Redebeitrag der Burak-Ini

Liebe Melek, lieber Ahmet, liebe Familie Bektaş, liebe Freundinnen und Freunde von Burak,
liebe solidarische Menschen,

wir sind heute hier zusammengekommen, weil Burak, euer geliebter Sohn, Bruder und Freund, vor 10 Jahren gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde.

Wir gehen von einem rassistischen Anschlag auf Burak und seine Freunde aus. Seit 10 Jahren stehen wir an der Seite der Angehörigen, begleiten die Ermittlungen und fordern Aufklärung.

Der Mord hat viele Leben verändert. Der Schmerz und die Trauer halten an. Die Zeit überwindet die Wunden nicht. “Acıya zaman aşımı yok.” Neben all dem Leid, dass den Familien und Freund:innen zugefügt wurde, sind auch viele weitere von Rassismus betroffenen Menschen verunsichert worden.

Zur Beerdigung von Burak Bektaş sind über 2000 Menschen gekommen. Freunde und Angehörige haben bereits kurz nach dem Mord eine Demonstration organisiert und Aufklärung gefordert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen beteiligten sich weder bei der Beerdigung noch bei der Demonstration sich als antirassistisch und antifaschistisch verstehende Linke.

Als wir von dem Mord gehört und gelesen haben, war uns schnell klar, dass wir etwas tun müssen. Denn ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU waren wir alarmiert: War das eine NSU-Nachahmungstat? War das ein rassistischer Mord?
Im NSU-Komplex war der institutionelle Rassismus der Ermittlungsbehörden – wieder mal – offensichtlich geworden. Obwohl zahlreiche Angehörige und Überlebende von Anfang an auf ein mögliches rassistisches Tatmotiv hingewiesen haben, wurde in diese Richtung so gut wie gar nicht ermittelt. Ihnen wurde kein Glauben geschenkt. Stattdessen wurden sie selbst verdächtigt. Sie wurden von Opfern zu Tätern gemacht. Das migrantisch-situierte Wissen wurde von Staat, Politik, Ermittlungsbehörden, Polizei und Medien größtenteils nicht beachtet. Und nicht nur das, verantwortliche Stellen haben vertuscht, gedeckt und Aufklärung aktiv verhindert.

Das alles trug zum Ausbleiben der praktischen Solidarität von Zivilgesellschaft, politischen Gruppen und antirassistischen Bewegungen bei. Auch die antirassistische Bewegung, auch viele von uns, haben diese Wirkungsweisen des strukturellen Rassismus nicht durchschaut.

Das sollte uns nicht wieder passieren. Wir hielten es also für das Mindeste, die Familie nicht alleinzulassen und sie in ihren Forderungen und Interessen zu unterstützen. Was im NSU-Komplex zu Tage trat, sollte sich nicht wiederholen. Und so gründete sich die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş und fordert öffentlich Aufklärung, Solidarität und gezielte Ermittlungen in Richtung eines rassistischen Tatmotivs.

Wir, die Burak-Initiative, sind Einzelpersonen, Aktivist:innen, aus den verschiedensten Bereichen und Zusammenhängen in Berlin. Die Initiative gründete sich etwa im Juni 2012, damals bei der Migrant*innenselbstorganisation Allmende am Kottbusser Tor. Es hat eine Weile gedauert, bis wir mit der Familie Kontakt aufnehmen und Vertrauen herstellen konnten. Denn die Polizei hatte der Familie davon abgeraten und die Initiative diffamiert. In der Anfangszeit unserer Arbeit war nicht abzusehen, dass es nach 10 Jahren keine Aufklärung geben würde, und dass wir so lange zusammenarbeiten würden. Wir danken der Familie Bektaş für das langjährige Vertrauen und die Zusammenarbeit mit uns, mit Menschen, die teils seit 10 Jahren dabei sind, oder erst seit 2 Jahren, die euch anfänglich fremd waren und über die ihr nichts wusstet. Wir haben großen Respekt für den Mut und die Kraft, welche die Familie Bektaş in ihrem jahrelangen Kampf um Aufklärung immer wieder aufgebracht hat. Wir haben große Anerkennung für die Freunde von Burak, die über all die Jahre zu ihrer Freundschaft zu Burak und zu Familie Bektaş stehen.

