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Endgames [Part 5]

Sebastian Lotzer

Ausgestorbene Straßen, ein paar Schatten, die um die Ecke huschen. Kreisten im Frühjahr 2020 die Bullen noch im Minutentakt durch Kreuzberg um die erlassenen “Kontaktbeschränkungen” zu kontrollieren, reichen jetzt 2 kleine Checkpoints am Kotti und in der Wiener um die verfügte Ausgangssperre zu überwachen. Ein Jahr Konditionierung hat die alten Tugenden des deutschen Untertans wieder an die kollektive Bewusstseinsoberfläche gespült, geschichtsvergessen schwenkt die Linke die weiße Fahne im Wind, während der Rechtsnachfolgestaat des Deutschen Reiches kollektive Einschließungsmaßnahmen exekutiert. 

Irgendwo demonstrieren ein paar Leute von ‘Ums Ganze’, von denen man seit einem Jahr nichts mehr gehört hat und die in ihrem einzigen grundsätzlichen Beitrag zum Pandemie Ausnahmezustand vor allem neben den üblichen Textbausteinen mit jenem zwanghaften Humorgerede vom “Beatmungsweltmeister Deutschland” auffielen, gemeinsam mit den misanthropischen ZeroCovid Freaks “gegen Ausgangssperren” und für einen “solidarischen Lockdown”, was ja an und für sich schon ein Widerspruch in sich ist. 

Es wird nicht besser, ehrlich mal. Aber wo soll es auch herkommen, das besser. Ein paar Schauspieler stellen ein paar klug gemachte Videos ins Netz (worin, dass im Nebenbau, auch deutlich wird, dass ihre schauspielerischen Qualitäten doch höher sind als ihr langweiligen Performances im TV befürchten ließen) und ein shitstorm jagt durchs Land, bei dem die Forderungen nach einem Berufsverbot noch zu den milderen Äußerungen zu zählen sind. Im volksgemeinschaftlichen Taumel darf es keine Abweichung geben, bzw. ist jene sofort als den Rechten (also jenen in der Opposition und nicht jenen an der Macht) dienlich zu denunzieren. Wobei das eigentliche Verbrechen der Schauspielergilde gar nicht ihre explizite Kritik an den Regierungsmaßnahmen darstellt, sondern die Tatsache, dass sie den Untertanen ihrer Kollaboration mit eben jenen Maßnahmen einen Spiegel vorgehalten hat. Der Untertan will untertänig sein, er schreit und zetert in tiefster Covid Regression wie ein Vierjähriges wenn es in der Schlange im Supermarkt an den Quengelwaren angelangt ist, aber er will nicht mehr Untertan genannt werden. 

“Es geht nicht so sehr um die Gesundheit, sondern um ein Leben, das weder gesund noch krank ist, das als solches, weil es potentiell pathogen ist, seiner Freiheiten beraubt und Verboten und Kontrollen aller Art unterworfen werden kann. Alle Menschen sind in diesem Sinne quasi asymptomatische Betroffene. Die einzige Identität dieses zwischen Krankheit und Gesundheit schwankenden Lebens ist die des Empfängers der Maske und des Impfstoffs, die wie die Taufe einer neuen Religion die umgekehrte Figur dessen definieren, was einmal Staatsbürgerschaft genannt wurde. Die Taufe ist nicht mehr unauslöschlich, sondern notwendigerweise provisorisch und erneuerbar, denn der neue Bürger, der immer die Urkunde vorlegen muss, hat nicht mehr unveräußerliche und unentscheidbare Rechte, sondern nur noch Pflichten, die unaufhörlich entschieden und aktualisiert werden müssen.”

Giorgio Agamben, April 2021

Wir treten in eine neue Epoche ein, ohne Frage. Man kann noch darüber streiten wie diese Epoche zu benennen oder en detail zu charakterisieren wäre, aber die Frage ob es so sei, ist evident. Die neuen Technokraten die unser Leben in Zukunft kontrollieren werden als sei das Leben selbst ein Unschärfe, die es zu regulieren gelte, stehen schon in den Startlöchern. Populistische Figuren wie Söder oder Baerbock lassen geradezu eine Sehnsucht nach den Soziopathen alten Schlages wie Trump oder Bolsonaro aufscheinen, deren Programm wenigstens eine klare antagonistische Frontlinie ermöglichten, die neuen aalglatten ‘Kanzler*innen der Herzen’ ohne Agenda sind ebenso austauschbar wie beliebig, ergo absolut funktionabel für die Permanenz des Ausnahmezustandes, die keiner politischen Agenda mehr folgt, sondern lediglich den absoluten technokratischen Zugriff auf die Weltbevölkerung im Endfight des Empires garantieren soll. 

In den USA, die geschichtlich gesehen, schon länger der Entwicklung hierzulande um einige Zeit voraus sind, nicht nur bei der Beschaffung von Impfstoff, organisiert Biden gerade die Governance in der Klimakatastrophe, arbeitet an der dafür notwendigen strategischen Allianz mit China, haucht den liberalen Wirksamkeitsmechanismen gegen die Revolte des Surplus Proletariats, die in dem landesweiten George Floyd Aufstand kulminierte, neues Leben ein. Die neue grüngroße Koalition, die die Rauten Governance hierzulande beerben wird, wird sich daran messen müssen. Merkels Entscheidung in der deutschen EU Ratspräsidentschaft die Beschaffung der Impfstoffe eben über die EU zu organisieren, war eine strategische, nicht in der Frage der Effektivität, sondern im Formierungsprozess des europäischen Wirtschaftsraum, der gerade in der Konkurrenz zu China und den USA weiter ins Hintertreffen zu geraten droht. 

Bei der Frage, wie der Widerstand gegen die Endzeitstrategie des Kapital zu organisieren sei, spielt die deutsche radikale Linke keine Rolle mehr, wir haben nicht nur ein “Staatsversagen in der Pandemie” (die zehntausenden von Toten in den Alten- und Pflegeheimen), sondern auch einen Komplettausfall von linker Opposition im Ausnahmezustand zu konstatieren. Keine grundsätzliche Analyse und Positionierung gegen das offizielle Narrativ des Alternativlosigkeit der Maßnahmenpolitik, die Fokussierung auf die (unsägliche) Querfront als die eigentlichen politischen Gegner (als Projektionsfläche), und nun die Unfähigkeit gegen die Ausgangssperren Aktionen zu organisieren, die über symbolhafte Proteste hinausgehen. Dabei würden die anstehenden 1. Mai Demos, die z.B. in Berlin viele tausend Menschen auf die Straßen bringen werden, eine taktische Gelegenheit bieten, sich massenhaft zu widersetzen. Aber kein Schritt, keine Mobilisierung in diese Richtung. Was bleibt also nun?

Mir erscheinen die Diskussionen, die in den letzten Jahren in den internationalen aufständischen Milieus über die Rolle von Kommunen geführt werden, einen möglichen Ansatzpunkt für eine strategische Debatte zu bieten. 

