Category Archives: Analyse und Kritik des Antiziganismus

Gießens „Oma mag auch Sinti und Roma“

Mit einer schlagfertigen Reaktion hat die Stadt die Plakatmotive der NPD („Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“) gekontert. „Meine Oma mag auch Sinti & Roma“ lautet die Botschaft der eigens angefertigten Plakate, deren erstes Exemplar am späten Nachmittag an der Kreuzung Marburger Straße/Wiesecker Weg angebracht wurde. Während in vielen deutschen Städten vergeblich versucht worden ist, die jüngste NPD-Plakatpropaganda gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma auf juristischem Weg zu stoppen, geht ein überparteiliches Bündnis von Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung in Gießen gemeinsam einen neuen Weg: Es beantworte die Propaganda der NPD direkt mit einem Gegenplakat, heißt es in einer Mitteilung des Magistrats. Ein deutliches und überzeugendes Zeichen und ein Plädoyer für Weltoffenheit und Toleranz hätten die beteiligten Fraktionen CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, Bürgerliste/Linkes Bündnis, Die Linke sowie Die Piraten damit setzen wollen. Dafür habe sich Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) eingesetzt und geworben. Nicht an der Aktion beteiligt haben sich die Freien Wähler und die FDP. In den nächsten Tagen sollen die Plakate an den Stellen in der Stadt aufgehängt werden, wo die NPD Stimmung gegen Sinti und Roma macht.

Gestern Morgen hatte das Gießener Verwaltungsgericht die Stadt aufgefordert, die von ihr am Montag entfernten NPD-Plakate wieder aufzuhängen. Dieser Aufforderung sei die Stadt, die keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt hat, umgehend nachgekommen. Stadtsprecherin Claudia Boje bedauerte, dass die Bauhof-Mitarbeiter dabei „leider ziemlich viel Pöbelei ausgesetzt waren, weil die Leute auf der Straße entweder dachten, sie seien von der NPD oder sie angegangen sind, weil sie sich zum ,Handlanger‘ machen“. Weder das eine noch das andere sei jedoch der Fall: „Die Mitarbeiter mussten die Plakate wieder aufhängen.“ Dies habe nichts mit ihrer Überzeugung zu tun, betonte Boje.

Die Verwaltungsrichter begründeten ihre Entscheidung in erster Linie damit, dass die Aussage „Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“ nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Zudem monierten die Richter einen formalen Fehler der Oberbürgermeisterin. So habe Grabe-Bolz ihre Aufforderung an die NPD, die in der Nordanlage angebrachten Plakate zu entfernen, nicht mit einer Anordnung zur sofortigen Vollziehung versehen, was nach Aussage des Gerichts aber Voraussetzung für die sofortige Abnahme der Plakate gewesen wäre. Dieser – nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidende – Umstand rief den Gießener FDP-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Wolfgang Greilich, auf den Plan. Die Anordnung des Sofortvollzugs als Voraussetzung für die sofortige Abnahme der Wahlplakate zu vergessen sei ein dilettantischer Anfängerfehler, der zeige, dass die Oberbürgermeisterin trotz ihres personell stark ausgeweiteten Verwaltungsapparates nicht in der Lage sei, eine Verfügung auch nur formal korrekt zu erlassen, kritisierte Greilich. Auch er betonte: „Rechtsextremismus hat in einer bunten und weltoffenen Stadt wie Gießen keinen Platz. Die bevorstehende Demonstration der NPD sollten alle Demokraten, unabhängig der politischen Couleur, zum Anlass nehmen, ein deutliches Signal der Vielfalt, Toleranz und Demokratie auszusenden.“

Quelle: Gießener Anzeiger
Stand: 13.09.2013

Parteiausschluss aus Bremer SPD: Leise grüßt der Sarrazin

Die SPD schließt den Bremer Politiker Korol wegen Antiziganismus und Frauenfeindlichkeit aus. Er beruft sich auf die Meinungsfreiheit.

Der Bremer Parlamentarier Martin Korol ist aus der SPD ausgeschlossen worden. Der 68-Jährige hatte gegen Sinti und Roma gehetzt und sich frauenfeindlich geäußert. Diese Ansichten seien „mit den Grundsätzen der SPD in keiner Form vereinbar“, gab die Bundesschiedskommission bekannt. Korol habe der Partei einen „schweren Schaden“ zugefügt. Der Politiker war seit 1969 in der SPD.

