Category Archives: Beiträge auf Deutsch

Klage von KZ-Überlebender abgewiesen: Münchner Gericht gegen Opferrente

Die Auschwitz-Überlebende Eva S. möchte nach dem Urteil des Landsgerichts in Berufung gehen. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma spricht von einem „Skandal“.

Das Landgericht München hat die Klage einer Auschwitz-Überlebenden abgewiesen, die als Witwe eines KZ-Häftlings einen Anspruch auf Opferrente geltend machen wollte. „Diesen Fall kann man nur als Skandal bezeichnen“, sagte Arnold Rossberg, Justiziar des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und Vertreter der Klägerin. Die 82-jährige Eva S. ist wie ihr verstorbener Mann Angehörige der Minderheit der Sinti. Sie wird in Berufung gehen.

Eva S. lebt von 730 Euro Rente im Monat. Vor dem Landgericht München ging es um eine Rente von 970 Euro. Ihr Mann Frank wurde 1943 mit seinen Eltern und fünf Geschwistern zunächst ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. SS-Angehörige erschlugen vor seinen Augen den Vater, Frank S. wurde zwangssterilisiert. „Diese maximalen psychischen Traumata finden in den Gutachten, die dem Gericht vorgelegt wurden, keine Berücksichtigung“, sagte Rossberg. Die vielen physischen Leiden ebenfalls nicht. Unter den Gutachtern war keiner, den die Klägerseite vorgeschlagen hatte.

Seit der Befreiung aus dem Konzentrationslager litt Frank S. unter anderem an Nierenerkrankungen, Depressionen und massiven Herzproblemen. „Die Gutachter sehen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen entweder als nicht verfolgungsbedingt oder als nicht gravierend genug an“, berichtete der Justiziar. In den 50er Jahren hatten Gutachter Frank S. ein verfolgungsbedingtes Herzleiden attestiert.

Er ist an einer Herzerkrankung gestorben. Doch die jetzigen Gutachter bestreiten, dass die Todesursache auf die Verfolgung zurückgeht. Sie sprechen unter anderem von einer „familiären Disposition“. Das ist angesichts der Ermordung vieler Familienmitglieder zynisch, findet der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose.

Vor Gericht zeigten sich die Vertreter der bayerischen Finanzverwaltung am Donnerstag hartleibig. Sie ließen sich auf keinen Vergleich ein, obwohl das Gericht selbst Vergleichsvorschläge unterbreitet hat, berichtete Rossberg. In anderen Bundesländern gab es in solchen Fällen Lösungen. In Nordrhein-Westfalen hatten die Behörden der Witwe eines Auschwitz-Überlebenden Sinto ebenfalls zunächst die Rente verweigert. Die zuständige Bezirksregierung stimmte einem Vergleich zu, dem zufolge die Witwe zwar keine Rente, aber eine Beihilfe in Höhe von 600 Euro monatlich erhält. Das wäre auch eine Lösung für Eva S. – wenn die bayerischen Behörden sie denn wollten.

Hinterbliebene von SS-Angehörigen rechtlich besser gestellt

Für Eva S. gilt das Bundesentschädigungsgesetz. Für Witwen von Wehrmachts- oder SS-Angehörigen dagegen ist das Bundesversorgungsgesetz maßgeblich. Danach können einmal anerkannte gesundheitliche Schädigungen Verstorbener nicht in Frage gestellt werden – anders als beim Bundesentschädigungsgesetz.

„Es ist ein Unding, dass die Hinterbliebenen der Opfer schlechter gestellt werden als die Hinterbliebenen der Täter“, sagte der Zentralratsvorsitzende Rose. Er appelliert an den bayrischen Finanzminister Markus Söder, für Eva S. schnell und unbürokratisch eine Lösung zu finden. Das Ministerium will erst Stellung nehmen, wenn die Urteilsbegründung vorliegt.

Quelle: TAZ
Stand: 18.07.2013

Slowakei: Roma-Mauer mitten in Kulturhauptstadt Kosice

Der ostslowakischen Metropole Kosice, aktuell zusammen mit dem französischen Marseille Europäische Kulturhauptstadt 2013, droht ein erheblicher Imageschaden. Der Stadtteil West hat kürzlich eine 30 Meter lange und zwei Meter hohe Mauer errichten lassen, um „nicht anpassungsfähige“ Roma-Bewohner des berüchtigten Viertels Lunik IX von benachbarten Plattenbausiedlungen abzugrenzen, berichteten slowakische Medien heute.

