Redebeitrag auf der NOPE. Demonstration vom 06.03.2017

Wie häufig seid ihr schon in eine so genannte „verdachtsunabhängige Kontrolle“ geraten? Das lässt sich wahrscheinlich an einer Hand abzählen, wenn ihr einen eher hellen Phänotyp habt. People of Color berichten dagegen teilweise von wöchentlichen Kontrollen. Beim Einkaufen, beim Joggen, auf dem Weg zur Arbeit – manchmal sogar mehrmals innerhalb weniger Minuten. Stellt euch vor ihr würdet ständig von der Polizei kontrolliert werden, während andere Menschen unbehelligt bleiben und ihr euch vor Passant*innen nicht rechtfertigen könnt. Was werden diese Menschen über euch denken? Racial profiling ist rassistisch und damit gesetzeswidrig, weil Menschen auf Grund ihres Äußeren in aller Öffentlichkeit kriminalisiert werden. Es reproduziert und manifestiert aber auch Rassismus, dadurch, dass diese Äußerlichkeiten stigmatisiert werden.

Die Folgen sind Ohnmacht und die verstärkte Angst vor Übergriffen. Denn zusätzlich, zu dem Rassismus, der People of Color tagtäglich entgegenschlägt, können sie sich auch nicht auf den Schutz des staatlichen Gewaltmonopols verlassen. Eher im Gegenteil. Erst Anfang Februar ist in Hamburg ein ghanaischer Geflüchteter durch drei Schüsse eines Polizisten schwer verletzt worden. Augenzeugen zu Folge, sollen die letzten beiden Schüsse erst nach längerer Pause auf die bereits am Boden liegende Person erfolgt sein. Hier kann nur von einer klaren Tötungsabsicht die Rede sein.

Dass Rassismus nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der gesamten sogenannten „deutschen Mitte“ Konsens ist, zeigte sich erneut bei der Debatte zum rassistischen Vorgehen der Kölner Polizei zur Silvesternacht 2016/17. Diese hatte knapp 680, als „Nafris“ bezeichnete Personen gekesselt und kontrolliert. Anstatt das diskriminierende Vorgehen der Polizei zu verurteilen, wurde sie von fast allen Seiten für ihren Einsatz gelobt. Nicht zuletzt die AfD forderte einen Ausbau und die bewusste Anwendung von racial profiling. Die Süddeutsche Zeitung schrieb, dass der Polizeieinsatz der Kölner Polizei verhältnismäßig gewesen sei und in der „Welt“ erschien sogar ein Kommentar von Alan Posener unter der Überschrift „Ja zu ‚Racial Profiling‘ – es kann Leben retten“. Es wurde also nicht einmal mehr geleugnet, dass es sich um Rassismus handelte, sondern sogar versucht zu rechtfertigen und für gut befunden. Die gezielte Diskriminierung von Minderheiten, zum vermeintlichen Schutz der Mehrheit, wird also in Kauf genommen, sogar öffentlich legitimiert.

Vor Kurzem hat selbst die UN-Arbeitsgruppe für Menschen afrikanischer Abstammung den strukturellen Rassismus gegenüber Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland kritisiert. Sie bemerkte, dass die Menschenrechte in Deutschland nicht umgesetzt werden und People of Color nicht als besondere Minderheiten anerkannt sind. Auch der alltägliche Wortschatz, der sich unter anderem in postkolonialen Straßennamen widerspiegelt, wurde kritisiert.

Dass Polizeikontrollen im Gegensatz zur weitverbreiteten Ansicht auch anders ablaufen können, zeigt ein Blick nach Spanien. In Fuen Labrada, einem multikulturellen Vorort Madrids, wurde ein System eingeführt, bei dem jede Kontrolle von der Polizei schriftlich begründet und dokumentiert werden muss. Die kontrollierten Menschen erhalten vor Ort eine Kopie. So können doppelte Kontrollen vermieden werden und die Praxis zeigt, dass dies wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation der Polizei beigetragen hat. Die Anzahl der Kontrollen hat sich halbiert und das Vertrauen in die Polizei ist gestiegen.

Doch was können wir tun, bis es auch bei uns so weit ist?

Denn auch in Dresden (– Überraschung -) gibt es Fälle von Racial Profiling. Vor Allem im Bereich des Neustädter Bahnhofes, des Hauptbahnhofes und hier auf dem Scheunevorplatz. Wie kann es überhaupt sein, dass die Neustadt zu einer Spielwiese von Rassist*Innen und Faschist*Innen werden konnte? Nicht nur Racial Profiling ist hier Alltag geworden, sondern Nazis können hier ungestört ihre rassistische Hetze kundgeben, Aktivist*Innen und People of Color bedrohen und angreifen ohne Konsequenzen zu befürchten. Laut der RAA Sachsen ist Dresden „Spitzenreiter“, wenn es um die Anzahl rechter Übergriffe geht. Die sich als alternativ präsentierende Neustadt ist dabei eines der Viertel mit den meisten Übergriffen. Erst letzten Monat wurden mehrere Menschen hier in der Neustadt von Nazis angegriffen. Faschos zeigten Hitlergrüße, brüllten „Sieg heil“ und niemand schien sich daran zu stören. Lasst das nicht zu! Holt euch die Neustadt zurück und macht sie wieder zu dem alternativen Viertel, welches es vorgibt zu sein – für ein solidarisches und buntes Miteinander!

Außerdem wenn ihr Kontrollen seht, geht hin und erkundigt euch bei der kontrollierten Person, ob ihr helfen könnt. Seid solidarisch und lasst diese Personen in diesen Momenten nicht allein! Auf der Facebookseite von NOPE. wird nach der Demo ein Link zu einem Leitfaden geteilt. Den könnt ihr ausdrucken und mit euch mitführen.

Denn dass Widerstand erfolgreich sein kann zeigt der Fall von Kanwal Sethi der neulich am Dresdner Verwaltungsgericht entschieden wurde. Er wurde 2014 am Leipziger Bahnhof kontrolliert – er vermutete allein auf Grund seines Aussehens. Das Gericht gab ihm Recht. Nicht zuletzt auch, weil aufflog, dass die Bundespolizist*innen zuvor bezüglich ihrer Aussagen instruiert worden sind und diese aufeinander anpassten.

Also legt den Finger in die Wunde! Macht Fälle von Racial Profiling öffentlich! Solidarisiert euch mit Betroffenen und haltet die Rassismusdebatte solange am Laufen, bis sich in diesem Land etwas ändert!

Siamo Tutti Antifascisti!

Hier noch der bereits erwähnte Link:

http://www.schoener-leben-goettingen.de

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