Im Februar war Korol als Abgeordneter in die Bremer Bürgerschaft nachgerückt. Auf seiner Homepage schrieb er über Sinti und Roma, sie lebten „sozial und intellektuell“ noch „im Mittelalter“: Die Männer hätten „keine Hemmungen, die Kinder zum Anschaffen statt zur Schule zu schicken und ihren Frauen die Zähne auszuschlagen.“

Die taz thematisierte Korols Einlassungen, daraufhin distanzierte sich die Bremer Parteiführung von ihm. Im April wurde er zunächst aus der Fraktion ausgeschlossen. Schon in einem ersten Parteiordnungsverfahren hatte die Landesschiedskommission Korol seine Mitgliedsrechte entzogen, allerdings nur auf zwei Jahre begrenzt. Beide Seiten gingen in Berufung, der Landesvorstand wollte den endgültigen Ausschluss.

Für Korol selbst ist der Rauswurf „unerklärlich und nicht angemessen“. Er beruft sich auf die Meinungsfreiheit – und zieht die Parallele zum Fall des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin: „Im Gegensatz zu Sarrazin, der nun wirklich biologistisch argumentiert hat, habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen“, so Korol zur taz.

Sarrazin überstand zwei Parteiordnungsverfahren

Tatsächlich machten beide Politiker nicht nur vergleichbare Äußerungen, beide erhielten auch Schützenhilfe von der Bild-Zeitung. Doch Sarrazin ist als ehemaliger Berliner Finanzsenator ungleich prominenter. Er hat zwei Parteiordnungsverfahren überstanden. Zunächst, 2009, ging es um ein Interview, das Sarrazin der Zeitschrift Lettre International gegeben hatte. Sarrazin sagte darin, dass eine „große Zahl an Arabern und Türken“ keine „produktive Funktion außer für den Obst- und Gemüsehandel“ habe.

Doch die Bundes-SPD befand Sarrazins Äußerungen zur genetischen Vererbung von Intelligenz und zur Integrationspolitik in seinem 2010 veröffentlichen Buch „Deutschland schafft sich ab“ als „parteischädigend“ – und strengte ein weiteres Verfahren gegen Sarrazin an. Gegen den Parteiausschluss hatte sich unter anderem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ausgesprochen.

Der Bremer Parteienforscher Lothar Probst begründet das unterschiedliche Vorgehen der SPD in den Fällen Sarrazin und Korol mit politischem Opportunismus: „Die Frage ist, welchen Preis eine Partei zahlt, wenn sie ein Mitglied ausschließt.“ Martin Korol interessiere vielleicht in Bremen, im Rest der Republik sei er eher unbekannt. Doch das Problem, sagt Parteienexperte Probst, sei, „dass es in einer Volkspartei wie der SPD einen gewissen Prozentsatz an Mitgliedern und Wählern gibt, die ähnliche Positionen wie Herr Korol oder Herr Sarrazin vertreten“.

Quelle: taz.de
Stand: 10.09.2013

Tausende Roma-Schüler in getrennten Klassen

Amnesty International beklagt Segregation im slowakischen Bildungssystem – Eingreifen der EU gefordert

In der Slowakei gibt es bei der Integration der Roma im Schulwesen noch viel zu tun. Immer noch werden tausende Roma-Kinder in segregierten Klassen und Schulen unterrichtet, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem am heutigen Mittwoch in Bratislava veröffentlichten Bericht. Schuld daran sei auch Untätigkeit der slowakischen Regierung, die unfähig sei, mit dieser illegalen Diskriminierungspraxis aufzuräumen. Einer UNO-Studie aus dem Vorjahr zufolge werden 43 Prozent der Roma-Kinder getrennt von der Mehrheitsbevölkerung unterrichtet.

Ein Großteil der laut Schätzungen rund 350.000 Roma in der Slowakei lebt ausgegrenzt in verarmten Siedlungen außerhalb von Städten und Dörfern, meist in Hütten ohne Wasser, Kanalisation oder Strom. Ohne Aussichten auf Arbeit sind die meist kinderreichen Familien auf staatliche Sozialhilfe angewiesen. Bei Schulantritt entsprechen die meisten Roma-Kinder aus diesen Slums nicht den von der Mehrheitsbevölkerung vorgegebenen sozialen und hygienischen Standards und sprechen fast nur ihre Muttersprache Romanes.