“Die intensivsten Kämpfe unserer Zeit stehen an einem Abgrund und kehren dann um. Weiter zu gehen würde bedeuten, ins Unbekannte zu springen. Niemand will der erste sein, der springt, um zu sehen, ob er Neuland entdeckt oder sich einfach im freien Fall wiederfindet. Wir wissen noch nicht, wie schließlich eine Situation geschaffen wird, die jedes Umkehren unmöglich macht und in der die Bedingungen selbst schreien: ‘hic Rhodus, hic salta!’“

Thesen zur sudanesischen Commune

(Im Original auf Ill Will Editions, auf deutsch in der kommenden Sunzi Bingfa #21 am 3. Mai 2021) 

Die Begrenzungen der Revolten, die seit Jahren sich durch das Empire fressen, sind spätestens mit dem Scheitern dessen, was im Westen der “arabische Frühling” genannt wird, für alle sichtbar geworden, ebenso wie ihre Alternativlosigkeit (siehe dazu Clovers RIOT.STRIKE.RIOT) und die Probleme, aber auch die Chancen, die sich aus der Widersprüchlichkeit der aufständischen Prozesse dieser ‘Non- Bewegungen’ ergeben (siehe dazu ‘Vorwärts Barbaren” von Endnotes). Die Frage die sich jetzt hier stellt, könnte also sein, wie die antagonistischen Splitter ihr Wissen und ihre Praxiserfahrungen, über die sie aus ihrer Widerstandsgeschichte her verfügen, in den (west)europäischen Frontabschnitt der Konfrontation zwischen Empire und dem Surplus Proletariat einbringen können. Im Ergebnis dürfte es eben nicht um ‘Event Kopien’, um ergo ‘imaginäre Kommunen’ von Bewegungsmanagern wie bei den Platzbesetzungen von ‘Occupy Wallstreet’ oder ‘Puerta del Sol’ gehen, sondern um wirklich in “der Gemeinde” verankerten Kommunen, die aber auch zugleich die Repräsentanz eines realen Antagonismus auszudrücken in der Lage sein müssen. 
Vielleicht ist es hilfreich, sich vorerst diese ‘Orte der Commune” nicht als zwangsweise konkrete dauerhafte Orte vorzustellen, sondern die Räumlichkeit anders zu fassen, sich diese unter anderem auch als einen Ort der Beziehungen zwischen Individuen und Banden, als Orte der Affinität vorzustellen (siehe dazu auch die temporäre Kommune vom Mai 1971 in Washington D.C.). Die Orte der Aktionen, der Konfrontationen mit den Ordnungskräften des Empire bilden dabei die temporären Orte, an denen sich die Kommune soweit konstituieren kann, bis sie über die reale Stärke verfügt, sich auch ganz real örtlich abzubilden, sie über die Mittel und Fähigkeiten verfügt, diese Orte auch zu halten, verfestigen und auszudehnen. Denn ohne diese Ausdehnung, ohne “diesen Sprung ins Unbekannte” ergibt sich keine grundsätzliche vorrevolutionäre Konstellation. An dieser strategischen Frage ist schon die beeindruckende Bewegung der Gilets Jaunes gescheitert. Es bleibt alles wie immer auch eine Frage des Wagnisses, aber auch des politischen und sozialen Instinktes für die ‘Reife der Zeit’. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und dies in der Begrenzung der Zeit, die die Klimakatastrophe uns als nicht zu verhandelnde Begrenzung setzt.

endgames [part4]

Sebastian Lotzer

Während Merkel bei der Anne Will Audienz von “notwendigen” Ausgangssperren spricht, um sich dann sofort zu verbessern, “Ausgangsbeschränkungen”, der soziale Krieg kommt maskiert daher, titelt die taz, die ja mal als Reaktion auf die Totalität des Staates im “deutschen Herbst”, also als Reaktion auf die Konfrontation zwischen Stadtguerilla und der BRD ‘77, den Toten von Stammheim, innneminsire de meziere

gegründet wurde, in ihrem Hamburger Lokalteil gewollt bagatellisierend: “Pyjamapartys verboten”. Und während in Hamburg noch ZeroCovid gegen sich selbst demonstriert, ist der ehemalige Bundesinnenminister de Maizière schon weiter, er verlangt eine Änderung des Grundgesetzes, um in “zukünftigen Krisen” “ schnell “reagieren zu können”. In “solchen Krisen” soll dann ein “Krisenstab” mit “neuen Durchgriffsrechten” und “Weisungsrechten gegenüber den (Bundes)Ländern” eingesetzt werden. Auch die Armee soll als erweiterte Polizei unter deren Kommando z.B. “Gebäude und Gebiete sichern”. 

Keine Rede mehr von den zahllosen Toten in den Alten- und Pflegeheimen, dem völlig gescheiterten propagierten Schutz der “vulnerablen Gruppen”. Keine Demos gegen die politisch Verantwortlichen, die trotz einem halben Jahr Zeit keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Menschen in diesen Institutionen getroffen haben, keine Aktionen gegen die Betreiber solcher Institutionen, während jede drittklassige AfD Figur auf einer der zahlreichen Querfrontdemos eine umfassende Aufmerksamkeit der antifaschistischen Linken verdient. 

Und die Alten, die überlebt haben und frisch geimpft in den Heimen darben, müssen weiter mit Masken ihren beschissenen Alltag gestalten, auch wenn alle Mitarbeiter ebenfalls geimpft sind. Alle geselligen Zusammenkünfte weiterhin untersagt, weiterhin Beschränkungen der Besuchsmöglichkeiten. Aber wer interessiert sich schon für das Leiden in den Heimen, wer stellt denn noch Fragen nach den Bedingungen unter denen menschliche Wesen in diesen Verwahranstalten “leben” müssen, wer stellt denn überhaupt die grundsätzliche Frage in was für einer Gesellschaft wir denn leben, in der Millionen von Menschen in solchen lebensfeindlichen Institutionen verwahrt werden. All das Gerede von “Solidarität” entlarvt sich von selber, was hier als das Eigentliche aufscheint, ist die tiefer sitzende gesellschaftliche Motivation zum Umgang mit der Corona Pandemie, die Abspaltung von Krankheit und Tod, die unter den Linken besonders weit verbreitet ist, die schon seit Jahrzehnten keinen existentiellen Zugang zum Leben mehr haben, für die ja schon die Aussicht auf ein paar Knastjahre eine Zumutung ist, weshalb man gerne Teil der diversen Events wie noG20 ist, aber die Gefangenen aus diesen Kämpfen dann schmählich im Stich lässt. 

Corona wird in erster Linie als Kränkung des eigenen Egos wahrgenommen, als die Infragestellung der als Selbstverständlichkeit erachteten Möglichkeit, sein “Leben selbstbestimmt” gestalten zu können. Eine privilegierte Mittelstandslinke unterwirft sich bereitwillig den Allmachtsansprüchen des Staates für das Versprechen, “das Problem aus der Welt zu schaffen”, Dissens tritt erst dann auf, wenn dieser sein Versprechen nicht schnell genug erfüllen kann, weshalb man dann selbst Teil des Überbietungswettbewerbs um die “richtigen” repressiven Maßnahmen wird und sich armselige Initiativen wie ZeroCovid nicht zu schade sind, präfaschistische Vorgehensweisen wie in China abzufeiern und ausgerechnet den Hurenfeind Lauterbach, der seit Jahren Sexarbeit kriminalisieren will, zur Ikone erhebt. 

Tod und Krankheit werden externalisiert, das Versprechen des “guten Lebens”, dass  sich die Linke irgendwann im Niedergang antagonistischer Politik-und Kampfansätze auf die Fahne geschrieben hat, erfordert eine hohe Abspaltungsleistung, in der Corona Pandemie bricht die Abwehrleistung des atomisierten Individuums zusammen, die gesellschaftliche Hysterie spiegelt genau diese inneren Konflikte wieder. Nicht mehr in der Lage, ein angemessenes Verhältnissen zu den Risiken und Unwägbarkeiten des Lebens herzustellen, gefangen in einer regressiven Dauerschleife, bricht sich Panik Bahn. Gesunde Mittzwanziger verkriechen sich im Panikmodus in der Wohnung, auf nächtlichen Streifzügen durch die Stadt trifft man kerngesunde Menschen, die in menschenleeren Straßen Spaziergänge mit FFP2 Maske unternehmen, an den Wartehallen des Öffentlichen Nahverkehrs kauern zusammengesunken traurige Gestalten, die Gesichter verhüllt, obwohl nirgendwo ein möglicher Keimüberträger in Sicht ist. Die eigene Angst wird nicht mehr realisiert, anerkannt und eingeordnet, sondern in neurotischer Verblendung auf Dritte projiziert, die mit “uneinsichtigen” und “gefährlichen”  Verhalten “die Gesellschaft” gefährden würden, wo doch in Wirklichkeit nur das eigene Wohl gemeint ist. 

