Category Archives: Tschechien

Varnsdorf 17.09. Kundgebung

Erneut nationalistische Kundgebung in Varnsdorf (CZ) am 17.09.11

In den vergangenen Wochen kam es im tschechischen Varnsdorf, direkt an der deutschen Grenze, zu Protesten der BürgerInnen gegen dort ansässige Roma. Örtliche Nazis instrumentalisieren diese pogromartige Stimmung und mobilisierten nach Varnsdorf und die umliegenden Dörfer Rumburk und Nóvy Bor. In Varnsdorf kam es zu Ausschreitungen, der Mob strömte nach Kundgebungen an den vergangenen Samstagen zu von Roma bewohnten Häusern. Die Polizei konnte die Menge nur wenige Meter vor dem Haus aufhalten.
Für uns – eine kleine Gruppe von Menschen aus Dresden – war dies Anlass, um uns die Situation vor Ort anzusehen.
Am vergangenen Samstag um 14:00 Uhr wurde erneut eine nationalistische Kundgebung im Zentrum Varnsdorfs abgehalten. Zwischen 300 und 400 Personen größtenteils bürgerlichen Spektrums waren anwesend. Am Rande der Versammlung hielten sich einige offenbar gewaltbereite Nazi-Bezugsgruppen auf, manche mischten sich auch unter die Menge. Auch deutsche Nazis waren in der Stadt zu sehen.
Die tschechische Nationalhymne erklang aus den Lautsprechern auf der Bühne während einige TeilnehmerInnen der Kundgebung Transparente mit der Parole „Ĉechy Ĉechům“ („Tschechien den Tschechen“) hochhielten. Lediglich ein Polizeifahrzeug war in der Nähe abgestellt. Obwohl wir aufgrund der Sprachbarriere die Redebeiträge sowie die Menschen um uns herum nicht verstehen konnten, war für uns kein Protest erkennbar. In der Nähe hielt sich beobachtendes Publikum auf, für uns war nicht ersichtlich wie dieses zu der Kundgebung eingestellt war. In Erwartung, dass – wie in den Wochen zuvor – irgendwann zu einem Protestmarsch in Richtung der Häuser, in denen Roma leben, aufgerufen würde, verließen wir den Ort, da wir uns nicht mehr sicher fühlten.
Im Vorfeld der Kundgebung versuchten wir uns ein Bild über das Schutzkonzept der Polizei zu machen. Nach unseren Beobachtungen wurden zwei der betroffenen Häuser durch massives Polizeiaufgebot geschützt. Neun große Polizeifahrzeuge mit etwa 60 – 100 BeamtInnen, darunter Spezialeinheiten, die gegen 12:30 Uhr gerade die umliegenden Grundstücke von möglichen Wurfgegenständen befreiten, sammelten sich direkt vor einem der Häuser. Die Stimmung unter den PolizistInnen war abwartend, aber gelassen. Im Umfeld des anderen Hauses sahen wir einen Wasserwerfer, vier Hundetransporter und etwa 15 Sixpacks bzw. größere Einsatzfahrzeuge, die sich teilweise zwischen Bahnhof und dem Haus bewegten.
Von außen betrachtet schien uns die Lage im Haus selbst angespannt, einige Kinder beobachteten vor dem Haus „Hotel Sport“ das Geschehen, vor allem die 10 – 15 PolizistInnen, die das Gebäude von der Straße abschirmten.
Später am Tag bestätigte sich unsere Befürchtung, dass der Mob von der Kundgebung erneut zu einem der betroffenen Häuser laufen würde, diesmal jedoch ließen die Einsatzkräfte die Demonstration nicht näher als 200 Meter an das Haus heran, womit sie jegliche direkte Angriffe verhindern konnte. Recht schnell löste sich die Menge auf und die aufgeheizte Lage entspannte sich.

Quelle: Indymedia
Stand: 19.09.2011

Störungsmelder Wir müssen reden. Über Nazis. Pogromstimmung gegen Roma in Tschechien

Hunderte Bürger beteiligten sich vor einer Woche in Tschechien spontan an Aufmärschen von Neonazis. Bei den Protesten, die sich gegen die Roma-Minderheit richteten, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Zu einem Protestmarathon mobilisierte die “Dĕlnická strana sociální spravedlnosti” (Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit, DSSS), eine tschechische Neonazi-Partei, am vergangenen Samstag, dem 10. September, ihre Anhänger in den Norden des Landes. In Nový Bor versammelten sich am frühen Samstagvormittag rund 400 Neonazis und 100 Einwohner, um gegen die Roma-Minderheit in der der Region zu protestieren. Bereits zu Beginn des Aufmarsches skandierten die Neonazis Parolen wie „Cikáni do práce“ („Zigeuner geht arbeiten“) und „Čechy Čechům“ („Tschechien den Tschechen“). Sowohl in Novy Bor, auf einem zentralen Platz in der Innenstadt wo sich nochmals hunderte Einwohner anschlossen, als auch wenige Stunden später in Varnsdorf, von einem LKW-Anhänger, heizte der DSSS-Vorsitzende Tomáš Vandas der Menge ein. Continue reading Störungsmelder Wir müssen reden. Über Nazis. Pogromstimmung gegen Roma in Tschechien

