Kritik – Protest – Veränderung: die Audio-Serie zum Neukölln-Komplex

Es geht um durchhalten, Mut und Solidarität!

Als Neukölln-Komplex wird eine Terrorserie in dem Berliner Stadtteil bezeichnet, bei der Neonazis seit 2009 wenigstens 200 Anschläge verübten. Dazu zählen die Morde an Burak Bektaş und Luke Holland, etliche Brandstiftungen und Drohungen, sowie Sachbeschädigungen durch zahlreiche gesprühte nationalsozialistische Symbole und Neonazi-Sticker. Trotz klarer Hinweise auf bekannte Neonazis aus Neukölln und ihre Netzwerke erfolgte so gut wie keine Aufklärung dieser Taten. Bekannt wurde zudem zahlreiches Fehlverhalten von Mitarbeiter*innen der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. weiterlesen bei https://neukoelln-komplex-audio.com/

und vor allem HÖREN…

bisher sind 5 Folgen online:

Gedenken 19. Februar 2023 Hanau – Grussworte der Burak-Initiative

https://19feb-hanau.org/

In Berlin beteiligten sich an mehreren Orten tausende von Menschen an Kundgebungen und einer Demonstration 3 Jahre nach den rassistischen Morden von Hanau.

Rede als Audio: link / mp3

Liebe Angehörige und Freund*innen,
von Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz,
Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin,
bundesweit, überall in Deutschland, haben wir uns heute versammelt, um Eurer Liebsten, die ihr verloren habt, aufgrund des rassistischen Terroranschlags in Hanau vor 3 Jahren, zu gedenken.
Liebe Angehörige und Freund*innen von Opfern rechten Terrors und Gewalt und Betroffene,
Liebe Initiativen, Liebe solidarische Menschen,
alle wissen, Hanau war kein Einzelfall! Von Halle bis Hanau bis München, von Mölln bis Nürnberg, und Nürnberg bis Hamburg oder von Kassel bis Berlin haben wir uns vereint. Wir erinnern in Kontinuität, wir Erinnern in politischer Gedenkkultur und wir sind solidarisch und vereint in unseren Forderungen.
Wir fordern Veränderung.

Es ist die Politik, die all diese Verbrechen ermöglicht. All das Leiden über den Verlust eines geliebten Menschen und das Leid, das über die Angehörigen und Betroffenen von rassistischen und rechten Morden und Gewalt einbricht, kalkuliert. Alle wissen darum, über strukturellen Rassismus, all diese Behördenversagen, das Vertuschen und Verdecken… Das war vor Hanau so, das war in Hanau so und das ist nach Hanau noch immer so. Wir wollen keine leeren Versprechen, wir wollen Veränderung.
Wir werden immer wieder sagen: Das Problem ist das rassistische System.
Und wir werden es immer weitersagen, bis sich das ändert.

Familie Bektaş kämpft nun seit fast 11 Jahren für Aufklärung des rassistischen Mordes an ihrem geliebten Sohn, Bruder, Freund. Am 5.April 2012 wurde Burak ermordet. Ein Täter ist bis heute nicht ermittelt. Die Tat ereignete sich kurze Zeit nach dem Auffliegen des NSU-Komplex. Ein Täter kam auf eine Gruppe von 5 Jugendlichen, die sich an einer Bushaltestelle in Berlin-Neukölln unterhielten, zu, und schoss auf die Gruppe der Jugendlichen. Burak starb an seinen Verletzungen, zwei seiner Freunde überlebten schwerverletzt. Einem rassistischen Mordmotiv wurde in den Ermittlungen nicht ernsthaft nachgegangen, die Ermittlungen verschleppt. Wir kämpfen als Burak-Initiative zusammen mit Familie Bektaş, dass der Mord an Burak nicht in Vergessenheit gerät. Wir fordern Aufklärung. Und wir fordern Gerechtigkeit. Selbst wenn bei rassistischen/rechten Morden die Täter verurteilt werden, kommen diese oftmals mit geringen Strafen davon, da die Justiz Hasskriminalität als solche oftmals nicht anerkennt, so wie es geschah im Fall des Mordes an Luke Holland in Berlin Neukölln 2015.

