Category Archives: Beiträge auf Deutsch

Pogromartige Stimmung gegen Roma in Tschechien

Vor wenigen Wochen veröffentlichten wir ein Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten Markus Pape vom „Europäischen Zentrum für Romarechte“. Darin schilderte er die schwierige Situation in der sich große Teile der Sinti und Roma in Tschechien befinden und verwies auf die Praxis der tschechischen Polizei, die zahlreichen Übergriffe durch Neonazis zu verheimlichen oder in Statistiken anonym zu erwähnen. Ein Höhepunkt der Angriffe war der Brandanschlag auf ein von Roma bewohntes Haus in Vítkov im April 2009, bei dem ein zweijähriges Mädchen durch Verbrennungen schwer verletzt worden war. In den letzten Wochen haben die gewalttätigen Proteste der ansässigen Bevölkerung wieder zugenommmen. Gemeinsam mit organisierten Nazis versuchte zuletzt ein Mob aus mehr als 1.000 Menschen unweit der deutsch-tschechischen Grenze Häuser und Wohnungen von Roma anzugreifen.

Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche verhinderten tschechische Spezialeinheiten der Polizei ein Pogrom gegen Roma in Varnsdorf. Continue reading Pogromartige Stimmung gegen Roma in Tschechien

Verletzte bei Aufmärschen von Rechtsradikalen in Tschechien

Demonstrationen gegen Roma in mehreren Städten / Polizei setzt Wasserwerfer ein und nimmt 41 Menschen fest

Prag – Durch Aufmärsche von Rechtsradikalen sind im Norden Tschechiens erneut die schweren Spannungen um die dort lebende Minderheit der Roma aufgeflammt. Nach einer Kundgebung in der Stadt Varnsdorf kam es am Wochenende zu schweren Zusammenstößen zwischen gewalttätigen Extremisten und der Polizei, die diese an einem geplanten Marsch zu einer Roma-Siedlung hinderte. Dabei wurden sechs Menschen verletzt. Demonstrationen fanden auch in Rumburk und Novy Bor statt. Wie in Varnsdorf schlossen sich auch hier normale Bürger den Radikalen an. Insgesamt wurden nach Angaben der Polizei 41 Menschen festgenommen. Etwa 600 Polizisten und drei Hubschrauber waren im Einsatz. Continue reading Verletzte bei Aufmärschen von Rechtsradikalen in Tschechien

Antiziganistische Pogrome in Tschechien

In mehreren böhmischen Kleinstädten strömten an den letzten Wochenenden bis zu tausend Bürgerinnen und Bürger zusammen, um Wohnhäuser von Roma anzugreifen. In Varnsdorf, 500 Meter hinter der deutschen Grenze, konnten Spezialeinheiten der tschechischen Polizei am vergangenen Samstag in letzter Sekunde ein Pogrom verhindern. In den nächsten Tagen drohen erneut antiziganistische Massenaktionen.

Eine Chronologie der Ereignisse von Robert Andreasch & Lara Schultz, Varnsdorf.

Rumburk, Freitag, 26. August 2011

Jaroslav Sykáček ist Bürgermeister von Rumburk und Sozialdemokrat. Für den Abend hat er die 11.000 Einwohnerinnen und Einwohner der nordböhmischen Stadt zu einer öffentlichen „Versammlung gegen Gewalt und Kriminalität” aufgerufen. Als Anlass dient eine fünf Tage zurückliegende Schlägerei zwischen Jugendlichen vor der Diskothek „Modrá hvězda“, deren Hintergründe noch im Unklaren liegen, an der aber auch Roma beteiligt gewesen sein sollen. Die Kundgebung, zu der 1.500 Menschen kommen, eskaliert, als Sykáček das Mikrofon an Josef Mašín übergibt, dem er kurz zuvor noch eine gegen Roma gerichtete Demonstration verboten hatte. Mašín, Anführer der hauptsächlich bei Facebook aktiven antiziganistischen Gruppe „Občanský odpor“ („Bürgerlicher Widerstand“), fordert die Zuhörenden auf, Schluss zu machen mit dem Zuzug von „nicht Anpassungsfähigen“. Das Publikum grölt zuerst Parolen, unter anderem „Čechy Čechům” („Tschechien den Tschechen”) und „Cikáni do práce” („Zigeuner, geht arbeiten”), schließlich entwickelt sich aus der Kundgebung ein aggressiver, antiziganistischer Aufmarsch. Die Versammelten ziehen los, drei Stunden lang suchen sie in der Stadt nach Roma, die sie jagen können. Erst als sie am Haus einer Romafamilie den Zaun einreißen und beginnen, damit die Fensterscheiben einzuwerfen, hat die Polizei endlich genug Einsatzkräfte zusammengezogen, um die Marodierenden zu stoppen. Ivan Motýl von der tschechischen Roma-Organisation „ROMEA“ wird Augenzeuge der Angriffe, später berichtet der Geschichtslehrer auf der Homepage seiner Organisation, dass er an die „Kristallnacht“ von 1938 habe denken müssen, als der aufgehetzte Mob auch den jüdischen Gebetsraum in Rumburk zerstört hatte. Continue reading Antiziganistische Pogrome in Tschechien

