Abschiebung bei „Nacht und Nebel“ und viele Grauzonen

Die Abschiebung eines jungen Paares aus dem Konstanzer Flüchtlingslager Steinstraße Anfang Februar wirft viele Fragen auf: Wo sind ihre Pässe geblieben? Warum wurde ihr Antrag auf Asyl nicht berücksichtigt? Was passierte mit ihrer persönlichen Habe und ihren Arbeitsentgelten? Muss der Abgeschobene in Mazedonien wegen „Verunglimpfung des mazedonischen Staates im Ausland“ ins Gefängnis, nur weil er in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat? Der Versuch einer Spurensuche um die Umstände einer Abschiebung in ein angeblich „sicheres Herkunftsland“.

Die Szene spielte sich bereits in der Nacht zum Montag, 3. Februar 2014 im Konstanzer Sammellager in der Steinstraße 20 ab. Gegen 3 Uhr fuhren mehrere Streifenwagen der Polizei vor. Einige Beamte sicherten sämtliche Ausgänge des Hauses, andere betraten das Haus durch die unverschlossene Eingangstüre. Ziel der Beamten war das Zimmer eines jungen Paares im 3. Stock. Roma aus Mazedonien. „Wir haben geschlafen, die Tür war verschlossen“, so der zur Abschiebung bestimme 25jährige, „die Polizei kam mit einem Schlüssel ins Zimmer“. Er und seine Frau seien schockiert gewesen, gibt er am Telefon eines Verwandten in Mazedonien Auskunft auf meine Fragen.
Ihr Asylverfahren sei nicht entschieden, mit einer Abschiebung haben sie nicht gerechnet. „Wir waren ahnungslos und hatten große Angst“ als Polizisten mitten in der Nacht vor ihrem Bett standen, um sie abzuholen. Zehn Minuten gaben die Beamten den Beiden um ihre Habe zu packen und fertig für den Abtransport zu sein. Die anderen Flüchtlinge im Lager liefen auf die Gänge oder verrammelten aus Angst die Türen ihrer Zimmer.
Artikel 13 des deutschen Grundgesetzes garantiert die „Unverletzlichkeit der Wohnung“. Eines von zahlreichen Grundrechten, welches Flüchtlinge nicht gewährt wird. Dennoch war das Verfahren, wie sich die Konstanzer Polizei Zutritt zum privaten Wohnbereich der Flüchtlinge verschafft, in den letzten Wochen Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Offensichtich sind die Beamten im Besitz von Schlüsseln zu den privaten Wohnbereichen der Flüchtlinge. Offiziell bestätigen will dies jedoch niemand. Der Pressesprecher des Konstanzer Polizeipräsidiums Fritz Bezikofer hat darüber, wie sich die Kollegen Zutritt zu den privaten Räumen verschaffen „keine Kenntnis“, wie er auf telefonische Anfrage Auskunft gibt. Manfred Roth, Pressesprecher des Landratsamtes Konstanz, „kann sich zu dieser Frage aus behördeninternen Gründen nicht äußern“. Solche Formulierungen sind nicht dazu geeignet das Verfahren transparent zu machen und lassen Raum für Spekulationen. Letztlich führt dies unter den Flüchtlingen zu Verunsicherung. Viele der traumatisierten Flüchtlinge lebten seit dieser Nacht in Angst, so Susanne Scheiter vom Konstanzer Bündnis Abschiebestopp.
Das Landratsamt Konstanz ist eigentlich für das Wohl der Flüchtlinge, ihre Unterbringung und Versorgung im Kreis zuständig. Seit 1999 hat es auch die Sozialbetreuung der Flüchtlinge übernommen, die zuvor behördenunabhängig durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) organisiert wurde. Handlangertätigkeiten für die Abschiebebehörden verbieten sich da von selbst. Sollte es zutreffen, dass sich das Landratsamt aktiv oder durch Überlassen der Schlüssel zu den privaten Bereichen an den Abschiebungen beteiligt, ist dies ein eklatanter Vertrauensbruch zu den dort betreuten Flüchtlingen.
Streitpunkt: Bei der Abschiebung des Paares soll eine leitende Mitarbeiterin des Lagers nachts vor Ort gewesen sein und den Polizeibeamten Schlüssel übergeben haben. Landrat Frank Hämmerle bestreitet dies vehement. Mehrere Flüchtlinge im Lager bestehen nach wie vor darauf, die Mitarbeiterin in der Nacht gesehen zu haben. Hier steht Aussage gegen Aussage.
Das jungen Paar, so berichtet der Abgeschobene, sei noch in der Nacht von Konstanz „in einen kleinen Ort bei Stuttgart“ gebracht worden. Von dort aus wurden sie mit anderen Flüchtlingen über den Flughafen Stuttgart in die serbische Hauptstadt Belgrad abgeschoben. Die deutschen Beamten hätten ihnen weder Dokumente über die Abschiebung noch ihre Pässe ausgehändigt, die sie im Asylverfahren in Deutschland abgeben mussten. Continue reading Abschiebung bei „Nacht und Nebel“ und viele Grauzonen

