Category Archives: Antiziganistische Klischees

Kirchstettens Roma: Futschikato?

Das Wort „Futschikato“ ist mittlerweile aus dem Sprachgebrauch so verschwunden wie die Erinnerung daran, dass vor 80 Jahren mitten unter uns Roma und Sinti gelebt haben. In Kirchstetten, einer Marktgemeinde in Niederösterreich, waren es 80-100, die dann in die NS-Konzentrations- und Vernichtungslager eingeliefert wurden: “futschikato“. Die Kunstschaffende Marika Schmiedt wollte mit einer temporären Kunstinstallation in Kirchstetten an sie erinnern.

Auch der Wikipedia-Eintrag zu Kirchstetten weiß nichts über Roma und Sinti in Kirchstetten – sie sind „futschikato“, so auch der Titel der geplanten Kunstinstallation von Marika Schmiedt. Jetzt ist auch die temporäre Installation vermutlich „futschikato“, denn der Bürgermeister der Gemeinde Kirchstetten hat dem Projekt keine Genehmigung erteilt. Warum, das begründet er in einem Brief an die Künstlerin damit, dass das Zusammenleben mit Roma und Sinti, das ihm von älteren Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürgern berichtet wurde, „kein schlechtes war und alle miteinander gut ausgekommen sind“. Nach dieser entsetzlich verharmlosenden Anmerkung kommt aber gleich ein Satz, der verräterisch dokumentiert, dass das ‚Zusammenleben‘ doch anders war: „Es sind nun aber doch schon 70 Jahre seit diesen grauenvollen Jahren vergangen….“. Continue reading Kirchstettens Roma: Futschikato?

„Stadtverschönerung“: Amtliche Einsprüche gegen Vertreibung von Roma in Ungarn

Die Fidesz-Stadtverwaltung von Miskolc ist so einfallsreich wie enthemmt, wenn es darum geht ihre Stadt „zu verschönern“, wie sie die Umsiedlung der Roma selbst nennt. Was bisher nicht mit Geld, Polizei oder Planierraupe gelang, sollte nun mit „Inspektionen“ umgesetzt gewerden. Oberstes Gericht und Ombudsmann für Grund- und Menschenrechte fordern nun ein Ende der Diskriminierung.

Der für Grund- und Minderheitenrechte zuständige Ombudsmann hat die Fidesz-Stadtregierung von Miskolc illegaler und diskriminierender (rassistischer) Machenschaften im Zusammenhang mit sogenannten „Inspektionen“ in überwiegend von Roma bewohnten Stadtvierteln beschuldigt.

In einem umfangreichen Bericht heißt es, dass die „Inspektionen“ von Wohnungen der Bewohner von „Romaghettos“ am Rande Miskolc` „keine rechtliche Grundlage“ gehabt haben, gegen den Schutz der Privatsphäre vestoßen sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlng widersprachen. Die Betroffenen hatten zudem keinerlei Möglichkeiten, sich juristisch gegen diese Behandlungen zur Wehr zu setzen. Continue reading „Stadtverschönerung“: Amtliche Einsprüche gegen Vertreibung von Roma in Ungarn

Antiziganismus-Fundstück in der TV-Serie „Constantine“

In der TV-Serie „Constantine“ in der Folge „The Darkness Beneath“, in der es um einen Dämonenjäger geht, werden auch uralte antiziganistische wieder aufgewärmt. So heißt es von Constantine:

„There is nothing blacker than gipsy magic.“

Die ‚Böse‘ in dieser Folge ist tatsächlich eine Romni, die nicht nur „schwarze Magie“ ausübt, sondern auch besonders lustvoll-verführerisch ist. Dazu ist sie auch in dieser Folge noch die Mörderin der ganzen Geschichte.
Drei Klischees in einer Folge.

