Pressemitteilung: Erneuter Angriff auf den Gedenkort Burak Bektaş

Erneut wurde der Gedenkort für Burak Bektaş angegriffen. Die Skulptur „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“, eine Bank und ein Stromkasten am Gedenkort an der Kreuzung Rudower Straße Ecke Möwenweg wurden mit Hakenkreuzen markiert. Aufmerksame und solidarische Menschen haben am 08.03.2023 den faschistischen Anschlag entdeckt und die Polizei informiert. Die Hakenkreuze wurden unkenntlich gemacht und sind inzwischen beseitigt. Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt habe die weiteren Ermittlungen nach den bisher unbekannten Tätern aufgenommen.

In rechter Kontinuität
Dieser Angriff richtet sich gegen das Erinnern und Kämpfen gegen Rassismus und Faschismus. Es ist der vierte Angriff dieser Art. Der Gedenkort wurde geschaffen, um an Burak Bektaş und ähnliche Fälle zu erinnern. Mit der zwei Meter hohen Skulptur ist er ein unübersehbares Zeichen gegen Rassismus und rechte Morde sowie rechte Gewalt. Das Gedenken an Burak ist fest verankert in der antirassistischen Arbeit in Berlin-Neukölln, berlin- und bundesweit. Die Angriffe auf das Denkmal im April 2018 mit einer Chemikalie, im Januar 2021 mit weißer Farbe und im Juni 2021 mit einer Hakenkreuz-Schmiererei lassen sich einordnen in die Kontinuität von rechtem Terror in Berlin Neukölln. Rechte und rassistische Beleidigungen, Bedrohungen, faschistische Markierungen bis hin zu Brandanschlägen und Morde sind keine Einzeltaten. Personelle und strukturelle Kontinuitäten der rechten Szene in Neukölln lassen sich bis in die 90er Jahre zurückverfolgen. Der Mord an Burak Bektaş kurz nach dem Auffliegen des NSU-Komplexes, die Anschlagsserien in Neukölln verweisen auf diese rechten Strukturen, auf den „Neukölln-Komplex“. Unser gemeinsamer Kampf gegen Nazis in Berlin-Neukölln zeigt sich in unseren gemeinsamen solidarischen Aktionen sowie unserer Vernetzung für die Aufklärung im Neukölln-Komplex durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin.

Eure Solidarität ist großartig
Der Angriff auf den Gedenkort wurde von solidarischen Menschen entdeckt. Der Gedenkort Burak Bektaş und ganz Neukölln bleiben damit ein Ort des Widerstandes gegen Nazis. Viele Menschen haben sofort reagiert und ihre Solidarität öffentlich bekundet. Dies ist ein starkes Zeichen. Wir danken euch allen herzlich auch im Namen der Familie für eure großartige Solidarität.

21.03.2023 Podiumsdiskussion zu “Erinnerung, Widerstand und der öffentliche Raum”

Di. 21.03.2023 / 19 Uhr / EIGEN + ART Lab / Torstraße 220 / Berlin-Mitte

Am Dienstag, den 21. März um 19 Uhr findet eine Podiumsdiskussion zum Thema _Erinnerung, Widerstand und der öffentliche Raum_ mit der Künstlerin Talya Feldman und den WIR SIND HIER Projektmitarbeiter*innen: Daniel Manwire (Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi) und Vertreter*in von der Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş statt.

Moderiert wird das Gespräch von Dan Thy Nguyen.

Das Gespräch wird in Deutsch und Englisch geführt.

Wir freuen uns, Sie begrüßen zu dürfen.

Zur Teilnahme an der Veranstaltung ist eine Anmeldung bis zum 19. März unter verband-brg.de/wir-sind-hier/ notwendig.

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes „WIR SIND HIER: Ein digitaler Raum für individuelle und kollektive Trauer und Widerstand” und in Kooperation mit dem EIGEN + ART Lab statt – Mehr Informationen unter eigen-art-lab / Wir Sind Hier

Solibotschaft aus Bogota von Costurero Kilómetros de Vida y de Memoria

Marzo 10 de 2023 Bogotá, Colombia
 
Manifiesto de solidaridad con los familiares y las organizaciones que trabajan por la memoria de Burak Bektaş en apoyo a las víctimas de los crímenes de racismo y violencia de extrema derecha en Alemania
 
 
Las organizaciones de la sociedad civil que conformamos el Costurero Kilómetros de Vida y de Memoria, donde confluyen diversos colectivos de trabajo por la defensa de los Derechos Humanos, la memoria, la verdad y la justicia en Colombia con el fin de promover las garantías de no repetición de hechos que atentan contra la vida y la dignidad humana, queremos manifestar nuestro respaldo ético y solidario a las organizaciones que trabajan por la memoria del jóven  Burak Bektaş en apoyo a las víctimas de los crímenes de racismo y violencia neonazi en Alemania.
 