Seit 10 Jahren stehen wir solidarisch zusammen und fordern die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. Was haben wir in dieser Zeit getan?
* Wir haben in Kooperation mit verschiedenen Politiker:innen fast 100 Fragen im Abgeordnetenhaus von Berlin und im Bundestag zu dem Mord gestellt.
* Wir haben zahlreiche Mahnwachen, Gedenkkundgebungen und Demonstrationen organisiert.
* Wir arbeiten mit den Anwält:innen zusammen. Mindestens 8 Anwälte und Anwältinnen waren oder sind mit den Akten beschäftigt.
* Wir haben Konktakte hergestellt zu Journalist:innen und Künstler:innen. Wir haben Veranstaltungen durchgeführt, Pressekonferenzen organisiert, Pressemitteilungen verfasst. Ungezählte Journalist:innen haben berichtet, viele solidarisch, andere haben mit Dreck geworfen und die Angehörigen schwer verletzt.
* Wir haben den Mordprozess an Luke Holland beobachtet, der 2015 in Neukölln ermordet wurde, und Familie Holland unterstützt.
* Wir haben uns mit zahlreichen anderen Gedenk- und Betroffenen-Initiativen bundesweit vernetzt. Wir waren in Köln beim Birlikte Fest und haben daraus das bundesweite Aktionsbündnis-NSU-Komplex-auflösen mitgetragen. Wir haben die Angehörigen und Betroffenen im NSU-Prozess in München unterstützt. Wir haben in München mit Familie Bektaş und ihren Rechtsanwält*innen eine Pressekonferenz durchgeführt.
* Wir haben den Gedenkort für Burak Bektaş an dieser Stelle geschaffen, so wie es sich Melek Bektaş vor Jahren gewünscht hatte. Sechs Jahre hat es gedauert und war nur dank zahlreicher Spenden von rund 70.000 Euro möglich. Der Gedenkort verbindet, er verbindet die Menschen, die trauern, mit den Menschen, die empathisch und solidarisch sind. Er verbindet die persönliche Erinnerung an Burak mit der öffentlichen Erinnerung und politischen Forderung nach Aufklärung.

Wir haben mit euer aller Hilfe getan, was wir konnten. Vielleicht war das nicht genug. Aber ohne all diese Aktivitäten wäre das Verfahren längst eingestellt worden. Das ist sicher.

Das Ergebnis kennen wir alle. Es gibt keins. Dass nach 10 Jahren noch immer kein Täter ermittelt wurde, ist erschütternd und macht fassungslos.

10 Jahre keine Aufklärung und keine Gewissheit. Das heißt 10 Jahre, in denen jeder Gang durch diesen Stadtteil den Gedanken aufkommen lässt, dass der Mörder sich hier noch aufhalten könnte, dass er an der Supermarktkasse hinter uns steht, dass er im selben Restaurant sitzt, dass er genau beobachtet, was wir seit vielen Jahren tun.

Was ist nun unsere Bilanz aus 10 Jahren kritischer Begleitung der Ermittlungsarbeit?

Frau Yozgat sagte nach Ende des NSU-Prozesses “arı gibi çalıştılar ama bal yapamadılar” – “Sie haben wie die Bienen gearbeitet, aber sie haben keinen Honig gemacht”. Das trifft für die Ermittlungen im Fall Burak ebenfalls zu.

