Category Archives: Antiziganismus auf politischer Ebene

Hungarian City Set to ‘Expel’ Its Roma

The European Roma Rights Centre (ERRC) is deeply concerned about a recent local government decree designed to expel Roma from Miskolc, a major city in Eastern Hungary. The ERRC sent its legal analysis to the European Commission to underline the unlawfulness of the action, urging the European Commission to take action against Hungary as its local decree is in breach of EU law. The local Romani community is holding a public rally in the city today to protest the Miskolc government’s actions.

The government of the city of Miskolc recently amended a decree on social housing that in effect seeks to drive Roma out from the city limits – adding a new, worrying chapter to this city government’s history of excluding Roma.

The decree foresees the demolition of the most impoverished low-comfort social housing neighbourhoods in the city (the so-called ‘numbered streets’) which are almost exclusively inhabited by Roma. The decree explicitly discriminates against people living in low-comfort social housing. It offers compensation to them to terminate their contracts, but only if they buy a property strictly outside the territory of Miskolc. That property cannot be sold or mortgaged for at least 5 years. No such restrictions apply to tenants of full comfort social housing – most of whom are non-Roma.

The local government has hardly concealed its aim to expel the Romani community of this neighbourhood, as the city’s equal opportunities programme acknowledges that low-comfort social housing neighbourhoods are occupied by Roma.

People living in these neighbourhoods will not only be forced out of the city, but will be at risk of becoming homeless.

The authorities of Miskolc have been pursuing since at least 2009 a policy of excluding and stigmatising the Romani population. Public statements from the police chief on the existence of ‘gypsy crime’ and from the mayor who spoke of his wish to clear the city from ‘anti-social’ Roma, prepared the ground for this attempt to expel Roma from the town. The local government’s law enforcement have also conducted 45 property inspections within a ten-month period targeting Roma neighbourhoods. The Romani tenants felt humiliated, particularly as no such measures were taken in any other areas of the city.

The ERRC considers this an egregious example of systemic discrimination and racism in an EU member state. The plans of the city of Miskolc contradict the Hungarian Constitution, the Charter of Fundamental Rights and the Race Equality Directive of the European Union, the European Convention on Human Rights, and commitments of Hungary under the European Union Framework for National Roma Integration Strategies.

The ERRC has urged the European Commission to remind the Hungarian authorities to adhere to their obligations and take steps to stop these violations of fundamental rights. The Commission should call on Hungary to nullify the decree, and if necessary, start infringement proceedings for this breach of EU law.

The ERRC’s Memorandum on the lawfulness under European and international law of amendment to Miskolc social housing law can be found here.

For more information, contact:

Sinan Gökçen
Media and Communications Officer
European Roma Rights Centre
Tel. +36.30.500.1324
[email protected]

Source: ERRC
Date: 25.06.2014

PRESSEINFORMATION

Initiative „Leipzig Korrektiv“
c/o Vereinigung der ausländischen Bürger im Freistaat Sachsen e.V.
Haus der Demokratie – Leipzig
Bernhard-Göring-Straße 152
04277 Leipzig

Die Bundestagswahlen waren kaum vergangen und die Tinte des Koalitionsvertrages der jetzigen Regierung noch nicht getrocknet, da gab es schon viel Anlass zu Kritik an diesem Koalitionsvertrag. Ein Grund dafür ist die geplante Erklärung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sogenannten „Sicheren Herkunftsländern“. Diese Einstufung ermöglicht es, die Ablehnung der Anträge von Asylsuchenden aus diesen Ländern sowie deren Abschiebung zu beschleunigen. Der Leipziger Stadtrat dagegen hatte zuvor am 16.05.2012 – zumindest als symbolischen Akt gegen Abschiebungen – einen Antrag zur Unterstützung einer Kampagne für ein Humanitäres Bleiberecht für langjährig geduldete Roma in Leipzig angenommen – gegen die Stimmen der zwei NPD-Rassisten und mit einigen Enthaltungen in der CDU-Fraktion. – Angesichts der tatsächlichen Situation in den besagten Ländern sollte auch die vorgesehene Entscheidung zu den sogenannten „Sicheren Herkunftsländern“ hinterfragt werden.

