BAUER Kompressoren ist ein Hersteller von Kompressorsystemen für Anwendungen in Industrie, Schießsport, für Gasinnendrucksysteme und Atemluftsysteme. Dabei bedient BAUER eigenen Angaben zufolge unter anderem auch die Rüstungsindustrie, sowie diverse Armeen, darunter auch die Bundeswehr mit seinen Lösungen für unter anderem folgende Anwendungen: Hochdruckversorgung von pneumatischen Systemen Reinstluftversorgung für JT Kühler Ground und Dockyard Support Systeme […]
Ein Buch, um damit die weiße Vorherrschaft zu erschlagen
Eine Rezension von »Schwarze Saat – Gesammelte Schriften zum Schwarzen und Indigenen Anarchismus«
Wer sich wie ich aufgrund des Titels ein Buch über etwas wie beispielsweise die Maroon-Gemeinschaften oder auch anarchistischere Spielarten einer Art Rainbow Coalition erwartet hat, die*der wird zunächst ein wenig enttäuscht sein, wenn sie einen Blick in das Inhaltsverzeichnis von Schwarze Saat wagt. Nein, bei dem Buch handelt es sich tatsächlich um eine Textsammlung mit Texten zu verschiedensten Themen, geschrieben von Anarchist*innen, die entlang der Identitäten “Schwarz” und “Indigen” verortet werden (können). Von der vielzitierten Lucy Parsons über die spätere anarchistische Fraktion der Gefangenen der Black Panther-Bewegung, den nigerianischen (syndikalistischen) Anarchist Sam Mbah nicht vergessend, bis hin zu einigen der indigenen und schwarzen Anarchist*innen und anarchistischen/autonomen Organisationen der heutigen Bewegung in Nordamerika, sind alle bekannten und ein paar weniger bekannte schwarze und indigene Anarchist*innen mit Texten vertreten. Dass sich dabei viele Stimmen offen widersprechen, scheint vorprogrammiert. [1] Herausgeberin, Übersetzerin und Autorin Elany begründet die Zusammenstellung im Vorwort des Buches so auch damit, der Erzählung des Anarchismus als weiße, eurozentrische Bewegung, die Stimmen schwarzer und indigener Anarchist*innen gegenüberstellen zu wollen. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, allerdings scheint mir das Problem, mit dem man in diesem Unterfangen konfrontiert ist, dass es im heutigen Spektrum deutschsprachiger Anarchisten ganz verschiedene Erzählungen von der anarchistischen Bewegung gibt. Während sich die organisationsfixierten Anarchist*innen auf die mehr als gewagte Hypothese festgelegt zu haben scheinen, der Anarchismus sei das Erbe des antiautoritären Flügels der Ersten Internationale und entsprechend gemäß ihrem autoritären Gegenflügel neben (ihrem eigentlichen Kontrahenten) Marx vorrangig die Schriften von Proudhon, Kropotkin und gelegentlich einmal Bakunin studieren (jaja, ich polemisiere und ja, es gibt auch noch Malatesta, Rocker, Goldman, Landauer, ja sogar die bereits erwähnte schwarze Anarchistin Lucy Parsons usw., deren Namen man in diesen Kreisen wenigstens kennt …), ist es in Abwesenheit eines zwar nach Verwesung stinkenden, aber immerhin doch die Zeiten überdauernden Kadavers einer anarchistischen Einheitsorganisation, schwierig, eine klare Kontinuität anarchistischer Geschichte zu entwickeln – und nicht alle wollen das überhaupt – und so beziehen sich die formloseren oder auch informell organisierten Anarchisten zumeist eher auf nur lose miteinander in Verbindung stehende Ereignisse, Publikationen und soziale Milieus und gar nicht so selten sind es auch die etwas weniger theoretisierten, volkstümlicheren Bewegungen, auf die sich seitens der organisationsfeindlicheren Anarchist*innen bezogen wird. Maroon-Gemeinschaften mögen vielleicht nicht zu einem Anarchismus der Internationalen passen, aber ich beispielsweise fand Russell Maroon Shoatz‘ “The Dragon and the Hydra: A Historical Study of Organizational Methods” (eine deutsche Übersetzung kann etwa über die anarchistischebibliothek.org heruntergeladen werden), ebenso wie auch die Beschäftigung mit diversen millenaristischen Sekten oder den Ludditen immer schon interessanter, als mir die parlamentarischen Rededuelle zwischen Marx und Bakunin zu Gemüte zu führen oder mir die sterbenslangweiligen und fortschrittsgläubigen Revolutions-Verwaltungspläne eines Kropotkin reinzuziehen (aber ob selbst diese “weißen Anarchist*innen” “nur philosophiert haben”, das würde ich einmal so dahingestellt lassen [2]). Schwarze Saat legt sich hier nicht fest, versucht vielleicht gewissermaßen verschiedensten Erzählungen schwarze und indigene Stimmen hinzuzufügen, ohne dass diese Erzählungen jedoch voneinander unterschieden werden, und verpasst dabei einerseits vielleicht die Gelegenheit, zur einen oder anderen Erzählung wirklich eine neue, schwarze oder indigene Perspektive beizutragen oder etwa gänzlich neue Erzählungen dem anarchistischen Fundus (wobei ich schon sehr gut verstehe, dass gerade viele Indigene, aber auch Schwarze sich immer geweigert hatten, die Geschichten ihrer Ahnen einer Anarchistischen Geschichtsschreibung, wie sie von manch einer Organisation oder auch einzelnen Individuen betrieben wird, hinzufügen zu lassen, aber zumindest wenn ich von einem Fundus anarchistischer Erzählungen spreche, dann meine ich etwas anderes) hinzuzufügen, während es mir andererseits, ob intendiert oder nicht, eine Steilvorlage zu liefern scheint, eine allgemeine Identität des*der schwarzen/indigenen Anarchist*in zu begründen und/oder zu verteidigen. Aber was würde ein “wir, schwarze/indigene [3] Anarchist*innen” bringen, außer dem Potential separatistischer Organisierung?
Der anhaltende Reiz des Schwarzen Nationalismus
Ein in mehreren Texten in Schwarze Saat wiederkehrendes, zwar oft kritisch, aber meinem Geschmack nach viel zu wenig feindselig diskutiertes Konzept, mit dem ich wirklich ein Problem habe, ist das des Schwarzen Nationalismus. Lorenzo Kom’boa Ervin, die Black Autonomy Federation, Ashanti Alston, Saint Andrew und weitere Autor*innen beziehen sich letztlich positiv auf einige Aspekte des Nationalismus, die ich anhand der Texte “Nationale Befreiung & Anarchismus” von Saint Andrew und “Jenseits des Nationalismus, aber nicht ohne ihn” von Ashanti Alston kritisch diskutieren will. Auch auf die Gefahr hin, dass es manch “schwarzer Anarchist […] satt [haben wird], dass vor allem weiße Anarchist*innen den Nationalismus einfach abweisen” (Ashanti Alston, S. 195). Ein Totschlagargument, wenn man mich fragt und gewiss könnte ich in einem Anflug von Tokenizing nun im Gegenzug mindestens ein Dutzend schwarzer Kritiken am Nationalismus droppen, aber dieses Spiel ist mir beileibe zu blöde. Ashanti Alston beschreibt zunächst seine Erfahrungen mit Schwarzen Nationalismen als Teenager, die ihm “das Leben gerettet” haben. Dass man “in erster Linie auf [sich] selbst schauen muss, um [sich] zu befreien”, dass es nicht “notwendig war, bei dem weißen Mann – vom Herrscher bis zum Revolutionär – ‘einzuchecken’, um zu sehen, ob es in Ordnung war” (S. 196), das klingt erst einmal nach einer mit (meinem) anarchistischem Denken nur allzu resonierenden Kritik an Führungspersönlichkeiten und kollektiven Zwangsverhältnissen, dass dieses Gefühl, das Ashanti Alston als eine Erkenntnis, die ihm vom Schwarzen Nationalismus von Malcolm X, der Black Power Bewegung und den Black Panthers vermittelt wurde, jedoch unter anderem in dem Slogan “WIR MÜSSEN UNSERE EIGENEN GEMEINSCHAFTEN KONTROLLIEREN” gipfelt, das resoniert dann schon erheblich weniger mit meinen Ideen. Es stimmt, vieles von dem, was die Black Panther an ihrer Basis taten, ist mit (meinen) anarchistischen Vorstellungen von Selbstorganisation vereinbar und ganz gewiss kann man nicht alle Anhänger*innen dieser Partei oder gar Bewegung über einen Kamm scheren, wie die zahlreichen kritischen Stimmen später anarchistischer Mitglieder, darunter auch Ashanti Alston, durchaus beweisen, aber ist das ein Argument dafür, dass der Nationalismus (nicht nur der der Black Panther) deshalb mit anarchistischen Ideen vereinbar wäre? Nur weil an der Basis zahllose Initiativen gegenseitiger Hilfe entstanden sind, wird das doch nichts an der Tatsache ändern, dass genau jener Nationalismus, dem Ashanti Alston diese Entwicklung zuschreibt, eben auch polizeiartige Strukturen zur “Kontrolle eigener Gemeinschaften” hervorbrachte, mit den autoritären Ideologien und Praxen der Parteiführung harmonierte und Solidarität mit angeblich revolutionären, nationalstaatlichen Bewegungen hervorrief. Dass es “selbst beim Nationalismus eines Louis Farrakhan [4] um die Rettung meines Volkes” geht, wie Ashanti Alston schreibt, will ich ja gar nicht bezweifeln, ebensowenig wie ich bezweifle, dass Anarchist*innen, ja sogar “die spezifischen anarchistischen Bewegungen innerhalb eines bestimmten Landes rassistisch sind”, aber ist das wirklich ein Argument für den Schwarzen Nationalismus?
“Es ist einfach, sich zurückzulehnen und über unseren Nationalismus aus dem modernistischen eurozentrischen Rahmen rationaler, wissenschaftlicher, materialistischer Modelle zu intellektualisieren. Während man das tut, ist es unser Nationalismus, der unser Volk ständig dazu bringt, zusammenzukommen, sich an unsere Geschichte zu erinnern, uns selbst zu lieben, weiterzuträumen und zurückzuschlagen. Schwarze Anarchist*innen und antiautoritäre Revolutionär*innen verstehen die Grenzen des Nationalismus in Bezug auf seinen historischen Sexismus, die Hierarchie oder seine modernistischen Züge im Allgemeinen. Aber wir erkennen auch die modernistischen Fallen des Anarchismus in Form des amerikanischen Rassismus/Klassenprivilegs, wenn es um People of Color geht.”
schreibt Ashanti Alston in seinem Text (S. 197 f.). Fredy Perlman, der versucht zu verstehen, wie eine Familienangehörige, nachdem sie vor dem nationalsozialistischen Genozid an den Juden, in dem ein anderer Teil seiner Familie vernichtet wurde, geflohen war, den Quechuas, an deren Seite er aufwuchs mit derart rassistischer Feindseligkeit gegenüberstehen konnte, beschreibt eine eher gegenteilige Erfahrung:
“Die Verachtung meiner Verwandten war meine erste Erfahrung mit Rassismus, der dieser Verwandten eine Ähnlichkeit mit den Pogromist*innen, vor denen sie geflohen war, verlieh; dass sie ihnen nur knapp entkommen war, machte sie nicht zu einer Kritikerin von Pogromist*innen; die Erfahrung trug möglicherweise gar nichts zu ihrer Persönlichkeit bei, nicht einmal hinischtlich ihrer Identifikation mit den Konquisitadoren, da diese mit Europäer*innen geteilt wurde, die nicht die Erfahrung meiner Verwandten teilten, nur knapp dem Konzentrationslager entgangen zu sein. Unterdrückte europäische Bauern hatten sich mit den Konquisitadoren identifiziert, die bereits lange vor der Erfahrung meiner Verwandten eine noch grausamere Unterdrückung gegen Nicht-Europäer*innen durchführten.
Meine Verwandte bediente sich ihrer Erfahrung Jahre später, als sie entschied, eine Fürsprecherin für den Staat Israel zu werden; zu dieser Zeit hatte sie ihre Verachtung der Quechuas nicht aufgegeben, im Gegenteil, sie richtete ihre Verachtung vielmehr gegen Menschen in anderen Teilen der Welt, gegen Menschen, die sie niemals getroffen hatte oder unter ihnen gelebt hatte. Aber damals interessierte ich mich nicht für ihre Entscheidung diesbezüglich; vielmehr interessierte ich mich für die Schokolade, die sie mir mitbrachte.”
– Fredy Perlman. Anti-Semitism and the Beirut Pogrom.