Und natürlich sind die Verordnungen der diversen abendlichen Ausgangssperren, die teilweise wie in Berlin verklausuliert als “Kontaktbeschränkungen” daher kommen, zu genau diesem Zeitpunkt kein Zufall. Nach 5 Monaten Abwürgen des gesellschaftlichen Lebens vor allem in den Abendstunden und mit zunehmenden Aussentemperaturen soll und muss der öffentliche Raum präventiv unter Kontrolle gebracht werden. Die ersten Scharmützel von Jugendlichen in Berlin und Hamburg mit den Bullen könnten nur die Vorboten einer Revolte sein, die sich ja schon im letzten Jahr in Stuttgart und Frankfurt Bahn brach und von der anzunehmen ist, dass sie angesichts eines bald halben Jahres Eingesperrtsein diesmal wesentlich mehr Anhänger finden könnte. Die schweren Ausschreitungen in einem Park in Brüssel in dieser Woche machen auch deutlich, wie schnell das Ganze explodieren kann. 

Für eine verblödete Linke mag das billige Spiel mit den Schmuddelkindern der Malle Urlauber ausreichend sein, für ein jugendliches Surplus Proletariat scheint die Aussicht auf ein zweites Jahr im Ausnahmezustand nicht erträglich zu sein. Die anstehenden 1. Mai Demos könnten ein Ort der sozialen Konfliktualität darstellen, Möglichkeiten bieten, mit diesen Menschen, die vom System nicht mehr erreichbar sind, auf Augenhöhe zusammen zu kommen, wenn man aber z.B. die Orientierung in Berlin auf eine “breite, bunte, friedliche Demo” sieht und den üblichen Phrasen der Veranstalter*innen lauscht, kommen berechtigte Zweifel auf, ob dies überhaupt gewollt ist, bzw. ob hier eine generelle konterrevolutionäre Generallinie aufscheint, in der sich schon die zukünftigen Frontlinien abbilden. 

Dass die Permanenz des Ausnahmezustand die zukünftige Governance darstellen wird ist nicht mehr fraglich, im Hintergrund laufen sich schon die neuen Machtbündnisse warm, im Angesicht der “Klimakatastrophe” muss das möglichst lange Ausharren des Empires im Endgame abgesichert werden. Es wird auf einen Deal zwischen den privilegierten Schichten der metropolitanen Wohlstandsinseln und der herrschenden Klasse und politischen Eliten hinauslaufen, totalitäre Governance wird wissenschaftlich begleitet und legitimiert werden, der derzeitige Pandemie Ausnahmezustand ist das gesellschaftliche Labor solcher künftigen Machterhaltsoperationen. Doch wie der Kniefall der deutschen Linken 1914, die Zustimmung zu den Kriegskrediten und damit dem Gemetzel des ersten imperialistischen Weltkrieges, einige Jahre später zu rätekommunistischen Aufständen und Bewegungen, zu einer (kurzen) Blüte der “Arbeiter-und Soldatenräte” führte, so wird die derzeitige Entwicklung vielleicht als Katalysator für den überfälligen absoluten Bruch mit all den linken Milieus führen, von denen das Unsichtbare Komitee einst schrieb: “Alle Milieus sind zu fliehen. Jedes einzelne von ihnen ist beauftragt, eine Wahrheit zu neutralisieren.” In den Konfliktzonen, in denen die Linke nicht mehr präsent ist, die aber trotzdem oder gerade deshalb fortbestehen, könnten sich jene Agenten der Imaginären Partei mit den Schwestern und Brüdern des Surplus Proletariats gemeinsam an die Arbeit machen, die Bedingungen und Terrains der zukünftigen unvermeidlichen Zusammenstösse zu erfassen, zu erkunden, sich mit ihnen vertraut machen. Ereignisse wie der Mini Riot zu Silvester in Berlin lassen erahnen wie solche ersten Gehversuche einer neuen strategischen Allianz aussehen könnten, zu den Jugendlichen in den Parks zu stoßen wäre eine jetzige Möglichkeit einen Schritt weiter zu kommen: 

“Kriegt raus, wo die Heime sind und die kinderreichen Familien und das Subproletariat und die proletarischen Frauen, die nur drauf warten, den Richtigen in die Fresse zu schlagen. Die werden die Führung übernehmen. Und lasst euch nicht schnappen, und lernt von denen, wie man sich nicht schnappen läßt – die verstehen mehr davon als ihr.” – Ulrike Meinhof u.a: “Die Rote Armee aufbauen”, in Agit 883; Juni 1970

endgames [part3]

Sebastian Lotzer

Nun also ein paar durchsichtige Bauernopfer, Figuren aus der zweiten und dritten Reihe, die bei der Beschaffung von “Masken” eigentlich nur das systemimmanente Prinzip der Gewinnmitnahme realisiert haben. Das eigentliche politische Personal und ihr Narrativ bleiben unangetastet. Nach tausenden von Toten in den Alten- und Pflegeheimen in diesem Winter. Als im Frühjahr 2020 kein Ausnahmezustand, kein “lockdown” in Schweden ausgerufen wurde und es dort in den Alten- und Pflegeheimen zu vielen Toten infolge der Corona Pandemie kam, war hierzulande die moralische Entrüstung groß. Von ganz linksaußen über Ditfurth bis ins Herz des politischen Apparates schallte es “Mörder”, jetzt sind die vielen Toten hierzulande zwar einige kritische Nachfragen wert, aber mehr auch nicht. 

Die “linksradikale” Blase arbeitet sich an den Querfront Ansammlungen ab, jeder bescheuerte Autokorso bekommt mehr Aufmerksamkeit als die Tatsache, dass der Staatsapparat es trotz eines halben Jahres Vorlaufs und der Verfügbarkeit von verlässlichen Schnelltest es nicht geschafft oder für nötig befunden hat, eine engmaschige Teststrategie in den Einrichtungen zu implantieren, die viele Einträge und damit viele Tote verhindert hätte. 

Und während wir hier nun in den fünften Monat der bedingten Wohnhaft eintreten, “Verweilverbote” an der frischen Luft, Maskenpflicht in Grünanlagen und ähnliche völlig sinnfreie und autoritären Eingriffe in das gesellschaftliche Leben zur “neuen Normalität” gehören, geniesst die Berichterstattung über Schweden Seltenheitswert oder es werden realitätsverdrehende Berichte lanciert, “die Schweden seien jetzt auch zur Vernunft gekommen” und auf den “europäischen Weg” eingeschwenkt. In Wirklichkeit liegt die Übersterblichkeit in Schweden für 2020 nicht signifikant höher als hierzulande, die Anzahl der Menschen die an Covid19 sterben liegt derzeit bezogen auf die Einwohnerzahl in dem Bereich, in dem sich viel europäische Länder bewegen, so auch die BRD. Einige Länder mit sehr restriktiven Maßnahmen haben sogar wesentlich mehr Tote zu beklagen bezogen auf die jeweilige Einwohnerzahl. 

Und dies angesichts der Tatsachen, dass die Schulen in Schweden ebenso wie die Geschäfte und Gastronomie, von einigen Einschränkungen abgesehen, durchgängig geöffnet geblieben sind, es bis heute keine Verpflichtung zum Tragen von Masken gibt, sondern erst seit kurzem eine Empfehlung zum Gebrauch derselben in den Stoßzeiten im ÖPNV und in Räumlichkeiten von Arbeit und Konsum, wo es schwierig ist Abstand zu halten. Es auch dort zwei Parlamentsbeschlüsse zum Corona Ausnahmezustand gab, die Regelungen aber bisher nicht angewendet wurden.  

