Harte Strafen für mörderische Neonazis: In Ungarn sind vier Mitglieder der rechten Szene wegen der Ermordung von sechs Roma verurteilt worden. Drei von ihnen müssen lebenslang in Haft.
Die rassistisch motivierte Mordserie hatte das ganze Land erschüttert. Bei neun Anschlägen hatten die drei Hauptangeklagten sowie ein Komplize laut Anklage insgesamt 80 Gewehrschüsse abgegeben und mit Dutzenden Molotow-Cocktails Häuser in Brand gesetzt, in denen Roma wohnten. Sechs Personen wurden bei der Anschlagsserie zwischen 2008 und 2009 getötet, zehn weitere verletzt.
Lebenslang und 13 Jahre Haft
Die drei rechtsradikalen Hauptangeklagten wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihr Helfer aus der Neonazi-Szene, der an der Anschlagserie beteiligt war, wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Von dem Urteil in erster Instanz wurde auch eine politische Signalwirkung erwartet, weil Ungarns Regierung wegen ihres Umgangs mit Rechtsradikalen und Roma in der Kritik steht.
Bei zwei Taten sollen die Rechtsradikalen erst die Häuser der Roma in Brand gesetzt und dann auf die fliehenden Bewohner geschossen haben. Einer dieser Fälle hatte in Ungarn besonders viel Aufsehen erregt: Ein Vater und sein fünfjähriger Sohn waren dabei ums Leben gekommen. Bei einem weiteren Angriff schossen die Täter durch ein Fenster auf schlafende Roma, wie Korrespondent Stephan Ozsváth berichtet.
Angeklagte wollten ihren Rassismus publik machen
Zwei der Angeklagten waren Mitglieder der inzwischen verbotenen „Ungarischen Garde“, die von der rechtsextremen Parlamentspartei Jobbik gegründet worden war. Laut Staatsanwaltschaft ging es den Beschuldigten auch darum, die rassistische Botschaft ihrer Anschläge – Hass gegen Roma – in großem Stil öffentlich zu machen. So sei es unter anderem ihr Ziel gewesen, gewaltsame Reaktionen der Minderheit zu provozieren.
Die Oppositionspartei von Ex-Regierungschef Gordon Bajnai mahnte angesichts der Taten: „Sechs Ungarn sind tot, bloß deshalb, weil sie Roma waren. Diese Tragödie muss im kollektiven Gedächtnis der Nation lebendig bleiben wie alle nationalen Tragödien.“ Und die Fidesz-Politikerin und einzige Roma-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Livia Jaroka, forderte das verpflichtende Versprechen, gegen Hass einzuschreiten.
Rechte Politiker hetzen zunehmend gegen Roma
In Ungarn machen Roma fünf bis acht Prozent der Bevölkerung aus. Sie sind zunehmend Diskriminierungen und verbalen Angriffen rechter Politiker ausgesetzt. Besonders die rechtsextreme Jobbik-Partei hetzt gegen die Minderheit. Anfang Januar hatte auch Zsolt Bayer, einer der Gründer der regierenden rechtsnationalen Fidesz-Partei von Ministerpräsident Victor Orban, provoziert, indem er Roma als „Tiere“ bezeichnete, die „liquidiert“ werden sollten.
Am vergangenen Wochenende erntete die Regierungspartei durch einen Skandal weitere Kritik für ihre Roma-Politik: Die von der Fidesz dominierte Stadtverwaltung im nordungarischen Ozd hatte die Wasserversorgung in einem armen Roma-Viertel gekappt – trotz extremer Sommerhitze. Als Grund gab die Verwaltung an, die Roma würden Wasser „verschwenden“, das sie nicht bezahlten. Beobachter erhoffen sich deswegen von dem Urteil auch ein politisches Signal an Orban, dem vorgeworfen wird, zu wenig gegen diese Vorwürfe und Ressentiments in Ungarn zu tun.