Teniendo en cuenta que han pasado ya 11 años sin que se hayan esclarecido los cinco intentos de asesinato contra un grupo de jóvenes con historia de migración, que cobraron la vida del Burak Bektaş y dejaron heridos a dos de los cuatro amigos que se encontraban con él en una calle la noche del 5 de abril del 2012, resulta fundamental visibilizar la grave situación de impunidad y ausencia de garantías de no repetición de los crímenes por motivos racistas y xenófobos. Esos crimenes se han venido agudizando, sin que las autoridades asuman medidas drásticas para esclarecer los hechos ocurridos y para detener las dinámicas discriminatorias que intentan legitimar la estigmatización y la segregación racista de la sociedad en el presente, a partir de acciones de amenazas, amedrentamiento y violencia.

A la impunidad campeante se une un nuevo acto de odio justo en el Monumento por la memoria de Burak Bektaş que fue atacado y manchado con esvásticas nazis, lo cual fue detectado este miércoles 8 de marzo. No se puede mirar hacia otro lado ante el aumento de la violencia racista y de extrema derecha. Es necesario y urgente que los gobiernos y las instituciones revisen su actuación frente a los crímenes que amenazan con destruir la convivencia intercultural y las conquistas en materia de derechos humanos.
Nosotros, personas y colectivos comprometidos solidariamente con los derechos humanos, queremos con este manifiesto alzar nuestras voces por las víctimas y sus familias y junto a ellas el recuerdo de todas las víctimas europeas del nacismo, el racismo, el antisemitismo, la islamofobia, la xenofobia, el fascismo, la fobia a la diversidad sexual, étnica y toda forma de intolerancia criminal para decir como una sola voz: ¡NI UNA PERSONA MÁS!
La lucha contra el racismo continúa sin importar dónde ni cuándo.

+++++++ Deutsch++++++

Grußbotschaft an die Familie und die Organisationen, die sich für das Gedenken an Burak Bektaş einsetzen, in Solidarität mit den Opfern rassistischer Verbrechen und rechter Gewalt in Deutschland

Als Organisationen des Costurero Kilómetros de Vida y de Memoria, (Erinnerungswerkstatt Leben und Gedenken), in der verschiedene Kollektive zusammenkommen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte, selbstbestimmte Erinnerung, Wahrheit und Gerechtigkeit in Kolumbien engagieren und dafür, dass sich die Verbrechen gegen das Leben und die Menschenwürde nicht wiederholen, möchten wir unsere ethische Unterstützung und Solidarität mit der Familie, den Freunden und den Organisationen zum Ausdruck bringen, die sich für das Gedenken an Burak Bektaş einsetzen, in Solidarität mit den Opfern rassistischer Gewalt und rechter Gewalt in Deutschland.

11 Jahren sind vergangen, ohne dass die Mordversuche an einer Gruppe junger Männer mit Migrationsgeschichte, die sich in der Nacht des 5 April 2012 auf der Straße trafen, die Burak Bektaş das Leben gekostet haben und zwei seiner vier Freunde lebensgefährlich verletzten, aufgeklärt worden sind. Angesichts dieser Tatsache ist es von immenser Wichtigkeit, die besorgniserregende Situation der Straflosigkeit und das Fehlen von Garantien, die sicherstellen, dass sich die Verbrechen aus rassistischen und xenophoben Motiven nicht wiederholen, sichtbar zu machen. Diese Verbrechen nehmen immer schlimmere Formen an, ohne dass die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um sie aufzuklären. Von staatlicher Seite wird nichts unternommen, um die diskriminierende Dynamik zu stoppen, die versucht, die Stigmatisierung und rassistische Spaltung der Gesellschaft mittels Bedrohungen, Einschüchterungen und Gewalt zu legitimieren,

In dieser Situation der Straflosigkeit hat es jetzt wieder einen Angriff aus Hass gegeben, und zwar gegen den Gedenkort für Burak Bektaş, der mit Hakenkreuzen beschmiert wurde, was am letzten Mittwoch, dem 8. März entdeckt wurde. Angesichts der Zunahme von rassistischer und rechter Gewalt darf nicht weggesehen werden. Es ist dringend notwendig, dass Regierungen und Institutionen ihr Handeln angesichts von Verbrechen, die das interkulturelle Zusammenleben und die Errungenschaften der Menschenrechte zu zerstören drohen, überprüfen.

