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Neonazidemo am 14.12. in Berlin – Rechte Vernetzung mit Bundesmitteln?

Am 14. Dezember 2024 soll in Berlin unter dem Motto „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ eine extrem rechte Demonstration stattfinden. Der Aufruf dazu kommt von einem sogenannten „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“. Wer dahinter steht, ist nicht offiziell bekannt, da sich bisher nur wenige Personen öffentlich zu dieser Struktur bekannt haben. Neben „Junge Alternative“ (JA) Mitgliedern aus unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik tauchen auch Neonazis aus Berlin und Brandenburg im Rahmen der Demonstration auf. Die Verbindung zwischen diesen regional sehr unterschiedlichen Akteuren könnte der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich sein. Recherchen legen nahe, dass sich die Struktur um den 14. Dezember auf einer von Helferich angebotenen Berlinfahrt vernetzt haben könnte. Hat der Abgeordnete aus Bundesmitteln ein extrem rechtes Treffen finanzieren lassen?

Die AfD lädt nach Berlin…

Matthias Helferich ist das „freundliche Gesicht des NS“. So zumindest bezeichnete sich der Dortmunder Bundestagsabgeordnete und AfD-Politiker in internen Chats. Dennoch konnte er 2021 über die Landesliste der Partei in Nordrhein-Westfalen in den Deutschen Bundestag einziehen. Allerdings löste er mit seiner extrem rechten Ausrichtung eine Kontroverse aus, in deren Verlauf er auf die Aufnahme in die AfD-Fraktion verzichtete. Trotzdem nominierte ihn sein Kreisverband der AfD erneut zum Direktkandidaten. Helferich zeigt sich gerne als Mitglied und Fürsprecher der extrem rechten Parteijugend. Somit ist Helferich ein bundesweit wichtiger Schnittpunkt zwischen offen völkischen Teilen der AfD, unterschiedlichen Verbänden der JA und Strukturen der außerparlamentarischen extremen Rechten. Allein 2024 organisierte er zwei Veranstaltungen mit dem völkischen Publizisten Götz Kubitschek (zuletzt am 4. Dezember 2024 im Bundestag). Zudem spendete er im November öffentlichkeitswirksam eine vierstellige Summe an das extrem rechte Kampagnen-Netzwerk „Ein Prozent“.

Obwohl Matthias Helferich fraktionslos ist, genießt er die regulären Privilegien eines Bundestagsabgeordneten. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit über das Bundespresseamt mehrmals im Jahr „politisch interessierte Bürger“ kostenlos für mehrere Tage nach Berlin einzuladen. Diese sogenannten BPA-Fahrten umfassen Besuche von Museen, Gedenkstätten und politischen Institutionen sowie ein kleines Rahmenprogramm mit Restaurant- und Kneipenabende. Matthias Helferich nutzte dieses Angebot in der Vergangenheit regelmäßig. Seine dritte BPA-Fahrt im Jahr 2024 fand vom 10. bis zum 12. Oktober statt. Nur wenige Tage zuvor wurde der Account „Aktives Berlin“ auf Telegram erstellt und eine erste Aktion angekündigt.

Der Fahrt-Zeitraum war gezielt gewählt. Am 10. Oktober hielt Helferich als selbsternannter „Bundestags-Talahon“ eine rassistische Rede im Parlament. In Jogging-Anzug und mit Goldkettchen trat er ans Podium, um mit der Karnevalsnummer Klickzahlen auf Social Media zu generieren. Im Anschluss an seine Rede traf sich Helferich in voller Verkleidung mit den Teilnehmenden der Fahrt und ließ sich von ihnen für die rassistische Provokation feiern. Neben der schamlosen Selbstvermarktung von Matthias Helferich stand unter anderem noch ein Besuch beim Bundesnachrichtendienst auf dem Programm. Am 11. Oktober ging es für die Teilnehmenden der Fahrt in den Bundestag für eine Diskussionsrunde mit Helferich, Roger Beckamp und Eugen Schmidt (alle AfD). Anschließend erfolgte ein Besuch ins Berliner Abgeordnetenhaus, wohin die extrem rechte Reisegesellschaft aus NRW von Thorsten Weiß eingeladen wurde. Weiß, ein enger Freund von Björn Höcke, ist der ehemalige Obmann vom völkischen „Flügel“ in Berlin und eine profilierte Figur am völkischen Rand der AfD. In diesem Sinne scheint Helferich seine BPA-Fahrten gezielt für eine Vernetzung von extrem rechten Kräften in der AfD zu nutzen, um so deren Einfluss in der Partei auszubauen.

und die extreme Rechte kommt zusammen

Dementsprechend lohnt sich auch ein Blick auf die Teilnehmenden der BPA-Fahrt. Unter ihnen fällt besonders Ferhat Sentürk auf. Wenig Wochen nach dem Berlin-Besuch wird der extrem rechte Möchtegern-Influencer als erste Person öffentlich in einem Video für das „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“ auftreten.

Diese Parteinahme verwundert, da der Aktionsschwerpunkt des politischen Selbstdarstellers zuvor vor allem im Raum Aachen lag. Dort engagierte sich Sentürk seit Anfang 2024 in der lokalen AfD und stieg schnell als Beisitzer in den Vorstand des Stadtverbandes auf. Parallel bemühte er sich um eine starke Anbindung an die Strukturen der JA in Nordrhein-Westfalen, ohne jedoch zu deren engerem Führungskreis zu gehören. In diesem Zusammenhang dürfte auch der persönliche Kontakt zu Matthias Helferich zustande gekommen sein. Im Rahmen der BPA-Fahrt im Oktober scheint Sentürk sogar der Ansprechpartner für die Teilnehmenden aus dem Raum Aachen gewesen zu sein.

Doch wie Helferich ist auch Sentürk in der AfD nicht unumstritten. Anfang Oktober organisierte er einen Stammtisch der JA in Aachen. Als rund 40 Antifaschist*innen versuchten die Veranstaltung zu blockieren, griff Sentürk diese körperlich an. Im Anschluss distanzierte sich der AfD-Kreisverband Aachen von ihm und brachte sogar ein Parteiausschlussverfahren ins Spiel. Am 1. Dezember eskalierte der parteiinterne Streit öffentlich. Als Sentürk von einer Sitzung des Kreisverbandes ausgeschlossen werden sollte, lieferte sich eine Rangelei mit dem anwesenden Sicherheitsdienst. Inzwischen gibt er an, selbst aus der AfD ausgetreten zu sein und eine neue rechte Partei gründen zu wollen. Dennoch bewirbt Sentürk weiterhin die Demonstration vom 14. Dezember. Vor diesem Hintergrund erscheint diese einerseits wie der Versuch eines politischen Egomanen, sich mit einem Schlag einen Namen innerhalb der extremen Rechten bundesweit machen zu wollen, und andererseits auch als beleidigte Rache an linken Strukturen nach der antifaschistischen Blockade von Sentürks JA-Stammtisch in Aachen.