Für die Angehörigen und Betroffenen gibt es kaum Worte, die das wiedergeben könnten, was ihnen/euch angetan wurde. Familie Bektaş kämpft unermüdlich für Aufklärung auch in dem Parlamentarischen UA in Berlin zum Neukölln-Komplex. Wir erleben immer wieder, wie rassistische Morde und Gewalt verharmlost, verschleppt und gedeckt werden. Täter werden ermutigt weiterzumachen. Strukturen und Netzwerke in Sicherheitsbehörden, Justiz, Polizei und Staat tragen ihren Teil dazu bei. Melek Bektaş sagte auf dem Tribunal-NSU-auflösen in Köln, 2017: „Kein Schweigen, sondern Kampf, damit keine weiteren Burak´s sterben.“ Dass stille Schweigen, dass in Deutschland herrschte, ist durchbrochen. Überall erheben wir unsere Stimmen gegen das Schweigen. Wir klagen an. Wir fordern Aufklärung und Konsequenzen. Und wir fordern Gerechtigkeit. Vernetzt und solidarisch sind wir unüberhörbar. Und so rufen wir die Zivilgesellschaft auf, sich solidarisch an die Seite der Angehörigen von Opfern rassistischer und faschistischer Morde und Gewalt und die Betroffenen, zu stellen. Verändern heißt kämpfen. Verändern heißt Solidarität.

Am 5.4. jährt sich der Tag der Ermordung von Burak zum 11.Mal. Wir rufen dazu auf, dass an diesem Tag bundesweit Menschen Burak auf ihre Weise gedenken. Bitte achtet auf unsere Ankündigungen.

14.2.2023 – Rede der Initiative an Buraks Geburtstag

Rede als Audio: link / mp3

Liebe Familie Bektaş, liebe Angehörige liebe Freunde und Freundinnen,
unsere Kundgebung heute findet anlässlich des Geburtstages von Burak statt.
Sie ist überschattet von dem Erdbeben und den tausenden von Toten in der Türkei und in Syrien. Viele unserer Freund*innen haben Verwandte und Freunde verloren. Es ist schwer erträglich, nicht mehr machen zu können, als zu spenden und zu trösten. Wir wollen eine Minute für beide Anlässe schweigen.

(nach 1 Minute) Danke

Wir wollten trotzdem unsere seit 2013 bestehende Tradition beibehalten und den Geburtstag von Burak in einen angemessenen Rahmen begehen.

Heute wäre Burak 33 Jahre alt geworden. Aber er wurde am 5. April 2012, wenige Schritte von hier, erschossen. Sie waren fünf junge Männer, die zufällig an dieser Stelle standen, als unvermittelt auf sie geschossen wurde und Burak tödlich verletzt wurde. Zwei der Freunde wurden lebensgefährlich verletzt. Diese Tat ist so unfassbar niederträchtig und hinterhältig und wird ihre Wirkung auf die Familie und alle Freunde und Freundinnen niemals verlieren.

Wir von der Initiative für die Aufklärung des Mordes haben Burak nicht kennengelernt. Burak wird beschrieben als ein fröhlicher, lustiger Mensch, der seine Familie sehr liebte und das auch täglich zeigte. Seine Zukunft wurde ausgelöscht und die seiner Freunde und seiner Familie durch dieses schreckliche Erlebnis für immer geprägt.
Kein Tag vergeht, an dem wir nicht darüber nachdenken, warum diese Tat den jungen Männern geschehen ist. Es gibt keine Erklärungen. Und kein Tag vergeht, an dem wir nicht überlegen, wie diese Tat noch aufgeklärt werden könnte.

Wir treffen uns immer an Buraks Geburtstag an dieser Stelle, um mit euch zusammen zu erinnern und um anzuklagen: Findet seinen Mörder!

Der Tathergang erinnert an die Morde des NSU. Ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 ist die Idee einer Nachahmungstat naheliegend.

Solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, gehen wir davon aus, dass Rassismus das Motiv ist.

Dieses Jahr jährt sich der Todestag von Burak zum 11. Mal. – Seit 11 Jahren stehen Menschen an diesem Ort und erinnern an ein Verbrechen, das noch immer nicht aufgeklärt wurde. 11 Jahre Kampf der Familie und Freund*innen für Aufklärung und gegen das Vergessen.
11 Jahre keine Aufklärung, keine Gewissheit, keine Sicherheit.

