SPD-Abgeordneter hetzt gegen Roma: Jetzt droht der Parteiausschluss
Roma kommen aus einer archaischen Welt und schlagen ihren Frauen die Zähne aus, sagt der Bremer SPD-Mann Martin Korol. Nun reagiert die Partei.
Abfällige Äußerungen über Roma bereiten der Bremer SPD großen Ärger. Der Vorstand der SPD-Bürgerschaftsfraktion lud Martin Korol am Freitag zu einem klärenden Gespräch. Roma kämen aus einer archaischen Welt und hielten es für ihr Recht, ihren Frauen auch mal die Zähne auszuschlagen, hatte der 68 Jahre alte Lehrer im Ruhestand in einem Internettext geschrieben. Korol war erst im Februar nach dem Tod einer Abgeordneten für die SPD ins Parlament nachgerückt.
SPD-Landeschef Andreas Bovenschulte kündigte bereits ein Parteiordnungsverfahren an, an dessen Ende der Ausschluss aus der SPD stehen könnte. „Zahlreiche Äußerungen, die Martin Korol (…) getätigt hat, verstoßen aufgrund ihres diskriminierenden und frauenfeindlichen Charakters in erheblicher Weise gegen die Grundsätze der SPD“, teilte Bovenschulte mit. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Korols Äußerungen volksverhetzend sind. Mehrere Medien berichteten über den Fall.
Korol schreib weiter: „Viele der jungen Roma-Männer schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg. Die Aussicht, dass sie je zum BSP (Bruttosozialprodukt) oder auch nur zur Rente beitragen, (…), ist gleich Null.“ Sie würden „viele Kinder zeugen und für nichts verantwortlich zeichnen und aufkommen können“. In einer Version, die Korol nach seinem Einzug in die Bürgerschaft online stellte, waren einige Passagen des Textes entschärft. Inzwischen ist der Internetauftritt des Abgeordneten nicht mehr erreichbar.
Der 68-Jährige wies die Vorwürfe zurück. Er warte die Untersuchung der Staatsanwaltschaft gelassen ab. „Ich kämpfe gegen das Etikett des Rassismus“, sagte er. Der promovierte Historiker räumte aber ein, dass er seine Gedanken schlecht formuliert habe. „Das tut mir leid.“ Korol betonte, er habe nur Probleme benannt. „Ich bekenne, ich kenne die Lösung des Problems nicht.“ Die Fraktion gehe fair mit ihm um, sagte er.
Der Bremer Rat für Integration forderte den 68-Jährigen auf, sein Mandat niederzulegen. „Ihre menschenverachtenden Äußerungen bezüglich der hier lebenden Menschen aus Bulgarien und Rumänien, nicht nur in Bremerhaven sondern auch in Bremen, finden wir schlimm. Absolut inakzeptabel aber ist es, dass ein Bremischer Abgeordneter solche diskriminierenden Gedanken entwickelt und äußert“, schrieb Vorstandsmitglied Lucyna Bogacki an Korol.
Quelle: taz.de
Stand: 01.03.2013
Armutseinwanderung von Roma: „Deutschland muss viel mehr Druck ausüben“
Romani Rose erklärt, warum die Probleme Osteuropas nicht in Deutschland gelöst werden können. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma spricht über Armutszuwanderung und Rassismus.
Herr Rose, halten Sie die gegenwärtige Debatte über die Armutszuwanderung insbesondere von Roma für angemessen?
Im Großen und Ganzen wird die Debatte verantwortungsvoll geführt und sie ist dringend notwendig, aus einem einfachen Grund: Viele deutsche Städte sind überfordert, auch wenn sie sich noch so sehr bemühen, wie etwa Mannheim, Duisburg oder Berlin. Die Kommunen waren bei den EU-Beitrittsverhandlungen nicht beteiligt, müssen nun aber die Folgen ausbaden. Sie werden dabei vor allem vom Bund im Stich gelassen.
Bundesinnenminister Friedrich hat schon seine Nichtzuständigkeit erklärt. Stattdessen hat sein Ministerium die Kommunen aufgefordert, Probleme wie Prostitution, Bettelei und Schwarzarbeit mit Hilfe der Polizei und des Zolls anzugehen.
