Category Archives: Antiziganismus von Rechts

Ahead of the 70th anniversary of the “Gypsy camp” liquidation at Auschwitz-Birkenau, OSCE/ODIHR Director calls for leaders to speak out against anti-Roma rhetoric, scapegoating

Michael Georg Link, Director of the OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR), speaking ahead of Saturday’s 70th anniversary of the liquidation of the “Zigeunerlager”, or “Gypsy Camp”, at Auschwitz-Birkenau called today on political leaders not only to refrain from scapegoating Roma and Sinti communities, but also to speak out against racist rhetoric in public discourse that can fuel anti-Roma sentiment in society.

“Seventy years after the liquidation of the so-called ‘Zigeunerlager’, where some 23,000 Roma and Sinti were murdered, public discourse still perpetuates old negative stereotypes against these people,” Link said. “In a number of countries in the OSCE region Roma are portrayed as criminals or social outsiders. The crucial role of the media in constructing and perpetuating these negative images has recently been confirmed by a comprehensive study in Germany. These stereotypes must be countered, both to bring justice to the victims of the Roma and Sinti genocide, and to create a better future for Roma today.”

Link underlined the important role of leadership in combatting these attitudes.

“Public figures, and particularly politicians, have a responsibility to lead by example and publicly condemn racist speech targeting Roma and Sinti,” the ODIHR Director said. “The authorities in OSCE participating States should also work to promote non-discriminatory portrayals of Roma and their communities, in order to prevent the perpetuation of negative stereotypes in the media.”

As mandated by the 2003 OSCE Action Plan on Roma and Sinti, ODIHR promotes the official recognition and teaching about the experience of Roma and Sinti during the Holocaust.

“Teaching about the past and the tragedy of the Roma under the Nazi regime is one key to a better understanding their present situation,” Link said. “Roma and Sinti have long suffered from racism and discrimination, and understanding this history is necessary to promote a more tolerant, inclusive society for all.”

Earlier this year, on 2 June, ODIHR hosted an expert meeting on teaching about the Roma and Sinti genocide in the OSCE area, and will publish a report on the subject later this year.

Source: OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights
Date: 01.08.2014

„Adolf hat noch nicht genug von denen umgebracht“

Antiziganismus in Duisburg…

Von Michael Lausberg

Seit der EU-Erweiterung 2007 ist Duisburg so wie auch Dortmund, Berlin, Mannheim und weitere deutsche Städte mit erhöhter Migration aus Bulgarien und Rumänien konfrontiert. Die Zuwander_innen wurden und werden im Diskurs der Mehrheitsgesellschaft homogenisierend meist als (Sinti und) Roma oder in diskriminierender Weise als „Zigeuner“ identifiziert, was in Wirklichkeit nur in manchen Fällen zutrifft. Aufgrund von jahrhundertealten unhinterfragten antiziganistischen[01] Stereotypen wurden und werden sie Opfer von gesellschaftlicher Ausgrenzung. Große Teile der Mehrheitsbevölkerung Duisburgs scheinen aus der jüngeren nationalsozialistischen Vergangenheit wenig gelernt zu haben. Noch vor 80 Jahren sollte nach Vorbild der nationalsozialistischen „Rassenlehre“ Duisburg „zigeunerfrei“ werden.[02]

Antiziganistische Vorurteile wie Nomadentum, Kriminalität, Primitivität, Faulheit usw. entstanden in den vergangenen Jahrhunderten und werden seitdem wie ein „kultureller Code“ in der Gesellschaft von Generation zu Generation weiter tradiert. Wissenschaftliche Studien belegen, dass antiziganistische Einstellungsmuster nicht nur von Anhänger_innen der extremen Rechten vertreten werden, sondern fest verankert in der deutschen Gesellschaft sind.