Press TV: French politician makes anti-Roma remark

A far-right politician in France has made a verbal attack against Roma community, saying they should be “concentrated” in “camps,” Press TV reports.

Paul-Marie Couteaux, a mayoral candidate for 6th arrondissement of Paris, wrote in a blog posting that the presence of Roma in the French capital was like an “invasion of lepers” that undermined its “aesthetic order.”

“What can the interior minister do other than concentrate these foreign populations into camps where they would no doubt feel that life there was so far removed from their traveling lifestyle that they would rather leave such an inhospitable country,” said Couteaux, a candidate for a fringe party linked to the far-right National Front party.

He has apologized for his remarks, but many believe that he has already made his point to voters ahead of the upcoming election.

Source: Romea.cz
Date: 08.03.2014

Merseburg: Unbekannte schänden Mahnmal

Unbekannte haben das Mahnmal für die in der Nazizeit ermordeten Sinti und Roma in Merseburg mit Fäkalien beschmiert. Die Polizeidirektion Süd in Halle teilte mit, dass sich der Vorfall in der Nacht zu Mittwoch ereignet habe. Eine Videokamera habe die Tat gefilmt. Wie ein Polizeisprecher MDR SACHSEN-ANHALT sagte, gehen die Ermitler von zwei männlichen Tätern aus. Einer habe eine Kapuze aufgehabt, der andere sei auf dem Kopf kahlgeschoren gewesen. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen und prüfe das Videomaterial.

Denkmal wurde schon mehrfach geschändet

Das Mahnmal war 2009 eingeweiht worden und wurde seitdem immer wieder Ziel von rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Attacken. 2011 hatten maskierte Männer Hakenkreuze auf die Stele gesprüht. Der Staatsschutz hatte gegen die mutmaßlich Rechtsradikalen ermittelt. Wenige Wochen später spuckte ein Mann auf das Denkmal. Es erinnert an die Sinti und Roma, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurden

Nach den Anschlägen hatten sich Kommunalpolitiker bestürzt gezeigt. Vereine, die sich mit der jüngsten deutschen Vergangenheit beschäftigen, hatten eine schnelle Aufklärung angemahnt. Doch eine Reaktion der breiten Öffentlichkeit fehlte damals in Merseburg.

Ein Magdeburger Rechtsextremismus-Forscher hatte gewarnt: „Die Täter können solche Gleichgültigkeit als Duldung für sich interpretieren.“ Er forderte: „Die Politik muss den Bürgern das Gefühl geben, dass es auf sie ankommt.“

Vorfälle in Merseburg häufen sich

Vermutlich handelt es sich bei dem jüngsten Vorfall wieder um eine rechtsextreme Tat. In den vergangenen Wochen hat es mehrere ausländerfeindliche Vorfälle in der Stadt gegeben. Ein 23 Jahre alter Somalier war von zwei jungen Männern verprügelt und am Kopf verletzt worden. Kurz danach wurde ein Algerier in einer Bahnhofsunterführung bestohlen. Außerdem war ein Mann aus Burkina Faso beim Aussteigen aus dem Zug von einem Mitreisenden beschimpft worden. Am Wochenende haben deshalb rund 600 Menschen in Merseburg gegen Fremdenhass demonstriert.

