Antipatriotismus

Oft hört man, wie Leute von ziemlich fortgeschrittenen Ideen, selbst manche Sozialisten, erklären, daß auch sie das Gewehr ergreifen würden, um das Vaterland zu verteidigen, wenn durch den Angriff seitens einer reaktionären Macht schon im Lande bestehende Freiheiten bedroht werden könnten. Allerdings haben sie da nicht den Mut, die logische Fortsetzung dieses Gedankens auszusprechen, – […]

Xosé Tarrío – Hau ab, Mensch

AutorIn: Xosé Tarrío
Titel: Hau ab, Mensch
Datum: 1998
Bemerkungen: Originaltitel in spanischer Sprache Huye, hombre, huye - Diario de un preso FIES
Erste Auflage 1997 bis Vierte Auflage 2007: Virus Editorial, Barcelona
Übersetzung ins Deutsche: David
Dezember 2007
Quelle: Entnommen aus „Xosé Tarrío: Hau ab, Mensch“; mit einem Vorwort von Gabriel Pombo da Silva und einem Interview mit den Müttern beider im Anhang, FUNDACION XOSE TARRIO P.O. Box 942; S.9-399.
Vorwort

Bakunin sagte, die Rebellion des Individuums gegen die Gesellschaft sei viel schwieriger als die Rebellion gegen den Staat, denn die Gesellschaft absorbiere das Individuum, dringe in es ein, umgarne es mit ihren Bräuchen und ihrer Moral, von Geburt an bis zum Tode.

Er sagte auch, unter tausend Menschen finde sich kaum einer, der eigene Maßstäbe besitze. Systematischer Disziplinierung unterworfen, mal subtil und dosiert, mal bestialisch und grausam; auf von der Herrschaft vorgeschlagene und definierte Ideen und Interessen konditioniert, physisch und mental erstickt, verweigert man dem Individuum ein Bewusstsein seiner selbst und seiner unwahrscheinlichen Möglichkeiten.

Diese Vorgaben internalisiert das Individuum dergestalt, dass sie sich auf die Entwicklung der Persönlichkeit auswirken, sich auswirken auf die Fähigkeit zur Reaktion auf die verschiedensten Situationen, denen sich das Individuum ausgesetzt sieht, das heißt, es wird diese Vorgaben überall mit hinschleppen, wo es interagiert.

Als die GenossInnen auf der Halbinsel mich darum baten, ein Vorwort zu dieser ersten deutschsprachigen Auflage des Buches von Xosé Tarrío zu schreiben, gestehe ich, dass mir viele Zweifel kamen: Was sollte ich schreiben? Wo anfangen? Ich denke, Xosés Buch bedarf keinerlei Einleitung, es spricht für sich selbst. Da mein Freund aber ermordet wurde, und sein Zeugnis uns dazu dient, die Realität im Gefängnis in ihrer ganzen Bandbreite aus der Nähe kennen zu lernen, kann ich diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, um einigen die Ehre zukommen zu lassen, die ihnen gebührt, und zwar denjenigen, die diese Realität nicht gleichgültig gelassen hat und die bis heute in Veröffentlichungen und Aktionen für das Ende dieses barbarischen Systems kämpfen, das uns alle zu weniger menschlichen und zivilisierten Wesen macht.

Das Buch Hau ab, Mensch öffnete vielen Personen und Kollektiven auf der iberischen Halbinsel die Augen. Niemand konnte oder wollte glauben, dass im »postfranquistischen« Spanien des so genannten »demokratischen Übergangs« die Folter andauerte, die das totalitäre Regime von Generalissimo Francisco Franco traurig berühmt gemacht hatte. Was viele nicht wahrnehmen oder verstehen wollten war, dass eine Diktatur nicht am Ende ist, weil ihr herausragendster Kopf stirbt. Die Diktatur ist ein System, in dem die Institutionen (speziell die repressiven) von straffen Parteigängern derselben geführt werden.

Und so war das, was wir im Gefängnis vorfanden, eine Legion Faschisten, in den Anstalten der »Demokratie«. Die Geschichte von COPEL inspirierte uns in gewisser Weise dazu, einen Kampf aufzunehmen, den wir von vornherein verloren wussten.