Kurze Zeit später formuliert er seine Gedanken diesbezüglich, ebenso wie hinsichtlich revolutionärer Bewegungen, die sich nationalistische Mobilisierungsstrategien zu eigen machen, in Der anhaltende Reiz des Nationalismus prägnanter:
“Industrialisierte Nationen haben ihr ursprüngliches Kapital durch Enteignung, Deportation, Verfolgung und Segregation, wenn nicht gar immer durch Vernichtung von Menschen, die als legitime Beute bestimmt werden, beschafft. Sippschaften wurden gebrochen, Umgebungen wurden zerstört, kulturelle Orientierungen und Gepflogenheiten wurden ausgerottet.
Nachkommen der Überlebenden solcher Angriffe haben Glück, wenn sie auch nur das kleinste Relikt bewahren können, den fliehendsten Schatten der Kulturen ihrer Vorfahren. Viele der Nachfahren behalten nicht einmal Schatten; sie sind vollkommen entleert; sie gehen arbeiten; sie vergrößern weiterhin den Apparat, der die Kultur ihrer Vorfahren zerstört hat. Und in der Welt der Arbeit sind sie an den Rand verbannt, zu den unangenehmsten und am schlechtesten bezahlten Jobs. Das macht sie wahnsinnig. Ein Supermarktpacker beispielsweise kann mehr über das Lager und die Bestellungen wissen als der Manager, kann wissen, dass Rassismus der einzige Grund dafür ist, dass nicht er der Manager ist und der Manager kein Packer. Ein Security kann wissen, dass Rassismus der einzige Grund dafür ist, dass er kein Polizeichef ist. Es ist unter Menschen, die all ihre Wurzeln verloren haben, die davon träumen Supermarktmanager und Polizeichef zu werden, wo die nationale Befreiung ihre Wurzeln schlägt; das ist der Ort, an dem Anführer und Generalstab geformt werden.
Der Nationalismus übt weiterhin seinen Reiz auf die Entleerten aus, weil andere Aussichten trostloser erscheinen. Die Kultur der Vorfahren wurde zerstört, daraus lässt sich schließen, anhand pragmatischer Standards gemessen, dass sie versagt hat; die einzigen Vorfahren, die überlebt haben, waren jene, die sich an das System der Invasoren angepasst haben, und sie überlebten an den Rändern von Mülldeponien. Die unterschiedlichen Utopien der Dichter und Träumer und die zahlreichen ‘Mythologien des Proletariats’ haben auch versagt, sie haben sich in der Praxis nicht bewährt, sie sind nichts gewesen als heiße Luft, Tagträume, Luftschlösser; das aktuelle Proletariat ist genauso rassistisch gewesen, wie die Bosse und die Polizei.
Der Packer und der Security haben den Kontakt zur alten Kultur verloren; Tagträume und Utopien interessieren sie nicht, sind tatsächlich abgewehrt durch die Geringschätzung des Geschäftsmannes gegenüber Dichtern, Herumtreibern und Träumern. Der Nationalismus bietet ihnen etwas Konkretes, etwas, das seit langem erprobt ist und von dem bekannt ist, dass es funktioniert. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund für die Nachfahren der Verfolgten verfolgt zu bleiben, wenn der Nationalismus ihnen die Aussicht bietet, Verfolger zu werden. Nahe und entfernte Verwandte von Opfern können ein rassistischer Nationalstaat werden; sie können selbst Menschen in Konzentrationslager pferchen, andere Menschen nach Lust und Laune herumschubsen, genozidalen Krieg gegen sie führen, ursprüngliches Kapital beschaffen, indem sie diese enteignen. Und wenn rassistische Verwandte von Hitlers Opfern das tun können, so können das auch nahe und entfernte Verwandte der Opfer von Washington, Jackson, Reagan oder Begin.
Jede unterdrückte Bevölkerung kann eine Nation werden, ein fotografisches Negativ der Unterdrückernation, ein Platz, wo der ehemalige Packer der Supermarktmanager ist, wo der ehemalige Security Polizeichef ist. Indem man die korrekte Strategie anwendet, kann jeder Security dem Beispiel der prätorianischen Wachen des antiken Rom folgen. Die Sicherheitspolizei eines ausländischen Minenkartells kann sich als Republik ausrufen, das Volk befreien, bis ihm nichts anderes übrig bleibt, als zu beten, dass die Befreiung irgendwann enden möge. Sogar vor der Machtergreifung kann eine Gang sich eine Front nennen und heftig besteuerten und konstant kontrollierten armen Menschen etwas anbieten, das ihnen noch fehlt: eine tributeintreibende Organisation und ein Mordkommando, genauer zusätzliche Steuerpächter und eine Polizei, eine, die diesen Menschen gehört. Auf diese Weise können Menschen von den Zügen ihrer viktimisierten Vorfahren befreit werden; all die Relikte, die immer noch aus präindustriellen Zeiten und nicht-kapitalistischen Kulturen überlebten, können endlich permanent ausgerottet werden.
Die Vorstellung, dass ein Verständnis des Genozids, eine Erinnerung an die Holocauste, Menschen nur dazu bringen kann, das System niederzureißen, ist irrtümlich. Der anhaltende Reiz des Nationalismus legt nahe, dass das Gegenteil wahrer ist, nämlich dass ein Verständnis der Genozide Menschen dazu gebracht hat, genozidale Armeen zu mobilisieren, dass die Erinnerung an Holocauste Menschen dazu gebracht hat, Holocauste zu begehen. Die sensiblen Dichter, die sich der Verluste erinnerten, die Forscher, die diese dokumentiert haben, sind wie die reinen Wissenschaftler gewesen, die die Struktur des Atoms entdeckt haben. Angewandte Wissenschaftler verwendeten die Entdeckung wie man den Atomkern spaltet, dazu Waffen zu produzieren, die jeden Atomkern spalten konnten; Nationalisten verwendeten die Poesie, um menschliche Bevölkerungen zu spalten und zu fusionieren, genozidale Armeen zu mobilisieren, neue Holocauste zu begehen.”
Flower Bomb drückt einen im Grunde ähnlichen Gedanken in dem Text “Really though, not all “black” people give a fuck about “white” dreads”, von dem auch eine deutschsprachige Übersetzung als hübsche Broschüre kursiert, etwas anders aus:
“Die geteilte Erfahrung im Kapitalismus “schwarz” zu sein, ist nur auf die Identität beschränkt. Nur weil Menschen die gleiche(n) institutionalisierte(n) Form(en) der Unterdrückung teilen, bedeutet das nicht automatisch, dass sie die gleichen Visionen und Absichten teilen, wie sie zu zerstören sind. Dies sind wichtige Unterschiede, die nicht abgeflacht werden sollten. Während diese Gruppen ihre betäubenden Versuche fortsetzen, ein neues System des Rassenessentialismus in der Schale des alten zu erschaffen, haben einige von uns Spaß daran, alle Systeme zu zerstören. Meine Anarchie ist eine existenzielle Erweiterung der Individualität jenseits der Grenzen rassenbasierter (und geschlechtsspezifischer) sozialer Konstrukte. Wenn sie von “schwarzer und brauner” Einheit gegen Rassismus und Faschismus sprechen, dann sagen einige von uns: Alle gegen Rassismus und Faschismus und auch gegen die festen Identitäten, die letztere funktionsfähig machen. Wo das Chaos mit der Emanzipation und dem grenzenlosen Potenzial, das sich daraus ergibt, blüht, wird Individualität zu einer Kriegswaffe gegen Kontrolle und kategorischer Enge. […]”
Eine meiner Meinung nach differenziertere Auseinandersetzung mit Nationalismus, die nicht einfach die sehr realen Erfahrungen, dass die Black Panthers autoritäre Nationalstaaten unter schwarzer Führung unterstützten, die im Endeffekt die koloniale Ausbeutung ihrer Bevölkerung beinahe unvermindert fortsetzte, mit dem meiner Meinung nach schwachen Argument beiseitewischt, dass die nationalistische Propaganda vielen Schwarzen dabei half, sich nicht als minderwertige Existenzen zu begreifen, liefert das Essay “Nationale Befreiung & Anarchismus – Reaktionär oder Revolutionär” von Saint Andrew (S. 173).
Saint Andrew definiert eine Nation als “eine imaginäre Gemeinschaft von Menschen, die sich auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache, Geschichte, Abstammung, Gesellschaft oder Kultur bildet und sich ihrer Autonomie bewusst ist.” Daher ist der “nationale Befreiungskampf” für ihn ein Kampf gegen das einer solchen Nation auferlegte Verhältnis von Ausbeutung und Unterdrückung. Also ein Kampf einer Nation gegen ihre Unterdrückung durch eine andere und das kann unterschiedlichste Formen annehmen, wobei eine bestimmte Form, nämlich die des Nationalismus von ihm als diejenige Form definiert wird, bei der in der Regel durch die Angehörigen der Nation bzw. eben diejenigen, welche sich anmaßen in ihrem Namen zu sprechen, ein unabhängiger Staat geformt werden soll. Eigentlich ist damit klar, dass Anarchist*innen mit Nationalismus nichts zu tun haben können. Saint Andrew scheut sich jedoch vor dieser Absolutheit und bringt den Revolutionären Schwarzen Nationalismus ins Spiel, dem er seinen Platz im Kampf gegen Patriarchat, den Kapitalismus und den Staat attestiert. Zudem führt er den kurdischen nationalen Befreiungskampf der PKK als ein Beispiel für nationale Befreiung an, bei der man sich zugleich gegen einen Staat gestellt hätte.
Ich denke, dass, obwohl Saint Andrew versucht, auseinanderzuklauben, was an nationalen Befreiungskämpfen mit anarchistischem Denken vereinbar ist und was nicht, er vor allem an dem Ballast dessen, was er zuvor als Nation definiert hat, scheitert, scheitern muss, eine anarchistische Perspektive zu entwickeln. Wenn man eine Nation als eine “imaginäre Gemeinschaft” definiert, dann zeigt dies meiner Meinung nach zugleich auch das Problem an diesem Konstrukt auf: Es handelt sich hier eben um eine “imaginäre Gemeinschaft”, also eine Konstruktion, die geschaffen wurde, um über dem Individuum zu stehen und die folglich immer auch ein Instrument sein wird, Autorität zu rechtfertigen. Vielleicht wird das besonders anhand seines Beispiels des kurdischen nationalen Befreiungskampfes sichtbar. Man kann sich sicherlich trefflich darüber streiten, ab wann etwas ein Staat ist. Ob nur weil es keine formelle Bindung diverser parlamentarischer, polizeilicher und juristischer Institutionen – die es in Rojava allesamt gibt – an eine Verfassung oder etwas ähnliches gibt (dafür aber durchaus eine gewisse “Parteitreue”), und nur weil es teilweise konkurrierende Polizeien, Parlamente, Justizen gibt, eine Konstellation wie die in Rojava kein Staat ist, würde ich persönlich ja in Frage stellen. Nichtsdestotrotz ist diese Frage für mich irrelevant, denn nur weil es keinen (formellen) Staat gibt, ist etwas noch lange nicht anarchistisch, d.h. ohne Herrschaft. Das Problem dabei kann man durchaus an der konstruierten kurdischen Nation festmachen. Denn es ist eben bloß eine imaginäre Gemeinschaft. In Wahrheit jedoch sind es hunderte, ja sogar tausende reale kurdische Gemeinschaften, die hier unter der Flagge einer Nation vereint werden (und das gleiche gilt auch für die afroamerikanischen Gemeinschaften, die im Schwarzen Nationalismus als eine Nation betrachtet werden). Und wenn eine bestimmte Gemeinschaft (die PKK, bzw. ihre entsprechenden bewaffneten und unbewaffneten Arme) nun mehr oder minder beansprucht, für diese imaginäre kurdische Gemeinschaft zu sprechen, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, usw., dann werden am Ende wiederum Gemeinschaften und Individuen unterdrückt.
Bei all dem stimme ich natürlich sowohl Saint Andrew als auch Ashanti Alston zu, wenn diese den Kampf der schwarzen Bevölkerung gegen ihre Unterdrückung als einen Kampf von Bedeutung ansehen. Das tue ich auch. Aber muss man deshalb die Probleme nationalen/nationalistischen Denkens und ihre Widersprüchlichkeit mit dem Anarchismus unter den Teppich kehren?
Ist die Anarchie demokratisch?