In einer von der Universität Leipzig untersuchten Verbreitung extrem rechter Einstellungen in der so genannten „Mitte der Gesellschaft“ im Jahre 2014 bejahten 55,4% die Aussage „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten“.[03] 47,1% forderten, Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden. 55,9% waren der Auffassung, Sinti und Roma neigen zur Kriminalität. Aus einer 2011 durchgeführten Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit geht hervor, dass über 40 Prozent der Bevölkerung antiziganistisch eingestellt ist.[04] Diese Einstellungsmuster sind für eine demokratische Republik, die die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz im Grundgesetz festgeschrieben hat, mehr als beschämend.

Antiziganistischer Hass von der alltäglichen Herabwürdigung bis zur physischen Bedrohung gehört zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Hier wird nun speziell auf die Ereignisse in Duisburg bis zum Frühjahr 2014 in Duisburg eingegangen. Continue reading „Adolf hat noch nicht genug von denen umgebracht“

Roma-Morde in Ungarn: Hass statt Gedenken

Fünf Jahre ist die grausame Mordserie in Ungarn her – sechs Roma starben damals. Doch viele würden die rechten Gewalttaten am liebsten vergessen. Im Wahlkampf nutzen Politiker den Fremdenhass für ihre Zwecke.

Die Täter kamen kurz nach Mitternacht. Sie hatten sich durch ein Maisfeld angeschlichen, dann weiter durch den Garten. Nirgends brannte noch Licht, alle Bewohner schienen zu schlafen. Der Angriff dauerte kaum mehr als eine Minute. Die beiden Täter traten die Tür des Hauses ein, einer ging in den vorderen Raum und schoss mit seiner Schrotflinte auf die schlafende Frau. Der andere, im hinteren Raum, feuerte auf das Mädchen. Einige Nachbarn hörten die Schüsse. Sie dachten, jemand spiele mit Böllern. Im Morgengrauen fand eine Verwandte Mutter und Tochter in Blutlachen.

Kisléta, ein kleines ostungarisches Dorf, war am 3. August 2009 der Schauplatz des letzten Mordes einer Anschlagsserie. Rechtsterroristen töteten binnen eines Jahres sechs Roma, darunter einen vierjährigen Jungen. 55 Menschen wurden verletzt, teils lebensgefährlich. Drei Wochen später wurden vier fanatische Rechtsextreme in der ostungarischen Stadt Debrecen gefasst. Continue reading Roma-Morde in Ungarn: Hass statt Gedenken

Grüne fordern klare Signale gegen Roma-Hetze in der Silberhöhe

Die grüne Stadtratsfraktion fordert klare Signale gegen die rechtspopulistische Hetze gegenüber den aus Ost- und Südosteuropa zugezogenen Menschen in der Silberhöhe. Deshalb unterstütze die vorgesehenen Aktionen vom „Halle gegen Rechts – BÜNDNIS für Zivilcourage“.

Die geplanten Aufklärungsmaßnahmen und auch die von der Stadtverwaltung angekündigte Veranstaltung vor Ort könnten dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und langfristig ein gutes Zusammenleben zu ermöglichen, meint Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt, Stadträtin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

“Natürlich müssen konkrete Beschwerden grundsätzlich ernst genommen und überprüft werden. Allerdings gibt es laut aktuellen Mitteilungen von Stadtverwaltung, Polizei und HWG – entgegen der aufgestellten Behauptungen – gar keine signifikante Häufung bei Lärmbelästigungen, Diebstählen und Vermüllungen.” Man kritisiere ausdrücklich die Art und Weise wie Bewohner der Silberhöhe durch Facebook-Gruppen und ähnliches Stimmung gegen die
zugezogenen Menschen machen. “Diese trägt Züge menschenverachtender Hetze gegen Minderheiten, bedient lediglich Vorurteile und rassistische Stereotypen, bietet eindeutig Rechtsradikalen eine Plattform und wird bestehende Konflikte nur verschärfen. Notwendig wäre es stattdessen, sich vorurteilsfrei mit der Situation zu beschäftigen und in einen Dialog mit den Menschen einzutreten und jeglichen Formen von Rassismus, Antiziganismus und sonstiger gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit klar und eindeutig entgegenzutreten.”