Anrainer beschwerten sich

Der Mauerbau mitten in der 250.000-Einwohner-Stadt, der bereits zu Jahresanfang von Abgeordneten des Stadtteils beschlossen wurde, sei wegen zahlreichen Beschwerden von Anrainern notwendig gewesen, so die Begründung. Roma vom Stadtteil Lunik IX – mit gut 6.000 Bewohnern das mit Abstand größte Roma-Ghetto der Slowakei – hatten den Weg zu nahe gelegenen Supermärkten durch benachbarte Siedlungen abgekürzt. Lärm, Schmutz und Schäden an eingeparkten Autos sollen angeblich die Konsequenz gewesen sein. Nach der Errichtung der Roma-Mauer sei die Situation wesentlich besser geworden, hieß es.

Landesweit handelt es sich um die bereits 14. Mauer, mit der Bewohner der Mehrheitsbevölkerung versuchen, sich von Roma-Nachbarn abzugrenzen. Erbaut werden sie vor allem im Osten der Slowakei, wo es die meisten verarmten Roma-Slums gibt. Jüngst sind mehrere allerdings auch schon in der Westslowakei entstanden, wie in Zlate Moravce oder Plavecky Stvrtok unweit der Grenze zu Österreich.

Quelle: ORF
Stand: 12.07.2013

Slowakei: Roma-Mauer mitten in Kulturhauptstadt Kosice

Der ostslowakischen Metropole Kosice, aktuell zusammen mit dem französischen Marseille Europäische Kulturhauptstadt 2013, droht ein erheblicher Imageschaden. Der Stadtteil West hat kürzlich eine 30 Meter lange und zwei Meter hohe Mauer errichten lassen, um „nicht anpassungsfähige“ Roma-Bewohner des berüchtigten Viertels Lunik IX von benachbarten Plattenbausiedlungen abzugrenzen, berichteten slowakische Medien heute.

Anrainer beschwerten sich

Der Mauerbau mitten in der 250.000-Einwohner-Stadt, der bereits zu Jahresanfang von Abgeordneten des Stadtteils beschlossen wurde, sei wegen zahlreichen Beschwerden von Anrainern notwendig gewesen, so die Begründung. Roma vom Stadtteil Lunik IX – mit gut 6.000 Bewohnern das mit Abstand größte Roma-Ghetto der Slowakei – hatten den Weg zu nahe gelegenen Supermärkten durch benachbarte Siedlungen abgekürzt. Lärm, Schmutz und Schäden an eingeparkten Autos sollen angeblich die Konsequenz gewesen sein. Nach der Errichtung der Roma-Mauer sei die Situation wesentlich besser geworden, hieß es.

Landesweit handelt es sich um die bereits 14. Mauer, mit der Bewohner der Mehrheitsbevölkerung versuchen, sich von Roma-Nachbarn abzugrenzen. Erbaut werden sie vor allem im Osten der Slowakei, wo es die meisten verarmten Roma-Slums gibt. Jüngst sind mehrere allerdings auch schon in der Westslowakei entstanden, wie in Zlate Moravce oder Plavecky Stvrtok unweit der Grenze zu Österreich.

Quelle: ORF
Stand: 12.07.2013

Duchcov (CZ): Antiziganistische Ausschreitungen

Am vergangenen Samstag versammelten sich in der tschechische Kleinstadt Duchcov bis zu 1.000 Personen zu einem antiziganistischen Aufmarsch, der durch die Neonazipartei DSSS (Dělnická strana sociální spravedlnosti) organisiert wurde. Es war bereits der zweite Aufmarsch binnen weniger Wochen. Schon am 29. Mai waren etwa 500 Menschen nach einem Angriff auf ein junges Paar durch mehrere Personen auf die Straße gegangen. Nur wenige Minuten nach Beginn des Aufzugs vom Samstag versuchten Nazis die Route zu verlassen und zu einer Gegenkundgebung vorzudringen. Dort hatten sich etwa 200 Personen versammelt, um gegen Antiziganismus, Rassismus und Faschismus Stellung zu beziehen. Die Polizei reagierte auf die Angriffe der Neonazis mit Tränengas- und Wasserwerfereinsatz, die anschließenden Auseinandersetzungen zogen sich über mehrere Stunden hin. Erst am frühen Abend beruhigte sich die Situation in der nur 70 Kilometer von Dresden entfernten Stadt wieder.