Wenn es an dieser Stelle Sinn macht, noch einmal auf die Entwicklung in Schweden einzugehen, dann nur deshalb, weil das Ausbleiben von den beschriehenden Katastrophenszenarien dortzulande deutlich macht, dass das hier gesetzte Narrativ ebenso wie die politische Klasse samt ihrer Experten eigentlich obsolet geworden ist. Im wahrsten Sinne des Wortes. Spahns “Wir werden einander noch viel verzeihen müssen” wohnt die gleiche klägliche Erbärmlichkeit wie Mielkes “Ich liebe euch doch alle” zugrunde. Eine politische Elite im Endgame, trotz einer allumfassenden Sicherheitsarchitektur. 

Im Wochentakt fegen weiter die Aufstände durch die Welt, über Nacht sind in Paraguay Hunderttausende, manche sprechen von Millionen, auf den Straßen, Bulleneinheiten fliehen panisch im Steinhagel, Angriffe auf Infrastruktur und Regierungsgebäude, Wohnsitze von politisch Verantwortlichen werden belagert. Eine Woche lang Riots im spanischen Staat nach der Inhaftierung von Pablo Hasél, im Libanon werden seit einer Woche wichtige Überlandstraßen von wütenden Demonstranten blockiert… Um nur einige Schlaglichter zu benennen.

Wir befinden uns derzeit in einem Übergangsprozess, in dem die soziale Konfliktualität im Ausnahmezustandmodus mit der zukünftigen generalisierten Post Covid Revolte verschmilzt. Bilder, Schatten, Ahnungen, Andeutungen, taktische Angriffe und Rückzüge, Riots und Erhebungen, die sowohl als aufständische Manöver auf dem Terrain, dass der Ausnahmezustand erschafft, als auch als

Erkundung des zukünftigen Terrains der Auseinandersetzung begriffen werden können. 

“Es ist jedoch möglich, dass der Krieg gegen das Virus, der ein ideales Instrument zu sein scheint, das die Regierungen viel leichter als einen echten Krieg nach ihren eigenen Bedürfnissen dosieren und lenken können, wie jeder Krieg damit endet, dass er aus dem Ruder läuft. Und vielleicht werden die Menschen an diesem Punkt, wenn es noch nicht zu spät ist, noch einmal den unregierbaren Frieden suchen, den sie so leichtfertig aufgegeben haben.” 

Giorgio Agamben: Krieg und Frieden

Schien der Linken am Beginn der Maßnahmenorgie noch das Ende des Neoliberalismus, ja die Möglichkeit einer neuen, gerechteren Weltordnung aufzuscheinen, so wünscht sie sich nun wie so viele doch nur in das alte, schreckliche “Zuvor” zurück. Das ewige kleinere Übel. Die ewige deutsche Sozialdemokratie. Zwei Piekser und dann einfach weiter machen, sinnfreie und ohnmächtige Kampagne für Kampagne, Event für Event. Ein bißchen Identität, ein bißchen Karriereleiter, ein bißchen Partizipation. Dabei moralisch belehrend und geschichtsvergessen. Eben sozialdemokratisch. Doch es wird kein zurück ins Davor geben, und dies wird sich auch nicht in dem Verschwinden von den fetischisierten Masken und dem Abhalten der Fusion manifestieren, sondern in jener Nachkriegsordnung, der Ordnung nach dem Krieg gegen das Virus, jener Ordnung, in der der soziale Krieg in der Brutalität des Ausnahmezustandes für immer eingeschrieben ist. Ein Krieg IM – NACH dem Krieg. Eine Dichotomie. Oder anders gesagt, das Ende des Zeitalters der Epochen, der Eintritt in das orwellsche “Krieg ist Frieden”, der Eröffnung der neuen Fronten im Endgame, der einzigen verbliebenen “Epoche der Ewigkeit”, hinter der das Ende der Menschheit aufscheint. 

In der notwendigen Härte der Formierung zur Absicherung der Privilegien gegen den Ansturm des Surplus Proletariats, das immer weitere Teile der Weltbevölkerung umfassen wird. Wie man das ganze nennen wird ist zweitrangig, Agamben sprach vom “kommunistischen Kapitalismus”, “das neue Regime”, dass “den unmenschlichsten Aspekt des Kapitalismus mit dem grausamsten Aspekt des Staatskommunismus verbinden wird, indem es die extreme Entfremdung der Beziehungen zwischen den Menschen mit einer noch nie dagewesenen sozialen Kontrolle kombiniert.” 

Ich würde die Begrifflichkeit des “grünen Faschismus” bevorzugen, weil im Angesicht der Klimakatastrophe, die keine Krise in dem Sinne, das sie vom System zu managen wäre, darstellt, sondern darüber hinausweist, also keine Krise des Kapitalismus, sondern der Geschichte selbst darstellt. Wenn der Bundesvorsitzende der Grünen im Chor mit dem Misanthropen Lauterbach angesichts des Pandemie Ausnahmezustandes frohlockt, dieser habe die Blaupause für die Zukünftigkeit der Regierbarkeit der Klimakatastrophe gezeichnet, so ist das nur der billige populistische Abklatsch jener Endgames Strategien, die gerade in den entscheidenden politischen und militärischen Think Tanks mit dem Background der neuesten Erfahrungen des Pandemie Ausnahmezustandes geupdatet werden. 

Und wir? Darunter, unter dem oben skizzierten geht es nicht, macht alles keinen Sinn. Entweder auf der Höhe der Zeit, der Entwicklung oder die Zeit nutzen um ein paar letzte Gedichte zu hinterlassen. Im brennenden Haus, wie Agamben sagen würde. 

endgames [part 2]

Sebastian Lotzer

Did they get you to trade

Your heroes for ghosts?

Hot ashes for trees?

Hot air for a cool breeze?

Cold comfort for change?

Did you exchange

A walk on part in the war

For a lead role in a cage?

Die wesentliche Frage dieser Epoche ist nicht mehr, was in der Realität passiert, sondern wer die Macht hat, zu entscheiden, welche Erzählungen über die Realitäten dominieren und in welcher Form darüber kommuniziert wird. Insofern ist es wichtig zu begreifen, dass wir seit einem Jahr Zeitzeugen eines äußerst gelungenen Coup d’État sind. 

Wenn jegliche Manifestierung gelebten Lebens, also menschliche Kontakte, körperliche Nähe, gefeierte Feste, la dolce vita… unter Generalverdacht stehen, wenn Depressionen, Suizide, kindliche Verhaltensstörungen, Einsamkeit, Verzweiflung, Essstörungen, Suchtverhalten, Armut… uniso im allgemeinen Sprachgebrauch, selbst unter den kritischen Stimmen zum derzeitigen Ausnahmezustand, als “Kollateralschäden” bezeichnet werden (über die man reden und die man abwägen müsse), zeigt sich wie sehr das Narrativ, “wir befinden uns im Krieg gegen das Virus” bereits allgemein verinnerlicht wurde. Wobei dabei sowohl “der Krieg” als auch das “Wir” Ausdruck des geglückten Coup d’ Ètat sind. 

