»Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen«

Über historische Kontinuitäten im Zusammenhang von Arbeitsethik und Antiziganismus seit dem Frühkapitalismus berichtet Markus End

Die stereotype Wahrnehmung von der Art und Weise wie vermeintliche ›Zigeuner‹ ihre materielle Reproduktion sichern, nimmt im Antiziganismus eine prominente Stellung ein. Keiner der ›Gelehrten‹, die seit dem 15. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum über ›Zigeuner‹ berichteten, vergisst darauf hinzuweisen, dass diese hauptsächlich durch ›Betteln‹, ›Stehlen‹ und ›Wahrsagen‹ ihr Leben bestritten und mit ›ehrlicher Arbeit‹ nichts anfangen könnten. Auch in den gegenwärtigen Diskursen über migrierende Roma spielt die Vorstellung vom ›bettelnden Zigeuner‹ eine große Rolle. Um die Entwicklung dieser antiziganistischen Vorstellung zu veranschaulichen, sollen hier die Ausführungen von Hermann Arnold herangezogen werden. Der Mediziner Arnold steht wie kein anderer für die Kontinuitäten des nationalsozialistischen Antiziganismus in der Bundesrepublik Deutschland. Er publizierte auf der Basis der nationalsozialistischen ›Rassegutachten‹ der Rassenhygienischen Forschungsstelle, suchte und ›fand‹ das ›Zigeunergen‹, war nach 1945 als Berater für Ministerien und Verbände tätig und galt bis Anfang der 1980er Jahre als der kompetenteste ›Zigeunerforscher‹ in der BRD. Continue reading »Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen«

Nur noch wenige Antizig Soli Shirts

Es wird eng. Es sind nur noch die Größen S und Girly M zu haben.
Doch auch diese würden wir gerne so bald wie möglich loswerden.

Denn je früher die Shirts weg sind, umso früher können wir den Solibeitrag seinem zukünftigen Bestimmungszweck zukommen lassen.
Für jegliche Werbung und Weiterverbreitung wären wir sehr dankbar.

Alle Informationen zu den Shirts gibt es hier nochmal.

Dank, das Antizig-Team

iz3w: 334 ¦ Antiziganismus

Vergangenheit und Gegenwart

Ressentiments bis hin zu Rassismus finden sich historisch wie aktuell in der Rede über die »Zigeuner« und in der undifferenzierten Wahrnehmung eines »Sinti- oder Romaproblems«. Im institutionellen Alltag und in individuellen Begegnungen erwächst aus Vorurteilen und Rassismen eine konkrete Diskriminierungspraxis. Im Themenschwerpunkt fragen wir nach den Ursachen, Auswirkungen und Erscheinungsformen der antiziganistischen Zustände in Europa.

Dieser Themenschwerpunkt ist keiner über Roma, Sinti, Jenische oder Travellers. Es geht nicht darum, wie »sie« leben, wie sie »wirklich« sind. Ohnehin gibt es nicht »die« Roma und »die« Sinti, mit diesen Bezeichnungen werden sozial, politisch und kulturell heterogene Gruppen zusammengefasst. Der Themenschwerpunkt handelt vielmehr von der Mehrheitsgesellschaft, genauer gesagt: Vom Ressentiment der Mehrheit gegenüber einer Minderheit. Anders gesagt: In diesem Themenschwerpunkt erfahren wir etwas über »uns«, nicht über »sie«.

Erfreulicherweise ist es gelungen, einige Unterstützung für diesen Themenschwerpunkt und die dazugehörige Veranstaltungsreihe in Freiburg zu gewinnen. Wir bedanken uns sehr herzlich bei der Stiftung :do, bei der Amadeu Antonio-Stiftumg und beim EPIZ Reutlingen.

Quelle und Inhaltsübersicht: iz3w
Stand: 12.02.2013

Veranstaltungsinformation

Im Rahmen der Leipziger Buchmesse findet am Donnerstag, dem14. März 2013, um 15.00 Uhr eine Veranstaltung von Amnesty International – Leipzig und der Bürgerinitiative „Leipzig Korrektiv“, in der Galerie KUB, Kantstr. 18, in 04275 Leipzig statt. Es wird das Buch „Mit Pfeil, Kreuz und Krone“ von Magdalena Marsovszky und den Autoren Andreas Koob, Holger Marcks vorgestellt. Mit der Koautorin spricht der Schriftsteller György Dalos, Preisträger des Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2010. Anschließend folgt eine Diskussion mit dem Publikum.