Über die Jahre haben wir Detailinformationen über Vorgehensweisen der Ermittlungsbehörden erfahren, die darauf schließen oder zumindest die Ursachen dafür erahnen lassen, warum der Mord an Burak und der Mordversuch an zwei weiteren jungen Männern, nach wie vor nicht aufgeklärt worden sind. Ein paar Beispiele:

* Betroffene Zeugen berichteten, dass die Ermittlungsbehörden schon von Anfang an völlig chaotisch vorgingen.
* Die Überlebenden des Anschlags, die somit direkte Zeugen der Tat waren, wurden nur ein einziges Mal befragt. Dies geschah unmittelbar nach dem Mord, als die Jugendlichen noch unter Schock standen. Es wurde ihnen angekündigt, dass sie nochmal zur Erstellung eines Phantombilds geholt werden würden. Das ist aber nie passiert.
* Die Ermittler:innen haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Hülsen der Projektile hinreichend zu sichern und auszuwerten.

Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Hinweisen gar nicht oder nachlässig nachgegangen wurde:

Wir wissen beispielsweise, dass in dieser Gegend viele Leute von der Polizei zu dem Mord befragt wurden. Was wurde mit den Antworten gemacht? Unklar.

Eine Ermittlungsgruppe des LKA gab Empfehlungen für neue Ermittlungsansätze. Diese wurden aber allem Anschein nach 2 1/2 Jahre lang einfach nicht umgesetzt, sondern ignoriert. Dazu kommt, dass sie erst viel später in die Fallakten kamen, sodass sie in dieser Zeit den Anwält:innen vorenthalten wurden. Nachdem der Skandal öffentlich wurde, versuchte Innensenator Geisel ihn als “Büroversehen” herunter zu spielen.

Ein weiterer Hinweis, dem nicht ordentlich nachgegangen wurde, hängt eng mit dem Mord an Luke Holland zusammen, der am 20. September 2015 in Neukölln ermordet wurde.
Luke Holland wurde von Rolf Zielezinski ermordet, der für diesen Mord auch verurteilt wurde. Im Prozess kamen viele Belege für die rechte, rassistische Gesinnung Zielsinskis zur Sprache. Ein rechtes Tatmotiv wurde von Gericht und Staatsanwaltschaft jedoch nicht festgestellt. Die Tat wurde entpolitisiert und der Mord als “Mord ohne Motiv” dargestellt. Dieses Urteil war ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen und aller, die den Prozess beobachtet haben.

Brisant Im Zusammenhang mit dem Mord an Burak ist, dass der Name Rolf Zielezinski schon 2013 in der Akte zum Mord an Burak Bektaş auftaucht. Rolf Zielesinski war einem Hinweisgeber als illegaler Waffenbesitzer mit einem engen Bezug zum Tatort des Mordes an Burak Bektaş bekannt. Doch diesem Hinweis wurde nicht sorgfältig nachgegangen. Das hat der damalige Kommissar zugegeben, weil es ihm nachgewiesen wurde.

Vor diesem Hintergrund sagte Lukes Mutter Rita Holland: Wäre ordentlich ermittelt worden, hätte der Mord an Luke Holland möglicherweise verhindert werden können und Luke wäre noch am Leben.

Und wie bilanziert die Berliner Staatsanwaltschaft?
Der Mord an Burak sei – Zitat – “gewissermaßen das perfekte Verbrechen”, verlautbarte sie kürzlich in einem Pressegespräch. In Bezug auf die Ermittlungen habe sie sich nichts vorzuwerfen. Diese Schlussfolgerung kommt einer Kapitulation gleich. Sie ist ein Armutszeugnis. Sie ist ein durchschaubarer Versuch, die ergebnislosen Ermittlungen zu legitimieren.
Unsere Forderung nach unabhängigen Ermittlungen im Fall Burak Bektaş wird dadurch ein weiteres mal bekräftigt. Und natürlich werden wir auch den Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex kritisch begleiten und unsere Fragen und Forderungen dort einbringen.