Vielleicht läuft der Mörder hier im Bezirk immer noch herum. Vielleicht steht er im Supermarkt mit uns an der Kasse. Vielleicht verdreckt und beschädigt er regelmäßig unseren Gedenkort.
Vielleicht war es aber auch – wie viele vermuten – Rolf Zielezinski und sitzt noch eine Weile im Knast. Er hat 2015 den Briten Luke Holland in der Ringbahnstraße erschossen und wurde dafür zu 11 Jahren und 7 Monaten Haft verurteilt. Er handelte ähnlich wie der Mörder von Burak. Er ist dem Alter, wie der Mörder von Burak beschrieben wird.
Die Polizei sah lange Zeit keinen Zusammenhang zwischen den beiden Morden. Als sie die Gelegenheit hatte, Zielezinski zu befragen, kann sie auch nur zur Kenntnis nehmen, dass er sagt, er wars nicht. Beweise gibt es nicht. Nicht für Zielezinski als Mörder von Burak, nicht dagegen.
Nach vielen Fragen an den Senat, Gesprächen mit Ermittlern und der Generalstaatsanwältin sah sich die Mordkommission schließlich doch noch motiviert lange Liegengelassenes und Eingefordertes abzuarbeiten. Das haben sie nun gemacht ohne Ergebnisse. Der Mörder ist nicht ermittelt. Mit jedem Tag der vergeht, wird die Chance geringer, den Täter zu finden.

Die Familie und wir alle haben das Recht zu wissen, wer Burak ermordet hat. Wer läuft durch Neukölln und schießt auf junge Menschen? Welches andere Motiv sollte denkbar sein als Rassismus und Nationalismus.

Seit vielen Jahren sind wir auch Zeug*innen einer rechten Anschlagsserien mit Bedrohungen, Brandanschlägen und Angriffen in diesem Bezirk. Neukölln gehört den Bezirken mit einer hohen Zahl an rechten und rassistischen und Angriffen wegen der sexuellen Orientierung oder des Geschlechts. Die meisten dieser Taten werden ebenfalls nicht aufgeklärt. Vom Neukölln-Komplex sprechen wir im Zusammenhang mit den vielen Angriffen auf Aktivistinnen, die sich gegen Rechtspopulismus, Nazismus und Rassismus ausgesprochen haben, Veranstaltungen organisiert haben und dem rechten Mob ein anderes Neukölln entgegenstellen. Das ist inzwischen ein Teil es Alltags.
Antifaschistische Recherchen weisen immer wieder auf das gleiche Täterspektrum hin, das mit diesen Anschlägen, diesem Terror zu tun hat. Aufgeklärt wird die Anschlagsserie trotzdem nicht. Warum? LKA, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft sind selbst in den Neukölln-Komplex verstrickt. Es fehlt der Wille zur Aufklärung. Ein Prozess gegen Hauptverdächtige ging in diesen Fällen mit Freispruch zuende. Wie sollte auch verurteilt werden, wenn niemals korrekt ermittelt wird. Immerhin fühlt sich das Gericht inzwischen genötigt eine erklärende Pressemitteilung zu veröffentlichen.

Diesen Unwillen zur Aufklärung der ganzen Wahrheit kennen wir auch von anderen rechten Anschlägen wie in München, Halle oder Hanau.

Die jahrelange Forderung nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschuss wurde im letzten Jahr erfüllt. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll „die rechtsextreme Anschlagserie in Neukölln, ihre Hintergründe und mögliche Fehler bei den Ermittlungen aufarbeiten“.

Der Mord an Burak und an Luke Holland sind Teil des Auftrages des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geworden. Wir stellen unsere Fragen und das werden das erneute Ausbleiben von Antworten anprangern. Der PUA wurde in offenen Briefen kritisiert und scheint mindestens in Teilen die Kritik aufgenommen zu haben. Die betroffenen ZeugInnen wurden befragt. Der Auftrag ist klar. Wir sind gespannt, wie es jetzt weitergehen wird.

