Category Archives: Fundstücke

Auschwitz-Komitee fordert uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für Roma und Sinti

Das Auschwitz-Komitee fordert in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel, dass den Worten der Reden zu den Gedenktakgen endlich Taten folgen müssen:

Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
28. Januar 2013

Verfolgung der Sinti und Roma in der EU

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

wir haben Ihnen zugehört bei der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin am 24. Oktober 2012. Sie erinnerten an diese Opfergruppe, „die öffentlich viel zu lange viel zu wenig wahrgenommen wurde: an die vielen hunderttausend Sinti und Roma, deren Leben die unmenschliche Rassenpolitik des nationalsozialistischen Terror-Regimes zerstörte.“ Sie haben in Ihrer Rede betont, wie wichtig genaues Hinschauen, rechtzeitiges Ein­mischen und Übernahme von Verantwortung ist. Minderheiten, ihre Kulturen, ihre Sprachen sind eine Bereicherung der Vielfalt Deutschlands, sagten Sie. Und weiter:
„Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung und müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Es ist eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben.“

Bereits einen Tag später aber spricht sich Ihr Bundesinnenminister, Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) vor einem Treffen der EU-Innen- und Justizminister erneut für eine Verschärfung des Asylrechts aus, insbesondere für Asylbewerber aus Ländern wie Serbien und Mazedonien. Sie werden erkennen, dass diese Vorstellungen des Innenministers nicht zu Ihren Einschätzungen und Ihren zitierten Versprechen passen – und der politischen Klärung bedürfen.

Gerade wieder sind viele feierliche Reden zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, dem Shoa-Gedenktag gehalten worden. Sie, Frau Bundes­kanzlerin sagen in Ihrer Botschaft zum 27. Januar 2013, die Deutschen trügen eine immerwährende Verantwortung für die Verbrechen der Nazis und den Holocaust. Mit Mut und Zivilcourage könne jeder Einzelne dazu beitragen,
dass Rassismus und Antisemitismus keine Chance mehr bekämen.

Für uns, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, ist es bitter und kaum zu ertragen, wenn Nazis in unseren Städten marschieren dürfen, wenn Roma und Sinti bei uns keine Zuflucht gewährt wird, wenn selbst Kinder abgeschoben werden, wenn gegen Nazidemonstrationen Protestierende und Blockierende mit Gefäng­nisstrafen belegt werden.

„Gerade wir als Überlebende von Auschwitz haben die Pflicht daran zu erinnern, dass Sinti und Roma unsere Leidensgenossen in Auschwitz und in Birkenau waren. Die Nazis hatten ihnen dasselbe Schicksal zugedacht, wie den Juden.“ Das sagte Noah Flug, der inzwischen leider verstorbene Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees 2010. Seitdem hat sich wenig geändert.

Um die bedrohliche Situation der Roma und Sinti in Europa zu verbessern und dem Antiziganismus entschieden entgegen zu treten, fordern wir, wie vom Internationa­len Auschwitz-Komitee und seinen Mitgliedsorganisationen bereits am 7. September 2010 beschlossen:

* uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für Roma und Sinti innerhalb der Europäischen Union
* uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang für Roma und Sinti zu den Sozial- und Bildungssystemen aller EU-Mitgliedsstaaten
* die Entwicklung und Durchführung von Bildungs- und Informationsprogrammen gegen Antiziganismus durch die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten
* die Anerkennung und Achtung der Geschichte und Kultur der Roma und Sinti als wichtigen und wertvollen Teil Europas

Frau Bundeskanzlerin, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Das Gedenken an die im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti darf nicht zu Lippen­bekenntnissen verkommen. Bitte intervenieren Sie gegen die fortgesetzte Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma in Europa durch menschenwürdiges und verantwortliches Handeln mit einem sofortigen
Bleiberecht in Deutschland!

