Neonazis versuchten offenbar 2012, eine europäische Gruppe nach dem Vorbild des NSU zu bilden. Stand eine neue Mordserie bevor?
Sie waren zu neunt und hatten eine Idee: Sie würden sich mit anderen europäischen Neonazis verbünden. Sie würden töten, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern. Vor allem Roma sollten ihre Opfer sein. Um ihr Vorhaben zu besprechen, trafen sie sich auf dem Christkindlmarkt, zwischen Glühweinstand und Lebkuchenherzen, manchmal auch in einem Park. Sie redeten dann verklausuliert über ihre Aktion, die sie „Zweiter Frühling“ nannten. So steht es in geheimen Unterlagen zum „Zweiten Frühling“, die der SPIEGEL einsehen konnte. Sie legen einen brisanten Verdacht nahe. Wenn er zutrifft, haben die Neonazis schon ein Jahr nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im November 2011 darüber nachgedacht, eine Gruppe nach dessen Vorbild zu gründen. In einer Zeit, als sich die Republik intensiv mit der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen befasste, überlegten sie, dessen Terror fortzusetzen. Der Name war verräterisch: „Frühling“ stand in großen Buchstaben auf den DVDs mit einem Bekennervideo des NSU. In dem Film hatten sich dessen Mitglieder zu einer rassistischen Mordserie bekannt. Und nun ein „Zweiter Frühling“? Die Behörden nahmen die Sache ernst: Jahrelang beobachteten Verfassungsschützer aus sechs Ländern sowie vom Bundesamt in Köln in einer gemeinsamen Operation namens „Mazoleti“ die Verdächtigen. Die Behörden waren so alarmiert, dass sie den Generalbundesanwalt einschalteten: Dieser ermittelte von März 2013 an gegen sieben namentlich bekannte und zwei unbekannte Männer wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Gruppe bestand aus hochrangigen und seit vielen Jahren aktiven Neonazis. Auch zwei Funktionäre der National – demokratischen Partei Deutschlands (NPD) haben laut den Unterlagen dazugehört. Einer der Verdächtigen hatte sogar Kontakt zu den späteren Mitgliedern des NSU: Sein Name tauchte auf einer Telefonliste von Uwe Mundlos auf, die 1998 in der Bombenwerkstatt des späteren NSU-Täters gefunden wurde. Ein weiteres Mitglied hatte bereits Erfahrungen mit der Identifizierung „politischer Gegner“. Continue reading Neonazis planten offenbar Nachfolge des NSU
Category Archives: Deutschland
Unsere neue Herausgabe: „Für immer ‚Zigeuner‘? – Zur Kontinuität des Antiziganismus in Deutschland“.
Wie lässt sich in angemessener Weise mit und von Roma und Sinti sprechen, wenn sich ein Schweigen angesichts nicht schwindender rassistischer Einstellungen und Handlungen ihnen gegenüber verbietet? Jede Äußerung über Sinti und Roma steht in der Gefahr, Stereotype fortzuschreiben und muss sich deshalb der Fallstricke bewusst sein, die für diese Thematik kennzeichnend sind.
Namhafte Autoren, aufwendig gestaltet, 159 Seiten, 14,80 Euro plus Versand
Bestellung hier: [email protected]
Quelle: https://via-bundesverband.blogspot.de/2017/01/unsere-neue-publikation.html
Stand: 20.05.2017
Fundstück: Antiziganismus in der DDR
„Für Roma und Sinti war der VdN-Status [VdN = Verfolgte des Naziregimes] zusätzlich an die Registrierung beim Arbeitsamt geknüpft. Ihre Stigmatisierung im Nationalsozialismus als »arbeitsscheu« oder »asozial« setzte sich hier fort.“
Quelle: Antonio-Amadeo-Stiftung (Hg.): „Das hat’s bei uns nicht gegeben. Antisemitismus in der DDR“, Begleitbuch zur Ausstellung, Redaktion Heide Radvan, Berlin 2010, Seite 79
Thüringer Aktionsbündnis gegen Abschiebung
http://breakdeportation.blogsport.de/
„Ist das noch Ihre Geschichte?“
ROMA-LEBEN Katja Behrens stellt Buch über den Werdegang von Gianni Jovanovic mit ihm gemeinsam im Literaturhaus vor
DARMSTADT – Am 80. Geburtstag des Darmstädter Kinderarztes Hans Joachim Landzettel haben sie sich vor zwei Jahren kennengelernt, die Schriftstellerin Katja Behrens und der damals 35 Jahre alte Gianni Jovanovic. Während der Feier schilderte der wortgewandte, gut aussehende junge Rom (Roma ist die Mehrzahl) in bewegenden Worten, warum Darmstadt für ihn jahrzehntelang verbrannte Erde war. Als Kind hatte er einen Anschlag auf das Haus erlebt, in dem er mit seiner Familie wohnte. Jahrelang verfolgten ihn Angstträume. Heute leitet Jovanovic in Köln eine auf Zahnkosmetik spezialisierte Firma, bekennt sich zu seiner Homosexualität – und ist zweifacher Großvater. „Ich persönlich hab’s geschafft“, sagt er, „andere nicht“.