Dieser Aufgabe wollten wir – die drei Leipziger Stephan Bosch (Leipziger Friedenspreisträger 2009), Richard Gauch (Preisträger „Couragiert in Leipzig 2013), beide Mitglieder der Initiative „Leipzig Korrektiv“, sowie Ricky Burzlaff, ein langjährig für die Interessen von Roma und Flüchtlingen auf dem Balkan tätiger Aktivist – uns annehmen. Auf das Problem aufmerksam geworden waren wir durch einen Artikel über eine mazedonische Familie, die unendliches Leid durchstehen musste.

So wohnten wir gemeinsam am 6. Mai der Anhörung am Verwaltungsgericht Leipzig bei, deren Zweck die Entscheidung über den Asylantrag einer mazedonischen Familie war. Der Familienvater trug dem Gericht vor, dass seine sechsköpfige Familie in einem Roma-Slum in der Stadt Veles (Mazedonien) gelebt hatte. Nachdem Unbekannte seine Frau im Beisein der vier Kinder vergewaltigt hatten, habe er beschlossen mit seiner Familie nach Deutschland zu flüchten. Dies sei das Land, in dem er seine Jugend verbracht habe, sagte er. Jedoch wollte das Unglück der Familie auch hier noch nicht enden. Am 30. März 2013 wurde der damals elfjährige Sohn der Familie in Leipzig-Grünau Opfer eines Gewalttäters, der schon 1985 ein Kind missbraucht und anschließend getötet hatte.
Was war geschehen? Die L-iz.de meldete: „Reiner G. nähert sich Y.von hinten. Minutiös schildert der Junge den Angriff. G. hielt seinem Opfer den Mund zu und zerrte den jungen Mazedonier vom Fußweg ins Gebüsch. „Dann hat er mich mit zwei Händen gewürgt“, berichtet Y. tapfer. „Ich hab keine Luft gekriegt.“ Nun ließ der Angreifer die Hose fallen. Der Penis war erigiert, erinnert sich das Opfer.“ Continue reading PRESSEINFORMATION

Antiziganismus in Bulgarien: Gewaltexzesse, deren Ursache offiziell geleugnet wird

Die Hetze rechtsextremer Parteien und Organisationen trifft in Bulgarien auf eine jahrhundertelang antiziganistische Tradition. Die Folge: Brutalste Gewaltexzesse gegen Roma sind keine Ausnahmen. Doch die politischen Verantwortlichen verschließen offiziell die Augen vor dem politischen Gehalt der Ausschreitungen.

Die Gründe für die Auswanderung von Roma in Bulgarien vor allem in westliche Staaten der EU, darunter auch die Bundesrepublik, liegen einerseits in der Hoffnung auf bessere ökonomische Perspektiven in den Aufnahmestaaten. Andererseits ist es der manifeste Rassismus der (weißen) Bevölkerungsmehrheit, der ebenfalls für die Emigration verantwortlich ist.

Die Zahl der in Bulgarien lebenden Roma ist schwer zu rekonstruieren. Laut den Angaben der letzten Volkszählung aus dem Jahre 2011 gibt es offiziell 325.000 Roma, was knapp fünf Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Da aber davon auszugehen ist, dass die Befragten aus Angst vor Diskriminierung ihre eigene Identität häufig leugnen, ist eine deutlich höhere Zahl wahrscheinlich. Continue reading Antiziganismus in Bulgarien: Gewaltexzesse, deren Ursache offiziell geleugnet wird

Bedrohliche Anti-Roma-Hetze

Gewalttätige Ausschreitungen von Neonazis gegen Roma in Tschechien finden mitunter Beifall in der Bevölkerung.

Dem aktuellen tschechischen Extremismus-Bericht zufolge ist die Hetze gegen Roma die größte Bedrohung im Land. Aufmärsche und Demonstrationen gegen Roma fanden unter anderem in České Budějovice, Duchcov, Vítkov und Ostrava statt. Die Anti-Roma-Demonstration in České Budějovice (vormals Budweis) im Juni 2013 endete in einer massiven Straßenschlacht. Die Neonazis warfen Pflastersteine, zündeten Müllcontainer an und schoben sie in Richtung der Polizei. Dabei brüllten sie Parolen wie „Zigeuner ins Gas!“ Hunderte Neonazis versuchten ein Pogrom an rund 350 Roma in der rund 100 000 Einwohner zählenden Stadt zu entfachen. Die Angriffe wurden von Gejohle und Beifall aus der Bevölkerung begleitet.