Pogromstimmung gegen Minderheit

Über 1000 Neonazis und Bürger/innen haben am Wochenende im Norden der Tschechischen Republik gegen Angehörige der Roma protestiert. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Zwei ältere Frauen spazieren mit einem kleinen Hund am Samstagvormittag durch die Straßen der nordtschechischen Glasstadt Novy Bor. Sie stoppen an einer Kreuzung vor einem leerstehenden Gebäude, schauen auf ein Plakat und diskutieren. Nach einem kurzen Gespräch reißt eine der beiden sorgfältig das Plakat von der Wand, wechselt die Straßenseite und wirft es in einen Müllcontainer. Um sie herum, ebenso wie in der gesamten Stadt, hängen noch weitere Aufkleber und Plakate, die sich gegen die neonazistische „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“, DSSS) und deren Rassismus gegen Roma richten. Als sie merkt, dass andere Leute stehen bleiben und schauen, schlendert die Frau mit ihrer Begleiterin weiter in Richtung Innenstadt.

Viele Menschen sind an diesem schwülen Sommertag in der rund 12.000 Einwohner zählenden Stadt unterwegs. Auch die tschechische Polizei ist mit 600 Beamten, ein Großteil Spezialeinheiten, hier und in der gesamten Region, keine 45 Minuten von der deutschen Grenze entfernt, präsent. Nicht ohne Grund. Die DSSS hat für den Tag in Novy Bor sowie in den nahe gelegenen Ortschaften Varnsdorf und Rumburk öffentliche Veranstaltungen gegen die in allen drei Städten lebende Roma-Minderheit angemeldet. Dabei kam es in den vergangenen zwei Wochen immer wieder zu pogromartigen Auseinandersetzungen und nur mit Mühe wurden Attacken auf die von Roma bewohnten Häuser unterbunden. Continue reading Pogromstimmung gegen Minderheit

Anti-Roma-Proteste in tschechischer Grenzregion

Prag (dpa) – An der tschechischen Grenze zu Sachsen haben mehrere Hundert Rechtsradikale und Einwohner versucht, ein überwiegend von Roma bewohntes Stadtviertel zu stürmen. Etwa 150 Roma traten am Samstag in Varnsdorf nach Angaben der Agentur CTK den Angreifern entgegen, um ihre Unterkünfte zu schützen. Zwischen beide Seiten stellte sich ein Polizeikordon. Zu dem nicht genehmigten Protestzug hatten Rechtsextreme im Internet aufgerufen.

Nach Schlägereien zwischen einheimischen Jugendlichen und Angehörigen der Roma-Minderheit hatte sich die Stimmung in der Region mit hoher Arbeitslosigkeit zuletzt dramatisch aufgeheizt. Das Innenministerium schickte etwa 200 Bereitschaftspolizisten aus Prag in die Gegend des Schluckenauer Zipfels, der nach Sachsen hineinreicht, um die Lage zu stabilisieren.

