Keine „Zentrale Abschiebebehörde“ in Münster

Aufruf der Antifaschistischen Linken Münster zur Kundgebung am 13. Dezember 2017

Wie in vielen anderen Orten wird im nächsten Jahr auch in Münster die „Zentrale Erstaufnahmestelle“ für Asylsuchende, die sich in der Oxford-Kaserne befindet, geschlossen. Auch die Geflüchteteneinrichtung in der York-Kaserne wird ihre Tore schließen. Grund dafür ist die Abschottungspolitik Deutschlands und der Europäischen Union. Nach den letzten Asylrechtsverschärfungen, der brutalen Schließung der Balkanroute und dem schmutzigen Deal mit dem türkischen Staatschef Erdogan schaffen immer weniger Menschen die Flucht bis nach Europa. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration sind 2017 alleine im Mittelmeer über 3000 Menschen beim Versuch, nach Europa zu gelangen, ertrunken. Dieses unerträgliche Massensterben vor Europas Küsten nehmen die herrschenden Politiker*innen ebenso hin wie sie die Zustände in von Despoten regierten Ländern wie Lybien ignorieren, seit sie in diesen neue Kooperationspartner für den Ausbau der Festung Europa gefunden haben.

In Deutschland selbst hat sich insbesondere in der Asylpolitik ein Rechtsruck vollzogen, der die viel beschworene Willkommenskultur nur noch als einen zynischen PR-Gag für den „weltoffenen Standort Deutschland“ erscheinen lässt. Oder aber als ein Anliegen, das weder von Politik noch vom Staat, sondern nur noch von wenigen Aufrechten und humanitär Gesinnten mit Ernsthaftigkeit und Engagement verfolgt wird. Deutschland macht dicht. Die rechte Erzählung des „staatlichen Kontrollverlustes“, mit der die zeitweise Aussetzung der Dublin III-Regelung im „Sommer der Migration“ 2015 gedeutet wird, wurde von großen Teilen der Politik übernommen. Quer durch die politischen Lager, von CSU bis Grünen werden die Stimmen immer lauter, die mehr und „konsequentere“ Abschiebungen fordern.

Seit zwei Jahren wurde das Asylrecht mehrfach verschärft, mit der Folge, dass Asylsuchende in Deutschland immer weiter entrechtet wurden. Asylsuchende aus von der Politik zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärten Ländern unterliegen seitdem einem strikten Arbeitsverbot, dürfen keine Integrationskurse besuchen und müssen in den Erstaufnahmestellen bleiben. Ziel ist die Isolation dieser Menschen und ihre schnelle Abschiebung. Auch Asylsuchende aus nicht pauschal als „sicher” deklarierten Ländern sind nun erheblich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Auch ihre Asylanträge werden oftmals unter großem Druck geprüft. „Entscheider*innen“ und die Menschen, über deren Schicksal erstere entscheiden, treffen sich in der Regel gar nicht mehr, Ablehnungen nach Textbausteinen sind üblich. Aus der Politik werden immer weitere Vorstöße gemeldet, auch in Länder abzuschieben, die alles andere als sicher sind. Trotz aller Proteste werden mittlerweile Menschen in das von Krieg und Terror beherrschte Afghanistan abgeschoben. Jüngst diskutierten die Innenminister, ob nicht auch Abschiebungen nach Syrien möglich sein könnten, einigten sich aber darauf, zumindest 2018 noch nicht in das Bürgerkriegsland abzuschieben. Vorerst. Denn die Bundesregierung soll derweil eine Neubewertung der Sicherheitssituation in Syrien vornehmen.

Vor diesem Hintergrund soll in Münster nun eine neue Behörde, die „Zentrale Ausländerbehörde“ (ZAB), eingerichtet werden. Sie soll für den gesamten Regierungsbezirk Münster zuständig sein und in Trägerschaft der Stadt Münster geführt werden. Eine ZAB ist faktisch eine „Zentrale Abschiebebehörde“. Sie ist für die Beschaffung von Passersatzpapieren, das Drängen auf eine „freiwillige Ausreise“ und die Organisierung von Abschiebungen zuständig. Die Landesregierung will mit der Einrichtung von weiteren ZAB – bislang bestanden solche Behörden nur in Bielefeld, Unna und Köln – die Zahl der Abschiebungen deutlich erhöhen. Initiativen wie die GGUA Flüchtlingshilfe befürchten, dass die Einrichtung einer ZAB in kommunaler Trägerschaft auch Auswirkungen auf die Entscheidungspraxis der kommunalen Ausländerbehörde nehmen wird und diese ebenfalls restriktiver wird. Für die ZAB stehen „effiziente“ Abschiebungen in einer möglichst hohen Zahl im Mittelpunkt. Für die Mitarbeiter*innen der ZAB sind Asylsuchende anonyme Fälle, über deren Schicksal in der Regel nach Aktenlage entschieden wird.