Extrem rechtes Vernetzungstreffen in Berlin

Doch Ferhat Sentürk war nicht der einzige Akteur der extrem rechten Demonstration in Berlin, der im Rahmen von Helferichs BPA-Fahrt auffiel. So veröffentlichte der Eberswalder AfD-Lokalpolitiker Maximilian Fritsche ein Foto, das ihn mit Helferich in gemütlicher Bierrunde im „Valentin“ an der Hasenheide in Neukölln zeigt. Der Brandenburger Neonazi Luka Zechel teilte ebenfalls ein Foto von sich und Helferich, das ebenfalls in dem Neuköllner Restaurant aufgenommen wurde. Auf beiden Fotos trägt Helferich eine hellgraue Anzugjacke mit schwarzem Einstecktuch, ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte mit hellem Muster.

In seinen online-Auftritten ist er in diesem Outfit bei genau zwei Veranstaltungen zu sehen. Das ist einmal die Diskussionsveranstaltung im Bundestag am 11. Oktober und der Besuch im Abgeordnetenhaus am gleichen Tag (siehe Bild 3). Es ist somit davon auszugehen, dass die Kneipen-Fotos ebenfalls am 11. Oktober und damit im Zeitraum der BPA-Fahrt aufgenommen worden sind. Aufgrund der gut gefüllten Tische im Hintergrund könnte der Besuch im „Valentin“ sogar ein offizieller Punkt der vom Bundespresseamt organisierten Fahrt gewesen sein.

Einige Zeit später tauchten Maximilian Fritsche und Luka Zechel dann ebenfalls im Kontext der extrem rechten Demonstration am 14. Dezember auf. So wurde Fritsche in einer Veröffentlichung vom „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“als Organisator angeführt.

Der Tischler Fritsche aus Eberswalde sitzt für die AfD in der Stadtverordnetenversammlung und ist Beisitzer im Barnimer Kreisvorstand. Zudem ist er in der JA Brandenburg aktiv, ohne dort im Vordergrund zu agieren. Bei öffentlichen Aktionen tauchte er zum Beispiel am 8. und 15. Januar 2024 mit einer JA-Delegation bei den „Bauernprotesten“ in Berlin auf. Am 22. April 2024 nahm er an einer AfD-Kleinstkundgebung gegen einen geplanten Solarpark in Falkenberg/Mark teil und am 16. Juli 2024 besuchte die Versammlung gegen das Verbot des extrem rechten Medienunternehmens „COMPACT“ in Falkensee. Insgesamt verfügt Fritsche wie auch Sentürk über ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, ist in der AfD jedoch politisch eher unbedeutend. Nichtsdestotrotz ist er in die Strukturen der JA eingebunden und gut mit Akteuren der außerparlamentarischen Rechten vernetzt.

Wahrscheinlich kam über ihn auch der Kontakt zu Luka Zechel zustande. Dieser lebt unweit von Eberswalde in Bad Freienwalde. Bis zum Frühjahr 2024 war Zechel vorwiegend aus einer rechtsoffenen Szene bekannt, die sich rund um den örtlichen Bahnhof trifft. Im Juli tauchte er im Kontext des versuchten Neonazi-Angriffs auf den CSD in Berlin auf. Zuletzt nahm er am Neonaziaufmarsch der beiden Gruppen „Deutsche Jugend Voran“ und „Jung & Stark“ am 19. Oktober 2024 in Berlin-Marzahn teil. Zechel sucht sowohl Kontakt zur AfD, beispielsweise auf deren „Familienfest“ in Bad Freienwalde, als auch zu den neueren jugendlichen Neonazivernetzungen. Es ist somit möglich, dass während der BPA-Fahrt von Matthias Helferich nicht nur der völkische Rand der AfD zusammenkam, sondern ebenso die Vernetzung mit gewaltbereiten Neonazis betrieben wurde. Kurz nach dem Bekanntwerden der Demonstrationsanmeldung in Friedrichshain begann Zechel jedenfalls, die Veranstaltung massiv auf seinen Social-Media-Seiten zu bewerben und damit zielgerichtet in das Spektrum der neuen Neonazizusammenschlüsse zu pushen.

Julia Ender und Luka Zechel auf dem „Familienfest“ der AfD am 14.09.2024 in Bad Freienwalde, Foto: Pressefuchs

Hofiert ein Bundestagsabgeordneter Neonazis?

Diese ausgestellte Begeisterung könnte auch damit zusammenhängen, dass Jannik D. Giese, der mutmaßliche Leiter der Demonstration am 14. Dezember, ein enger Freund von Zechel ist. Darüber hinaus ist zu Giese relativ wenig bekannt. Zuletzt nahm er am Neonaziaufmarsch am 19. Oktober in Berlin teil. Auch Jannik D. Giese tauchte im Zusammenhang mit der BPA-Fahrt vom Abgeordneten Matthias Helferich auf. Es existieren gemeinsame Fotos von Giese, Fritsche und Zechel an einem unbekannten Ort, die aufgrund der Kleidung höchstwahrscheinlichaus dem Zeitraum der Berlinfahrt stammen. Zudem prahlte Giese im Anschluss an das Wochenende damit, am 10. Oktober im Bundestag gewesen zu sein.

Wer außer Ferhat Sentürk von den Organisatoren des Neonaziaufmarsches in Berlin regulärer Teilnehmer der Fahrt von Helferich war, kann momentan nicht abschließend geklärt werden. Zumindest kamen auch andere Berlin-Gäste von Helferich nicht aus seinem Wahlkreis. Letztendlich ist es auch wenig relevant, wo sich Fritsche, Zechel und Giese getroffen haben und ob sie dies bereits während des offiziellen Programms taten. Sicher ist, dass sie sich später mit Matthias Helferich (und wahrscheinlich auch Ferhat Sentürk) trafen, um ihre Pläne bei einem Bier im „Valentin“ zu konkretisieren. Somit konnten erst durch die von Helferich organisierte Fahrt alle zentralen Akteure der extrem rechten Demonstration vom 14. Dezember in Berlin zusammenkommen. Der Bundestagsabgeordnete hat damit aller Wahrscheinlichkeit seine aus Bundesmitteln finanzierten Privilegien genutzt, um im Kontext einer vom Bundespresseamt finanzierten Fahrt extrem rechte Strukturen außerhalb der AfD miteinander zu vernetzen. Höchstwahrscheinlich hat er dabei sogar bekannten Neonazis einen kostenlosen Berlinaufenthalt bei Essen und Getränken ermöglicht. Hier zeigt sich exemplarisch, wie von der AfD aufgestellte Abgeordnete die Spielräume ihrer Mandate ausnutzen, um auch außerparlamentarisch politische Wirkungen zu entfalten.