Mit freundlichen Grüßen

Esther Bejarano, Vorsitzende

Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Pogrom gegen Roma in Griechenland

Bei einem Überfall auf ein Roma-Viertel in Etoliko wurden mehrere Unter­künfte und Fahr­zeuge zerstört. Unter den Tätern befand sich angeb­lich auch ein Abge­ord­neter der neo­nazisti­schen „Gol­denen Morgenröte“.

Rund 70 zum Teil vermummte Personen überfielen vergangenen Freitag ein mehrheitlich von Roma bewohntes Viertel der Kleinstadt Etoliko (Αιτολικό) in Westgriechenland. Sechs Unterkünfte und vier Fahrzeuge (Video) gingen laut Polizeibericht in Flammen auf. Ob dabei auch Personen zu Schaden kamen, ist noch unklar. Griechische Medien berichten allerdings, dass die meisten Bewohner vor dem anrückenden Mob aus dem Viertel geflüchtet seien. Presseberichten zufolge soll sich auch Konstantinos Barbarousis, Parla­ments­abgeordneter der neo­nazistischen „Goldenen Morgenröte“ (Umfragen zufolge bereits die drittstärkste Partei in Griechenland), mit einer Gruppe weiterer Partei­anhänger an dem Pogrom beteiligt haben. Erst im Oktober war Barbarousis’ parlamentarische Immunität aufgehoben worden, nachdem er bei einem Angriff auf einen Einwanderermarkt im benachbarten Mesolongi – Schlägertrupps zerstörten die Marktstände afrikanischer und asiatischer Migranten – gefilmt worden war.

Am Samstag meldete die Polizei vier Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Roma-Viertel; nach neun weiteren Personen wird gefahndet. Starke Polizeipräsenz vor Ort soll eine neuerliche Eskalation verhindern. Schon im vergangenen August war Etoliko Schauplatz von Ausschreitungen gegen Roma: Etwa 200 Einwohner attackierten damals das Roma-Viertel. Die Angreifer verwendeten auch Schusswaffen. Vier bzw. nach anderen Angaben fünf Personen wurden damals verletzt.

Auslöser des jüngsten Pogroms in Etoliko war eine Prügelei zwischen zwei Roma und zwei Nachbarn, bei der ein 24-Jähriger leicht verletzt wurde. Die beiden Roma befanden sich in Polizeigewahrsam auf dem Kommissariat, vor dem sich daraufhin einige Dutzend Bewohner versammelten und schließlich mit Brettern und Prügeln bewaffnet zu den Häusern der Roma zogen.

Quelle: dROMa
Stand: 06.01.2013

Griechenland: Pogrom gegen Roma

Am 4. Jänner überfielen 70 zum Teil vermummte Personen ein mehrheitlich von Roma bewohntes Viertel der Kleinstadt Etoliko (Αιτολικό) in Westgriechenland. Mehrere Unterkünfte und Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Griechische Medien berichteten, dass sich die meisten BewohnerInnen vor dem anrückenden Mob in Sicherheit bringen konnten.

Auch ein Parlamentsabgeordneter der neonazistischen Partei Chrysi Avgi (“Goldenen Morgenröte”) soll sich mit weiteren Parteianhängern an dem Angriff beteiligt haben. Im Oktober 2012 wurde die Immunität des Abgeordneten Konstantinos Barbarousis aufgehoben, nachdem er dabei gefilmt wurde, wie er mit einem Schlägertrupp einen Markt angegriffen und dabei Marktstände von afrikanischen und asiatischen MigrantInnen zerstört hat.

Der Blog Roma Service berichtet, dass am Tag nach dem Angriff auf das Roma-Viertel die Polizei vier der Angreifer festgenommen hat. Nach neun weiteren Personen wird gefahndet. Roma Service erinnert auch an das Pogrom im August des vergangenen Jahres, als ein Mob aus 200 Personen das Roma-Viertel attackierte. Dabei wurden auch Schusswaffen eingesetzt und es gab mehrere Verletzte.