Viele Gefangene, die heute Kontakt zu Strafvollzugsgerichtsbarkeit, vis-a-vis-Besuche, Telefongespräche, Radioapparate und andere »Grundrechte« genießen, haben vergessen, dass all diese »Rechte« in Wirklichkeit Erfolge und Frucht der Kämpfe tausender Gefangener sind, die sich um COPEL organisierten. Überflüssig in Erinnerung zu rufen, dass diese Rechte uns viel Blut und Tränen gekostet haben.

Viele Kämpfe, die wir damals verloren glaubten, inspirierten nachkommende Generationen. Es gibt Verluste, die keine Niederlage bedeuten und Niederlagen, die uns dabei helfen können zu gewinnen.

Xosé war davon überzeugt, dass sein Buch den sofortigen Effekt zeigen würde, der spanischen Gesellschaft die Augen zu öffnen. Er vergaß, dass jeder Prozess Zeit braucht, Bewusstsein, Arbeit und Hingabe, um von anderen verstanden und verinnerlicht zu werden. Vielleicht war er es auch selbst, dem es an Zeit fehlte, besessen wie er war von dem verdammten Virus, das in seiner Blutbahn zirkulierte.

Xosé kam nach vielen Jahren aller möglicher Folter heraus. Er dachte, jetzt, da er frei war, konnte er noch viel mehr zum Kampf gegen das Gefängnis beitragen, in Antirepressionsgruppen. Doch seine Hoffnungen erfüllten sich nicht; er fand keine starke, bewusste Bewegung, organisiert und bereit, ernsthaft gegen eine derart perfekt geölte und wirksame Maschine zu streiten.

Nichtsdestotrotz fuhr er von einem Ende der Iberischen Halbinsel zum anderen, um über FIES zu reden, über die Folter und alles das, was er wusste vom Faschismus dieser Unterwelt.

Wenig später, im September 2003, wurden die GenossInnen aus Barcelona verhaftet, und er konnte den Mangel an Solidarität einiger selbst miterleben, die sich nicht mit denjenigen anderen solidarisieren wollten, die in aller Konsequenz und als Teil der Bewegung kämpften. Drei Monate später tauchte ich unter, das war für mich das einzig Sinnvolle. Ich versuchte so (wenigstens) dem Kampf von außen einen Anschub zu geben.

Xosé fühlte sich allein und verloren in einer Welt, die er nicht verstand, und schließlich ließ er sich fallen. Er wusste nicht mehr, was er in der Welt, die er vorfand, anfangen sollte. Alles hatte sich verschlimmert: Die menschlichen Beziehungen waren immer weniger menschlich, die revolutionären Bewegungen immer reformistischer und eingepasster in die Logik der Herrschaft.

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Steine und Farbgläser gegen Polizeiwache

Berlin, 17. Juni 2022

Gestern Abend hat eine kleine Gruppe von Freund*innen die Polizeiwache am Treptower Park angegriffen.

Diese kleine Aktion mag lächerlich erscheinen angesichts der ständigen Schickanen, Angriffe unnd Repressionen durch die Bullen.
Aber auch wenn es immer nur ein paar Sekunden sind,in denen wir aus unserer Ohnmacht austreten, immerhin wehren wir uns gegen die immer enger werdenden Grenzen und die Arroganz der Bullen.

Wir wollen damit andere motivieren auch loszuziehen, ob mit Steinen, Farbe oder Feuer. Die Bullen sind angreifbar, ihre Wachen, ihre Autos und schlussendlich sie selbst und wir sollten sie angreifen, damit die Angst die Seite wechselt.

Passt dabei auf euch auf und Anna und Arthur halten’s Maul.

acat

Quelle: Kontrapolis (Tor)

 

 

Mehrere Personen beschädigten in der vergangenen Nacht eine Polizeidienststelle in Plänterwald. Nach den derzeitigen Erkenntnissen näherten sich kurz nach 23 Uhr vier Vermummte dem Gebäude in der Bulgarischen Straße und warfen diverse Steine sowie mit Farbe gefüllte Gläser gegen die Fassade. Selbige wurde dabei beschädigt, mehrere Fenster- und Türscheiben gingen zu Bruch. Zudem zündeten die Randalierenden einen Nebeltopf vor dem Eingang. Anschließend flüchtete das Quartett in den gegenüberliegenden Treptower Park. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes hat die weiteren Ermittlungen übernommen.