Diese Aussage ist hoch problematisch. Damit werden Menschen, die hierher kommen, weil sie in ihrer Heimat, die niemand freiwillig oder gar gern verlässt, ohne jede Perspektive sind, sofort in die Kriminalitätsecke gedrängt. Die Rechten mobilisieren sich in diesem Land. Wenn man dann solche Aussagen macht, darf man sich über das Ergebnis nicht wundern. Continue reading Armutseinwanderung von Roma: „Deutschland muss viel mehr Druck ausüben“
Falsche Zahlen: Keine Belege für Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien
Eine Meldung des Deutschen Städtetages sorgt für Wirbel: Die Kommunen seien mit der wachsenden „Armutszuwanderung“ aus Rumänien und Bulgarien allein gelassen. Dabei waren die Zahlen überzogen. Das zeigen Recherchen des Mediendienstes Integration.
„Armutszuwanderung aus Südosteuropa braucht Lösungen“, warnte der Deutsche Städtetag vergangene Woche und forderte Bund, Länder und EU zum Handeln auf. Die Kommunen seien mit der wachsenden „Armutszuwanderung“ aus Rumänien und Bulgarien allein gelassen.
Das Ausmaß des Problems schilderte der Städtetag in einem zehnseitigen Positionspapier mit alarmierenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach seien 2011 aus Rumänien und Bulgarien 147.091 Personen eingewandert, während es 2007 noch 64.158 waren. Schon jetzt stehe fest, dass die Zuwanderung aus diesen Ländern im ersten Halbjahr 2012 um 88.000 und damit um 24 Prozent gestiegen ist.
Härteres Vorgehen
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprang gleich ein und forderte ein „härteres Vorgehen“ gegen Armutszuwanderer aus Osteuropa. Ein Teil dieser Zuwanderer komme nur deshalb nach Deutschland, um Sozialleistungen zu bekommen. Sie täuschten und missbrauchten das deutsche Sozialsystem. Man müsse über eine „gezielte Einreisesperre“ nachdenken, so Friedrich im ZDF-„heute journal“. Zahlreiche Medien gaben die Zahlen des Städtetages und die Worte Friedrichs wieder. Continue reading Falsche Zahlen: Keine Belege für Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien
„ROMANISTAN. Crossing Spaces in Europe“, April/Mai 2013, Berlin
ROMANISTAN. Crossing Spaces in Europe
6.4.–31.5.2013
verschiedene Orte in BerlinPressemitteilung
Bei der derzeitigen Rede über Europa und über die europäische Krise finden die Stimmen der Minoritäten – insbesondere die der größten europäischen Minderheit der Roma – kaum Gehör. „Die Roma“ erscheinen in der medialen Berichterstattung überwiegend als homogenes Volk, eine differenzierte Wahrnehmung und das Zugestehen von Individualität erscheinen kaum möglich. Überkommene Ressentiments bilden noch immer den Nährboden für einen virulenten Antiziganismus und tragen zur kulturellen Segregation bei – und zu alltäglichen Diskriminierungen in Bildungs-, Arbeits- und Wohnungsmarkt. Aufgrund einer restriktiven Einwanderungspolitik stehen Roma überall im krisengeschüttelten Europa nach wie vor stigmatisiert am Rande der Gesellschaft.
Das kulturelle Schaffen von Romnija und Roma wird in diesem Zusammenhang häufig nur als Folklore wahrgenommen. Jenseits stereotypisierender Ethnisierung und Romantisierung widmet sich die internationale Kulturinitiative „ROMANISTAN. Crossing Spaces in Europe“ seit 2011 der „De-Exotisierung” von Roma-Künstler_innen und ihrer Arbeit. Nach ersten Konferenzen in Wien (2011) und Barcelona (2012) untersucht ROMANISTAN im April und Mai 2013 an verschiedenen Orten in Berlin die zentrale Frage nach dem Verhältnis von kultureller Identität und kultureller Produktion – mit einem vorbereitenden internationalen Symposium, einer Theaterproduktion, einem Musikprojekt, einer Ausstellung zur Problematik der visuellen Repräsentation der europäischen Roma sowie einer abschließenden Konferenz im Rahmen des „Herdelezi Roma Kulturfestivals“. Continue reading „ROMANISTAN. Crossing Spaces in Europe“, April/Mai 2013, Berlin
Bookrelease, Vorträge und Diskussionen – Antiziganistische Zustände 2. Kritische Positionen gegen gewaltvolle Verhältnisse
Tagungshaus Alte Feuerwache, Axel-Springer-Straße 40-41, 10969 Berlin-Kreuzberg
[Beschreibung]
Vor kurzem ist der Sammelband „Antiziganistische Zustände 2: Kritische Positionen gegen gewaltvolle Verhältnisse“ erschienen. Mit dieser Veröffentlichungsveranstaltung wird das Buch ausführlich vorgestellt, darüber hinaus bietet sie die Möglichkeit, verschiedene Aspekte des aktuellen gesellschaftlichen Antiziganismus zu reflektieren. Zu Beginn werden die Herausgeber_innen das Konzept, den Blickwinkel, den
Kritikansatz sowie die politische Notwendigkeit des Sammelbandes erläutern. Im Anschluss finden drei parallele Workshopphasen statt, in denen (fast) alle Autor_innen ihre Buchbeiträge in Workshops oder
Inputvorträgen vorstellen und diskutieren.