Quelle, Video und weiterführende Links: Stoppt die Rechten
Stand: 24.01.2013

Im Ring mit den Mördern

Keiner beherrschte den Boxring so spielerisch wie er: Der tänzelnde „Zigeunerboxer“, wie er genannt wurde, war der Liebling der Massen. Doch ab 1933 wurde Johann Rukeli Trollmann zum tragischen Helden. Das Dokudrama „Gibsy“ zeichnet ein ungewöhnliches Schicksal in Zeiten des Völkermords nach.

Ungewöhnlich ist auch der Zugang zur Geschichte dieses wahrlich extremen Lebens, das 1944 durch die Hand eines Kapos in einem Außenlager des KZ Neuengamme endete: Autor und Regisseur Eike Besuden erzählt nicht nur, wie Trollmann immer mehr zwischen die Mühlen des NS-Rassenwahns geriet. Ebenso tragend für diesen Film ist der Weg eines Sinto-Jungen aus der heruntergekommenen Altstadt Hannovers zum umjubelten, aber auch angefeindeten Deutschen Meister im Halbschwergewicht, der jäh ein Ende fand. Zumal Trollmann seinen Widerstandsgeist auch jener über Jahre antrainierten Zähigkeit und Ausdauer verdankt haben dürfte.

Doch wir lernen keine Lichtgestalt kennen, sondern einen Menschen, der seine schillernde Persönlichkeit in nicht minder überraschende Haken und Hiebe zu übersetzen wusste. Schlussendlich war Trollmann ein Kind seines Milieus. So wird auch jene untergegangene multikulturelle Welt, die Hannover und andere deutsche Großstädte vor dem Zweiten Weltkrieg prägten, wieder zum Leben erweckt. Continue reading Im Ring mit den Mördern

„Kopf für Kopf muss überzeugt werden“

Kaum eine andere Minderheit wird in Europa so stark benachteiligt wie Sinti und Roma. Im Interview mit FAIRPLAY GLOBAL plädiert Marko Knudsen vom Europäischen Zentrum für Antiziganismusforschung (EZAF) für eine stärkere Bildung der Mehrheitsgesellschaft und positive Diskriminierung.

Herr Knudsen, immer wieder wird über die Auflösung von Romalagern in Frankreich und deren Quasi-Abschiebung in Länder wie Rumänien, Serbien und Kosovo berichtet. Ärgert es Sie, dass Roma nur in diesen Zusammenhängen den Weg in die Medien finden?

Über Roma wird entweder romantisch berichtet oder im Zusammenhang mit Kriminalität. Es kommt selten vor, dass über uns als Minderheit, als Opfer und Verfolgte berichtet wird. Man zeigt die Armut und das Elend unseres Volks und fragt nicht, wo die Ursachen liegen. Ich würde mir wünschen, dass Vertreter der Roma mehr selbst zu Wort kommen, anstatt dass immer über sie berichtet wird. Continue reading „Kopf für Kopf muss überzeugt werden“

Weniger Asylsuchende aus dem Balkan – Roma müssen draußen bleiben

Die Zahl der Asylsuchenden aus dem Balkan ist stark gesunken. Für das Innenministerium ist das ein Erfolg. Pro Asyl warnt vor „gewissenlosen“ Abschiebungen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat sein Ziel erreicht: Im Herbst hatte er verkündet, „den massiven Zustrom serbischer und mazedonischer Staatsangehöriger“ nach Deutschland stoppen zu wollen. Damals, im Oktober, beantragten 2.673 Serben erstmals in Deutschland Asyl. Kurz zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Asylbewerbern mehr Geld zusteht.

Die meisten Flüchtlinge aus dem westlichen Balkan hat Friedrich jetzt offenbar am Einreisen gehindert – zumindest vorerst. Im Dezember registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur noch 302 serbische Asylbewerber. Auch der erwartete Ansturm aus Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo brach ab.

