Rassistische Messerattacke als Mordversuch gewertet

Von Friedrich Burschel

„Es ist nicht einfach zu plädieren an einem Ort, wo man eine Art Tribunal gegen Rassismus abhalten will“, so stieg der Verteidiger der Angeklagten in sein Plädoyer ein. Er nahm damit Bezug auf die Tatsache, dass der Gerichtssaal bisher stets überfüllt war mit interessierten Prozessbeobachter*innen. Mit diesem Einstieg machte er aber vor allem deutlich, wie er seine Mandantin vor einer Verurteilung wegen versuchten Mordes in zwei Fällen bewahren wollte. Schließlich sei, so der Verteidiger weiter, ein solches Tribunal schon im NSU-Verfahren, das dafür vielleicht geeigneter gewesen wäre, nicht richtig gelungen. Sein Job als Verteidiger war es, den Tathergang so zu relativieren und den Zustand seiner Mandantin als so jenseits von Gut und Böse darzustellen, dass am Schluss allenfalls ein versuchter Totschlag mit einer so niedrigen Strafe herauskommen würde, dass das Gericht die Verurteilte sogar aus der U-Haft und bis zum regulären Haftantritt entlassen könnte. Continue reading Rassistische Messerattacke als Mordversuch gewertet

We are against the word „Zigeuner“

The word “Zigeuner” (“gypsy”) is derived from the Greek athinganoi, meaning “untouchable” and refers to the position of Roma within the Indian caste system. Already in the thirteenth century, this exonym was applied to “asocial elements” – for example, within the context of the first European “edict against the Gypsy plight”. For the Nazis, the term was synonymous with “unwertes Leben” (unworthy of life) and was widely circulated in Nazi mass propaganda. Even today, the word is still often used without thinking about it.

Harri Stojka with his sisters Sissi (right) und Doris Stojka. Photo: Reinhard Loidl

 

The aim of the campaign Ich bin gegen das Wort “Zigeuner” (“I am against the word ‘Zigeuner’”) is to knowingly present the term as what it actually is: a negative and clearly discriminatory term, which is offensive to Roma. At the same time, the project aims to dismantle and fight prejudices against Roma and Sinti.<a id="anchor-footnote-1" href="https://www.eurozine.com/we-are-against-the-word-zigeuner/?fbclid=IwAR3bUeZ64FwtN9zpZUepRaMl2I-1GWqvlH9SY6rJMf-zeUTH-M4IocB7kZw#footnote-1" data-trigger="manual" data-placement="bottom" data-toggle="popover" data-html="TRUE" data-content="Roma and Sinti are the largest ethnic minority in Europe There are between ten and twelve million Roma… „>1

The campaign was initiated by people closely associated with the Gipsy Music Association, and demands that “Zigeuner” disappear from media reports, product names, and ultimately from everyday use all together. They also point out that the majority of the Roma community in Austria does not want to be called “Zigeuner” and demand that this wish finally be respected. The correct term is “Roma and Sinti”.

It is true that some Roma do indeed call themselves “Zigeuner.” There are many reasons for this, the most important one being that the word “Zigeuner” means different things in different languages. Roma in Hungary and Romania proudly call themselves “Zigeuner”, while in Slovakia the same word means “thief”. However, even Roma are often unaware of its meaning and negative connotations. For this reason, the initiators stress the importance that the campaign target everyone: Roma as well as non-Roma.

Gilda-Nancy Horvath. Photo: Reinhard Loidl

A central element of the campaign are photos of people from politics, media and other fields, holding up signs with the hand-written words: “Ich bin gegen das Wort ‘Zigeuner’.” Support for the campaign has been surprisingly broad: over 1,000 people have allowed their photos to be taken. These photos have been displayed in various exhibitions, a book and a video, in addition to their use in public relations and media co-operations. The campaign also includes workshops, for example in schools that aim to dismantle the prejudices around the values, culture and images of Roma.

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Aufruf zum Protestrundgang am 26. Oktober 2019 am ‚Flughafen der Unerwünschten‘ – Flughafen Karlsruhe Baden-Baden 14-17 Uhr

Tausende Menschen vom Flughafen abgeschoben!

Wer den vorliegenden AUFRUF mitunterzeichnen und unterstützen möchte, schreibe bitte eine kurze Antwort an [email protected]

Das Konstrukt der ’sicheren Herkunftsländer‘ führt(e) zu folgenschweren Eingriffen in das Leben tausender Menschen. Bundesregierung legt 2019 Bericht zur Einstufung den ’sicheren Herkunftsländer‘1 vor.