Wir kritisieren seit Jahren und können es nur wiederholen: Einem rechten, rassistischen Tatmotiv wird im Fall Burak Bektaş nicht ausreichend nachgegangen. Die Behörden sind nicht in der Lage oder nicht willens, rechte, rassistische Handlungen und Motive zu erkennen, richtig zu beurteilen und effektiv zu ermitteln. Die Fehler sind nicht mehr gutzumachen.

Wer hat Burak ermordet? Dies ist die Frage, die uns hier alle zusammenführt.
Wir geben die Hoffnung nicht auf. Wir werden nicht vergessen. Und wir werden Aufklärung einfordern, wenn nötig weitere Jahrzehnte. Wir wissen, dass der Mörder irgendwann einen Fehler machen wird. Oder irgendwann ein Mitwisser nicht mehr schweigen kann oder sich verquatscht. Wir werden hier solange stehen, Jahr für Jahr, bis der Mord aufgeklärt ist.

Wir danken euch allen, die ihr heute gekommen seid, dass wir euch dabei an unserer Seite und an der Seite von Familie Bektaş und Buraks Freund:innen wissen.

In Gedenken Burak Bektaş – Einladung zur Filmvorführung am 5.4.2022 um 20.00 Uhr im Rollberg-Kino und anschließend Offenes Gespräch

In Gedenken Burak Bektaş
Wir laden herzlich ein zum “Offenen Gespräch” nach der Filmvorführung am 5.4.2022 um 20.00 Uhr im Rollberg-Kino
Zusammenkommen beim Filmabend anlässlich des 10.Jahrestages der Ermordung von Burak Bektaş
PM ZDFinfo Rechter Terror in Neukölln – Über den Fall Burak Bektaş

“Die ZDF info-Dokumentation rekonstruiert den Fall und nimmt die Zuschauer mit an die Schauplätze der Tat. Autorin und Regisseurin Carla Röthig ist es unter anderem gelungen, vor der Kamera mit den Freunden von Burak Bektaş zu sprechen, die in der Tatnacht mit ihm unterwegs waren und teilweise selbst lebensgefährlich verletzt wurden. Welche Erinnerungen haben sie an die Tatnacht? Die Autorin hat zudem mit der Familie und mit deren Anwalt Mehmet Daimagüler gesprochen, einem der Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess. Einblick in die Ermittlungsarbeit zum Mord an Burak Bektaş geben Alexander Huebner, Kriminalhauptkommissar beim LKA Berlin und von Beginn an mit den Ermittlungen im Fall Bektaş betraut, sowie der Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner.”

Grussworte der Burak-Initiative in Gedenken Mehmet Kubaşık (4.4.2022):

Liebe Familie Kubaşık, Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Initiative

es sind nun 16 Jahre her seit Mehmet Kubaşık, ihrem Geliebten Mann, ihrem geliebten Vater, ihrem geliebten Angehörigen und Freund gewaltsam das Leben genommen wurde, in der Mallinckrodtstraße in Dortmund.
Seit bekannt werden der Täter und Täterinnen stehen sie mutig und entschlossen für den Kampf um Anerkennung und Aufklärung. Eure Entschlossenheit und euer Mut sind uns ein Vorbild. Der Prozess gegen den sogenannten NSU ist abgeschlossen erklärt worden, aber es ist kein Schlussstrich – der NSU und der dahinterstehende Komplex sind noch längst nicht aufgeklärt.
Wir gedenken heute am 4.4.2022 Mehmet Kubaşık. Morgen am 5.April gedenken wir Burak Bektaş, der in Berlin im Jahre 2012 ermordet wurde, im Stile des NSU. Der Täter ist bis heute nicht ermittelt. Und am 6.4. Gedenken wir Halit Yozgat, der in Kassel 2006, keine 2 Tage nach Mehmet Kubaşık, ebenfalls vom NSU ermordet wurde.
Wir Gedenken am 6. April 1991 auch Jorge Gomondai, einem Arbeiter mit Migrationsgeschichte aus Mosambik, der in Dresden ermordet wurde.
Seit der Ermordung von Burak Bektaş sind nun 10 Jahre vergangen. Es sind 10 Jahre der Solidarität und 10 Jahre, der Ungewissheit und Verunsicherung – 10 Jahre keine Aufklärung.
Acıya zaman aşımı yok – Keine Zeit überwindet diese Wunden.
Aber wir kämpfen für Gerechtigkeit und für Veränderung.
Seit vielen Jahren sind wir in unseren Kämpfen verbunden in Dortmund -Berlin-Kassel-Halle-Hanau oder München, gegen rassistische und rechte Morde und Gewalt hier und überall sonst auf der Welt.
Gemeinsam stehen wir gegen jeglichen Rassismus und Nationalismus – Für eine bessere Welt.
Wir grüßen euch und sind in unseren Herzen bei euch.
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.
Berlin, den 4.4.2022