Mit der Gegenkundgebung unter dem Motto “Heraus aus dem Schlamm” (Čhikatar het/Z bahna ven) hatte der Tag friedlich begonnen. Verschiedene Initiativen mobilisierten zum Straßenfest und etwa 200 Personen folgten bis zum Mittag dem Aufruf. Mit einem Musik- und bunten Rahmenprogramm wurde gegen die DSSS-Demonstration und den um sich greifenden Antiziganismus protestiert. Die Versammlung fand in einem von vielen Roma bewohnten Viertel statt, um einen Ort zum gegenseitigen Austausch zu schaffen und gleichzeitig den antiziganistischen Mob auf Distanz zu halten. Neben den AnwohnerInnen und Antira-AktivistInnen kam auch der Europaparlamentarier der kommunistischen Partei, Jaromír Kohlíček, zu Wort. Er mahnte Toleranz an, thematisierte aber auch die systematische Benachteiligung von Roma in Tschechien. Im Vorfeld der Kundgebung erklärte Monika Šimůnková,die Menschenrechtsbeauftragte der tschechischen Regierung, dass sie das Anliegen der protestierenden unterstützt. Ein Novum, denn bisher wurden ähnliche Veranstaltungen in der tschechischen Öffentlichkeit und Politik kaum oder gar nicht beachtet. Auch die tschechischen Grünen bekundeten in einem Statement ihre Solidarität mit der Kundgebung. Continue reading Duchcov (CZ): Antiziganistische Ausschreitungen

Straßenschlacht in Tschechien: Pogromstimmung gegen Roma

Ein Gerangel auf einem Spielplatz in Budweis verursacht eine Schlägerei zwischen Roma auf der einen und Nazis auf der anderen Seite.

Zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen hat am vergangenen Wochenende im südböhmischen Budweis (Ceske Budejovice) ein Spielplatzgerangel zwischen Kindern geführt. Angeführt von einer Gruppe Neonazis sind rund 1.000 Menschen am Samstagnachmittag auf das Budweiser Plattenbauviertel Máj marschiert.

Die „anständigen“ Menschen, wie sich die Demonstranten selbst bezeichneten, hatten nur ein Ziel: es den Roma des Viertels mal richtig zu zeigen.

Dort entwickelte sich die Demonstration in eine Straßenschlacht. Angefeuert von den „anständigen“ Menschen griffen Neonazis mit Steinen und Molotowcocktails die Polizisten an, die eingreifen mussten, um Lynchmorde zu verhindern. Insgesamt 10 Leute wurden verletzt, 30 verhaftet.

Direkter Auslöser der Protestaktion vom Samstag war ein Sandkastenstreit am Tag zuvor gewesen. Auf einem Spielplatz des Viertels Máj hatte ein Roma-Kind ein „weißes“ Kind geschubst, laut Zeugen sollen auch Schläge ausgeteilt worden sein.

Aus einem Wortgefecht der herbeigeeilten Mütter wurde dann schnell eine Schlägerei, an der zum Schluss fünf Frauen und drei Männer beteiligt waren. Für Empörung sorgte besonders, als eine hochschwangere Frau von Roma geschlagen wurde. „Wenn ich dich nachts treffe, bist du tot“, soll einer der Angreifer der Frau gedroht haben.

Angst und Schrecken

Wie in vielen Vierteln tschechischer Kleinstädte brodelt es auch im Budweiser Máj-Viertel schon länger. Als Grund wird vor Ort immer wieder eine kleine Gruppe aggressiver Roma angegeben, die aus Kindern und Jugendlichen bestehe und das Viertel in Angst und Schrecken halte.