Quelle: mdr.de
Stand: 05.03.2014

Unbekannte schänden Gedenkstätte für Sinti und Roma in Merseburg

Unbekannte haben das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Merseburg mit Fäkalien geschändet. Der mutmaßlich rechtsextreme Vorfall wurde in der Nacht zu Mittwoch von einer Videokamera aufgezeichnet, wie eine Polizeisprecherin in Halle mitteilte. Die Kamera ist dort wegen früherer Schändungen fest installiert. Der Aufzeichnung zufolge handelt es sich um zwei Täter. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz wurde eingeschaltet. Das Denkmal erinnert an die Sinti und Roma, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

In den vergangenen Wochen waren in Merseburg viermal Ausländer angegriffen worden. Ein Tatverdächtiger kam in Untersuchungshaft, mehrere bekannte Rechtsextreme wurden ermittelt. Am Samstag waren in Merseburg rund 600 Menschen gegen Rassismus auf die Straße gegangen. Eine Willkommenskultur sei in Merseburg noch lange nicht verbreitet, hatte ein Sprecher eines Bündnisses aus Parteien und Organisationen kritisiert.

Quelle: Frankfurter Rundschau
Stand: 07.03.2014

Gedenken an ermordete Sinti und Roma: Ede-und-Unku-Weg in Magdeburg eingeweiht

Ein Abschnitt des Holzweges am Einkaufszentrum Flora-Park ist am Sonnabend offiziell in Ede-und-Unku-Weg umbenannt worden. Mit dem neuen Straßennamen erinnert die Landeshauptstadt stellvertretend an die vom NS-Regime ab 1935 im Sammellager Silberberg am Holzweg internierten Sinti und Roma. Die Figuren Ede und Unku stammen aus dem gleichnamigen Kinderbuch, in dem die Schriftstellerin Alex Wedding die authentischen Erlebnisse der Sintezza Erna Lauenburger (Unku) aus Magdeburg und ihres Freundes Ede beschrieb. Lauenburger starb 1943 im Konzentrationslager Auschwitz.

Oberbürgermeister Lutz Trümper und die Stadtratsvorsitzende Beate Wübbenhorst (beide SPD) enthüllten am Vormittag das Straßenschild und eine Hinweistafel. Diese wurde von den Fraktionen des Magdeburger Stadtrates gestiftet.

Zuvor hatten etwa 40 Magdeburger an der Gedenkstele am Flora-Park der in Auschwitz ermordeten Sinti und Roma aus dem früheren Sammellager Holzweg/Silberberg gedacht sowie Blumen und Kränze niedergelegt. Landtags-Vize-Präsidentin Helga Paschke (Die Linke) und OB Lutz Trümper hielten Ansprachen.

Am 1. März 1943 waren 470 Menschen aus dem Lager am Holzweg/Silberberg nach Auschwitz deportiert worden. 340 von ihnen kamen uns Leben. Ihrer gedenken jährlich der Verband der Magdeburger Stadtführer und das Bündnis gegen Rechts Magdeburg. Die Namen der Opfer sind an der Gedenkstele zu lesen.

Quelle: Volksstimme.de
Stand: 01.03.2014

Massenabschiebungen von Roma geplant

Große Koalition will das Asylverfahrensgesetz ändern / Kritik von Pro Asyl und Linkspartei
Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sollen zu »sicheren Herkunftsländern« erklärt werden. Dabei werden Roma dort im Alltag vielfach diskriminiert.

Die Bundesregierung plant Massenabschiebungen von Asyl suchenden Roma aus den Balkanstaaten. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums vor, der »nd« vorliegt.

Demnach sollen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina »als sichere Herkunftsstaaten (…) eingestuft« werden, um »Asylverfahren (…) schneller bearbeiten und – im Anschluss an eine negative Entscheidung über den Asylantrag – den Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können. Deutschland wird dadurch als Zielland für aus asylfremden Motiven gestellte Asylanträge weniger attraktiv«, heißt es im Entwurf. Man sei zu dem Ergebnis gelangt, »dass in den genannten Staaten (…) weder politische Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts stattfindet«.

Die LINKE-Innenpolitikerin Ulla Jelpke kritisiert dies scharf und fordert die Länder auf, »diesem Vorhaben im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern«. Es gehe dabei »zu 90 Prozent um Roma, die vor systematischer Diskriminierung und existenzgefährdender Ausgrenzung und Armut« fliehen. In den betreffenden Staaten seien Roma »vielfachen Formen der Diskriminierung ausgesetzt, die zusammengenommen durchaus Flüchtlingsschutz begründen können«, doch werde derselbe »auf dem Altar einer populistischen Debatte geopfert«, so Jelpke.

