>>debate<< – Online-Vortragsreihe 2020
Der Begriff „debate“ stammt aus dem Jiddischen und bedeutet „Auseinandersetzung“.
Um nicht weniger geht es in unserer diesjährigen Vortragsreihe. Auseinandersetzen wollen wir uns mit vielfältigen Themen, die bisher in Augsburg weniger Beachtung fanden, nämlich mit dem Konzept „Rausch“, dem Verhältnis von Tierliebe und Menschenhass, mit dem „Geschlecht der Revolution“, wahnhaften „Incels“ und polizeilichem Arbeiten.
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Mira Landwehr: Vier Beine gut, zwei Beine schlecht
13.11.2020, 19:00 Uhr, Online
Der Veganismus hat Probleme: seine Popularität und seine Anhängerinnen. Der Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen verkündet stolz, „Vollveganer“ zu sein. Der rechte Esoteriker Ruediger Dahlke bereichert den Buchmarkt jedes Jahr mit einem neuen veganen „Peace Food“-Kochbuch. Holocaust-Relativierungen sind aus Diskussionen um die Ethik der Ernährung nicht wegzudenken.
In einer als unübersichtlich und chaotisch wahrgenommenen Umwelt, in der das Individuum keine Rolle spielt, scheint für manche Menschen alles, was mit dem nichtssagenden Label „alternativ“ versehen ist, ein erstrebenswerter Ort der Selbstbestimmtheit zu sein, der die Rückgewinnung von Kontrolle verspricht. Die bewusst gewählte und individuell gestaltete Lebensweise mit starker Betonung der Ernährung wird für manche zum ordnenden Korrektiv. Wird Veganismus zur Weltanschauung, gehen mit ihm mitunter eine Art Auserwähltheitsglaube sowie eine Religiosität zusammen, die sich sektenähnlich manifestieren kann.
Weite Teile der veganen Tierrechtsbewegung begrüßen Rassistinnen, Ökofaschistinnen und andere Menschenfeindinnen an Infoständen, auf Demonstrationen und als ihre medial wirksamen Fürsprecherinnen – der Schlachtruf lautet: „Hauptsache für die Tiere!“ Dieser Vortrag soll verstehen helfen, warum Tierliebe und Menschenhass so nah beieinander liegen und warum es so schwer ist, mit Leuten in der Szene darüber zu sprechen.
Stephanie Schmidt: Blackbox Polizei – Einblicke in polizeiliches Handeln
04.12.2020, 19:00 Uhr, Online
Ob bei Fußballspielen, Demonstrationen oder Verkehrskontrollen – die Polizei gilt als eine der bekanntesten und zugleich am wenigsten verstandenen Institutionen. Die Konfrontation mit der Polizei ist häufig konflikthaft und ihre Handlungen unverständlich. Damit sorgt sie auch immer wieder für Kritik.
Der Vortrag will einen Blick in diese Black Box Polizei ermöglichen und den Alltag polizeilichen Arbeitens ergründen. Er beschäftigt sich mit polizeilichen Verhaltensprognosen und polizeilichen Ideen von Sicherheit und Ordnungen, in ihrer Relevanz für polizeiliches Handeln.
Veronika Kracher: Wahnhafte Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines frauenverachtenden Online-Kults
11.12.2020, 19:00 Uhr, Online
Was ist eine „Stacy“? Und ein „Chad“? Was bedeuten Begriffe wie „Roastie“, „blackpill“, „Wristcel“, „looksmaxing“ und „Femoid“?
Es handelt sich hier um den Code der sogenannten Incel-Subkultur, ein misogyner Online-Todeskult, der seit 2018 in den Blick der Öffentlichkeit geraten ist. „Incel“ ist die Kurzform für „Involuntary Celibate“- unfreiwillig im Zölibat lebende. Denn dieses jedoch nur scheinbar unfreiwillige Zölibat konstituiert die komplette Identität dieser frustrierten jungen Männer.
Im April 2018 fuhr der Kanadier Alek Minassian mit dem Auto in eine Menschenmenge, um Rache dafür zu nehmen, dass er immer noch keinen Sex gehabt hatte. Sein Vorbild war Elliot Rodger, Held der Incels, der 2014 sechs Menschen tötete, 13 weitere verletzte, und ein über hundert Seiten langes Manifest hinterließ, das zum Manifest der Incel-Bewegung wurde.
Frauen würden einem Sex schulden, und müssen dafür bestraft werden, dass sie diesen verweigern, so der Tenor. Dass Frauenhass, Antisemitismus, Rassismus und die selbstgefällige Anspruchshaltung, man hätte allein seines Geschlechts wegen schon Sex verdient, Schuld daran tragen, dass die sich in der Alt-Right verortenden Incels in der Partnerinnenwahl versagen, wird vehement geleugnet.
Denn so wie man Frauen hasst, hasst man als Incel auch sich selbst: Incels hängen dem fatalistischen Glauben an, sie seien aufgrund der eigenen Hässlichkeit ohnehin determiniert, für immer ein Dasein als ungeliebter Einzelgänger zu fristen – Frauen seien schließlich alles oberflächliche Schlampen. Denn es gibt kaum etwas was der Incel mehr verabscheut als selbstbestimmte weibliche Sexualität.
Als Ventil für den eigenen Frust scheint das Internet. In Foren tauscht man sich mit Gleichgesinnten über die Verkommenheit von als „Femoids“ dehumanisierten Frauen aus, ergießt sich in Vergewaltigungs- und Mordfantasien, und bestätigt sich gegenseitig, dass man Abschaum sei, denn: Selbst- als auch Frauenhass bestimmen das komplette Dasein der Incels.
Diese permanente, aber nur vermeintliche Kränkung ist dem Incel untragbar, und muss so ihre Wiedergutmachung im Terror gegen Frauen finden , wie Männer wie Rodger, Minassian, oder Scott P. Beierle beweisen.
Doch Incels sind keine „schwarzen Schafe“, sondern ihre Ideologie ist in patriarchalen Verhältnissen verwurzelt: der Glaube auf das Recht auf den weiblichen Leib, als auch die Abwertung von Frauen und deren selbstbestimmter weiblicher Sexualität sind auch außerhalb von Incel-Foren hinaus weit verbreitet.
>Aufgrund der Corona-Krise und den damit einhergehenden Beschränkungen werden die Vorträge im Online-Format stattfinden.
Die Zugangsdaten werden zeitnah hier veröffentlicht.<