Bündnis “Tag der Solidarität” Dortmund

Luke Holland wäre am 4. April 2022 38 Jahre alt geworden

Montag, 4. April 2022 – das ist der 38. Geburtstag von Luke Holland.
Wir waren um 17 Uhr dort, um Luke zu gedenken und Blumen an seinem Sterbeort niederzulegen.

Hier die Worte von seinem Vater Philip Holland:
“Seit der Ermordung von Luke und jetzt, seit dem Tod von Rita, besteht mein Leben nur noch aus Verzweiflung, ohne Zukunft, ohne Glück.
Nach außen hin wirke ich normal, aber mein Herz weint jeden Tag.
Die Anstrengung, die es mich jeden Tag kostet, nicht an Luke und Rita zu denken, ist anstrengend.
Ich gebe Rolf Zielezinsky die Schuld an ihrem Tod, aber auch der Berliner
Polizei, dass sie den Mord an Burak Bektaş nicht so untersucht hat, wie sie es hätte tun sollen.
Hätte die Polizei eine vollständige Untersuchung durchgeführt, wären Luke und Rita heute noch am Leben und es könnte ihnen gut gehen.
Mein Herz und mein Leben sind gebrochen.”
Philip Holland (April 2022) Continue reading Luke Holland wäre am 4. April 2022 38 Jahre alt geworden

Luke Holland should have been 38 years old on April 4, 2022

Monday, 4th April 2022 – it´s the 38th birthday of Luke Holland.  
We want to be there at 5 p.m.  to remember Luke and place some flowers where Luke died.

Here the words from his father Philip Holland:
“Ever since Luke’s murder, and now, since Rita’s death, my life has been just existing in despair, no future, no happiness.
I appear normal on the outside but my heart weeps every day.
The effort it takes, each day, to try and not think about Luke and Rita, is exhausting.
I blame Rolf Zielezinsky for their deaths, but also blame the Berlin
police, for not investigating the murder of Burak Bektaş, as they should have.
If the police had progressed a full investigation, Luke and Rita would be alive and thriving in this world today.
My heart and life are broken.”
Philip Holland (April 2022) Continue reading Luke Holland should have been 38 years old on April 4, 2022

Pressemitteilung der Anwälte der Familie Bektas zum 10. Todestag von Burak Bektas

Am 5.4.2022 jährt sich der Tod des Sohnes und des Bruders unserer Mandant*innen, Burak Bektas, zum 10. Mal. Noch immer ist kein Täter verurteilt. Es ist nicht einmal ein Tatverdächtiger ermittelt. Wie kann das sein?

Unsere Mandant*innen verstehen nicht, warum nicht alles dafür getan wurde, den Mord an ihrem Sohn und den Mordversuch an seinen Freunden Alex und Jamal aufzuklären.

Die Fragen, die die Eltern sich stellen, sind immer noch nicht beantwortet: War Rassismus das Motiv? Warum erinnert die Tatausführung so sehr an den NSU, der sich ein halbes Jahr vor dem Mord an Burak selbst enttarnt hatte? Welche Unterstützer hatte der NSU in Berlin, in Neukölln, und welche davon sind nach wie vor nicht ermittelt? Gibt es Kontakte der Neonazis in die Sicherheitsbehörden? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Burak und der rechtsextremen Serie von Brandanschlägen in Süd-Neukölln seit 2011?