Am Freitag hatten Bewohner Varnsdorfs gegen die angeblich gestiegene Kriminalität in der Stadt demonstriert. Sie beklagen einen ungezügelten Zuzug von Roma-Familien aus dem Binnenland, was aber von Experten bestritten wird. Für das kommende Wochenende hat eine rechtsradikale Partei weitere Proteste angekündigt.

Quelle: Europe Online Magazin
Stand: 03.09.2011

Nationalisten hetzen mit Hitler-Gruß gegen Roma

Lange war Bulgarien ein Paradebeispiel für ethnische Toleranz. Nun bedrohen Nationalisten und ihr Hass gegen die Roma-Minderheit diesen Frieden.

Noch im Mai hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Bulgarien als Beispiel für das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen auf dem Balkan gelobt. Das EU-Land genießt diesen guten Ruf schon seit dem Zweiten Weltkrieg. Damals hatte es seine 50.000 Juden nicht an Nazi-Deutschland ausgeliefert. Nach dem Ende des Kommunismus 1989 wurde ein gewaltsamer Konflikt zwischen der slawischen Mehrheit und der türkischen Minderheit vermieden. Die Türken erhielten alle Bürgerrechte und gründeten ihre eigene Partei.

Rassisten skandieren „Zigeuner zu Seife“

Die Integration der Roma ist dagegen offensichtlich gescheitert. Nationalisten, Rocker sowie Fußballfans sind plötzlich mit bisher unbekannter Schärfe auf die Roma-Minderheit losgegangen. Rassistische Parolen wie „Zigeuner zu Seife“ wurden immer wieder skandiert. Die Rechtsextremisten werfen der Minderheit hasserfüllt vor, auf Kosten der slawischen Mehrheit zu leben. Offiziell haben sich 300.000 Menschen als Roma deklariert. Nach Schätzungen stellen sie jedoch von den insgesamt 7,3 Millionen Einwohnern mehr als eine halbe Million.

Mit wenigen Ausnahmen gehören die Roma zu den Ärmsten der Armen und sind tatsächlich auf Sozialhilfe angewiesen. Die hohe Arbeitslosigkeit treibt viele in die Kriminalität. Sie leben in eigenen Wohnvierteln am Stadtrand unter miserablen Bedingungen.

Der wohl einzige Berührungspunkt mit den Slawen ist die sehr beliebte Roma-Musik, ohne die kaum eine slawische Hochzeit auskommt. Im Gegensatz zu den Juden oder Armeniern heiraten die Roma nur untereinander. Continue reading Nationalisten hetzen mit Hitler-Gruß gegen Roma

Gedenkdemonstration an Milos R.

Hallo,

wir sind ein loser Zusammenschluss von Menschen, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, gerade im ländlichen Bereich auf die Situation von Asylant_innen aufmerksam zu machen. In den Städten wird auf vielfältige Art und Weise auf die Missstände hingewiesen – auf dem Land hingegen wird von diesen Fällen keine/kaum Notiz genommen. Wie im Fall Milos Redzepovic, der sich am 15. November 2002 vor dem Syker Rathaus mit Benzin übergoss und ansteckte. Er starb am folgenden Tag an seinen Verletzungen.

Zu diesem Anlass veranstalten wir am 19.11.2011 eine Gedenkdemonstration gegen die unmenschliche Abschiebepolitik. Im Vorfeld ist außerdem eine Mahnwache am 15. Oktober 2011 geplant, und wir werden mit wöchentlichen Infotischen vor Ort aufklären und auf die Situation der Asylant_innen hinweisen. Auch planen wir, in der Region Patenschaften für Flüchtlinge zu organisieren und Unterschriften für bessere Lebensbedingungen zu sammeln. Letztendlich treten wir für einen sofortigen Abschiebestopp ein!

Nun unsere Bitte:

Wir sind dankbar, für jegliche Form der Unterstützung: zum Beispiel Infomaterial, das Stellen von Redebeiträgen, Verlinken und Verbreiten unseres Anliegens und natürlich persönliches Erscheinen.
Ihr könnt euch auch in die die Unterstützer_innenliste eintragen – per Mail oder Kontaktformular auf der Seite (Link unten).

Es ist höchste Zeit diesen Wahnsinn zu stoppen!

Wir bedanken uns und hoffen auf eure Unterstützung.