Czech town’s chamber of commerce wants to deploy the Army against Roma

The District Chamber of Commerce (Okresní hospodářská komora – OHK) in the Czech town of Ústí nad Labem has published an „Open Call to Local Politicians and Citizens“ that reads as follows: „In Ústí nad Labem and other towns we are threatened by a demographic catastrophe that may already be unavoidable. We must have the courage to describe this problem and propose solutions.“ The basis of the „problem“ is then described by the OHK as the „negative immigration [sic] of inadaptable inhabitants or just the socially vulnerable.“ This primarily means Romani people. The OHK refers to analyses that they say „describe the problem well“: An article from news server KrajskéListy.cz and a statement by Slovak Interior Minister Kaliňák alleging that frequent incest in the Romani community is the reason so many Romani children attended „special schools“ in Slovakia. „How can we best help ourselves in this situation?“ the OHK then asks. „Certainly not as we currently are doing, when almost nothing is going on and the problem is being tiptoed around. Political representatives from the ground-level up should establish an association of towns experiencing similar problems and develop pressure on their national representatives to solve them,“ the „Open Call“ says. The OHK believes the options for solving this problem are: Counting the number of Romani people, putting a cap on welfare benefits, and calling up the Army for help. „The Army is able to begin doing this without delay and it would save the towns a lot of money. Guard duty in excluded localities would be the ideal practice exercises for them… It is important that we finally begin to do something. Otherwise the last of us will go extinct in another 15 years and it is all the same whether we are living in the center of town, in Brno, or Skorotice or in South Bohemia,“ their statement concludes. Continue reading Czech town’s chamber of commerce wants to deploy the Army against Roma

Das Politische Buch „Niemand ist ein Zigeuner“

Vorurteilen gegen Sinti und Roma begegnete Wolfgang Wippermann schon als Kind. Und nichts hat sich seitdem geändert. In einem engagierten Buch schreibt der Historiker gegen die Diskriminierung an.

Die erste Begegnung mit den Vorurteilen gegen Roma macht Wolfgang Wippermann 1951, mit sechs Jahren, im Garten der Großmutter. Als eine Gruppe Roma sich dem Haus nähert, nimmt die Großmutter schnell die feuchte Wäsche von der Leine, bekreuzigt sich und erklärt dem Enkel: Die „Zigeuner“ seien furchtbare Menschen, stählen Wäsche und kleine Kinder. Mit dieser Anekdote beginnt Wippermanns Aufruf „Zur Ächtung eines europäischen Vorurteils“, und damit ist auch der Ton gesetzt: keine nüchterne Analyse, sondern ein teils persönliches, oft zorniges Plädoyer.

Feindbild vom „faulen und asozialen“ Roma wieder neu belebt

Bis heute, so der Historiker, werden in ganz Europa Sinti und Roma ausgegrenzt und verfolgt. Mit der jüngsten Debatte um eine Armutszuwanderung aus Südosteuropa ist das alte Feindbild vom faulen und asozialen Roma auch hierzulande wiederbelebt worden. Wippermann unterscheidet religiöse, soziale, romantisierende und rassistische Motive für die Diskriminierung von Roma, die er zu einer eigenständigen Ideologie zusammenfasst, den Antiziganismus. Dieser beginne schon mit dem Wort „Zigeuner“. Wippermann knöpft sich den Ausdruck begriffsgeschichtlich vor, erklärt, warum es diffamierend ist, aus Roma „Zigeuner“ zu machen und warum die Bezeichnung aus dem Vokabular verbannt gehört. Er beschreibt, wie im Mittelalter erstmals Negativbilder der Sinti und Roma aufkamen und sich verfestigten, wie sich religiöse und soziale Vorurteile immer stärker mit rassistischen Zuschreibungen mischten, wie diese in der NS-Zeit im Genozid an den Roma gipfelten. Ein Genozid, den Wippermann nicht als allein deutschen, sondern als gesamteuropäischen Völkermord beschreibt, weil er von Angehörigen anderer europäischer Völker mitbegangen wurde. Beides, „die europäische Kollaboration und die rassistische Motivation des Porrajmos“ (so die Romanes-Bezeichnung für den Völkermord), sei nach 1945 geleugnet worden, in West- wie in Osteuropa. Continue reading Das Politische Buch „Niemand ist ein Zigeuner“

Bericht über Roma in Norwegen: Systematische Diskriminierung

Antiziganismus ist weit verbreitet in Norwegen. Die Feindseligkeit gegen Roma wird dabei durch Behörden noch gefördert.