Den Abschluss des Tages bildet eine Podiumsdiskussion mit externen Referent_innen, die sich noch einmal einer zentralen und bisher ungelösten Frage widmet, die im Rahmen der Erstellung des Sammelbandes erneut aufkam: Wer darf, wer sollte, wer kann Antiziganismuskritik
betreiben? Welche Position muss dabei denjenigen zukommen, die Antiziganismus erfahren? Welche Rolle sollten, können dabei jene einnehmen, die nicht von Antiziganismus betroffen sind?
Die Veranstaltung richtet sich an politisch Aktive, an
Multiplikator_innen wie Mitarbeiter_innen von NGOs, Beratungsstellen etc., an akademisch Arbeitende, sowie an eine interessierte Öffentlichkeit. Sie soll dazu beitragen, bestehende Debatten kritisch zu hinterfragen, ihnen eine neue Stoßrichtung oder Tiefe zu verleihen, sie zu verwerfen oder sie voran zu bringen. Die Veranstaltung will damit einen Beitrag zu einer kritischen Reflexion des Antiziganismus leisten.
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Roma-und-Sinti-Appell an Gauck
Zentralratsvorsitzender beklagt diskriminierenden Populismus und bittet den Bundespräsidenten, mäßigend auf Parteien einzuwirken
In der Debatte über Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma an Bundespräsident Joachim Gauck gewandt. Die gegen Roma und Sinti gerichteten Diskussionen über Kriminalität und Armutsflüchtlinge würden aggressiv geführt und drohten, zum Wahlkampfthema zu werden, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Schreiben des Zentralratsvorsitzenden Romani Rose. Er bittet den Bundespräsidenten, mäßigend auf die Parteien einzuwirken.
Weiter schreibt Rose, er stelle einen neuen Populismus fest, der von Politikern betrieben werde. Dieser beinhalte Vorwürfe von „Betrug bei Sozialleistungen“ und „Missbrauch der Freizügigkeit“ bis zu „Asylmissbrauch“ und „Kriminalität“. Roma würden als Folge dieser Diskussion bereits in ihren Herkunftsländern von Politikern und Medien zu Sündenböcken dafür gemacht, dass etwa Verhandlungen über die Erweiterung des Schengen-Abkommens stockten. Dadurch verschärfe sich die Lage der Volksgruppe dort weiter. Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die desolate Situation von Roma in den Herkunftsländern wirksam verbessert werde. Für die Menschen, die nach Deutschland zuwanderten, müsse die Regierung Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen mehr Unterstützung gewähren.
Quelle: taz.de
Stand: 06.03.2013
„Wie dreckige Zigeuner“ – Das Elend der Roma
Roma in Bulgarien, das bedeutet Armut, Elend und Rassismus. Deshalb gehen viele nach Westen – auch nach Deutschland. Vor allem die Mädchen, sie prostituieren sich. „Was sollen sie anderes machen?“
Im Sofioter Roma-Viertel Hristo Botev steht frisches Wasser in den Schlaglöchern. Es hat geregnet. Die Lichter der Flugzeuge, die auf dem nahe gelegenen Flughafen starten und landen, leuchten hell am wolkendüsteren Himmel. Kaum jemand ist auf der Straße.
Ivan schiebt seinen Schubkarren zu einem Müllhaufen. Früher, vor der Krise, lebte und arbeitete er acht Jahre lang im Ausland, in Spanien, erst als Schäfer, dann auf dem Bau, sagt er. Er spricht fließend Spanisch und zeigt stolz seine spanische Aufenthaltsgenehmigung. Aber als 2008 die Krise hereinbrach, verlor er sofort seinen Job.