Ein derartiges Gesetz ist Teil des Koalitionsvertrages. Nun solle es per Eilverfahren durchgesetzt werden, klagt Bernd Mesovic von »Pro Asyl«. Die Verbände hätten gerade mal eine Woche Zeit, sich zu dem Vorhaben zu äußern. Den zehnseitigen Entwurf findet er »ausgesprochen dünn«.

Laut Mesovic soll das Gesetz ohnehin nur »eine Praxis festschreiben, die de facto schon vorherrscht«. Bereits seit 2012 würden Asylanträge aus diesen Staaten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Anweisung des Bundesinnenministeriums mit Vorrang bearbeitet. Eine ernsthafte Prüfung der Fluchtgründe gebe es nicht, die Ablehnung stehe in schon vor dem Verfahren fest. »Das Bundesamt verhält sich jetzt schon so, als sei dieses Gesetz in Kraft«, sagt Mesovic. Dass nun in der Gesetzesbegründung die vom Ministerium bestellte Ablehnungsquote von nahezu 100 Prozent als Argument dafür herhalten müsse, diese Länder generell als sicher einzustufen, findet der Experte »tautologisch«.

Laut Bundesinnenministerium ist die Zahl der Asylanträge aus den betreffenden Staaten seit der Aufhebung der Visapflicht in den Jahren 2009 und 2010 rapide gestiegen. Im Januar 2014 sei mehr als ein Viertel der insgesamt rund 14 500 in Deutschland gestellten Asylanträge auf diese Staaten entfallen.

Quelle: neues Deutschland
Stand: 28.02.2014

19 Jahre nach dem Bomben-Attentat in der Roma-Siedlung

Schock und Entsetzen in ganz Österreich: In der Nacht vom 4. auf den 5. Feber 1995 detonierte in der Roma-Siedlung in Oberwart eine Rohrbombe und tötete 4 Roma. Neben ihren Leichen lag eine Blechtafel mit der Aufschrift „Roma – zurück nach Indien“. Dieses Ereignis löste bei den Bewohnern tiefe Trauer und Angst aus.

Ich konnte es kaum realisieren

„Als am 4. Feber 1995 dieses schreckliche Attentat verübt wurde, konnte ich es kaum realisieren“, sagt die heute 32jährige Romni, Tina Nardai. „Meine Großmutter, die eine Ausschwitzüberlebende war, hat dieses Ereignis sehr mitgenommen. Aufgrund ihrer Reaktionen und ihres Verhaltens habe ich dann begriffen, dass diese Tat Narben aufgerissen hat“, sagt Tina Nardai. Trotz der Angst, dass sich die schreckliche Geschichte, die sie erlebt hat, wiederholen könnte, war es für ihre Großmutter ein wichtiges Anliegen, die junge Nardai darüber in Kenntnis zu setzen, was hier in der Roma-Siedlung passiert ist.

Ich habe zwei Verwandte verloren

„Mein gehörloser Onkel hat die vier Opfer aufgefunden. Unter ihnen auch meine beiden Verwandten, Karl und Erwin“, sagt Manuela Horvath. In der Roma-Siedlung herrschten Hektik, Trauer und Unfassbarkeit zugleich. Jeder hatte Angst. „Was für mich dann am Begräbnistag sehr komisch war ist, dass den Politikern in der Kirche ganz vorne ein Raum zum Trauern eingeräumt wurde, und nicht den trauernden Familienmitgliedern“, so Horvath weiter.

Quelle: ORF.at
Stand: 02.02.2014

Rassistische Nazidemos in Tschechien 2014

In folgendem Beitrag sollen zum Einen die Ereignisse des vergangenen Wochenendes zusammengefasst und zum Anderen die bereits angekündigten Demonstrationen tschechischer Neonazis kurz dargestellt werden.

Am zurückliegenden Wochenende begann für die tschechischen Neonazis mit gleich drei Demonstrationen die Saison der auch in diesem Jahr zu befürchtenden Anti-Roma-Märsche. Am Samstag (15. Februar 2014) fanden sowohl in Ostrava und Karlovy Vary als auch erstmalig in Příbram Demonstrationen statt, die allerdings unter ganz unterschiedlichen Mottos standen.