Begrüßt wird von den Grünen zudem, dass die Strafverfolgungsbehörden unmittelbar nach Auftreten der rechtsradikalen Schmierereien vor Ort Ermittlungen aufgenommen haben.

Quelle: Halle Spektrum
Stand: 30.07.2014

Roma teen out of coma weeks after vigilante attack in France

A Roma teenager who was left struggling for his life after being brutally beaten by vigilantes in France has emerged from his coma and is talking, his lawyer said Sunday.
Gheorghe, who was initially mistakenly referred to as Darius when the incident took place last month, “is very well,” Julie Launois-Flaceliere told AFP. “He has emerged from his coma and his life is no longer in danger. He talks and recognizes his family, it’s very positive.” The 17-year-old was dragged into a basement in the Paris suburb town of Pierrefitte-sur-Seine on June 13, savagely beaten by a dozen residents of a housing estate who accused him of theft, and left unconscious in a supermarket trolley where he was later found. Suffering from severe brain injuries, Gheorghe was taken to a Paris hospital where he has been treated since the attack. Launois-Flaceliere said it was too early to assess the after-effects of his trauma, but added he appeared to be recovering his memory. A source close to the case said the judge tasked with investigating the incident was able to visit Gheorghe in hospital on Friday. The teenager, who does not speak French, has an interpreter and his hospital room is closely guarded. Gheorghe left Romania for France to join his parents who were already in the country. At the time of the incident, he and his family had only just moved into an abandoned house in the town just north of Paris. On June 13, he was taken by force in front of his parents by a group of assailants angered by a rumor that he had broken into an apartment in a nearby estate. It is unclear how many people beat him up, but more than a month after the incident, no one has yet been detained. Romas have long suffered discrimination across Europe, centuries after migrating there from India. The Nazis killed hundreds of thousands of Roma during World War II, and even now rights organizations have warned of a spike in violence against the community in Europe.

In France, many of the 20,000-or-so Roma come from Romania or Bulgaria in search of a better life, and often end up living in extreme poverty in makeshift settlements with little or no access to basic amenities including water.
These are systematically destroyed under a controversial, official French requirement, forcing the traditionally sedentary population to move on to other settlements. Their presence in illegal camps on the fringes of towns and cities has often spurred controversy in France where they are perceived as being behind a rise in petty crime.

Antiziganismus in Bulgarien: Gewaltexzesse, deren Ursache offiziell geleugnet wird

Die Hetze rechtsextremer Parteien und Organisationen trifft in Bulgarien auf eine jahrhundertelang antiziganistische Tradition. Die Folge: Brutalste Gewaltexzesse gegen Roma sind keine Ausnahmen. Doch die politischen Verantwortlichen verschließen offiziell die Augen vor dem politischen Gehalt der Ausschreitungen.

Die Gründe für die Auswanderung von Roma in Bulgarien vor allem in westliche Staaten der EU, darunter auch die Bundesrepublik, liegen einerseits in der Hoffnung auf bessere ökonomische Perspektiven in den Aufnahmestaaten. Andererseits ist es der manifeste Rassismus der (weißen) Bevölkerungsmehrheit, der ebenfalls für die Emigration verantwortlich ist.

Die Zahl der in Bulgarien lebenden Roma ist schwer zu rekonstruieren. Laut den Angaben der letzten Volkszählung aus dem Jahre 2011 gibt es offiziell 325.000 Roma, was knapp fünf Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Da aber davon auszugehen ist, dass die Befragten aus Angst vor Diskriminierung ihre eigene Identität häufig leugnen, ist eine deutlich höhere Zahl wahrscheinlich. Continue reading Antiziganismus in Bulgarien: Gewaltexzesse, deren Ursache offiziell geleugnet wird

Bedrohliche Anti-Roma-Hetze

Gewalttätige Ausschreitungen von Neonazis gegen Roma in Tschechien finden mitunter Beifall in der Bevölkerung.