Viele Schulen bilden daher für sie separate Klassen, was mit der Notwendigkeit einer speziellen Förderung begründet wird. Aktivisten kritisieren allerdings, dass es in Wirklichkeit darum geht, dem Wunsch der Mehrheitsbevölkerung zu entsprechen, die keinen gemeinsamen Unterricht mit Roma-Kindern wünsche.

Zudem sei man sich in den Schulen nicht bewusst, dass eine Trennung der Schüler anhand ihrer ethnischen Zugehörigkeit eine Diskriminierung sei. So bedurfte es im ostslowakischen Presov eines Gerichtsurteils, um die Bildung einer Roma-Klasse zu verhindern. Im Oktober 2012 verbot das dortige Berufungsgericht definitiv den getrennten Unterricht von Roma-Kindern.

Dass diese Praxis trotzdem fortbesteht, sei eine „Tolerierung illegaler Diskriminierung“ durch die Regierung, kritisiert AI. Die Slowakei verletze damit vermutlich auch internationale Konventionen. Es sei daher an der Zeit, dass auch die EU-Kommission eine strengere Position einnimmt und „aktiver gegen Länder wie die Slowakei vorgeht“, hieß es.

Quelle: Der Standard
Stand: 04.09.2013

Gekommen, um zu bleiben

Zwei rumänische Brüder wohnen neuerdings mit ihren Familien im Umfeld der Hochhäuser in Hochheide. Seither kursieren die Gerüchte um die Immobilie. Zustände und Probleme wie in Bergheim sind nicht zu erwarten, sagt die Immobilienverwalterin, die ihren neuesten Mietern einen Besuch abstattete.

Der dunkle Mercedes S 600 fährt vor. Kennzeichen aus Nordfriesland. Passanten schauen skeptisch, solche Nobelschlitten sieht man im Schatten der Hochheider Hochhäuser sonst eher selten. Die Fahrerin steigt aus, sie trägt jede Menge goldenen Schmuck.

Zielstrebig geht sie auf ein Wohnhaus zu, klingelt. Der Hausflur ist renovierungsbedürftig wie das gesamte Haus. Löcher in den Wänden und ein abgewetztes Treppenhaus. Oben an der ersten Wohnungstür wird sie schon erwartet. Sie verwaltet die Immobilie für einen Geschäftsmann aus Berlin. Jetzt besucht sie ihre neuesten Mieter: zwei rumänische Brüder mit ihren Familien.

„Die Gerüchte sind totaler Blödsinn“

Seit rund zwei Monaten leben die fünf Erwachsenen und zehn Kinder in Hochheide. Seither kursieren Gerüchte um das Gebäude. Ein Problemhaus wie in Bergheim sei entstanden. Über 50 Menschen seien dort untergebracht, die Miete werde in Mafia-Manier bar eingetrieben und dort würden Ziegen geschlachtet. „Das ist totaler Blödsinn“, sagt die Verwalterin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Eine menschenunwürdige Überbelegung gebe es nicht. Zudem habe sie sich dafür eingesetzt, dass die Familien ein Bankkonto bekommen. Es stimme zwar, dass die Kinder morgens von Kleintransportern abgeholt würden. Aber nicht, um als Klau-Kids oder Bettler an Geld zu kommen. „Die Mütter erzählen, sie werden zu den Einrichtungen Immersatt und Zof gefahren.“

In ärmlichen Verhältnissen leben die 15 Neu-Hochheider. Ein alter Wasserschaden ist in der 180 Quadratmeter großen Wohnung noch sichtbar, die Möbel stammen vom Sperrmüll, ein Zimmer ist nur halb tapeziert, weil das Geld ausgegangen ist. Zum Kochen gibt’s nur einen alten Herd mit Kochplatten. Doch die Großfamilie renoviert ihr Zuhause stetig. Bilder und Dekoration sollen Gemütlichkeit vermitteln. Alles ist blitzblank geputzt.

