Anonym – Gegen Krieg und militärische Mobilmachung

AutorIn: Anonym
Titel: Gegen Krieg und militärische Mobilmachung
Untertitel: Vorläufige Notizen zur Invasion in der Ukraine
Datum: 27.02.2022
Quelle: Entnommen am 12.04.2022 von https://de.indymedia.org/node/178646

Der russische Staat versucht die Ukraine zu erobern. Derselbe russische Staat, der die Unterdrückung der belarusischen Freiheitsbewegung unterstützt hat und nur vor ein paar Wochen mit Panzern die Revolte in Kasachstan niedergeschlagen hat. Putin versucht seine autokratische Herrschaft auszudehnen und dabei jede rebellische oder widerständige Bewegung im Inneren und Äußeren zu zermalmen. Doch wenn nun alle westlichen Demokrat°innen in einem Chor die Verteidigung von Freiheit und Frieden besingen, ist dies eine orchestrierte Heuchelei: Dieselben Demokrat°innen, die mit ihren „Friedenseinsätzen“ aka. Angriffs-, Drohnen- und Bombenkriegen und Länderbesetzungen koloniale Macht- und Ausbeutungsverhältnisse durchsetzen, Diktatoren und Folterknechte mit Waffen versorgen und direkt oder indirekt Massaker an Flüchtlingen und Aufständischen verantworten, beschwören nun den Frieden. Den heiligen Frieden in Europa, der ohnehin nicht wie beschworen seit 70 Jahren existiert und der immer schon Krieg im globalen Süden bedeutete – durch Stellvertreterkriege, durch Waffenlieferungen, durch Grenzen und Kolonialismus.

Wenn der Westen uneingeschränkt hinter der Ukraine steht, dann weil es sich um einen Verbündeten handelt. Beide Seiten dieses Krieges widern uns an: Anstatt uns auf einer Seite dieses Krieges zu positionieren, stellen wir uns gegen alle staatlichen Armeen und ihre Kriege – wir verabscheuen nicht nur ihre Massaker, sondern auch ihren Kadavergehorsam, ihren Nationalismus, den Kasernengestank, die Disziplin und Hierarchien. Wenn wir uns also gegen jede Form von Militarismus und Staat stellen, bedeutet das nicht, dass wir es für falsch halten zu den Waffen zu greifen. Wenn ukrainische Anarchist°innen sich nun dafür entscheiden, sich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen – sich und ihre Nächsten, nicht den ukrainischen Staat – dann sind wir solidarisch mit ihnen. Doch eine anarchistische Position gegen den Krieg – auch gegen einen imperialistischen Angriffskrieg – darf nicht dazu verkümmern, einen Staat und seine Demokratie zu verteidigen – oder ein Spielball derselben zu werden. Wir wählen nicht die Seite des geringeren Übels oder die der demokratischeren Machthaber°innen – denn dieselben Demokratien sind ebenso nur an der eigenen Erweiterung von Macht interessiert und bauen ebenso auf Repression und Imperialismus auf. Das Wesen jedes Staates ist der Krieg: Er besetzt das Territorium und erklärt sich zum einzigen legitimen Ausführenden von Gewalt – er verteidigt seine Grenzen und kontrolliert die Bevölkerung, die ihm zu dienen hat. In diesem Sinne sind unsere Gedanken und unsere Solidarität auch bei all denjenigen, die nun vor einer Zwangsrekrutierung fliehen, bei all denjenigen, die desertieren, die sich weigern auf den Feind zu schießen, weil er eine falsche Uniform trägt oder eine falsche Sprache spricht. Diese Solidarität, welche die konstruierten Grenzen des Nationalismus überwindet und letztlich zu Fraternisierung führt – kann revolutionär sein. Denn wenn Menschen im Territorium des russischen Staates gegen den Krieg auf die Straße gehen und Bewohner°innen der Ukraine vor der Zwangsrekrutierung fliehen, ist dies eine Dynamik, welche sich all des nationalistischen Drecks entledigt, den der Staat in unser Herz und Hirn zu pflanzen versucht und dessen Folge nur Herdenmentalität, Führungs- und Männlichkeitskult, Märtyrertum, Massaker, Massengräber und Genozide sind. Dieser Nationalismus führt dazu, Menschen in Kanonenfutter und zu eliminierende Feinde einzuteilen – er führt dazu, dass wir nicht mehr Individuen sehen, sondern nur noch Armeen, Uniformen, Nationen, Ethnien, Gläubige – Verbündete oder Feinde. Wenn Menschen jedoch mit oder ohne Waffen aus der staatlichen Kriegslogik desertieren, wenn Individuen mit oder ohne Waffen sich gegen jegliche staatliche Besatzung wehren, wenn Menschen Flüchtlingen und Deserteuren helfen und diese unterstützen, wenn Individuen sich über Grenzen und Kriegslinien hinweg fraternisieren – kann dem Blutbad des Staates etwas entgegen gestellt werden. Wenn der Staat, seine Generäle und Politiker°innen nur die Sprache der Unterdrückung kennen, kennen die Unterdrückten die Sprache der Empathie und Solidarität. Am Ende des Krieges sind es immer die Reichen und Mächtigen, die diesen wollten, da sie die einzigen sind, die durch Macht und Geld profitieren – diejenigen, die massakriert werden, sind immer die Armen und egal unter welchem Regime ist für sie immer die Rolle von Versklavten, Ausgebeuteten und Ausgeschlossenen vorgesehen. Die ukrainischen Bonzen waren die ersten, welche in Privatjets das Land verlassen haben.
Während der Westen Waffen an die ukrainische Armee liefert, ist ebenso die Propaganda- und Aufrüstungsmaschinerie an der hiesigen Heimatfront im vollen Gange: Die Bundeswehr muss aufgerüstet werden – die Bevölkerung muss gegen Russland mobil gemacht werden. Während ein paar hundert Kilometer entfernt die Bomben explodieren, herrscht hier der militaristische „Frieden“: Neue Waffen, neue Ausrüstung, neue Soldaten sollen gekauft, produziert und ausgebildet werden. Die Bevölkerung ist nach dem Corona-Ausnahmezustand erneut in Angst und Schrecken versetzt und es ist klar, wem man zu folgen hat und wer einem Schutz bietet: Der bis an die Zähne bewaffnete Vater Staat.

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