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg haben in den letzten 19 Jahren den Flughafen Karlsruhe Baden-Baden (FKB) zu einem Abschiebeflughafen ausgebaut um ihre ‚Unerwünschten‘ abschieben zu können. Selbst das Abschiebegefängnis2 wurde in Pforzheim gebaut, da der FKB in der Nähe sei. Der Flughafen in Süddeutschland wurde zu einer der wichtigsten Abschiebe-Drehscheibe in den Balkan. Aus dem gesamten Bundesgebiet wird vom Flughafen abgeschoben.

Das Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo und vor allem die Umsetzung des politisch-rechtlichen Konstrukts der ’sicheren Herkunftsländer‘ hat in den letzten vier Jahren zu tausenden Polizeieinsätzen gegen Einzelpersonen und Familien mit Kindern geführt. Diese fanden meist in den frühen Morgenstunden statt. Die Menschen wurden im Schlaf überrascht. Nicht selten wurde Gewalt angewendet oder angedroht.

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Gani Rama wurde in Priština zu Tode geprügelt

Gani Rama wurde in Priština zu Tode geprügelt
Am 20.7.2019 wurde Gani Rama, der viele Jahre in Göttingen gelebt hat, schwer misshandelt in einer Straßenunterführung mitten in Priština aufgefunden. In der Notaufnahme verstarb er an seinen Verletzungen, wie eine Zeitung berichtete. Ein Roma-Journalist aus Priština, den das Roma Center kennt, hat sich bei der Polizei erkundigt und erfahren, dass eine Überwachungskamera die Tat und den Täter aufgezeichnet hat. Wir warten ab, ob der Täter ermittelt und strafverfolgt wird. Unserer Erfahrung nach ist das häufig nicht der Fall. Der Journalist hat mit Ganis Mitbewohner gesprochen, der die Leiche identifiziert hat.
Gani Rama floh nach der Bombardierung Serbiens, dem so genannten Kosovokrieg, 1999 nach Deutschland. Hier lernte er seine Frau kennen, die seit 1990 in Deutschland lebte. Das Paar bekam fünf Töchter. Im Januar 2010 wurde Gani Rama zum ersten Mal verhaftet und in den neu gegründeten Staat Kosovo abgeschoben.
Dort erging es ihm sehr schlecht. Er wurde obdachlos und mehrmals verprügelt. Als das Roma Center ihn 2010 und 2012 in Priština besucht hat, erzählte er uns von Drohungen und Prügel durch Kosovoalbaner. Da er so oft angegriffen wurde, erwähnte immer wieder, dass er eines Tages umgebracht werde. Ein Nachbar drohte ihm: “Sehe ich dich nochmal auf der Straße, bringe ich dich um”. Gani ging zwar zur Polizei, bekam dort aber keine Hilfe, sondern nur Drohungen, dass man IHN einsperren werde, wenn er sich nochmal beschwert. Auch in den Asylverfahren nannte er die Drohungen als Grund, jedoch wurde ihm nie geglaubt. (Siehe „Tag 4“.)
Weil er im Kosovo nicht sicher war und zu seiner Familie zurück wollte, kam er nach mehreren Monaten illegal nach Deutschland zurück. Jedoch wurde er verhaftet, konnte aber nicht in Abschiebehaft gebracht werden, da er an lebensbedrohlicher Tuberkulose litt. Er blieb mehrere Monate in stationärer Behandlung, während am 12. April 2011 seine Frau mit ihren Töchtern alleine abgeschoben wurde. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde auch Gani abgeschoben.
Die Familie lebte unter schlimmen Bedingungen im Kosovo. Ganis Gesundheitszustand blieb schlecht, da seine Behandlung durch die Abschiebung abgebrochen wurde.
Ein weiterer Versuch erfolgte, in Sicherheit zu leben – die Familie kam zurück nach Deutschland. Am 24.5.2017 wurde Gani Rama erneut ins Kosovo abgeschoben. Seitdem hat er ohne seine Familie in Priština gelebt. Dort wurde unser Freund am 20.07 getötet. Unser Beileid gehört seiner Familie.
*
Öfter zeigt sich, dass das Leben von Roma in Kosovo nicht viel Wert ist. Erst vor kurzem wurde ein brutaler Angriff auf eine Roma-Frau gefilmt (hier ein Link zu dem gewalttätigen Video), während diverse Personen tatenlos zusahen.
Mehr zur Familie von Gani hier und hier.