Daher haben sich im vergangenen Jahr bereits Bewohner des Viertels in einer Petition hilfesuchend an die Stadt gewandt und sich über den Lärm und die Aggressivität einiger Roma im Viertel beschwert. Vor allem die Spielplätze seien zum sozialen Brennpunkt des Viertels geworden, so die Petition. Roma-Kinder würden „weiße“ Kinder schlagen, sie nicht oder nur gegen „Schutzgebühr“ auf die Spielplätze lassen.

Die Bewohner des Viertels seien zudem immer wieder Bedrohungen ausgesetzt, man würde Sprengsätze unter ihre Autos legen oder ihre Hunde töten. Bislang war aber allen mehr oder weniger klar, dass diese Bedrohungen nur von ein paar Einzelpersonen ausgingen.

Lösungsvorschläge kamen zu spät

„Unter den Unterzeichnern unserer Petition sind auch Roma, denen die Situation im Viertel nicht egal ist“ sagte die Initiatorin des Protestbriefs, Monika Styfalova.

Noch am Samstagvormittag hatten die Roma des Viertels in einem Nachbarschaftsfest ihre Bereitschaft erklärt, die angespannte Situation im Viertel zu lösen. Ein Ansatz sei es, so waren sich die Redner einig, Roma-Wachtmeister im Viertel auf Streife zu schicken.

Ein paar Stunden später war klar, dass es für derartige Lösungsvorschläge zu spät zu war: Die Teilnehmer des Roma-Straßenfestes mussten von der Polizei vor dem Lynchmob geschützt werden, die am liebsten alle Roma „geklatscht“ hätten, wie sie in ihren Slogans verrieten.

Quelle: TAZ
Stand: 01.07.2013

Sinti und Roma beklagen Vorurteile

Tiefsitzende Vorurteile gegen „Zigeuner“ gibt es in ganz Europa – Deutschland macht keine Ausnahme.

Vertreter der deutschen Sinti und Roma haben gefordert, die anhaltende Diskriminierung der Minderheit auch in Deutschland anzuerkennen. Anlässlich der Vorstellung einer Untersuchung zu antiziganistischen Vorurteilen am Mittwochabend in Berlin sagte Daniel Strauß, der Vorsitzende des Landesverbands in Baden-Württemberg, es gebe bisher nicht einmal ein Bewusstsein dafür, dass es Antiziganismus sei, tiefsitzende Vorurteile gegen „Zigeuner“, der sie sie von Bildung, Arbeit und dem Zugang zu Wohnungen und Gesundheitsvorsorge ausschließe. Solange das so sei, sei „auch keine Strategie dagegen möglich“.

Die EU-Kommission hatte Stunden zuvor der Roma-Politik der EU-Mitglieder ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt; es seien kaum Ergebnisse zu sehen, sagte Justizkommissarin Viviane Reding. Deutschland macht demnach keine Ausnahme: Bis auf den Punkt „Bereitstellung von Mitteln für Regionen und Kommunen“ verzeichnet Brüssel auf keinem Feld Fortschritte in der Umsetzung jener Roma-Strategie, auf die sich Deutschland wie die anderen EU-Länder verpflichtet hat. Dies sei eine „Schande“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Lob aus Brüssel gab es für Initiativen einzelner Bundesländer, zum Beispiel für den Berliner Aktionsplan und für Schleswig-Holstein, das einen Staatsvertrag mit Sinti und Roma abgeschlossen hat. Baden-Württemberg will demnächst folgen.

In seinem Gutachten „Antiziganismus. Zum Stand der Forschung und der Gegenstrategien“ hat der Berliner Wissenschaftlers Markus End eine weite Verbreitung von Negativbildern gegen Europas größte Minderheit analysiert. Das Zigeunerstereotyp sei „nahezu durchgesetzt“ sagte er. Zugleich werde „vollkommen übergangen“, dass nicht nur auf dem Balkan, sondern auch hierzulande Menschen verletzt würden, weil sie Sinti und Roma sind. „Das erreicht hier nur die Lokalnachrichten.“ Gewalt in Ungarn sei auch Thema großer deutscher Blätter.

Auch sonst ist die Lage von Sinti und Roma unverändert dramatisch. Einer eigenen Umfrage zufolge – offizielle gibt es nicht – waren zehn Prozent der 14- bis 25-Jährigen und 40 Prozent der über 51-Jährigen nicht einmal in der Grundschule. Ein Drittel der Minderheit, darauf wies Strauß in Berlin hin, leben nach wie vor in Ghettos.