Der meiner Meinung nach von manchen Anarchist*innen (inklusive der Black Autonomy Federation) nur halbherzig vollzogene Bruch mit dem (schwarzen) Nationalismus, er ist möglicherweise auch im Text “Die kommunale Kontrolle der schwarzen Gemeinschaft” (S. 52 ff.) der Black Autonomy Federation prägend dafür, dass meiner Meinung nach äußerst unappetitliche Vorschläge eines polizeiartigen Parastaates Teil dieser Perspektive sind, in deren Zentrum die Bildung autonomer, aber föderierter, schwarzer Kommunen steht, die dank einer verwirrenden Wortverdrehung, die finanzielle staatliche Einflussnahmen, die schon seit den 1960er Jahren schwarze Befreiungsbewegungen befriedet, zersetzt und unschädlich gemacht haben, zu einer Art Bankraub verklärt (anstatt einfach den Bankraub als Mittel der Finanzierung vorzuschlagen! Eine Praxis, die der schwarzen Befreiungsbewegung alles andere als fremd ist), sogar eine staatliche Finanzierung erhalten sollen. Nicht nur demokratisch gewählte Räte sieht diese Kommune vor, sondern nicht zuletzt auch einen schulischen Indoktrinationsapparat, während eine Föderation dieser Kommunen “mit einer Stimme in allen Angelegenheiten” sprechen solle. Während die Frage einer schwarzen Polizei innerhalb dieser Kommunen zwar schlicht unbehandelt bleibt, macht dieser Text vielmehr offensichtlich, dass es selbstverständlich auch die üblichen repressiven Institutionen eines Staates in dieser Kommune geben würde, wenn die Rede davon ist, “in Schulen, Gemeindezentren, Gefängnissen und in schwarzen Gemeinden in ganz Nordamerika Veranstaltungen zur Bewusstseinsbildung für Schwarze ab[zu]halten – die Kindern und Erwachsenen Schwarze Geschichte und Kultur, neue befreiende soziale Ideen und Werte sowie Beratungs- und Therapietechniken zur Lösung von Familien- und Eheproblemen beibringen würden […]”. Wer die Institution der Familie und Ehe mittels Therapie und Co. erhalten will, der wird schon wissen, warum man lieber einfach nichts zu Knästen und Polizei sagt.
Auch wenn ich persönlich finde, dass Texte wie dieser in einer anarchistischen Textsammlung nichts zu suchen haben, bilden solche demokratischen Ausfälligkeiten eher eine Ausnahme und bleiben auch nicht unwidersprochen. “Unterstützen Anarchist*innen die Demokratie?” (S. 167), fragt etwa ziq und kommt dabei zu dem Schluss:
“Die Demokratie ist seit jeher ein Synonym für klassenbasierte Gesellschaften. Sie hat ganze Länder in zwei kaum unterscheidbare politische Parteien (konservativ und “progressiv”) gespalten, die sich dennoch ständig an die Gurgel gehen. Selbst in ihren libertärfreundlichsten Formen hat es immer wieder versagt, Hierarchie, Zwang und die autoritären Machenschaften von Mehrheitsgruppen zu verhindern. Du kannst nicht versuchen, ein künstliches System, das so brutal hierarchisch ist wie die Demokratie, durch eine vermeintlich egalitärere Version desselben Systems zu ersetzen und es Anarchie nennen. Du musst das ganze verrottete System über Bord werfen” (S. 172).
Wenn womöglich der von der Black Rose Anarchist Federation herausgegebene Reader “Black Anarchism” eine der ursprünglichen Inspirationen für die Textsammlung Schwarze Saat gewesen sein mag, so lässt sich generalisierend, aber dennoch eine gewisse Wahrheit beanspruchend, behaupten, dass es gerade jene Beiträge sind, die im englischen Vorbild nicht enthalten sind und die zudem mit der auf anarchistische Organisationen fixierten Perspektive brechen, die dieses Vorbild aus naheliegenden Gründen hochhält, die meiner Meinung nach die spannendsten Perspektiven in Schwarze Saat ausmachen.
Die Revolte beginnt bei uns selbst
Dass die Umwälzung aller Verhältnisse bei einer*m selbst beginnt, ist nun wirklich zu einer Binsenweisheit geworden, die viel zu oft wie ein Mantra wiederholt und ihres eigentliches Inhalts beraubt von einigen ewiggleichen Nörgler*innen (häufig in Form eines Privilegiendiskurses) gegen jene gewendet wird, die ohne dies beständig vor sich hinzubeten den Angriff auf etwas anderes als ihre ewig “mangelnde Reflektiertheit” vorschlagen oder praktizieren. Umso erfreulicher ist es, wenn der Ruf nach mehr Auseinandersetzung mit der eigenen Domestizierung (und Vergeschlechtlichung – Geschlecht ist meiner Meinung nach, da schließe ich mich “Gegen den vergeschlechtlichten Albtraum” aus baedan Vol. 2 an, eine der – und zwar eine der grundsätzlicheren – Kategorien in die wir “hineindomestiziert” werden) eine klare Analyse vorzulegen vermag und den liberalen Reflex ablegt, als Gegenteil einer Revolte gegen die äußeren Zwangsverhältnisse daherzukommen.
In “Kindheit und die psychologische Dimension der Revolution” (S. 405) beschreibt Ashanti Alston den Domestizierungsprozess, in dem jedes Kind in dieser Gesellschaft gebrochen wird und die gesellschaftlichen Regeln indoktriniert bekommt. Ausgehend davon, dass das Kind durch die Familie und die innerhalb dieser stattfindende Erziehung gebrochen wird und lernt, zu GEHORCHEN, beschreibt Ashanti Alston, wie sich jedes Kind dabei eine Maske erschafft, durch die reaktiven Versuche mit den traumatischen Erfahrungen der 6.000 bis 10.000 Jahre alten Kultur, in die es hineingezwängt wird, umzugehen. Diese Maske “dient dazu, die gerechten Ströme der Lebensenergie zu binden und zu verzerren, um sie in sozial akzeptables, pathologisches Denken, Fühlen und handeln umzuwandeln … was eine Gesellschaft charakterisiert, die auf Rassismus, Klassismus, Sexismus, Imperialismus, Profithunger, Krieg und andere antihumanistische Tendenzen ausgerichtet ist.” Diese Maske abzustreifen, meint Ashanti Alston, “ist vorbereitend und unausweichlich, wenn wir unsere hohen verbal ausgedrückten Ziele erfolgreich verwirklichen wollen.” Aber wie lässt sich das erreichen?
“Zunächst durch die Erkenntnis, dass in der heutigen Phase des wissenschaftlichen Kapitalismus die repressive (psychische) Beherrschung und (soziale) Verwaltung der Gesellschaft zu einem fortgeschrittenen “1984” wird – wissenschaftlich, produktiv und total. Als Malcolm X von ihren Kräften sprach, uns zu manipulieren und uns denken zu lassen, dass unsere wahren Freund*innen unsere Feind*innen sind und umgekehrt, wusste er selbst, dass die Manipulation tief in unsere Seelen reicht. Sie ging tief genug, um uns glauben zu machen, dass wir unser eigenes Denken und Handeln tun. Und Malcolm hatte nur DIE SPITZE des Eisbergs durchdrungen.
Niemand ist immun gegen die psychische Beherrschung, die dieses unterdrückerische Monster, oder ‘Gott’, über uns hat. Die unsichtbare Maske hält diese Herrschaft aufrecht, diese blinde Sucht nach Autoritarismus. Sie unterdrückt die instinktiven Freiheitswünsche eines Menschen. Das gilt selbst dann, wenn man ALLEIN ist und KEINE SICHTBARE politische oder polizeiliche Kraft in der Nähe ist. Wie Sklav*innen, die nicht vom Meister wegrennen, wenn sie losgekettet werden und kein physisches Hindernis in Sicht ist. […]”
Also töte den Bullen in deinem Kopf? Nun, so einfach will eine*n Ashanti Alston wohl nicht davon kommen lassen.
“Jede*r dessen Einstellung ist, dass er*sie bereits revolutionär (oder menschlich) genug ist und keine weiteren Veränderungen mehr durchmachen muss, ist offensichtlich eine selbstversklavte Person, die damit zufrieden ist, in der gleichen alten Form stecken zu bleiben. Diese Art von Mensch kann sich nicht selbst helfen und wird sich wahrscheinlich auch nicht von anderen helfen lassen, wenn sich diese negative Anti-Freiheits-Haltung nicht in eine Haltung ändert, die ein Zeichen dafür ist, dass man sich der Welt der positiven “Reize”, des Guten in den Menschen, der bereichernden, befreienden Erfahrungen und dergleichen öffnet.
Ich würde ja dazu neigen zu sagen: Jede*r, der von sich denkt, sich in einem Idealzustand (sei es ein revolutionärer oder menschlicher oder irgendein anderer) zu befinden, der*die ist halt ein*e Dogmatiker*in und als solche*r gewissermaßen natürlich selbst versklavt. Ja, töte den Bullen in deinem Kopf, und töte auch gleich die Politikerin, den Virologen, den Rassist*in und den Patriarchen, ebenso wie die Sklavin, den Arbeiter, den*die Schönheitsprinz*essin, den Patienten und den Gläubigen, die sich dort ebenfalls befinden. Und ja, ein*e jede*r, die*der das jemals ernsthaft in Angriff genommen hat, weiß, dass das ein schmerzhafter und beständiger Prozess ist. Ich denke jedoch, dass es diesem Prozess niemals zuträglich ist, und das meine ich auch hier bei Ashanti Alston zu erkennen, wenn wir uns dabei gegenseitig be- und verurteilen, wenn wir einen Wettkampf daraus machen, wer die “aufrichtigsten” (und das heißt eigentlich selbstmitleidigsten) Reden über die eigenen Schwächen und Beschädigungen schwingt, wenn wir übersehen, dass in jedem aufrichtigen Handeln, das von der in unserem Herzen noch immer lodernden Flamme der Freiheit ausgeht, immer auch eben jener Versuch steckt, das “innere Ghetto” zu zerstören. Denn dann gefallen wir uns letztlich darin, mit unseren sogenannten Schwächen und Beschädigungen zu leben, anstatt sie in einem Akt der Stärke erst zu akzeptieren und dann als solche zu überwinden.
Überlegungen zum Rassismus
Was ich mich vielfach bei der Lektüre jener Texte gefragt habe, die ihre Analysen rund um eine Auseinandersetzung mit Rassismus entwickeln, ist, inwiefern dieser nordamerikanische Kontext tatsächlich 1:1 hierher, auf den deutschsprachigen Raum, ja auf den mitteleuropäischen Raum im Allgemeinen übertragen werden kann. Ich will nicht sagen, hier gäbe es keinen Rassismus, um Himmels Willen … Sicherlich nicht. Auch hier werden Schwarze und People of Color von Bullen ermordet, von Neonazi-Gruppen ermordet, sie üben oft die schlechtbezahltesten und gesundheitsschädlichsten Jobs aus, werden bei der Wohnungssuche diskriminiert, werden viel häufiger Opfer polizeilicher Kontrollen als Weiße, werden wenn sie keine Arbeit haben und keinen deutschen Pass besitzen, des Landes verwiesen, werden in Lagern eingepfercht und auf abertausende Arten und Weisen daran erinnert, dass sie nicht zur weißen Herrenrasse gehören und folglich all diese Schikanen zu erdulden hätten. Aber: Formal gilt der offen geäußerte und individuell ausgelebte Rassismus in weiten Teilen der Gesellschaft als unschicklich. Jedes Kind weiß heute, dass man nicht Neger sagt, Unternehmen stellen ihr fortschrittliches Denken unter Beweis, indem sie eine*n Quotenschwarze*n in ihren Aufsichtsrat aufnehmen, die NGO-getriebene und als Flüchtlingshilfe euphemisierte Verwaltung von Flüchtlingen boomt geradezu vor Ehrenamtlichen, reiche Bonzen gefallen sich darin, schwarze Bedienstete/Knechte einzustellen und ihnen trotzdem den vollen Hungerlohn zu bezahlen, den sie ihren weißen Vorgängern gezahlt haben, und es gehört im linken Bürgertum geradezu zum guten Ton, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit seinen schwarzen Freund*innen anzugeben, während eine angeblich antirassistisch motivierte fairtrade-Bewegung unkritisch mit Kolonialwaren handelt und von “Kindern in Afrika” gefertigte, koloniale Kunst verkauft, um die Erlöse an jene NGOs zu spenden, die damit im globalen Süden ihre Bevölkerungspolitik finanzieren. Ändert das etwas an den rassistischen Verhältnissen? Gewiss nicht, vielmehr kaschiert es sie. Aber angenommen es würde, wie liberale antirassistische Aktivist*innen das vielleicht anstreben, gelingen, dass ein*e Schwarze*r hierzulande tatsächlich gleich behandelt wird, wie ein*e Weiße*r, wäre der Rassismus dann besiegt? Auch wenn ich persönlich bezweifle, dass sich so tief sitzende Ideologien wie der Rassismus in einer Gesellschaft einfach wegreformieren lassen, so denke ich, dass der derzeitige Fokus, der bei der Analyse von Rassismus auf Diskriminierungen und Privilegien innerhalb dieser (westlichen) Gesellschaft gelegt wird, von den sehr viel brutaleren, tödlicheren und stetig voranschreitenden rassistischen Prozessen ablenkt, die außerhalb der Mauern der Festung Europa vor sich gehen.