Wenige Tage zuvor marschierten rund 1000 Personen, darunter auch Neonazis, in Duchcov auf. Nach der Kundgebung versuchten rechte Schlägertruppen die Wohnquartiere der Roma anzugreifen. Organisator der Anti-Roma-Demonstration in Duchcov war der Neonazi Pavel Sládek Matějný. Ein Photo zeigt Matějný beim Hitlergruß.

In der Industriestadt Ostrava wurde im August unter dem Motto: „Für die Erhaltung der Rechte aller anständigen Bürger dieses Landes, gegen die Finanzierung des antitschechischen und rassistischen Vereins Romea o.s. durch die Regierung der Tsch. Republik“ aufmarschiert. In Tschechien leben Schätzungen zufolge 200 000 bis 300 000 Roma, mehrheitlich in extrem schwierigen ökonomischen und sozialen Verhältnissen.

„Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit“ dominiert die Szene

Offiziell sind in Tschechien 5000 Personen als Rechtsextremisten erfasst, informiert der Extremismusbericht für 2013. Der militanten Neonazi-Szene werden 150 Personen zugerechnet. Im vergangenen Jahr wurden von den Behörden 132 rechtsextreme Veranstaltungen, darunter 36 Konzerte, gezählt. In dem Bericht wird nicht zuletzt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fußball-Szene und die Neonazi-Szene immer mehr verschmelzen würden.

Dominiert wird die rechtsextreme Szene weiterhin von der im März 2010 gegründeten „Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit“ (Dělnická strana sociální Spravedlnosti – DSSS), konstatiert der Extremismusbericht. Die DSSS instrumentalisiert als vermeintliches „Sprachrohr des Volkes“ den latent in weiten Kreisen der Bevölkerung vorhandenen Antiziganismus. Sie arbeitet eng mit der NPD zusammen. DSSS ging aus der 2010 verbotenen Arbeiterpartei (Dělnická Strana – DS) hervor. Die DS sympathisierte mit der NS-Ideologie und ermunterte ihre Mitglieder zu Gewalt gegen Minderheiten wie Roma und andere Gegner, befand das Oberste Verwaltungsgericht.

Quelle: Blick nach Rechts
Stand: 10.06.2014

Ressentiments gegen Sinti und Roma: „Das Schreckensbild des Zigeuners hält sich beharrlich“

Die Ablehnung von Sinti und Roma nimmt in Deutschland zu: Mehr als die Hälfte der Befragten zeigten in einer Studie antiziganistische Einstellungen. Schuld an der Entwicklung seien auch die etablierten Parteien, sagt Zentralrats-Vize Silvio Peritore.

Silvio Peritore, geboren 1961 in Karlsruhe, ist Vize-Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Er studierte unter anderem Politik und Geschichte und promovierte zum Thema „Der NS-Völkermord an den Sinti und Roma in der deutschen Erinnerungsarbeit“. Heute lebt und arbeitet Peritore in Heidelberg.

SPIEGEL ONLINE: Herr Peritore, einer Studie der Uni Leipzig zufolge haben erschreckend viele Deutsche ein Problem damit, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Gegend aufhalten. Mit dieser Position hätte man momentan die absolute Mehrheit im Land. Macht Ihnen das Angst?

Peritore: Es ist jedenfalls ein Phänomen, das wir schon seit Jahrzehnten beobachten: Das Schreckensbild des sogenannten Zigeuners hält sich beharrlich, auch wenn es mit der Lebensrealität der Sinti und Roma in Deutschland nichts zu tun hat.

SPIEGEL ONLINE: Wie erklären Sie sich solche Vorbehalte?

Peritore: Die NPD, aber auch etablierte Parteien in der Mitte der Gesellschaft haben zuletzt Wahlkampf auf dem Rücken dieser Minderheit ausgetragen. Die CSU etwa, indem sie vor der sogenannten Armutszuwanderung warnte. Auch die AfD reitet auf dieser Welle und entdeckt alte Feindbilder neu. Leider stößt sie damit auf Zustimmung.