Zu den ersten Handlungen eines Staatsstreichs gehört in der Moderne die Besetzung wichtiger Radio-oder Fernsehstationen, also die Garantie die eigene Erzählung unter der Bevölkerung verbreiten zu können. Unter den derzeitigen Bedingungen addieren sich dazu auch die sogenannten sozialen Medien, aber das Kerngeschäft bleibt das Gleiche. Ein Detail dieser strategischen Intervention wurde heute öffentlich. Das Bundesinnenministerium beauftragte im Frühjahr 2020 das RKI und Wissenschaftler anderer Institute Daten und Rechenmodelle zu erarbeiten, mit denen man ein „Worst-Case-Szenario“ modellieren könne, das von bis zu einer Million Toten infolge von Corona Infektionen alleine in Deutschland ausgehe. Das Ganze geschah dann auf der Grundlage ungesicherter Daten und hochspekulativer Modellrechnungen innerhalb von nur vier Tagen. Das daraus entstandene Papier der BMI wurde dann gezielt geleakt und tauchte in den Recherche Netzwerken von Spiegel und Co, aber auch bei der linken taz auf, die es wiederum nicht in Gänze der Öffentlichkeit zur Verfügung stellten, aber dies geschah dann natürlich trotzdem “im Netz”, ein Vorgehen, das dem Papier besondere Authentizität verlieh. Dazu kamen dann noch die “Bilder aus Bergamo”, das Anfüttern apokalyptischer Grundängste, die sich seit jeher durch das Unbewusste der Menschheitsgeschichte ziehen und schon war das Ergebnis generiert, das jeder kennt (oder zu kennen meint) und das bis heute hochwirksam ist. 

“Gestandene Linksradikale” reposteten in ihren Netzwerken unkommentiert massenhaft Regierungspropaganda, “Solidarität” und “Wir” diffundierten unreflektiert durch den diskursiven Raum, die Bundeswehr wurde zum Retter in der Not, der Sozialismus stand praktisch vor der Tür und das Ende des Neoliberalismus wurde gefeiert. Von den gehypten linken “solidarischen Netzwerken” ist ein Jahr später nicht nur nichts übrig geblieben, sie hatten auch nie wirklich existiert, dass man der netten alten Dame von nebenan mal die schweren Getränkeflaschen nach Hause schleppt, ist schon alltägliche gesellschaftliche Praxis gewesen, bevor überhaupt die linke Blase für sich entdeckt hatte, dass es diese Menschen in ihrer Nachbarschaft tatsächlich gibt. Kurz gesagt, denn wir haben darüber schon so viel gesprochen, der Ausnahmezustand hat die völlige Überflüssigkeit und gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit der Linken hierzulande als evident charakterisiert (wenn es dafür noch Belege gebraucht hätte). Sie war und ist weder in der Lage, dem Narrativ des Empire eine eigene Erzählung entgegen zu setzen (sie hat es im Gegenteil und das bis heute mitgetragen und befeuert), noch hat sie den Ausnahmezustand als solches ins Visier ihrer Kritik genommen, von praktischer Organisierung dagegen ganz zu schweigen.

ZeroCovid ist in diesem Sinne nur die zwangsläufige Konsequenz dieser Haltungen, eine akademische Mittelstandslinke interveniert mit einem Forderungskatalog an den Staat, die Maßnahmen des Ausnahmezustandes neu zu justieren, und es scheint schon die Frage auf, wieviel neurotische Abspaltungsleistung bei den Protagonist*innen wirksam ist, innerhalb dieses Prozesses der Staatsfaschisierung eine “solidarische Praxis” der Abriegelung und Abschottung, der massenhaften Kontrolle, der Schaffung von grünen und roten Zonen, eine Praxis von Erziehen und Strafe zur obersten Maxime einer “Gesundheitspolitik” zu machen, die zudem in völliger (Selbst)Vergessenheit die Begrifflichkeiten von Krankheit und Gesundheit aus jeglichen gesellschaftlichen Verankerungen heraus löst, also absolut und totalitär setzt. 

Wenn wir über das Corona Narrativ des Empires sprechen, ist es unvermeidlich ein paar Relationen aufzuzeigen, die in sich schon das Potential tragen, es ohne größere Kraftanstrengung zu brechen, es mit einfachsten Mitteln zu decodieren. Auf dem gesamten afrikanischen Kontinent mit seinen 1,3 Milliarden Menschen sind Stand heute knapp 90.000 Menschen an Covid 19 gestorben, allein in der Bundesrepublik mit seinen lediglich 80 Millionen Einwohner sind es bereits über 60.000 Menschen. Weltweit sind 38 Millionen Menschen an HIV erkrankt, 26 Millionen davon in Afrika. Fast 700.000 Menschen starben 2019 weltweit an den Folgen einer HIV Infektion, zwei Drittel davon in Afrika. Wiederum ein Drittel der Menschen, die jedes Jahr an HIV erkranken, haben keinen Zugang zu einer medikamentösen Therapie. In Deutschland gab es 2019 noch rund 90.000 Menschen, die mit einer HIV Infektion leben müssen, 93% der Diagnostizierten erhalten HIV-Medikamente, bei 95% davon ist HIV nicht mehr nachweisbar. An Tuberkulose erkrankten und starben weltweit in 2019 1,4 Millionen Menschen. 95% der Erkrankten leben im Trikont, fast ein Viertel davon in Afrika. Die WHO geht davon aus, dass aufgrund der Maßnahmen infolge der Corona Pandemie 2020 zwischen 200.000 und 400.000 Menschen zusätzlich an Tuberkulose gestorben sind. 

Wenn wir also über das Narrativ des Empires in Bezug auf Corona reden, reden wir über eine imperiale Erzählung der Privilegien. Der Altersmedian der an Covid 19 gestorbenen Menschen liegt in Deutschland bei über 80 Jahren, gleichzeitig liegt der Anteil der Menschen, die in Afrika das Renteneintrittsalter der Bundesrepublik von 65 Jahren erreichen, bei derzeit gerade einmal 3,5 Prozent. Das ganze linke Gerede von Impfstoff Nationalismus führt also völlig an den eigentlichen Tatsächlichkeiten vorbei. Weder gab es bisher die von vielen vorausgesagte katastrophale Entwicklung in Bezug auf die Corona Pandemie in Afrika, noch stellt dies das eigentlichen Problem in der Gesundheitsversorgung der abhängig gehaltenen Länder des afrikanischen Kontinents dar. Die “solidarische” Forderung nach “Freigabe der Patente” ist nur eine weitere Nebelkerze im Partizipationsgehabe der metropolitarischen Linken (abgesehen davon, dass die Patentfreigabe alleine nicht einmal die wirkliche Lösung dieses Problems wäre, weil es darüber hinaus nicht vorhandenes Knowhow und Infrastruktur bräuchte). 

Oder anders gesagt, das imperiale Corona Narrativ ist auch ein weiterer Baustein in der Ausgrenzung, Kontrolle und Unterwerfung des trikontinentalen Surplus Proleriats, dass sich jetzt noch mit zusätzlichen Verlusten seiner Existenzbedingungen konfrontiert sieht. Nicht umsonst waren die Corona Riots Anfang 2020 am ausgeprägtesten in der afrikanischen Hemisphäre, dort auch am blutigsten mit hunderten von Toten, Geschehnisse, die hier weder in den Medien noch in der Linken Widerhall fanden. In der metropolitanen Erzählung der Alternativlosigkeit des Ausnahmezustandes findet sich die Zukünftigkeit der Governance des Empires im Endstadium widergespiegelt. Die Zukünftigkeit der Verwertung findet in der Verschärfung des Wettbewerbs um die knapper werdenden Ressourcen statt. Alles was Leben an und für sich ermöglicht, Wasser, Essen, Luft, die Körper selbst.., müssen unter Kontrolle gebracht werden. durchsetzen in dieser Konfliktualität werden sich jenen Systeme die die größte Anpassungsleistung unter den Bedingungen der Verknappung gewährleisten, ergo auch im Ausnahmezustandmodus die höchste Produktivität und Verlässlichkeit garantieren. Anders gesagt, ist der “australische Weg”, der sofortige und radikale mehrtägige “lockdown” für mehrere Millionen Menschen aufgrund einer einzigen entdeckten Corona Infektion der vorgeschobene Frontabschnitt des westlichen Kapitalismus mit dem chinesischen Staatskapitalismus.  