Das macht nicht ungültig, was Lorenzo Kom’boa Ervin, die Black Autonomy Federation und weitere in den in Schwarze Saat abgedruckten Texten im Großen und Ganzen als die Triebkraft des Rassismus analysieren, dass nämlich die Unterdrückung der Schwarzen und anderer PoC wie sie heute in Nordamerika verbreitet ist, noch immer die Reform der historischen Sklaverei darstellt und Schwarze nach wie vor jene tödlichen, gesundheitszerstörenden Jobs zu geringfügiger Entlohnung – oder, im Falle von Knastarbeit, so gut wie gar keiner – zu verrichten gezwungen sind, von denen einige weiße Bonzen auch weiterhin profitieren. Wenn man dies auf den hiesigen Kontext überträgt, so ist das auch nicht weniger wahr. Die antirassistische Bewegung hierzulande, ebenso wie in weiten Teilen Nordamerikas jedoch, blendet häufig den globalen Kontext dieser rassistischen Unterdrückung aus: Dass nämlich der Kolonialismus niemals aufgehört hat, dass die politische Administration von den weißen Kolonialherren vielfach an lokale, schwarze Despoten abgetreten wurde, die die ebenfalls schwarze Bevölkerung im Namen der weißen Kolonialherren weiter knechten, dass die Kredite der Weltbank und die vermeintlichen “Hilfsprogramme” verschiedener, sogenannter Philantropen diese nationalen Administrationen in eine Abhängigkeit gezungen haben, dass Bevölkerungspolitik, sei es mit Sterilisationsversuchen oder durch industrielle Landwirtschaft und patentiertes Saatgut induzierte Hungersnöte, dazu dient, die Bevölkerungen der einstigen Kolonien in die Rohstoffminen und auf die Plantagen zu treiben und dort festzuhalten, wo sie ein Dasein als Sklav*innen fristen, während um sie herum ein Krieg zwischen ihren nationalen Ausbeuter*innen darum entbrennt, wer von ihnen der Sklaventreiber sein darf; geführt mit Waffen aus dem Westen. Und wer vor dieser unsäglichen Vernichtung ganzer Lebensräume flieht, landet in den diversen Flüchtlingslagern, die dazu dienen, die Menschenströme weit vor der Festung Europa abzufangen und fernab der Augen der westlichen Bevölkerung verrecken zu lassen, während diejenigen, denen es gelingt, diesen Lagern zu entkommen entweder im Mittelmeer ersaufen, an den Grenzen Europas eingesperrt werden oder bei erstbester Gelegenheit dorthin zurück deportiert werden, von wo sie ihre Flucht begonnen haben.
Das gesamte kapitalistische System basiert auf dieser kolonialen, rassistischen Unterdrückung ganzer Bevölkerungen und der ökozidalen Vernichtung ihrer Lebensräume. Während die antirassistische Bewegung hier – und das gilt teilweise auch für die in Nordamerika – von kultureller Vielfalt spricht und daran arbeitet den Rassismus gegen Menschen, die bereits im Westen leben, hinter Sprachreformen und Quoten-Posten in Politik, Wirtschaft und Kultur zu verbergen, vernichtet dieses System weltweit die eigentliche Vielfalt von Lebensweisen zunehmend.
Es ist nicht so, dass nicht auch einige Beiträge in Schwarze Saat diese Kritik an kolonialer rassistischer Unterdrückung äußern würden, insbesondere die Texte von ziq, aber auch Elanys Text “Werkzeuge des Anarchismus Teil 2: Über Entkolonialisierung (und die technologische Komponente des Kolonialismus)” (S. 359) sind hier schonungslos. Angesichts der immer weiter voranschreitenden ökologischen Zerstörung im globalen Süden und der Involviertheit der kapitalistischen Akteur*innen hierzulande, steht die Entwicklung konkreter anarchistischer Perspektiven ebenso wie Strategien im Kampf gegen diese Form des kolonialen Rassismus weiter aus, aber wie Elany in ihrem Text nahelegt, könnten die Fäden dieser Kämpfe vielleicht dort wo antizivilisatorische Analysen die industrielle Todesmaschinerie enttarnt haben und antitechnologische Kämpfe damit begonnen haben, die Technologie zu zerstören, wiederaufgenommen werden.
Wer das Brot erobert, erobert und verteidigt die Industrie
Einer der bärtigen Propheten einer bestimmten Spielart des Anarchismus hatte damals eine Vision. Die Eroberung des Brotes sollte Wohlstand für Alle bringen. Kurz gesagt: Kostenloses Brot für alle. Und wer hätte da schon etwas dagegen? Nun, wozu das Brot erobern, wenn man auch Kuchen essen kann, mag einer dazu einfallen, aber ich fürchte der von ziq formulierte Einwand “Verbrennt das Brotbuch” (S. 515) wird auch die Kuchen-statt-Brot-Ernährungslehre entmystifizieren. Der Einwand ist geradezu banalen Charakters, aber doch unmittelbar einleuchtend: Um Brot zu backen bedarf es einerseits ausreichend Getreide und andererseits einer Menge Holz, um die Backöfen zu heizen. Heißt: Es ist erforderlich, Wälder zu roden, um die Öfen zu befeuern und das Getreide anzubauen, mit allen bekannten Folgen, dass nämlich die Böden vergiftet und weggespült werden und die einst auf dem Land lebenden Tiere größtenteils aussterben. Sprich: Man braucht gar nicht allzu viele Jahre Brot backen und wird schließlich merken, dass die Felder immer weniger Ertrag abwerfen. Man muss also noch mehr Wald roden, den auf dem Land seiner Nachbar*innen, denen man damit wiederum ihre Lebensgrundlage raubt, usw. Man zerstört also Stück für Stück die Natur, die einst in der Lage gewesen ist, alle Menschen zu ernähren und man wird nichteinmal mehr die eigentliche Ursache für diese Zerstörung erkennen.
Ob die Brotproduktion nun kapitalistisch ist, wie heute, oder kommunistisch, das ist für dieses Problem herzlich egal. Und weil es für die indigenen Nachbar*innen von jenen, die vielleicht Anarcho-Kommunist*innen mit den besten Absichten sein mögen, “egal [ist], dass die Bulldozer jetzt im kollektiven Besitz sind oder dass das Land, auf dem sie seit Jahrtausenden leben, jetzt “dem Volk” (der zivilisierten Mehrheit) gehört und nicht mehr dem Staat oder dem Kapital”, werden sich gewisse Konflikte einstellen, in denen es, um weiter Brot produzieren zu können unmöglich ist, nicht zu drastischen Maßnahmen zu greifen:
Wenn Menschen nicht damit einverstanden sind, von ihrem angestammten Land vertrieben zu werden, um in den Industriebetrieben und Fabriken zu arbeiten, die die Zerstörung ihrer Heimat vorantreiben, werden sie als “Kulaken”, “Konterrevolutionäre” und “Reaktionäre” abgestempelt und systemtisch ermordet, meist durch die Zerstörung ihrer Nahrungsquellen.
So anekdotisch und scheinbar banal ziqs Argument auch sein mag, es ist doch unmittelbar einleuchtend. Und ein klein wenig peinlich berührt muss man doch an all die vielen eigenen Worte denken, mit denen man die Industrie und ihre Verteidiger*innen immer angegriffen hatte. Dabei wäre es doch so einfach gewesen …
Und nun?
Schwarze Saat endet mit einem von Übersetzer*in Elany und ihrem Vater Samuel geschriebenen “Manifest” in Anführungszeichen, einem “Wildpunk-’Manifest’”. Zugegeben: Ich hasse Manifeste, Programme, usw. und es erinnert mich immer wieder an Tiqqun und das Unsichtbare Komitee, wenn autoritäre Begriffe in Anführungszeichen gesetzt werden, um der*dem Leser*in zu versichern, dass man sich des autoritären Charakters bewusst ist, nur um im weiteren Verlauf genau diesen autoritären Charakter anzupreisen. Nein, ein “Manifest” ist ebenso ein Manifest, wie auch eine imaginäre Partei eine Partei bleibt. Aber auch wenn ich mich entschieden dagegen wende, an diesem neokommunistischen, okkulten Spiel um althergebrachte Institutionen in Anführungszeichen, des Unsichtbaren oder der Einbildung teilzunehmen, will ich nicht unfair werden. Immerhin lautet der erste Punkt dieses “Wildpunk-’Manifests’”:
“Wildpunk entwickelt kein Programm für die Zukunft und hält nichts von vorgefertigten Bauplänen. […] Während du liest, denke darüber nach, was für dich persönlich mitschwingt und was nicht. Erschaffe dein eigenes Manifest. Wildpunk ist so wild wie die Anarchie selbst.”
Also schön, ein Programm in Anführungszeichen, das nicht nur sagt, dass es gar kein Programm ist, sondern auch dazu auffordert, Programme, inklusive es selbst abzulehnen und stattdessen selbst zu denken. Also doch nur ein literarischer Kunstgriff ohne autoritäre Absichten. Da könnte sich die imaginäre Partei ja noch eine Scheibe abschneiden.
Aber was sagt uns dieses Nicht-Programm nun? Eigentlich ziemlich viel sympathisches. Ich würde ein grundlegendes Uneinverständnis über die Bedeutung, die dem Werk “Desert” in dem gesamten Text verliehen wird (als “wahrscheinlich wichtigstes anarchistisches Werk der jüngeren Zeit”), bekunden, zumal es bloß ein paar alte Thesen wieder aufwärmt, ohne einen konkreten Kampf vorzuschlagen, aber davon abgesehen bereitet es mir Freude zu sehen, dass auch andere die Zerstörung der Industrie und die Sabotage an den (technologischen) Infrastrukturen der Herrschaft in den Mittelpunkt ihrer Perspektive stellen.
“Der zentrale Angriffspunkt der kapitalistischen Zivilisation ist die Industrie, welche die Erde und unsere Körper vergiftet hat. Wildpunk kämpft nicht dafür, die Produktionsmittel zu übernehmen, sondern die Mittel der Zerstörung zu ergreifen und sie verdammt nochmal zu sabotieren und niederzubrennen.”
Und auch all den Klimabewegten, die bisher noch einer der zentralen Lügen des grünen Kapitalismus aufgesessen sind, und jede Hoffnung auf eine Abwendung der Klimakrise bei gleichzeitiger Bewahrung der westlichen, zivilisierten Lebensweise in sie gesetzt haben, haben Elany und Samuel etwas wichtiges zu sagen:
“Wildpunk erkennt, dass vermeintlich grüne Energien nicht grün sind. Egal was die Herrschenden uns auch auftischen wollen, jede dieser Energien wurzelt in einem beispiellosen Ökozid. Energieinfrastrukturen, auch die angeblich grünen, sind weitere wunde Angriffspunkte der Herrschaft.”
***
Insgesamt ist Schwarze Saat ganz gewiss ein Buch zum stöbern, ein Buch in dem sich die eine oder andere Entdeckung machen lässt, ein Buch in dem sich definitiv viele spannende Texte finden, die erstmals ins Deutsche übersetzt wurden. Und ganz gewiss ist Schwarze Saat ein unbequemes Buch für alle Angehörigen des hiesigen Ally-Industriekomplexes, oder, wie ich vorziehe, sie zu nennen, Feiglinge (“Another word for white ally is coward”), die auf der Suche nach den Stimmen derjenigen Quoten-Schwarzen, die ihre befremdlichen “anarchistischen” Utopien, die sich im Wesentlichen kaum von der heutigen Realität westlicher Lebensweisen unterscheiden, bestätigen sollen, unweigerlich mit jenen Positionen konfrontiert werden, die Anarchist*innen immer schon von Indigenen und zahlreichen schwarzen Communities gelernt haben oder immerhin lernen hätten können: Dass die gesamte Zivilisation ein einziger Vormarsch der Herrschaft ist.
Schwarze Saat kann als PDF aus den Tiefen des Internets, unter anderem von der Webseite feralfire.noblogs.org gesaugt werden. Ob derzeit noch gedruckte Ausgaben verfügbar sind, ist mir aufgrund der Tatsache, dass der herausgebende Schwarze Pfeil aufgrund von staatlicher Repression eingestellt wurde, unklar. Gewisse, auf den Ausverkauf anarchistischer Szeneidentitäten und fair gehandelte Kolonialwaren (wie Bekleidung und Kaffee) spezialisierte Versandhändler listen das Buch jedoch weiterhin zum Kaufpreis von 13,12 Euro in ihrem Sortiment auf.