Jetzt lasen Jovanovic und Behrens im Literaturhaus abwechselnd aus dem Buch vor, das die Schriftstellerin über sein Leben geschrieben hat: „Nachts, wenn Schatten aus allen Ecken kommen – Roma-Leben zwischen Tradition und Aufbruch“. Sie scheut sich nicht, das Wort Zigeuner zu schreiben und auszusprechen, Jovanovic aber mag das „Z-Wort“ nicht und besteht auf der Unterscheidung Sinti und Roma. Es war nicht die einzige Differenz zwischen den beiden, die bei dieser Veranstaltung aufblitzte.
Detailreich gibt Behrens Einblicke in befremdliche, archaische Lebensmuster. Sie beschreibt, wie der erst vierzehn Jahre alte „Nono“ – so Jovanovics Name im Buch – die dreizehnjährige Julijana entjungfert, mit der er gerade verheiratet wurde. „Los, mach, alle warten auf dich“, sagt die Oma, und vor der Tür lauert die Verwandtschaft und will den blutbefleckten Unterrock sehen. Denn Frauen, die nicht bluten, sind Huren.
Die Schriftstellerin stellt die Kinderehe als Tradition der Roma dar, aber der Mann, der ihr ja den Stoff für ihr Buch geliefert hat, widerspricht: „Wenn du das so hinstellst, muss ich das korrigieren.“ Er sei nämlich ein Einzelkind gewesen, und es gehöre zum System, dass die Kinder traditionell zusammengeführt werden, um später mal ihre Eltern zu ernähren.
Jovanovic gab zu, dass er lieber seine Autobiografie selbst geschrieben hätte, das sei ihm aber leider verwehrt worden. Auf die Frage aus dem Publikum „Ist das noch Ihre Geschichte?“ antwortete er, sich „zum Teil“ damit identifizieren zu können.
Im Publikum saß auch Hans Joachim Landzettel, jener Kinderarzt, der sich vor über 30 Jahren unentgeltlich um den kleinen Gianni und viele andere Roma-Kinder gekümmert hatte. Er sei stolz, dass es diese Vortragsveranstaltung gebe, sagte Landzettel. Damals habe er viel Gegenwind gespürt, man habe ihm sogar einen Umschlag mit Kot in Haus geschickt.
Eine prägende Zeit für den späteren Werdegang
Aber er habe auch Zustimmung erfahren, und andere Darmstädter hätten den Roma ebenfalls geholfen. Die Großfamilie von Jovanovic in Köln habe ihm bestätigt, dass die Zeit in Darmstadt für die Schulbildung der Kinder und ihren späteren Werdegang entscheidend war.
Die Lesung bekam eine besondere Note durch die Musikbeiträge der Romni (weibliche Form) Matilda Leko. Sie hat in Wien Jazzgesang studiert und trug mit rauer, klagender Stimme zur Klavierbegleitung Balladen und Lieder auf Romanes vor.
Quelle: Echo
Stand: 15.11.2016
Frankfurt: Brandanschlag auf Obdachlose
Am 2.12.2016 wurde in Frankfurt/M. unter Brücke der Rosa-Luxemburg-Straße eine Schlafstätte von Obdachlosen aus Rumänien angezündet. Zum Zeitpunkt des Brandanschlags befanden sich sechs Personen in der Hütte. Ein junger Mann erlitt Brandverletzungen, als er das Feuer löschte. Die Betroffenen berichten von drei geflüchteten Personen, die an dem Anschlag beteiligt waren.
Der Förderverein Roma geht davon aus, dass es sich bei den obdachlosen Menschen aus Rumänien auch um Roma handelt, da in der Vergangenheit seitens der Sozialberatung bereits Kontakt zu Personen bestand, die unter der Brücke schliefen.