Man solle die Roma doch „in kleine Stücke zerschnippeln und zu Hundefutter verarbeiten“, wünschte sich ein Ex-Politiker der in Norwegen mitregierenden „Fortschrittspartei“ in einem Facebook-Kommentar. Und die Kommunalverwaltung von Oslo suchte in einer Ausschreibung nach Entsorgungsunternehmen, die sich um „Autowracks, Zigeuner, hohes Gras und Büsche“ kümmern sollten. Das sind zwei Beispiele, mit denen der Menschenrechtskommissar des Europarats illustriert, warum er glaubt, dass das skandinavische Land ein Problem mit der Diskriminierung von Roma hat.

In dem am Montag veröffentlichten „Human Rights Report on Norway“ zählt Menschenrechtskommissar Nils Muiznieks zwar auch andere Bereiche auf, bei denen womöglich Nachholbedarf besteht im Land, das sich selbst so gerne als Vorbild beim Schutz von Menschenrechten sieht – so beispielsweise bei Menschen mit Behinderungen.

Doch im Zentrum des Berichts steht die Situation der Roma. Derer, die permanent im Land leben und derer, die sich nur zeitweise zum Betteln dort aufhalten. Letztere sind vor allem Roma aus Rumänien, deren Zahl je nach Jahreszeit auf 100 bis 1.000 Personen geschätzt wird.

In Medienberichten und von vielen PolitikerInnen sei diese doch recht überschaubare Personengruppe zu einem großen Problem hochstilisiert worden, konstatiert der Rapport. Über sie habe es beispielsweise einen „extremen Nachrichtenfokus“ mit allein rund 6.500 Presseberichten im Jahr 2013 gegeben. Die Polizei habe vor einer „bevorstehenden Invasion“ gewarnt, die dann aber nie gekommen sei. Und es sei mit angeblichen, aber nicht wirklich belegten Erkenntnissen zwischen dem Zusammenhang von Bettelei und wachsender Kriminalität argumentiert worden. Continue reading Bericht über Roma in Norwegen: Systematische Diskriminierung

Sinti und Roma demonstrierten in Bologna gegen Rassismus

Hunderte Sinti und Roma haben sich am Samstag in der Stadt Bologna an einer Demonstration gegen Rassismus beteiligt. Der Protest richtete sich unter anderem gegen die ausländerfeindliche Oppositionspartei Lega Nord. Diese führt eine scharfe Kampagne für den Abbau von Roma-Siedlungen.

„Wir haben es satt, als Kriminelle und Diebe behandelt zu werden. Wir wollen als Volk anerkannt werden“, forderte der Präsident des Roma- und Sinti-Verbands in Italien Davide Casadio. Sein Volk sei Opfer von Diskriminierung. „Wir wollen selber nicht in Barackensiedlungen leben, die italienische Politik zwingt uns dazu“, betonte Casadio. Er wies darauf hin, dass die meisten in Italien lebenden Roma und Sinti italienische Staatsbürger seien.

Die Demonstranten schwenkten Friedensfahnen mit den Regenbogenfarben, einige spielten Geige. An der Protestkundgebung beteiligten sich auch der Senator der regierenden Demokratischen Partei (PD), Luigi Manconi, Mitglieder des Gemeinderats von Bologna, Intellektuelle und Schauspieler.

