Definition

Ein Feminizid ist keine Beziehungstat!

Häufig werden Femizide medial als “Eifersuchtsmorde, Familiendramen, Beziehungstragödien” behandelt. Motive wie Eifersucht, Kränkung, unerwiderte Liebe werden dabei herangezogen, als könnten sie einen Mord rechtfertigen. Dabei wird die strukturelle Ebene der Gewalt ausgeblendet und auch, dass die Tötung nur die Spitze des Eisbergs patriarchaler Gewalt ist. Aufs Jahr gerechnet wird jeden dritten Tag eine Frau durch einen (Ex-)Partner getötet. Gewalt im Vorfeld der Tat ist der größte statistische Risikofaktor¹. Gewalt gegen Frauen und feminisierte Personen* ist ein wichtiges Instrument, um Frauen und unterdrücken zu können.

Die patriarchale Gesellschaftsordnung erhebt einen bestimmten Anspruch gegen Frauen: Loyalität, Zuneigung, Reproduktion. Wenn dieser Anspruch ins verfehlt wird, zum Beispiel wenn eine Frau sich trennt oder das vermeintlich Rollenbild verfehlt, sehen wir Gewalt. Ein Trennungswunsch erhöht beispielsweise das Risiko, in einer hetero-Beziehung Gewalt zu erleben². Aber auch wenn keine Frau verfügbar ist, die diesen Anspruch erfüllt, existiert diese Gewalt, die wir zum Beispiel bei den von Incels in den USA verübten Feminiziden sehen konnten. Gewalt entspringt aber nicht nur der Enttäuschung eines vermeintlichen Anspruch. Sie wird gesellschaftlich benötigt, um die (unbezahlte) (Reproduktions-) Arbeit von Frauen herzustellen und zu verankern, und die Unterdrückung von Frauen aufrecht erhalten zu können.

/* nicht nur Frauen, sondern auch nicht-binäre und trans* Personen, die von der Gesellschaft als Frauen katgorisiert werden, können patriarchale Gewalt erleben und Opfer von Femiziden werden

Der Feminizid geht uns alle an

Feminizide passieren allerdings nicht nur in Beziehungen und Familien, sondern auch in Kriegen und bei der Tötung weiblicher Nachkommen oder durch die fehlende Bereitstellung spezifischer medizinischer Versorgung. In fast allen Ländern der Welt sind Frauen schlecht vor Gewalt geschützt. Präventive Schutz, u.A. in Form von Frauenhäusern und Beratungsstellen fehlt auch in Deutschland. Gerade für Frauen die ökonomisch oder aufenthaltsrechtlich in einer Abhängigkeit vom Täter stehen, mangelt es dadurch an Gewaltschutz.³ Auch leistet der Staat kaum statistische Erfassung von Gewalt und oder verbesserten rechtlicher Schutz und Anerkennung struktureller Gewalt gegen Frauen und Queers. Es gibt keine ausreichenden Bedingungen um unsere Leben zu schützen! Marcela Lagarde definiert deswegen den Feminizid als ein Staatsverbrechen.

¹Campbell, Jacquelyn C., et al. “Risk factors for femicide in abusive relationships: Results from a multisite case control study.” Domestic Violence. Routledge, 2017. 135-143.

² Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland – Langfassung Teil 1. In. Berlin: BMFSFJ. S.57; 285

³GREVIO-Schattenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland vom Dachverband der Migrantinnenorganisationen e. V., November 2020