Die Skulptur trägt den Titel „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“ und erinnert damit an den Mord an Burak und alle die anderen nicht aufgeklärten rechten Taten. Der Gedenkort soll an die Geschichte des Mordes und des Kampfes für die Aufklärung von Burak Bektaş erinnern und sie im Gedächtnis der Stadt verankern. Er soll darüber hinaus auf die weiteren unaufgeklärten Morde an Menschen mit Migrationsgeschichte, auf den strukturellen Rassismus verweisen, den Menschen mit Migrationsgeschichte und People of Color in unserer Gesellschaft erleben. Wir müssen es nun noch schaffen, diesen Platz zu einem Ort des lebendigen Gedenkens werden zu lassen.
Der Gedenkort und jede unserer Versammlungen, Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen sind Zeichen dafür, dass die Rechnung der Täter*innen und die der Ermittlungsbehörden nicht aufgehen wird. Wir werden nicht nachlassen mit unseren Forderungen nach Aufklärung. Die Teilnahme an den bundesweiten Vernetzungstreffen hat uns stärker gemacht. Wir wissen viele Betroffeneninitiativen an unserer Seite, wir tauschen uns aus und entwickeln gemeinsame Forderungen.

Nichts wird vergessen und kein Gras wird über die Taten der Rassisten, der Nazis wachsen.

Am 5.4. jährt sich der Tag der Ermordung von Burak zum 11. Mal. Wir rufen dazu auf, dass an diesem Tag bundesweit Menschen Burak auf ihre Weise gedenken und Bilder davon mit uns teilen. Achtet auf unsere Ankündigungen.

Wir danken Euch, dass ihr immer wieder an diesem Ort mit uns zusammenkommt und die Erinnerung an den Mord und die vielen anderen Taten aufrechterhaltet.

Di. 14.02.2023 – Kundgebung am Geburtstag von Burak Bektaş

Dienstag, 14. Februar 2023 / 17:00 Uhr / Gedenkort für Burak Bektaş – Rudower Straße / Möwenweg / Berlin-Neukölln (Süd).

Am 14.2.2023 wäre Burak 33 Jahre alt geworden.

An seinem Geburtstag kommen wir – Freund*innen, Familie, Unterstützende und Aktivist*innen – am Gedenkort zusammen, um Blumen niederzulegen und gemeinsam Burak zu gedenken. Wir zeigen, dass Burak unvergessen bleibt. Burak kann seinen Geburtstag seit dem 5. April 2012 nicht mehr feiern, er wurde im Alter von 22 Jahren ermordet. Der Mord an Burak Bektaş und der Mordversuch an zwei seiner Freunde sind nach wie vor nicht aufgeklärt.

Buraks Todestag jährt sich dieses Jahr am 5. April zum elften Mal. 11 Jahre keine Aufklärung, keine Gewissheit, keine Sicherheit. 11 Jahre Kampf der Familie und Freund*innen für Aufklärung und gegen das Vergessen.

Seit letzten Sommer gibt es eine Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) eingesetzt vom Abgeordnetenhaus Berlin, der “Ermittlungsvorgehen im Zusammenhang mit der Aufklärung der im Zeitraum von 2009 bis 2021 erfolgten rechtsextremistischen Straftatenserie im Bezirk Neukölln” untersuchen soll. Ob dieser Antworten auf 11 Jahre Ungewissheit und Unsicherheit bieten kann, wird sich noch herausstellen. Der Mord an Burak Bektaş und Luke Holland wurde bisher noch nicht behandelt, diese Akten sind zumindest inzwischen beim Untersuchungsausschuss angekommen. Nach der Neuwahl am 12. Februar 2023 wird der PUA seine Arbeit fortsetzen, wir werden ihn beobachten.

Die Forderung nach Aufklärung bleibt. Wir werden auch weiterhin fragen, war das Mordmotiv Rassismus?

Grußworte zur Eröffnung des Raumes eurer Initiative – München erinnern! – am 22.1.2023

Wir können heute leider nicht zur Eröffnung eures Raums kommen. Aber wir versichern euch, dass wir heute in Gedanken Seite an Seite mit euch stehen!
Ihr habt es geschafft, einen Raum für eure Initiative zu erkämpfen; einen Raum der notwendig wurde, weil hier in München 9 Menschen vor nun 6,5 Jahren bei einem rechten, rassistischen Terroranschlag am OEZ ermordet wurden.
Die Ermordeten sind eure Liebsten gewesen, viele von ihnen waren noch Kinder; sie alle sind zu früh aus dem Leben gerissen worden. – Essentiell ist dadurch ein Raum für ein gemeinsames Gedenken, des Miteinanders, gegen das Vergessen, gegen die Angst, für direkte Unterstützung der Betroffenen, für Aufklärung und Information, einen Raum für Solidarität!
Wir unterstützen eure Forderungen für einen solchen Raum. Und dass sich die Stadt München nicht nur symbolisch, sondern mit Taten an eure Seite stellt und sich damit auch für ein Gedenken, für Aufklärung einsetzt und im Kampf gegen jeglichen Rassismus, gegen Antisemitismus, Rassismus gegen Schwarze, Rassismus gegen People of Color, Antimuslimischen Rassismus und gegen Sinti*zze und Rom*nja, gegen jegliche Ungerechtigkeit unterstützt.
Für eine offene und solidarische Gesellschaft in der Jede*r einen Platz hat!