Dem aktuellen tschechischen Extremismus-Bericht zufolge ist die Hetze gegen Roma die größte Bedrohung im Land. Aufmärsche und Demonstrationen gegen Roma fanden unter anderem in České Budějovice, Duchcov, Vítkov und Ostrava statt. Die Anti-Roma-Demonstration in České Budějovice (vormals Budweis) im Juni 2013 endete in einer massiven Straßenschlacht. Die Neonazis warfen Pflastersteine, zündeten Müllcontainer an und schoben sie in Richtung der Polizei. Dabei brüllten sie Parolen wie „Zigeuner ins Gas!“ Hunderte Neonazis versuchten ein Pogrom an rund 350 Roma in der rund 100 000 Einwohner zählenden Stadt zu entfachen. Die Angriffe wurden von Gejohle und Beifall aus der Bevölkerung begleitet.

Wenige Tage zuvor marschierten rund 1000 Personen, darunter auch Neonazis, in Duchcov auf. Nach der Kundgebung versuchten rechte Schlägertruppen die Wohnquartiere der Roma anzugreifen. Organisator der Anti-Roma-Demonstration in Duchcov war der Neonazi Pavel Sládek Matějný. Ein Photo zeigt Matějný beim Hitlergruß.

In der Industriestadt Ostrava wurde im August unter dem Motto: „Für die Erhaltung der Rechte aller anständigen Bürger dieses Landes, gegen die Finanzierung des antitschechischen und rassistischen Vereins Romea o.s. durch die Regierung der Tsch. Republik“ aufmarschiert. In Tschechien leben Schätzungen zufolge 200 000 bis 300 000 Roma, mehrheitlich in extrem schwierigen ökonomischen und sozialen Verhältnissen.

„Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit“ dominiert die Szene

Offiziell sind in Tschechien 5000 Personen als Rechtsextremisten erfasst, informiert der Extremismusbericht für 2013. Der militanten Neonazi-Szene werden 150 Personen zugerechnet. Im vergangenen Jahr wurden von den Behörden 132 rechtsextreme Veranstaltungen, darunter 36 Konzerte, gezählt. In dem Bericht wird nicht zuletzt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fußball-Szene und die Neonazi-Szene immer mehr verschmelzen würden.

Dominiert wird die rechtsextreme Szene weiterhin von der im März 2010 gegründeten „Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit“ (Dělnická strana sociální Spravedlnosti – DSSS), konstatiert der Extremismusbericht. Die DSSS instrumentalisiert als vermeintliches „Sprachrohr des Volkes“ den latent in weiten Kreisen der Bevölkerung vorhandenen Antiziganismus. Sie arbeitet eng mit der NPD zusammen. DSSS ging aus der 2010 verbotenen Arbeiterpartei (Dělnická Strana – DS) hervor. Die DS sympathisierte mit der NS-Ideologie und ermunterte ihre Mitglieder zu Gewalt gegen Minderheiten wie Roma und andere Gegner, befand das Oberste Verwaltungsgericht.

Quelle: Blick nach Rechts
Stand: 10.06.2014

Zentralrat der Sinti und Roma zeigt Pro NRW an

Juristischer Ärger für Pro NRW: Der Zentralrat der Sinti und Roma hat Strafanzeige und -antrag gegen Verantwortliche der Partei wegen ihres Wahlwerbespots zur Europawahl erstattet. Der Vorwurf: Volksverhetzung und Beleidigung.

Das Feindbild “Zigeuner” spielte in dem Wahlkampf eine zentrale Rolle – nicht nur bei NPD und Pro NRW, sondern auch die AfD und Union setzten auf Ressentiments gegen “Osteuropäer” oder auch “Bulgaren und Rumänen”, die neue Chiffren für Sinti und Roma. Kanzlerin Merkel betonte kurz vor der Wahl zudem noch davon, die EU sei keine “Sozialunion”.