[1] Ob das Ganze unbedingt unter dem Namen Schwarze Saat firmieren musste, was den Anschein erweckt, es würde sich bei mehr als nur ein paar Texten um Übersetzungen aus Black Seed handeln (und ich denke mein Unbehagen besteht hier darin, dass es gerade der syndikalistische und fortschrittsorientierte Kram aus guten Gründen wohl kaum jemals in eine Black Seed Ausgabe geschafft hätte), sei einmal so dahingestellt.
[2] Also ja, ich verstehe das Ressentiment, das aus solchen Aussagen spricht, sehr gut, gerade angesichts bestimmter “Anarchist*innen” innerhalb dessen, was sich als der deutschsprachige Anarchismus zu inszenieren versteht, die außer einer Akademisierung des Anarchismus nicht gerade viel beizutragen haben, die sich aber immer wieder dennoch in die Kämpfe (schwarzer, ebenso wie weißer) Anarchist*innen einmischen und meinen, mit dieser oder jener philosophischen Haarspalterei die sehr realen Angriffe auf die Herrschaft als nicht-anarchistisch delegitimieren zu müssen. Es mag auch die Tendenz geben, dass Persönlichkeiten wie Kropotkin, Bakunin, Proudhon, usw. von jenen rezitiert werden, die solch große Worte schwingen, aber sich am Ende des Tages ganz gut in einer vermeintlich anarchistischen Nische des Akademiebetriebs eingerichtet haben werden und von diesem Elfenbeinturm herab meinen, die Kämpfe anderer entweder dirigieren zu können oder kommentieren zu müssen, allerdings sollte man jene Zeitgenoss*innen nicht mit Bakunin oder Kropotkin oder beinahe all ihren Vorbildern aus längst vergangenen Zeiten selbst verwechseln. Während Kropotkin zwar vielleicht viel philosophiert hat und möglicherweise wenig Steine geschmissen haben mag, so hat er sich doch auch soweit an subversiven (publizistischen und organisatorischen) Tätigkeiten beteiligt, dass er in den Knast gewandert ist, hat Unterstützung für andere Anarchist*innen organisiert und wie viele andere Anarchist*innen sein Leben ganz der Revolution verschrieben. Ich mag mit Kropotkins Positionen sehr häufig uneinverstanden sein, aber ich denke nicht, dass man deshalb sagen kann, er hätte nicht versucht das zu leben, was er verzapfte – auch entgegen aller Widrigkeiten, die das mit sich brachte. Und was selbst für einen Kropotkin gilt, das gilt für einen Bakunin, der buchstäblich den revolutionären Ereignissen nur so hinterherjagte, umso mehr …
[3] Und besonders wo eine Identität rund um Indigene Anarchist*innen geschaffen werden soll, stellen sich gewiss manch einer*m die Haare zu Berge. So stieß etwa der im Buch veröffentlichte Text “Einen indigenen Anarchismus anpeilen” von Aragorn! (übrigens erschien bereits kurz vor Veröffentlichung von Schwarze Saat, im Juni 2021, ebenfalls eine Übersetzung dieses Textes unter dem Titel “Ortung eines indigenen Anarchismus” gemeinsam mit dem Text “Ein nicht-Europäischer Anarchismus” in einer Broschüre), nachdem er in Black Seed Issue 8 erneut abgedruckt worden war, durchaus auf eine gewisse Kritik, die etwa in der sehr empfehlenswerten Broschüre UNKNOWABLE. Against an Indigenous Anarchist Theory von Klee Benally elaboriert wird und die sich vielleicht grob mit folgenden Auszügen umreißen lässt: “Wenn von Anarchismus die Rede ist, dann verorten wir darin eine Affinität hinsichtlich unserer Feindschaft gegenüber denjenigen, die sich uns aufgezwungen haben. Aber wir weigern uns, zu politischen Artefakten reduziert zu werden, also weckt das auch unsere Feindschaft gegenüber anarchistischer Identität, wenn nicht gegenüber dem Anarchismus insgesamt. Wenn gefragt wird ‘Wie können wir einen indigenen Anarchismus verorten’ und ‘Wie können wir heilen und unsere Leben frei von kolonialer Einschränkung leben?’, dann besteht unsere erste Reaktion in einer Ausweitung unserer Feindschaft; Es gibt keine indigene anarchistische Theorie und vielleicht sollte es niemals eine geben.” Und: “Die tiefere Erkundung eines indigenen Anarchismus könnte unserer Meinung nach im Wesentlichen zwei Wege einschlagen: Der eine wäre der der aktivistischen Akademiker*innen (sowohl indigene, als auch siedlerische) aus einer anthropologischen und philosophischen Perspektive, der absolut keine Berührungspunkte mit jenen hat, die sich näher an den Feuern der Autonomie in unseren Landen befinden (und gewiss lehnen wir diesen Weg entschieden ab), der andere Weg wäre chaotisch, mutig, leidenschaftlich, experimentell, voller Widersprüche. Er würde im Rauch um die Feuer geteilt werden und von Träumen sprechen. Er wird zwischen dem Stilllegen von Pipelines, dem Einschmeißen der Scheiben von Unternehmen und Zeremonien verlaufen. Er wäre in Hooghans und Trailerparks zu finden. Er wäre etwas, das sich all seinem Wesen nach nicht festlegen lassen würde, das sich niemals in die Gefilde des Erfassbaren bringen lassen würde, wo es eine Erweiterung der kolonialen Ordnung von Ideen und Existenzen wäre. Er würde sich selbst unbegreifbar machen.”
[4] Das derzeitige Oberhaupt der Nation of Islam, ein Nationalist, der für eine vollständige Rassentrennung eintritt und der auch den Antisemitismus als eine herkömmliche Triebkraft des Nationalismus für seinen Schwarzen Nationalismus einzusetzen weiß, wenn er die Juden als Schuldige der Unterdrückung seiner eigentlich überlegenen, jedoch unterdrückten Rasse ausgibt.
Für eine starke Klimabewegung
via de.indymedia.org
Hamburg, 21. Oktober 2022
Wir haben in der letzten Nacht bei Maritime Carrier Shipping die Scheiben eingeschlagen und Buttersäure hinterher geworfen.Wir sind wütend! Wütend, dass der Kampf ums Klima ins Stocken geraten ist.
Wütend, aber nicht überrascht, dass mit Hilfe der Grünen eine Verlängerung der Laufzeit der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland en vogue ist. Wütend, aber nicht verwundert, dass die EU-Kommission Kernkraft als grüne Technologie einstuft. Die Atomenergie wird nicht nur vom deutschen Staat mit Milliarden subventioniert. Eine fett gewordene Lobby lügt über den Nutzen der Atomenergie und verharmlost die Gefahren.
Für uns ist klar: Atomkraft ist keine umweltfreundliche Alternative zu russischem Gas!
Einmal abgesehen davon, dass Russland nicht nur Gaslieferant ist, sondern auch zu den sechs weltweit wichtigsten Förderländern von Uran zählt.Noch mehr Uran wird in Namibia gefördert. Von dort transportiert die Maritime Carrier Shipping GmbH & Co (MACS) das Uranerzkonzentrat regelmäßig nach Hamburg und lässt es am Südwestterminal entladen. Der alteingesessene Hamburger Familienbetrieb MACS, mit Sitz Große Elbstraße 138, trägt damit zum Betrieb von Atomanlagen bei.
Wir begrüßen den vielfältigen Widerstand der Klimabewegung. Aber wir sehen, dass die Kämpfe nicht vorankommen, und setzen auf Sabotage und Angriff. Massenhafte militante Aktionen können unseren Kampf ums Klima befeuern.
All my friends are bad kids! – über ein (mittlerweile eingestelltes) §129-Verfahren gegen Anarchist:innen in Hamburg und Bremen
Im Folgenden wollen wir euch über ein Verfahren nach §129 in Hamburg und Bremen informieren, den kollektiven Umgang damit beschreiben sowie individuellen Stimmen betroffener Menschen Platz geben.
Im Sommer öffneten einige Menschen in Hamburg und Bremen ihre Briefkästen und da waren sie wieder: Briefe vom Oberstaatsanwalt Schakau der Generalstaatsanwaltschaft in Hamburg. Vom 26.05.2020 bis 25.07.2022 haben Ermittlungen verschiedener Behörden in einem §129-Verfahren gegen Anarchist:innen in Hamburg und Bremen stattgefunden. Es ging um ein Vereinigungs-Konstrukt, dem direkte Aktionen, hauptsächlich in Hamburg, über einen längeren Zeitraum zugeordnet werden sollten. Drei der fünf Menschen gegen die die Ermittlungen hauptsächlich gerichtet waren, wurden bereits 2020 im sogenannten Parkbank-Verfahren verurteilt und waren die drei offiziell Beschuldigten in diesem Verfahren. Im Rahmen der Ermittlungen wurden zwei weitere Menschen als potenzielle Mitglieder der konstruierten Vereinigung ausgewählt, gegen die ähnlich ermittelt wurde.
Alles fängt (für uns) mit einem Bericht des BKA an die Generalbundesanwaltschaft an, in dem ein Verfahren nach §129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) gegen die drei Beschuldigten angeregt wird. Dieses wird jedoch von der Generalbundesanwältin Geilhorn abgelehnt, ebenso wie ein Verfahren nach §129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) auf Bundesebene.
Einen Tag später beginnt ein Verfahren nach §129 in Hamburg, geführt von Oberstaatsanwalt Schakau. Im Zuge dieser Ermittlungen werden gegen alle fünf der Mitgliedschaft Verdächtigten Maßnahmen eingeleitet; diese laufen von Anfang Mai bis Anfang August 2021 und beinhalten Observationen mit Foto- und Videoaufnahmen, Telekommunikationsüberwachung (abhören von Telefon-Gesprächen und Mitlesen von SMS), den Einsatz von IMSI-Catchern und stillen SMS sowie Internet-Überwachung (vor allem das Auslesen aller bekannten und erreichbaren E-Mail-Postfächer).
Im Zuge dessen wurden ein großer Teil der Umfelder der fünf Beschuldigten durchleuchtet und eine große Zahl an Personen war von fast allen Maßnahmen mitbetroffen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es mindestens zwei Personen gab, die nicht als (potenzielle) Mitglieder konstruiert wurden, deren Telefone mit hanebüchenen Erklärungen separat abgehört wurden. Auch zu erwähnen ist, dass die Observationen und Abhörmaßnahmen bundeslandübergreifend (Hamburg, Bremen, Berlin, Bayern und Sachsen) und in mehreren Fällen per Amtshilfe auch im europäischen Ausland (Österreich, Belgien und Spanien) stattfanden.
Letztendlich wird das Verfahren am 25.07.2022 eingestellt, offiziell wegen Mangel an Beweisen. „Offiziell“, weil natürlich – wie wir wissen – parallel auch nach anderen Paragraphen Überwachungen gegen einige Beschuldigte stattgefunden haben, auch unter dem Vorzeichen polizeilicher „Gefahrenabwehr“. Eine detailliertere Aufarbeitung der Ermittlungen im Sinne von „Akten für Alle“ wird es an anderer Stelle und zu späterer Zeit geben.
Dieses Verfahren und die Ermittlungen richten sich – wie auch die der letzten Jahre – gegen die Praxis der direkten Aktion, gegen revolutionäre Ideen und hier speziell gegen unsere solidarischen und liebevollen Beziehungen. Sie stellen einen Angriff gegen weit mehr als nur die offiziell Beschuldigten oder Verdächtigten dar. Wir haben uns deswegen dazu entschieden einen möglichst kollektiven und transparenten Umgang damit zu suchen. So haben wir die Akten, bevor wir sie selbst gelesen haben, von einer weiteren, in unserem direkten sozialen Umfeld weniger verwurzelten Person lesen lassen um einen sensiblen Umgang mit den darin befindlichen persönlichen Daten und abgehörten Gespräche zu finden. Auch haben wir ein kollektives Treffen vieler in der Akte von Maßnahmen Betroffener organisiert um einen kollektiven Moment des Austausches und der Stärke zu schaffen.