Ihr seid nicht vergessen: Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabina S., Selçuk Kılıç und Sevda Dağ.

Homepage von München erinnern! – OEZ Anschlag 22.07.2016
Presse: br / sz / az

Veranstaltung 6.2.2023 Herausforderungen der Nebenklage im Verfahren zum Neukölln-Komplex

Montag, 6. Februar, 19 Uhr | B-Lage (Mareschstraße 1) | Berlin-Neukölln

Brandstiftungen, Drohungen, Sprühen von Nazisymbolen und die Morde an Burak Bektaş und Luke Holland: Seit 2009 verübten Rechte 157 Taten gegen Migrant*innen und Linke in Neukölln. Eine Aufklärung steht bis heute aus. Gegen Teile dieses rechten Netzwerkes kam es nach ungenügenden Ermittlungen zu Gerichtsprozessen. Die ersten Urteile haben gezeigt, dass die Gefahr von Rechts weiter nicht ernst genommen wird.

Als Nebenklage bei dem aktuellen Prozess vertritt die Rechtsanwältin Franziska Nedelmann den Betroffenen eines der Brandanschläge, Ferat Koçak. Bei einer Info-Veranstaltung am 6.2.2023 um 19 Uhr in der b-Lage (Mareschstraße 1) wird sie von dem Prozess, dessen Hintergründen und Fehlstellen berichten.

organisiert von aze – andereZustände ermöglichen

20.01.2023 – 9 Uhr: Parlamentarischer Untersuchungsausschuss

Am Freitag, dem 20. Januar 2023 um 9.00 rufen wir zusammen mit Betroffenen und ihren Unterstützer*innen zu einer weiteren Kundgebung “Neukölln-Komplex aufklären & Konsequenzen für Täter*innen und Unterstützer*innen” auf.
Kritischer und solidarischer Beobachtung hält die Arbeit der Abgeordneten leider nicht stand. Der Ausschuss tagt am Freitag zum vorerst letzten Mal vor der Wahl. Wann die Arbeit danach wieder aufgenommen wird ist noch unklar.

Zweiter Offener Brief zum PUA „Neukölln“, 4. Januar 2023:

Zweiter Offener Brief zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) „Neukölln-Komplex“, 4. Januar 2023:

Nun wurden von Juni bis Dezember 2022 neun Sitzungen im langerwarteten parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Neukölln“ abgehalten. Betroffene wurden als Zeuginnen und Zeugen angehört. Und die Einschätzung von externen Sachverständigen, wie den Opferberatungsstellen hinzugezogen. Die Phase dieser Anhörungen ist mit der 9. Sitzung (am 9.12.2022) abgeschlossen worden. Der Ausschussvorsitzende Florian Dörstelmann (SPD) bilanziert, der Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln sei bis jetzt „erfolgreich“ verlaufen, der Ausschuss habe „einen hervorragenden Überblick darüber bekommen, wie welche Akteure zugange sind, wie die Vernetzung erfolgt und was einzelnen Akteuren mutmaßlich zugeordnet werden kann“ und schlussfolgert: „Das heißt, wir erkennen die Muster der Anschlagsserie immer besser.“ (lt. „Tagesspiegel“).

In der 10. Sitzung am 6. Januar soll es weitergehen mit der Beweiserhebung durch die Zeug:innen Uta Leichsenring und Dr. Herbert Diemer, die vom damaligen Innensenator Geisel als Sonderermittler im „Neukölln-Komplex“ eingesetzt wurden. In einer gemeinsamen Runde mit den zuständigen Senatsverwaltungen soll außerdem besprochen werden, wie künftig Akten für den Ausschuss zur Verfügung gestellt werden können. Denn zuvor hatten die Sprecher:innen der Fraktionen beklagt, dass kaum Unterlagen vorlägen und dem Senat eine „Blockade“ vorgeworfen.

„Auf gutem Kurs“ sind wir erst, wenn wir sehen können, wo es lang geht!