Pro NRW versuchte es weniger subtil. Die Partei produzierte einen Werbespot, in dem nach Ansicht des Zentralrats der Sinti und Roma pauschal rassistische Hetze gegen Sinti und Roma betrieben worden sei. Diese sei nicht von der Meinungsfreiheit im Wahlkampf gedeckt. Weiter heißt es in der Anzeige, die Publikative.org vorliegt:

“Zu Filmbildern von vermüllten Straßen und Wohnbereichen, aggressiven Personen und einem Mann auf der Straße mit einem großen Messer mit dazu eingeblendeten Parolen wie ,,Asylbetrüger schnell ermitteln” und ,,Wut im Bauch, lass es raus” wird ein Rap-Song unterlegt, bei dem der wiederholte Refrain ,,like a gypsy” (wie ein Zigeuner) lauter hervorgehoben wird.”
Dieser Spot in seiner Gesamtaussage beleidige nicht nur eine Minderheit als eine abgegrenzte Gruppe (§ 185 STGB), die Opfer des NS-Völkermordes wurde, sondern beinhalte ein so massives und emotional orientiertes Hasspotential, das geeignet sei, die Minderheit gesellschaftlich auszugrenzen und den öffentlichen Frieden zu gefährden (§ 130 STGB).

Der Zentralrat betont zudem, “ein Wahlkampf, der nicht auf eine scharfe oder überspitzte Meinungsäußerung abzielt, sondern blanken rechtsextremistischen Rassismus gegen die Minderheit betreibt, kann im Wahlkampf des demokratischen Rechtsstaats in Deutschland unter keinen Umständen hingenommen werden”.
Zudem verbreitet Pro NRW in dem Clip Parolen wie “Bürgermut stoppt Asylantenflut” oder “Wut im Bauch – lass es raus!”. Dazu wurden offenkundig Menschen ohne deren Einwilligung für den Spot gefilmt, darunter sogar Kinder, die aus dem Fenster schauten. Angesichts dieses “Gesamtkunstwerks” könnten die erwähnten Parolen durchaus wie ein indirekter Aufruf zu Aktionen gegen Sinti und Roma verstanden werden.

Auch die NPD hatte auf Hetze gegen Sinti und Roma gesetzt und eine angebliche Diskussionsveranstaltung mit Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats, angekündigt. Weil Rose zu einer Kontaktaufnahme genötigt werden sollte, erstattete der Zentralrat auch hier Anzeige.

Quelle + Bilder: Publikative.org
Stand: 27.05.2014

Roma in Tschechien: Der Kampf gegen den Hass

In Tschechien hetzen immer wieder Neonazis gegen Roma, Bürger stellen sich auf die Seite der Rechten, Politiker sehen tatenlos zu. Doch nun formiert sich eine Gegenbewegung: Die Ausgegrenzten wehren sich, unterstützt von einem neuen Bündnis.

Der Friedensplatz von Ústí nad Labem war voller Neonazis, als eine Romni aufgeregt mit den Händen wirbelte, um sie herum kahlrasierte Köpfe, sie hatte sich unbemerkt unter die Rechten geschlichen. Schnell wurde sie umringt, die Frau aber begann zu schreien: „Ich bin ein normales, menschliches Wesen! Ich bin eine von euch!“ „Bringt diese Frau hier weg“, sagte der Parteivorsitzende der rechtsradikalen DSSS Tomáš Vandas. Polizisten in leuchtgelben Westen mit der Aufschrift „Anti-Konflikt-Team“ überredeten sie zum Gehen. Seit Jahren hetzen Rechtsradikale auf der Straße gegen Roma, so auch am 1. Mai im nordböhmischen Ústí. Vor allem in den strukturschwachen Regionen Tschechiens machen sie Stimmung gegen die „sozial Unangepassten“ – mit wütenden Anwohnern im Schlepptau, die über Kleinkriminalität und Unordnung klagen. Kaum ein tschechischer Politiker verurteilt die Märsche, wie vor kurzem erst Amnesty International anprangerte. Dabei nennt der tschechische Inlandsgeheimdienst es eine „ernste Gefahr für Sicherheit und Demokratie“, dass der Hass auf die ethnische Minderheit auch gewöhnliche Bürger auf die Straße treibt. Es sieht nicht danach aus, dass die Hetze bald aufhören wird, und doch beginnt sich etwas zu verändern in Tschechien, das zeigt nicht nur der Mut der Romni, die in Ústí die Konfrontation mit den Neonazis suchte.