Es geht offensichtlich um einen Brandanschlag, der die Verletzung oder den Tod der Obdachlosen in Kauf nahm. Zudem sind rassistische Motive nahe liegend. Der Träger erinnert in dem Zusammenhang an einen Brand Anfang September des Jahres in Frankfurt/Fechenheim in einem Haus, das von Roma bewohnt wurde (wir berichteten). Auch hier wird wegen Brandstiftung ermittelt.
In der täglichen Arbeit des Vereins ist die Konfrontation mit Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma und Sinti allgegenwärtig. Aktuelle Studien bestätigen die tiefe Verankerung des Antiziganismus als Erziehungs- und Sozialisationsfaktor. Die Stimmungsmache der letzten Jahre und die Präsentation von Roma-Flüchtlingen und -Migranten als nicht erwünscht vervollständigen das Bild.
Die vollständige und politisch gewollte Abstinenz des Sozialstaates, die von der aktuellen Gesetzesverschärfung bestätigt wurde, belässt Armut bei den Betroffenen und macht sie für das Elend selbst verantwortlich. Der Paritätische sprach in diesem Zusammenhang von „Aushungern“. Die Ignoranz führt dazu, dass sich die Menschen selbst organisieren müssen; auf der Brache im Frankfurter Gutleutviertel, in leerstehenden Häusern, unter Brücken, auf der Straße. Sie werden so zur Zielscheibe. Die mediale Hetze und der weit verbreitete gesellschaftliche Hass münden dann letztlich in gewaltsame Exzesse – wie dem Brandanschlag. Der Förderverein Roma fordert eine schnelle und rückhaltlose Aufklärung der Vorgänge.
Meldung des Polizeipräsidiums Frankfurt/M., 5.12.2016:
Frankfurt-Niederursel/Heddernheim: Obdachlosen-Schlafplatz in Brand gesetzt
Frankfurt (ots) – (em) Am Freitag, den 02. Dezember 2016, wurde ein von Obdachlosen genutztes Matratzenlager in Brand gesetzt. Eine Person verletzte sich dabei leicht.
Zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr wurde ein hüttenähnlicher Bau aus Matratzen unter der Brücke der Rosa-Luxemburg-Straße von unbekannten Tätern in Brand gesetzt. Gegen 21 Uhr legten sich sechs rumänischen StaatsbürGer im Alter von 21 bis 39 Jahren schlafen. Kurz darauf vernahm eine der sechs Personen (21) einen Schatten. Die 21-Jährige weckte ihren 32-jährigen Lebensgefährten, der sofort nach draußen ging. Da schlugen ihm bereits die ersten Flammen entgegen. Das Paar zog sofort die brennenden Matratzen in den nahegelegenen Urselbach. Dabei erlitt der 32-Jährige eine leichte Brandverletzung am Arm und wurde vor Ort ambulant behandelt. Die anderen fünf Personen blieben unverletzt. Die Zeugen berichteten von drei Personen, die geflohen seien.
Die Motive für das in Brand setzen der Schlafunterkunft ist bislang nicht klar. Die Ermittlungen dauern an. Sachdienliche Hinweise nimmt die Kriminalpolizei Frankfurt unter der Rufnummer 069/755-53111 entgegen.
Quelle: dROMa
Stand: 08.12.2016
Tote Roma zählen nicht
Nachdem ein Polizist von einen Hungaristen tödlich getroffen wurde ist die ungarische Öffentlichkeit entsetzt wie es so weit kommen konnte. Dabei morden Hungaristen schon seit Jahren.
Von Benjamin Horvath
In Bőny, im Nordwesten Ungarns, wurden am 26.10.2016 ein 46-jähriger Polizist durch Maschinengewehrschüsse tödlich am Kopf getroffen und sein Kollege verletzt. Die beiden Beamten waren dabei eine Hausdurchsuchung mit Verdacht auf illegalen Waffenbesitz durch zu führen. Der Täter war István Györkös, ein 76-jähriger Hungarist und Begründer der rechtsextremen, paramilitärischen Gruppe Magyar Nemzeti Arcvonal (MNA, deutsch: Ungarische Nationale Front). Als das ungarische Sondereinsatzkommando TEK darauf hin sein Haus stürmte, konnte der Täter verletzt festgenommen werden. Continue reading Tote Roma zählen nicht
Zoff im Mietshaus: Roma-Familie muss umziehen
Gemeinde setzt Eltern und Kinder aus Serbien um – Betreuerin und Beratungsstelle erheben heftige Vorwürfe
Quelle: Schwäbische
Stand: 26.08.2016
Anzeige wegen Hausfriedensbruch: Bistum setzt Roma vor die Tür
25 Asylbewerber suchen Anfang Juli Zuflucht im Regensburger Dom, um ihre Abschiebung zu verhindern. Jetzt hat das Erzbistum genug und erstattet Anzeige. Die Rede ist von unerfüllbaren Forderungen und konkreten Drohungen.
