Diskriminierung an Schulen und bei Behörden, erschreckende Bildungssituation. Die von der Amadeu Antonio Stiftung mitgeförderte Studie zur aktuellen Bildungssituation von Sinti und Roma zeigt, welche fatalen Auswirkungen Diskriminierung hat.
„Die Studie zeigt, dass das allgemeine Menschen- und Bürgerrecht auf Bildung nicht im vollen Umfang für deutsche Sinti und Roma gilt“, sagt Daniel Strauß, Geschäftsführer von RomnoKher und Herausgeber der Studie „Studie zur aktuellen Bildungssituation deutscher Sinti und Roma“. RomnoKher ist gGmbH ist eine Dachorganisation vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg, der Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V. und der Freudenbergstiftung.
Die Studie hat erschreckende Ergebnisse. Sie zeigt, dass Sinti und Roma die Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus‘ bis in die heutigen Generationen traumatisch belastet. Umso empörender ist es, dass das Leiden von Sinti und Roma im Nationalsozialismus und die bis heute fortwirkende Diskriminierung wenig aufgearbeit bis völlig ignoriert wird. Beispielhaft dafür ist das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma, das in Berlin schon seit Jahrzehnten geplant wird. Bisher ist es noch immer eine Baustelle. Continue reading „Diese Ergebnisse kann man nicht ignorieren“
Category Archives: Analyse und Kritik des Antiziganismus
Gyspy scare stories given Jewish makeover
A group campaigning for the rights of Britain’s traveller communities has set up a website substituting the word gypsy in „blatantly racist“ headlines with the word Jew.
The Dale Farm Solidarity group built Jewify to raise awareness of the „official institutions, mainstream politicians, or newspapers openly espousing…racism against Gypsies“.
The site allows users to see what newspaper articles would look like if their subject was the Jewish people. A 2008 story in the Express about politician Tessa Jowell’s reaction to a gypsy camp near her house was altered to read: „Anger at Jewish invasion near Jowell’s retreat“.
A Mirror story from earlier this headlined was given the new headline: „Jews lose driving licences for allegedly paying people to pass tests for them“.
According to the creators, while „racism of many kinds, including antisemitism, is alive and well“ in the UK, it only remains socially acceptable when directed at Travellers and Roma people.
Referring to the Daily Mail’s coverage of Oswald Mosley and the fascist movement in the 1930s, the creators added: „Whipping up fear against Travellers and other racial minorities is nothing new for [them].
„But when the blackshirts tried to march through Jewish neighbourhoods in the East End of London, anti-fascists rallied in defence of their Jewish neighbors.„We say again, No Pasaran! They shall not pass.“
Quelle: CFCA
Stand: 04.05.2011
Unter der Flagge der »Ordnung« gegen die Roma
Ungarische Oppositionelle über die rechte Bewegung und den Antiziganismus in ihrem Land
Das Dorf Gyöngyöspata war in den vergangenen Wochen Brennpunkt der Konflikte zwischen ungarischen Rechtsextremen und Roma. Aus Angst vor uniformierten Bürgerwehren flohen hunderte Roma zeitweilig in andere Orte. Ungarns Parlament hat die Aktionsmöglichkeiten der Rechtsradikalen jüngst eingeschränkt, ohne die Bürgerwehren grundsätzlich zu verbieten. Oppositionelle sehen das Problem jedoch dadurch nicht gelöst.
Wir sind in Budapest, im Stadtteil Józsefváros (Josephstadt). Das Interview mit Aladár Horváth, dem ehemaligen Vorsitzenden der Stiftung für Roma-Bürgerrechte, und dem methodistischen Prediger Gábor Iványi findet an der Theologischen Hochschule John Wesley statt. Vor dem Zweiten Weltkrieg wohnten in Józsefváros sehr viele, in der Regel ärmere jüdische Familien. Während des Holocaust wurde ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung aus Józsefváros deportiert oder gleich an Ort und Stelle getötet. Danach wurden dort Roma aus den Dörfern für die Fabrikarbeit angesiedelt. Continue reading Unter der Flagge der »Ordnung« gegen die Roma
Kampf gegen Roma-Klischees
Viele blicken dieser Tage ob rechtsradikaler Tendenzen besorgt nach Ungarn. Doch derlei Hetze betreibe nur eine Minderheit, sagt Erika Horváth. Die erste ungarische „Roma-Diplomatin“ tritt vehement für den Ausbau von Bildungsprogrammen zur Integrationsförderung ein.