Im Folgenden wollen wir einige Stimmen zu Wort kommen lassen, denn die Betroffenheit eines so großen An- und Eingriffs in unserer Leben ist nicht homogen und trifft Menschen in verschiedensten Momenten und auf verschiedene Arten und Weisen:
„Es ist eine enorm bestärkende Erfahrung, sich im Angesicht eines solchen schamlosen Angriffs und Eingriffs in unser aller Intimsphäre bewusst und kämpferisch zu unseren Beziehungen zu bekennen – so entsteht ein Raum, in dem unsere Angst und Verunsicherung Platz finden kann und niemand alleine bleibt – aus dem heraus dann aber auch unsere Wut und unser Trotz Ausdruck finden. Unsere Beziehungen zu verteidigen heißt unsere Kämpfe zu verteidigen!“
„Wenn Repression, Verfolgungswahn und das Rumgeschnüffel von den Bullen über Jahre Teil des Alltags sind, erscheint es mir umso wichtiger, gemeinsame Momente und Räume zu schaffen um sich darüber auszutauschen und zu empören. Ich will mich damit weder abfinden noch will ich in Bezug auf die Eingriffe in mein Privates und die damit ausgelösten Ängste abstumpfen. Sich gemeinsam und auch öffentlich dazu zu positionieren wirkt den Gefühlen die die Schweine damit auslösen wollen entgegen!“
“Die Verletzung des eigenen Sicherheitsgefühls und der eigenen Privatsphäre, die mit der Überwachung von uns einhergeht, hat bei mir immer wieder Ausdruck in ganz verschiedenen Gefühlen gefunden: in Ohnmacht, Wut und natürlich in Paranoia oder Lähmung. Mit diesen verschiedenen Gefühlszuständen immer wieder einen individuellen und kollektiven Umgang zu finden ist scheiße anstrengend. Jedoch zu wissen, dass das was die Bullen erreichen wollen – unsere Beziehungen und Kämpfe angreifen, Ängste auslösen die eine Distanzierung zueinander verursachen – das sie das nicht erreichen können, ist ein wunderbare Sache die es mir erlaubt auch einen ganz anderen Ausdruck zu finden: in Solidarität, Freund*innenschaft und der Überzeugung für unsere Ideen!“
„Es überrascht mich nicht. Es ist ekelhaft, absurd, lachhaft; nichts anderes hab ich von ihnen erwartet. Welche SMSen haben wir uns geschrieben, wer hat sich am Telefon darüber unterhalten, dass du mich besuchen kommst. Das alles nachzulesen von Menschen, die das sowas von nichts angeht. Und trotzdem: Was da alles nicht steht, was sie nicht verstehen und nie verstehen werden, weil es so fernab ihrer Lebensrealitäten ist. Wir wissen immer noch am besten was uns mit wem wie stark verbindet, was wir wo wann warum getan haben, wofür wir brennen – egal wieviele TKÜs und Observationen sie durchführen.
Die Verunsicherung und Vereinzelung nicht gewinnen lassen. Es tut gut, euch zu sehen. Ob das schlau ist?
Anerkennen, dass wir uns in dieser Realität diese Fragen stellen müssen, wissend, dass es keine eindeutig richtigen oder falschen Antworten darin gibt. Nur unterschiedliche Entscheidungen. Diese Entscheidung fühlt sich richtig an.
Ich blicke in eure Gesichter, tausche Blicke, ein Lachen, und bin mir sicher: Wir sind da. Zusammen.“
„Der Bulle in meinem Kopf bestimmt durch die Grenzüberschreitung meine Gedanken. Überwacht zu werden ist eine schmerzhafte Erfahrung. Ohnmacht, Angst, Unsicherheit, Zweifel … all das macht das mit mir. In diesem Strudel erstmal zu sein und alles zu hinterfragen kann einen schon aus der Bahn werfen. Mein Selbstbild ist erschüttert!
Kämpferisch und mit Wut im Bäuchlein gegenüber diesen Verhältnissen, die uns kaputt machen sollen. Nein, ich fühle mich klein und mein Selbstbewusstsein ist fast nicht vorhanden. Gläsernd gemacht zu werden hinterlässt im ersten Moment ein ekliges Gefühl. Private Dinge, die nur mich was angehen werden sich maßlos angeguckt. Die Selbstbestimmung über mein Leben wird einfach gebrochen.
Aber, auch wenn es weh tut bin ich auch froh nicht abgestumpft zu sein. Sondern seinen Gefühlen bewusst zu werden und dies auch zu teilen. Und so wird nach einer Weile die Angst die ich spüre und bemerke die Seite wechseln, weil ein kollektiver Umgang damit einem:r nur Lebensenergie geben kann.“
„Ich bin (wir sind) über die Schamlosigkeit nicht erstaunt, aber davon doch sehr angeekelt.“
„Und dann macht es doch einen Unterschied: Schwarz auf weiß zu lesen, was ich in Sms geschrieben habe. Mich auf Fotos zu sehen. Kategorisiert und kommentiert zu werden. Diese Schweine!
In mir ist immer wieder Unruhe, Angst und Unsicherheit. Viele der Gefühle überwältigen mich und es ist manchmal schwer, mich wieder einzukriegen. Nachts wache ich auf, fühle mich allein und hab einfach Schiss. Und manchmal will ich mich aber auch nicht einkriegen oder unter Kontrolle bekommen! Meine Wut zu spüren gibt mir Kraft! Durch die Sorge um uns alle, spüre ich um so mehr den Wert des Vertrauens untereinander.
Mir meiner liebevollen Beziehungen bewusst zu werden, stärkt mich. Mich eben nicht isolieren oder vereinzeln zu lassen, sondern mehr zusammen zu kommen, sich gegenseitig zuzumuten und sich auszutauschen, gibt mir Zuversicht.“
„Bei aller Wut auf die Cops, weil sie denken, dass sie uns ausspionieren und alles durchleuchten können – aber statt uns einzuschüchtern und zu brechen, stärken sie nur unser Vertrauen ineinander und das Wissen darum, dass es so vieles gibt, dass sie niemals rauskriegen und erfahren werden.“
Aktuell gibt es wieder viele Verfahren nach §129, §129a sowie die eigentlich immer laufenden Verfahren nach §129b gegen revolutionäre Strukturen und Individuen.
An dieser Stelle auch noch ein solidarischer Gruß an alle von solchen Ermittlungen Betroffenen, die sich solidarisch verhalten!
Freiheit und Glück!
Von den Maßnahmen betroffene Freund:innen und Mitstreiter:innen
Solange das Gemetzel andauert – Errico Malatesta (1915)
Gefunden auf mgouldhawke, die Übersetzung ist von uns. Der Begriff Volk wurde als Übersetzung für People genommen, gefällt uns auch nicht, muss aber dennoch im historischen Kontext gelesen werden, auch wenn es schon damals ein diffuser Begriff war, was er heutzutage noch genauso ist, manipulieren wir keinen Text. Mit dieser Übersetzung führen wir die Reihe historischer Texte der anarchistischen Bewegung die sich mit dem Krieg auseinandersetzen und eine Teilnahme seitens Anarchistinnen und Anarchisten scharf kritisieren.
Solange das Gemetzel andauert – Errico Malatesta (1915)
Ursprünglich veröffentlicht in L’Era Nuova, Paterson, New Jersey, 2. Mai 1915; nachgedruckt in Studi Sociali, Montevideo, Uruguay, März-Mai, 1938. Übersetzt aus dem Italienischen von Al Raven vom Ravenwood-Blog und hier in Zusammenarbeit veröffentlicht.
Da wir jetzt nichts Besseres tun können, lasst uns diskutieren.
Aber lasst uns ruhig und anständig diskutieren, ohne unbegründete Verdächtigungen über die Motive der Widersprechenden auszusprechen. Wenn wir uns nicht einigen können, können wir zumindest die Art und die Grenzen der Meinungsverschiedenheiten klären. Und das wird nützlich sein, wenn die Zeit kommt – und sie wird sicherlich kommen -, in der es möglich sein wird, effektiv zu handeln und wir uns auf dem Terrain anderer eindeutiger Fakten mit vielen einig sind, mit denen wir heute in Bezug auf die Tatsache des europäischen Krieges in scharfem Gegensatz stehen.
Und lasst uns damit beginnen, polemische Mittel und rhetorische Höhenflüge zu vermeiden, die vielleicht dazu dienen, Menschen zu verwirren oder zu irritieren, aber nichts beweisen.
Diejenigen Revolutionäre, die glauben, dass es sinnvoll ist, sich zugunsten des französisch-anglo-russischen Bündnisses am Krieg zu beteiligen, bezeichnen uns, die wir treu zu den Ideen und Taktiken stehen, die wir vor dem Krieg verteidigt haben, nicht als neutral, sondern als Feinde der beiden kriegführenden Parteien, als Fossilien, Dogmatiker und Dominikaner [der katholische Predigerorden]. Wir könnten darauf reagieren, indem wir die anderen als Verräter behandeln und wir wären gleich. Gleich in der Fähigkeit, zu beleidigen, und gleich im Mangel an ernsthaften Argumenten; denn die Tatsache, dass man seine Meinung geändert hat oder nicht, reicht nicht aus, um zu beweisen, dass man Recht oder Unrecht hat. Was würden unsere Widerspruchsführer, die unnachgiebige Gegner des religiösen Obskurantismus bleiben, wohl sagen, wenn sie von denen, die, vom Krieg verwirrt, den atavistischen Mystizismus in sich aufkeimen spürten und mit Priestern zu flirten begannen, als Fossilien und Muslime bezeichnet würden?
Ebenso bezeichnen sich diejenigen, die, vom Kriegsfieber mitgerissen, die Ideen, zu denen sie sich zuvor bekannt haben, auf verschiedene Weise verändert haben, gerne als Rebellen, Ketzer, Ikonoklasten, Verächter der falsch verstandenen Mehrheiten und geben sich als fortschrittliche Menschen aus, die unter dem Anstoß der großen Zeitereignisse einen Schritt zu neuen geistigen Horizonten gemacht haben. Diese Haltung ist für Revolutionäre immer sympathisch, aber im vorliegenden Fall entspricht sie nicht der Wahrheit. Selbst wenn sie mit der Verleugnung ihrer alten Überzeugungen Recht hätten, würden sie sich dennoch zu Unrecht als Innovatoren bezeichnen. Sie haben sich in die Opposition zu den jeweiligen Parteien gestellt, die nur eine kleine Minderheit sind: aber um den Überzeugungen, Respekt und atavistischen Gefühlen zu huldigen, die leider immer noch die große Mehrheit des Volkes leiten. Sie rebellierten gegen sozialistische und anarchistische „Formeln“, aber um zu Ideen und Geisteshaltungen zurückzukehren, von denen sie glaubten, sie hätten sie überwunden. Im Wesentlichen erkennen sie an, dass sie sich geirrt haben – und diejenigen, die ihre Fehler erkennen und eingestehen, werden für ihre Fähigkeit, sich zu korrigieren, und für ihre Aufrichtigkeit hoch geachtet, würden aber kaum behaupten, Ketzer und Rebellen zu sein.
Eine Meinung ist an sich richtig oder falsch, unabhängig davon, ob sie neu oder alt ist und ob sie von einer großen oder kleinen Zahl von Menschen vertreten wird. Lasst uns daher die Argumente, die uns von den Interventionisten trennen, an sich diskutieren.
Was die vulgären Beleidigungen und die schmutzige Sprache angeht, in der sich einige der Polemiker des einen und des anderen Lagers ergehen, so sollten wir sie einfach ignorieren. Sie zeugen nur von schlechtem Geschmack und schlechten Manieren derjenigen, die sie benutzen, und würden es nicht einmal verdienen, bemerkt zu werden, wenn sie nicht eine Spur des Unmuts hinterlassen würden.
***
Unsere interventionistischen Freunde (ich spreche von den Freunden, d.h. denjenigen, die in der Intervention zugunsten Frankreichs und Englands eine Notwendigkeit zur Verteidigung gegen den deutschen Despotismus und ein Mittel zum Sturz des Militarismus und zur Schaffung eines Umfelds der Freiheit sehen, das den Kämpfen für die soziale Revolution förderlich ist, und nicht von Kriegstreibern, die darauf abzielen, einen Imperialismus durch einen anderen zu ersetzen, und die uns genauso verhasst sind wie die Despoten von Berlin und Wien), unsere interventionistischen Freunde scheinen daher die wahren Gründe für unsere gleiche Feindseligkeit gegenüber den beiden kämpfenden Parteien nicht zu verstehen. Und sie glauben, dass wir, blind und taub für alle Gründe, warum sich die Welt auf einem Weg bewegt, der keinem idealen Programm entspricht, die Realität den „Formeln“ opfern und, da wir nicht in der Lage sind, Anarchie direkt und sofort zu verwirklichen, es vorziehen, untätig zu bleiben. Das ist in der Tat ein seltsames Urteil, wenn es von denjenigen gefällt wird, die uns kennen und wissen, wie wir immer gegen jede fatalistische und betäubende Philosophie gekämpft haben, egal ob aus dem sozialistischen oder anarchistischen Lager.