“To confine soldiers to purely military functions while urgent and vital tasks have to be done, and nobody else is available to undertake them, would be senseless. The soldier must then be prepared to become a propagandist, a social worker, a civil engineer, a schoolteacher, a nurse, a boy scout. But only for as long as he cannot be replaced, for it is better to entrust civilian tasks to civilians.”

David Galula, Counterinsurgency Warfare: Theory and Practice

Im Endgame des Empire werden wir den Zustand des Bürgerkriegs als die gegenwärtigste der Möglichkeiten erleben. In einer Welt der weltweiten Vernetzung und Lieferketten muss die Verwertung dann unter den Bedingungen des Bürgerkrieges gesichert werden. Die Erfahrungen der Kontrolle und Segregation, die das Empire im derzeitigen Pandemie Ausnahmezustandes gesammelt hat, wird als Blaupause für die Kontrolle über die zukünftigen Konfliktualitäten dienen. Dies trifft auch auf das Terrain der massiven gesellschaftlichen Desinformationen und Manipulationen zu, die derzeit in einer atemberaubenden Art und Weise zu beobachten sind. Darüber hinaus erleben wir im “Krieg gegen das Virus” die Militarisierung der sozialen Beziehungen, des Sozialen selbst. Kranke werden “Gefährder”, Nachbargemeinden zu feindlichen Gebieten, zu denen man sich aufgrund “hoher Infektionsraten” abgrenzen muß, Grenzübertritte sind mit allen Mitteln zu verhindern. Der Pandemie Ausnahmezustand nimmt den zukünftigen Bürgerkrieg vorweg, zielt aber zugleich auf die Auslöschung jeglicher Möglichkeit des Antagonismus, weil er die totale Individualisierung (die höchstens noch die Kernfamilie als Bezugsrahmen kennt) als Überlebensbedingung propagiert. 

Aber wie immer ist alles eine Frage der Zeit und der Reife oder auch der Reife der Zeit. Der österreichische Kanzler erklärte kürzlich, man werde Teile der Restriktionen aufheben, weil sich eh immer weniger Menschen an diese halten würden, auch “wenn die Zahlen dies eigentlich nicht hergäben”. Anders ausgedrückt, das Kräfteverhältnis ist immer zugleich auch ein fragiles, gerade in der Totalität der Kontrolle. Umso umfangreicher das Terrain ist, das zu kontrollieren ich gezwungen oder willens bin, umso mehr Aufwand muss ich betreiben, umso mehr meiner Kräfte sind gebunden. Alle großen Imperien sind am Ende an ihrer eigenen Ausbreitung, ihrer Expansion zugrunde gegangen. Da das Terrain des Empire nicht mehr geografisch zu vermessen ist, sondern sich seine Potenz in der Dichte der Durchdringung aller Lebensbereiche abbildet, liegt hier auch seine Verletzlichkeit. Die Frage wird sein, welche Konfigurationen die Revolten der Ausgesteuerten und Ausgebeuteten annehmen werden, ganz sicher werden wir keinen Sturm auf den Winterpalais oder den “großen Streik” erleben, bzw. sind solche Ereignisse, so sie scheinbar Gestalt annehmen nur Ablenkung oder das Werk in Kränkung gefallener reaktionär mobilisierter Teile des Proletariats, wie wir sie bei der Erstürmung des Capitols beobachten konnten. 

Wahrscheinlich vielversprechender ist es, sich ein nicht-territoriales Territorium der Aufstände vorzustellen, auf dem sich die verschiedenen Akteure begegnen ohne sich zu treffen, austauschen ohne miteinander zu reden, sich Codes aneignen und weitergeben, die nicht durch den Gegner zu dechiffrieren sind. Sich erst vollständig aus der Deckung wagen, wenn die Chance gekommen ist. Alles riskieren, aber das sinnlose Blutbad vermeiden. Von Hinterhalt zu Hinterhalt sich vortastend, den Gegner lockend, aber nicht auf den unmittelbaren kompletten Zusammenprall abzielend. Geschmeidig bleiben. Abwartend die Tropfen des Regens zählend. Jede Patrone sparen. Weil es am Ende darauf ankommen kann.

ENDGAmes [Part1]

Sebastian Lotzer

Schließen wir die Pandemie Kriegstagebücher ab. Nicht weil die Pandemie vorbei wäre, oder die diskursive und gesellschaftliche Entwicklung die sich seit dem März 2020 ereignet hat, nicht weitere Worte wert wäre. Sondern weil es langsam notwendig wird, je länger und entgrenzter der Faschisierungsprozeß Staat und Gesellschaft durchzieht, sich von dem abzuwenden, was nur als Ouvertüre begriffen werden kann, für das was uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevorsteht. Wenn wir also über den Pandemie Faschismus, der in den staatlichen Maßnahmen und der gesellschaftlichen Reaktion eingeschrieben ist, noch weiter sprechen, dann ab sofort nur noch um sich einen Begriff von den Notwendigkeiten und Bedingungen zukünftiger sozialer Konfliktualität zu verschaffen. Und wenn wir das sagen, reden wir zugleich von dem was es in den Fokus zu nehmen gilt, den radikalen Umschlag in der Qualität der Bestimmung des Kampfterrains durch unsere Todfeinde, die eigentlich mit dem Rücken an der Wand stehen, wobei ihre historischen Gegner, jetzt, wo es endlich so weit ist, zu blind sind, das zu sehen, zu begreifen, während sie sonst bei jeder Krise das nahe Ende des Empires prophezeit haben, zuletzt 2008 und am Beginn der Pandemie erneut. Immer wieder wurde davon gesprochen, dass es “danach” alles anders sei, die Zeit “jetzt reif” sei und ähnliches. Es gibt aber keine Reife der Zeit, keine objektiven Bedingungen. “Bifo” sagte kürzlich: “Der Kapitalismus ist noch an der Macht, er ist  aber bereits tot”. Wahrscheinlich ist dem so. Vielleicht hat auch Agamben Recht, wenn er das Modell der VR China als Gewinner dieser historische Phase sieht und prophezeit: “Sicher ist jedoch, dass das neue Regime den unmenschlichsten Aspekt des Kapitalismus mit dem grausamsten Aspekt des Staatskommunismus verbinden wird, indem es die extreme Entfremdung der Beziehungen zwischen den Menschen mit einer noch nie dagewesenen sozialen Kontrolle kombiniert.”
Mit Sicherheit wissen wir nur, dass wir uns auf einem Schlachtfeld wiederfinden, dass wir noch nie betreten haben, ja von dessen Existenz wir keine Ahnung hatten. Und selbst in den Reihen unserer Todfeinde dürfte nur wenige visionäre Strategen in den Think Tanks und Militärakademien eine Ahnung davon gehabt haben, auf welchem Grund wir uns jetzt wiederfinden. Womit wir so langsam zu dem kommen, wovon heute die Rede sein soll. Der Fähigkeit, oder auch der Unfähigkeit, die Situation real zu begreifen. 