Oberbürgermeister Lewe hat seine Zustimmung zu dem ZAB-Plänen bereits bekräftigt. Auch aus CDU, FDP und natürlich von Seiten der im Rat unbedeutenden AfD wird das Vorhaben begrüßt. Im Wissen um die lokale Kontroverse wurde dabei mit der Landesregierung ein Deal angestrebt: Im Austausch für den Aufbau einer ZAB gibt das Land die Erstaufnahmeeinrichtungen in den ehemaligen Kasernen in Gievenbeck und Gremmendorf auf, sodass diese schneller in Wohnungen umgewandelt werden können. Weniger Geflüchtete, mehr Wohnraum, höhere Einnahmen aus Immobilien- und Grundstücksgeschäften – so lautet also das Versprechen, mit dem eine ZAB in Münster erkauft werden sollte. So wurde seitens der Politik versucht, die Bedürfnisse der einen Bevölkerungsgruppe nach Wohnraum gegen die Rechte der anderen Bevölkerungsgruppe nach einem fairen Asylverfahren und ihr Bedürfnis zu Bleiben auszuspielen. Mittlerweile ist durch eine neue Beschlussvorlage von diesem Vorhaben Abstand genommen worden. Die Einrichtungen in den Kasernen werden so oder so geschlossen, ob mit oder ohne neue ZAB.

Keine klare Aussage gegenüber der Öffentlichkeit gibt es bislang von den Grünen, die im Rat mit der CDU koalieren. Sie drücken sich bislang vor einer Entscheidung, wie sie zur ZAB stehen. Zugleich wird es aber von ihren Stimmen im Rat abhängen, ob die ZAB nach Münster kommt oder nicht. Weil die Situation noch offen und nichts entschieden ist, ist es so wichtig, dass wir uns lautstark gegen die ZAB-Pläne einsetzen.

Wenn es uns gelingt, die ZAB in Münster zu verhindern, dann ändern wir damit nicht die Abschottungspolitik der EU und die restriktiven Asylgesetze in Deutschland. Aber das Lokale ist der Raum, in dem wir jetzt politisch wirksam werden können. In der aktuellen Situation des massiven gesellschaftlichen Rechtsrucks, der sich nicht bloß im Wahlergebnis der AfD, sondern vor allem in der Regierungspolitik ausdrückt, ist es um so wichtiger, einen starken Gegenpol zur Front derjenigen zu setzen, die Abschottung und Entrechtung fordern und bereit sind, Menschenrechte preiszugeben. Durch Bewegung von unten kann dabei die Vision einer solidarischen und menschenwürdigen Gesellschaft, von Städten der Zuflucht, aufscheinen. Wird die ZAB verhindert, so ist eine weitere Verschlechterung der Situation von Asylsuchenden in Münster erst einmal verschoben.

Wie wichtig zur Zeit Bewegung von unten ist, verdeutlichten die gescheiterten Sondierungsgespräche auf Bundesebene. Wäre die Jamaika-Koalition gekommen, hätte sie weitere massive Angriffe auf das Asylrecht mit sich gebracht. Selbst die im Wahlkampf nur von CSU und AfD geforderte Obergrenze wäre unter neuem Namen, als „atmender Rahmen“, eingeführt worden. Die Grünen waren bereit, sämtliche dieser Verschärfungen und Verschlechterungen mitzutragen. Einzig auf eine Regelung des Familiennachzugs für die syrischen Geflüchteten konnten sich die Beteiligten nicht einigen. Dass die Geflüchteten in der unerträglichen Situation in Deutschland leben müssen, ihre Kinder, Eltern und Partner*innen über Jahre der Gefahr des syrischen Bürgerkriegs oder der Elendslagern der EU in Griechenland ausgesetzt zu sehen, daran trägt wiederum die SPD genauso große Schuld wie die Union.

Wir rufen euch alle auf: Beteiligt euch am 13. Dezember 2017 an der Kundgebung gegen die ZAB-Pläne.
Kämpfen wir für das Recht auf Asyl, für Menschenwürde und Solidarität!
Treten wir gemeinsam dem Rechtsruck entgegen!

Mehr Informationen beim „Bündnis gegen Abschiebungen“

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