Sie behaupten, wir seien den Regierungen Frankreichs und Englands genauso feindlich gesinnt wie denen Deutschlands und Österreichs, weil wir glauben, dass alle Regierungen gleich sind; und sie versuchen, uns zu beweisen, dass zwar alle Regierungen schlecht sind, aber nicht alle gleich schlecht.
Das ist eine alte Frage, die trotz der Ungenauigkeiten in der heutigen Sprache für diejenigen, die sich mit anarchistischen Ideen und Taktiken auskennen, inzwischen klar sein sollte.
Wir wissen ganz genau, dass es einen Unterschied gibt; und wir müssen uns nicht groß bemühen, um uns davon zu überzeugen, dass es besser ist, ins Gefängnis zu kommen als gehängt zu werden, und dass ein Jahr im Gefängnis besser ist als zehn. Der Grund für den Unterschied liegt mehr als in der Regierungsform in den allgemeinen ökonomischen und moralischen Bedingungen der Gesellschaft, im Zustand der öffentlichen Meinung und in dem Widerstand, den die Beherrschten der Aufdringlichkeit und Willkür der Autorität entgegenzusetzen wissen; aber natürlich haben auch die Formen, die die Folge der Kämpfe vergangener Generationen sind, ihre Bedeutung, insofern sie ein mehr oder weniger starkes Hindernis in den gegenwärtigen Kämpfen darstellen. Und es ist die Aufgabe des Historikers, die Tatsachen und ihre Ursachen objektiv zu untersuchen; es ist seine Aufgabe, uns zum Beispiel zu sagen, dass zu einer bestimmten Zeit in Frankreich die Menschen freier waren als in Deutschland, dass in einem bestimmten Land unter der Republik die Menschen weniger gezwungen waren als unter der Monarchie.
Aber unsere Aufgabe, die von uns, die wir für die ganzheitliche Freiheit kämpfen und die wissen, dass sich alle Regierungen durch ihr Lebensgesetz der Freiheit widersetzen müssen, ist es, zu versuchen, die Regierung zu stürzen und nicht zu verbessern – in der Überzeugung, dass dies auch unter dem Gesichtspunkt der Reform das beste Mittel ist, um die Regierung zu Zugeständnissen zu zwingen, und das einzige, das uns erlaubt, von Zugeständnissen zu profitieren, ohne den Kampf zu lähmen und ohne die Zukunft zu gefährden.
In der Praxis ist für uns die schlimmste Regierung immer diejenige, unter der wir stehen, diejenige, gegen die wir am direktesten kämpfen.
Wenn die Kosaken in Italien Demonstranten ermorden, rufen wir zur Revolte gegen sie und gegen die Regierung auf, der sie dienen; und wir glauben nicht, dass sie in Russland unter ähnlichen Umständen eine größere Anzahl von Menschen getötet hätten.
Unter dieser einzigen Bedingung, immer nach vorne zu schauen, immer nach dem Besten zu streben, ist es möglich, revolutionär und fortschrittlich zu sein; sonst müsste man sich immer mit allem zufrieden geben, weil man immer einen Ort findet, an dem es einem schlechter geht als zu Hause, oder eine Zeit, in der es einem schlechter ging als jetzt. Das wäre der Zustand der alten Frau, die, nachdem sie sich ein Bein gebrochen hatte, Gott dafür dankte, dass sie sich nicht beide Beine gebrochen hatte. Und es ist auch der Gemütszustand aller aufrichtigen Konservativen, die aus Angst vor dem Schlimmsten auf das Beste verzichten und aus Angst, dass die Vergangenheit zurückkehrt, nicht auf die Zukunft zugehen wollen.
Es ist also nicht wahr, dass wir die Abstufungen und die Relativität der menschlichen Angelegenheiten ignorieren. Wir sind immer bereit, zu allem beizutragen, was unserer Meinung nach Fortschritt bedeutet, zu allem, was unserem Ideal von Gerechtigkeit, Freiheit und menschlicher Solidarität nahe kommt. Aber wir wollen nicht um der verlogenen Worte willen die Augen vor den Tatsachen verschließen und uns auf die Seite derer stellen, die die geborenen Feinde von Freiheit und Gerechtigkeit sind. Wir wollen, um zum konkreten Fall zu kommen, nicht im Glauben an offizielle Reden die Regierungen Frankreichs und Englands unterstützen, die nicht nur recht liberal sind, sondern uns unter dem Vorwand, die Tyrannen von Berlin und Wien zu stürzen, in den Dienst des russischen Despoten stellen wollen.
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Ich verstehe die großzügige Ungeduld, das Bedürfnis nach Aktivität, die glühende Hoffnung, die den Verstand einiger unserer Gefährten verschleiert hat, und ich bewundere diejenigen, die freiwillig ihr Leben riskiert haben, denn es ist immer bewundernswert, wenn man sich für eine Sache opfert, die man für gut hält. Aber der Respekt und die Bewunderung, die ich für sie empfinde, halten mich nicht davon ab, die Unbegründetheit der Hoffnungen einiger und die Sinnlosigkeit und den Schaden des Opfers anderer zu bedauern.
Was kann der Sieg der einen oder anderen Seite im gegenwärtigen Krieg bewirken? Was könnte so wichtig sein, dass Revolutionäre sich mit den reaktionärsten Elementen in ihren jeweiligen Ländern zusammentun, Freidenker sich mit Priestern verbrüdern, Sozialisten und Gewerkschafter/Syndikalisten die Klassenantagonismen zurückstellen, Antimilitaristen von einer Regierung verlangen, dass sie die Staatsbürger zu den Waffen ruft und sie zwingt, in den Krieg zu ziehen, und Anarchisten mit dem Staat zusammenarbeiten?
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Sie sagen, dass dieser Krieg die Frage der Nationalitäten lösen wird.
Wir sind Kosmopoliten. Für uns ist die Frage der sogenannten nationalen Unabhängigkeit nur als Frage der Freiheit von Bedeutung. Wir möchten, dass jede menschliche Gruppe unter den Bedingungen leben kann, die sie bevorzugt, und dass es ihr freisteht, sich mit anderen Gruppen zusammenzuschließen oder sich von ihnen zu trennen, wie es ihr gefällt. Deshalb halten wir die Frage der Nationalität auf ideeller Ebene für überholt, genauso wie sie auf faktischer Ebene aufgrund der Internationalisierung von ökonomischen Interessen, Kultur und persönlichen und Klassenbeziehungen überholt ist.
Wir verstehen jedoch, dass in Ländern, in denen die Regierung und die Hauptunterdrücker ausländischer Nationalität sind, die Frage der Freiheit und der ökonomischen Emanzipation unter dem Deckmantel des nationalistischen Kampfes auftritt, und wir sympathisieren daher mit nationalen Aufständen wie mit jedem Aufstand gegen die Unterdrücker. In diesem Fall, wie auch in allen anderen, sind wir auf der Seite des Volkes gegen die Regierung. Selbst wenn wir der Meinung sind, dass es sich nicht lohnt, einen Kampf zu führen, der zu einem einfachen Herrschaftswechsel führt, beugen wir uns dem Willen der Betroffenen. Wenn Trient und Triest also wirklich das Bedürfnis hätten, den Stock der Habsburger gegen die Fesseln des Hauses Savoia auszutauschen, wären wir froh, wenn sie Erfolg hätten, und sei es nur, um nichts mehr davon zu hören und zu sehen, wie so viele gute Energien für profitablere Kämpfe eingesetzt werden.
Obwohl wir also traurig wären, dass die verschiedenen nationalen Probleme durch Regierungsbeschlüsse und nicht durch das Volk gelöst werden, erkennen wir an, dass es eine gute Sache wäre, sozusagen die Probleme zu lösen, die den Weg zum Fortschritt versperren und so viele Menschen von den wirklichen Kämpfen für die menschliche Emanzipation ablenken.
Aber Tatsache ist, dass in diesem Krieg eine Frage der Nationalität der Funke gewesen sein mag, der das Brandmaterial entzündete, das lange und für andere Zwecke vorbereitet worden war; sie mag ein Vorwand und ein Mittel gewesen sein, um die Naiven zu begeistern und die öffentliche Aufmerksamkeit von den Gründen und Zielen des Krieges abzulenken; aber sicherlich ist die nationale Unabhängigkeit der Völker der letzte Gedanke derjenigen, die den Krieg führen und über den Frieden entscheiden.
Man schreit zu Recht gegen das schändliche Österreich auf, das unterworfene Völker dazu zwingt, zur Verteidigung ihrer Unterdrücker zu kämpfen. Aber warum wird geschwiegen, wenn Frankreich die Algerier und andere Völker, die es unter seinem Joch hält, zwingt, für Frankreich zu töten? Oder wenn England die Indianer zum Abschlachten führt?
Wer würde dann daran denken, die unabhängigen Völker zu befreien? Vielleicht England, das bereits die Gelegenheit nutzt, um sich Zypern, Ägypten und alles, was es kann, anzueignen? Vielleicht Serbien, das alles annektieren will, was mit der serbischen Nationalität zu tun hat, aber selbst auf die Gefahr hin, von hinten angegriffen zu werden, an Mazedonien festhält? Vielleicht Russland, das überall, wo es einen Fuß hinsetzt, in Galizien und der Bukowina, das bisschen Autonomie, das Österreich gewährt hat, unterdrückt, die Sprache des Landes verbietet, die Juden massakriert und die schismatischen Unierten [Mitglieder von Ostkirchen, die mit der römisch-katholischen Kirche in Union stehen] verfolgt? Vielleicht Frankreich, das in denselben Tagen, in denen es den Sieg an der Marne gegen die deutschen Invasoren feierte, die marokkanischen „Rebellen“ massakrierte und ihre Dörfer in Brand setzte?
Ich würde die Begeisterung von Sozialisten und Anarchisten für einen Kampf verstehen, der zwar nicht unser Kampf ist, aber einen gewissen Charakter von Großzügigkeit und Aufrichtigkeit hat. Ich hätte die Begeisterung verstanden, wenn Frankreich und England (ich spreche nicht einmal von Russland), die durch die deutsche Arroganz auf den Plan gerufen wurden, die ihnen unterworfenen Völker für unabhängig erklärt hätten und dann ihre Hilfe im Kampf gegen die deutsche Hegemonie und für die nationale Unabhängigkeit aller Völker in Anspruch genommen hätten. Aber geh und sprich über ein solches Projekt mit Regierungsleuten, mit Sir Eduardo Grey, mit Lord Kitchener, mit Poincaré, und du kannst von Glück reden, wenn sie dich nicht in ein Irrenhaus stecken.
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Sie sagen, die Anglo-Franco-Russen kämpfen für die Zivilisation.
Aber während sie die von der deutschen Armee in Belgien und Frankreich begangenen Gräueltaten zu Recht anprangern, verschweigen oder entschuldigen sie die gleichen oder noch schlimmeren Gräueltaten, die von den Russen nicht nur in den überfallenen Ländern, sondern auch in Russisch-Polen begangen wurden, und loben sie manchmal sogar. Und mit ihrer Propaganda des blinden Hasses, nicht nur gegen die Anführer der deutschen und österreichisch-ungarischen Politik, was gerechtfertigt wäre, sondern gegen ein ganzes Volk, eine ganze Rasse, schaffen sie in den anglo-französischen Verträgen einen solchen Geisteszustand, dass man bei dem Gedanken zittert, was passieren würde, wenn es ihnen jemals gelänge, einen Fuß nach Deutschland zu setzen.
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Sie sagen, dass dies ein Krieg für die Freiheit ist und dass Russland selbst liberal werden wird … nach dem Krieg. In der Zwischenzeit, ganz zu schweigen von Russland, wo die Verfolgung der fortschrittlichen Parteien und die Unterdrückung der unterworfenen Nationalitäten schlimmer denn je sind, sehen wir, dass Frankreich und England durch die Unterdrückung jeglicher Freiheit und des Rechts auf Kritik, durch die Entwicklung des militaristischen Geistes und durch die Zunahme der klerikalen Macht schnell russifiziert werden.
So gewöhnt sich die Öffentlichkeit an Gehorsam und Schweigen, und der Weg bleibt offen für alle reaktionären Comebacks.