Im mittelböhmischen Příbram versammelten sich rund 30 Nazis, um „Für die Einhaltung der Rechte aller anständigen Bürger dieses Landes, gegen die Finanzierung des antitschechischen und rassistischen Vereins Romea o.s. durch die Regierung der Tsch. Republik“ (sic!) zu demonstrieren. Romea.cz ist ein Informationsportal, das Berichte und Reportagen zum Themenfeld Rassismus und zur Romaminderheit veröffentlicht und sich u.a. durch staatliche Mittel finanziert. Im vergangenen Jahr wurden insbesondere die Anti-Roma-Märsche aufmerksam durch romea.cz beobachtet. Angemeldet wurde die Demonstration in Přibram von Pavel Sládek Matěj, der enge Kontakte zur verbotenen Nazipartei DS („Arbeiterpartei“) und jetzigen DSSS („Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit“) pflegt und Aktivist der sogenannten „Tschechischen Löwen“ ist. Dabei bestand die Gefahr, dass eine Sammelunterkunft, die unter dem Namen „Saigon“ bekannt ist und u.a. von Roma bewohnt wird, Ziel der Nazidemonstration sein könnte. Nach einer kurzen Ansprache zogen es die versammelten Nazis jedoch vor, eine Bar aufzusuchen. Parallel zur Demonstration fand bei der o.g. Unterkunft ein Kinderfest sowie eine offene Debatte mit Einwohner_innen über bestehende Probleme und mögliche Lösungsansätze statt, die von der Vereinigung KONEXE organisiert wurde. Continue reading Rassistische Nazidemos in Tschechien 2014

Antiziganistischer Stinkstiefel für den Februar 2014

Der Antizig-Watchblog verleiht seit dem Dezember 2011 im monatlichen Turnus die Negativ-Auszeichnung „Antiziganistischer Stinkstiefel“. Diese Auszeichnung geht an Personen des öffentlichen Lebens, Organisationen oder andere Institutionen, die sich öffentlich besonders antiziganistisch geäußert haben, ein antiziganistisches Klischee bedient haben oder Antiziganismus verharmlosen.
Für den Februar 2014 geht der Stinkstiefel an den baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall von der SPD stellvertretend für seine Behörde.
Screenshot EG-Umfeld-Bericht
In der vom Innenministerium Baden-Württemberg unter seiner Verantwortung herausgegebenen Schrift „Bezüge der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nach Baden-Württemberg“ vom 29.01.2014 wird auch auf die Vorwürfe gegen die Behörden bezüglich antiziganistischer Stereotype eingegangen. Nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn durch Neonazis wurde die Minderheit in haltloser Weise von Polizei und Justiz als potentielle Täter öffentlich stigmatisiert. Es war die Sprache von einer „heiße[n] Spur ins Zigeunermilieu“. Dafür hatte sich der Innenminister Gall öffentlich entschuldigt. Die Passage in dem Text „Bezüge der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nach Baden-Württemberg“ fällt hinter diese Entschuldigung zurück. Auf den Seiten 74 und 75 heißt es:

Mit den heutigen Erkenntnissen aus der Retrospektive – wie im Zusammenhang mit der Soko Parkplatz teilweise verlautbart – den ermittelnden Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten diskriminierende Motivation bei der Bearbeitung einzelner Spurenlagen zu unterstellen, ist nicht gerechtfertigt und wird der Komplexität und dem Umfang solcher strafprozessualer Ermittlungen bei Kapitaldelikten nicht gerecht. […] Dass sich entsprechende Hinweise, kriminalistische Hypothesen oder auch Verdachtslagen im Zuge der laufenden Ermittlungen nicht bestätigen können, ändert an der Sache im Ergebnis nichts. Das ist für die Beteiligten sicherlich nicht angenehm und macht betroffen, aber die Strafprozessordnung sieht dies so vor. […] Die Polizei ist verpflichtet, bei entsprechenden Hinweisen zu ermitteln, hierbei wird aber nicht gegen Gruppen, sondern zu konkreten Hinweisen und Spuren, insbesondere zu Tatverdächtigen, ermittelt. […] Eine gezielte, die Sinti und Roma diskriminierende Medienstrategie der Polizei gab es nicht. Diese Bewertung wurde im Januar 2014 bei einer Besprechung im Innenministerium Baden-Württemberg auch mit Vertretern des Zentralrates der deutschen Sinti und Roma erörtert.

