne ersichtlichen Grund festgenommen. Man hielt uns mehr als 5 Stunden fest, kontrollierte unsere Pässe immer wieder, durchsuchte unser gesamtes Gepäck und befragte uns ausgiebig zu unseren Verhältnissen zueinander. Hierbei konnte es sich der befragende Polizist nicht verkneifen mehrere nationalistische und romafeindliche Kommentare zu machen und eine bedrohliche und schikanöse Atmosphäre aufzubauen. Als es bereits anfing dunkel zu werden ließ man uns wieder frei, ohne dass die Festnahme zu irgendeinem Ergebnis geführt hätte. Am Folgetag wurde unsere Gruppe übrigens wieder grundlos festgenommen. Dieses Mal hatten wir aber Glück, da wir bereits nach einer halben Stunde wieder gehen durften. Es war schon spät.
Eine Familie, die erst vor wenigen Wochen abgeschoben wurde berichtet von einer kompletten Hausdurchsuchung (wegen angeblichen Verdacht auf Waffenbesitz) durch schwer bewaffnete Polizisten. Auch hier blieb die Durchsuchung ohne Ergebnis, wenn man davon absieht, dass die ganze Familie seit dem zutiefst verängstigt ist und vor allem die sechs Kinder zwischen 9 bis 20 Jahren mit diesen belastenden Erlebnissen zusätzlich zum Erlebnis der Abschiebung kaum umgehen können. Continue reading Erschreckender Bericht der Alle-Bleiben! Deligation im Kosovo/Serbien
Category Archives: Analyse und Kritik des Antiziganismus
Pressemitteilung zur Podiumsdiskussion Abschiebungen in den Kosovo?! in Freiburg
Baden-Württembergische Landesregierung will sich für bundesweiten Abschiebestopp in den Kosovo einsetzen – aber vorerst selbst die Abschiebungen wiederaufnehmen
Baden-Württemberg wird wieder Roma in den Kosovo abschieben. Das war die grundlegende Aussage der Landtagsabgeordneten Gabi Rolland (SPD) und Thomas Marwein (Grüne). Sie nahmen zusammen mit Kenan Emini vom Roma-Netzwerk „Alle bleiben“ an der Podiumsdiskussion teil, die am 10. Februar gemeinsam vom Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, dem Roma-Büro, Ushten Romalen und Aktion Bleiberecht an der Universität Freiburg veranstaltet wurde. Im gut gefüllten Hörsaal verfolgten u.a. auch zahlreiche Bewohner von Freiburger Flüchtlingswohnheimen die Diskussion um ihr eigenes zukünftiges Schicksal.
Die beiden Abgeordneten gehören dem Petitionsausschuss des Landtags an und waren in dieser Funktion im Januar mit einer Delegation in den Kosovo gereist, um die Lebensbedingungen der Minderheiten der sogenannten Roma-Minderheiten dort zu ergründen. Im August 2011 hatte Innenminister Gall die vorläufige Aussetzung der Abschiebungen dieser Minderheiten in den Kosovo verkündet. Von der Empfehlung der Delegation an den Petitionsausschuss wird maßgeblich abhängen, ob die baden-württembergische Landesregierung weiterhin auf Abschiebungen verzichtet. Diese Empfehlung, die am Tag der Podiumsdiskussion gerade erst ausgearbeitet worden war, ist jedoch kein Anlass zur Erleichterung: Die Delegation sei auf ihrer Reise zu dem Schluss gekommen, so Rolland, dass es keine politische Diskriminierung von Roma-Minderheiten gebe und damit auch keinen Grund für einen generellen Abschiebestopp.
Ausnahmen wurden sofort eingeräumt, aber nicht als relevant abgetan. Die sozioökonomische Diskriminierung der Roma hingegen konnte zwar von keiner Seite geleugnet werden; sie begründet aus Sicht der Delegation lediglich eine Ausweitung bestehender Regelungen, so die Ausweitung der Petitionsregelung und der Härtefallregelung, eine größere Ausnutzung von Ermessensspielräumen der Ausländerbehörden und der geltenden Gesetze. Insgesamt scheint sich die Landesregierung mit einem Ausweichen auf Einzelfallregelungen aus der Verantwortung stehlen zu wollen, dauergeduldeten Menschen einforderbare Rechte zu verleihen. So soll auf Kinder und Kranke besondere Rücksicht genommen werden. Konkret sollen Familien mit Kindern vor Ende der Schulausbildung nicht abgeschoben werden. Auch ein regelmäßiger Abschiebestopp im Winter wurde in Aussicht gestellt. Auch sprachen die Delegierten lieber von („freiwilligen“) Rückführungen als von Abschiebung. Continue reading Pressemitteilung zur Podiumsdiskussion Abschiebungen in den Kosovo?! in Freiburg
Czech town of Rotava rents right-wing extremists meeting space
Romani residents of the Czech town of Rotava are expressing their dissatisfaction with the fact that the Workers‘ Social Justice Party (Dělnická strana sociální spravedlnosti – DSSS) will be holding an event there. News server iDNES.cz reports that the town hall has rented out its „Slovanský dům“ cultural center to the party for an event on 28 January. Local Romani residents consider the meeting planned in Rotava by party chair Vandas to be a provocation.