Der harte Kern der Neonazigruppen DJV & JS (Outingplakat, aktuelle Einschätzung, Razzien und nächste Neonazidemo)

Stand Dezember 2024. Einige Informationen wurden aktualisiert.

Für die neuen Neonazivernetzungen „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) und „Jung & Stark“ (JS) war der vergangene Monat ziemlich turbulent. Zuerst hatten beide Zusammenschlüsse am 19. Oktober 2024 den ersten Neonaziaufmarsch in Berlin seit 2020 organisiert. Auf diese Weise versuchten sie, eine parallel stattfindende feministische Antifa-Demonstration zu stören. Trotz bundesweiter Mobilisierung kamen jedoch nur circa 150 Neonazis nach Berlin-Marzahn. Wenige Tage später folgte dann am 23. Oktober eine Reihe an Razzien gegen DJV, JS und ihre Umfelder. Hintergrund waren vornehmlich polizeiliche Ermittlungen zu mehreren Übergriffen in der Vergangenheit. In Rahmen der Geschehnisse sind einige neue Informationen ans Tageslicht gekommen, die wir im folgenden Übersichtsartikel zusammengefasst haben. Mittlerweile hat sich ein konstanter personeller Kern beider Gruppen herauskristallisiert. Mit einem Outingplakat sollen die gewalttätigen Neonazis bekannt gemacht werden und Personen für die von ihnen ausgehenden Gefahren sensibilisiert werden. Weiterhin soll der Übersichtsartikel eine kurze Einschätzung über aktuelle Verbindungen von DJV zu anderen Gruppierungen geben und eine Einschätzung zu deren Beteiligung bei der angekündigten rechten Demonstration am 14.12.2024 in Berlin-Friedrichshain.

 Die Köpfe der Demonstration am 19. Oktober 2024

Nachdem für den 19. Oktober 2024 eine feministische Antifa-Demo in Berlin-Marzahn angekündigt wurde, begannen die Kreise um DJV und JS mit einer Gegenmobilisierung. Ihre Strategie erinnerte dabei an die neonazistischen Proteste gegen CSD-Veranstaltungen in den letzten Monaten. Mit einem eigenen Aufmarsch wollten die Neonazis Dominanz auf den Straße ausstellen und so andere Meinungen und Lebensentwürfe unsichtbar machen. Zu diesem Zweck mobilisierten beide Gruppen bundesweit und konnten unter anderem eine kleinere Delegation von „Revolte Chemnitz“ nach Berlin locken. Insgesamt blieb der Neonazi-Aufmarsch mit rund 150 Teilnehmenden deutlich hinter den Erwartungen der Organisierenden zurück. Auch die gewählte Taktik, mehrere hundert Meter hinter der antifaschistischen Demonstration zu laufen, hat nicht zur Attraktivität der Neonaziversammlung beigetragen. Dennoch kam es im Vorfeld und im Umfeld des Aufmarsches zu verstärkten Neonazi-Aktivitäten, was sich auch in körperlichen Übergriffen äußerte.

Als organisatorischer Kern des Neonaziaufmarsches traten größtenteils die aus den letzten Monaten bekannten Gesichter auf. Geleitet wurde die Versammlung erwartungsgemäß von Julian Milz, dem Kopf von DJV in Berlin. Als Anmelder trat jedoch Erik Franke auf, wohnhaft in Berlin-Hellersdorf, gemeldet in Berlin-Lichtenrade (bei seiner Mutter Yvonne Franke). Eine weitere Person aus dem Kreis der Mitorganisatoren war Leon. Der Fan von Hertha BSC in der Vergangenheit schon bei vielen Neonaziversammlungen gegen CSD-Veranstaltungen aufgefallen. Zuletzt versuchte er unter dem Namen „Hauptstadtrevolte“ eine Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) in Berlin zu gründen. Allerdings kam dieser Ansatz bisher nicht über den virtuellen Raum hinaus.

Insgesamt zeigte sich beim Aufmarsch am 19. Oktober, dass DJV und JS nicht mit etablierten Neonazistrukturen verbunden sind. So nahmen zwar bekannte Akteure aus dem Spektrum von „Die Heimat“ (u.a. Andreas Storr, Andreas Käfer), aus dem Spektrum des „III. Wegs“ (u.a. Andi Körner) sowie lokale Neonazis (René Uttke, Kai Milde und Katrin Körner) zu Beginn an der Demonstration teil. Doch blieben sie insgesamt im Hintergrund. Auf der Versammlung waren ebenfalls Kleidungsstücke der Neonazi-Organisationen „Die Heimat“ und „III. Weg“ bzw. ihrer jeweiligen Jugendgruppen anzutreffen. Diese wirkten jedoch eher wie modische Accessoires und weniger als explizite Zugehörigkeitsbekenntnisse.

Neonazi-Razzien am 23. Oktober 2024

Am 23. Oktober 2024 folgte dann ein polizeilicher Großeinsatz gegen Akteure aus dem Spektrum von DJV und JS. Hintergrund waren jedoch nicht die Aktivitäten rund um die Demonstration vom 19. Oktober. Stattdessen erfolgten die Durchsuchungen aufgrund mehrerer Übergriffe auf Antifaschist*innen in den vergangenen Monaten, mit denen sich die beteiligten Neonazis breit im Internet brüsteten. Insgesamt wurden am 23. Oktober neun männliche Personen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren durchsucht. Die Durchsuchungen fanden in Hellersdorf, Köpenick, Marzahn und Neu-Hohenschönhausen sowie im brandenburgischen Letschin und Wandlitz statt. Bestätigt sind dabei Razzien bei den folgenden Neonazis:

Nick Thomas Christopher Wetzels aus Marzahn

Hendrik Boutry (bisher „Unbekannt 42“) aus Marzahn

Aron (bisher „Unbekannt 39“) aus Köpenick

Philippe Beneke (Spitzname: „Calle“) aus Marzahn

Julian Milz, bei dem gewaltbereiten Polizistensohn wurde sein elterliches Wohnhaus in Wandlitz durchsucht

Vincent Gutjahr (Spitzname: „Svenny“) aus Marzahn

„Felix“, der in der Vergangenheit vor allem als regelmäßiger Teilnehmer von Aufmärschen und Aktivitäten aus dem Spektrum von DJV und JS aufgefallen ist

– sowie Anthony (bisher „Unbekannt 46“), der öffentlich bisher vor allem als Ordner bei der Neonaziversammlung im Leipziger Hauptbahnhof sowie bei Aktivitäten außerhalb von Demonstrationen auftrat

Zudem wurde der Maler Janeck Wolfgang G. aus Marzahn-Hellersdorf durchsucht. Bei ihm sind keine engen Verbindungen zum politischen Spektrum um DJV oder JS zu erkennen. Laut Medienberichten geriet er vor allem wegen Fotos in den sozialen Medien ins Visier der Ermittlungsbehörden. Dort posierte er mit Polizeiweste und Schusswaffen. Aufgrund seiner offenen rechten Weltanschauung dürften die Razzien gegen die Neonazigruppen eher ein Anlass gewesen sein, um G. mit zu durchsuchen.