All diese Fragen sind nicht beantwortet. Erst am Freitag hat die Berliner Staatsanwaltschaft eine kurzfristige Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen abgehalten. Unsere Mandant*innen hat sie nicht informiert und nicht eingeladen. Gleichzeitig bleibt das Unverständnis, warum Hinweisen aus der Bevölkerung und der Familie nicht oder erst sehr spät nachgegangen wurde. So haben die Ermittler in einer Fallanalyse untersucht, welche Beweggründe der Täter gehabt haben könnte. Die Hypothese, dass der Mörder von Burak ihn und seine Freunde (allesamt PoC) aufgrund eines rechten bzw. rassistischen Motivs attackiert hat, haben die Ermittler nicht aufgestellt. Diese Nachlässigkeit besorgt uns.

Wir geben die Hoffnung aber nicht auf. Im Namen der Familie bedanken wir uns bei allen, die die Familie seit 10 Jahren unterstützen, die Initiative für die Aufklärung des Mordes, alle die, die für die Aufklärung demonstriert haben, sich im Abgeordnetenhaus damit beschäftigt haben oder auch als Journalist*innen.

Der Mord an Burak hat nicht nur Bedeutung für die Eltern und die Geschwister und Buraks Freunde. Er hat auch Bedeutung für die gesamte Bevölkerung Neuköllns und Berlins.

Es darf nicht sein, dass Menschen in unserer Stadt in Angst leben müssen, aus Rassismus angegriffen und sogar ermordet zu werden. Auch deswegen ist es so wichtig, dass dieser Fall restlos aufgeklärt wird und der Täter zur Rechenschaft gezogen wird.

Wir hoffen, dass auch der beginnende Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus dazu beitragen wird, aufzuklären, warum gerade in einem frühen Ermittlungsstadium nicht alles versucht wurde, den Mord aufzuklären und warum nicht sofort gründlich in Richtung eines rechtsradikalen Tatmotivs ermittelt wurde.

Berlin, den 04.04.2022

Rechtsanwälte Dr. Mehmet Daimagüler, Ogün Parlayan, Onur Özata, Dr. Lukas Theune

10 YILLIK DAYANIŞMA 10 YILDIR AYDINLATMAMA

Burak Bektaş’ın öldürülmesinin 10. yıl dönümü mitingi

10 Nisan Pazar, 14:00
Burak Bektaş anma yeri
Rudower Caddesi / Möwenweg

10 yıl önce – 5 Nisan 2012’de – 22 yaşındaki Burak Bektaş Neukölln’de sokakta kimliği belirsiz bir kişi tarafından vurularak öldürüldü ve iki arkadaşı ağır yaralandı. Şu ana kadar soruşturma sonucu yok. Olayın seyri NSU cinayetlerini andırıyor. Bunun tersi kanıtlanmadığı sürece, suçun nedeni olarak ırkçılığı varsayıyoruz. Ölümünün 10. yıl dönümünde Burak Bektaş’ı anmak ve bu cinayeti dava etmek için yeniden bir aradayız: Katilini bulun!

Bu suçlama, anma yeri aracılığıyla kamuoyuna görünür hale geldi. Burak’ın öldürülmesini ve diğer faili meçhul suçları hatırlatıyor. Ancak anma yeri aynı zamanda akrabalarının, dostlarının ve ırkçılığın olmadığı bir toplum için, daha farklı, daha iyi bir dünya için birlikte mücadele eden herkesin dayanışmasının ve ortak mücadelesinin bir göstergesidir. 10. yıl dönümü için yapılan sayısız bağış sayesinde, anma yerinde inşaat çalışmalarını tamamlayabildik. Tüm destekçilere teşekkür ederiz.