Quelle: Alle bleiben!

Stand: 27.09.2019

Rassistischer Angriff auf Roma in Budapest

Benjámin Dániel Rézműves und seine schwangere Frau wurden am 09. August in Budapest von zwei Männern angegriffen, die sie für arabische Einwanderer hielten und sie rassistisch beschimpften. Rézműves teilte ein Bild seines verletzen Gesichts auf seiner Facebook-Seite und machte die die Hass-Propaganda der Regierung gegen Geflüchtete für den Angriff mitverantwortlich.

Stand: 14.08.2019

antizig

„Widerwärtige Diffamierung“ Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisiert Fernsehreportage

Der Fernsehsender Sat.1 habe eine „Pseudo-Dokumentation“ ausgestrahlt, die „Hassrede und Gewalt gegen Minderheiten“ provoziere, so der Zentralrat.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat scharfe Kritik an einem Sat.1-Beitrag über Roma geübt. „Eine derartige pauschale Kriminalisierung und widerwärtige Diffamierung von Minderheiten wäre bislang gegenüber anderen Minderheiten unvorstellbar“, teilte der Zentralrat am Donnerstag mit.

Der TV-Beitrag aus der Reihe „Akte 20.19“ mit dem Titel „Roma: Ein Volk zwischen Armut und Angeberei“, der am Mittwoch (7. August) bei Sat.1 zu sehen war, sei rassistisch und bringe Roma-Gruppen immer wieder unter anderem mit Kriminalität in Verbindung, kritisierte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma.

Der Sender mit Sitz in Unterföhring bei München wies die Kritik an dem Beitrag zurück: „Unsere aktuelle Reportage ist ein ausgewogener, journalistisch einwandfreier Bericht über mehrere Familien in Deutschland und Osteuropa“, sagte Sat.1-Sprecherin Diana Schardt. Gelungene Integration und Tradition seien darin ebenso Thema wie Armut, Diskriminierung und Kriminalität einzelner Familien

Quelle: Tagesspiegel

Stand: 14.08.2019

Matteo Salvini außer Rand und Band: „Scheiß Zigeunerin“

Italiens Innenminister bleibt gegen Flüchtlinge hart und rastet bei einem Pressetermin aus.

Aggressives und autoritäres Verhalten prägen den Führungsstil des ultra-rechten italienischen Lega-Innenministers Matteo Salvini. Mit seinem Anti-Migrationskurs sorgt er für Aufsehen. Auch Pressefreiheit, Menschenrechte und demokratische Grundprinzipien werden zunehmend eingeschränkt.

Seit Tagen wartet das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ mit 40 Menschen an Bord südlich der Insel Lampedusa auf grünes Licht für eine Hafeneinfahrt. Weitere 123 Personen hoffen an Bord des NGO-Schiffes „Open Arms“ ebenfalls auf einen sicheren Hafen. Salvini bleibt aber bei seiner harten Linie der Hafensperre. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gestern in Rom Premier Giuseppe Conte einen neuen EU-Asylpakt vorgeschlagen: „Wir wollen, dass die Aufnahmeprozeduren effizient, aber auch menschlich sind. Wir wissen, dass Italien aus geografischen Gründen stärker mit der Migrationsproblematik konfrontiert ist. Wir müssen Solidarität garantieren, das darf jedoch nicht einseitig sein“, erklärte von der Leyen.

Conte forderte, das Dubliner Abkommen zu ändern: „Es ist nicht zumutbar, dass das Migrationsproblem auf den Schultern der Ankunftsländer lastet.“
Innenminister Salvini hatte vorab Deutschland „Erpressung“ bei der Flüchtlingsverteilung vorgeworfen: „Von der deutschen Regierung sind miserable Signale gekommen.“

Der Lega-Chef urlaubt derzeit im Badeort Milano Marittima. Erholung scheint nach dem Dauerstreit mit dem populistischen Koalitionspartner Fünf Sterne nötig. Ob beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon, beim Haushaltsbudget, den Autonomiebestrebungen norditalienischer Regionen oder der Justizreform: Es gibt kaum ein Thema, in dem sich die beiden einig sind. Bei einer Pressekonferenz im Restaurant Papeet Beach in seinem Urlaubsort hatte Salvini offenbar wenig Lust, sich kritischen Journalistenfragen zu stellen. „Ich antworte nicht. Kinder müssen von der politischen Polemik ferngehalten werden. Punkt“, wiederholte Salvini wie ein Tonband.