Informationen gibt’s auf http://gedenkenanmilos.blogsport.de

Chronik der antiziganistischen Massenaufmärsche in Nordböhmen

In Nordböhmen (Tschechien) kam es Ende August und September 2011 zu mehreren antiziganistisch motivierten Aufmärschen und Kundgebungen, dan denen nicht selten mehrere hundert Angehörige der ethnisch-tschechischen Mehrheitsbevölkerung aus der Region und angereiste Rechte teilnahmen. Die meisten der Aufmärsche nahmen zeitweise den Charakter eines Progroms gegen die Roma-Minderheit an. Nur starke Polizeikräfte verhinderten erfolgreiche Angriffe auf die Wohnungen und Quartiere der Minderheit. Hier eine Chronologie der Ereignisse:

Screenshot antiziganistischer Aufmarsch Continue reading Chronik der antiziganistischen Massenaufmärsche in Nordböhmen

Zwei kurze Buchkritiken zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma

Das Pariser Zentrum für Sinti- und Romaforschung hat mit dem schmalen Band „Sinti und Roma unter dem Nazi-Regime. Von der „Rassenforschung“ zu den Lagern“ (Berlin, 1996) ein bemerkenswert detailreiches Buch herausgegeben, dass auch mit Originalquellen arbeitet.
Im Buch selbst werden die diversen Analogien von Antiziganismus und Antisemitismus betont. Beide Minderheiten stehen aus völkisch-nationalistischer Sicht dem Ideal der nationalkulturellen Homogenität im Weg.
Sinti und Roma dienten dazu auch noch als Objekte um von Staatsseite Einheit und Einheitlichkeit durchzusetzen, d.h. sie waren eine Minderheit, an der allen sozialen Randgruppen exemplarisch gezeigt wurde, wie mit ihnen verfahren wird, wenn sie sich nicht in die „Volksgemeinschaft“ integrieren: „Sinti und Roma dienten als Modelle zur Definition des Asozialen“ (Seite 12)
Als rassisch definierte Minderheit hatten die deutschen Sinti und Roma freilich nie diese Möglichkeit. Bereits im Kaiserreich und in der Weimarer Republik gibt es eine Tradition der Verfolgung und Bevormundung von Sinti und Roma. Im Dritten Reich setzt dann ein „Völkermord auf Raten“ ein, mit Zwangssterilisierungen seit 1934 beginnt. Auch die Überwachung verschärft sich:

„Die Polizei ging von der traditionellen Überwachung der als suspekt geltenden mobilen Bevölkerung zu einer vorbeugenden Identitätskontrolle in den Städten über.“ (Seite 11)

Continue reading Zwei kurze Buchkritiken zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma

Anti-Roma-Proteste in tschechischer Grenzregion

An der tschechischen Grenze zu Sachsen haben mehrere Hundert Rechtsradikale und Einwohner versucht, ein überwiegend von Roma bewohntes Stadtviertel zu stürmen. Etwa 150 Roma traten am Samstag in Varnsdorf nach Angaben der Agentur CTK den Angreifern entgegen, um ihre Unterkünfte zu schützen. Zwischen beide Seiten stellte sich ein Polizeikordon. Zu dem nicht genehmigten Protestzug hatten Rechtsextreme im Internet aufgerufen.

Nach Schlägereien zwischen einheimischen Jugendlichen und Angehörigen der Roma-Minderheit hatte sich die Stimmung in der Region mit hoher Arbeitslosigkeit zuletzt dramatisch aufgeheizt. Das Innenministerium schickte etwa 200 Bereitschaftspolizisten aus Prag in die Gegend des Schluckenauer Zipfels, der nach Sachsen hineinreicht, um die Lage zu stabilisieren.

Am Freitag hatten Bewohner Varnsdorfs gegen die angeblich gestiegene Kriminalität in der Stadt demonstriert. Sie beklagen einen ungezügelten Zuzug von Roma-Familien aus dem Binnenland, was aber von Experten bestritten wird. Für das kommende Wochenende hat eine rechtsradikale Partei weitere Proteste angekündigt.

Quelle: Europe Online Magazine
Stand: 03.09.2011