Damit ist der Text uneinsichtig, dass bei der Ermittlung rassistische Annahmen eine Rolle gespielt haben. Dass zeigt schon die Verwendung der Begrifflichkeit ‚Zigeuner‘, die von der Mehrheit der Minderheit als beleidigend empfunden wird. Um das noch einmal zu verdeutlichen, darf gefragt werden, ob als ‚deutsch‘ betrachtete ZeugInnen vom Tatort in irgendeiner Weise über ihre Herkunft definiert wurden. Davon ist nichts bekannt. Kein Wort von einer „heißen Spur ins deutsche Milieu“.
Am Ende des Textes wird zudem ausdrücklich jeder Verbesserungsbedarf bei der Polizei in Bezug auf Rassismus zurückgewiesen:

Zu den in Baden-Württemberg bereits umgesetzten Maßnahmen wird auf die Darstellung in Kapitel VII. verwiesen. Bezogen auf die Empfehlungen für den Polizeibereich zielen einige Vorschläge auf einen angeblich notwendigen, grundlegenden Einstellungswandel. Diese unterstellen und suggerieren hierdurch – zumindest teilweise – die unausgesprochene Grundannahme eines „institutionellen Rassismus“ in der Polizei. Diese Annahme ist für die Polizei Baden-Württemberg zurückzuweisen.

Armutszuwanderung: Warum wir die Roma nicht verstehen

Niemand kommt nach Deutschland, um sich dort in eine ominöse soziale Hängematte zu legen. Niemand, auch nicht rumänische Roma, kann Neukölln, Dortmund-Nord oder Duisburg-Marxloh mit dem Schlaraffenland verwechseln. Die Motive für die Zuwanderung sind ganz andere.

Ja, wir wollen Zuwanderung. Nein, wir haben nichts gegen Ausländer und auch nichts gegen Roma, die schließlich Opfer eines Völkermords waren und mancherorts bis heute verfolgt werden. Wir brauchen Fachkräfte, und deren Herkunft oder Abstammung ist uns egal. Was wir dagegen nicht wollen, ist eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme. Es ist ein breiter Konsens, der sich da nach einer Reihe von Provokationen aus der CSU herausgebildet hat, und gegenüber dem, was die Wutbürger wollen, ist es ein Fortschritt. Bloß: „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ist schon an und für sich ein tendenziöses Schema, das die wirklichen Verhältnisse schlecht beschreibt. Niemand kommt nach Deutschland, um sich dort in eine ominöse soziale Hängematte zu legen. Niemand, auch nicht rumänische Roma, kann Neukölln, Dortmund-Nord oder Duisburg-Marxloh mit dem Schlaraffenland verwechseln, das die Armutszuwanderer angeblich so anzieht. Die Motive für die Zuwanderung sind ganz andere. Hätte jemand nur ein bisschen genauer hingesehen, so hätte die Debatte wohl einen anderen Verlauf genommen. Die erste größere Gruppe derer, von denen nun schon seit der Vorweihnachtszeit ständig die Rede ist, wurde in Dortmunds Norden gesichtet. Anfangs waren es Frauen aus Stolipinowo, einem Elendsviertel im bulgarischen Plowdiw, die sich prostituierten. In Stolipinowo wird vorwiegend Türkisch gesprochen, in Dortmund-Nord auch – das traf sich gut. Später holten die Frauen ihre Familien nach; die Männer gingen auf den Arbeiterstrich oder begannen, Metall zu sammeln. Dass sie immerhin Anspruch auf Kindergeld hatten, wussten die Zuwanderer aus Bulgarien gar nicht. Folglich bekamen sie auch keines. Erst allmählich hat sich herumgesprochen, dass es Ansprüche auf Sozialleistungen gibt. Seither nehmen sie sie. Wer in einem südosteuropäischen Elendsviertel lebt und dort vielleicht schon groß geworden ist, verhält sich am besten so, wie Slumbewohner das auf der ganzen Welt aus guten Gründen tun: Er setzt sich seine Existenz wie aus einem Flickenteppich zusammen. Man verrichtet Gelegenheitsjobs, sammelt Eisen oder Flaschen, treibt ein wenig Handel, beantragt Transferleistungen, wenn es so etwas gibt. Reicht das nicht aus, kommen vielleicht auch Betteln, Prostitution und kleine Diebereien hinzu. Continue reading Armutszuwanderung: Warum wir die Roma nicht verstehen