Zur Identität der neunten durchsuchten Person konnten wir keine öffentlich verfügbaren Belege finden.

Neben der genannten Adresse in Wandlitz wurden von Julian Milz noch mindestens eine weitere Anschrift durchsucht. Zuletzt hielt er sich regelmäßig in Marzahn-Hellersdorf auf. Die unklaren Wohnverhältnisse dienten den Ermittlungsbehörden als ein Grund, um eine Untersuchungshaft anzuordnen. Obwohl Julian Milz seit den Razzien inhaftiert ist, hält sich die öffentlich wahrnehmbare Solidarität mit den durchsuchten Neonazis in Grenzen. Eher sind aus den Umfeldern von DJV und JS in den sozialen Medien Distanzierungen von Gewalt zu lesen, die aufgrund der Gewaltbereitschaft vieler Mitglieder allerdings vor allem mit dem Repressionsdruck zusammenhängen. Zugleich haben die Durchsuchungen den Kern der Gruppen näher zusammengebracht. Insgesamt sind JS und DJV nach dem Versammlungsmarathon im Sommer und Herbst inzwischen in die Phase der Konsolidierung eingetreten. Neben den Durchsuchten tauchen nur wenige weitere Personen regelmäßig im Kontext der Gruppen auf. Eine Konstante ist u.a. „Unbekannt 39“ (Rufname „Aaron“) aus Köpenick, zu dem bisher keine weiteren Informationen vorliegen.

Auch abseits der Razzien steigt der Repressionsdruck gegenüber DJV und JS gerade merklich. So musste kürzlich Kevin Taylor Hennig (Spitzname: „Nesto“) für zwei Wochen in den Jugendarrest. Der 18-Jährige Neonazi ist der kleinere Bruder vom Steve Mike Hennig, der um 2010 in der Kameradschaft „FN Mitte“ aktiv war und inzwischen fleißig die AfD unterstützt. Taylor Hennig war in den zurückliegenden Monaten an zahlreichen Störversuchen gegen CSD-Demonstrationen beteiligt und nahm ebenfalls an einer Versammlung der AfD in Berlin-Hohenschönhausen teil.

Einschätzung DJV – III. Weg

Im Zuge der Razzien wurde bei mindestens zwei Neonazis Material vom „III. Weg“ sichergestellt. So sind auf den Fotos der Dursuchungen ein T-Shirt und Flyer der Neonazipartei zu sehen. Zudem waren unter anderem Carsten Grasse, „Unbekannt 46“ sowie Christopher Wetzels in der Vergangenheit mit Bekleidung vom „III. Weg“ ausgestattet. Diese wenigen Anhaltspunkte wurden in der Presseberichterstattung genutzt, um Verbindungen zwischen DJV, JS und dem „III. Weg“ herzustellen. Dieser distanzierte sich umgehend von den durchsuchten Neonazis und stellte klar, dass sie niemals in der Partei oder deren Jugendorganisation aktiv gewesen wären. Hierbei dürfte es sich nicht nur um einen strategischen Schachzug handeln. So gab es zwar in der Vergangenheit durchaus Kontakte zwischen Personen aus dem Spektrum von DJV und JS und dem „III. Weg“. Es ist bekannt, dass Christopher Wetzels an Propagandaaktionen in Berlin-Hohenschönhausen sowie in Erkner beteiligt war. Zudem verteilte er eigenständig Parteiflyer in seiner Nachbarschaft und nahm an mindestens einem Kampfsporttraining vom „III. Weg“ teil. Auch Carsten Grasse stellt sich gerne in die Nähe der Partei, indem er beispielsweise regelmäßig deren offizielle Kleidung trägt und ebenfalls an einem Training teilnahm. Zudem war er mit seinem kleinen Bruder beim Wahlkampfabschlusses in Cottbus und verteilte dort Flyer mit dem „III. Weg“.

Bei all diesen Verbindungen handelte es sich jedoch vornehmlich um punktuelle Kontakte. Es ist davon auszugehen, dass der „III. Weg“ mit solchen niedrigschwelligen Aktivitäten versuchte, die Eignung der Neonazis für eine weitergehende Parteiarbeit zu testen. Darüber hinaus gibt es keine Belege für eine engere Zusammenarbeit mit den durchsuchten Neonazis. Das zeigte sich auch auf Versammlungen, die von beiden Spektren besucht wurden. Während Carsten Grasse und sein Bruder beim Aufmarsch vom „III. Weg“ gegen den CSD in Zwickau zwar kurz zwischen den Berliner Parteimitgliedern zu sehen sind, übernahmen sie keine besondere Aufgabe auf der Versammlung. Grasses Bruder trug lediglich gegen Ende ein Plakat. Demgegenüber besuchten einige Mitglieder vom Berliner Stützpunkt des „III. Wegs“ den von DJV mitgestalteten Aufmarsch gegen den CSD in Görlitz. Auch dort sind keine Kontakte zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen belegt. Einzig Grasse bewegte sich kurzzeitig in der Nähe der Berliner „III. Weg“-Mitglieder. Die jeweiligen Akteur*innen blieben allerdings bei der An- und Abreise in ihren eigenen Kreisen; so reiste Grasse mit mindestens 12 weiteren Neonazis aus dem Spektrum DJV und JS mit der Bahn vom Berliner Ostkreuz nach Görlitz.