Zur Vorgeschichte: Zu Wochenbeginn vertrieb sich Salvinis 13-jähriger Sohn die Zeit auf dem Meer – mit einem Jetski der italienischen Polizei. Ein Journalist der Tageszeitung La Repubblica filmte die Szene. Rasch verbreiteten sich die Aufnahmen im Internet. Salvini versuchte die Angelegenheit als „Fehler eines Vaters“ zu entschuldigen. Für Empörung sorgte dabei weniger die Vergnügungsfahrt von Salvini junior, als das aggressive Verhalten der Sicherheitsleute. Die Polizisten drohten dem Journalisten nach Weigerung, das Video zu löschen: „Wir wissen, wo du wohnst.“

Auch Antworten zur Affäre um russische Wahlkampfgelder für die Lega-Partei verweigerte der Minister. Ebenso reagierte er nicht auf neue Anschuldigungen, wonach sein Ex-Pressesprecher Savoini zwei Jahre vor Moskau bereits in Marokko Gelder lukriert haben soll. „Immer wenn ich lachen will, lese ich eure Zeitung“, spottete Salvini.

Zudem erreicht seine Verachtung gegenüber den Schwachen der Gesellschaft neue Dimensionen. Einer Roma-Frau ließ er vor der Kamera ausrichten: „Scheiß Zigeunerin, du wünschst mir ein Projektil, ich komme bald mit dem Bagger. Ciao!“

Quelle: Kurier

Stand: 14.08.2019

Erfassung der Roma in Italien: „Salvini stößt Türen des Hasses weit auf“

Italiens starker Mann geht auf die Schwächsten los. Ab jetzt sollen Camps und Lager von Sinti und Roma erfasst werden, damit diese abgeschoben werden können. Die Erfassung von Ethnien in Datenbanken hat eine menschenverachtende Tradition – auch in Deutschland.

Der rechtsradikale italienische Innenminister Salvini lässt „Lager“ der Minderheit der Sinti und Roma ab jetzt erfassen. Sein Ministerium hat die italienischen Präfekten aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen Berichte über Roma, Sinti und andere „fahrende Leute“ vorzulegen. Die Maßnahme gilt als Vorbereitung für großangelegte Abschiebungen. Salvini, der den Plan schon 2018 angekündigt hatte, sorgt damit nicht nur bei Menschenrechtlern für Empörung.

„Mit seinen erneuten Drohungen gegen Sinti und Roma stößt Salvini die Türen des Hasses in Italien weit auf und setzt erneut die Schwächsten der Schwachen in Europa dem Hass der Straße aus, den er selber bei seinen Anhängern immer wieder hervorkitzelt. Alle diese Strategien des Hasses sind Europas unwürdig“, sagte der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner.

Erfassung als erster Schritt weiterer Diskriminierungen

Die Erfassung von Minderheiten hat eine lange und menschenverachtende Geschichte, gilt sie doch als erster Schritt für weitere Diskriminierungen, Maßnahmen und in manchen Fällen sogar Vernichtung. In Deutschland gipfelte die Erfassung im Porajmos, dem Genozid an Sinti und Roma.

Die deutsche Polizei hat über 250 Jahre hinweg eine zentrale Rolle bei der Erfassung und Verfolgung von Sinti und Roma gespielt, heißt es beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Laut einer Studie von Markus End über „Antiziganistische Ermittlungsansätze in Polizei- und Sicherheitsbehörden“ sind erste Polizeikategorien für „Zigeuner“ seit dem frühen 18. Jahrhundert belegt. „Spätestens ab 1899 wurde das Konzept der ‚Zigeunerkriminalität‘ auch institutionell angewendet, bis in die frühen 2000er liegen Nachweise dafür vor, dass es weiterhin zur Anwendung kam“, schreibt End.

Polizeiliche Erfassung von Sinti und Roma wird auch in Deutschland praktiziert

In München wurde ab 1899 eine Personenkartei erstellt. Die Vorläuferorganisation von Interpol eröffnete 1936 in Wien eine „internationale Zigeunerzentrale“, deren Daten später in Hände der SS und des Reichskriminalpolizeiamtes gerieten. Die Nationalsozialisten errichteten dann 1938 eine „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, welche maßgeblich an den Deportationen der Sinti und Roma in die Konzentrations- und Vernichtungslager beteiligt war.