Wir, Menschen und Kollektive, die sich in Solidarität mit den Menschenrechten engagieren, wollen mit diesem Manifest unsere Stimme für die Opfer und ihre Familien erheben und gemeinsam mit ihnen das Gedenken an alle europäischen Opfer von Nazismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie, Fremdenfeindlichkeit, Faschismus, Diskriminierung gegenüber sexueller Diversität und ethnischer Vielfalt und allen Formen krimineller Intoleranz zum Ausdruck bringen: ¡NI UNA PERSONA MÁS!

Der Kampf gegen Rassismus geht weiter egal wann und an welchem Ort!

Costurero Kilómetros de Vida y de Memoria / facebook / instagram

In Gedenken Burak Bektaş – Aufruf zur Kundgebung am 11. Jahrestag seiner Ermordung

Mittwoch den 5. April 2023 / 17.00 Uhr / Gedenkort für Burak Bektaş – Rudower Straße / Möwenweg / Berlin-Neukölln (Süd).

Burak Bektaş wurde am 5. April 2012, im Alter von 22 Jahren in Berlin Neukölln auf offener Straße ermordet. Der Mord an Burak Bektaş und der vierfache Mordversuch an seinen Freunden, sind nach wie vor nicht aufgeklärt. Zwei seiner Freunde überlebten diesen Anschlag schwerverletzt. Der Mord ereignete sich nur wenige Monate nach dem Auffliegen des NSU-Komplex. Der Tathergang deutet auf ein rassistisches Mordmotiv. Ein weißer Mann kam, schoss auf eine Gruppe von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte und verschwand. Die Ermittlungsbehörden konnten bereits zu Beginn der Ermittlungen alle möglichen Mordmotive ausschließen, bis auf eins: Rassismus. Auch eine NSU-Nachahmetat ist naheliegend.

Seit 11 Jahren gibt es noch immer keine Aufklärung, keine Gewissheit.
Die Familie und Freund*innen und Unterstützer*innen kämpfen seit 11 Jahren für Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen. Wir Fragen: Was machen Staat und Behörden seit 11 Jahren? Noch immer läuft ein Mörder frei herum. Solange uns das Gegenteil nicht bewiesen wird, gehen wir von Rassismus als Tatmotiv aus. Seit 2022 behauptet die Staatsanwaltschaft, sie habe alle Ermittlungsansätze nochmals überprüft und dabei nur “dünne Spuren“, „einige Lücken“, „fehlende Beweise“ und ein „Nazi-Verdacht“ gefunden. Mit uns wird es keinen Schlussstrich für die Ermittlungsbehörden bei einem unaufgeklärten Mord und 4-fachen Mordversuch geben.

Seit dem Sommer 2022 gibt es einen von Betroffenen erkämpften Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Berlin, der “Ermittlungsvorgehen im Zusammenhang mit der Aufklärung der im Zeitraum von 2009 bis 2021 erfolgten rechtsextremistischen Straftatenserie im Bezirk Neukölln” untersuchen soll. Ob dieser Antworten auf 11 Jahre Ungewissheit bringen wird, wird sich noch zeigen. Der Mord an Burak Bektaş und Luke Holland wurden dort bisher noch nicht behandelt. Diese Akten sind zumindest beim Untersuchungsausschuss angekommen. Wie der PUA seine Arbeit nach den Wahlen fortsetzen wird, werden wir kritisch beobachten. Die bekannt gewordenen rassistischen Morde seit den 1980er und 1990er Jahren zeigen systematische Bagatellisierung, Vertuschung und Decken der Nazigewalt durch die Ermittlungsbehörden. Daher fordern wir:

Der Mord an Burak Bektaş muss durch unabhängige Ermittlungen neu aufgerollt werden!

NSU-Watch Audio: Wie weiter im Neukölln-Komplex?