Mieter haben nur Monatsverträge

Ihre Besucherin grüßen die Roma nett, sprechen aber nur wenig Deutsch und Englisch. Der rumänischer Hausmeister löst das Sprachproblem. „Solange sie ihre Miete zahlen und ordentlich sind, vermiete ich gerne an Rumänen und Bulgaren. Probleme hatte ich bisher eher mit deutschen Mietern, einige waren Messis und haben ihr Zuhause nicht gepflegt“, sagt die Verwalterin. Auch die türkische Vormieterin, eine Mutter mit acht Kindern, habe ihre vier Wände „regelrecht verunstaltet“.

Zustände wie In den Peschen werde es aber in dem Haus, in dessen drei anderen Wohnungen noch zwei bulgarische Arbeiter, ein Türke und ein Deutscher leben, niemals geben. Die Mieter hätten Monatsverträge. Sollte es Ärger geben, werde man sofort kündigen. „Die Familien wollen aber hier bleiben und bemühen sich sehr.“ Sie besuchen ein Integrationsprojekt des Stadtteilfördervereins und die Kinder sind für die Schule angemeldet.

Dennoch bleiben teils wilde Gerüchte. „Letztens sagten Anwohner sogar, Taliban würden dort säckeweise Rauschgift verstecken.“ Dass Roma mitnichten stets große Probleme bedeuten, habe sich in Hochheide gezeigt. Duisburg brauche jedoch mehr seriöse Vermieter, und die Osteuropäer dürften nicht alle auf einem Fleck wohnen.

Quelle: WAZ
Stand: 05.09.2013

New investigations, compensation for Roma murders in Hungary

The investigations into a series of murders against members of Hungary’s Roma community in 2008 and 2009 have been re-opened, with a focus on investigators‘ failures and potential wrongdoing in the case.

Pressure put on Hungary’s government by human rights activists and lawyers has apparently worked. Hungary’s National Bureau of Investigation (NNI), the country’s central police investigation office primarily dealing with terrorism and other national security threats, is reopening its investigation into a series of Roma killings that took place in 2008 and 2009. One or more suspected conspirators remain free.

During the two-year murder spree, right-wing extremists undertook nine arson attacks and other crimes, resulting in six deaths. In addition, 55 people, nearly all of whom were Roma, suffered life-threatening and other injuries. A handful of suspected murderers were apprehended in August 2009, and their trial began in early 2011. Recently, in early August, they were sentenced. Three received life in prison, and an accomplice was sent to prison for 13 years. Each of them has since appealed the rulings. Continue reading New investigations, compensation for Roma murders in Hungary

„We are Champions, too! Roma und Sinti im Sport“

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit laden wir Sie herzlich zu der Tagung „We are Champions, too! Roma und Sinti im Sport“ am Freitag, 27. September 2013, 10 Uhr im NS-Dokumentationszentrum, Köln ein.

Sport bietet vielfältige Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Inklusion von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Gleichzeitig ist der Sport aber ein Bereich, in dem sich Rassismus und Antiziganismus in unterschiedlichen Dimensionen entfalten. Sie reichen von weit verbreiteten Vorurteilen über neonazistische Hetzparolen bis hin zur Gewalt. Welche Wechselwirkungen zwischen der Mitte der Gesellschaft und dem „rechten Rand“ finden sich im Sport? Welche Ausgrenzungsmechanismen gegen die Minderheit werden sichtbar, und was sind die Hintergründe? Wie gehen Minderheiten damit um? Welche positiven Vorbilder gibt es im Sport, und welche Funktion kann er für die Identitätsbildung und Selbstbehauptung von Sinti und Roma einnehmen? Diese und andere Fragen sollen auf der Tagung diskutiert werden. Die Veranstaltung richtet sich an MultiplikatorInnen aus Sport, Vereinen, Schulen, Politik, Verwaltung, Bildungs-, Sozialarbeit, Wissenschaft, Medien und an die interessierte Öffentlichkeit.

Um eine verbindliche Anmeldung bis zum 18. September 2013 per Brief, E-Mail oder Fax wird gebeten:

NS-Dokumentationszentrum/Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus
Appellhofplatz 23-25
50667 Köln
[email protected]
Telefon: 0221/221-26332
Telefax: 0221/221-25512
Ansprechpartner: Hans-Peter Killguss

Weitere Informationen finden Sie im angehängten

NPD-Hetze gegen Roma: Zentralrat fordert Verbot

Seit Wochen warnen Innenpolitiker vor “Armutsflüchtlingen” aus Bulgarien und Rumänien. Die NPD ist längst auf diesen Zug aufgesprungen, hetzt gegen “kriminelle Zigeuner” und fordert auf Wahlplakaten, kein Geld für Roma zu zahlen. Auch Pro Deutschland geht gegen “Zigeuner” auf die Straße. Der Zentralrat der Sinti und Roma fordert derweil die Regierung zum Handeln gegen die Hetze auf.