SPIEGEL ONLINE: Dann sehen Sie die Verantwortung für den um sich greifenden Antiziganismus bei den Parteien?

Peritore: Natürlich gibt es viele vernünftige Politiker, aber leider auch Populisten, die Stimmungen ganz gezielt anheizen. Als die Slowakei, Tschechien, Rumänien oder Bulgarien der EU beitraten, waren Wirtschaft und Politik daran interessiert, neue Absatzmärkte zu erschließen und viel Geld zu verdienen. Dann muss man aber auch in Kauf nehmen, dass sich Menschen aus diesen Ländern nach dem Beitritt in der EU frei bewegen können. Dass sie gleiche Chancen haben, auf Beschäftigung, Bildung und menschenwürdiges Wohnen. Dagegen sperrt man sich nun, indem man ein populistisches Feindbild zeichnet. Continue reading Ressentiments gegen Sinti und Roma: „Das Schreckensbild des Zigeuners hält sich beharrlich“

Zentralrat der Sinti und Roma zeigt Pro NRW an

Juristischer Ärger für Pro NRW: Der Zentralrat der Sinti und Roma hat Strafanzeige und -antrag gegen Verantwortliche der Partei wegen ihres Wahlwerbespots zur Europawahl erstattet. Der Vorwurf: Volksverhetzung und Beleidigung.

Das Feindbild “Zigeuner” spielte in dem Wahlkampf eine zentrale Rolle – nicht nur bei NPD und Pro NRW, sondern auch die AfD und Union setzten auf Ressentiments gegen “Osteuropäer” oder auch “Bulgaren und Rumänen”, die neue Chiffren für Sinti und Roma. Kanzlerin Merkel betonte kurz vor der Wahl zudem noch davon, die EU sei keine “Sozialunion”.

Pro NRW versuchte es weniger subtil. Die Partei produzierte einen Werbespot, in dem nach Ansicht des Zentralrats der Sinti und Roma pauschal rassistische Hetze gegen Sinti und Roma betrieben worden sei. Diese sei nicht von der Meinungsfreiheit im Wahlkampf gedeckt. Weiter heißt es in der Anzeige, die Publikative.org vorliegt:

“Zu Filmbildern von vermüllten Straßen und Wohnbereichen, aggressiven Personen und einem Mann auf der Straße mit einem großen Messer mit dazu eingeblendeten Parolen wie ,,Asylbetrüger schnell ermitteln” und ,,Wut im Bauch, lass es raus” wird ein Rap-Song unterlegt, bei dem der wiederholte Refrain ,,like a gypsy” (wie ein Zigeuner) lauter hervorgehoben wird.”
Dieser Spot in seiner Gesamtaussage beleidige nicht nur eine Minderheit als eine abgegrenzte Gruppe (§ 185 STGB), die Opfer des NS-Völkermordes wurde, sondern beinhalte ein so massives und emotional orientiertes Hasspotential, das geeignet sei, die Minderheit gesellschaftlich auszugrenzen und den öffentlichen Frieden zu gefährden (§ 130 STGB).

Der Zentralrat betont zudem, “ein Wahlkampf, der nicht auf eine scharfe oder überspitzte Meinungsäußerung abzielt, sondern blanken rechtsextremistischen Rassismus gegen die Minderheit betreibt, kann im Wahlkampf des demokratischen Rechtsstaats in Deutschland unter keinen Umständen hingenommen werden”.
Zudem verbreitet Pro NRW in dem Clip Parolen wie “Bürgermut stoppt Asylantenflut” oder “Wut im Bauch – lass es raus!”. Dazu wurden offenkundig Menschen ohne deren Einwilligung für den Spot gefilmt, darunter sogar Kinder, die aus dem Fenster schauten. Angesichts dieses “Gesamtkunstwerks” könnten die erwähnten Parolen durchaus wie ein indirekter Aufruf zu Aktionen gegen Sinti und Roma verstanden werden.

Auch die NPD hatte auf Hetze gegen Sinti und Roma gesetzt und eine angebliche Diskussionsveranstaltung mit Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats, angekündigt. Weil Rose zu einer Kontaktaufnahme genötigt werden sollte, erstattete der Zentralrat auch hier Anzeige.