Die Asylbewerber in Regensburg, die seit mehr als vier Wochen unter kirchlicher Obhut stehen, müssen das dortige Pfarrheim verlassen. Das Bistum habe in Rücksprache mit den Behörden festgelegt, gegen die 25 Asylsuchenden Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch zu stellen, teilte ein Bistumssprecher mit. Ab Samstag will das Bistum die Versorgung mit Nahrungsmitteln einstellen. Ein Notarzt sei aber erreichbar, heißt es. Die ganze Gruppe oder einzelne Personen der Gruppe könnten jederzeit das Pfarrheim verlassen und mit ihrer zuständigen Ausländerbehörde die nächsten Schritte besprechen. Die Gruppe hatte Anfang Juli Zuflucht im Regensburger Dom gesucht und dort fast eine Woche ausgeharrt, ehe sie in das Pfarrheim umzog. Bei einem Großteil handelt es sich um Roma aus Albanien, dem Kosovo, Mazedonien und Serbien. Mit ihrer Aktion wollen sie für ein Bleiberecht und gegen die Einstufung von Balkan-Staaten als sichere Herkunftsländer demonstrieren. Generalvikar Michael Fuchs verurteilte insbesondere das wiederholte Vorschieben der Kinder für die unerfüllbaren Ziele der Gruppe. Die Kinder wurden demnach „von Anfang an benutzt als Transparent-Halter, als Foto-Objekte an der Protestfront, ja in konkreten Drohungen sogar als mögliche Waisenkinder durch Selbstmord der Erwachsenen und als mögliche Tötungsopfer“, sagte Fuchs.
Quelle: n-tv.de
Stand: 05.08.2016
Kommentar Entschädigung für Roma: Ein preisgünstiger Völkermord
Nach 70 Jahren erhalten tschechische Roma nun eine Entschädigung für ihr Leid im KZ. Der späte Zeitpunkt ist ebenso zynisch wie die geringe Summe.
Es ist eine längst überfällige Geste, und eine geizige noch dazu: 2.500 Euro Entschädigung erhalten tschechische Roma, die das Grauen der deutschen Konzentrationslager überlebt haben. Hunderttausende Menschen aus ganz Europa fielen aufgrund ihrer „Fremdrassigkeit“ und als „geborene Asoziale“ dem Massenmord der Nazis zum Opfer, darunter viele aus den besetzten Gebieten im Süden und Osten des Kontinents.
Die Justiz der jungen Bundesrepublik leugnete die rassistische Dimension des Verbrechens – mit einer offensichtlich rassistischen Begründung. Die Sinti und Roma hätten schließlich schon immer Anlass gegeben, sie „besonderen Beschränkungen zu unterwerfen“, heißt es in einem Gerichtsurteil von 1956. Dazu passt die jahrzehntelang hohe Ablehnungsquote beantragter Entschädigungsleistungen für die Opfer.
Dass nun für das letzte gute Dutzend tschechischer Überlebender eine Regelung gefunden wurde, ist somit auf symbolischer Ebene ein durchaus großer Schritt der Anerkennung des Unrechts, in der konkreten Ausgestaltung jedoch mindestens „lächerlich“, wie ein Vertreter des Opferverbandes konstatiert. „Zynisch“ trifft es vielleicht eher. Der Rechtsnachfolger des verbrecherischen faschistischen Staates benötigte mehr als 70 Jahre, um einer Handvoll alter Menschen, die zum Teil auf dem Sterbebett liegen, einen Almosen zu gewähren.
Während die früheren Opfer ihre Familien in den Gaskammern der Konzentrationslager verloren und mit ihren Nachkommen zum Teil in bitterer Armut leben mussten, konnten viele Täter in der Bundesrepublik fast nahtlos an ihre Kriegskarrieren anknüpfen. Für die lebenslange rassistische Ausgrenzung und vor allem für das Menschheitsverbrechen der Vernichtung der „Zigeuner“ in Europa lässt sich kaum eine angemessene Entschädigungssumme finden – eine würdigere als 2.500 Euro pro Person aber wäre schon viel eher möglich gewesen.
So bleibt jener Völkermord nicht zufällig ein eher preisgünstiges Verbrechen, sowohl für die individuellen Täter als auch für den deutschen Staat.
Quelle: taz.de
Stand: 07.08.2016