Quelle: Polizei

(München) Glasbruch bei Philotech und Infineon

Im Münchner Südosten gingen bereits Ende März, Anfang April bei den Rüstungsprofiteuren Philotech und Infineon die Scheiben zu Bruch. Das Softwareunternehmen Philotech in der Eschenstraße 2 in Taufkirchen zählt alle namhaften deutschen Rüstungsunternehmen zu seinen Kunden, besondere Erfahrung hat es laut eigener Angabe im Bereich „Military Aircraft“, „Military Vehicle“, „Border Control“ und „Naval Systems“. Ende […]

Anonym – INKOGNITO

AutorIn: Anonym
Titel: INKOGNITO
Untertitel: Erfahrungen, die sich der Identifizierung entziehen
Datum: 2003
Quelle: Entnommen aus „INKOGNITO - Erfahrungen, die sich der Identifizierung entziehen“, Edition Irreversibel, Herbst 2019, S. 4-118.

Vorbemerkung:

Der Begriff „klandestin“ bedeutet so viel wie „unbeobachtet“, „im Verborgenen befindlich“ oder „geheim gehalten“. Der Begriff kann sowohl als Adjektiv als auch als Adverb gebraucht werden. „Heimlich“, „diskret“ oder „geheim“ konnen als Synonyme fur klandestin verwendet werden. Klandestin ist auf das franzosische clandestin, beziehungsweise das lateinische clandestinus (heimlich) zuruckzufuhren.

Die italienische Erstausgabe dieses Buches erschien im September 2003 unter dem Titel In Incognito, Esperienze che sfiano l’identificazione (Cuneo) . Es existieren Übersetzungen auf Flamisch (ed. Typemachine), Englisch (Elephant editions), Franzosisc h (Nux-Vomica/Mutines Séditions) und eine Teilubersetzung auf Spanisch (Armiarma).

Diese Ausgabe basiert mehrheitlich auf der französischen Übersetzung. Ergänzend wurden die Texte «Auf der Flucht vor der Zukunft...» und «Ein Jahr vor ... und zwei zurück...» aufgenommen. Die erste Auflage von 400 Stuck wurde im Winter 2018 gedruckt, die zweite Auflage von 500 Stuck wurde im Herbst 2019 gedruckt.

INKOGNITO - Erfahrungen, die sich der Identifizierung entziehen
Einleitung zur Erstausgabe

Dieses Buch spricht von Der Klandestinität . Ein Lichtstrahl ins Dunkel, ein Sprung ins Unbekannte des Geheimnisses, in diese Paralleldimension, wo oft selbst das, was gesagt werden könnte, nicht gesagt wird. Aufgrund übertriebener Vorsichtsmaßnahmen, aufgrund von Angst oder weil man die Klandestinität wie eine Frage behandelt, die uns nicht betrifft. Oder auch in gewissen Milieus und im schlimmsten Falle aus rein politischem Kalkül.

Und dennoch, selbst wenn man diese Welt nur oberflächlich betrachtet, zeigt sie sich uns nicht wie eine trostlose Wüste, sondern vielmehr ist sie bevölkert von lebenden Wesen, von Erfahrungen und Ideen, ganz nah den unseren, in den miserabelsten und faszinierendsten Aspekten unseres Alltags, Seite an Seite mit unseren sehnsüchtigsten Verlangen und unseren leidenschaftlichsten Wachträumen.

Die hier zusammengestellten Texte erzählen von dieser Welt, bringen einige Stimmen unter vielen anderen hervor. Stimmen deren Ton, deren Emotionen und deren Aussagen gewisse Variationen in sich tragen, die sich aber alle in der Dimension der Klandestinität bewegen oder bewegt haben.

Erfahrungen, die selbstbestimmt, ebenso wie aus Gründen, die außerhalb des eigenen Willens liegen, gemacht wurden. Für einige waren es Erfahrungen, die aus einem Parcours revolutionärer Kämpfe resultierten, für so viele andere aber, die auf den Pfaden der Ausbeutung und der Gräuel der Grenzen nicht einmal mehr ihre Ausweispapiere zu verlieren haben, ist es eine soziale Bedingung.