In einem Schreiben an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, von der Bundesregierung gesetzliche Schritte zum Verbot diskriminierender Wahlwerbung gefordert. Es müsse im Bundeswahlgesetz und den Wahlgesetzen der Länder eine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür geben, dass künftig Wahlwerbe-Mittel wie Plakate, Flyer u.a., die sich gezielt gegen Minderheiten richten und sie pauschal aufgrund der Abstammung diskriminieren, auf Kosten der Betreiber unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden, forderte der Zentralrat.

Der Zentralratsvorsitzende hob in seinem Schreiben hervor, dass in Anbetracht des hohen Gutes der Meinungsfreiheit gerade in Wahlkämpfen klare Maßnahmen vorgesehen werden müssten, wenn – wie hier – die Grenzen demokratischer und sachlicher Auseinandersetzungen überschritten werden. Es könne über 60 Jahre nach dem Holocaust nicht mehr zugelasssen werden, dass Angehörige einer Minderheit aufgrund ihrer bloßen Abstammung gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Der Zentralratsvorsitzende betonte, dass derart rechtsstaats-feindliche Parteien und Praktiken in Deutschland keinen Platz mehr haben dürften.

Sinti und Roma sähen sich bei den derzeitigen Wahlkämpfen in Bund und Ländern einer Hetzkampagne durch die NPD und verwandte Gruppen („Pro NRW“) ausgesetzt, die es in diesem Ausmaß bisher nicht gab, schrieb Rose. Bundesweit würden Sinti und Roma tausendfach mit Plakaten und Flugblättern bedroht und diffamiert („Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“, „Zigeunerflut stoppen!“ mit der Abbildung von Waffen, wie Pistole und Messer). Der Zentralrat habe in den letzten Tagen hunderte von Anrufen besorgter Sinti- und Roma-Familien aus ganz Deutschland erhalten, die wegen der entsprechenden NPD-Plakate, die auf den Schulwegen ihrer Kinder gerade in den kleineren Orten massiv plakatiert sind, emotional aufgebracht und unmittelbar betroffen sind. Diese öffentliche Aufhetzung durch die NPD löse bei den älteren Menschen, die den Holocaust überlebt haben, wieder massive Ängste aus, erklärte der Zentralratsvorsitzende. Bisher seien auch nach den vielen erstatteten Strafanzeigen die Behörden nur in einem einzigen Ausnahmefall tätig geworden, ansonsten herrsche eher Hilfslosigkeit und Unsicherheit vor. Aufgrund des volksverhetzenden Charakters dieser Wahlwerbung seien schon jetzt rechtliche Schritte zum Einschreiten möglich und erforderlich, schrieb Rose an die Bundesjustizministerin.

Derweil versucht “Pro Deutschland” weiter, von der Stimmung gegen Sinti und Roma zu profitieren. In Duisburg wollten die Rechtsradikalen heute aufmarschieren. Etwa 200 Menschen demonstrierten gegen die rassistische Hetze.

Quelle: Publikative.org
Stand: 29.08.2013

„Tschechische Löwen“ marschieren gegen Roma

Nicht nur in Berlin und Duisburg machen Nazis gegen Roma mobil – auch in der Tschechischen Republik mobilisierte die extreme Rechte in den vergangenen Wochen zu antiziganistischen Aufmärschen.

Nach den wöchentlichen romafeindlichen Pogromen in Nordböhmen vom Sommer 2011 (siehe z.B. http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/antiziganistische-pogrome-tschechien) marschieren auch in diesem Sommer tschechische Nazis gegen den angeblichen „schwarzen Rassismus“ von Roma auf.

Gleich acht (teilweise nicht angemeldete oder genehmigte) Aufmärsche fanden am vergangenen Samstag statt. Die Kameradschaftsszene des „Svobodný odpor“ („Freier Widerstand“) hatte zu einem „Aktionstag gegen Zigeunerterror, Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit“ aufgerufen. Landesweit gingen rund 2.500 Neonazis teilweise gemeinsam mit Bürger_innen gegen Roma auf die Straße.