Die Veranstalter Amnesty International – Leipzig und die BI „Leipzig Korrektiv“ beabsichtigen mit dieser Veranstaltung auf die derzeitige Situation in Ungarn aufmerksam zu machen und die Arbeit der Bürgerinitiative „Bürgerrechtsbewegung für die Republik“ („Polgárjogi Mozgalom a Köztársaságért“) aus Ungarn zu unterstützen.

Quelle: Amnesty International – Leipzig & Kein Mensch ist illegal – Leipzig

Roma Gypsy Children In France Banned In Lyon Schools, Taught In Police Station

Roma gypsy children in France are being educated in a police station – because schools refuse to let the children learn in regular classes.

France 24 reported that the 20 children, aged between six and 12, are being taught on the second-floor of a police station in Saint-Fons, Lyon, by one teacher.
The children do not receive school meals, and walk 1.5km home to their encampment by the city’s bypass, according to the report.
France anti-racism charity MRAP called the situation a „ghetto“ and said it denounced the move by authorities.
It said in a statement: „We condemn the refusal of the municipality to admit children in a school canteen, which forces them to return home by foot.“

The makeshift school has „poor hygiene and safety,“ the charity said. „School should be a place where children integrate, but some officials have sought to make it a divider.“
The temporary Roma camp in the city is controversial with Mayor Christiane Demontès attempting to have its inhabitants forcibly removed. Approximately 15,000 ethnic Roma, mostly originating from Bulgaria and Romania, live across France.

Source: The Huffington Post
Date: 31.01.2013

Oberwart: Gedenken an Roma-Attentat

18 Jahre ist es mittlerweile her, dass bei einem Attentat vier Männer – Angehörige der Volksgruppe der Roma – in Oberwart ermordet wurden. Die vier sind im Februar 1995 getötet worden. Am Ort des Geschehens fand am Sonntagnachmittag eine Gedenkfeier statt.

Den schrecklichen Anschlag kann niemand vergessen. Am 4. Februar 1995 wurden vier Roma durch die Rohrbombe von Franz Fuchs getötet. Das geschah nur wenige Meter von der Roma-Siedlung entfernt. Die Bombe war im Sockel einer Tafel versteckt. Auf der Tafel war zu lesen: „Roma zurück nach Indien“. Für Josef Simon, Peter Sarközi, Karl und Erwin Horvath kam jede Hilfe zu spät.

Tabuthema Attentat

„In der Siedlung ist es nach wie vor ein Tabu, über dieses Attentat zu reden. Einige Betroffene sind weggezogen, weil sie dem Druck nicht standgehalten haben“, so Stefan Horvath, der Vater von zwei Opfern.

„Für mich ist es persönlich wichtig. Es ist so ähnlich, wie die Feierlichkeiten in den Konzentrationslagern – man darf nie mehr vergessen“, sagte Horvath.

Schwerstes politisches Attentat seit 1945

Der Bombenattentäter Fuchs wurde nach seiner Verhaftung, zwei Jahre nach dem Anschlag in Oberwart, zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Jahr 2000 nahm sich Fuchs in seiner Zelle das Leben. Der Anschlag gilt als das folgenschwerste politische Attentat in Österreich seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Quelle: burgenland.orf.at
Stand: 03.02.2013

Auschwitz-Komitee fordert uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für Roma und Sinti

Das Auschwitz-Komitee fordert in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel, dass den Worten der Reden zu den Gedenktakgen endlich Taten folgen müssen:

Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
28. Januar 2013

Verfolgung der Sinti und Roma in der EU

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

wir haben Ihnen zugehört bei der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin am 24. Oktober 2012. Sie erinnerten an diese Opfergruppe, „die öffentlich viel zu lange viel zu wenig wahrgenommen wurde: an die vielen hunderttausend Sinti und Roma, deren Leben die unmenschliche Rassenpolitik des nationalsozialistischen Terror-Regimes zerstörte.“ Sie haben in Ihrer Rede betont, wie wichtig genaues Hinschauen, rechtzeitiges Ein­mischen und Übernahme von Verantwortung ist. Minderheiten, ihre Kulturen, ihre Sprachen sind eine Bereicherung der Vielfalt Deutschlands, sagten Sie. Und weiter:
„Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung und müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Es ist eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben.“

Bereits einen Tag später aber spricht sich Ihr Bundesinnenminister, Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) vor einem Treffen der EU-Innen- und Justizminister erneut für eine Verschärfung des Asylrechts aus, insbesondere für Asylbewerber aus Ländern wie Serbien und Mazedonien. Sie werden erkennen, dass diese Vorstellungen des Innenministers nicht zu Ihren Einschätzungen und Ihren zitierten Versprechen passen – und der politischen Klärung bedürfen.