Dass man die Namen der Autoren nicht auf dem Buchcover (und auch sonst nirgendwo in diesem Buch) findet, ist nicht an irgendeine beliebige Entscheidung aus Vorsicht oder Ideologie gebunden, sondern viel eher an eine Frage, die man als eine Frage des Geschmacks bezeichnen könnte. Im Kontext von Geheimnissen haben wir es bevorzugt vielmehr die gelebten Erfahrungen sprechen zu lassen, als die Identitäten der Schreibenden. Auch wenn oft, ja zwangsläufig (da Identität keine Frage persönlicher Daten ist), einige Spuren, die zum Autor oder zu den Autoren eines Textes führen können, zwischen den Zeilen durchsickern.

Über die „Architektur“ unseres Buches nachdenkend, sind wir uns bewusst geworden, dass die direkteste und aufrichtigste Art die Einzigartigkeit aller Wege zu begreifen, nicht in einer exklusiven theoretischen oder historischen Erläuterung der Klandestinität, nicht in dem Sinne, den man ihr normalerweise in revolutionären Bewegungen gibt, liegt. Wir haben uns vielmehr dafür entschieden, eine Gelegenheit zu bieten, damit sich die persönlichsten Aspekte des Lebens in der Klandestinität so frei wie möglich ausdrücken können: die erlebten Momente und Ereignisse, die Überlegungen und Vorschläge, Betrachtungen sowohl praktischer, wie auch theoretischer Natur, denen jeder ins Gesicht schauen musste.

Heraus kam nach und nach und aus den Tiefen von uns selbst (und nicht ohne Schwierigkeiten) eine Zusammenstellung von Elementen und Emotionen, die dem Leser eine Art „Leitfaden“ dazu bieten könnten, mit allen Informationen, selbst „technischen“, was es bedeutet, möglicherweise Bedingungen gegenüberzustehen, wie sie auf den folgenden Seiten beschrieben werden.

Ein „Leitfaden“ also. Aber auch eine Lupe, damit sich unser Blick mit einer immer komplizenhafteren Aufmerksamkeit auf die Ausgebeuteten, die selbst keine Namen mehr haben, auf die Banditen, auf die Verbannten, richten kann. Aber auch auf alle unfassbaren Agitatoren, die durch die Maschen dieses planetenumhüllenden Netzes hindurch, ihre Verlangen von einem freien Leben verfolgen und ihm Gestalt geben.


In die Scheiße treten [Vorwort der französischsprachigen Ausgabe]

„Illegalität ist nichts Besonderes. Das kann jedem passieren, wie ein Tritt in Hundescheiße.“

Dieses im Jahre 2003 publizierte Buch spricht von der Klandestinität, was vielleicht kein Zufall ist. In der Tat war diese Periode seit Mitte der 90er von zunehmenden repressiven Operationen gegen Anarchisten geprägt. In verschiedenen Städten wurde damals gegen Dutzende von ihnen aufgrund der x-ten „subversiven Vereinigung“ ermittelt, manche befanden sich im Knast, andere standen unter Hausarrest und wieder andere hatten sich ganz einfach dazu entschieden, sich abzusetzen. Kurz gesagt, sie waren auf der Flucht. Dennoch war die Situation auch nicht mit jener Ende der 70er Jahre zu vergleichen, nicht weil die Gefährten passiv geworden wären, sondern vielmehr, da in den Zeiten der Befriedung die Subversiven in den Augen des Feindes sichtbarer geworden waren und da der Staat nunmehr in der Lage war, eine weit angelegte präventive soziale Repression durchzuführen. Ein anderer italienischer Text, der im selben Jahr erschien, zeigte die düstere Situation auf: „Lasst uns mit einer Vorbemerkung beginnen. Die Tatsache, dass heute jeder Beliebige, der nicht bereit ist auf Kommando stillzustehen, ins Visier der Repression gerät, bedeutet, dass die Trennung zwischen den zu hätschelnden “Guten” und den zu strafenden “Bösen” ausgedient hat.