Quelle + Bilder: Publikative.org
Stand: 27.05.2014

Roma in Tschechien: Der Kampf gegen den Hass

In Tschechien hetzen immer wieder Neonazis gegen Roma, Bürger stellen sich auf die Seite der Rechten, Politiker sehen tatenlos zu. Doch nun formiert sich eine Gegenbewegung: Die Ausgegrenzten wehren sich, unterstützt von einem neuen Bündnis.

Der Friedensplatz von Ústí nad Labem war voller Neonazis, als eine Romni aufgeregt mit den Händen wirbelte, um sie herum kahlrasierte Köpfe, sie hatte sich unbemerkt unter die Rechten geschlichen. Schnell wurde sie umringt, die Frau aber begann zu schreien: „Ich bin ein normales, menschliches Wesen! Ich bin eine von euch!“ „Bringt diese Frau hier weg“, sagte der Parteivorsitzende der rechtsradikalen DSSS Tomáš Vandas. Polizisten in leuchtgelben Westen mit der Aufschrift „Anti-Konflikt-Team“ überredeten sie zum Gehen. Seit Jahren hetzen Rechtsradikale auf der Straße gegen Roma, so auch am 1. Mai im nordböhmischen Ústí. Vor allem in den strukturschwachen Regionen Tschechiens machen sie Stimmung gegen die „sozial Unangepassten“ – mit wütenden Anwohnern im Schlepptau, die über Kleinkriminalität und Unordnung klagen. Kaum ein tschechischer Politiker verurteilt die Märsche, wie vor kurzem erst Amnesty International anprangerte. Dabei nennt der tschechische Inlandsgeheimdienst es eine „ernste Gefahr für Sicherheit und Demokratie“, dass der Hass auf die ethnische Minderheit auch gewöhnliche Bürger auf die Straße treibt. Es sieht nicht danach aus, dass die Hetze bald aufhören wird, und doch beginnt sich etwas zu verändern in Tschechien, das zeigt nicht nur der Mut der Romni, die in Ústí die Konfrontation mit den Neonazis suchte.

„Die Roma müssen aus der Opferrolle heraustreten“

Eine Frau, die gegen den Hass kämpft, ist Ivana Conková. Die Künstlerin ist Teil der Bürgerinitiative Konexe, in der sich Menschen organisieren, die nicht mehr weiter zusehen wollen angesichts der braunen Umtriebe in ihrem Land. Und sie haben eine klare Strategie: „Die Roma müssen aus der Opferrolle heraustreten“, sagt Conková. Was das für eine gewaltige Aufgabe ist, wurde am 1. Mai deutlich: Neonazis protestierten in Ústí offiziell gegen die EU, doch gleichzeitig veranstalten sie den ersten großen Anti-Roma-Marsch in diesem Jahr. Etwa 300 Rechtsradikale aus Tschechien, Italien, der Slowakei und Deutschland schlossen sich an. Sie stiefelten geschlossen durch die Stadt, zwischen den Häuserfassaden hallten ihre Parolen wieder: „Zigeuner in die Arbeit“ und „Böhmen den Tschechen“. Doch Konexe organisierte eine Gegendemo, sie boten den Rechten die Stirn. Rund 250 Menschen, davon etwa 180 Roma, stürmten bis zur Polizeisperre, die sie von den vorbeiziehenden Neonazis trennte. „Wir wollen hier leben!“, schrien sie.

Neues Bündnis hilft Roma

Jahrelang hatte die Staatsagentur für soziale Integration den Roma empfohlen, während der Nazi-Märsche die Stadt zu verlassen, die Sache der Polizei zu überlassen. Ein Vater in Ústí sagte am Rande der Demonstration, er fürchte um seine Kinder, deshalb wolle er bei der Gegendemo nicht größer in Erscheinung treten. Wie er wollen viele Roma weiterhin lieber still ausharren. Doch die Zahl derjenigen, die den Rechten ein neues Selbstbewusstsein entgegenstellen wollen, steigt. Rund um Konexe hat sich ein neues Bündnis formiert, es versammelt sowohl Antifa-Aktivisten aus Prag und Sachsen, als auch örtliche Roma, Priester und Studenten. In Ústí reservierten sie am 1. Mai ganze Straßenzüge, um ein Eindringen der Neonazis zu verhindern. Im Armenviertel Předlice gab es Puppentheater, Musik und Gulasch. Eine „Oase der Freude“ sollten die Straßenfeste sein, sagt Ivana Conková, besonders für die vielen Kinder. Für sie seien die Tage, an denen ihr Viertel mit Polizisten in schwerer Montur umstellt ist, traumatisierend.