Danach bekam er noch zwei Jahre lang Arbeitslosengeld, 420 Euro im Monat; als das zu Ende war, kam er zurück nach Bulgarien. Seine Frau und zwei Kinder ließ er in Spanien, die Frau arbeitet dort als Dienstmädchen. Vor der Krise, da dachten sie schon, sie hätten es geschafft, hatten eine Wohnung auf Kredit gekauft.
Nun muss der abbezahlt werden. Ivan verdient zehn Euro an einem guten Tag, gar nichts an einem schlechten, indem er Plastikflaschen aus dem Müll klaubt für ein paar Cent das Kilo. Mehr als 150 Euro im Monat ist damit nicht zu schaffen. Continue reading „Wie dreckige Zigeuner“ – Das Elend der Roma
Die Ausstellung »Typisch „Zigeuner“«
Derzeit ist im Stuttgarter Rathaus noch bis zum 15. März die Ausstellung »Typisch „Zigeuner“. Mythos und Wirklichkeiten« zu sehen.
Die Ausstellung behandelt einzelne Aspekte wie „Antiziganismus in den Wissenschaften“, „Antiziganismus als Politik“, „Antiziganismus nach 1945“ oder „Antiziganismus in den Kirchen“. Um mit den vorherrschenden Klischees zu brechen werden Vertreter der Minderheit vorgestellt, die in den Bereichen Film, Politik, Literatur oder Musik berühmt geworden sind.
Ob allerdings die Romni Livia Járóka, die als Europaabgeordnete für die Fidesz-Partei im EU-Parlament sitzt, eine so vorbildhafte Gestalt ist, ist fragwürdig. Immerhin spielt die Fidesz-Partei in Ungarn auch gerne mal die antiziganistische Karte und kürzt sukzessive alle Hilfsprogramme und Fördergelder für Roma.
Leider ist die Ausstellung, die immerhin aus 21 Tafeln besteht, in einen kleinen Nebengang abgeschoben.
Öffnungszeiten und mehr unter: http://www.typisch-zigeuner.de/
Rassismus in Bremen: SPD-Abgeordneter hetzt gegen Roma
Ein SPD-Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft verbreitet auf seiner Homepage Stereotype über Roma. Die Partei sieht Gesprächsbedarf.
Mit Heinrich Himmler will Martin Korol nicht verglichen werden. Konfrontiert mit dem Vorwurf sprachlicher Nähe zum Nazi-Innenminister, bricht er das Gespräch ab und verlangt eine Entschuldigung. Und womöglich ist ein Vergleich auch irreführend. Korol ist kein Minister. Er ist Pensionär. Wenn er dieselben Gemeinplätze wie Himmler über Roma verbreitet, tut er dies bloß in einem Online-Aufsatz.
Ganz anders als jener bleibt Korol auch bezüglich der Folgerungen aus dem, was er als „Problem“ beschreibt, vage: Er gibt bloß unverbindlich der Hoffnung Ausdruck, es möge gelingen, „uns vom ,grässlichen Fatalismus der Geschichte‘ (Georg Büchner) zu befreien“. Der Dichter skizziert auch den Staatsterrorismus als mögliche Ausflucht aus jenem „ehernen Gesetz“ – der allerdings für ihn selbst nicht in Frage komme. „[I]ch“, schreibt er, „bin kein Guillotinemesser“.
Zur öffentlichen Angelegenheit wird Korols Essayistik, seit er am Mittwoch in die Bremische Bürgerschaft nachgerückt ist. Als Mitglied der SPD-Fraktion. Auf seiner Website steht ein Bild, auf dem er das Logo der Landespartei in den Händen hält. Einen dunkelroten, transparenten Würfel, auf dem in weißen Buchstaben „Echt Bremen“ steht, und „SPD“.
Drunter hat er seine Schriften abgelegt. In einer von ihnen insistiert er, ungeachtet der Pogrome in Rumänien, der Morde in der Slowakei und der Gesetzgebung in Ungarn, darauf, dass Roma „nicht aus politischen Gründen nach Bremen“ kämen, sondern weil es für sie „das Land Utopia“ sei. Blöderweise würden sie „ihre Töchter aus der Schule nehmen […] um sie dann zwangszuverheiraten“. Die jungen Roma-Männer unterdessen „schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg“. Folge: „Die Aussicht, dass sie je zum BSP oder auch nur zur Rente beitragen, wo auch immer und also auch meiner“ sei „gleich Null.“ Continue reading Rassismus in Bremen: SPD-Abgeordneter hetzt gegen Roma