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AfD-Büro beschädigt

Magdeburg, 10. Juni 2022

Unbekannte haben nach Angaben der Polizei ein Wahlkreisbüro der AfD in Magdeburg beschädigt. Dies geschah in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag, wie ein Polizeisprecher am Sonntag mitteilte.

Es sei die Eingangstür des Büros durch Steinwürfe beschädigt worden, zudem seien an der Fassade des Gebäudes Schmierereien entdeckt worden. Die Polizei suche nach Zeugen der Tat.

Quelle: Volksstimme

Baufahrzeuge in A49-Betonwerk beschädigt

Stadtallendorf, Juni 2022

Unbekannte sind am Pfingstwochenende in das für den A49-Weiterbau errichtete Betonwerk eingebrochen und haben dort massiv randaliert, wie Polizeisprecher Martin Ahlich der OP bestätigte. Es sei ein voraussichtlich sechsstelliger Schaden entstanden, so Ahlich. Unter anderem seien acht Baufahrzeuge beschädigt worden, ferner wurden Computer zerstört und Stromleitungen gekappt.

Der Staatsschutz der Polizei, unter anderem für politisch motivierte Straftaten zuständig, übernimmt die weiteren Ermittlungen. Die Polizei hofft jetzt auf Zeugen, die in der Zeit zwischen Samstag und Montag rund um das Betonwerk verdächtige Beobachtungen gemacht haben.

Das Betonwerk befindet sich direkt neben dem früheren TNT-Zwischenlager am Stadtrand von Stadtallendorf.

Quelle: Oberhessische Presse

Steine und Farbe gegen sächsische Landesvertretung

Berlin, 5. Juni 2022

Am 10. Juni jähren sich zum zweiten Mal die Razzien und DNA-Abnahmen, die schließlich im Antifa Ost Verfahren mündeten. Deshalb haben wir in der Nacht zum 05. Juni die sächsische Landesvertretung in Berlin mit einem Bitumen-Löscher und Steinen angegriffen.

Seit dem Prozessbeginn des sogenannten Antifa-Ost Verfahrens am OLG Dresden gegen die ersten vier Angeklagten fragen wir uns, wie Solidarität aussehen kann.

Es ist in diesem Strukturverfahren nicht einfach so, dass es wenige trifft und damit alle gemeint sind. Es geht dem Staat nicht allein um Abschreckung und Zermürbung aufgrund der Länge, Kosten und hohen Straferwartungen in diesem Verfahren. Wie die SAO treffend und warnend klar stellt: „Denn sollte es zur Verurteilung nach §129 kommen, hat sich die Justiz einen neuen Präzedenzfall geschaffen, wonach die Verfolgung von politischen Gruppen maßgeblich erleichtert sein wird. Dann brauchen sie keine gemeinsamen Kassen, regelmäßige Treffen oder Mitgliederlisten mehr suchen, um zu verurteilen. Nachdem die „kriminelle Vereinigung“, wie auch „Landfriedensbruch“, eine Verurteilung ohne den Nachweis direkter Tatbeteiligung zulassen, soll nun nicht mal mehr eine feste Zugehörigkeit zu einer Gruppierung erforderlich sein“.

In den hier verhandelten Aktionen geht es konkret um militanten Antifaschismus. Was jedoch hinter 129er-Verfahren des Staatsschutzes steht, ist die Zielrichtung, dass Gegengewalt also mögliche solidarische militante Begleitung von unserer Seite erstickt werden soll, ob gegen Nazis, die Bundeswehr, Antifeminist:innen, den Parlamentarismus oder gegen Konzerne, die unsere Lebensgrundlagen zerstören.

Somit gibt es für uns zwei klare Argumente, um – neben der grundsätzlichen Haltung, Solidarität als Teil unseres Handelns zu betrachten – diesen Prozess zu verfolgen: die Unterstützung, Propagierung und somit das Aufrechterhalten von Formen des militanten Antifaschismus und der Strukturen, die dafür benötigt werden. Und die Erkenntnis, dass wir alle, die gegen die herrschenden Verhältnisse kämpfen, die Auswirkungen dieses Verfahrens zu spüren bekommen werden.