Dass die Zahl der Flüchtlinge alljährlich im Dezember sinkt, ist nichts Neues. Es sind vor allem Roma, die spätestens im Herbst in Richtung EU reisen. Rechtzeitig vor den kalten Monaten wollen sie ihren Lebensbedingungen entfliehen. Im vergangenen Dezember kamen aber so wenige Asylbewerber wie seit Jahren nicht – und das trotz Rekordzahlen im Oktober. Continue reading Weniger Asylsuchende aus dem Balkan – Roma müssen draußen bleiben

Erinnern an die Ermordung der europäischen Roma und Sinti

Dokumentation von Veranstaltungen, Publikationen und extern geförderten Projekten der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Geschichte des Genozids an den europäischen Roma und Sinti, zu Antiziganismus und zur Roma-Politik heute.

Mit dem Denkmal zur Erinnerung an die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (Einweihung 24. Oktober 2012) ist ein Gedenkort geschaffen worden, der an die hunderttausendfache Verfolgung von Sinti, Roma, Lalleri, Lovara, Manusch und anderer Gruppen in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Durch den Beschluss des Bundestages von 1992 wurde eine lange bestehende Forderung des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma erfüllt – die Errichtung zog sich aber 20 Jahre hin.

Die Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung waren kein Phänomen, das mit dem staatlich organisierten Genozid (Porajmos) durch Nazi-Deutschland begann. Schon seit dem ausgehenden Mittelalter lassen sich antiziganistische Vorurteile, Gesetze und Vertreibungen in vielen Gegenden Europas belegen, die nach Jahrhunderten in der planmäßigen und systematischen Vernichtung im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich kulminierten. Dem Porajmos fielen nach Schätzungen bis zu 500.000 Menschen aller Altersgruppen zum Opfer. Der NS-Apparat konnte dabei vielerorts auf vorher schon existierende (Foto-) Karteien, Listen von Häusern und zum Teil auch Erfahrungen mit Internierung aufbauen. Continue reading Erinnern an die Ermordung der europäischen Roma und Sinti

Gutachten: Regierung versagt beim Schutz von Sinti und Roma

Sinti und Roma werden in Deutschland systematisch beschimpft, attackiert und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Ein neues Gutachten zeigt, wie alltäglich rassistische Anfeindungen hierzulande sind – und wie wenig die Bundesregierung dagegen unternimmt.

Es war ein Versprechen, das Angela Merkel abgab: Deutschland werde sich für die Rechte der Sinti und Roma einsetzen. Das war am 24. Oktober, in Berlin wurde damals ein Mahnmal für 500.000 Sinti und Roma eingeweiht, die von den Nazis ermordet wurden. Die Kanzlerin erklärte den Kampf gegen die Diskriminierung zur Staatsaufgabe. Aber das Engagement währte offenbar nicht lang.

An diesem Mittwoch wird Vertretern des Menschenrechtsausschusses im Bundestag ein Gutachten vorgestellt, das beschreibt, was sonst so geschah in diesem Bereich: nicht viel. Antiziganismus, also Rassismus gegen Sinti und Roma, sei in Deutschland weit verbreitet, heißt es in dem Dokument. Die Bundesregierung nehme ihn jedoch tatenlos hin.

Die Studie dokumentiert, wie sich der Rassismus gegen Sinti und Roma in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland ausgebreitet

– In Klinghain, Sachsen, brannte ein Wohnhaus nach einem Anschlag aus. Die Bewohner waren zuvor als „Zigeuner“ beschimpft und attackiert worden. „Haut ab, ihr Kanaken“, schrieben die Angreifer auf einen Zettel. Die Polizei schloss nach der Tat einen „fremdenfeindlichen Hintergrund“ dennoch aus.
– Ein Mann aus Nordfranken misshandelte wiederholt Frauen an der deutsch-tschechischen Grenze. Als Motiv gab er vor Gericht „Hass gegen Roma“ an.
– In Gelsenkirchen wurden 17 Wohnwagen in einem Viertel niedergebrannt, in dem Roma wohnen.
– Eine Stele in Merseburg, Sachsen-Anhalt, die an die Deportation der Sinti und Roma in Nazi-Deutschland erinnert, wurde allein zwischen Dezember 2009 und Januar 2012 siebenmal geschändet.
– Als Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien in einer ehemaligen Kaserne in Schneeberg, Sachsen, untergebracht wurden, schrieb die Regionalzeitung: „Sie zählen zu den Sinti und Roma. Mit ihnen kam die Angst vor Kriminalität nach Schneeberg.“ Die NPD initiierte eine Versammlung im Gemeinderat. In Bayern konnte ein Mandatsträger der CSU ungestraft fordern: „Hauptsache, die Roma verschwinden.“