Der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, hatte zuletzt mit Anti-Roma-Aussagen für einen Eklat gesorgt. Würde es nach ihm gehen, würde er alle Roma-Barackensiedlungen in Italien abreißen, sagte Salvini. Er führt die Wahlkampagne für die Regionalwahlen am 31. Mai mit scharfen ausländerfeindlichen Tönen. „Ich würde den Roma in Italien sechs Monate Zeit geben, sich eine Unterkunft zu finden und dann die Bagger einsetzen, um die Barackensiedlungen abzureißen, die es in anderen europäischen Ländern nicht gibt. In der Zwischenzeit sollen sich die Roma wie alle anderen Bürger eine Wohnung mieten oder kaufen“, betonte Salvini.

Der Umgang mit Roma in Italiens Großstädten sorgt seit Längerem für Kontroversen. Oppositionspolitiker kritisierten, nur in den italienischen Großstädten und in keinen anderen europäischen Ländern würden wilde Camps und Bettelei von Kindern toleriert. Viele Roma leben in den Metropolen in behelfsmäßigen Siedlungen. Sie bestehen zum Teil aus baufälligen Wohncontainern und Holzhütten ohne Toilette. Roma-Kinder werden oftmals von kriminellen Banden in den Touristenorten als Taschendiebe eingesetzt.

Menschenrechtsgruppen und kirchliche Organisationen fordern eine bessere Integrationspolitik. Die katholische Kirche drängt auf sichere Unterkünfte, aber auch Bildungsmaßnahmen für minderjährige Roma. Zudem müsse den Bewohnern der an die Siedlungen grenzenden Stadtviertel die Angst vor den Roma genommen werden, indem man sie besser über das Leben der Minderheit informiert, so die Forderung.

Quelle: Kleine Zeitung
Stand: 16.05.2015

Ukraine: Roma in Transcarpathia fear hunger, mobilization and the police

News server Romea.cz has interviewed Romani studies scholar Michael Beníšek about the everyday life of Romani people in the Ukrainian city of Uzhhorod and its environs, their concerns, identity and language, their relationship toward the gadje, their love of Bollywood films and the new wave of Romani refugees from Transcarpathia now entering Britain with Hungarian passports. Beníšek studied Indology and Romani Studies at the Philosophy Faculty of Charles University in Prague, where he then remained at the Romani Studies Seminar as an educator.

Currently Beníšek is working on his doctoral dissertation on the dialects of North Central Romani that are spoken in Transcarpathian Ukraine. He has traveled regularly to visit Romani communities in Uzhhorod and its environs since 2007, and in 2011 became the godfather of a boy from a Romani family with whom he established closer contact and whom he travels to visit several times a year.

Q: You’ve just returned from Uzhhorod. How are Romani people in the Transcarpathian region of Western Ukraine living, what is currently worrying them most? Continue reading Ukraine: Roma in Transcarpathia fear hunger, mobilization and the police

A Roma Education

What comes to mind when you hear the word “gypsy?” Do you picture the beautiful, kind-hearted Esmeralda from Disney’s The Hunchback of Notre Dame or women begging on the streets of Europe, whom travelers are told to avoid?

“Gypsy” is a racial slur used to describe the Romani people, an ethnic group dispersed throughout Central and Eastern Europe, which falsely attributes their origin to Egypt. The word “gypsy” also carries the negative connotations that Roma are cheaters and thieves—the people responsible when you have been scammed or “gypped.” This kind of wide generalization and stereotype has historically bound the Roma to racism and exclusion from mainstream society.

The years between 2005 and 2015 were deemed “The Decade of Roma Inclusion” by 12 European countries—Albania, Bosnia and Herzegovina, Bulgaria, Croatia, the Czech Republic, Hungary, Macedonia, Montenegro, Romania, Serbia, Slovakia, and Spain— which pledged to close the gap between the Roma and the rest of society. In an interview with the HPR, Robert Kushen, Director of the Decade Secretariat, the main facilitation body of the Decade, stated that by implementing the Decade, “the EU has, in a very public and political way, acknowledged that this is an issue that demands a concerted political response.” It is now timely to analyze whether this ten-year initiative has had an impact on the lives of the long-marginalized Romani people. Continue reading A Roma Education