Daraus ergeben sich seit Bekanntwerden der Ermittlungen und der massiven Repression, wie der Gefangenschaft einer der Angeklagten, die Fragen: wo bleibt unsere Bezugnahme? Wo bleiben die Gegenwehr und die Verteidigung unserer Ideen? Warum ist es so still von unserer Seite aus, bei diesem gravierenden Angriff von Seiten des Staates?

Eine Antwort vermuten wir in der Art und Weise erkennen zu können, wie antifaschistische Aktionen durchgeführt werden. Zu all diesen Taten beispielsweise, die hier verhandelt werden, gab es keine Bekenner:innenschreiben und wir sind ungeübt solche Aktionen dann trotz dessen zu begleiten, zu diskutieren oder auch zu kritisieren. Ein Muster, das wir auch im Bezug auf andere antifaschistische Aktionen sehen, von denen wir, wenn überhaupt, nur aus der Presse erfahren oder wenn es zu Repression kommt. Für uns ist es bisher schwer als Bewegung Bezug zu nehmen, sich damit zu identifizieren, geschweige denn, ähnliche Mittel aufzugreifen.

Eine Antwort liegt vermutlich auch in der Schwere des staatlichen Angriffs, welcher es riskant erscheinen lässt, von sich aus den ersten Stein zu werfen. Vielleicht auch, weil von Seiten der Angeklagten nie etwas geschrieben oder veröffentlicht wurde.

Ein Grund könnte auch in der Art eines solchen Strukturverfahrens stecken, das immer damit zu kämpfen hat, dass Menschen zusammen gewürfelt werden, auf der Anklagebank und in den Solibündnissen. Sie haben sich nicht ausgesucht da hinein zu geraten, oder zumindest nicht damit gerechnet in dieser Konstellation zusammen zu sein.

Ein anderer Grund mag die Veröffentlichung mehrerer Outcalls zu sexualisierter Gewalt eines Beschuldigten sein und die schleppende Positionierung seines Umfeldes und des Soli-Bündnisses.

Wir wollen nicht so tun, als wäre für uns alles ein klarer Fall und Solidarität die bedingungslose Konsequenz jeder Repression. Wir wollen aber darüber diskutieren, inwiefern Solidarität und das Mitdenken von Repression in unseren Kämpfen ein essentieller Teil davon ist, weiter das tun zu können, was wir für richtig halten. Vor den Aktionen, nach den Aktionen, wenn wir hinter Gittern sitzen und wenn die Angst vor Konsequenzen unser Handeln mehr beeinflusst, als wir es uns eingestehen wollen.

Zuletzt vielleicht noch die Klarstellung, was wir mit einer militanten Begleitung meinen. Damit meinen wir öffentlich Geschriebenes und Aktionen, die uns und vor allem den Angeklagten und Beschuldigten aufzeigen, dass wir Teil ihrer und sie Teil unserer Kämpfe sind und wir damit auch die Konsequenzen teilen, die mit diesem Bekenntnis einhergehen und zeigen, dass wir hinter angeklagten Taten stehen und diese weiter führen.

Unabhängig davon, inwieweit die Angeklagten sich selber mit den Taten identifizieren, unabhängig von den konkreten Personen, die auf der Anklagebank sitzen, unabhängig davon, ob wir die Aktionen, die verhandelt werden richtig finden oder kritisieren oder ob wir uns selber in antifaschistischen Kämpfen verorten; dieser Angriff des Staates auf die vier Angeklagten und weiteren Beschuldigten soll sie brechen, heraus ziehen aus Strukturen oder von Strukturen isolieren und er wird es nicht dabei belassen.

Dieses Verfahren hat auch deswegen große Relevanz, weil die Ende 2019 gegründete Soko LinX lange keine Erfolge zu präsentieren hatte. Umso wichtiger war es für sie endlich mal einen Gerichtsprozess daraus zu werden zu lassen, begleitet von großem medialen Aufsehen und unterfüttert mit der ein oder anderen durchgestochenen Information, veröffentlicht in rechten Medien.