„Die Roma müssen aus der Opferrolle heraustreten“

Eine Frau, die gegen den Hass kämpft, ist Ivana Conková. Die Künstlerin ist Teil der Bürgerinitiative Konexe, in der sich Menschen organisieren, die nicht mehr weiter zusehen wollen angesichts der braunen Umtriebe in ihrem Land. Und sie haben eine klare Strategie: „Die Roma müssen aus der Opferrolle heraustreten“, sagt Conková. Was das für eine gewaltige Aufgabe ist, wurde am 1. Mai deutlich: Neonazis protestierten in Ústí offiziell gegen die EU, doch gleichzeitig veranstalten sie den ersten großen Anti-Roma-Marsch in diesem Jahr. Etwa 300 Rechtsradikale aus Tschechien, Italien, der Slowakei und Deutschland schlossen sich an. Sie stiefelten geschlossen durch die Stadt, zwischen den Häuserfassaden hallten ihre Parolen wieder: „Zigeuner in die Arbeit“ und „Böhmen den Tschechen“. Doch Konexe organisierte eine Gegendemo, sie boten den Rechten die Stirn. Rund 250 Menschen, davon etwa 180 Roma, stürmten bis zur Polizeisperre, die sie von den vorbeiziehenden Neonazis trennte. „Wir wollen hier leben!“, schrien sie.

Neues Bündnis hilft Roma

Jahrelang hatte die Staatsagentur für soziale Integration den Roma empfohlen, während der Nazi-Märsche die Stadt zu verlassen, die Sache der Polizei zu überlassen. Ein Vater in Ústí sagte am Rande der Demonstration, er fürchte um seine Kinder, deshalb wolle er bei der Gegendemo nicht größer in Erscheinung treten. Wie er wollen viele Roma weiterhin lieber still ausharren. Doch die Zahl derjenigen, die den Rechten ein neues Selbstbewusstsein entgegenstellen wollen, steigt. Rund um Konexe hat sich ein neues Bündnis formiert, es versammelt sowohl Antifa-Aktivisten aus Prag und Sachsen, als auch örtliche Roma, Priester und Studenten. In Ústí reservierten sie am 1. Mai ganze Straßenzüge, um ein Eindringen der Neonazis zu verhindern. Im Armenviertel Předlice gab es Puppentheater, Musik und Gulasch. Eine „Oase der Freude“ sollten die Straßenfeste sein, sagt Ivana Conková, besonders für die vielen Kinder. Für sie seien die Tage, an denen ihr Viertel mit Polizisten in schwerer Montur umstellt ist, traumatisierend.