Die Anhörung der Zeuginnen und Zeugen und Anhörung der externen Expertinnen war sehr aufschlussreich und ein großer Erfolg der Betroffenen von rassistischer und rechter Gewalt sowie der mit ihnen solidarischen Menschen aus Gesellschaft und Politik.
In einem Ersten Offenen Brief haben wir unsere Anliegen, Vorstellungen und auch Kritiken dargelegt. Nach der 9.Sitzung kommen wir zu einer etwas anderen Schlussfolgerung:

Der Untersuchungsausschuss legt eine Missachtung der Betroffenen zutage, die inakzeptabel ist. Es gibt engagierte und in der Sache engagierte Abgeordnete und Abgeordnete, die öffentlich verkünden, sie hätten den Bericht der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) vor deren Anhörung gar nicht gelesen, wie es der Fall des maßgeblichen CDU-Vertreters im Ausschuss war.

Wir haben den Eindruck, dass Abgeordnete und Fraktionen immer noch nicht verstanden haben, was der Untersuchungsausschuss leisten soll und muss. Der Ausschuss wird bloß mehr oder weniger durchgezogen. Wir können noch keine Strategie sehen, die etwas verändern möchte und das Potential dazu hat. Derzeit werden letztlich nur Tatsachen zusammengetragen, die in der Zivilgesellschaft seit Jahren bekannt sind. Frau Leichsenring und Herr Dr. Diemer werden darüber hinaus lediglich ihren Bericht – der nach seinem Inhalt unvollständig bleiben musste – bestätigen. Worin liegt da ein Erkenntnisgewinn?

Aktenanforderungen endlich durchsetzen!

Bisher verweigern Innen- und Justizverwaltung die Herausgabe der relevanten Akten aus den Sicherheitsbehörden an den Ausschuss. Die Justizverwaltung verweist dabei auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main, wonach die Herausgabe von Akten an den vom Hessischen Landtag hierzu eingesetzten Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Lübke bis zum Abschluss des Strafverfahrens die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens gefährde. Derartige Scheinprobleme sind im Zusammenhang mit den vom Bundestag und einzelnen Landtagen eingesetzten NSU-Untersuchungsausschüssen nie konstruiert worden! Ergeben sich aus den Behördenakten tatsächlich noch Wunder, die in das jetzt noch beim Amtsgericht laufende Verfahren gegen Sebastian Thom eingeführt werden können? Und was ist mit den eingestellten Ermittlungsverfahren? Der Ausschuss muss hier endlich aktiv werden und notfalls auch rechtliche Schritte ohne Rücksichtnahme auf die parteipolitische Zuordnung der betreffenden Ressorts ergreifen.

Eine echte Öffentlichkeit des Ausschusses herstellen!

Noch immer warten wir darauf, dass im Neukölln-Untersuchungsausschuss wirkliche Öffentlichkeit hergestellt wird. Die Betroffenen wurden vor dem Ausschuss weitgehend allein gelassen und mussten sich allein der teilweise unfreundlichen Atmosphäre, polemischen Kommentaren und irreführenden bis absurden Fragen stellen.

Wir, die unterzeichnenden Betroffenen und Initiativen, fordern den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, den Ausschuss und seine Mitglieder daher nochmals auf, die räumlichen Bedingungen für eine echte Öffentlichkeit herzustellen.

Wir fordern alle Abgeordneten auf ein Konzept zu erstellen und dafür alles Erforderliche einzuholen. Um, wie es in dem Einsetzungsbeschluss heißt, aufzuklären, welche „Akteure“ und welche „Vernetzungen“ in den Blick genommen werden, oder welche „Muster“, die solche Anschlagsserien ermöglichen wie betrachtet werden sollen, braucht es Entschlossenheit und Transparenz.

Der Prozess gegen die Nazi-Bande um Sebastian Thom zeigt das strukturelleBehördenversagen nochmals auf!

