Category Archives: Fundstücke

«Wir fackeln Eure Häuser ab»

Im ungarischen Dorf Gyöngyöspata solidarisieren sich die Bewohner zunehmend mit den Garden der Rechten.

Unter dem Titel «Machtergreifung – Neonazis haben de facto die Polizeigewalt in einem ungarischen Dorf übernommen» berichteten wir in der April-Ausgabe unserer Zeitung über die rechtsextreme Bürgerwehr der «Jobbik»-Partei, die zwei Wochen lang das Dorf Gyöngyöspata belagerte, um die «Zigeunerkriminalität» zu bekämpfen.

Doch es ist noch nicht vorbei, wie die «Jungle World» im April berichtete: «Jobbik» hielt Anfang des Monats eine Kundgebung mit rund 2.000 Menschen ab, die gemeinsam durchs Dorf streiften. Solche Aufmärsche gegen die «Zigeunerkriminalität» hat es in den vergangenen Jahren in vielen ungarischen Dörfern gegeben. Die antiziganistische Propaganda, die Angehörige der Roma-Minderheit für Alltagskonflikte, Diebstähle und Gewalt verantwortlich macht, kommt in der ungarischen Provinz gut an.

Das Mikrofon und die Bühne sind inzwischen verschwunden, eine kleine Gruppe von Rechten ist aber geblieben. Gerufen wurden sie vom Ortsvorsitzenden der «Jobbik», Oszkár Juhász, wegen der angeblich ausufernden Kriminalität, die von den rund 500 im Dorf lebenden Roma ausgehe. Die Rechtsextremen mit ihrer Bürgerwehr «patrouillieren» noch immer durch Gyöngyöspata, bauen sich bedrohlich vor den Häusern der Roma auf. Mit Uniformen und Befugnissen hat sich die rechte Bürgerwehr selbst ausgestattet. Einige haben Peitschen und Äxte. Unbeobachtet kommt niemand mehr bis zum Dorfladen oder auch nur zum Nachbarn. Das Auftreten der «Szebb Jövöert», zu deutsch «Schönere Zukunft», wie sich die Gruppe nennt, in diesem kleinen Dorf am Fuß des Matra-Gebirges hat jedoch inzwischen im ganzen Land für Aufsehen gesorgt. Der Name spielt auf das ungarische Pendant zum deutschen Hitlergruß an: «Gott gebe eine schönere Zukunft!» Auf dem Nachrichtenportal «index.hu» ist zu lesen: «Ungarn hört in Gyöngyöspata auf», hier sei das staatliche Gewaltmonopol einer selbsternannten Bürgerwehr übergeben worden. Ungestört von der großen Aufmerksamkeit in den Medien schüchtern die rechten Militanten morgens die Kinder der Roma-Familien auf dem Weg zur Schule ein, nehmen eigenmächtig Personenkontrollen vor oder hindern Roma am Betreten bestimmter Straßen. Die örtliche Polizei stört das nicht. Continue reading «Wir fackeln Eure Häuser ab»

Bettelverbot erzürnt nicht nur die Kirche

Österreich: Alpenrepublik versucht, Roma loszuwerden

Graz. Darf man sich an eine Hauswand setzen, eine leere Margarinedose vor sich aufstellen und hoffen, dass jemand Münzen hineinwirft? Österreich trägt einen Grundsatzstreit aus: Schon vier von neun Bundesländern der Alpenrepublik verbieten generell das Betteln. Sozialdemokraten und die katholisch geprägte Volkspartei geben dem Drängen der Rechtspopulisten nach, die Bettler aus der Slowakei, Rumänien und Bulgarien aus den Innenstädten verbannt sehen wollen. Jetzt muss das Verfassungsgericht entscheiden.

Zwei Professoren protestieren

Graz, mit 260 000 Einwohnern zweitgrößte Stadt des Landes, ist das Revier von etwa 70 Roma vor allem aus der Slowakei, aber auch aus Rumänien und Bulgarien. Seit mehr als einem Jahrzehnt sitzen hier immer dieselben Bettler vor Kirchen oder am Hauptplatz und bitten still um Gaben. Als zu Monatsbeginn ein totales Bettelverbot in Kraft trat, waren erstmals neue Gesichter am Straßenrand zu finden: Zwei emeritierte Professoren, der bekannte „Armenpfarrer“ Josef Pucher, ein 85-jähriger früherer ORF-Intendant und ein Ex-Landespolitiker ließen sich vor dem Landtag nieder, stellten Sammelbüchsen vor sich auf und warteten auf die Polizei. Sie wurden angezeigt. Jetzt hofft Pfarrer Pucher auf einen Strafbefehl. Ein ähnlicher Fall in Salzburg liegt den Wiener Verfassungsrichtern schon vor.