Wie weiter im Neukölln-Komplex? Teil 1: Der Neukölln-Komplex vor Gericht
Wir sprechen zunächst mit Ferat Koçak, Heinz Ostermann und Christiane Schott. Alle drei sind vom rechten Terror in Neukölln betroffen.
nsu-watch / mp3

 
 

Wie weiter im Neukölln-Komplex? Teil 2: Der Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex
Wir sprechen mit Bianca Klose, Helga Seyb und Ulli Jentsch. Alle drei beobachten mit ihren jeweiligen Projekten den Neukölln-Untersuchungsausschuss.
nsu-watch / mp3

01.03.2023: Landgericht bestätigt rassistisches Tatmotiv des Polizisten Stefan K. im Fall Jamil Amadi

[ übernommen vom Flüchtlingsrat Berlin ]

Im April 2017 wurde der aus Afghanistan stammende Jamil Amadi am S-Bahnhof Berlin-Karlshorst von drei Personen angegriffen und schwer verletzt .[link] Einer der Täter ist Stefan K., der als Polizist in die unaufgeklärte rechtsterroristische Anschlagserie in Neukölln verwickelt ist, und zum Zeitpunkt des Angriffs privat unterwegs war.[link]

Jamil Amadi wurde 2020 während des laufenden Verfahrens gegen Stefan K. und die beiden Mittäter nach Afghanistan abgeschoben. Das Verfahren wurde dann zunächst eingestellt, bevor es 2022 wieder aufgerollt wurde. Am 6.2.2022 wurde Stefan K. schuldig gesprochen,[link] die rassistische Motivation seiner Tat ausdrücklich vom Gericht benannt. Gegen das ohnehin – auf Grund der starken Alkoholisierung zur Tatzeit – milde Urteil legte Stefan K. jedoch Berufung ein.

Das Urteil des Amtsgerichts wurde gestern durch das Landgericht bestätigt – und die rassistische Motivation der Tat erneut klar benannt. In der Urteilsbegründung wurde die Richterin sehr deutlich: Die Kammer habe kein Verständnis dafür, dass Stefan K. mit dieser rassistischen und damit verfassungsfeindlichen Gesinnung nach wie vor im Polizeidienst tätig ist. Die Verfahrensverzögerung und die zunächst erfolgte Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts sei absolut inakzeptabel und ein Versäumnis der Justiz.

Wir fordern die sofortige und längst überfällige Entlassung des Stefan K. aus dem Polizeidienst sowie Gerechtigkeit und Entschädigung für Jamil Amadi und seine Rückholung nach Berlin.

Außerdem fordern wir eine wirksame Bleiberechtsregelung für alle Opfer von rassistischer Gewalt.

Beobachtung der letzten beiden Sitzungen des Parlamenatrischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex

Bei der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses Berlin nach den Wahlen am 16.03.2023 soll der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex wieder eingesetzt werden.

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10. Sitzung am 6.1.23 mit
Zeugin Uta Leichsenring

Polizeipräsident in Eberswalde 1990-2002
Zeuge Dr. Herbert Diemer
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof 2004-2019; von 2011-2018 war er bei den Ermittlungen, Anklageerhebung und Vertretung der Anklage vor dem Oberlandesgericht München in Sachen NSU tätig.
Beide sind vom Innensenator Geisel für die Kommission zur Aufarbeitung der rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln ernannt worden. Die Einsetzung der Kommission wurde Ende September 2020 vom Senat beschlossen. Die Kommission sollte herausarbeiten, ob und welche Versäumnisse im Ermittlungskomplex Neukölln erkannt worden sind, zu welchen Auswirkungen dies geführt hat und welche Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten sind.

11. Sitzung am 20.1.23 mit
Zeuge Roland Weber

Opferbeauftragter des Landes Berlin im Ehrenamt seit Oktober 2012; die Ernennung durch Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, um den Opferschutz in Berlin nachhaltig zu stärken, Opfern von Straftaten effektiver Unterstützung anzubieten, Belangen der Opfer mehr politisches Gewicht zu verleihen.
Des weiteren Fachanwalt für Strafrecht, in seiner Kanzlei spezialisiert auf die Durchsetzung der Rechte von Verletzten und Hinterbliebenen.
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Zum 6.1.2023: Leichsenring und Diemer werden zusammen befragt

Beachtlich oder unglaublich
Während Diemer und Leichsenring in ihrer Rolle als Sonderermittler*innen alle Akten digital zur Verfügung gestellt wurden, Zugang zu dem Polizei-internen Programm Polis hatten und auch vom Verfassungsschutz mit sämtlichem Rohmaterial versorgt worden sind, schlägt sich der parlamentarische Untersuchungsausschuss von Sitzung zu Sitzung ohne Akten durch. Wie ist das zu bewerten? Die beiden Ermittler*innen erhalten Vertrauen von den Behörden, sind „Interne“ und stellen keine kritischen Fragen bzw. Überprüfungen an?
Natürlich konnten sie nicht alle Akten lesen. Vom Rohmaterial („des Nachrichtendienstes“) haben sie ganze 1,1% geschafft. Aber der Polizei wird bescheinigt, jeden Stein umgedreht zu haben, so bescheinige es die Aktenlage, soweit sie dass einsehen konnten in dem kurzen Zeitraum.