Quelle: Der Tagesspiegel
Stand: 27.06.2013

Neonazis stürmen Wohnviertel, um Roma zu lynchen

Ausnahmezustand im tschechischen Budweis: Neonazis, angefeuert von „anständigen“ Bürgern, verwandeln ein Neubauviertel in ein Schlachtfeld. Sie rufen „Sieg Heil!“ und wollen Roma „aufklatschen“.

Der Superstar der tschechischen politischen TV-Moderatoren, Vaclav Moravec, lud Sonntagmittag wieder die geballte Prager Politprominenz ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Der von Präsident Milos Zeman mit der Bildung einer Übergangsregierung betraute Premier Jiri Rusnok musste zum wiederholten Mal erläutern, welche Vorstellungen er hat, und wie schwer es ihm fällt, geeignete Minister zu finden. Die Sendung „Fragen von Vaclav Moravec“ hat jeden Sonntag Rekordeinschaltquoten.

Halb Tschechien verfolgt sie. Eigentlich eine gute Gelegenheit, auch zu wirklich wichtigen Themen Stellung zu beziehen. Moravec, eine Institution in Tschechien, auf die man hört, verpasst sie einmal mehr. Er hätte die Sendung mit einem Appell beginnen können an seine Landsleute. Einen Appell, dass es jetzt genug sei. Dass es nicht angehe für ein demokratisches Land, dass Woche für Woche Neonazis durch die Gegend ziehen, um Roma-Mitbürger zu lynchen.

Schauplatz eines solchen Aufmarschs am Tag zuvor war Ceske Budejovice (Budweis) in Südböhmen. Mehrere hundert Neonazis waren in die malerische Stadt gekommen, um Roma „aufzuklatschen“. Sie stellten sich an die Spitze eines Protestzuges aufgebrachter Budweiser, die immer wieder Probleme im Zusammenleben mit den Roma beklagen. Der jüngste Anlass war völlig nichtig: zwei Kinder, ein Roma-Kind und eines von „weißen“ Tschechen, waren beim Spielen in einer Sandkiste in Streit geraten, um eine Schippe oder ein Backförmchen. Daraus entwickelte sich ein Wortwechsel der Mütter. Im Nu kamen Dutzende Menschen hinzu und pöbelten die Roma-Mutter an. Aus Prinzip.

Macht derlei die Runde im Land, ist es ein gefundenes Fressen für die Neonazis. Im vergangenen Jahr waren sie regelmäßig im Schluckenauer Zipfel an der Grenze zu Sachsen aufmarschiert. Vergangenes Wochenende tobten sie sich in Duchcov (Dux) aus, jenem Örtchen, in dem der venezianische amouröse Schriftsteller Giacomo Casanova im 18. Jahrhundert seine letzten Lebensjahre verbracht hatte. Jetzt also Budweis.

Neonazis verwandeln Neubauviertel in Schlachtfeld

Das Neubauviertel, in dem 22.000 Menschen leben, darunter nur ein paar Dutzend Roma, glich am Samstagnachmittag einem Schlachtfeld. Hunderte Rechtsradikale lieferten sich mit der Polizei eine massive Straßenschlacht. Die Rechtsradikalen warfen Pflastersteine, zündeten Müllcontainer an und schoben die in Richtung der Polizei.

Dazu brüllten sie Anti-Roma-Parolen wie „Zigeuner ins Gas!“. Die Polizei setzte Tränengas ein, versuchte, die Menge zurückzudrängen, die in das Viertel einzudringen versuchte, um die Roma dort zu lynchen. Angefeuert wurden die Rechten durch „anständige“ Tschechen, die jeden Angriff der Neonazis auf die Polizei mit Johlen und Beifall bedachten. Die Polizei nahm mehrere Neonazis fest. Es gab Verletzte auf beiden Seiten und erheblichen Sachschaden.

Der Bürgermeister von Budweis hat sich am Sonntag über die Polizei beschwert. Sie hätte sofort eingreifen müssen, als die Rechten mit erhobenem rechten Arm und „Sieg heil“-Rufen durch die Stadt marschiert wären. Die Polizei habe zudem die Ankündigungen der Neonazis auf Facebook ignoriert, in die Stadt zu kommen, um Randale zu veranstalten.