Sinti und Roma werden laut der Studie in vielen Bereichen benachteiligt: bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz und in Behörden. In den Medien wurde in den vergangenen Monaten verstärkt gegen Migranten aus Rumänien und Bulgarien Stimmung gemacht. Dabei werde häufig auf „Zigeuner“-Klischees zurückgegriffen, sagt Markus End, Politikwissenschaftler und Autor des vom Bildungszentrum RomnoKher in Mannheim in Auftrag gegebenen Gutachtens: „Die Regierung tut so, als würde es den Rassismus gegen Sinti und Roma in Deutschland nicht geben.“

In einer Langzeitstudie der Universität Bielefeld zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ sagten im vergangenen Jahr 40 Prozent der Deutschen, sie wollten nicht in der Nachbarschaft von Sinti und Roma wohnen. Mehr als jeder Vierte forderte, Sinti und Roma sollten „aus deutschen Innenstädten verbannt werden“.

Fast die Hälfte stimmte der Behauptung zu: „Sinti und Roma neigen zu Kriminalität“. Auf der anderen Seite gaben drei Viertel der deutschen Sinti und Roma an, hierzulande häufig diskriminiert zu werden. „Es ist bezeichnend, dass diese Form des Rassismus von der deutschen Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen wird“, sagt Ferda Ataman vom Mediendienst Integration.

Der Europarat und die Uno haben Deutschland wiederholt dafür gerügt, Antiziganismus nicht entschieden genug zu bekämpfen. Auf eine entsprechende Anfrage der Grünen antwortete die Bundesregierung lediglich, dass der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) keine Beschwerden vorlägen. Dabei warnt selbst ADS-Chefin Christine Lüders vor Antiziganismus: „Roma erleben regelmäßig ein Klima der Ausgrenzung und der Stigmatisierung. Die Ablehnung ihnen gegenüber reicht bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein.“

Der Autor der Studie bringt es so auf den Punkt: Die häufig schlechte Gesundheitsversorgung, schlechte Bildungs- und Arbeitsplatzsituation seien nicht das „Ergebnis von Naturkatastrophen“: „Sie sind Ergebnis von Diskriminierungsprozessen, von Ausgrenzung und Verfolgung.“

Quelle: Spiegel Online
Stand: 12.12.2012

Demonstration in Ungarn: „Ich bin auch Zigeuner!“

Hunderte Menschen gingen in Budapest auf die Straße: Sie demonstrierten gegen einen Freund des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán – der einflussreiche Rechtsaußen-Publizist hatte Angehörige der Volksgruppe Roma als „Tiere“ bezeichnet.

Sie kamen mit ungarischen Flaggen und trugen Schilder um den Hals. „Ich bin auch Zigeuner“, stand darauf. Mehrere hundert Menschen demonstrierten am Sonntag in Budapest gegen Rassismus und Roma-feindliche Kommentare in der regierungsnahen Presse.

Die linke Oppositionspartei DK (Demokratische Koalition) des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Die Demonstration fand vor dem Sitz der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) statt.