„Geschäft mit der Armut“

Dabei ist ihre Lebenssituation ohnehin trostlos: Die Müllabfuhr macht einen großen Bogen um die Häuserblocks, in den Innenhöfen türmen sich Abfälle und Fäkalien. Über 400 solcher ghettoartigen Viertel gibt es nach Einschätzung der Regierungsagentur für soziale Integration in Tschechien. Die Arbeitslosenquote bewegt sich dort zwischen 70 und 100 Prozent. Der Prager Menschenrechtsaktivist Markus Pape beobachtet die Situation der Roma in Tschechien schon seit längerer Zeit. Er nennt es mit Blick auf die Gegendemo und die Straßenfeste am 1. Mai „beachtlich, dass sich so viele Roma aus dem Armenviertel aufgemacht haben“. Die Bewegung stehe aber noch am Anfang. Und sie hat einen langen Kampf vor sich, die Ausgrenzung der Roma reicht tief. Manche nutzen das sogar schamlos aus: Windige Geschäftemacher lassen in den Armenvierteln Häuser verfallen und vermieten die Wohnungen an Roma, die auf dem Mietmarkt sonst keine Chance haben. Die Mieten für baufällige Ein-Zimmer-Wohnungen, die zum Teil von zehnköpfigen Familien bewohnt werden, betragen bis zu 750 Euro. So wandern Sozialhilfen direkt in die Geldbeutel von Miethaien. Miroslav Brož, einer der Aktivisten von Konexe, spricht vom „Geschäft mit der Armut“. Markus Pape hofft nun, dass Roma sich mehr und mehr wehren werden, dass sie ihre Angst ablegen. „Vielleicht werden sie nun sagen: Wir wollen normale Wohnungen haben.“ Das selbstbewusste Auftreten in Ústí könnte nur der Anfang sein.

Quelle: Spiegel Online
Stand: 05.05.2014

Gedenken an KZ-Aufstand der Sinti und Roma

Der Aufstand im Warschauer Getto 1943 ist den meisten ein Begriff. Weniger bekannt ist, dass es auch einen Aufstand im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau der Sinti und Roma gab. Am 16. Mai 1944 leisteten sie bewaffneten Widerstand gegen ihre drohende Vernichtung. Sie konnten sie aufschieben – aber nicht verhindern.

Die SS in Auschwitz wollte am 16. Mai 1944 die noch lebenden dort inhaftierten Sinti und Roma in die Gaskammern schicken. Doch sie widersetzten sich: Mit Steinen und Werkzeugen bewaffnet verbarrikadierten sie sich in den Baracken. Es gelang ihnen, ihrer Vernichtung so vorerst zu entkommen. Der Aufstand im Lagerabschnitt II B von Auschwitz-Birkenau, dem „Zigeunerlager“, war ein Höhepunkt des Widerstandes, den die Sinti und Roma auf vielfältige Weise gegen die Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten leisteten. Doch auch ihr Widerstand wurde gebrochen: Nach der Selektion aller arbeitsfähigen Häftlinge wurde das „Zigeunerlager“ Anfang August aufgelöst. Die zurückgebliebenen 2900 Menschen starben in den Gaskammern.

„Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau

Auch Sinti und Roma waren von der nationalsozialistischen Rassenideologie betroffen. Zwischen 1933 und 1945 wurden Hunderttausende Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas als „Zigeuner“ verfolgt. Sie selbst bezeichneten sich meist als Sinti, Roma, Lalleri, Lowara oder Manusch. In Europa am stärksten vertreten waren die Sinti und Roma. Ziel der Nationalsozialisten war die Vernichtung dieser Minderheit. Sie wurden verschleppt und in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.

Fortsetzung der Diskriminierung nach 1945

In Auschwitz-Birkenau wurde ein eigenes „Zigeunerlager“ errichtet. Dort waren insgesamt 23.000 Menschen inhaftiert – die Hälfte davon jünger als 14 Jahre. Im Mai 1944 waren noch etwa 6000 Menschen am Leben. Von den erfassten 40.000 deutschen und österreichischen Sinti und Roma wurden über über 25.000 ermordet. Insgesamt fielen der Vernichtung durch die Nationalsozialisten aus dieser Volksgruppe schätzungsweise 220.000 bis 500.000 Menschen zum Opfer. Nach 1945 ging die Diskriminierung der Sinti und Roma weiter. Viele der für die Verfolgung und Vernichtung Verantwortlichen machten in den Behörden der Bundesrepublik Karriere. Erst 1982 wurde der Völkermord als rassistisch von der Bundesregierung anerkannt. Entschädigungszahlungen gab es kaum. Die Begründung: Sinti und Roma seien als potenzielle Verbrecher „kriminalpräventiv“ inhaftiert worden.

Quelle: Deutschlandradio Kultur
Stand: 16.05.2014