700 Teilnehmende hatte allein der Aufmarsch im mährischen Ostrava (Ostrau); hier lieferten sich Nazis, die das Romaviertel angreifen wollten, heftige Straßenschlachten mit der Polizei, die Einsatzkräfte standen den Flaschen- und Steinwürfen zeitweise hilflos gegenüber. Genehmigt war der Aufmarsch nicht, da parallel bereits drei antirassistische Veranstaltungen angemeldet waren, wurde den Nazis lediglich eine Kundgebung zugestanden worden. 60 Rechte wurden schließlich festgenommen.

Nach Ostrau hat die erst im Juli gegründete Gruppe „Češti lvi“ („Tschechische Löwen“) um die bekannten Neonazis Pavel Sládek Matějný und Jiří Šlégr mobilisiert. Anfang des Jahres waren sie aus der extrem rechten „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“, DSSS) ausgetreten.

Weitere Aufmärsche und Kundgebungen gab es auch in Pilsen, Duchcov (Dux), Jičín (Jitschin), Brno (Brünn), Děčín (Tetschen), Varnsdorf und České Budějovice (Budweis).

In Budweis hatte es bereits im Juni antiziganistische Ausschreitungen gegeben, als an mehreren aufeinanderfolgenden Wochenenden jeweils hunderte Nazis ein hauptsächlich von Roma bewohntes Viertel angriffen. Auch am vergangenen Samstag musste die Polizei rund 80 Teilnehmende daran hindern, nach dem Aufmarsch noch in besagtes Viertel zu ziehen.

Zum Aufmarsch in Dux hat die DSSS mobilisiert. Auch dort gab es bereits im Juni einen Aufmarsch von Nazis und Bürger_innen gegen Roma, der in einem Angriff des Mobs auf eine antirassistische Kundgebung endete.

Auch in Budweis, Dux und Pilsen gab es Festnahmen. Erst nach 19:00 Uhr hatte sich der Polizei zufolge die Situation in allen Städten wieder beruhigt. In Dux soll es in der Nacht auf Sonntag noch Provokationen von Neonazis vor einem von Roma bewohnten Haus gegeben haben.

Der Ostrauer Oberbürgermeister Petr Kajnar glaubt nicht, dass Bewohner_innen der Stadt an den Angriffen beteiligt waren. Gegenüber dem Radiosender Český rozhlas sagte er: „Ich denke nicht, dass in Ostrau selbst eine besonders angespannte Lage herrscht. Die Rechtsradikalen sind von außerhalb hierhergekommen.“ Kajnars Vermutung deckt sich nicht mit den Einschätzungen der tschechischen Behörden. In seinem jüngsten Vierteljahresbericht attestierte der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS, die „Normalbürger“ seien ein größeres Sicherheitsrisiko als die „Extremisten“.

Für den Herbst und Winter haben die „Tschechischen Löwen“ bereits weitere Aufmärsche angekündigt.

Quelle: Publikative.org
Stand: 28.08.2013

Stellungnahme zu den Ereignissen des 23. August in Duisburg-Rheinhausen

Aufgrund der Ereignisse des gestrigen Abends (23.08.2013) im Umfeld des Duisburger Stadtteils Rheinhausen erfolgt hier eine Stellungnahme, die das Geschehene versucht aufzuarbeiten und in den Kontext der antiromaistischen Stimmung – gegen die Häuser In-den-Peschen 3-5 – einzubinden. Hinzu kommt, dass die bisherige Berichterstattung einseitig, die Situation verkehrend und gespickt mit Falschinformationen ein fiktives Szenario erzeugt hat, welches den realen Ereignissen nicht entspricht, sich jeder journalistischen Verantwortung entzieht und die rassistische Stimmungsmache gegen die Roma-Gruppen In-den-Peschen noch verstärkt hat.

Selbstpositionierung
Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass >wir< aus einer privilegierten, weiß-deutschen Perspektive sprechen und daher nicht für die Betroffenen sprechen können und in unserer Wahrnehmung eingeschränkt sind. Dies gilt insbesondere für diesen Artikel, da wir bis jetzt noch nicht mit den Betroffenen über die letzte Nacht gesprochen haben. Wir bedauern, dass wir damit Gefahr laufen die Betroffenen als unsichtbar zu markieren.