Auch nach der Niederlage des Dritten Reiches wurde die antiziganistisch ausgerichtete Praxis der Polizei fortgeführt. 1953 wurde bei der Münchener Polizei nun die „Landfahrerzentrale“ eingerichtet und Dateien weitergeführt. Leitfäden für Polizeibeamte des Bundeskriminalamtes wurden bis in die Siebziger Jahre hinein mit rassistischen Stigmata publiziert.

Demonstration von Sinti und Roma am 28. Januar 1983 anlässlich des 50. Jahrestags der Machtergreifung vor dem Bundeskriminalamt. Gemeinfrei Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Die im Nationalsozialismus erfolgte Totalerfassung der Sinti und Roma in „Landfahrerkarteien“ und die Kategorisierung als „Landfahrer“ wurde in der polizeilichen Praxis in vermeintlich nicht rassistische „personengebundene Hinweise“ wie „häufig wechselnder Aufenthaltsort“ überführt. In Kriminalitätsstatistiken ist bis in die 2000er-Jahre hinein von „mobilen ethnischen Minderheiten“ oder „mobilen Tätergruppen“ die Rede.

Polizeiliche Kategorie „Häufig wechselnder Aufenthaltsort“

„Personengebundene Hinweise“ (PHW) in Datenbanken dienen offiziell dem Schutz der einschreitenden Polizeikräfte im Arbeitsalltag. Sie erscheinen im Zuge jeder personenbezogenen Datenabfrage im bundesländerübergreifenden Informationssystem der Polizeien (INPOL) oder in den entsprechenden Datenbanken der Länderpolizeien als „Warnhinweis“ für die Einsatzkräfte. Jede Polizistin und jeder Polizist darf die gespeicherten Daten einsehen.

„Die Polizei Baden-Württemberg nutzt die Merkmale „Land- und Stadtstreicher“ und „wechselt häufig Aufenthaltsort“, was als polizeiliches Synonym für Roma und Sinti gilt“, schreibt Christian Schröder in einem Gastbeitrag von 2015 bei netzpolitik.org. Im Jahr 2016 musste der sächsische Innenminister Ulbig in der Antwort auf eine kleine Anfrage (PDF) angeben, dass die sächsische Polizeidatenbank PASS 2.254 Personen mit dem PHW „wechselt häufig Aufenthaltsort“ erfasst hat, in Baden-Württemberg waren im Jahr 2015 mehr als 12.000 Menschen in dieser Kategorie gespeichert.

Bundesregierung gegen ethnische Erfassung

In der Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema aus dem Jahr 2017 (PDF) lehnt die Bundesregierung eine behördliche Erfassung von Personen unter ethnischen Kategorien ab: „Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden in der Bundesrepublik Deutschland aus historischen Gründen keine bevölkerungsstatistischen und sozioökonomischen Daten auf ethnischer Basis erhoben. Auch bestehen rechtliche Bedenken hinsichtlich der Erfassung ethnischer Daten.“

Das hinderte das Bundesland Bayern nicht daran, die „Erweiterte DNA-Analyse“ im Rahmen des neuen Polizeigesetzes einzuführen. Die erweiterte Analyse gilt als Einfallstor für eine polizeiliche Erfassung der „biografischen Herkunft“.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte damals: „Die Debatte um die Zulassung erweiterter DNA-Analysen knüpft unmittelbar an rassistische Diskurse an, durch die spätestens seit dem 11. September 2001 nicht-mehrheitsdeutsche Personen allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen Herkunft kriminalisiert und weitere stigmatisiert werden.“

Quelle: netzpolitik.org

Stand: 25.07.2019

Vom Zigeunerschnitzel bis zum Igelgulasch | Stereotype in der Küche der Roma“

Heuer fand das internationale Kulturhistorische Symposion Mogersdorf bereits zum 50. Mal statt. Vertreter/Vetreterinnen der Länder Österreich, Ungarn, Kroatien und Slowenien fanden sich in der Gemeinde ein, um über das Thema „Karge Kost und Herrschaftstafel. Zur Ernährungssituation im pannonischen Raum“ zu diskutieren.

Die Literaturwissenschaftlerin Katharina Janoska hielt dabei einen Vortrag über Stereotype über Roma in der Küche und die Romaküche.