Aufgaben oder Aufgabenverständnis
Die Sonderermittler*innen sind vom Innensenator eingesetzt worden, da in der Öffentlichkeit immer mehr kritische Stimmen laut wurden, dass es keine Ermittlungserfolge im Neukölln-Komplex gab. Es sollte die Brisanz genommen werden, wie die Sonderermittler*innen erzählen; Ergebnisse erzielen dagegen sollten sie offenbar nicht, zumindest erwähnten dies die beiden Sonderermittler*innen nicht.
Um Vertrauen herzustellen, ist Frau Leichsenring zunächst zu den Betroffenen gegangen um … ja was? Händchen zu halten? Sie wollte nach den Befindlichkeiten der Betroffenen fragen. Ist das ihre Aufgabe? Das war nicht die Erwartung der Betroffenen. Jedenfalls hat sie die Gespräche nicht protokolliert. Die konkreten Forderungen und Beobachtungen, die die Betroffenen an die Sonderermittler*innen hatten, die Beobachtungen, die sie schilderten, waren irrelevant, nicht Teil ihrer Aufgabe bzw. ihres Aufgabenverständnis. Und die Erwartungshaltung, dass die Täter*innen überführt werden, sei verständlich, „aber alle Wünsche gingen halt nicht in Erfüllung…“.
Dagegen hätten Diemer und Leichsenring exemplarisch die Aktenführung der Polizei auf Fehler überprüft, ob sie Fehler in den Ermittlungen finden konnten. Fehler bei Aktenführung hätten sie nicht finden können. Tenor: gute Aktenführung, 0% Aufklärung.
An kritischen Untertönen blieb, dass es seit 2015 allen bekannt gewesen sei, dass es sich in Neukölln um eine Serie gehandelt habe und dementsprechend die Ermittlungen gebündelt hätten werden sollen. Wurden sie nicht. Aber die Polizei hat alles getan was sie konnte.

Betroffene
Die Betroffenen im Neukölln-Komplex, die im PUA als Zeug*innen ausgesagt haben, haben ihre Beobachtungen und Forderungen immer wieder weiter gegeben. Sie haben sich vernetzt und sind aktiv im Geschehen. Die Sonderermittler*innen dagegen wollen aber nicht ihre Erfahrungen und Erwartungen hören sondern lediglich mit ihnen sprechen, um Vertrauen zu gewinnen. Damit degradieren sie die Betroffenen zu Opfern mit „Befindlichkeiten“ (Zitat Leichsenring). Die Ermittler*innen hingegen sind „objektiv“. Hier wird schon ein „Missverhältnis“ deutlich, nämlich die einen, die Ermittlungen und Aufklärung wollen, die anderen (objektiven), die Vertrauen herstellen wollen. Hierfür reichen die Akten der Polizei aus, die Beobachtungen der Betroffenen spielen keine Rolle. Das brennende Auto z.B., von dem das Feuer auch auf das Haus hätte übergreifen können, in dem die Menschen schliefen, wird so zur Befindlichkeit, nicht zu einem Brandanschlag mit Tötungsabsicht.