„Geschäft mit der Armut“

Dabei ist ihre Lebenssituation ohnehin trostlos: Die Müllabfuhr macht einen großen Bogen um die Häuserblocks, in den Innenhöfen türmen sich Abfälle und Fäkalien. Über 400 solcher ghettoartigen Viertel gibt es nach Einschätzung der Regierungsagentur für soziale Integration in Tschechien. Die Arbeitslosenquote bewegt sich dort zwischen 70 und 100 Prozent. Der Prager Menschenrechtsaktivist Markus Pape beobachtet die Situation der Roma in Tschechien schon seit längerer Zeit. Er nennt es mit Blick auf die Gegendemo und die Straßenfeste am 1. Mai „beachtlich, dass sich so viele Roma aus dem Armenviertel aufgemacht haben“. Die Bewegung stehe aber noch am Anfang. Und sie hat einen langen Kampf vor sich, die Ausgrenzung der Roma reicht tief. Manche nutzen das sogar schamlos aus: Windige Geschäftemacher lassen in den Armenvierteln Häuser verfallen und vermieten die Wohnungen an Roma, die auf dem Mietmarkt sonst keine Chance haben. Die Mieten für baufällige Ein-Zimmer-Wohnungen, die zum Teil von zehnköpfigen Familien bewohnt werden, betragen bis zu 750 Euro. So wandern Sozialhilfen direkt in die Geldbeutel von Miethaien. Miroslav Brož, einer der Aktivisten von Konexe, spricht vom „Geschäft mit der Armut“. Markus Pape hofft nun, dass Roma sich mehr und mehr wehren werden, dass sie ihre Angst ablegen. „Vielleicht werden sie nun sagen: Wir wollen normale Wohnungen haben.“ Das selbstbewusste Auftreten in Ústí könnte nur der Anfang sein.

Quelle: Spiegel Online
Stand: 05.05.2014

Gegen Europa und gegen Roma

1.-Mai-Aufmarsch von tschechischen Neonazis in Ústí nad Labem (Aussig) mit „internationalen Gästen“ – angereist waren auch knapp zwei Dutzend Mitglieder der NPD und der Jungen Nationaldemokraten.

Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit gab es zum 1.-Mai-Aufmarsch tschechischer Neonazis auch dieses Jahr ein EU-kritisches Motto, dieses Mal „Die Zukunft gehört der Tschechischen Krone, nicht dem Euro“. Veranstaltet wurde Marsch mit Kundgebung von der rechtsextremen „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“, DSSS) und deren Jugendorganisation „Dělnická mládež“ (Arbeiterjugend, DM). So war dann auch ein Großteil der DSSS-Führungsriege anwesend, darunter Tomáš Vandas, Jiří Štěpánek, Jiří Petřivalský, Erik Lamprecht und Jakub Svoboda, aber auch Neonazis der antiziganistischen „Češti lvi“ (Tschechische Löwen) um Pavel Sládek Matějný, Nazi-Hools, „normale Bürger“ und sogar Familien mit Kindern reihten sich ein.

Als weitere „internationale Gäste“ waren der ukrainische „Rechte Sektor“, die „Slovenská Pospolitost“ (Slowakische Gemeinschaft“ und der „Blocco Studentesco“ (BS), die Jugendorganisation der neofaschistischen Casa Pound aus Italien, angekündigt worden. Letztere reisten tatsächlich an. Der „Rechte Sektor“ sei aufgrund der anstehenden Wahlen sehr beschäftigt und habe seine Teilnahme absagen müssen, hieß es. Die deutsche NPD hat sich in der Ukraine-Krise mehrfach auf der Seite Russlands verortet. Dass die tschechischen Rechtsextremisten mit Solidaritätsaktionen und Spendensammlungen stets für die ukrainische Seite Position bezogen haben, scheint der Verbindung zwischen NPD und DSSS keinen Abbruch zu tun.

Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung begann die Kundgebung in Ústí nad Labem. Grund für die Verzögerung seien überzogene Kontrollen der tschechischen Polizei gewesen, hieß es. Der DSSS-Vorsitzende Tomáš Vandas begrüßte die rund 250 Teilnehmenden von einer kleinen Stufe aus – der Aufbau einer Bühne sei ihnen in diesem Polizeistaat untersagt worden ebenso wie Fahnen mit Aufmarsch, lamentierte er. In seiner Ansprache klagte er über das „Brüsseler Diktat“, die „Multi-Kulti-Gesellschaft“ und forderte alle Anwesenden auf, bei der Europawahl die DSSS zu wählen. Continue reading Gegen Europa und gegen Roma

Protest gegen NPD: Osnabrücker hängen Wahlplakat ab

Drei junge Männer haben in Osnabrück öffentlichkeitswirksam ein Plakat der rechtsextremen NPD abgehängt. Offiziell ist das möglicherweise eine Straftat. Die Aktion haben sie in einem Video auf Facebook gepostet. Dafür ernten sie viel Zuspruch.

Jeffrey Laubinger, Dany Franz und Jers Jimmy Dean Laubinger und ein weiterer Freund stehen am vergangenen Mittwochabend an der Atterstraße in Eversburg. Es ist heller Tag, sie sind unvermummt. Über ihnen hängt ein Plakat der NPD. Darauf zu lesen: „Geld für Oma statt für Sinti und Roma“. Nach einer kurzen Erklärung nehmen sie das Plakat ab und sagen, dass sie es jetzt dahin bringen, wo es hingehört: auf den Müll. Zuvor sagen sie noch, dass sie nicht dazu aufrufen, es ihnen gleichzutun.

Das Video posten sie auf Facebook. Jers Jimmy Dean Laubinger, Musiker und Tätowierer aus Osnabrück, erklärt: „Wir sind alle deutsche Sinti, und es war klar, dass wir das nicht so hängen lassen können.“ Eigentlich wäre es Aufgabe der Stadt, die Plakate abzuhängen, meint Laubinger. „Aber wenn die Stadt nichts für sich selbst tut, dann müssen wir eben etwas für die Stadt tun.“ Laubinger: „Wir haben eine große Familie und wollen nicht, dass die Kinder so ein Plakat sehen und nach Hause kommen und fragen, warum wir Sinti Omas das Geld wegnehmen.“ Er nennt noch einen weiteren Grund: „Unsere Großeltern waren zum Teil in Konzentrationslagern der Nazis und die denken, es geht wieder los, wenn sie solche Plakate sehen.“

„Nicht verstecken, weil ich rassistisches Plakat abhänge“

Es sei klar gewesen, dass sie nicht einfach heimlich ein paar Plakate abnehmen, berichtet Laubinger. „Es ist eine symbolische Aktion und für die Konsequenzen stehen wir gerade. Ich möchte mich nicht verstecken, weil ich ein rassistisches Plakat abhänge. Auch wenn es offiziell möglicherweise eine Straftat ist“, sagt Laubinger. Die Rückmeldungen bei Facebook seien bisher durch die Bank positiv. „Das Video ist bis Donnerstagmittag bereits über 1.000 Mal geteilt worden und das innerhalb von 16 Stunden.“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert die Stadt auf, die Plakate abzuhängen. „Der Spruch ist extrem rassistisch und diskriminiert eine anerkannte Minderheit“, sagt Olaf Cramm vom DGB Osnabrück gegenüber unserer Redaktion. Er sieht die Kommune in der Pflicht. „Die Stadt muss sich politisch eindeutig positionieren, das ergibt sich aus der deutschen Geschichte und aus dem Titel Osnabrücks als Friedensstadt.“ Cramm räumt ein, dass es rechtlich wohl keine Handhabe gegen die Plakate gibt. „Dann muss sich die Stadt was einfallen lassen und die Plakate beispielsweise mit Verweis auf die Verkehrssicherheit abhängen lassen, weil sie zu hoch hängen.“ Cramm: „Und die Stadt sollte schnell handeln. Es ist unerträglich, dass diese Plakate hier seit Tagen hängen.“