Viele blicken dieser Tage ob rechtsradikaler Tendenzen besorgt nach Ungarn. Doch derlei Hetze betreibe nur eine Minderheit, sagt Erika Horváth. Die erste ungarische „Roma-Diplomatin“ tritt vehement für den Ausbau von Bildungsprogrammen zur Integrationsförderung ein.
Schadwinkel, König, Wragge: József Czukor, Ungarns Botschafter in Berlin, nennt Sie die erste Roma-Diplomatin Ungarns. Sind Sie damit einverstanden?
Erika Horváth: Das stimmt nicht so ganz. Es gibt mehrere Roma im ungarischen Staatsdienst, auch im Aussenministerium.
Schadwinkel, König, Wragge: Aber sind Sie persönlich mit dieser Formulierung glücklich? Continue reading Kampf gegen Roma-Klischees
Redebeitrag zu der Reutlinger „Rock gegen Rechts“-Demo am 12. Mai 2011
Im Folgenden schildern wir das das Schicksal der Familie Reinhardt aus Reutlingen. Es steht stellvertretend für die hunderttausenden von den Nazis ermordeten Sinti und Roma. Es zeigt auch das es hier vor unserer Haustüre passiert ist.
Das Schicksal der Familie Reinhardt aus Reutlingen
Wir stehen hier am Gerbersteg vor dem so genannten „Zigeunerhäusle“ an der Echaz. Seit dem Jahr 1926 lebten Anton Reinhardt, Jahrgang 1895, und Katharine Reinhardt, Jahrgang 1892, in diesem Haus am Willy-Brandt-Platz 21 bzw. Gerbersteg in Reutlingen. Die Reinhardts waren Sinti eine Bevölkerungsgruppe deutscher Roma, die seit 600 Jahren im deutschsprachigen Raum lebt.
Anton Reinhardt war Musiker, Geigenbauer und -händler. Er siedelte sich in den 1920er Jahren in Reutlingen mit seiner Familie an. Zuerst noch in einem Wohnwagen, zog die achtköpfige Familie ab Anfang 1926 in das kleine Haus in der damaligen Lederstraße 34, wo sie bis zu ihrer Deportation 1943 lebten. Den Sommer über gingen die Reinhardts auf Reisen und verkauften Geigen und Spitzen aus dem Erzgebirge, nebenberuflich arbeitete Anton Reinhardt als Musiker. Continue reading Redebeitrag zu der Reutlinger „Rock gegen Rechts“-Demo am 12. Mai 2011
Am Rand im Abseits
Lustige Musikanten oder Kriminelle: Über Sinti und Roma wird stereotyp berichtet. Auch Straßenzeitungen, die dagegen angehen wollen, sind überfordert.
Politisch, engagiert und mit dem Blick für die Ausgegrenzten: Bastian Pütter leitet im Ruhrgebiet eine besondere Redaktion. Bodo, das Straßenmagazin. Seine Leute berichten über das Abseitige, für die gute Sache. Aber mit einem kommt Bastian Pütter nicht klar: Wie soll er damit umgehen, dass auf der Straße ein harter Kampf stattfindet, der mitten unter Ausgegrenzten spielt?
In der Nähe seiner Dortmunder Redaktion lag neulich ein abgetrennter Pferdefuß vor einer Haustür. Eine Frau hatte das blutige Fleisch dort abgelegt. Weil sie dachte, damit könnte sie Menschen abschrecken, die ohnehin bereits eine lange Verfolgungsgeschichte haben: Roma. In Dortmund, sagt Pütter, sei das ein Riesenthema. „Wir haben eine völlig überforderte Stadtgesellschaft, die sich auch in den Medien offen rassistisch äußert.“ Pütter will dagegen angehen. Aber wie? Denn auch die Straßenzeitungen, die hinschauen müssten, sind völlig überfordert.