Anhand von zwei klassischen Beispielen – dem Zigeunerschnitzel und dem Igelgulasch – erklärte Janoska, welchen Stereotypen die Roma immer wieder unterlegen sind und immer noch unterliegen. Sie begann mit einem geschichtlichen Abriss, um zu erklären, wie „der Zigeuner“ im Laufe der Zeit zum „Produkt“ gemacht wurde, in der Realität, aber auch in Kunstformen wie in der Literatur, Operetten aber auch in der Popmusik.

Mit dem ersten Romani-Kongress 1971 wurde festgelegt, dass Roma die Bezeichnung für die Volksgruppe sein soll. Dass trotzdem und weiterhin die Fremdbezeichnung „Zigeuner“ verwendet wird, ist ein Umstand, der nicht nachvollziehbar ist, so Janoska. Denn erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts begann man damit Zigeunerschnitzel oder -braten auf den Speisekarten zu finden. Vorher hießen diese Speisen einfach „Schnitzel mit/in Paprikasauce“. Eine Tendenz, die vermutlich auch mit der Entwicklung des burgenländischen Tourismus zu tun hat, so Janoska und zitiert einen Auszug aus dem Blog des Historikers Herbert Brettl.

Nicht nur das Zigeunerschnitzel ist ein rassistisch und stereotyp konnotierter Begriff. In der Küchensprache gibt es bis heute den Ausdruck „á la zingara“ italienisch für „zigeunerisch“. Dies bezeichnet traditionellerweise in der klassischen Küche eine bunte Garnitur. Angelehnt an die bunte Kleidung der Roma-Mädchen und –Frauen, wie sie zum Beispiel in der Oper Carmen von Georges Bizet von 1875 anzutreffen ist. Eine Darstellung, die das Bild der Roma in der Mehrheitsbevölkerung stark geprägt hat. Die eben erwähnten Bezeichnungen haben mit der Romaküche selbst nichts zu tun.

Das zweite Beispiel in Janoskas Vortrag ist das Igelgulasch. Ein Gericht, das aus der Armut der Roma heraus entstand. Roma lebten oft entfernt vom Zentrum und diskriminiert.

Sie hatten selten freien Zugang zu Lebensmitteln. Die Jagd war ihnen, bis auf das Niederwild, zu dem der Igel gehörte, verboten.

Nach einigen Forderungen von diversen Romavereinen – u.a. in Deutschland – an Großkonzerne, sie sollen ihre Fertigprodukte wie „Zigeunersauce“ umbenennen, stellte sich noch kein positives Ergebnis ein. Weiterhin wird das Zigeunerschnitzel auf den Speisekarten geführt, Zigeuneraufstrich oder -würstel und Zigeunersaucen in den Lebensmittelgeschäften verkauft.

Quelle: ORF.de

Stand: 16.07.2019

Brennende Fackel auf Roma geworfen: Polizei vermutet Fremdenfeindlichkeit nach Angriff in Erbach

Unbekannte haben den Wohnwagen einer Roma-Familie mit einer brennenden Fackel beworfen. Die Ulmer Kriminalpolizei und die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart ermitteln. Der Verdacht: Fremdenfeindlichkeit.

 

Der Fackelwurf von Erbach-Dellmensingen war eine fremdenfeindliche, rassistische Tat. Davon gehen die Ermittler der Ulmer Kriminalpolizei und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart inzwischen aus. Gesucht werden die vier oder fünf Personen, die am späten Abend des 24. Mai mit einem dunklen Kleinwagen an den westlichen Ortsrand von Dellmensingen gefahren waren. Dort hatte eine Roma-Familie aus Frankreich ihre Wohnwagen aufgestellt. Die Personen in dem Kleinwagen riefen den Familienmitgliedern etwas zu, einer der Insassen warf eine brennende Fackel in Richtung der Wohnwagen. Die Fackel landete nur wenig davon entfernt.

Eine Brandgefahr sei inzwischen nicht mehr auszuschließen, teilen die Ermittler mit. Um den Tätern auf die Spur zu kommen, bitten Kripo und Staatsanwaltschaft um Hinweise: Wer hat den Vorfall am Samstag, 24. Mai, kurz nah 23 Uhr an der Werdensteinstraße in Dellmensingen beobachtet? Wer kann Hinweise auf den dunklen Kleinwagen geben? Wer kennt die Personen, die mit dem Auto unterwegs waren? Hinweise nimmt die Ulmer Kriminalpolizei unter Tel. (0731) 1880 entgegen.

Quelle: SWP

Stand: 27.06.2019