Der Protest richtete sich gegen den einflussreichen Rechtsaußen-Publizisten Zsolt Bayer, ein Freund von Ministerpräsident Viktor Orbán. Bayer hatte in einem vor einer Woche von der Tageszeitung „Magyar Hirlap“ veröffentlichten Beitrag geschrieben, „die meisten Roma“ seien „Tiere“, viele Roma seien „Mörder“. Die meisten Roma seien „nicht zum Zusammenleben“ geeignet und sollten „nicht existieren“, hieß es in dem Beitrag weiter. Der Autor hatte eine Wirtshausschlägerei in der Silvesternacht im Ort Szigethalom bei Budapest zum Anlass seiner umstrittenen Ausführungen genommen. Mehrere Roma sollen dabei zwei Nachwuchssportler mit Messerstichen schwer verletzt haben.

Mehrere Redner forderten Orbán auf, zu den Äußerungen seines Vertrauten Bayer Stellung zu beziehen. Zudem verlangten sie einen Ausschluss des bereits einschlägig bekannten Journalisten Bayer aus der rechtspopulistischen Fidesz-Partei. Der Regierungschef hat sich bislang nicht zum Kommentar seines Freundes geäußert. Ungarn steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, und Orbán ist sowohl im Ausland als auch im Land selbst umstritten. Kundgebungen zur Unterstützung Orbans, an denen im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Menschen teilnahmen, wurden unter anderem von Bayer initiiert.

Es ist nicht die erste verbale Entgleisung Bayers. Im vergangenen Jahr war eine blonden Polizistin vergewaltigt und ermordet worden. Nachdem der mutmaßliche Täter, ein Roma, festgenommen worden war, schrieb Bayer: „Wir müssen es aussprechen: Der viehische Mörder war ein Zigeuner. In diesem Ungarn erleben Millionen Menschen, dass die Zigeuner sie ausrauben, schlagen, demütigen und ermorden. Wenn die Zigeunergemeinschaft diese Mentalität ihrer Rasse nicht ausrottet, dann ist klar: Mit ihnen kann man nicht zusammenleben.“

Bayer ist für rassistische Bemerkungen auch über Juden bekannt. In einem 2011 erschienenen Artikel bezeichnete er Juden als „stinkende Exkremente“, 2008 verunglimpfte er Juden, weil sie „ihre Nasen in den Schwimmbädern Ungarns schnäuzen“.

Quelle: Spiegel Online
Stand: 13.01.2013

Rumänien: Aufruf zu Sterilisierung von Roma

In Rumänien hat eine rechtsextreme Gruppierung Roma-Frauen eine finanzielle Belohnung in Aussicht gestellt, wenn sie sich im Jahr 2013 sterilisieren lassen. Die Organisation NAT88 aus Timișoara verspricht jeder Roma-Frau eine Belohnung von 300 Leu (ca. 70 Euro), wenn sie einen Nachweis für die erfolgreiche Durchführung des Eingriffs vorlegt. Die Sterilisierung, die von der Gruppierung u.a. mit angeblichen „gewaltsamen Angriffen“ von Roma auf die Mehrheitsbevölkerung begründet wird, beruhe auf Freiwilligkeit, betonte NAT88 (die Zahl 88 steht im Neonazi-Code für „HH“, „Heil Hitler!“ – H ist der achte Buchstabe des Alphabets). NAT88 fordert zudem „eine Lösung des Zigeunerproblems mit dem Ziel, das rumänische genetische Erbe zu erhalten“.

In einer gemeinsamen Aussendung haben Menschenrechts-Organisationen heute gegen den rassistischen Sterilisierungs-Aufruf, der ganz offen auf eine Dezimierung der ethnischen Minderheit abzielt, protestiert: „Die Sterilisierung von Frauen einer bestimmten ethnischen Gruppe ist ein ernster Angriff auf diese Gruppe und die Gesellschaft als Ganzes, unabhängig von der Form, wie dies propagiert wird“, erklären das Elie-Wiesel-Institut, die Roma-NGO Romani Criss und das Zentrum für den Kampf gegen Antisemitismus (MCA Romania). Die Website der rechtextremistischen Gruppierung wurde inzwischen vom Netz genommen.

Quelle: dROMa
Stand: 10.01.2013