Alles in allem haben Einzelmitglieder von DJV und JS also durchaus eine Nähe zum „III. Weg“ gesucht. Doch die Kontakte waren eher oberflächlich. Zu einer Aufnahme in die Partei oder ihre Jugendorganisation dürfte es nie gekommen sein. Ob Wetzels oder Grasse überhaupt Anwärter auf eine Mitgliedschaft waren, muss spekulativ bleiben. Zudem dürfte der von massivem Drogen- und Alkoholkonsum geprägte Lebenswandel der Neonazis Grasse und Wetzels kaum dem Selbstverständnis vom „III. Weg“ als neonazistischer Kaderpartei entsprechen. In diesem Sinne waren auch die festgestellten Flyer oder Kleidungsstücke, die die DJV-Neonazis bei sich trugen, größtenteils über den offiziellen Onlineshop („Materialvertrieb“) vom „III. Weg“ erhältlich und damit ohne Mitgliedschaft in der Partei zu erwerben. Trotz der Nähe von einigen Personen zum „III. Weg“ sind DJV und JS kaum auf eine Organissation festgelegt. In der Vergangenheit warben die einzelnen Mitglieder für die Junge Alternative, die Jungen Nationalisten und für den „III. Weg“ im regelmäßigen Wechsel. Auch Wetzels fertigte ein Foto an, auf dem er alle Parteilogos vom „III. Weg“ mit den Buchstaben JN (Junge Nationalisten) übermalte. In den Führungsebenen der entsprechenden Organisationen dürfte diese Beliebigkeit auf keine Gegenliebe treffen.

Die nächste Neonazidemo am 14. Dezember

Am 14. Dezember 2024 ruft ein sogenanntes „Aktionsbündnis Berlin“ zu einer Demonstration auf, die sehr anschlussfähig für neonazistische Mobilisierungen zu sein scheint. Unter dem Motto „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ soll der rechte Aufmarsch durch Berlin-Friedrichshain laufen. Wer sich genau hinter diesem „Aktionsbündnis“ verbirgt, ist bisher noch nicht vollständig bekannt. In der Öffentlichkeit positioniert sich vor allem Ferhat Sentürk für die Versammlung. Gegen das AfD-Mitglied aus Aachen ist momentan ein Parteiausschlussverfahren anhängig, sodass er verstärkt den Kontakt zu anderen Gruppierungen der extremen Rechten sucht. Weitere Personen, die neben Sentürk bisher als Organisatoren bzw. Redner auf dem Aufmarsch angeführt werden, sind der rechte Social Media-Kanal „Der Fürst“, der junge AfD-Politiker Maximilian Fritsche aus Eberswalde sowie Jannik D. Giese. Letzterer soll auch Leiter der Versammlung sein. Zudem ist Giese eine personelle Verbindung zum jugendlichen Neonazi-Spektrum um DJV und JS. Jannik D. Giese nahm beispielsweise am 19. Oktober am Neonaziaufmarsch in Berlin-Marzahn teil (Fotos auf dem Plakat). Zudem scheinen Giese und Fritsche mit Luka Zechel befreundet zu sein. Der Neonazi aus Bad Freienwalde wurde bereits beim ersten Störversuch von DJV auf den Berliner CSD von der Polizei festgesetzt. Auch Zechel nahm zuletzt am Marzahner Neonaziaufmarsch teil. Er kann somit weiterhin im Umfeld von DJV verortet werden. Trotz mehrerer öffentlicher Kontaktversuche wurde Zechel jedoch nie als Mitglied der Neonazigruppe aufgenommen. Stattdessen scheint er mittlerweile verstärkt Kontakte im Spektrum der AfD zu suchen, während er online seine Zustimmung zum Nationalsozialismus bekundet.

Durch die benannten direkten Verbindung zum Umfeld von DJV und JS kann der Aufmarsch vom „Aktionsbündnis Berlin“ klar als extrem rechtes Szeneevent eingeschätzt werden und richtet sich auch explizit an dieses Klientel. Dennoch sind die Reaktionen aus den beiden Neonazizusammenschlüssen bezüglich des 14. Dezembers bisher eher gemischt. Während beispielsweise Luka Zechel fleißig die Werbetrommel für seinen Kumpel Jannick rührt, distanzieren sich andere Neonazis von dem vermeintlichen „Selbstmordkommando“.

Fazit

Momentan hat das politische Spektrum um die Gruppen DJV und JS in Berlin mit vielen Problemen zu kämpfen. Dennoch haben sich aus den losen Netzwerken in den vergangenen Monaten kleine aber gefestigte Neonazistrukturen gebildet, die gerade auch durch Straßengewalt auffallen. Mit ihren Aktivitäten und der öffentlichen Präsenz öffnen sie anderen Akteuren der extremen Rechten die Tür, die sich so auch in Berlin einen erhöhten Resonanzraum für eigene Aktionen versprechen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, zentrale Akteure aus diesem politischen Mischspektrum auf einem Plakat zu sammeln. Dabei handelt es sich um jene Personen, die in den vergangenen Monaten durch eine verstärkte Aktivität oder Gewaltbereitschaft aufgefallen sind bzw. im Kontext vom Aufmarsch am 14. Dezember sowie zukünftigen Terminen aktiver werden könnten.

Namen, Gesichter und Aktivitäten der Neonazigruppen DJV und JS in Berlin

Am 27. Juli 2024 versuchten rund drei Dutzend Neonazis den „Christopher Street Day“ (CSD) in Berlin anzugreifen. Hinter dem Übergriff steckte maßgeblich die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), die damit zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung trat. Inzwischen kam es an vielen Orten zu Neonazi-Aufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. In Bautzen, Leipzig und Magdeburg waren Neonazis von DJV aus Berlin nicht nur anwesend, sondern teilweise maßgeblich in Organisation und Strukturaufgaben tätig. DJV entwickelt sich somit zu einer zunehmend aktionsorientiert auftretenden Struktur. Zugleich zeigen die verstärkten Aktivitäten, wie die Gruppierung agiert und wer zum aktionsbereiten Kern zählt. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung mit der Neonazi-Gruppierung von „Jung & Stark“ (JS) soll diese ebenfalls kurz beleuchtet werden.

Die Aktivitäten der Berliner DJV im August

Vor dem Übergriff auf den Berliner CSD war DJV hauptsächlich ein Internet-Phänomen. Seitdem tritt die Gruppe aber offensiv und auch zunehmend gewalttätig in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile versucht sie sich ebenfalls verstärkt mit anderen Gruppierungen zu vernetzen. Dies zeigte sich deutlich beim bundesweit beworbenen Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen am 10. August 2024. Maßgeblich organisiert wurden die Neonazi-Proteste von „Elblandrevolte“ (ELR) ‑ einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) aus Dresden. Bereits einige Tage vor dem 10. August kam es jedoch in der Sächsischen Landeshauptstadt zu einem Treffen von ELR mit einer Delegation von DJV. Wahrscheinlich wurden dort letzte Absprachen für die gemeinsame Aktion getroffen.

DJV Berlin-Brandenburg am 31.07.2024 in Dresden, rechts: Neonazi „Lucas Seifert“ alias „Chino“

Dementsprechend war eine geschlossene Gruppe von DJV bereits am Vortreffpunkt der JN anwesend. Insgesamt reisten rund 16 Berliner Neonazis aus dem DJV-Spektrum nach Bautzen. Von ihnen war jedoch nur ein kleiner Teil erkennbar in die Aufmarschstruktur eingebunden. Stattdessen übernahm ELR bzw. die JN einen Großteil der Aufgaben, wie den Ordnungsdienst oder das Anheizen per Megaphon. Dennoch trugen mehrere Berliner Neonazis das Fronttransparent von ELR und JN.