Pogromstimmung in Varnsdorf

Seit einigen Wochen gibt es im Schluckenauer Zipfel in Tschechien, unweit von Dresden, progromartige Stimmung gegen Roma. Schon an den vergangenen Samstagen gab es Demonstrationen, die in aggressiven Märschen auf die Romahäuser endeten. Bisher hat die tschechische Polizei die aufgebrachte Menge rechtzeitig stoppen können. Brennpunkt war vor allem Varnsdorf, Gegenproteste gab es bisher so gut wie gar nicht. Grund genug für uns Varnsdorf mal einen Besuch abzustatten und zu schauen wo, wie und ob die betroffenen Roma unterstützt werden können.

Also fuhren wir mit einer kleinen Gruppe am Samstagmorgen nach Tschechien. Ohne wirklich zu wissen wie wir die Sache angehen sollen und mit einer guten Portion Angst. Varnsdorf ist ein verschlafener kleiner Ort, nichts deutet darauf hin, dass hier in ein paar Stunden wieder einige hundert Nazis versuchen werden Romahäuser anzugreifen. Kurz bevor die Demonstration starten soll sind vereinzelte Kleingruppen zu sehen, einige auch gut als Nazis zu erkennen. Zu Auseinandersetzungen zwischen Roma- und Nazigruppen kommt es dennoch nicht. Continue reading Pogromstimmung in Varnsdorf

Pogromartige Stimmung gegen Roma in Tschechien

Vor wenigen Wochen veröffentlichten wir ein Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten Markus Pape vom „Europäischen Zentrum für Romarechte“. Darin schilderte er die schwierige Situation in der sich große Teile der Sinti und Roma in Tschechien befinden und verwies auf die Praxis der tschechischen Polizei, die zahlreichen Übergriffe durch Neonazis zu verheimlichen oder in Statistiken anonym zu erwähnen. Ein Höhepunkt der Angriffe war der Brandanschlag auf ein von Roma bewohntes Haus in Vítkov im April 2009, bei dem ein zweijähriges Mädchen durch Verbrennungen schwer verletzt worden war. In den letzten Wochen haben die gewalttätigen Proteste der ansässigen Bevölkerung wieder zugenommmen. Gemeinsam mit organisierten Nazis versuchte zuletzt ein Mob aus mehr als 1.000 Menschen unweit der deutsch-tschechischen Grenze Häuser und Wohnungen von Roma anzugreifen.

Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche verhinderten tschechische Spezialeinheiten der Polizei ein Pogrom gegen Roma in Varnsdorf. Continue reading Pogromartige Stimmung gegen Roma in Tschechien

Verletzte bei Aufmärschen von Rechtsradikalen in Tschechien

Demonstrationen gegen Roma in mehreren Städten / Polizei setzt Wasserwerfer ein und nimmt 41 Menschen fest

Prag – Durch Aufmärsche von Rechtsradikalen sind im Norden Tschechiens erneut die schweren Spannungen um die dort lebende Minderheit der Roma aufgeflammt. Nach einer Kundgebung in der Stadt Varnsdorf kam es am Wochenende zu schweren Zusammenstößen zwischen gewalttätigen Extremisten und der Polizei, die diese an einem geplanten Marsch zu einer Roma-Siedlung hinderte. Dabei wurden sechs Menschen verletzt. Demonstrationen fanden auch in Rumburk und Novy Bor statt. Wie in Varnsdorf schlossen sich auch hier normale Bürger den Radikalen an. Insgesamt wurden nach Angaben der Polizei 41 Menschen festgenommen. Etwa 600 Polizisten und drei Hubschrauber waren im Einsatz. Continue reading Verletzte bei Aufmärschen von Rechtsradikalen in Tschechien

Antiziganistische Pogrome in Tschechien

In mehreren böhmischen Kleinstädten strömten an den letzten Wochenenden bis zu tausend Bürgerinnen und Bürger zusammen, um Wohnhäuser von Roma anzugreifen. In Varnsdorf, 500 Meter hinter der deutschen Grenze, konnten Spezialeinheiten der tschechischen Polizei am vergangenen Samstag in letzter Sekunde ein Pogrom verhindern. In den nächsten Tagen drohen erneut antiziganistische Massenaktionen.

Eine Chronologie der Ereignisse von Robert Andreasch & Lara Schultz, Varnsdorf.