Slogan kein Straftatbestand

Der Pressesprecher der Stadt, Sven Jürgensen, sieht keine Möglichkeit für die Stadt, gegen die Plakate vorzugehen. „Es gibt mehrere Gerichtsurteile, die in dem Slogan keinen Straftatbestand sehen. Das müssen wir als Stadt akzeptieren.“ Die NPD sei keine verbotene Partei. „Die Stadt ist im Wahlkampf zu strikter Neutralität verpflichtet und hat die Plakate inhaltlich nicht zu bewerten.“ Sich der Plakate mit Verweis auf eine eventuelle Verkehrsgefährdung zu entledigen, sei für die Stadt keine Option. „Das ist kein Weg, den man als Stadt gehen kann.“ Die Stadt Bad Hersfeld hatte die gleichen NPD-Plakate während der Bundestagswahl im vergangenen Jahr abhängen lassen, musste sie aber nach einem Gerichtsurteil wieder aufhängen. Das Verwaltungsgericht sah in dem Slogan keinen Straftatbestand erfüllt.

Unterstützung zugesagt

Bei der Polizei hat man noch keine Kenntnisse vom Verschwinden des NPD-Plakats, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. „Die NPD hat bisher keine Anzeige erstattet.“ Bei der Aktion handele es sich vermutlich um einen geringfügigen Diebstahl oder eine Sachbeschädigung. Allerdings unterliege die Polizei einem Strafverfolgungszwang und müssen auch von sich aus tätig werden, wenn eine Straftat vorliege.

Den drei jungen Männern, die das Plakat öffentlichkeitswirksam abgehängt haben, sagt Gewerkschafter Cramm seine Unterstützung zu, sollte die Aktion rechtliche Konsequenzen haben. „Die jungen Männer haben eindeutig Zivilcourage bewiesen, auch wenn wir natürlich nicht dazu aufrufen, es ihnen gleich zu tun.“

Quelle: Osnabrücker Zeitung
Stand: 15.05.2014

Brandanschläge auf Roma-Lager in Salzburg

In zwei provisorischen Roma-Lagern im Salzburger Stadtteil Schallmoos wurden am Montag Feuer gelegt. Das Thema der Reisenden ist seit Monaten politisch umstritten

Salzburg – Die seit Monaten brodelnde Auseinandersetzung um Bettler aus Rumänien in der Stadt Salzburg eskaliert. Montagnachmittag gingen zwei provisorische Roma-Lager im Stadtteil Schallmoos in Flammen auf. Unbekannte hatten Matratzen und andere Habseligkeiten in den notdürftigen Unterkünften angezündet. Aus Sicht des für Sicherheitsfragen ressortzuständigen Vizebürgermeisters Harald Preuner (VP) könnten Anrainer das Feuer gelegt haben: Die Vermutung liege nahe, dass jemand „Selbstjustiz“ betrieben habe. Preuner und die ÖVP haben im Wahlkampf für die Gemeinderatswahlen Anfang März selbst massiv gegen die „Bettlerbanden“ Stimmung gemacht.
Menschenrechtsgruppen hatten die ÖVP wiederholt scharf kritisiert. Menschenrechtsaktivist Bernhard Jenny fordert auf seinem Blog inzwischen den Rücktritt von Preuner: „Eine Menschenrechtsstadt verträgt keinen Preuner.“
Nicht zuletzt als Reaktion auf die ÖVP-Kampagne haben sich auch kirchliche Organisationen zusammengeschlossen, um für die Notreisenden aus Rumänien zumindest eine Art Grundversorgung zur Verfügung zu stellen.
Abgesehen von der Anrainertheorie ermittelt die Polizei auch noch in Richtung rechtsextremer Täter: Am Wochenende sind in Salzburg erneut Stolpersteine geschändet worden. Zwei in den Boden eingelassene Erinnerungssteine an NS-Opfer vor dem Landestheater sind mit schwarzer Teerfarbe beschmiert worden.
In den vergangenen Monaten waren die kleinen Denkmäler wie auch andere Erinnerungsstätten für Opfer der Nationalsozialisten wiederholt Ziel von Attacken. Zwei Verdächtige saßen mehrere Monate in U-Haft. Sie stehen demnächst vor Gericht.

Quelle: Der Standard
Stand: 08.04.2014