Der seit Monaten vor dem Amtsgericht Tiergarten laufende Prozess gegen Mitglieder einer Nazi-Bande, deren prominentester Vertreter Sebastian Thom ist, macht deutlich, dass Justiz und Sicherheitsbehörden immer noch nicht verstanden haben oder wahrnehmen wollen, dass der Neukölln-Komplex ein berlinweites rechtsterroristisches Netzwerk betrifft.
Vernetzungen und gemeinsame Planungen waren nie Gegenstand der Anklage – es wurden lediglich scheinbare Einzeltaten angeklagt. Das Verfahren gegen den Neuköllner Neonazi Oliver Werner wurde aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt, weil der Angeklagte sich krankgemeldet hatte. Ob und wann der Prozess gegen ihn fortgesetzt wird, ist unklar. Das von der Vorsitzenden Richterin deswegen angeforderte Attest ist offenbar nie eingereicht worden. Im Laufe des Prozesses stellte sich außerdem heraus, dass Werner, der als politischer „Ziehvater“ von Thom gilt, mit seinem Zögling gerichtsfest dabei beobachtet worden war, Morddrohungen an der Wohnung eines Antifaschisten anzubringen. Eine weitere Anklage gegen Werner könnte daran scheitern, dass der Staatsschutz ein an sich von Amts wegen anzuzeigendes Delikt aus „ermittlungstaktischen Gründen“ eben nicht angezeigt hat.

Betroffene der Neuköllner Anschläge und zivilgesellschaftliche Gruppen hatten bereits 2018 eine Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt gefordert. Aber das Bestehen eines kriminellen rechten Netzwerks wurde schon damals nicht einmal in Betracht gezogen.

Die Anklagen im Prozess gegen die Neuköllner Nazibande machen die Täter zu Einzeltätern, ihre Taten zu Einzeltaten. Die Justiz geht also nicht von der Tatsache aus, dass in Berlin – nicht nur in Neukölln – seit deutlich mehr als zehn Jahren ein militantes Neonazi-Netzwerk aktiv ist. Die Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedern der Nazibande ist bei dem Prozess nicht berücksichtigt worden, in der Folge wurde Tilo Paulenz, der Betroffene der Brandanschläge nachweislich ausspioniert hatte, dann auch wegen der Anschläge freigesprochen.

Es sind bereits Burak Bektaş (05.04.2012) und Luke Holland (20.09.2015) ermordet worden. Müssen noch weitere Menschen sterben ehe gegen die Neonazi-Strukturen in Neukölln und den übrigen Berliner Bezirken ermittelt wird?

Auch hier ist klar:

Wir erwarten vom Untersuchungsausschuss Ergebnisse – bevor es wieder einmal zu spät ist.

Berlin, den 4. Januar 2023

Erstunterzeichner*innen (04.01.2023):

BASTA
NSU-Watch
Claudia v. Gélieu
Christian v. Gélieu
Galerie Olga Benario
Reachout
Andere Zustände ermöglichen (aze)
Neukölln Watch
Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschist*innen
Bündnis Neukölln
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş

Freispruch im Neukölln-Prozess, Bewertung der Nebenklage

Bewertung der Nebenklage zur Hauptverhandlung gegen Tilo P.  und Sebastian T. vor dem Amtsgericht Tiergarten im Neukölln-Komplex

Im Neukölln-Prozess wurde heute, am 15.12.2022, einer der beiden  Angeklagten, Tilo P., in Bezug auf die angeklagten Brandstiftungen freigesprochen. Die Entscheidung über den letzten verbliebenen Angeklagten, Sebastian T., steht noch aus. Wir dokumentieren im Folgenden die Bewertung der Nebenklage – Ferat Koçak und seine Rechtsanwältin Franziska Nedelmann – zu diesem Ergebnis. mehr lesen bei nsu-watch

Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex

Gutachten
09.12.2022 Koordinierung der Berliner Register – Gutachten für Untersuchungsausschuss zu Neuköllner Anschlagsserie
25.11.2022 MBR-Projektleiterin Bianca Klose sagt als Sachverständige vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Neuköllner Angriffsserie aus

Protokolle der Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex von NSU-Watch
9. Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex (9. Dezember 2022)
8. Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex (25. November 2022)
7. Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex (11. November 2022)
5. Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex (30. September 2022)
4. Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex (16. September 2022)
3. Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex (2. September 2022)

Stellungnahmen zum PUA Neukölln-Komplex
09.12.2022 Kundgebung: Neukölln-Komplex – Aufklärung & Solidarität
29.09.2022 Statement der Burak-Initiative zum PUA-Neukölln-Komplex
26.09.2022 nsu-watch: Aufruf zur Untersuchungsausschuss-Beobachtung
2022-09-14 Offener Brief: Die Öffentlichkeit im Neukölln-Untersuchungsausschuss muss hergestellt werden!