Nach unserem derzeitigen Wissensstand haben sich die Ereignisse wie folgt zugetragen:
Gestern fand – aufgrund der hohen Teilnehmer*innen-Anzahl von etwa 70 Bürger*innen vor den Räumlichkeiten der „Bürger für Bürger“-Bürgerinitiative auf der Brahmstraße 4a – und nicht wie von der WAZ genannt in einem Gebäude auf der Beethovenstraße – zwischen 18:00 und 21:00 Uhr eine „Diskussions-Runde“ für Bürger*innen statt.
Im Laufe der Veranstaltung zeichnete sich das antiromaistische Potenzial einer Mehrheit der Beteiligten ab und führte zu einer Art rassistischem Grundkonsens in welchem sich die eben genannten Menschen fortwährend gegenseitig bestätigten und die Situation weiter anheizte. Gegenpositionen, die sich für die In-den-Peschen-Bewohner*innen aussprachen wurden häufig unterbrochen, beleidigt und bedroht. Nicht zuletzt war die allgemeine Stimmung außerordentlich aggressiv aufgeladen, wodurch eine ziel-führende und differenzierte Diskussion unmöglich wurde.
Unter den Anwesenden befanden sich auch bekannte Neonazis und Mitglieder der rechts-populistischen Partei Pro-NRW. Die genaue Intention der Veranstaltung blieb unklar. Continue reading Stellungnahme zu den Ereignissen des 23. August in Duisburg-Rheinhausen

Pogromstimmung in Duisburg Rheinhausen

Pro-NRW und andere Neonazis bei Diskussionsveranstaltung in Rheinhausen – eine Gegendarstellung von Augenzeug_innen

Duisburg – Schon seit der letzten Nacht gehen im Internet Gerüchte um, was genau gestern Abend seit 18 Uhr bei und nach der Diskussionsveranstaltung des Vereins „Bürger für Bürger e.V.“ in der Brahmsstraße 5a geschehen ist. Auch die WAZ veröffentlichte eine Darstellung der Ereignisse, die aus unserer Perspektive vollkommen haltlos ist. Wir waren selbst vor Ort und hoffen im folgenden einiges klarstellen zu können.

Die Veranstaltung von „Bürger für Bürger“ wurde von ca. 100 Menschen besucht, ein großer Teil hiervon wohl Anwohner_innen des Stadtteils Rheinhausen. Die Veranstaltung musste aufgrund des großen Andranges auf die Fläche vor dem Vereinsheim verlegt werden. Ralf Karling vom Verein Bürger für Bürger moderierte die Veranstaltung, der Frau Pater (Stadt Duisburg) und Herr Aksen (ZoF) als Diskussionspartner beiwohnten. Bereits in der Anmoderation wurde von Menschen gesprochen, die „kulturell nicht hierher passen“ (R. Karling) würden. Damit war eine Schlagrichtung vorgegeben, welche die ganze Veranstaltung über nicht mehr verlassen wurde und in großen Teilen von rassistischen und antiromaistischen Stereotypen geprägt war. „Die sehen alle gleich aus.“, „Die wollen doch alle gar nicht arbeiten.“, „Türken werden abgeschoben, die aber nicht, warum?“ sind nur einige der Zitate, die mühelos mehrere Seiten füllen könnten. Eingegriffen wurde seitens der Moderation und auch der Vertreter_innen von Stadt und ZoF nicht. Von deren Seiten wurde stets betont, dass man „leider“ keine rechtliche Handhabe habe, und die Menschen nicht abschieben könne, diese EU- Bürger_innen seien. Kritische Beiträge sind immer wieder angestimmt worden, hatten es aber schwer, da diese durch Lautstärke verunmöglicht wurden. Buhrufe und dergleichen mehr gehörte zum Standardrepertoire der anwesend Bevölkerung. Unter denen befanden sich auch Mitglieder der Partei „Pro NRW“ , welche die Diskussion durch Beiträge
immer wieder dominierten. Insgesamt war die Stimmung sehr aufgeheizt und eine sachliche Diskussion nicht möglich. Teilweise wurden Menschen, die als Andersdenkende wahrgenommen wurden, bedroht und körperlich angegangen. Während der Veranstaltung sammelten sich einige offensichtlich rechtsradikale Menschen. Sie zeigten während ihres Auftretens einen Hammer und beteiligten sich vor allem durch Zwischenrufe, welche die Stimmung zusätzlich anheizten und die Hetze gegen die Bewohner_innen weiter verstärkte. Nach dem Ende der Diskussionsveranstaltung verließen die meisten Menschen den Platz vor dem Vereinsheim. Dies taten auch einige, den Bewohner_innen der Häuser „in den Peschen 3-5“ gegenüber solidarische Menschen. Diese machten sich sodann auch auf den Weg vom Veranstaltungsort weg. An der Trinkhalle an der Ecke Beethoven-/Brahmsstr. hatten sich inzwischen ca. 10 Rechtsradikale versammelt. Kurz danach kam es zu einer Hetzjagd, bei der kritische Teilnehmer_innen der Diskussionsveranstaltung von Rechtsradikalen verfolgt und bedroht wurden. Schlussendlich konnten sich diese nur dadurch retten, dass ein_e Bürger_in die Not erkannt hat und die Haustür öffnete. Die weiteren Geschehnisse an der Trinkhalle konnten wir nicht beobachten, da wir zu diesem Zeitpunkt schon abgereist waren. Als Folge der Vorkommnisse rückte die Polizei mit einem, Großaufgebot an, aber nicht, um endlich die Bewohner_innen der Häuser „in den Peschen 3-5“ effektiv zu schützen, was ihre Aufgabe wäre, sondern um nach vermeintlichen Gewalttäter_innen Ausschau zu halten. Dabei drangen diese in Wohnungen ein und verletzten ein Kind und sorgten für einen Nervenzusammenbruch bei einer hochschwangeren Frau.