Außenminister Schwarzenberg stellt Werte infrage

Der einzige Politiker in Prag, der sich in jüngster Zeit zu den Rechtsradikalen geäußert hatte, ist Präsident Milos Zeman. Er verwies darauf, dass er nicht ohne Grund schon in seiner Einführungsrede bei seinem Amtsantritt auf die wachsende Gefahr von Rechts aufmerksam gemacht habe. Tschechien müsse sich diesem Problem dringend stellen, mahnte der Präsident.

Der noch amtierende Außenminister Tschechiens Karel Schwarzenberg hatte am Wochenende Zweifel geäußert, dass Tschechien mehr als zwanzig Jahre nach der Revolution wertemäßig schon im Westen des Kontinents angekommen sei.

Auf Facebook erntete der Minister dafür einen shitstorm. Die Leute, die ihn angriffen, waren am Ende genau jene, die die Ereignisse in Budweis auf Facebook mit keinem Wort kommentierten.

Quelle: Die Welt
Stand: 30.05.2013

Rassistischer Shitstorm gegen Roma-Familie mit Fünflingen

Internetforen tschechischer Medien mussten wegen Hasspostings gesperrt werden – Keine Reaktion der Politik

Als die 23-jährige tschechische Romni Alexandra K. Anfang Juni gesunde Fünflinge zur Welt brachte, war es eine kleine Sensation. Noch nie zuvor waren in Tschechien Fünflinge ohne künstliche Befruchtung geboren worden. Die Wahrscheinlichkeit für eine natürliche Fünflingsschwangerschaft wird auf eins zu 50 Millionen geschätzt – dementsprechend groß war die Aufmerksamkeit. Tschechische Medien feierten die junge Familie und organisierten Spenden für die aus armen Verhältnissen stammenden Eltern.

Noch liegen die fünf Geschwister – vier Buben und ein Mädchen – in Brutkästen eines Krankenhauses in Prag, bald sollen sie die Intensivstation aber verlassen dürfen. Die Eltern sehen sich indes zunehmend mit rassistischen Beschimpfungen und Kommentaren auf Internetseiten und in Social-Media-Foren konfrontiert. Mehrere Nachrichtenportale haben deshalb die Postingforen zu Berichten über die Fünflinge gesperrt, schreibt die Roma-Nachrichtenseite romea.cz.

„Sozialhilfe-Jackpot“

Rechtsradikale Facebook-Gruppen mit Namen wie „Nation in Gefahr“ schäumten in kürzester Zeit vor rassistischen Beschimpfungen über. Romafeindliche Kommentare tauchten aber auch umgehend auf Seiten von Mainstream-Nachrichtenportalen auf. „Warum die Aufregung? Das sind keine Tschechen, das sind Roma“, war auf novinky.cz zu lesen. „Man sollte die ganze Familie nach Indien zurückschicken!“

Zahlreiche Leser unterstellten den Eltern, sie hätten die Fünflinge absichtlich gezeugt, um mehr Kindergeld beziehen zu können. Roma würden von Natur aus nicht arbeiten, sondern lieber Kinder bekommen. „Fünflinge? Das ist für die ein Sozialhilfe-Jackpot“, war im Forum der großen Nachrichtenseite idnes.cz zu lesen.

Boykott-Aufrufe gegen Unterstützer

Die 23-jährige Mutter zeigte sich fassungslos über die Äußerungen. „Niemand kann Fünflinge planen. Wir wollten einfach ein Geschwisterchen für unseren Sohn“, sagte sie der Zeitung „Pravo“. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie sich und ihre Familie nun verteidigen müsse.

Auch Unterstützer der Familie waren Drohungen und Beschimpfungen ausgesetzt. So wurde zum Boykott des Unternehmens Daniela Company aufgerufen, das der Familie zwei Kinderwägen gespendet hatte. Auf der Facebook-Seite des Unternehmens seien Anfeindungen und rassistische Kommentare gepostet worden, berichtete die Geschäftsführerin Daniela Caltová. „Zuerst war ich überrascht und dann nur noch traurig“, sagte Caltová zu romea.cz. Sie sei von den romafeindlichen Reaktionen schockiert.

