Category Archives: Beiträge auf Deutsch

Die Unbelehrbaren – Gyöngyöspata und die „Zigeunerfrage“ in Ungarn

Die politische Aufarbeitung der Vorkommnisse in Gyöngyöspata hat mittlerweile absurde Züge angenommen. Es geht der Regierung weniger um die Ursachen der sozialen und ethnischen Spannungen bzw. deren Beseitigung, sondern darum, „welche Kräfte daran Interesse haben, Ungarns Ruf im Ausland zu schädigen“. Realitätsververweigerung auf verschiedenen Seiten machen die Betroffenen, Roma- wie Mehrheitsbevölkerung, zu politischen Spielbällen. Die Probleme bleiben dabei ungelöst, denn staatsbürgerliche Pflichten kann man erst einfordern, wenn man das Menschenrecht auf Leben garantiert.

Kampagne gegen die Kampagne:
Schuld sind ein Amerikaner und womöglich die Russen

Wie berichtet, hat die Regierungspartei Fidesz eigens eine Untersuchungskommission eingesetzt, die diejenigen ausfindig machen soll, die die Eskalation in Gyöngyöspata „betrieben haben“. Neben der Partei Jobbik wurde von Regierungsseite auch die grün-liberale Partei LMP angegriffen (die Sozialisten sowieso), deren Chef sich von der „rufschädigenden Übertreibung“ bei den Berichten internationler Medien mitterweile distanziert hat, offenbar, um seine Reputation im bürgerlichen Lager nicht einzubüßen. Das Parlament beauftragte auch die zivilen und militärischen Geheimdienste des Landes, für Aufklärung zu sorgen, wer hinter der „internationalen Kampagne gegen Ungarn“ steckt. Continue reading Die Unbelehrbaren – Gyöngyöspata und die „Zigeunerfrage“ in Ungarn

Roma besetzten Wohnungsberatungsstelle

DORTMUND. Zu einer für einen sozialen Wohlfahrtsverband ungewöhnlichen Maßnahme sah sich unlängst die Diakonie genötigt: Sie engagierte einen privaten Sicherheitsdienst, um die von mehreren Dutzend Roma in Beschlag genommene Wohnungsberatungsstelle in der Nordstadt für die eigentliche Klientel zu retten.

Erstmals im Februar kamen Roma-Familien geballt in die Räume der Sucht- und Wohnungslosenhilfe in der Rolandstraße, okkupierten – auch aggressiv – Gemeinschaftsräume und Duschen.

Sie sperrten die Wohnungslosen aus und räumten in nur wenigen Tagen die hauseigene Kleiderkammer leer, um die Kleidungsstücke auf einem Parkplatz in der Nordstadt weiterzuverkaufen, dort wo der tägliche Reisebus aus dem bulgarischen Plowdiw hält, dem größten Roma-Getto Europas, ankommt. Continue reading Roma besetzten Wohnungsberatungsstelle

Eskalation der Gewalt – Offene Kämpfe zwischen Roma und Neonazis in Ungarn

Ganz eigene Prioritäten beim Kampf um die Menschenrechte in Ungarn hat die Regierungsfraktion heute gesetzt: Parlamentarier des Fidesz schlugen heute im Parlament vor, in Reaktion auf die Vorkommnisse in Gyöngyöspata, eine Untersuchungskommission einzusetzen, die ermitteln solle “wer die Lügen verbreitet hat, dass es sich bei der Aktion vom Freitag um eine Evakuierung” gehandelt habe. Diese Nachricht hätte erst zur Panik und Aufstachelung der Situation geführt, so die Ansicht der Fidesz-Mandatare. Orbáns Pressesprecher hatte den panikartigen Abtransport von 267 Alten, Frauen und Kindern als “lange geplanten Osterausflug” bezeichnet, gegenteilige Behauptungen als “dreiste Lüge” gebrandmarkt. Nur wussten sogar die Beteiligten bis am Abend zuvor nichts von dem “Urlaub”.

Mittlerweile hat sich auch Premier Orbán – im Privatfernsehen – zu den Ereignissen geäußert. Er verdammte “jede Art von Gewalt” und betonte vor allem die strengeren Maßnahmen über das Strafgesetzbuch, die eine Wiederholung der Vorkommnisse nun verhindern sollen. Die hastig per Ministerdekret eingeführte Geldstrafe für das “illegale Anmaßen der Ordnungsmacht” von bis zu 100.000 Forint (380.- EUR) werde – im Wiederholungsfalle zu einer Haftstrafe, dafür werde er, Orbán, per Gesetz sorgen. Die strukturellen Probleme der Roma und der ebenfalls benachteiligten Mehrheitsbevölkerung in der Region, das Grundproblem des wachsenden Nazismus im Lande sprach er nicht weiter an, verwies nur wieder auf die sog. EU-weite Romastrategie, an der derzeit gearbeitet wird.