Rechte Strukturen
Selbst Diemer musste zugeben, dass seit 2015 der Polizei bekannt ist, dass es sich beim Neukölln-Komplex um eine Serie handelt. Bei der Staatsanwaltschaft ist dem nicht gefolgt worden, „da sei sehr viel Luft nach ‚oben‘ gewesen“.
Kenntnisse von rechten Strukturen wurden nur auf Nachfrage der Abgeordneten des PUA zugegeben. Dass z.B. der Oberstaatsanwalt Fenner Timo Paulenz zu erkennen gegeben hat, Nähe zur AFD zu haben. Von sich aus sind die Sonderermittler*innen nicht auf rechte Strukturen, Chatgruppen etc. zu sprechen gekommen. Da blieb immer nur ein vages „keine Ahnung“, „Aussagen über gelöschte Chats der Polizei sind Spekulationen, gehen nicht“…; insgesamt hat Diemer das Öffentlichmachen von rechten Strukturen als Problem gesehen, nicht das Vorhandensein rechter Strukturen bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft.
Exemplarisch hätten sie sich an dem Vorwurf, dass sich ein LKA-Beamter mit Sebastian Thom im Ostburger Eck getroffen habe, abgearbeitet, um diesen zu entkräften. Mit sichtlicher Freude konnte er vermeintlich nachweisen, dass Thom nicht in das Auto des LKA-Beamten gestiegen sei, sondern ein anderer. Naja, oder so. Aber getroffen schon…, ist ja ok…
Dass das Ostburger Eck eine bekannte rechtsoffene Kneipe sei, konnte Diemer nicht bestätigen. Ihm wurde gesagt, dass diese eine Fankneipe sei; das könne er nicht überprüfen.
Problematisch ist insgesamt die Haltung der beiden Sonderermittler*innen, dass sie allzu gerne mit und über Betroffene reden, nicht aber über die rechten Strukturen des Neukölln-Komplex. Und die Bewertung eines Polizisten, der den Diebstahl eines Stolpersteins als geringfügiges Delikt begreift, als mangelnde „Sensibilität“ abzutun, ist ignorant, gefährlich, bagatellisiert Antisemitismus und unterstützt die Täterstrukturen. Aber: Sie hätten „aus dem NSU-Komplex gelernt“…(zu dieser Aussage von Diemer gab es leider keine Nachfrage von Seiten der Abgeordneten).

Kritik
„Wir haben aus dem NSU gelernt“? Aber was? Die Opfer von rassistischer, antisemitischer und faschistischer Gewalt ernst nehmen, sie als Expert*innen sehen? Selbst der Name von Burak Bektaş war nicht mehr präsent, das Jahr des Mordes ebenso wenig, obwohl sie sich angeblich „zusätzlich“ die Akte angesehen haben. Bei 2 Morden im Neukölln-Komplex (5.4.2012 Burak Bektaş und 20.09.2015 Luke Holland). Ihr Untersuchungsauftrag ging nur von 2014 bis 2020; „vor 2014 sei sowieso nichts passiert!“ erfuhren wir.
Wieso sind Polizist*innen, die das Entfernen von Stolpersteinen als geringfügiges Delikt behandeln „unsensibel“, wieso ist das Bekannt-werden von rechten Chatgruppen in der Polizei ein Problem oder das Bekannt-werden von rechten Sympathien eines Staatsanwalts?

Während die Betroffenen fundierte Beobachtungen und Hinweise geben und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) z.B. Schriften abgleicht von Morddrohungen an Hauswänden, um den Täterkreis einzuschränken, wollen Diemer und Leichsenring lediglich Vertrauen schaffen.

„Wir haben aus dem NSU gelernt“. Ein Satz, der in der Luft hängen bleibt, ohne konkreten Zusammenhang und Konsequenz. Er wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahr.

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Zum 20.2.23: Weber

Ein Tag im PUA, der sehr gut zu der Befragung von Diemer und Leichsenring am 6. Januar 2023 passte war die Befragung des Opferbeauftragten Weber am 20. Januar 2023.

Weber hat, so sagte er selbst, keine Ahnung vom Neukölln-Komplex, keine*r der Betroffenen sei auf ihn zugekommen. Daher sprach er über seine Arbeit an sich, trennt aber während der gesamten Befragung die beiden Tätigkeiten als Anwalt und Opferbeauftragte wenig bis gar nicht. Er fragt die Menschen, die zu ihm kommen auch nicht, in welcher Funktion sie ihn sprechen wollen, das „gehe ja schlecht“…
Richtig genervt hat aber, dass er mit keinem Wort auf den Neukölln-Komplex mit den rechten Strukturen, mangelnden Ermittlungen und Aufklärung einging. Sämtliche Sensibilität gingen ihm hier offenbar? verloren, die er ja bei anderen Berufsgruppen so vermisst.

Konkrete Forderungen aus seiner Tätigkeit: Abschiebeschutz für Opfer von Straftaten während Ermittlungen und Prozess, Erweiterung des Katalogs für die PKS (politische Kriminalitätsstatistik) um Sachbeschädigungen, Anerkennung von Hinterbliebenen als Opfer. Ansonsten stellte er sich als Mittler und Lotse zwischen Öffentlichkeit und Politik dar, da er im ähnlichen Bereich auch als Jurist arbeite.
Dieser Opferschutzbeauftragte ist überflüssig und die Befragung durch den Ausschuss war es auch, da er nichts zum Thema beizutragen hatte. Es sei denn, die Empfehlungen des Ausschusses schließen die Abschaffung der Einrichtung „Opferschutzbeauftragte“ als eine Konsequenz ein. Die Beratungsprojekte für Opfer jedenfalls brauchen diesen „Mittler“ nicht (siehe https://www.hilfe-in-berlin.de).