Mayor Iva Kalátová argued to iDNES.cz that the hall was not being rented by the town, but by the cultural and information center itself, and that there was no reason to reject the party if what will be held there is a meeting. „We do not have the right to ban it,“ the mayor said.
Kalátová’s statement makes it seem as if the cultural and information center is an independent entity and as if the mayor had no influence over the decision. However, Hana Mašková of the center claims to be just an employee. She says the center is linked to the municipality and she cannot take independent decisions: „Madame Mayor and the other town councilors knew about this rental,“ Mašková elucidated to news server Romea.cz.
Kalátová made a statement to news server Romea.cz about the rental at the start of January. When asked for a statement on what the DSSS had posted on their website about the upcoming event, she replied: „I don’t follow the DSSS website. However, the town, as the owner of those spaces, has the right to rent them to those who are interested. The DSSS was interested.“ Deputy Mayor Jan Šedlbauer commented on the rental at the start of January as follows: „I personally know nothing about this rental of space to the DSSS. Madame Mayor is responsible for those decisions.“
„This is unnecessary, things are calm in Rotava. We will not be protesting against their event. It does worry us that the town has given the Workers‘ Party permission and rented the Slovanský dům to it. That’s bad news,“ Robert Koky of the Romani association Meta told iDNES.cz. Last fall Meta declared that it intended to get children off the street and improve the situation inside the Romani community.
Quelle: Romea.cz
Stand: 20.01.2012
Zentralrat der Sinti und Roma stellt Strafantrag wegen Hetzparolen
Vorwurf der Volksverhetzung und Beleidigung gegen Randalierer
Den Randalierern bei einem Hamburger Fußball-Hallenturnier in der vergangenen Woche droht ein juristisches Nachspiel. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, habe bei der Hamburger Staatsanwaltschaft einen Strafantrag gestellt, teilte ein Sprecher des Zentralrates am Mittwoch in Heidelberg mit. Der Antrag richte sich gegen Beteiligte der Massenschlägerei etwa wegen der Verwendung rechtsradikaler Parolen wie „Zick Zack Zigeunerpack“.
Der Hamburger Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers bestätigte den Eingang des Strafantrages auf dapd-Anfrage. Es gehe um den Vorwurf der Volksverhetzung und Beleidigung.
Nach übereinstimmenden Zeugenberichten hatten die organisiert auftretenden Gruppen aus Lübeck diese Parolen laut Zentralrat zur Aufhetzung der Stimmung gegenüber den gegnerischen Fans lautstark skandiert, bevor es gegenseitig und gegenüber der Polizei zu Gewaltexzessen mit vielen Verletzten kam.
Bei den Krawallen in Hamburg sollen sich etwa 400 verfeindete Fußballfans am Freitag vergangener Woche Auseinandersetzungen geliefert haben. Etwa 90 Menschen waren verletzt worden. Insgesamt waren 314 Polizeikräfte während der Ausschreitungen im Einsatz. Continue reading Zentralrat der Sinti und Roma stellt Strafantrag wegen Hetzparolen
Jerusalem’s gypsies struggle for recognition
Jerusalem’s Domari (also known as Romani or Gypsy) have lived in historic Palestine for over 500 years. Many fled during the 1967 War, ending up in refugee camps, and the community now numbers 60 to 70 families. Palestinian Romanis face a slew of social issues, including poverty, high illiteracy rates, and racism from both Israelis and Palestinians.
LESETIPP: Aktuelle Ausgabe des ZAG
Die Ausgabe Nr. 59 von „ZAG. Antirassistische Zeitschrift“ wartet mit dem Schwerpunktthema „Antiziganismus in Europa“ auf.