Foren gesperrt

Inzwischen haben zahlreiche tschechische Medien auf die rassistischen Äußerungen reagiert. In vereinzelten Zeitungskommentaren wurden die Beschimpfungen scharf verurteilt, große Nachrichtenportale wie aktuálně.cz und idnes.cz sperrten die Kommentarfunktion zu betreffenden Berichten. Von politischer Seite gab es zu den Vorfällen bisher keine Stellungnahme.

Quelle: Der Standard
Stand: 11.06.2013

Ungarn: Deutsches Verdienstkreuz für umstrittenen Minister

Der ungarische Minister Balog bekam von Bundespräsident Gauck einen hohen Orden – auch wegen seines Einsatzes für Menschenrechte und Minderheiten. Doch in seiner Heimat werfen ihm Bürgerrechtler vor, er wolle in den Schulen die Isolation von Roma-Kindern wieder legalisieren.

Ungarns Minister für Humanressourcen war hocherfreut über die deutsche Auszeichnung. Zoltán Balog, 55, im Kabinett von Viktor Orbán der zweitwichtigste Mann nach dem Regierungschef, erhielt aus der Hand des deutschen Botschafters in Budapest das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, einen der höchsten deutschen Verdienstorden.

Bundespräsident Joachim Gauck wollte damit vor allem Balogs Verdienste um das deutsch-ungarische Verhältnis würdigen, denn der evangelische Pastor und gelernte Theologe engagiert sich seit Jahrzehnten im Bereich deutsch-ungarischer Kirchenkontakte.

Doch die Auszeichnung gilt explizit auch Balogs Wirken für Minderheiten, wie es in der Begründung heißt, vor allem seinen Bemühungen um eine Verbesserung der Lage der Roma. Genau deswegen jedoch muss sich der Minister dieser Tage in Ungarn scharfe Kritik von Bürgerrechtlern und Roma-Aktivisten anhören. Sie werfen ihm vor, er wolle die Segregation von Roma-Kindern im Bildungswesen, die seit 2003 in Ungarn gesetzlich verboten ist, wieder legalisieren. Am vergangenen Sonntag demonstrierten mehrere hundert Bürgerrechtler und Roma-Aktivisten vor Balogs Ministerium, ihre Forderung lautete: „Gemeinsame Schulen in einem gemeinsamen Land!“

Anlass für den Protest ist eine Gesetzesänderung, die Balog kürzlich vorgeschlagen hatte – ein ergänzender Halbsatz im Antidiskrimierungsgesetz von 2003, das ein ausdrückliches Segregationsverbot im Bildungswesen vorsieht. Die Neufassung des betreffenden Paragrafen würde die Trennung von Schülern zulassen, wenn sie „nach sachgerechter Einschätzung auf die Förderung der notwendigen gesellschaftlichen Angleichung ausgerichtet ist“.

In Ungarn reicht die Praxis der systematischen Trennung von Roma und Nicht-Roma an Schulen bis weit in die kommunistische Zeit zurück. Schon damals wurden Roma-Kinder flächendeckend zu geistig Behinderten erklärt und in Sonderschulen gesteckt. Daran änderte auch Ungarns Wende 1989/90 wenig. Trotz Segregationsverbot funktionieren selbst heute noch mehrere hundert Sonderschulen für Roma, die meisten von ihnen Einrichtungen für sogenannte „Kinder mit spezifischen Erziehungsanforderungen“ (SNI-Kinder).

Zoltán Balog kennt die Probleme aus ureigener Anschauung. Er wuchs in Nordost-Ungarn auf, wo der größte Teil der insgesamt rund 800.000 ungarischen Roma schon zu kommunistischen Zeiten in völlig verelendeten Verhältnissen lebte. Seit vielen Jahren gehört es zu Balogs erklärtem Anliegen, dabei mitzuhelfen, dass sich die Lage der Roma in Ungarn verbessert. Doch er hat etwas gegen „ideologischen Menschenrechtsaktivismus“, wie er es nennt. Er möchte die „gesellschaftliche Angleichung der Roma im begründeten Einzelfall auch mit getrenntem Lernen erreichen“. Continue reading Ungarn: Deutsches Verdienstkreuz für umstrittenen Minister