In der „Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Land Berlin“ vom 28.08.2015 vom Abgeordnetenhaus Berlin für die Berliner Polizei werden bereits konkrete Maßnahmen für die Zusammenarbeit mit Opferschutzorganisationen empfohlen. Wenn aber das Entfernen eines Stolpersteins nicht in den Kontexts von Antisemitismus gestellt wird, bei der Ermordung eines migrantischen Menschen keine rassistische Tat mitgedacht wird, dann sind Empfehlungen und jegliche Handlungsanweisungen sinnlos.
Weder Diemer noch Leichsenring oder Weber erwähnten den Mord an Luke Holland am 20.09.2015 in ihren Aussagen. Der Mord an Luke Holland ist einer der wenigen Taten im Neukölln-Komplex, bei dem ein Täter festgestellt wurde und es einen Prozess mit Verurteilung gab. Luke wurde von dem Nazi Rolf Zielezinski ermordet; die Wohnung des Mörders war voller NS-Devotionalien, er war bekannt für seine Sympathien für die NPD und trotzdem wollte das Gericht kein politisches Tatmotiv erkennen. Was muß ein Nazi noch tun, um von der deutschen Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz als solcher erkannt zu werden?
Und was uns hier irritierte war, dass Weber seine Mitwirkung als Rechtsbeistand im Neukölln-Komplex verschwieg. Als wir in unsere Protokolle zum Prozess zur Ermordung von Luke Holland schauten und feststellten das Weber am 04.04.2016, die Lebensgefährtin des Mörder Rolf Zielezinski als Rechtsbeistand vor Gericht begleitete. Möglich, dass er das nicht in seiner Funktion als Beauftragter getan hat, sondern eben nur als Anwalt. Die Prozessbeobachter*innen jedenfalls hatte es irritiert, dass die Zeugin in Begleitung eines Opferschutzbeauftragten auftrat. Das Opfer war Luke Holland und seine Familie.

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Zum Schluss oder Kafkaesk
Ein politisches Tatmotiv kann nur erkannt werden, wenn es erkannt werden soll. Wenn eine Morddrohung „9 Millimeter“ für Person X aber nur eine „Schmiererei“ darstellt, können, wollen und sollen auch keine zielführenden Ermittlungen abgeleitet werden.
Die Betroffenen von rassistischer, antisemitischer und faschistischer Gewalt scheinen in Berlin mit immer neuen Einheiten der Polizei, immer neuen Ausschüssen der Politik hingehalten worden zu sein: Resin, IG Rex, EG Rex, Untersuchungen wie BAO Fokus, Sonderermittler*innen, ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss.
Sie werden von einer angeblich zuständigen Stelle zur nächsten verwiesen und werden nach Befindlichkeiten gefragt, sollen sich an Runden Tischen treffen, gemeinsam Kaffee trinken. Es wird Verständnis für die Betroffenen der Neuköllner Anschlagsserie geheuchelt, gleichzeitig ihre Wahrnehmungen in Frage gestellt und ihre Erwartungen lächerlich gemacht. Die Berliner Politik, Staatsanwaltschaft und Polizei scheinen lieber ein kafkaeskes Schloss errichten zu wollen, in dem sich die Betroffenen von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt verlieren sollen, als gegen die bekannten rechten Gewalttäter*innen in Berlin Neukölln vorzugehen.

Ausstellung von Talya Feldman vom 2.3. bis 8.4.2023

And Our Cities Change
A new exhibition with @eigenart_lab / Torstraße 220 / Berlin-Mitte


Tuesday ‐ Friday 2 pm ‐ 6 pm / Saturday 11 am ‐ 6 pm
Mehr Informationen unter eigen-art-lab / Wir Sind Hier

In 1982 in Hamburg, Semra Ertan, a 25-year-old poet born in Turkey and a migrant worker (a so-called Gastarbeiter:in) who emigrated to Germany in 1972, undertook an act of protest against racism. This act was imbricated in symbology and utterly final: public self-immolation. In the 350 plus poems and satirical pieces that she penned, Ertan chronicled her life and experience as a Turkish migrant.

In 1984, a racist arsonist attacked a migrant neighborhood in Duisburg, murdering seven members of the Satır and Turhan families whilst seriously injuring further family members and residents. The officials investigating ignored the body of evidence demonstrating that racism motivated the attack.