Die Vorfälle gestern haben bereits ein großes mediales Echo hervorgerufen. Die Anwohner_innen in Rheinhausen und die momentane mediale Berichterstattung fangen allerdings mit „zweitens“ an. Nicht gesagt wird, dass seit gut einem Jahr Stimmung gegen die Bewohner_innen der Hochhäuser gemacht wird, die stark von Anwohner_innen getragen wird. Eine der ersten sichtbaren Aktionen war das Verteilen von Flyern mit der Aufschrift „Zigeuner raus“, die die Vertreibung der Zugewanderten aus Rheinhausen forderte. Dem folgten immer wieder rassistische Kommentare in Zeitungen und Fernsehsendungen sowie „Klagen“, die Anwohner_innen wären die ‚Opfer der Zuwanderung‘ im Stadtteil. Nicht zur Sprache kommen hierbei allerdings die miserablen Wohnverhältnisse der Bewohner_innen „In den Peschen 3-5“, deren Flucht vor Diskriminierung in den Herkunftsländern, und auch nicht die tägliche rassistische Stimmung im Viertel. Mitte August entlud sich diese zunächst im Netz auf einer Facebook-Seite, in der aufgebrachte Bürger_innen unter anderem das Abbrennen des Hauses forderten und unterstützten. Nach diesen Morddrohungen fuhren in den folgenden Nächten mehrfach Neonazis in Autos am Haus vorbei und bedrohten die Bewohner_innen. Das versetzte sie in Angst um ihre Kinder und ihr Wohlbefinden. Diese gesamte Situation der Hetze und Bedrohung gegen die Bewohner_innen in den Hochhäusern, als „erstens“ der Chronologie, darf nicht vergessen werden, wenn man die Reaktionen auf die
Vorfälle gestern kritisch einordnen will. In Duisburg-Rheinhausen darf nicht über Anwohner_innen als ‚Opfer der Zuwanderung‘, sondern muss über Antiromaismus, rassistische Stimmungsmache und alltäglichen Rassismus gesprochen werden!

In der augenblicklichen Situation erscheint es uns völlig unangebracht, eine so konzipierte Veranstaltung durchzuführen. Es ist nicht nachvollziehbar, wie man eine Diskussionsveranstaltung ansetzen kann, ohne daran zu denken, die Betroffenen selber zu Wort kommen zu lassen. Andererseits wäre es vollkommen unzumutbar bei einer solchen progromartigen Stimmung vor der wütenden Masse zu sitzen und sich verteidigen zu müssen.

Quelle: Indymedia
Stand: 24.08.2013