Gerade wieder sind viele feierliche Reden zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, dem Shoa-Gedenktag gehalten worden. Sie, Frau Bundes­kanzlerin sagen in Ihrer Botschaft zum 27. Januar 2013, die Deutschen trügen eine immerwährende Verantwortung für die Verbrechen der Nazis und den Holocaust. Mit Mut und Zivilcourage könne jeder Einzelne dazu beitragen,
dass Rassismus und Antisemitismus keine Chance mehr bekämen.

Für uns, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, ist es bitter und kaum zu ertragen, wenn Nazis in unseren Städten marschieren dürfen, wenn Roma und Sinti bei uns keine Zuflucht gewährt wird, wenn selbst Kinder abgeschoben werden, wenn gegen Nazidemonstrationen Protestierende und Blockierende mit Gefäng­nisstrafen belegt werden.

„Gerade wir als Überlebende von Auschwitz haben die Pflicht daran zu erinnern, dass Sinti und Roma unsere Leidensgenossen in Auschwitz und in Birkenau waren. Die Nazis hatten ihnen dasselbe Schicksal zugedacht, wie den Juden.“ Das sagte Noah Flug, der inzwischen leider verstorbene Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees 2010. Seitdem hat sich wenig geändert.

Um die bedrohliche Situation der Roma und Sinti in Europa zu verbessern und dem Antiziganismus entschieden entgegen zu treten, fordern wir, wie vom Internationa­len Auschwitz-Komitee und seinen Mitgliedsorganisationen bereits am 7. September 2010 beschlossen:

* uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für Roma und Sinti innerhalb der Europäischen Union
* uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang für Roma und Sinti zu den Sozial- und Bildungssystemen aller EU-Mitgliedsstaaten
* die Entwicklung und Durchführung von Bildungs- und Informationsprogrammen gegen Antiziganismus durch die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten
* die Anerkennung und Achtung der Geschichte und Kultur der Roma und Sinti als wichtigen und wertvollen Teil Europas

Frau Bundeskanzlerin, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Das Gedenken an die im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti darf nicht zu Lippen­bekenntnissen verkommen. Bitte intervenieren Sie gegen die fortgesetzte Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma in Europa durch menschenwürdiges und verantwortliches Handeln mit einem sofortigen
Bleiberecht in Deutschland!

Mit freundlichen Grüßen

Esther Bejarano, Vorsitzende

Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Pogrom gegen Roma in Griechenland

Bei einem Überfall auf ein Roma-Viertel in Etoliko wurden mehrere Unter­künfte und Fahr­zeuge zerstört. Unter den Tätern befand sich angeb­lich auch ein Abge­ord­neter der neo­nazisti­schen „Gol­denen Morgenröte“.

Rund 70 zum Teil vermummte Personen überfielen vergangenen Freitag ein mehrheitlich von Roma bewohntes Viertel der Kleinstadt Etoliko (Αιτολικό) in Westgriechenland. Sechs Unterkünfte und vier Fahrzeuge (Video) gingen laut Polizeibericht in Flammen auf. Ob dabei auch Personen zu Schaden kamen, ist noch unklar. Griechische Medien berichten allerdings, dass die meisten Bewohner vor dem anrückenden Mob aus dem Viertel geflüchtet seien. Presseberichten zufolge soll sich auch Konstantinos Barbarousis, Parla­ments­abgeordneter der neo­nazistischen „Goldenen Morgenröte“ (Umfragen zufolge bereits die drittstärkste Partei in Griechenland), mit einer Gruppe weiterer Partei­anhänger an dem Pogrom beteiligt haben. Erst im Oktober war Barbarousis’ parlamentarische Immunität aufgehoben worden, nachdem er bei einem Angriff auf einen Einwanderermarkt im benachbarten Mesolongi – Schlägertrupps zerstörten die Marktstände afrikanischer und asiatischer Migranten – gefilmt worden war.