Aus den Erfahrungen der antikolonialen Kriege in Vietnam und Algerien entwickelten Strategen wie Thompson und Trinquier ihre Visionen der Aufstandsbekämpfung, die zur Doktrin der modernen Kriegsführung wurden, sich einschrieben bis in Verzahnung von Militär und Polizei, also in die fließenden Übergänge vom Kampf gegen “äußere” und “innere” Feinde, diese asymmetrische Form der Kriegsführung fand sowohl im “Krieg gegen den Terror” ihre Fortschreibung wie auch in den explodierenden sozialen Konflikten in Westeuropa in den 70er und 80er. “Operation Gladio”, bei der in der direkten Verantwortung oberster NATO Gremien Bombenanschläge gegen die Zivilbevölkerung in Italien verübt wurden waren ebenso Ausdruck dieser neuen Ausrichtung, wie die Vorschläge des damaligen sozialdemokratischen Polizeipräsidenten von Berlin, Hübner, zum Umgang mit der APO und später der Westberliner Hausbesetzerbewegung. Auf der einen Seite wurden sogenannte Diskussionkommandos (Disk-Kdo) an die Front geschickt, nachdem der Polizeiapparat bei der “Schlacht am Tegeler Weg” eine vernichtende Niederlage erlitten hatte, auf der andere Seite entstand die Einsatzgruppe für die Erprobung und Sonderaufgaben (EgrEuS), der heutige Goldstandard der “beweissicheren Festnahme” der Einsatzhundertschaften von Landes-und Bundespolizei hat hier seinen Ursprung. So wie der “Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist”, ist die moderne Aufstandsbekämpfung die Fortsetzung des Klassenkampfes mit anderen Mitteln, die Trennung im Sicherheitsapparat zwischen Militär und Polizei verschwimmen immer mehr, sowohl was Einsatzmittel als auch Einsatzaufgaben angeht. 

So, wie die asymmetrische Kriegführung in den sozialen Konflikt diffundierte, ihn in einen sozialen Krieg selbst transformierte, (was nur anzureißen war an dieser Stelle) so können wir jetzt die Durchsetzung der Permanenz des Ausnahmezustandes konstatieren. Nun, da der “Krieg gegen den Terror” (vorerst) ausgedient zur Legitimierung hatte und die Totalität der Verteilungskriege und Notstände der “Klimakatastrophe” erst am Horizont aufscheinen, bot die Corona Pandemie die Möglichkeit zum qualitativen Sprung in der Formierung der allerletzten Schlachtordnung. Oder anders gesagt, als Generalstabsübung am Vorabend der großen Endgames. Counter Insurgency hatte begriffen, das man den Krieg nur gewinnt, bzw. eine realistische Aussicht auf einen erfolgreichen Ausgang der Schlachten hat, wenn man unter einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung Verwirrung in den Herzen und Hirnen sät, es nicht mehr ausreicht, Glasperlen und Massaker freizügig unter den zu Kolonialisierenden verteilen, man also substanziell und langfristig zu intervenieren hätte. Bis in die Tiefe des kollektiven Bewusstseins und Unterbewusstseins. Womit wir im hier und heute angekommen wären. Dem neuen Zaubertrick der Epoche: Dem unglaublichen Vorgang, dass man nicht nur quasi über Nacht einen Großteil der Menschheit einsperren kann, sondern auch noch das Commitment von wesentlichen Teilen der Inhaftierten dazu erhält. Wie jeder Zaubertrick wirkt auch dieser nur so lange magisch, solange man sich auf die falsche Vorgänge fokussiert, während das eigentliche Geschehen an ganz anderer Stelle stattfindet.

Die erste Handlung eines Magiers besteht immer darin, die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf eine von ihm ausgewählte Handlungsebene zu lenken, in unserem Fall ist es die “Schockstrategie” von dem das Strategiepapier des Bundesinnenministerium im Frühjahr 2020 sprach. Oder anders gesagt, in der Sprache der hiesigen Herrschenden, den “Glücksfall” der “Bilder aus Bergamo”. Nun ist allgemein bekannt, dass die Bilder der Särge auf den Militärlastern in Norditalien deshalb entstanden, weil es Probleme unter den Bestattungsunternehmen gab und man im Übrigen an ziemlich vielen Orten der Welt Bilder von einer ebenso großen Menge von Toten, darunter Leichen von verhungerten oder massakrierten Kindern generieren könnte, nur werden diese eben nicht weltweit versendet. Aber da wo der Wahnsinn regiert, oder besser gesagt die Massenneurose (manche sprechen sogar von einer Massenpsychose) ist es nicht mehr möglich differenziert zu argumentieren. Zusammengeschusterte Studien, die von einer halben Million Toten alleine in der Bundesrepublik sprechen, werden medial gestreut, dass diese keinerlei Evidenz aufweisen, ist spätestens vier Wochen später allgemein zugänglich nachvollziehbar, aber da fragt schon niemand mehr danach, weil die (mediale ) Hysterie sich schon dem nächsten Schritt des großen Magiers zugewandt hat. Im schnellen Takt geht es weiter (und die Schnelligkeit spielt immer eine Rolle für das Gelingen des Täuschungsmanövers), alle Wochen werden neue Vorgaben aus dem Hut gezaubert: flatten the curve, Vermeidung der Überlastung des Gesundheitswesens, Anzahl der Beatmungsgeräte, Anzahl der Intensivbetten, Reproduktionswert, Inzidenzwert,… Das Publikum, mittlerweile vom Hinterherhecheln schon ganz außer Atem erfleht nur noch die Pause nach dem zweiten Akt, aber vorher muss noch der (generalstabsmäßige) (misslungene, upps) Wellenbrecher her, dann der Gnadenakt der Weihnacht, aber der Winter ist lang (und hart, selber schuld sagt der große Magier). Wenn der schnelle Erfolg im Krieg ausbleibt (und das wir uns im Krieg befinden, ist das vorherrschende Narrativ, deshalb finden ja auch mahnende Stimmen, die sagen, wir müssen lernen mit dem Virus zu leben und die Maßnahmen so anpassen, dass trotz Schutz der Alten und Schwachen noch Leben möglich ist, wenig Gehör) bröckelt das jubelnde WIR bei der Ausrufung des Kriegs ab, das weiß jeder Feldherr. Oder Herrin. Dieser Krieg gendert erbarmungslos. Dann müssen Schuldige gesucht und gefunden werden. Unter tätiger Mithilfe der Bevölkerung, das hebt die Moral. Also geht die Hatz los: “Maskenmuffel” (es gibt wirklich Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine solche tragen sollten, deren Leben gleicht seit Monaten einem Spießrutenlauf, aber hey, Kollateralschäden, ist ja Krieg, weiß jeder), Nichtmindestabstandhalter, erst waren es die Linken am 1. Mai und bei BLM am Alex, aber den schwarzen Peter (wie heißt der eigentlich heutzutage…?) hat man schnell weitergeschoben, und brüllt jetzt mit der Masse, wenn die Querfront dicht an dicht steht, selbst wenn sie mit Wasserwerfern dazu gedrängt wird, der sowieso endlich mit harten Strahl mitten rein halten soll, bis die Augen rausfliegen. Im Krieg dürstet es nach Blut, auch den Linken. Als die Querfrontler so langsam von den Straßen verschwinden (was abzusehen war, wenn man sich mal die Mühe gemacht hätte, diese Melange politisch zu analysieren, anstatt zu meinen dieser Angelegenheit mit platten “Nazis raus” Grenzen setzen zu können), nimmt man Glühweintrinker und Schlittenfahrer ins Visier, Silvester hat man ja dann gleich den Konsum von Öffentlichkeit von Alkohol in der Öffentlichkeit auf Dauer untersagt, sollen die Leute doch sich Zuhause und alleine zu Tode saufen. 