Im Vorwort zu ihrem Schwerpunkt macht die ZAG-Redaktion auf die Verbindung von Lebensverhältnis und Ressentiment aufmerksam:
Die Verhältnisse, in denen Roma gegenwärtig leben und die ihnen vorgehalten werden, liegen nicht in ihren Händen, sie haben sie nicht zu verantworten
(Seite 11)
In der ZAG wendet man sich aber gegen eine Verortung von Antiziganismus in Osteuropa:
Offene Gewalt gegen Roma erscheint dabei in den letzten Jahren eher als ein Problem osteuropäischer Staaten. Doch ist Antiziganismus offensichtlich eine Erscheinung, die in Ost und West in der Mitte vieler europäischer Gesellschaften reproduziert wird. Neben die gewalttätigen und die subtileren alltäglichen Formen des Antiziganismus treten offene staatliche Diskriminierungen der Roma. In Frankreich, Großbritannien und Italien sind Roma administrativ zu einem Problem gemacht worden;
(Seite 12)
In dem Artikel „Antiziganistische Stigmatisierung“ von Anna Lucia Jocham macht die Autorin auf die beiden Seiten der antiziganistischen Medaille aufmerksam, auf das kriminalisierende und das romantisierende „Zigeunerbild“:
Es lassen sich grob zwei Ausprägungen des konstruierten »Zigeunerbildes« unterscheiden: das kriminalisierende und das romantisierende »Zigeunerbild«. Das kriminalisierende »Zigeunerbild« zeichnet stehlende, bettelnde, kindermisshandelnde und kinderklauende, faule und betrügerische »Zigeuner«. Damit geht auch häufig das Bild der schmuddeligen, dreckigen und Krankheiten übertragenden »Zigeuner« einher. Das romantisierende »Zigeunerbild« vermittelt hingegen eine Lagerfeuerromantik. Die »Zigeuner« werden dabei als freiheitsliebend, herumreisend, temperamentvoll, musikalisch und abergläubisch dargestellt.
(Seite 12)
Das kriminalisierende »Zigeunerbild« wertet die Sinti und Roma als »nicht-vertrauenswürdige Personen« ab, während das romantisierende »Zigeunerbild« sie in erster Linie als »primitive oder naive Personen« diskreditiert.
(Seite 13)
In dem Beitrag „Einer, der überlebte. Was wir aus Gesprächen mit Zeitzeug_innen erfahren können“ von Clara Wronski, beklagt die Autorin:
Bisher gibt es zwar kein Archiv, das sich auf die Verfolgungsgeschichte von Sinti und Roma spezialisiert hat
(Seite 19)
Der Beitrag des parteigrünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck mag noch so schöne und sicher auch ernst gemeinte Worte enthalten, nimmt sich jedoch bei dem Schwerpunktthema etwas seltsam aus. Die grüne Partei war immerhin mit am Kosovokrieg beteiligt, in dessen Folge es vor allem durch albanische Nationalist_innen die oma-Minderheiten im Kosovo angriffen und vertriebe wurden.
Trotzdem ist die aktuelle Ausgabe von ZAG überaus lesenswert. Ein Teil der ZAG-Texte zum Thema Antiziganismus findet ich auch online unter http://anti-ziganismus.de/
Rassismus als Konsens?
Sogar bei den ungarischen Grünen hält die Hälfte Roma für genetisch kriminell
Was durch die gesellschaftliche Atmosphäre seit Jahren angezeigt wird, wurde jetzt auch offiziell mit Zahlen belegt: beim international erhobenen „Radikalismus-Index“, der 33 Länder umfasst, landete Ungarn auf Platz 5. Antisemitismus ist dabei stark auf dem Vormarsch, regelrecht verankert ist jedoch der Antiziganismus, dem auch der „weltoffene“ Teil der Gesellschaft erlegen ist.
Das in Budapest ansässige Forschungsinstitut „Political Capital“, sonst eher bekannt für relativ schwammige Politprognosen, stellte in einer interessanten Studie fest, dass die Zustimmung zu rechtsextremen Positionen und politischen Inhalten in Ungarn, bei den über 15-jährigen in den Jahren 2002 bis 2009 von 10 % auf 21% gestiegen ist, sich also mehr alsverdoppelt hat, was im internationalen Vergleich einen einmalig hohen Wert darstellt. Als „radikalste Nation“ wird von den 33 die Türkei eingestuft, die toleranteste sei Island.