Am Samstag meldete die Polizei vier Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Roma-Viertel; nach neun weiteren Personen wird gefahndet. Starke Polizeipräsenz vor Ort soll eine neuerliche Eskalation verhindern. Schon im vergangenen August war Etoliko Schauplatz von Ausschreitungen gegen Roma: Etwa 200 Einwohner attackierten damals das Roma-Viertel. Die Angreifer verwendeten auch Schusswaffen. Vier bzw. nach anderen Angaben fünf Personen wurden damals verletzt.

Auslöser des jüngsten Pogroms in Etoliko war eine Prügelei zwischen zwei Roma und zwei Nachbarn, bei der ein 24-Jähriger leicht verletzt wurde. Die beiden Roma befanden sich in Polizeigewahrsam auf dem Kommissariat, vor dem sich daraufhin einige Dutzend Bewohner versammelten und schließlich mit Brettern und Prügeln bewaffnet zu den Häusern der Roma zogen.

Quelle: dROMa
Stand: 06.01.2013

Griechenland: Pogrom gegen Roma

Am 4. Jänner überfielen 70 zum Teil vermummte Personen ein mehrheitlich von Roma bewohntes Viertel der Kleinstadt Etoliko (Αιτολικό) in Westgriechenland. Mehrere Unterkünfte und Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Griechische Medien berichteten, dass sich die meisten BewohnerInnen vor dem anrückenden Mob in Sicherheit bringen konnten.

Auch ein Parlamentsabgeordneter der neonazistischen Partei Chrysi Avgi (“Goldenen Morgenröte”) soll sich mit weiteren Parteianhängern an dem Angriff beteiligt haben. Im Oktober 2012 wurde die Immunität des Abgeordneten Konstantinos Barbarousis aufgehoben, nachdem er dabei gefilmt wurde, wie er mit einem Schlägertrupp einen Markt angegriffen und dabei Marktstände von afrikanischen und asiatischen MigrantInnen zerstört hat.

Der Blog Roma Service berichtet, dass am Tag nach dem Angriff auf das Roma-Viertel die Polizei vier der Angreifer festgenommen hat. Nach neun weiteren Personen wird gefahndet. Roma Service erinnert auch an das Pogrom im August des vergangenen Jahres, als ein Mob aus 200 Personen das Roma-Viertel attackierte. Dabei wurden auch Schusswaffen eingesetzt und es gab mehrere Verletzte.

Quelle, Video und weiterführende Links: Stoppt die Rechten
Stand: 24.01.2013

Im Ring mit den Mördern

Keiner beherrschte den Boxring so spielerisch wie er: Der tänzelnde „Zigeunerboxer“, wie er genannt wurde, war der Liebling der Massen. Doch ab 1933 wurde Johann Rukeli Trollmann zum tragischen Helden. Das Dokudrama „Gibsy“ zeichnet ein ungewöhnliches Schicksal in Zeiten des Völkermords nach.

Ungewöhnlich ist auch der Zugang zur Geschichte dieses wahrlich extremen Lebens, das 1944 durch die Hand eines Kapos in einem Außenlager des KZ Neuengamme endete: Autor und Regisseur Eike Besuden erzählt nicht nur, wie Trollmann immer mehr zwischen die Mühlen des NS-Rassenwahns geriet. Ebenso tragend für diesen Film ist der Weg eines Sinto-Jungen aus der heruntergekommenen Altstadt Hannovers zum umjubelten, aber auch angefeindeten Deutschen Meister im Halbschwergewicht, der jäh ein Ende fand. Zumal Trollmann seinen Widerstandsgeist auch jener über Jahre antrainierten Zähigkeit und Ausdauer verdankt haben dürfte.

Doch wir lernen keine Lichtgestalt kennen, sondern einen Menschen, der seine schillernde Persönlichkeit in nicht minder überraschende Haken und Hiebe zu übersetzen wusste. Schlussendlich war Trollmann ein Kind seines Milieus. So wird auch jene untergegangene multikulturelle Welt, die Hannover und andere deutsche Großstädte vor dem Zweiten Weltkrieg prägten, wieder zum Leben erweckt. Continue reading Im Ring mit den Mördern