Vor dreitausend Jahren floh das Volk Israel vor der Unterdrückung aus Ägypten.
Heute fliehen Menschen vor dem Bürgerkrieg in Syrien, unwürdigen Arbeitsbedingungen und Verfolgung, aufgrund ihrer Religion, ihrer politischen Haltung oder da sie durch das Raster totalitärer Systeme fallen.
Auf der ganzen Welt herrscht eine Phase der Angst und des Misstrauens, die Großmächte treiben Kriege weiter voran und auch Deutschland trägt durch unzählige Waffenexporte fatale Mitschuld.
Das Land ist gespalten, die extremen Pole verhärten sich und die Gesellschaft zerfällt. Diese Spaltung schlägt sich bis in unsere Regionen, unsere Städte und Bezirke nieder.
Im Januar 2015 standen die 3000 Beteiligten des ersten Legida-Aufmarsches dem zehnfachen an Menschen gegenüber. Der Gegenprotest von 30000 Menschen setze ein Zeichen gegen islamfeindliche, rassistische und reaktionäre Hetze. Trotzdem konnte das menschenfeindliche Gedankengut in einem Teil der Bevölkerung Fuß fassen.
Es folgten Jahre des antirassistischen Protestes von Menschen, die für eine pluralistische, tolerante und solidarische Gesellschaft stritten. Darunter zahlreiche Mitglieder der katholischen Dekanatsjugend Leipzig zusammen mit Verbündeten anderer Konfessionen.
Das Dekanat Leipzig organisierte internationale Fußballturniere mit Geflüchteten und Werkstatttage zum Thema Rassismus. Die Werkstadttage fanden an einem Wochenende im Schmiedeberger Winfriedhaus statt. Gemeinsam erarbeiteten wir Jugendlichen verschiedene Definitionen zu Formen von Rassismus sowie Methoden, um rassistische Gewalt zu erkennen und zu unterbinden.
Nach zwei Jahren des kläglichen Versuches, sich zu etablieren, gab Legida endlich das Ende ihres öffentlichen Daseins bekannt.
Doch der Kampf geht weiter, egal ob hier in Ostritz oder anderen Städten und Regionen in der Bundesrepublik. Keine Stadt ist für immer von menschenfeindlichen Ideologien aus jeglichen Lagern befreit. In einer Welt mit so viel Ungerechtigkeit können wir uns nicht zurücklehnen und warten, bis der Frieden vom Himmel fällt.
I Die Kurden werden vom türkischen Staat unter Führung des faschistischen Machthabers Erdogan systematisch verfolgt und mit militärischer Gewalt unterdrückt, obwohl das Volk der Kurden nur ihre Unabhängigkeit fordert. Kurden sterben durch deutsche Waffen, die Deutschland an die Türkei liefert. Unter den Kurden leben auch Christen wie wir.
II Die katholischen Kirche ist immer noch ein Patriachat. Frauen wird aufgrund ihres Geschlechtes der Beruf als Priester verwehrt, ihr Menschenrecht auf die freie Berufswahl wird mit Füßen getreten.
Die Unterdrückung der Frau ist ein Angriff auf uns alle.
III Auch aufgrund der Sexualität werden auf der ganzen Welt Menschen verfolgt, diskriminiert und verstoßen. Noch nicht einmal in unserer Kirche können sie ihren Frieden finden, da Nicht-Heterosexuelle immer noch als „abnormal“ und „psychisch krank“ betrachtet werden. Das beginnt in der kleinen Gemeinde und zieht sich bis in den Vatikan.
IV In Deutschland treiben 9 von 10 Frauen, die während der Schwangerschaft erfahren, dass ihr Kind eine Trisomie 21 hat, ab. Viele von Ihnen tun das nicht wegen der Behinderung des Kindes, sondern wegen der Behinderung durch die Gesellschaft. Menschen mit Behinderung sind auch heute nicht gesellschaftlich akzeptiert. Eltern müssen sich immer wieder für ihr Kind rechtfertigen und Behördenkämpfe ausfechten. Es fehlen Betreuungsmöglichkeiten und durch die daraus folgende Einschränkung der beruflichen Entfaltung -gerade als Mutter- ist die Gefahr hoch, dass Familien in eine finanzielle Notlage rutschen.
Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben dürfen und selbst entscheiden können, welche Schule sie besuchen, wo und mit wem sie zusammen leben und was sie arbeiten.
V Wir erleben es, wie sich rechtsextreme Menschen in den letzten Jahren zunehmend in Kampfsportgruppen organisieren, sie bereiten sich auf den Kampf gegen all jene vor, die nicht in ihr Gesellschaftsbild passen. Es entstehen zahlreiche Kampfsport-Events wie die „Imperium Fighting Championship“ in Leipzig oder „Kampf der Nibelungen“ hier in Ostritz. Die Durchführung der Kämpfe wird immer professioneller und locken immer mehr Zuschauer an, zuletzt 700 interessierte Menschen in Ostritz. Eine Gruppe von gut trainierten Kampfspotlern mit einer stark ausgeprägten rechten Ideologie stellt ein enormes Sicherheitsproblem dar. Dies konnte man im Januar 2016 in Leipzig beobachten. Hier schloss sich nach einer Demonstration eine Gruppe von 200 überregional-organisierten Rechtsextremen zusammen und wütete im Leipziger Stadtteil Connewitz. Sie zerstörten viele Geschäfte und richteten einen hohen Sachschaden an. Die jüngsten Vorfälle in Chemnitz und Bautzen zeigten erneut, dass Neonazis vor menschenverachtenden Straftaten nicht zurückschrecken und eine enorme Gefahr für den friedlichen Rechtsstaat darstellen.
Frieden ohne Gerechtigkeit ist wertlos für uns.
Jeder von uns muss sich auch nur einem Problem auf dieser Erde annehmen, um irgendwann wirklichen Frieden zu erreichen. Wir haben nur diese eine Erde.
In dieser Zeit des Misstrauens muss der Glaube umso stärker sein. Glaube darf niemals neue Grenzen errichten, sondern muss die Zäune niederreißen, muss die Gedanken wieder frei machen, doch funktioniert das nicht allein. Wir müssen uns gemeinsam befreien mit allen Menschen dieser Erde.
Wir müssen uns denen Annehmen, die verstoßen, unterdrückt und vertrieben werden, wenn wir uns Christen nennen wollen.