Dass Bettler Passanten nach österreichischem Recht nicht ansprechen oder ihnen gar hinterherlaufen dürfen, ziehen auch die Gegner der Verbotsgesetze nicht in Zweifel. Beschwerden über Diebstähle oder Belästigungen gab es keine. Immer wieder ging die Polizei Hinweisen auf Menschenhandel nach. Immer ohne Erfolg: „Organisiert“ an der Bettelei war allein, dass die Roma gemeinsam reisten und den Erlös gelegentlich teilten.

Trotzdem bestreiten die Rechtsparteien FPÖ und BZÖ mit der „Bettlermafia“ seit zehn Jahren ihre Wahlkämpfe. SPÖ und ÖVP stehen unter Zugzwang. Mit einem ersten Versuch, das Betteln ganz zu verbieten, scheiterte ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl am grünen Koalitionspartner. Die Landesregierung half ihm aus der Patsche und beschloss ein Verbot gleich für die ganze Steiermark. Ärger bekam der Bürgermeister danach von seiner katholischen Klientel. Auftrieb gibt den Gegnern ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichts, das 1998 ein ähnliches Verbot für Stuttgart aufhob.

Quelle: Morgen Web
Stand: 20.05.2011

In den Kosovo abgeschoben? Wie mit Roma geplant!

Hannover. Viele Pendler/innen und Passant/innen bleiben am Morgen des 8. April verwundert am hannoverschen Leineufer stehen. Sie trauen Ihren Augen nicht: Eine der drei Nanas, eine besondere Attraktion der niedersächsischen Landeshauptstadt, ist verschwunden. Aber warum? Und wo wurde sie hingebracht?
Sie ist nicht die einzige, die in einer Nacht- und Nebelaktion aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen wurde. Ebenso widerfährt es immer wieder Menschen, die aus Deutschland abgeschoben werden. Unter ihnen auch immer mehr Angehörige der Romaminderheiten, die aus dem Kosovo vor Pogromen während des Bürgerkriegs nach Deutschland geflohen waren.
Im April 2010 hat die deutsche Regierung ein Rückübernahmeabkommen mit der kosovarischen Regierung abgeschlossen, wonach in den kommenden vier Jahren jährlich 2.500 Menschen aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben werden sollen. Continue reading In den Kosovo abgeschoben? Wie mit Roma geplant!

Gyspy scare stories given Jewish makeover

A group campaigning for the rights of Britain’s traveller communities has set up a website substituting the word gypsy in „blatantly racist“ headlines with the word Jew.
The Dale Farm Solidarity group built Jewify to raise awareness of the „official institutions, mainstream politicians, or newspapers openly espousing…racism against Gypsies“.
The site allows users to see what newspaper articles would look like if their subject was the Jewish people. A 2008 story in the Express about politician Tessa Jowell’s reaction to a gypsy camp near her house was altered to read: „Anger at Jewish invasion near Jowell’s retreat“.
A Mirror story from earlier this headlined was given the new headline: „Jews lose driving licences for allegedly paying people to pass tests for them“.
According to the creators, while „racism of many kinds, including antisemitism, is alive and well“ in the UK, it only remains socially acceptable when directed at Travellers and Roma people.
Referring to the Daily Mail’s coverage of Oswald Mosley and the fascist movement in the 1930s, the creators added: „Whipping up fear against Travellers and other racial minorities is nothing new for [them].
„But when the blackshirts tried to march through Jewish neighbourhoods in the East End of London, anti-fascists rallied in defence of their Jewish neighbors.

„We say again, No Pasaran! They shall not pass.“

Quelle: CFCA
Stand: 04.05.2011

Unter der Flagge der »Ordnung« gegen die Roma

Ungarische Oppositionelle über die rechte Bewegung und den Antiziganismus in ihrem Land

Das Dorf Gyöngyöspata war in den vergangenen Wochen Brennpunkt der Konflikte zwischen ungarischen Rechtsextremen und Roma. Aus Angst vor uniformierten Bürgerwehren flohen hunderte Roma zeitweilig in andere Orte. Ungarns Parlament hat die Aktionsmöglichkeiten der Rechtsradikalen jüngst eingeschränkt, ohne die Bürgerwehren grundsätzlich zu verbieten. Oppositionelle sehen das Problem jedoch dadurch nicht gelöst.