10.08.2024 Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg in Bautzen mit Transparent der „Elblandrevolte“ (JN). Links am Transparent: Nick Thomas Christopher Wetzels. Rechts: „Unbekannt 40“. Foto von Thomas Witzgall

Einige Tage später, am 14. August 2024, wurden rund zehn DJV-Mitgliedern am RAW-Gelände von der Polizei festgesetzt. Zuvor waren sie sichtlich angetrunken im Friedrichshainer Kiez unterwegs. In der gleichen Woche gab es zudem ein internes Vernetzungstreffen von DJV mit den Neonazis von JS aus Berlin. Dieses Treffen fand in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in Berlin-Marzahn statt.

Auch JS ist ein Zusammenschluss jüngerer Neonazis, der vor allem in sozialen Netzwerken aktiv ist. Erstmals auffällig außerhalb von Social Media wurden Mitglieder von JS Berlin bei Aktivitäten gegen den CSD in Rostock (u.a. Nummer 9, hier im Artikel Unbekannt 43, und Nummer 14, Carsten Grasse). In der Vergangenheit gab es zwischen DJV und JS nur sporadische Kontakte. Die Annäherung in der letzten Zeit rührt wahrscheinlich daher, dass ELR nach den Aktivitäten in Bautzen als Bündnispartner für kommende Aufmärsche ausfiel. In einer öffentlichen Stellungnahme hatte sich die Dresdner Gruppe von den Neonazi-Protesten gegen die CSDs in Leipzig und Magdeburg zurückgezogen.

Bei den Neonazi-Protesten gegen die CSD-Veranstaltungen in Leipzig (17. August 2024) und Magdeburg (24. August 2024) konnte eine stärkere Zusammenarbeit von DJV und JS bei der Organisation und Durchführung der rechten Versammlungen beobachtet werden.

In Leipzig reiste gut ein Dutzend Neonazis aus Berlin an. Mindestens sechs von ihnen traten später bei einer improvisierten Kundgebung auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs als Ordner auf. Darunter waren bekannte JS-Aktivisten, wie Carsten Grasse, aber auch DJV-Mitglieder, wie Nick Thomas Christopher Wetzels. Die neue Verbundenheit der beiden Gruppierungen drückte sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Transparent aus. Julian Milz, führendes Mitglied von DJV Berlin, betätigte sich als Einpeitscher am Mini-Megaphon.

17.08.2024 Neonazi-Aktion gegen den CSD in Leipzig. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg sind an der Organisation beteiligt. Rechts vorn mit Megaphon: Julian Milz. Foto von Pressefuchs

Nach dem gescheiterten Aufmarschversuch in Leipzig kam es auf der Rückreise zu Einschüchterungsversuchen der Berliner Neonazis auf ehemalige Teilnehmende des CSD in der Bahn.

In Magdeburg zeigte sich ein ähnliches Bild. Aus Berlin (und Brandenburg) reisten gut 20 Neonazis an. Sie übernahmen wiederum Ordner-Aufgaben, stellten das Fronttransparent und eigene Megaphone.

24.08.2024 Neonazi-Störaktion gegen den CSD in Magdeburg. Mitglieder von DJV und JS Berlin-Brandenburg am Transparent. Links unten mit Megaphon: Nick Thomas Christoper Wetzels. Rechts unten: „Tom“. Foto von Marco Kemp

Insgesamt ist die Entwicklung von DJV in Berlin im zurückliegenden Monat durchaus alarmierend. Vor allem das Aktionsniveau der Gruppierung hat sich merklich erhöht. Statt der Koordinierung von vereinzelten Saufabenden traut sich DJV inzwischen die Organisation und Durchführung überregional mobilisierter Neonazi-Aufmärsche zu. Die Gruppe ist auch außerhalb von Berlin in der Lage zumindest rudimentär eine Versammlung aufzustellen: mit Ordnungsstruktur, Transparenten und Megaphonen. Dazu reist die DJV geschlossen und mit genügend Personen an. Sicherlich ist sie noch weit von dem Organisationsniveau langjähriger Neonazi-Strukturen entfernt. Doch weitere geplante Kundgebungen und Aufmärsche könnten zu einem Lerneffekte beitragen.

Auch außerhalb von Versammlungen tritt DJV zunehmend in Erscheinung. In Berlin versuchen Gruppen aus deren Umfeld offensiv Sozialräume einzunehmen. Die verstärkte Vernetzung mit anderen Gruppen, wie JS, trägt dabei zu einem größeren Mobilisierungspool bei. In Berlin entwickeln sich somit gerade abseits vom „III. Weg“ und dessen Jugendorganisiation NRJ zunehmend aktionsorientierte und durchaus gewaltbereite Neonazistrukturen. Allerdings scheint es momentan über den gemeinsamen Aktionismus hinaus kaum einen organisatorischen Zusammenhalt zu geben. Bisher wird DJV von Events und einer eher losen Vernetzung auf Instagram und TikTok zusammengehalten. Ideologisch ist das einigende Moment vor allem eine enorme LGBTIQ*-Feindlichkeit, die mögliche inhaltliche Differenzen bislang überdeckt.

Wer sind die Akteure hinter DJV in Berlin?

Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass DJV in Berlin aus einem Kern von 10-15 Personen besteht. Sie nehmen in wechselnden Konstellationen regelmäßig an Aktionen von DJV in der Stadt und überregional teil. Wie viele dieser Neonazis dabei aus dem Berliner Umland oder dem weiter entfernten Brandenburg kommen bzw. in welchen Berliner Bezirken DJV-Mitglieder aktiv sind, kann nicht abschließend geklärt werden. Das maximale Mobilisierungspotential der Gruppierung für einzelne Aktionen dürfte bei ungefähr 40 Personen liegen, wie der Störversuch gegen den CSD am Potsdamer Platz in Berlin gezeigt hat. Im Kontext von DJV treten einige Personen verstärkt als Tonangeber auf.

Eine zentrale Figur und mutmaßlicher Leiter von DJV Berlin ist der 23-jährige Julian Milz (geb. am 22. Februar 2001) aus Wandlitz. Bereits beim ersten öffentlichen DJV-Treffen auf dem Bunkerberg im Berliner Humboldthain trat er als Wortführer auf. Seitdem war er an allen öffentlichen Aktionen in hervorgehobener Position beteiligt. So schien er beim Übergriff auf den CSD am Potsdamer Platz die Neonazis zu koordinieren. In Bautzen lief er an der Spitze der Demonstration neben dem Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg heizte er die Neonazi-Proteste mit einem mitgebrachten Megaphon an. Zudem war er Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 am RAW-Gelände festgesetzt wurde.