Da haben sie etwas gemein mit vielen Tageszeitungen: Auf der Skala der anhaltendsten Diskriminierungen steht die Minderheit der Sinti und Roma ganz oben. „Beschwerden über den medialen Umgang mit Sinti und Roma beschäftigen den Presserat in jeder seiner Ausschusssitzungen“, heißt es beim Deutschen Presserat. „Über Roma wird sehr, sehr stereotyp berichtet: Entweder werden sie als lustige Musikanten oder als Kriminelle dargestellt“, sagt Hamze Bytyci, Vorsitzender des interkulturellen Roma-Jugendnetzwerks Amaro Drom in Berlin. Continue reading Am Rand im Abseits
Vaterlandslose Gesellen
Stereotyp und Bedrohung: Wie sich die Mehrheitsgesellschaft ihre „Zigeuner“ erschaffen hat
Der Antiziganismus-Forscher Markus End erläutert im Gespräch mit dem Pester Lloyd aktuelle Gründe und historische Hintergründe des Hasses auf Roma und wie sich die Mehrheitsgesellschaft „ihre Zigeuner“ selbst gebastelt hat. Roma-feindliche Einstellungen sind zwar kein ungarisches, sondern ein europäisches Problem.Doch in Ungarn sind Stereotype und Chauvinismus besonders deutlich, sozusagen lehrbuchhaft, erkennbar. Einen einfachen Ausweg daraus gibt es nicht.
Es ist ein bisschen stiller geworden um die Roma-feindlichen Zustände in Ungarn, seit die spektakulären Morde mit der Festnahme der Verdächtigen anscheinend ein Ende genommen haben. Vorurteile und Hass gegen Roma bleiben jedoch an der Tagesordnung. In einer Umfrage durch die EU 2008 halten 90 % der ungarischen Roma ihre Diskriminierung in Ungarn für weit verbreitet und im europäischen Vergleich für am Ausgeprägtesten. Die Roma-feindlichen Einstellungen sind jedoch kein ungarisches, sondern ein europäisches Problem, denn sie gehören zur gesamteuropäischen Geschichte und Gegenwart.
Um dieses so weitläufige Phänomen angemessen zu beschreiben, spricht die soziologische Forschung daher seit neuestem von „Antiziganismus“. Über die Ursachen dieses Antiziganismus besteht noch längst keine Einigkeit. Markus End jedenfalls, der sich derzeit als Doktorand am Zentrum für Antisemitismusforschung (TU Berlin) mit dem Thema beschäftigt und den Sammelband „Antiziganistische Zustände“ mitherausgegeben hat, sieht diese in den Grundstrukturen der europäischen Tradition selbst begründet: Nationalismus und Arbeitsethos. Weshalb sich das Problem hartnäckiger hält, als einem lieb sein kann… Continue reading Vaterlandslose Gesellen
Antiziganistische Symbollehre: Der Besen vor der Tür
Ähnlich wie der Antisemitismus besitzt auch der Antiziganismus eine christliche Traditionslinie. Dabei wurden Sinti und Roma von der Mehrheitsbevölkerung häufig in die Nähe des Teufels gerückt. Der kritische Historiker Wolfgang Wippermann [1] führt aus:
Verteufelt wurden neben den Juden und den hier unbedingt zu erwähnenden Hexen jedoch auch die Sinti und Roma. Anlaß und Beweis dafür war einmal die Hautfarbe der Sinti, die von den Chronisten als schwarz“ angegeben wurde. Schwarz galt nicht nur als häßlich und abscheulich, sie war auch die Farbe des Teufels. Den als abscheulich“ und schwarz“ bezeichneten Sinti wurde zusätzlich unterstellt, wie die Juden und Hexen geheime Kontakte mit dem Teufel zu unterhalten, von dem sie gewisse teuflische Fähigkeiten erworben hätten. Dazu wurde das Wahrsagen und Aus-der-Hand-Lesen sowie allerlei Schadenszauber gerechnet, durch den Sinti die Ernte der Bauern vernichten und ihre Scheunen und Häuser verbrennen könnten.
Gegen die „teuflischen Zigeuner“ halfen dem Aberglaube nach bestimmte (magische) Rituale wie der „Zigeunerbesen“. Wippermann [1]:
Er stammt aus dem mittelalterlichen Hexen- und Teufelsglauben, wonach Hexen vom Teufel die Fähigkeit hätten, auf Besen durch die Lüfte zu reiten, um sich dann auf dem Blocksberg mit dem Teufel zu paaren. Genau wie man Vampire mit Kruzifixen in Schach hält, wollten die guten norddeutschen Kaufleute die Sinti und Roma mit dem teuflischen Besen-Symbol abschrecken. Der Erfolg dieser Aktion war jedoch mäßig. Verschiedene Sinti und Roma hielten die Zigeunerbesen“ für Sonderangebote und fragten nach ihrem Preis.
Ironischerweise ist der Beruf der Besenmacher ein Beruf, der traditionell von Roma häufig ausgeübt wurde.
Alles Geschichte? Der mittelalterliche Brauch des „Zigeunerbesen“ lebt bis heute fort.