Und während im Wettlauf um die Herdenimmunität im Moment die Neuinfektionen  (Dunkelziffer zwischen 5x bis 10x) mit deutlichen Vorsprung vor dem Impfstoff in Führung liegen, weil dieser natürlich unter den Wettbewerbsbedingungen der freien Marktwirtschaft produziert wird, ergo knapp ist (während Warenknappheit bisher ja eher mit den gescheiterten Versuch des real existierenden Sozialismus assoziiert wird), ist das Gerede von der Freiwilligkeit der Impfung schon Schnee von gestern. Diese patriotische Pflicht, ergo dieser persönliche Beitrag zum Kriegsgewinn (früher sammelte man im “Verteidigungsfall”  das Edelmetall bei den Leuten ein und speiste sie mit Orden aus minderwertigen Legierungen ab) ist nun wirklich nicht zu viel verlangt. Selbstverständlich ist der Impfstoff sicher, auch wenn bekannt ist, dass das Ausmaß und die Quantität der Nebenwirkungen ebenso wie mögliche Impfschäden erst nach einigen Monaten der massenhaften Verimpfung sicher zu verifizieren sind. Aber etliche Gesundheitsminister wusste ja schon  um “die Sicherheit”, als den begutachtenden Stellen noch keinerlei Daten der Produzenten, sondern lediglich Pressemitteilungen vorlagen. Nun wäre gegen einen gut verträglichen Impfstoff mit hohem Wirkungsgrad wirklich nichts einzuwenden, aber bisher ist genau das genauso wenig geklärt wie die Frage, ob er nur den Geimpften vor der Erkrankung schützt, dieser aber das Virus noch weitergeben kann, auch die Dauer des Impfschutzes ist völlig ungeklärt. Während die gegenwärtige Studienlage davon ausgeht, dass bereits infizierte einen hohen und länger anhaltenden Schutz haben, ergo vor einer Impfung erst einmal abzuklären wäre, ob man nicht schon lange immun ist, eine Fragestellung, die bei  mittlerweile 2 Mio Menschen, die sich nachgewiesenerweise mit Corona infiziert haben und einer vielfachen Dunkelziffer nicht gerade wenig Menschen betrifft und zunehmend betreffen wird. Auch um die Frage der Kreuzimmunität ist es still geworden, obwohl sogar der Bundesverdienstkreuzträger Drosten schon im Sommer letzten Jahre darauf hingewiesen hatte, dass dies bei einem nicht unerheblichen Anteil der Bevölkerung der Fall sein könnte, nachdem man in Studien festgestellt hatte, dass in einer Wohnung lebenden Familienmitglieder sich trotz engsten Kontakt zu Infizierten nicht angesteckt hatten. Aber die Karawane zieht immer weiter und da es bei der ganzen Angelegenheit um so ziemlich vieles geht aber nicht um die “Rettung eines jeden Menschenlebens”, wird stattdessen um Berlin wieder eine Mauer gebaut. Zeitgemäß nicht aus Stein oder Beton, aber nichtsdestotrotz wirkungsmächtig. Währenddessen beträgt die Anzahl der wirklich alten Menschen die sich zur Zeit mit Corona infizieren das Vierfache des Durchschnittswertes und mehr als die Hälfte der Menschen, die in der Bundesrepublik derzeit an Covid 19 sterben lebte vorher in einem Alten- oder Pflegeheim. Kann man natürlich nichts machen. Also jetzt, nach über 10 Monaten Pandemie. Als im Frühjahr, also am Anfang der Pandemie, es proportional viele Tote im Zusammenhang mit Corona in Schweden gab, war natürlich klar, dass das passierte, weil die nicht sofort die ganze Bevölkerung eingesperrt haben, während man hier z.B. in Berlin nicht mal alleine auf einer Parkbank ein Buch lesen durfte. Jetzt sterben dort proportional mittlerweile weniger Menschen am Tag als hier und die Restaurants und Geschäfte haben offen, Masken werden nur zu den Stosszeiten in den ÖPNV empfohlen und man kann noch zu acht, wie man will und nicht nach “Haushalten” zusammenhocken. Und das Gesundheitswesen ist auch noch nicht zusammengebrochen. Nun geht es ja nicht darum, hier an dieser Stelle in den kapitalistischen Wettbewerb einzusteigen und natürlich haben die in Schweden sich auch Notstandsvollmachten absegnen lassen und können die jederzeit anordnen (hatten sie Übrigens auch schon im Frühjahr, aber nie angewendet und war dann ausgelaufen) und natürlich sind in den schwedischen Pflege- und Altersheimen im Frühjahr u.a. deshalb so viele Menschen gestorben, weil der Großteil der Heime privat betrieben wird und dort unter besonders miesen Arbeitsbedingungen Migranten aus aller Herren Länder arbeiten müssen, ergo ihr wisst schon Kapitalismus. Womit wir wieder den Kreis schließen können und zu den gegenwärtigen Bedingungen des sozialen Krieges zurückkommen können.  

Was wir über die letzten Jahre, eigentlich schon fast Jahrzehnten beobachten konnten, war die ständige Zunahme der weltweiten Riots und Aufstände, an denen die traditionelle (auch neue) Linke wenig bis keinen Anteil hatte, bzw. nur eine randständige Rolle spielte. Diese “Non Bewegungen”, wie sie die Genoss*innen von endnotes in dem lesenswerten Text “Vorwärts Barbaren” nennen, erreichten in 2019 ihren bisherigen Höhepunkt und mussten und müssen sich nun trotz des von unserem Gegner neu eröffneten Terrain des Klassenzusammenstoßes vorwärts tasten. Denn um nicht weniger geht es, um es noch einmal zu betonen. Jenseits der bitteren, aber zutreffenden Wahrheit, die das Wu Ming Kollektiv so treffend formulierte: „Von allen denkbaren Dystopien haben wir die schlimmste erlebt: die Diktatur der Unfähigen – Und das heißt nicht, dass wir es nicht verdient hätten“, gilt es den Blick über das Gegenwärtige, die Pandemie, hinaus, an den Horizont zu wagen. Das bedeutet, sich nicht länger von den Kunststücken des großen Magiers fesseln zu lassen, sich an dem einem Narrativ abzuarbeiten und damit, aus freien Stücken oder wider Willen, Teil zu werden. Die Schwierigkeit, genau dieses Terrain, das nicht das Terrain ist, das unser Gegner gewählt hat, zu bestimmen, zu definieren, haben sich schon Tiqqun in Kybernetik und Revolte gewidmet. Es bedeutet, taktische und strategische Ausweichmanöver zu vollziehen, da sich in den vorgegebenen Diskurs zu begeben, derzeit nur mit Niederlagen enden kann. Es macht keinen Sinn, den Kapitalismus im Pandemie Ausnahmezustand anzugreifen, solange große Teile der Beherrschten sich im Stockholm Syndrom befinden. Es macht noch weniger Sinn, nach 10 Monaten Ausnahmezustand das kapitalistische Ausnahmezustandmanagement zu kritisieren oder gar den ‘lockdown’ zu legitimieren, indem man fordert die Geiselhaft durch flankierende Betriebsschließungen zu komplementieren. Es gilt, das Terrain des Zusammenstoßes “von unten”, wie die Zapatisten sagen würden, neu zu besetzen. Alles was noch am jetzigen Zustand klebt, blockiert die Weiterentwicklung. 

Niemand kann genau bestimmen, wie lange die Pandemie noch dauern wird, aber unser Gegner denkt schon über diesen Zeitpunkt hinaus. Es wird offen über zukünftige Pandemien und Maßnahmen gesprochen, die angesichts der Zerstörung der Umwelt unvermeidlich sind und niemand hat eine Ahnung mit was für einer Mortalität diese einhergehen werden. Es wird über die Notwendigkeit gesprochen, die “Klimakatastrophe” mit den Mitteln eines Notstandsregimes “unter Kontrolle zu bringen”, bis in Teile der “ökologischen Bewegung” hinein. An dieser Konfrontation kann das “von unten” nur zerbrechen, weil ihm einfach die Mittel für den unmittelbaren Zusammenstoß fehlen. Es bedarf also einer klugen Strategie, die es ermöglicht, wieder selbstbestimmt in das Handeln zu kommen. Dies ist keine Frage der Moral, sondern der absoluten Notwendigkeit. Das Empire steht am Abgrund, aber es wird sich nicht freiwillig aus der Menschheitsgeschichte verabschieden, eher wird es den Menschen selbst mit in den Abgrund reissen. Es geht also um alles oder nichts. Um nicht weniger. Nur dass erstmalig in der Geschichte der zeitliche Horizont endlich erscheint.