Quelle: Pester Llyod
Stand: 28.04.2011

Bürgermeister-Kandidat fordert KZ für Roma in Ungarn

Mit heftigem Protest reagierten Politiker der sozialistischen Oppositionspartei MSZP auf Äußerungen des Bürgermeisterkandidaten der rechtsextremen Partei Jobbik für Miskolc bei den Kommunalwahlen am 3. Oktober. Márton Szegedi hatte gefordert, „Wiederholungstäter mit Romaherkunft die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie außerhalb der Städte in Lager zu stecken“. Er erwähnte dazu „bewährte“ Beispiele „aus der Slowakei, Frankreich, Italien und Finnland“, wo solche Disziplinierungen schon angewandt würden. Der MSZP-Parteisprecher forderte sowohl den Politiker wie seine Partei dazu auf, sich deutlich von diesen Äußerungen zu distanzieren, die ein Aufruf zur Schaffung von Konzentrationslagern nach natioanlsozialistischem Vorbild seien. Der Platz für einen Wiederholungsstraftäter ist auch in Ungarn einzig und allein das Gefängnis, so MSZP-Sprecher Nyako, der sich auch ein Machtwort von Premier Orbán erwartet, der klarstellt, dass die rund 500.000 ungarischen Roma vor extremistischen Auwüchsen geschützt werden.

Quelle: Pester Lloyd
Stand: 30.08.2010

Vaterlandslose Gesellen

Stereotyp und Bedrohung: Wie sich die Mehrheitsgesellschaft ihre „Zigeuner“ erschaffen hat

Der Antiziganismus-Forscher Markus End erläutert im Gespräch mit dem Pester Lloyd aktuelle Gründe und historische Hintergründe des Hasses auf Roma und wie sich die Mehrheitsgesellschaft „ihre Zigeuner“ selbst gebastelt hat. Roma-feindliche Einstellungen sind zwar kein ungarisches, sondern ein europäisches Problem.Doch in Ungarn sind Stereotype und Chauvinismus besonders deutlich, sozusagen lehrbuchhaft, erkennbar. Einen einfachen Ausweg daraus gibt es nicht.

Es ist ein bisschen stiller geworden um die Roma-feindlichen Zustände in Ungarn, seit die spektakulären Morde mit der Festnahme der Verdächtigen anscheinend ein Ende genommen haben. Vorurteile und Hass gegen Roma bleiben jedoch an der Tagesordnung. In einer Umfrage durch die EU 2008 halten 90 % der ungarischen Roma ihre Diskriminierung in Ungarn für weit verbreitet und im europäischen Vergleich für am Ausgeprägtesten. Die Roma-feindlichen Einstellungen sind jedoch kein ungarisches, sondern ein europäisches Problem, denn sie gehören zur gesamteuropäischen Geschichte und Gegenwart.

Um dieses so weitläufige Phänomen angemessen zu beschreiben, spricht die soziologische Forschung daher seit neuestem von „Antiziganismus“. Über die Ursachen dieses Antiziganismus besteht noch längst keine Einigkeit. Markus End jedenfalls, der sich derzeit als Doktorand am Zentrum für Antisemitismusforschung (TU Berlin) mit dem Thema beschäftigt und den Sammelband „Antiziganistische Zustände“ mitherausgegeben hat, sieht diese in den Grundstrukturen der europäischen Tradition selbst begründet: Nationalismus und Arbeitsethos. Weshalb sich das Problem hartnäckiger hält, als einem lieb sein kann… Continue reading Vaterlandslose Gesellen

Roma besetzen nach Zwangsräumung Papst-Basilika

In Rom wird über die Unterbringungsmöglichkeit von rund 150 Roma diskutiert. Die Betroffenen, darunter auch 40 Kinder, haben die Basilika Sankt Paul besetzt.

Rund 150 Roma, unter ihnen 40 Kinder, haben am Karfreitag die römische Basilika Sankt Paul vor den Mauern besetzt. Sie protestierten damit gegen die Zwangsräumung ihrer Behausungen in Casal Bruciato im Nordwesten Roms.

Nach ergebnislosen Verhandlungen mit der römischen Stadtverwaltung gewährte ihnen der Vatikan als Besitzer der Basilika Übernachtungsasyl in einem Raum außerhalb des Kirchenschiffs, wie das italienische Fernsehen am Freitagabend berichtete.

Umgang sei „konzeptlos und unmenschlich“

Die Räumung illegaler Lager war in den vergangenen Tagen von einer Auseinandersetzung zwischen Roms Bürgermeister Gianni Alemanno (Volk der Freiheit) und der katholischen Basisgemeinde Sant’Egidio begleitet, die den Umgang mit Wohnsitzlosen in der Hauptstadt als konzeptlos und unmenschlich kritisiert.
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Alemanno machte laut anderen Medienberichten geltend, die Roma hätten alternative Unterbringungsmöglichkeiten abgelehnt.