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Trotz der Tatsachen glauben viele wohlmeinende Menschen, darunter auch einige unserer Gefährten, immer noch, dass es sich um einen Freiheitskrieg handelt, einen Krieg, der zum Verschwinden oder zumindest zu einem starken Rückgang des Militarismus und zu einer Ordnung in Europa führen wird, die den Bestrebungen der verschiedenen Völker entspricht, so dass der Weltfrieden für immer oder für eine sehr lange Zeit gesichert ist und die fortschrittlichen Elemente der jeweiligen Länder sich der Eroberung von Freiheit und Gerechtigkeit für alle widmen können, ohne die durch Kriege verursachten Unterbrechungen und Rückschritte zu fürchten. Und sie schmieden Pläne, was der nächste Kongress zu beschließen hat, und sie stellen sich vor, dass ihre Wünsche und Stimmen die Überlegungen der Staatsoberhäupter und ihrer Generäle und Diplomaten beeinflussen werden.
Das ist eine großzügige, aber törichte (entschuldigt das Wort) Illusion.
Der bevorstehende Friedenskongress wird, wie alle Kongresse dieser Art, ein Marktplatz sein, auf dem die Mächtigen über die Völker verfügen werden, als wären sie Viehherden.
In internationalen Angelegenheiten, wie auch in den innenpolitischen Angelegenheiten der verschiedenen Staaten, ist die einzige Grenze für die Arroganz der Herrschenden der Widerstand des Volkes. Und das Volk hat sich bisher sanftmütig zur Schlachtbank führen lassen, ebenso wie der Teil des Volkes, der mit seinem Klassenbewusstsein und seinem Gerechtigkeitsideal die Pflicht hat, ein Beispiel zu geben und die Massen zu führen.
Der Krieg musste um jeden Preis verhindert werden.
Stattdessen verrieten die deutschen Sozialdemokraten, die die größte Pflicht hatten, weil sie die Stärksten waren und weil ihre Regierung die Initiative für den Angriff ergriff, feige die Internationale, sie stellten sich fast einstimmig in den Dienst des Kaisers.
Die französischen und belgischen Sozialisten wussten nichts Besseres, als es den Deutschen nachzumachen und sich mit den Regierungen und der Bourgeoisie ihrer Länder zu solidarisieren.
So kam es, dass ein Ziel erreicht wurde, das dem, was sich der Sozialismus und die Internationale vorgenommen hatten, diametral entgegengesetzt war. Statt die Proletarier aller Länder im Kampf gegen ihre Unterdrücker zu vereinen, kehrte man zum Rassen- und Nationalitätenhass zurück und gab den Kampf für die Emanzipation auf.
Jetzt wäre es notwendig, dass sich die bewaffneten Proletarier der verschiedenen kämpfenden Armeen untereinander verbrüdern und die Waffen, die sie in ihren Händen halten, gegen die Unterdrücker einsetzen.
Aber kann man darauf hoffen, wenn die Sozialisten und Gewerkschaftlter/Syndikalisten der kriegführenden Länder fast alle den Sozialismus, die Gewerkschaftsbewegung/Syndikalismus (Trade Unionism), den Klassenkampf und die internationale Brüderlichkeit vergessen haben, um sich als gute Untertanen, gute Soldaten und gute Patrioten zu zeigen?
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Vielleicht bin ich zu pessimistisch. Es kann gut sein, dass das Gute aus dem Übermaß des Bösen entsteht. Es könnte sein, dass die Kriegsmüdigkeit, der Ekel vor dem Krieg und das große Elend, das der Krieg hervorbringt, zu einer Insurrektion führen, die den Zustand der Dinge völlig verändern würde.
Schon jetzt gibt es einige Anzeichen für einen Aufstand und die Revolutionäre sollten auf der Hut sein, um die sich bietenden Gelegenheiten zu ergreifen.
Aber in diesem Fall sollten die Kriegstreiber nicht kommen und uns erzählen, dass Krieg gut ist. Dann wäre zwar etwas Gutes dabei herausgekommen, aber nur, weil es diejenigen gibt, die Gegner des Krieges waren oder noch werden.
Und das gilt auch für Italien. Ohne den europäischen Krieg, der den Lauf der Dinge veränderte, hätte die Expedition nach Libyen mit ihren katastrophalen Folgen etwas Gutes bewirkt, denn sie war einer der Faktoren, die die [italienische] Monarchie an den Rand des Ruins gebracht hatten. Aber das lag daran, dass die Subversiven Italiens, obwohl sie es nicht verhindert hatten, ihr gegenüber unerbittlich feindselig geblieben waren. Denn wenn sie dem Rat der wenigen gefolgt wären, die sagten: „Da wir keine Revolution machen können, lasst uns Krieg führen“, hätten sie die Verantwortung für die Fehler der Monarchie übernommen und wären nicht befugt gewesen, zu den Menschen zu sprechen, als der Krieg vorbei war.
Errico Malatesta, London, 26. März 1915
(LE) Ermittlungsverfahren gem. § 129a StGB eingeleitet
Vor wenigen Tagen wurde die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen eine Person in Leipzig wegen des Verdachts auf Bildung, bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StGB, sowie versuchter verfassungsfeindlicher Sabotage und versuchter Brandstiftung bekannt gegeben. Ermittelt wird im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf das Dienstgebäude des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Leipzig vom 01.01.2019. Geleitet werden die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt.
Wegen des Angriffs auf die BGH Außenstelle in Leipzig fanden bereits vor zwei Jahren diverse Maßnahmen in Frankfurt am Main statt, dort gibt es auch einen weiteren Beschuldigten. Im Juni 2022 gab es anlässlich der Aussagen J. Domhövers eine Hausdurchsuchung in Berlin, der Betroffene davon wird nun auch als Beschuldigter im § 129a-Verfahren geführt. Alle Infos stammen von www.129a.info, dort gibt es auch eine detaillierte Chronologie aller bisherigen Geschehnisse in dem Verfahren.
Wie immer gilt: Keine Spekulationen und kein Gerede. Anna und Arthur halten’s Maul ist keine Floskel.
»Virus Radio« wird von neuem Indy-Studio fortgesetzt
Nach der Einstellung der anarchistischen Zeitung Zündlumpen im September 2021 konnte der manch einer vielleicht aus den dort gelegentlich veröffentlichten »Virus Radio«-Sendungen bekannte DJ Superspreader so wie es aussieht, kein neues Studio finden. Also geht es jetzt, mehr als ein Jahr später, wohl mit eigenem Tonstudio weiter.
Was manchmal (noch) ein bisschen klingt, wie eine hängengebliebene Platte und auch sonst dem geschwätzigen Gossip-Stil so manches anarchistischen Podcasts gelegentlich gefährlich nahe kommt, vermag doch zwischen den Zeilen und manchmal sogar präzise auf den Punkt gebracht, eine ganz brauchbare Analyse des linkskonformistischen Virustotalitarismus zu liefern.
Also wenn es draußen ohnehin mal wieder regnet und man auch sonst nichts mit sich anzufangen weiß, lohnt es sich vielleicht in die neueste Folge Virus Radio vom Oktober dieses Jahres reinzuhören. Einen besseren Start in den Tag als die übliche Tageszeitung verspricht sie allemal.
(Tschechien) Rote Farbe an die Fassade der ukrainischen Botschaft – Blut unter der Fassade des ukrainischen Staates
Die ukrainische Botschaft in Prag wurde am Morgen des 5. Oktober 2022 stark mit roter Farbe beschmiert. Es ist eine wütende Botschaft an den ukrainischen Staat, der unnötig Menschen in einem Krieg opfert, an dem sie nicht teilnehmen wollen. Es ist unmöglich, stillschweigend zuzusehen, wie Zelensky und seine Regierung den Menschen die Möglichkeit verweigern, sich dafür zu entscheiden, das bombardierte Land zu verlassen und nicht für die Interessen der Bourgeoisie zu bluten.
Diese Aktion wurde in Solidarität mit den vom Krieg betroffenen Menschen, allen Deserteuren, Kriegsdienstverweigerern und denen, die die Kriegsmaschinerie sabotieren, durchgeführt. Hinter diesem Akt der Solidarität stehen dieselben Haltungen, die im Internationalistisches Manifest gegen den kapitalistischen Krieg und Frieden in der Ukraine… zum Ausdruck gebracht wurden…
Es ist verständlich, dass Putin und seine Anhänger für die Verbrechen kritisiert werden, die sie gegen die Menschen in der ukrainischen Region begehen. Die Mitschuld von Zelensky und der ukrainischen Regierung an diesen Massakern sollte jedoch nicht vergessen werden. Zu einer Zeit, in der Putins Armee ukrainische Städte bombardiert, verbietet Zelenskys Regierung den Menschen, sich über die Grenze in Sicherheit zu bringen. Sie hält sie unter Androhung von Strafen in beschossenem Gebiet fest und zwingt einige von ihnen, gegen ihren Willen ihr Leben an der Kriegsfront zu riskieren. Es muss klar gesagt werden: Zelensky ist genauso ein Stück Scheiße wie Putin! Beide haben das Blut von Zivilisten an ihren Händen.
Der ukrainische Staat wird als unschuldiges Opfer aggressiver Nachbarn dargestellt, doch hinter seiner Fassade verbirgt sich nur eine andere Form der Tyrannei. Die ständige Hervorhebung der Verbrechen diktatorischer Regime lenkt von den Verbrechen demokratischer Regime ab. Sicherlich gibt es viele Unterschiede zwischen der Herrschaft von Diktatoren und der von Demokraten, aber gerade wenn es darum geht, das Leben der beherrschten Bevölkerung zu opfern, sind sie in der Regel ununterscheidbar. Sowohl für diktatorische als auch für demokratische Staatsmänner sind wir bloße Zahlen und frei verfügbare menschliche Ressourcen. Sie berechnen und gruppieren uns willkürlich um. Sie addieren uns und subtrahieren uns. Sie manipulieren uns und lassen uns töten. Sie demütigen und beuten uns aus, um die Macht der herrschenden Klasse zu verteidigen.
Es ist sinnlos, das Dilemma zu lösen, ob man sich in einem Krieg auf die Seite der einen oder der anderen Regierung stellen soll. Jede Regierung wird unsere Interessen unterdrücken und unser Leben vergeuden. Putin, Zelensky, Biden, Lukaschenko, Zeman und andere. Sie sind nur verschiedene Gesichter der globalen Tyrannei. Sie alle müssen abgelehnt und gestürzt werden. Die Menschen müssen sich frei bewegen, Sicherheit finden und ihr Leben organisieren können.
Tod allen Staaten!
Öffnet die Grenzen, stürzt die Tyrannen!
Hört auf zu bezahlen, zahlt es ihnen heim!
In der Nacht vom 23. auf den 24. September wurden in Toulouse in der Frédéric Mistral Allee zwei LCL-Banken mit Farbe und Hämmern angegriffen. Einschränkungen, Elend und Inflation fallen nicht vom Himmel. Manche nehmen sich alles und lassen anderen bloß ihr Krümmel. Als Antwort auf die Aufrufe aufzuhören zu bezahlen*, unsere Rechnungen zu verbrennen, zu den Demonstrationen am 29. September und den folgenden zu gehen, lasst uns uns auch die Nächte nehmen.
Gegen die Angst vor dem Monatsende, lasst uns ein paar Schläge in die Gesichter der Kriegsprofiteure ausführen.
Gegen die Angst vor dem Ende der Welt, lasst uns ein paar Schläge in die Gesichter jener ausführen, die es finanzieren.
Wir wissen, dass es nicht verrückt, die Bankfenster einzuknallen.
Aber wenn die Preise steigen und die Fenster klirren, dann ist das immerhin etwas. Streiks stehen vor der Tür, mögen sie mit Tumulten einhergehen.
Und einen Solidaritätsgruß an Boris***
CCA
(confédération des copaings d’avant)
** Branchenübergreifender Streik und Demonstrationsaufruf von einer großen französischen Gewerkschaft gegen Inflation und die Reform des Ruhestands.
Quillan (Aude/Frankreich): Glasfaserkabel entlang der Gleise sabotiert
Seit 9:30 Uhr an diesem Freitag, den 23. September, ist in vielen Haushalte in Haute Vallée, vor allem in Quillan und Espéraza das Mobilfunknetz und Internet ausgefallen. Auf Nachfrage teilte der Betreiber Orange mit, dass der Ausfall aufgrund eines Sabotageakts an einem Glasfaserkabel in der Gemeinde Quillan zustande kam.
Neben Individuuen waren auch Firmen von diesem Internetausfall betroffen: In mehreren Läden funktionierten die Kartenzahlungsgeräte nicht.
(Und während die Zeitung keine Details nennt, um niemanden auf schlechte Ideen zu bringen, ist das beim „verantwortlichen lokalen Interventionsteam von Orange/Occitanie“ anders. Dieses hat das unten abgebildete Foto auf Twitter veröffentlicht. Die Stelle befindet sich entlang der TER (regionales Zugunternehmen)-Gleise. Nachdem eine Abdeckungsplatte abgehoben wurde, wurde dieser Abschnitt des Kabels absichtlich durchtrennt.)