Wir sind in Budapest, im Stadtteil Józsefváros (Josephstadt). Das Interview mit Aladár Horváth, dem ehemaligen Vorsitzenden der Stiftung für Roma-Bürgerrechte, und dem methodistischen Prediger Gábor Iványi findet an der Theologischen Hochschule John Wesley statt. Vor dem Zweiten Weltkrieg wohnten in Józsefváros sehr viele, in der Regel ärmere jüdische Familien. Während des Holocaust wurde ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung aus Józsefváros deportiert oder gleich an Ort und Stelle getötet. Danach wurden dort Roma aus den Dörfern für die Fabrikarbeit angesiedelt. Continue reading Unter der Flagge der »Ordnung« gegen die Roma

Kampf gegen Roma-Klischees

Viele blicken dieser Tage ob rechtsradikaler Tendenzen besorgt nach Ungarn. Doch derlei Hetze betreibe nur eine Minderheit, sagt Erika Horváth. Die erste ungarische „Roma-Diplomatin“ tritt vehement für den Ausbau von Bildungsprogrammen zur Integrationsförderung ein.

Viele blicken dieser Tage ob rechtsradikaler Tendenzen besorgt nach Ungarn. Doch derlei Hetze betreibe nur eine Minderheit, sagt Erika Horváth. Die erste ungarische „Roma-Diplomatin“ tritt vehement für den Ausbau von Bildungsprogrammen zur Integrationsförderung ein.

Schadwinkel, König, Wragge: József Czukor, Ungarns Botschafter in Berlin, nennt Sie die erste Roma-Diplomatin Ungarns. Sind Sie damit einverstanden?

Erika Horváth: Das stimmt nicht so ganz. Es gibt mehrere Roma im ungarischen Staatsdienst, auch im Aussenministerium.

Schadwinkel, König, Wragge: Aber sind Sie persönlich mit dieser Formulierung glücklich? Continue reading Kampf gegen Roma-Klischees

Am Rand im Abseits

Lustige Musikanten oder Kriminelle: Über Sinti und Roma wird stereotyp berichtet. Auch Straßenzeitungen, die dagegen angehen wollen, sind überfordert.

Politisch, engagiert und mit dem Blick für die Ausgegrenzten: Bastian Pütter leitet im Ruhrgebiet eine besondere Redaktion. Bodo, das Straßenmagazin. Seine Leute berichten über das Abseitige, für die gute Sache. Aber mit einem kommt Bastian Pütter nicht klar: Wie soll er damit umgehen, dass auf der Straße ein harter Kampf stattfindet, der mitten unter Ausgegrenzten spielt?

In der Nähe seiner Dortmunder Redaktion lag neulich ein abgetrennter Pferdefuß vor einer Haustür. Eine Frau hatte das blutige Fleisch dort abgelegt. Weil sie dachte, damit könnte sie Menschen abschrecken, die ohnehin bereits eine lange Verfolgungsgeschichte haben: Roma. In Dortmund, sagt Pütter, sei das ein Riesenthema. „Wir haben eine völlig überforderte Stadtgesellschaft, die sich auch in den Medien offen rassistisch äußert.“ Pütter will dagegen angehen. Aber wie? Denn auch die Straßenzeitungen, die hinschauen müssten, sind völlig überfordert.

Da haben sie etwas gemein mit vielen Tageszeitungen: Auf der Skala der anhaltendsten Diskriminierungen steht die Minderheit der Sinti und Roma ganz oben. „Beschwerden über den medialen Umgang mit Sinti und Roma beschäftigen den Presserat in jeder seiner Ausschusssitzungen“, heißt es beim Deutschen Presserat. „Über Roma wird sehr, sehr stereotyp berichtet: Entweder werden sie als lustige Musikanten oder als Kriminelle dargestellt“, sagt Hamze Bytyci, Vorsitzender des interkulturellen Roma-Jugendnetzwerks Amaro Drom in Berlin. Continue reading Am Rand im Abseits

Bulgarian Skinheads Stage Pathetic Anti-Roma Protest

Just 30 persons attented a self-styled protest against „Roma privileges“ in front of the Bulgarian Parliament Sunday afternoon, out of some 14,000 who had stated their attendance on Facebook.
Some of the participants bore the blatant signs of skinhead groups, with all of them in their teens or twenties.
The youths did not specify any demands whatsoever, did not claim allegiance to a party or organization and refused to speak to the media.
Only one girl, aged 18, voiced an opinion by speaking to the BGNES agency, extravagantly putting the blame on the government and not on the Roma community.
„Those in power are to blame for everything. They’re washing their hands with the Roma. If the Roma were educated and had good jobs, we wouldn’t have such problems,“ said the teenager.
Sunday’s protest had no official permission by the Sofia Municipality. It had raised an outcry from Bulgarian rights organizations.