Vor seinem Engagement für DJV ist Julian Milz bisher politisch nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Allerdings half er im zurückliegenden Europawahlkampf 2024 beim Aufhängen von Plakaten der HEIMAT (früher: NPD), was eine Verbindung zu der Neonazipartei nahelegt. Momentan besucht Milz noch das OSZ I Barnim in Bernau. In seiner Freizeit spielte er unregelmäßig Fußball für den FSV Basdorf. Nachdem Bekanntwerden seiner politischen Aktivität distanzierte sich der Verein von Milz und erteilte diesem laut eigenen Angaben ein Hausverbot für alle Liegenschaften. Auch der Basdorfer Trainer Marcel Teske trug diese Maßnahmen mit. In der Vergangenheit zeigte er weniger Distanz zu organisierten Neonazis, da er selbst selbst lange Zeit mit dem NPD’ler Jan Sturm in der Ü40-Mannschaft vom BFC Dynamo kickte.

Julian Milz beim Aufhängen von Plakaten von „Die Heimat“ (früher NPD)
Julian Milz (oben links) beim FSV Basdorf

Ein weiteres aktives Mitglied von DJV ist Nick Thomas Christopher Wetzels aus Berlin-Marzahn. Schon beim versuchten Übergriff auf Teilnehmende des CSD Berlin am Potsdamer Platz war er beteiligt. Zuerst erschien er als klassischer Mitläufer. Inzwischen ist er bei allen Aktivitäten von DJV anzutreffen. So trug er in Bautzen das Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg war er hingegen als Ordner eingesetzt. Auch er war Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 durch den Friedrichshainer Kiez zog.

Neben Wetzels und Milz tauchen weitere Personen regelmäßig im Kontext von DJV Berlin auf. So war beispielweise „Vivi“ aus Marzahn bei allen Aufmärschen außerhalb Berlins anwesend. Zudem nutzte DJV den Platz hinter „Vivis“ Wohnhaus in der Allee der Kosmonauten 200/202 zur Vorbereitung der Transparente. Inzwischen gibt sie jedoch an, nicht mehr Teil von DJV zu sein.

Auch „Unbekannt 39“ war bisher bei allen überregionalen Aufmärschen in der Gruppe von DJV aus Berlin unterwegs, ohne jedoch erkennbar eine Aufgabe zu übernehmen.

Darüber hinaus gibt es ebenfalls aus dem Kontext von „Jung & Stark“ (JS) einige besonders aktive Neonazis. Als Wortführer der Gruppierung tritt hierbei Carsten Grasse aus Berlin-Hohenschönhausen auf. Der 26-Jährige Fan von Union Berlin fällt vor allem durch die tätowierte „Schwarze Sonne“ auf seinem Handrücken auf. Wie bereits erwähnt war er auch an einer Stör-Aktion von Neonazis gegen den CSD in Rostock beteiligt. Während er beim Neonaziaufmarsch in Bautzen noch ohne erkennbare Aufgaben am Neonazi-Aufmarsch teilnahm, wurde er in Leipzig und Magdeburg als Ordner eingesetzt. Das spricht für eine stärkere Einbindung von JS in die Planung und Durchführung der Neonazi-Versammlungen. Grasse trägt punktuell ein T-Shirt mit dem „III. Weg“-Logo. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass er Mitglied der Neonazi-Partei ist. Generell ist Grasse umtriebig bei der Teilnahme an rechten Versammlungen. So war er ebenfalls Teilnehmer einer AfD-Kundgebung am 29.08.2024 in Berlin-Hohenschönhausen.

Auch „Unbekannt 40“ ist JS in Berlin zuzuordnen. Er nahm an allen drei überregionalen Aufmärschen teil und war jeweils am Fronttransparent eingesetzt – teilweise mit Ordnerbinde. Die Aufgabe an der Spitze der Demonstrationen spricht für eine hervorgehobene Position in der Organisationsstruktur. Während er in Bautzen noch sein Tattoo vom Hertha-Logo mit dem Gründungsjahr 1892 zeigte, vesuchte er es bei folgenden Aufmärschen zu verdecken.

Neben den genannten sind weitere Neonazis im Kontext von DJV und JS in Berlin aufgefallen. In der folgenden Übersicht finden sich vor allem diejenigen, die bei Aufmärschen hervorgehobene Positionen bekleideten und deshalb zum organisatorischen Kern der Gruppierungen gerechnet werden müssen.

Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne an [email protected] melden.


* In einer ersten Version des Artikels wurde behauptet, dass Mitglieder von DJV am 14. August 2024 vor dem Technoclub „about:blank“ provoziert hätten. Dabei handelte es sich jedoch um eine andere Gruppe Neonazis. Weiterhin wiesen Verantwortliche vom FSV Basdorf darauf hin, dass Milz inzwischen nicht mehr für den Verein aktiv wäre und auf sämtlichen Liegenschaften Hausverbot hätte. Eine letzte Änderung betraf „Vivi“, die laut eigenen Angaben inzwischen nicht mehr in der DJV aktiv sei. Ihre neonazistische Gesinnung scheint dennoch unverändert.

Vereint trainieren: Altbekannte Neonazi-Sportgruppe infiltriert Laufveranstaltungen und öffentliche Sportstätten

In der politischen Arbeit vom „III. Weg“ spielt Sport eine hervorgehobene Rolle. Zuletzt wurden in Berlin mehrere Kampfsporttrainings der Neonazi-Kleinpartei auf öffentlichen Sportanlagen bekannt. Das erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die sportlichen Aktivitäten vom „III. Weg“ und seinen Mitgliedern gehen in Berlin über diese einzelnen Angebote hinaus. Neonazis trainieren in öffentlichen Fitnessstudios, nutzen Möglichkeiten des Breitensports oder sind in Vereinen aktiv. Die Ausmaße der neonazistischen Raumnahme im Sport sind bisher nur in Ansätzen bekannt. Zudem beschränken sich die meisten Erkenntnisse auf den Kampfsportbereich. Dieser Text benennt darüber hinaus weitere Orte und Veranstaltungen, die die Neonazis vom „III. Weg“ offen nutzen. In diesem Zusammenhang traten Teile einer Neonazi-Sportgruppe, die bereits vor drei Jahren in Berlin aktiv war, wieder in Erscheinung. Am Ende des Artikels befindet sich eine Übersicht aktuell bekannter Trainingsorte vom „III. Weg“.