Rumburk, Freitag, 26. August 2011

Jaroslav Sykáček ist Bürgermeister von Rumburk und Sozialdemokrat. Für den Abend hat er die 11.000 Einwohnerinnen und Einwohner der nordböhmischen Stadt zu einer öffentlichen „Versammlung gegen Gewalt und Kriminalität” aufgerufen. Als Anlass dient eine fünf Tage zurückliegende Schlägerei zwischen Jugendlichen vor der Diskothek „Modrá hvězda“, deren Hintergründe noch im Unklaren liegen, an der aber auch Roma beteiligt gewesen sein sollen. Die Kundgebung, zu der 1.500 Menschen kommen, eskaliert, als Sykáček das Mikrofon an Josef Mašín übergibt, dem er kurz zuvor noch eine gegen Roma gerichtete Demonstration verboten hatte. Mašín, Anführer der hauptsächlich bei Facebook aktiven antiziganistischen Gruppe „Občanský odpor“ („Bürgerlicher Widerstand“), fordert die Zuhörenden auf, Schluss zu machen mit dem Zuzug von „nicht Anpassungsfähigen“. Das Publikum grölt zuerst Parolen, unter anderem „Čechy Čechům” („Tschechien den Tschechen”) und „Cikáni do práce” („Zigeuner, geht arbeiten”), schließlich entwickelt sich aus der Kundgebung ein aggressiver, antiziganistischer Aufmarsch. Die Versammelten ziehen los, drei Stunden lang suchen sie in der Stadt nach Roma, die sie jagen können. Erst als sie am Haus einer Romafamilie den Zaun einreißen und beginnen, damit die Fensterscheiben einzuwerfen, hat die Polizei endlich genug Einsatzkräfte zusammengezogen, um die Marodierenden zu stoppen. Ivan Motýl von der tschechischen Roma-Organisation „ROMEA“ wird Augenzeuge der Angriffe, später berichtet der Geschichtslehrer auf der Homepage seiner Organisation, dass er an die „Kristallnacht“ von 1938 habe denken müssen, als der aufgehetzte Mob auch den jüdischen Gebetsraum in Rumburk zerstört hatte. Continue reading Antiziganistische Pogrome in Tschechien

Pogromstimmung gegen Minderheit

Über 1000 Neonazis und Bürger/innen haben am Wochenende im Norden der Tschechischen Republik gegen Angehörige der Roma protestiert. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Zwei ältere Frauen spazieren mit einem kleinen Hund am Samstagvormittag durch die Straßen der nordtschechischen Glasstadt Novy Bor. Sie stoppen an einer Kreuzung vor einem leerstehenden Gebäude, schauen auf ein Plakat und diskutieren. Nach einem kurzen Gespräch reißt eine der beiden sorgfältig das Plakat von der Wand, wechselt die Straßenseite und wirft es in einen Müllcontainer. Um sie herum, ebenso wie in der gesamten Stadt, hängen noch weitere Aufkleber und Plakate, die sich gegen die neonazistische „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“, DSSS) und deren Rassismus gegen Roma richten. Als sie merkt, dass andere Leute stehen bleiben und schauen, schlendert die Frau mit ihrer Begleiterin weiter in Richtung Innenstadt.

Viele Menschen sind an diesem schwülen Sommertag in der rund 12.000 Einwohner zählenden Stadt unterwegs. Auch die tschechische Polizei ist mit 600 Beamten, ein Großteil Spezialeinheiten, hier und in der gesamten Region, keine 45 Minuten von der deutschen Grenze entfernt, präsent. Nicht ohne Grund. Die DSSS hat für den Tag in Novy Bor sowie in den nahe gelegenen Ortschaften Varnsdorf und Rumburk öffentliche Veranstaltungen gegen die in allen drei Städten lebende Roma-Minderheit angemeldet. Dabei kam es in den vergangenen zwei Wochen immer wieder zu pogromartigen Auseinandersetzungen und nur mit Mühe wurden Attacken auf die von Roma bewohnten Häuser unterbunden. Continue reading Pogromstimmung gegen Minderheit

Anti-Roma-Proteste in tschechischer Grenzregion

Prag (dpa) – An der tschechischen Grenze zu Sachsen haben mehrere Hundert Rechtsradikale und Einwohner versucht, ein überwiegend von Roma bewohntes Stadtviertel zu stürmen. Etwa 150 Roma traten am Samstag in Varnsdorf nach Angaben der Agentur CTK den Angreifern entgegen, um ihre Unterkünfte zu schützen. Zwischen beide Seiten stellte sich ein Polizeikordon. Zu dem nicht genehmigten Protestzug hatten Rechtsextreme im Internet aufgerufen.

Nach Schlägereien zwischen einheimischen Jugendlichen und Angehörigen der Roma-Minderheit hatte sich die Stimmung in der Region mit hoher Arbeitslosigkeit zuletzt dramatisch aufgeheizt. Das Innenministerium schickte etwa 200 Bereitschaftspolizisten aus Prag in die Gegend des Schluckenauer Zipfels, der nach Sachsen hineinreicht, um die Lage zu stabilisieren.

Am Freitag hatten Bewohner Varnsdorfs gegen die angeblich gestiegene Kriminalität in der Stadt demonstriert. Sie beklagen einen ungezügelten Zuzug von Roma-Familien aus dem Binnenland, was aber von Experten bestritten wird. Für das kommende Wochenende hat eine rechtsradikale Partei weitere Proteste angekündigt.

Quelle: Europe Online Magazin
Stand: 03.09.2011