Quelle: Novinite
Stand: 01.05.2011

Regierungsprogramm für Roma-Integration präsentiert

Ausgrenzung soll ein Ende haben

Der Staatssekretär für sozialen Anschluss, Zol­tán Balog, stellte am vergangenen Dienstag wesentliche Aspekte des neuen Programms zur Bekämpfung der Aus­gren­zung von Roma vor. Das einzige Roma-Mitglied im Euro­päi­schen Parlament, Lívia Járóka, die Seite an Seite mit Balog saß, sagte, dass die „Roma-Frage“ eigentlich eine Frage der Ar­mut sei und nicht nur auf eine ethnische Minderheit beschränkt werden dürfe.

Arbeit und Bildung sind der Schlüssel zur Integration der Roma, die bis zu sieben Prozent an der Gesamtbevölkerung Ungarns (rund zehn Millionen) ausmachen, erklärten die Regierungsvertreter am vergangenen Don­nerstag. Das neue Programm der Regierung setzt genau da an, denn es zielt darauf ab, Zehntausende in die Arbeitswelt zurückzuführen und mehr als drei Mal so viele Roma-Studenten an die ungarischen Universitäten zu bekommen, so der Vorsitzende der Landes-Roma-Selbstverwaltung (ORÖ) und Parlamentsabgeordnete des Fidesz, Flórián Farkas. Er stellte die Grundpfeiler des neuen Regierungsprogramms zur Bekämpfung der Ausgrenzung der Roma vor.
Lívia Járóka sagte, dass die bisherigen Versuche, das Roma-Problem anzugehen, allesamt gescheitert seien. Was bisher getan wurde, war vor allem Geldverschwendung, so Járóka.
Zoltán Balog, erklärte, dass das Kabinett in der vergangenen Woche einem Ab­kom­men mit der ORÖ zugestimmt habe, der die Stra­­te­gie Ungarns zu diesem Thema beinhalte. Er war Anfang der Woche von Mi­nis­ter­­prä­sident Viktor Orbán und dem ORÖ-Vor­sitzenden Flórián Farkas unterzeichnet worden. Balog sagte, dass Lívia Járóka „die wichtigste Kämp­ferin“ im Europäischen Par­­lament für eine Integrationsstrategie der Roma sei. Continue reading Regierungsprogramm für Roma-Integration präsentiert

Die Unbelehrbaren – Gyöngyöspata und die „Zigeunerfrage“ in Ungarn

Die politische Aufarbeitung der Vorkommnisse in Gyöngyöspata hat mittlerweile absurde Züge angenommen. Es geht der Regierung weniger um die Ursachen der sozialen und ethnischen Spannungen bzw. deren Beseitigung, sondern darum, „welche Kräfte daran Interesse haben, Ungarns Ruf im Ausland zu schädigen“. Realitätsververweigerung auf verschiedenen Seiten machen die Betroffenen, Roma- wie Mehrheitsbevölkerung, zu politischen Spielbällen. Die Probleme bleiben dabei ungelöst, denn staatsbürgerliche Pflichten kann man erst einfordern, wenn man das Menschenrecht auf Leben garantiert.

Kampagne gegen die Kampagne:
Schuld sind ein Amerikaner und womöglich die Russen

Wie berichtet, hat die Regierungspartei Fidesz eigens eine Untersuchungskommission eingesetzt, die diejenigen ausfindig machen soll, die die Eskalation in Gyöngyöspata „betrieben haben“. Neben der Partei Jobbik wurde von Regierungsseite auch die grün-liberale Partei LMP angegriffen (die Sozialisten sowieso), deren Chef sich von der „rufschädigenden Übertreibung“ bei den Berichten internationler Medien mitterweile distanziert hat, offenbar, um seine Reputation im bürgerlichen Lager nicht einzubüßen. Das Parlament beauftragte auch die zivilen und militärischen Geheimdienste des Landes, für Aufklärung zu sorgen, wer hinter der „internationalen Kampagne gegen Ungarn“ steckt. Continue reading Die Unbelehrbaren – Gyöngyöspata und die „Zigeunerfrage“ in Ungarn