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international rief italienischen Medien zufolge den römischen Polizeipräfekten Giuseppe Pecoraro auf, alle Räumungen unverzüglich zu stoppen und den Plan der Stadtverwaltung zur Umsiedlung der Roma auszusetzen.

Quelle: Welt Online
Stand: 23.04.2011

Ungarns Regierung bestreitet Roma-Rettung

Ungarns Regierung und das Rote Kreuz haben dementiert, dass 300 Roma vor Rechtsextremen gerettet wurden. Es habe sich nur um einen Osterausflug gehandelt.

Die angebliche Rettung von knapp 300 Roma vor rechtsradikalen Umtrieben in Ungarn hat für Verwirrung gesorgt. Vertreter der Minderheit erklärten, das Rote Kreuz habe sie aus dem zentralungarischen Dorf Gyöngyöspata in Sicherheit gebracht. Sie hätten sich an die Organisation aus Angst vor einem von der rechtsradikalen Gruppe Vederö geplanten paramilitärischen Trainingslager gewandt, sagten sie ungarischen Medien.

Ungarns Regierungssprecher Peter Szijjarto erklärte hingegen, die Evakuierungsaktion des Roten Kreuzes sei nicht aufgrund einer „Notsituation“ durchgeführt worden. Es handle sich vielmehr um einen länger geplanten „Ausflug“ über das Osterwochenende. Erik Selymes, geschäftsführender Direktor des Ungarischen Roten Kreuzes, bestätigte diese Darstellung. Continue reading Ungarns Regierung bestreitet Roma-Rettung

Polizei löste paramilitärisches Trainingslager auf

Widersprüchliche Aussagen – Roma: Evakuierung oder Osterurlaub?

Budapest – Laut dem ungarischen privaten TV-Sender TV2 hat die Polizei am Freitagabend die Aktionen im Trainingslager der rechtsradikalen Gruppierung „Vederö“ in Gyöngyöspata beendet. Dabei seien die Organisatoren des Lagers von der Polizei abgeführt und die restlichen Teilnehmer aufgefordert worden, den Schauplatz zu verlassen.

Nach Angaben der Polizei gilt es als Straftat, wenn eine Bekleidung getragen wird, die Ängste in der Bevölkerung auslöst. Wie die ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete, hat der Großteil der Teilnehmer das Lager verlassen. Innenminister Sandor Pinter erklärte auf einer Pressekonferenz in Gyöngyöspata, dass acht Personen von der Polizei abgeführt worden seien. Ihnen werde vorgeworfen, randaliert zu haben. Continue reading Polizei löste paramilitärisches Trainingslager auf

Verwirrung um Roma-Rettung

Wegen eines rechtsradikalen Trainingscamps wurden angeblich knapp 300 Roma vom ungarischen Roten Kreuz evakuiert. Regierung und Rotes Kreuz dementieren: Es war nur ein Ausflug.

Die angebliche Rettung von knapp 300 Roma vor rechtsradikalen Umtrieben in Ungarn hat am Freitag für Verwirrung gesorgt. Vertreter der Minderheit erklärten, das Rote Kreuz habe sie aus dem zentralungarischen Dorf Gyöngyöspata in Sicherheit gebracht. Sie hätten sich an die Organisation aus Angst vor einem von der rechtsradikalen Gruppe Vederö geplanten paramilitärischen Trainingslager gewandt, sagten sie ungarischen Medien.

Ungarns Regierungssprecher Peter Szijjarto erklärte hingegen, die Evakuierungsaktion des Roten Kreuzes sei nicht aufgrund einer „Notsituation“ durchgeführt worden. Es handle sich vielmehr um einen länger geplanten „Ausflug“ über das Osterwochenende. Erik Selymes, geschäftsführender Direktor des Ungarischen Roten Kreuzes, bestätigte diese Darstellung auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. Continue reading Verwirrung um Roma-Rettung

Machtproben: Nachspiele zum Jobbik-Aufmarsch in Ungarn

Der Jobbik-Aufmarsch in dem nordostungarischen Dorf Hejöszalonta vom Wochenende hat weitergehende Nachwirkungen, was ja auch im Sinne des Erfinders gewesen sein dürfte. Angehörige der ortsansässigen Roma weigerten sich zu Beginn der Woche, ihre Kinder in den Kindergarten zu bringen, weil eine der Betreuerinnen der kommunalen Anstalt an der Jobbik-Demonstration teilgenommen hatte. Im Unterschied zu anderen Bürgermeistern, die teilweise die rechtsextremistischen Demonstranten bzw. deren sog. „Bürgerwehren“ direkt in die Orte einluden, sprach der Bürgermeister von Hejöszalonta József Anderkó davon, dass Jobbik die Stimmung im Ort „hysterisch aufgeheizt“ habe. Zwar patroulliert die Polizei seitdem rund um die Uhr, doch die Situation bleibt enorm angespannt, beklagt der Gemeindevorsteher.

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