Die sächsischen Behörden haben nicht nur gute Kontakt zu Neonazis und Rechtskonservativen, sie sind auch selber Teil dieser Strukturen. Unter anderem das MEK Dresden, welches 2018 mehr als vierzehntausend Schuss Munition stahl, um damit ein Schießtraining bei einem Nordkreuz-Prepper zu bezahlen. Es sind die herrschenden Verhältnisse in denen sich Nazistrukturen fortsetzen und auf fruchtbaren Boden treffen. So gelten unsere Angriffe nicht nur organisierten Nazistrukturen sondern auch den Behörden.

Sich in die herrschenden Verhältnisse einzumischen ist nicht nur insofern Teil unserer Lebens, dass wir hier und da eine Aktion dagegen machen, sondern insofern, als dass wir uns damit aufeinander beziehen und ein Netzwerk aufbauen wollen, das es uns ermöglicht in diesen Verhältnissen sowohl zu leben als auch zu kämpfen. Wenn wir unsere solidarisch militante Begleitung nicht intensiver verfolgen, werden Aktionen, wie die körperliche Gewalt gegen Neonazi-Kader, Tropfen bleiben auf einem Stein, der nach wenigen Jahren in Form von Resignation und Rückzug ins konforme Leben, auf uns zurück fallen wird.

Freiheit und Glück für Lina und die anderen Angeklagten!

Quelle: kontrapolis.info (Tor)

 

Unbekannte haben in der Nacht zum Sonntag mehrere Glasscheiben der sächsischen Landesvertretung in Berlin zerstört. Zudem besprühten sie die Fassade großflächig mit schwarzer Farbe, wie die Berliner Polizei mitteilte.

Mehrere Zeugen hätten die Polizei gegen 2.45 Uhr alarmiert. Sie hatten demnach beobachtet, wie vier Vermummte das Gebäude in der Brüderstraße in Berlin-Mitte mit Pflastersteinen bewarfen und mit Farbe besprühten. Anschließend flüchteten sie auf Fahrrädern in Richtung Alexanderplatz.

Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) hat die Ermittlungen übernommen. Erkenntnisse zu den Hintergründen der Tat gebe es noch nicht, sagte eine Polizeisprecherin. Die Farbschmierereien beinhalteten keinen Schriftzug.

Der Leiter der Landesvertretung, Staatssekretär Conrad Clemens, reagierte betroffen. „Wer Scheiben einschlägt, nimmt bewusst in Kauf, dass Menschen verletzt werden“, sagte er. In dem Gebäude sei ein Beschäftigter eines Sicherheitsdienstes gewesen, zudem wohne der Hausmeister dort. Er habe einen Stein in der ersten Etage des Gebäudes gefunden, schilderte Clemens. „Hier ist alles voller Glasscherben.“ Der Schaden sei beträchtlich.

Clemens ging von einer geplanten Aktion aus. Aus seiner Sicht war den Tätern bewusst, dass sie nur wenige Minuten Zeit hatten, bevor der Sicherheitsdienst die Polizei alarmiert. Allerdings könne er keinen aktuellen Anlass als Hintergrund für die Tat erkennen, sagte Clemens der Deutschen Presse-Agentur.

Quelle: B.Z.

 


Transporter an Mercedes-Autohaus angezündet


Leipzig, 4. Mai 2022

In der Nacht zu Mittwoch brannten mehrere Transporter auf dem Gelände eines Mercedes-Benz-Autohauses in der Torgauer Straße in Leipzig-Heiterblick. Wie die Polizei mitteilte, zündete ein unbekannter Tatverdächtiger gegen 2.15 Uhr zunächst einen Transporter an. Die Flammen griffen auf zwei nebenstehende Fahrzeuge über, die ebenfalls auf dem frei zugänglichen Parkplatz des Autohauses parkten. Alle drei Mercedes-Sprinter brannten vollständig aus.

Die Feuerwehr kam zum Einsatz und löschte den Brand. Verletzt wurde niemand. Die Höhe des entstandenen Sachschadens konnte noch nicht beziffert werden. Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen wegen Brandstiftung aufgenommen. Nach Auswertung erster Hinweise werde derzeit von einem Tatverdächtigen ausgegangen, heißt es seitens der Polizei. Hinweise auf einen politischen Hintergrund der Tat würden aktuell nicht vorliegen.

Quelle: LVZ

Für die Anarchie