Zum Beispiel Rostock 1992
Es war im Sommer 1992 als sich Anwohnerinnen und Anwohner in Rostock-Lichtenhagen durch die Überbelegung eines Wohnheims durch zumeist osteuropäische Roma gestört fühlten. Daraufhin griffen sie es gemeinsam mit zugereisten Neonazis zwei Nächte hintereinander mit Steinen und Molotowcocktails an (Vgl. Ännecke Winckel: Antiziganismus. Rassismus gegen Roma und Sinti im vereinigten Deutschland, Münster 2002, Seite 90-92).
Der spezielle antiziganistische Gehalt der rassistischen Pogrome wird bis heute leider kaum erwähnt. So wird in der sehr sehenswerten TV-Dokumentation „The truth lies in Rostock“ aus dem Jahr 1993 erwähnt, dass unmittelbar vor Beginn der Gewalttaten ein anonymer Anruf bei der lokalen Zeitung: „Am Sonntag werden wir auf die Straße gehen. […] Die Roma werden aufgeklatscht.“
In der sehr TV-Doku wird auch das Auftauchen der „Zigeunerbesen“ in Rostock unmittelbar vor den Pogromen erwähnt („[…] doch Ladenbesitzer müssen Besen in ihre Fenster stellen, um Ausländer zu vertreiben.“).
Wippermann schreibt zu dem hartnäckigen Fortbestehen des antiziganistischen Brauchs [1]:
Die Zigeunerbesen“-Geschichte bestätigt die These des Philosophen Ernst Bloch, wonach Deutschland ein Land der Ungleichzeitigkeit“ sei. Neben modernen und aufgeklärten gäbe es hier auch ausgesprochen unmoderne und unaufgeklärte Denk- und Verhaltensweisen sowie abergläubische Praktiken. Antiziganistische Vorurteile wie die von den teuflischen Zigeunern“ gehören zweifellos hierher. Dennoch ist der Antiziganismus insgesamt keineswegs nur als Produkt und Erscheinungsform vergangener unmoderner und aufgeklärter Zeiten und Denkformen anzusehen. Aufklärung und Moderne haben ganz im Gegenteil zu seiner Radikalisierung beigetragen.
[1] Wolfgang Wippermann: Antiziganismus – Entstehung und Entwicklung der wichtigsten Vorurteile. „Zwischen Romantisierung und Rassismus“, aus: Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Sinti und Roma. 600 Jahre in Deutschland, 1998
Man in court over ‚anti-Traveller‘ Facebook page
A man has appeared in court in relation to the alleged publication of racist material on the social networking site, Facebook.
Patrick Kissane (27), pictured right, of Knockasarnett, Killarney, Co Kerry, is accused of actions likely to stir up hatred on December 1, 2009.
Judge James O’Connor adjourned the matter at Killarney District Court yesterday until July.
Inspector Martin McCarthy requested the case be adjourned to get the views of the Director for Public Prosecutions because of the unusual nature of the case.
It relates to the setting up of an anti-Traveller Facebook page called ‚Promote the use of knacker babies as bait‘.
The site is understood to have attracted 664 fans before it was removed by Facebook last July following a number of complaints. If the case goes ahead, it will mark the first time that anyone has been brought before the courts for publishing online racism.
Among those who filed the original complaints were members of Pavee Point, the Kerry Travellers‘ Development Group and the Waterford Travellers‘ Development Project.
Quelle: Belfast Telegraph
Stand: 20.04.2011
Die Heimatlosen
40 Jahre Internationaler Tag der Roma
Als Frankreich im Sommer 2010 Hunderte Roma nach Rumänien abschob, war die Kritik groß. So warnten Kirchenvertreter davor, „Minderheiten zu Sündenböcken zu machen“. Inzwischen haben sich die Wellen zwar wieder gelegt – doch das Thema ist noch immer problematisch. Daran erinnert auch der Internationale Tag der Rom.
Roma feiern am Freitag (08.04.2011) den Internationalen Tag der Roma, der sich in diesem Jahr zum 40. Mal jährt. An dem Tag wollten Roma auf die teilweise „beunruhigende und trostlose“ Situation der ethnischen Minderheiten der Sinti und Roma in Europa aufmerksam machen und neue Denkanstöße zur Integration „im Respekt vor der kulturellen Vielfalt“ geben, erklärte der Verein Rom im Vorfeld. In Europa leben nach Angaben des Vereins zehn bis zwölf Millionen Roma und Sinti. Damit seien sie die größte europäische Minderheit ohne eigenes Staatsgebiet. Continue reading Die Heimatlosen