Die treibenden Kräfte hinter der Entwicklung generell, in Ungarn speziell, sind ein Vertrauensverlust in die demokratischen Strukturen, zunehmende Vorurteile und auch gestiegene Ängste und Pessimismus. Während man die zunehmende gesellschaftliche Zukunftsangst und den Pessimismus in Ungarn deutlich in Verbindung mit der Finanzkrise und der miserablen wirtschaftlichen Situation Ungarns setzen kann, müssen die Gründe für den Vertrauensverlust in die Demokratie direkt bei der politischen Elite gesucht werden, von der man wohl auch derzeit nicht erwarten kann, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Das erklärt aber noch längst nicht alles. Continue reading Rassismus als Konsens?
Auf dem rechten Auge blind
Dass gezielt ein Haus in dem Roma wohnen angegriffen wurde, veranlasst die Polizei in Köln dennoch zu der Aussage dass„(…) zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein fremdenfeindliches Motiv für den Brandanschlag nicht anzunehmen“ sei.
In Zeiten von „Döner-Morden“, dem Entzug von Mitteln für und der Kriminalisierung von Projekten welche sich gegen rechte Gewalt einsetzen, ein weiteres trauriges Beispiel für die Unsensibilität gegenüber Rechtsextremismus in diesem Land.
»600 Jahre vogelfrei«
Zur Aktualität antiziganistischer Gewalt in Europa
In den letzten Wochen und Monaten wurde in der kritischen und linken Öffentlichkeit in Deutschland zunehmend über die pogromartigen Demonstrationen und Ausschreitungen gegen Roma in der Tschechischen Republik und in Bulgarien berichtet und diskutiert.
In der tschechischen Republik kam es seit Ende August 2011 in der Region Sluknovsky vybezek (Schluckenauer Zipfel) zu regelmäßigen Versuchen, Wohnungen und Häuser von Roma anzugreifen. Die tschechische Polizei konnte erst verspätet und unter massivem Aufgebot den demonstrierenden Mob aus »normalen« Bürger_innen und Neonazis daran hindern, zu den von Roma bewohnten Häusern vorzudringen. Die Massenaufläufe begannen am 26. August, als sich in Rumburk nach einer Kundgebung der Menschenauflauf selbstständig machte und unter Rufen wie »Cikáni do prace!« (»Zigeuner, geht arbeiten!«) und »Cikáni do plynu!« (»Zigeuner ins Gas!«) in Richtung der Unterkünfte marschierte. Die antiziganistischen Demonstrationen fanden darauf jedes Wochenende in mehreren Städten der Region mit bis zu 1200 Teilnehmenden statt. War am ersten Wochenende die Beteiligung von Neonazis noch gering, so knüpften sie in den darauffolgenden Wochen an die rassistische Grundstimmung an. Ihren Höhepunkt erreichten die antiziganistischen Aufläufe am 10. September, als die rechte Partei »Delnická strana sociální spravedlnosti« DSSS (»Arbeitspartei der sozialen Gerechtigkeit«) gemeinsam mit Autonomen NationalistInnen vom »národní odpor« (»Nationaler Widerstand«) zu Kundgebungen in Rumburk, Varnsdorf und Novy Bor aufriefen.
Doch solche Demonstrationen sind in der tschechischen Republik keine Seltenheit. So hat beispielsweise die mittlerweile verbotene Vorläuferorganisation der DSSS, die DS, Ende 2008 alle zwei Wochen zu Demonstrationen gegen ein Roma-Viertel in Litvínov aufgerufen, wobei es mehrfach zu Straßenschlachten zwischen bis zu 1000 bewaffneten Neonazis und der tschechischen Polizei kam.
Allerdings sprechen die aktuellen Ereignisse im Sluknovsky vybezek für eine neue Qualität des gesellschaftlichen Antiziganismus – denn hier gingen die Demonstrationen und die Straßengewalt von der ganz »normalen« Bevölkerung aus. In den Medien wurden diese Aktivitäten mit eindeutig antiziganistischem Inhalt als »soziale Proteste« von Bewohner_innen einer ökonomisch abgeschlagenen Region verharmlost. Das Problem wurde auf Seiten der Roma verortet – was die Intensität des Antiziganismus in der tschechischen Republik verdeutlicht. Der gesellschaftliche Ausschluss von Roma ist an der Tagesordnung. Eine negative Besonderheit stellen die in den beiden Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei immer noch verbreiteten Zwangssterilisierungen an Romnija1 dar. Bis heute kommt es regelmäßig vor, dass Romnija in Gesundheitsämtern und öffentlichen Krankenhäusern während der Entbindung eines Kindes oder bei Routine-Untersuchungen durch psychischen Druck oder ganz ohne ihr Wissen sterilisiert werden. Continue reading »600 Jahre vogelfrei«
Solidarität mit Roma ungebrochen
Am 28.Oktober 2011 fand die letzte antiziganistische Demonstration in Varnsdorf (CZ) statt.