In 2012, 22-year-old Burak Bektaş convened with a group of friends on a street in Berlin-Neukölln. An unidentified white man approached the group and, without uttering a word, fired at them–killing Bektaş and seriously injuring two of his friends. The perpetrator has still not been identified.

In 2016, the German police arrested 24-year-old Yaya Jabbi, accusing him of being in possession of 1.65 grams of cannabis. Jabbi was raised in Gambia and had travelled to Libya in 2013 and, as a refugee, had then migrated through Italy before settling in Germany with his brother. Shortly before his release, Jabbi was found dead in his cell. According to the Justice Department, Jabbi had committed suicide, despite the judicial authorities admit that there were no signs of suicide risk in advance.

Berufungsprozess des Polizisten Stefan K. – Wir fordern Gerechtigkeit für Jamil Amadi

28.2. / 14.3. / 16.3. jeweils 9:30, Saal C 103 Amtsgericht Tiergarten, Wilsnacker Str. 4, 10559 Berlin

Seit 6 Jahren wartet Jamil Amadi, geflüchtet aus Afghanistan, auf Gerechtigkeit. Im April 2017 wurde er am S-Bahnhof Berlin-Karlshorst von drei Personen angegriffen und schwer verletzt. Einer der Täter ist Stefan K., ein Berliner Polizist, der privat unterwegs war.

Besonders brisant: Stefan K. war bis 2016 bei der Berliner Polizei ausgerechnet in der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) eingesetzt. Diese Sondereinheit der Berliner Polizei war für die Ermittlung der bis heute nicht aufgeklärten rechtsterroristischen Anschlagserie in Neukölln zuständig [link].

Jamil Amadi wurde 2020 während des laufenden Verfahrens gegen Stefan K. nach Afghanistan abgeschoben.

2022 wurde Stefan K. schuldig gesprochen [link], die rassistische Motivation seiner Tat ausdrücklich vom Gericht benannt. Stefan K. legte jedoch Berufung ein. Das Berufungsverfahren startete am 21.2.23 um 9:30.

  • Wir fordern Gerechtigkeit und Entschädigung für Jamil Amadi und seine Rückholung nach Berlin.
  • Außerdem fordern wir eine wirksame Bleiberechtsregelung für alle Opfer von rassistischer Gewalt.
  • Nicht zuletzt fordern wir, dass die Polizeipräsidentin disziplinarrechtliche Konsequenzen gegen Stefan K. zieht, denn er hat das durch die massiven Ermittlungsfehler bei der Aufklärung des Neukölln-Komplexes ohnehin schwer erschütterte öffentliche Vertrauen in die Polizei zusätzlich beschädigt. Das milde Urteil und seine Berufung dagegen tragen nicht dazu bei, dieses wiederherzustellen.

Kommt zum Prozess und unterstützt Jamil und unsere Forderungen.

[ übernommen vom Flüchtlingsrat Berlin ]

Gerichtsverfahren gegen den Polizeibeamten W. wegen rassistischer Äußerungen bei einer Mahnwache von BASTA vorm LKA

01.03.2023 von 8:30 bis 9:30 Kundgebung Verwaltungsgericht Berlin Kirchstr. 7, 10557 Berlin
ab 9:30 h Prozess

Zur Erinnerung:

Am 20.06.2019 hat sich der Polizeibeamte W. bei unserer wöchentlichen Mahnwache vorm LKA gegenüber BASTA rassistisch geäußert. Die Staatsanwaltschaft hat darin keine Volksverhetzung oder Beleidigung gesehen. Es wurde kein Strafverfahren eröffnet. Allerdings wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. 4 Vertreterinnen von BASTA wurden zeitnah als Zeuginnen vernommen.

„Schon“ knapp 4 Jahre später findet in dieser Sache eine Gerichtsverhandlung statt. Die 4 Vertreterinnen von BASTA sind wieder als Zeuginnen geladen. Die Gerichtsverhandlung nehmen wir zum Anlass, eine Demonstration vor dem Verwaltungsgericht anzumelden.

Wir gehen davon aus, dass der Polizeibeamte W. seine bisherige Tätigkeit weiter ausübt. Das ist nicht hinnehmbar. Es ist gefährlich für die Demokratie.

Bitte unterstützt uns bei unserer Demo am 01.03.2023 von 8:30 bis 9:30 Verwaltungsgericht Berlin Kirchstr. 7, 10557 Berlin und kommt zahlreich. Die öffentliche Verhandlung beginnt um 9:30 Uhr.

[ übernommen von BASTA – wir haben genug ]