Zu dieser hatte, wie schon in den vergangenen Wochen, Lukáš Kohout aufgerufen. Etwa 50 „anständige“ Bürger_innen folgten seinem Aufruf, weit weniger als von Kohout erwartet. Intern rechnete er mit bis zu 2.500 Teilnehmer_innen, denn in CZ ist der 28.10. ein Feiertag. Nachdem Kohout einige Worte sprach wurde Musik, die sich inhaltlich gegen die Romas richtete, abgespielt.
Das Ende der Aktionen gegen die Sinti und Roma vor Ort war vorhersehbar. Die kalte Jahreszeit lädt nicht zum demonstrieren ein, demoralisierend wirkte auf die Teilnehmer_innen auch der abnehmende Zuspruch der lokalen Bevölkerung. Kohout muss sich neben den von ihm maßgeblich organisierten Aktionen auch mit der tschechischen Justiz beschäftigen. Anscheinend hatte er Anfang April 2011 einen Finanzierungsvertrag für ein Notebook mit fremden Personalien abgeschlossen. Da anscheinend die Kreditraten nicht regelmäßig beglichen wurden, entstand dem Vertragspartner ein Schaden in Höhe von in Höhe von über 35 Tausend Kronen. Nach Medienmeldung wurde dafür Kohout zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt.Auf Seiten der Menschen, die sich seit dem Beginn der antiziganistischen Demonstration solidarisch mit den Sinti und Roma in der Region Sluknov zeigen, ist die Solidarität ungebrochen.
So wurden am 12.Dezember 2011 erneut dringend benötigte Spenden, darunter wärmende Kleidung, Schuhe aber auch Spielzeug für die Kinder nach Varnsdorf geschafft. Die Menschen in beiden Unterkünften, wo die Sinti und Roma unter unwürdigen Bedingungen leben, freuten sich, als sie die Kleintransporter sahen. Es ist ergreifend, was die Augen der Menschen an Dankbarkeit ausrückten, als sie die Sachen entgegen nahmen.
Noch in diesem Jahr wird im Infoladen Zittau (www.infoladen-zittau.de) erneut mit dem Eintreffen von Sachspenden gerechnet. In Chemnitz, Leipzig, Dresden, Bautzen und vielen weiteren Orten gibt es nach wie vor Menschen, die die Lage der Betroffenen nicht vergessen haben. Auf tschechischer Seite wird die Initiative „Solidarity with Czech Roma“ von Aktivisten aus Novy Bor, Liberec und Prag unterstütz.Ausblick:
Die lokalen Romas haben die Idee, eine nicht mehr genutzte Kirche als sozialen Treffpunkt zu nutzen. In diesem wollen sie Angebote für Menschen, die wie sie selbst sozial benachteiligt werden, schaffen. Dieses Vorhaben könnt ihr ebenfalls mit Spenden aber sicherlich bald auch mit Arbeitseinsätzen vor Ort unterstützen.Dankenswerter Weise hat der Tamara Bunke Verein für internationale Jugendverständigung sein Konto für Geldspenden an die Roma bereitgestellt.
„Alle eingehenden Spenden werden ohne Abzüge direkt an die betroffene Roma weitergeleitet. Um eine gerechte Verteilung der Spenden zu gewährleisten, wurde der Zentralrat der Sinti und Roma mit der Bitte angeschrieben, uns dabei behilflich zu sein. Da wir transparent arbeiten, sind wir gern bereit alle eingehenden Spenden sowie die Weitergabe zu dokumentieren und öffentlich zu machen.“, so die Vereinsvorsitzende.
Der Verein unterhält nachfolgende Bankverbindung:
Inhaber: Tamara Bunke Verein / Kontonummer: 3000082580 / BLZ: 850 501 00
Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien / Betreff: Roma CZ
Spendenquittungen können leider nicht ausgestellt werden, da die Gemeinnützigkeit wegen politischer Betätigung des Vereins seitens des Finanzamtes Löbau abgelehnt wurde.
Die Roma danken bereits jetzt für eure Solidarität!Wenn ihr helfen wollt, weitere Ideen und Hinweise habt, dann schreibt diese an:
solidarity-with-roma[at]riseup.net
Den Pgp-Schlüssel findet ihr bei subkeys.pgp.net
Quelle: Indymedia
Stand: 22.12.2011