Informationen zu Neonaziaktivitäten können jederzeit an [email protected] gemeldet werden. Inzwischen versuchen die Neonazis vom „III. Weg“ ihre Sportangebote abzusichern. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, traten sie im Rahmen von öffentlichen Trainings bewaffnet (z.B. mit Messern und Pfefferspray) in Erscheinung.

Sport als politisches Kampffeld vom „III. Weg

Der „III. Weg“ steht offensiv für eine völkische und selbsternannte „nationalrevolutionäre“ Politik. Neben der politischen Organisierungsarbeit gehört für sie dazu eine harte Arbeit der AktivistInnen an sich selbst. Im nationalsozialistischen Weltbild ist der individuelle Körper immer schon mit dem kollektiven „Volkskörper“ verbunden. Um in diesem Sinne eingesetzt werden zu können, soll der Körper entsprechend „rein“ gehalten werden und leistungsbereit sein. Pathetisch spricht die Partei in diesem Zusammenhang vom „inneren Befehl der Leibeszucht“. Neben dem geforderten Verzicht auf Alkohol und Drogen beinhaltet das auch körperliche Leistungsfähigkeit. Sie wird ebenfalls als Voraussetzung geistiger Stärke betrachtet. In diesem Sinne gibt es innerhalb der Partei seit mindestens 2017 eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen „Körper & Geist“. Sie tritt offensiv mit einem eigenen Logo in Erscheinung und ihre Mitglieder richten vor allem lokale Kampf- und Kraftsporttrainings für die Parteimitglieder bundesweit aus. [1] Zudem organisierte die Gruppe bereits eigene Kampfsportturniere, wie das Event „Jugend im Sturm“ 2018 im thüringischen Kirchheim. [2]. Mitglieder vom „III. Weg“ nahmen darüber hinaus als Kämpfende oder zur Unterstützung an Neonazi-Veranstaltungen in ganz Europa teil. [3]

Sportangebote vom „III. Weg“ in Berlin

In Berlin besitzt der „III. Weg“ keine geeigneten eigenen Räumlichkeiten für größere Kampfsporttrainings. Deshalb greift die Partei verstärkt auf öffentliche Sportanlagen in unterschiedlichen Bezirken zurück (eine Übersicht aller bekannten Orte befindet sich am Ende des Artikels). Ziel ist es, vor allem jugendliche SympathisantInnen auf den Straßenkampf, das heißt die Auseinandersetzung mit vermeintlichen „politischen Gegner*innen“ vorzubereiten. Die Auswirkungen dieser Trainings zeigten sich zuletzt am 6. Juli 2024 bei einem organisierten Angriff von Neonazis auf Anreisende einer antifaschistischen Demonstration [4]. In der Regel sind die Neonazitrainings klandestin organisiert und finden an wechselnden Orten und Tagen statt. Auf diese Weise können sie kaum im Vorhinein verhindert werden. Dennoch verstecken sich die Neonazis nicht und trainieren am helllichten Tag im öffentlichen Raum. Doch das Sportangebot der Partei beschränkt sich nicht nur auf Kampfsporttrainings. In Berlin (und Brandenburg) veranstaltet die Neonazipartei in der Regel einmal im Jahr sogenannte „Gemeinschaftstage“ als Angebote an die Mitglieder der Jugendorganisation NRJ („Nationalrevolutionäre Jugend“). Sport und insbesondere Kampfsport ist immer Teil dieser Aktivitäten. Gleiches gilt für die „Neujahrswanderungen“ im Januar. Anfang 2021 wanderten rund 25 Neonazis durch den Grunewald. Ein Jahr später fand ein „Neujahrserwachen“ im Spandauer Forst mit rund 15 Personen statt. Neben dem gemeinsamen Laufen standen bei den Veranstaltungen auch Schattenboxen, Krafttrainings, zum Beispiel mit Liegestützen, sowie Eisbaden auf dem Programm.

10.06.2024: „Gemeinschaftstag“ der NRJ am Butzer See in Kaulsdorf. Links am Transparent: Erik Storch
30.07.2022: Oliver Oeltze beim Anleiten eines Trainings anlässlich des „Sport- und Gemeinschaftstages“ der NRJ am Butzer See in Kaulsdorf

Zudem gibt über das Jahr verteilt immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Generell spielen Ausdauertrainings in Form von Leistungsmärschen eine Rolle in der neonazistischen Ideologie. Diese Verbindung zeigt sich besonders beim neonazistischen „Ausbruch“-Marsch in Budapest, an dem in der Vergangenheit regelmäßig Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin teilnahmen [5]. In Mecklenburg-Vorpommern ist der sogenannte „Tollense-Marsch“ in Neubrandenburg ebenfalls ein regelmäßiges Ereignis der Neonaziszene mit Beteiligung vom „III. Weg“ [6].

Oliver Oeltze (mittig) beim „Ausbruch“-Marsch 2019 in Budapest. Foto: Pixelarchiv

Der „III. Weg“ aus Berlin im Breitensport

Neben der Teilnahme an explizit neonazistischen Events zieht es die Mitglieder vom „III. Weg“ allerdings auch in den Breitensport, um neue sportliche Herausforderungen zu bewältigen. Im Jahr 2023 konnten Gruppen der Neonazipartei bei mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen in Berlin und Brandenburg antreten. Beim „Berlin Marsch“ am 3. Oktober 2023 liefen die Neonazis Oliver Oeltze, Sebastian Glaser, Christian Schmidt, Leander Schultze sowie eine unbekannte Person 50km durch Berlin. Währenddessen nahmen sie Propaganda-Fotos mit der Fahne vom „III. Weg“ auf und versuchten den Lauf so mit extrem rechten Inhalten zu besetzen. Den Veranstaltenden des Laufes, dem Verein „Ausdauerfreunde e.V.“, schienen die neonazistischen Teilnehmenden nicht negativ aufgefallen zu sein. Stattdessen erschien sogar ein Bild des militanten Neonazis Sebastian Glaser nach dem Zieleinlauf auf der offiziellen Facebook-Seite des Marsches.

03.10.2023: Sebastian Glaser vom „III. Weg“ beim „Berlin Marsch“

Wenn Neonazis sich privat für Sportveranstaltungen anmelden, ist es für Veranstaltende ohne das entsprechende Szenewissen sehr schwer, diese zu erkennen. Es braucht hier mehr Sensibilität für die Möglichkeit, dass bekannte Neonazis auch bei „normalen“ Sportveranstaltungen außerhalb der Kampfsportszene antreten. Zusammen mit diesem Bewusstsein müssen Veranstaltende eine Haltung zu diesem Problem entwickeln und sich einen konkreten Umgang mit extrem rechten Teilnehmenden überlegen. Das beinhaltet auch die Schaffung von Kriterien in Sportorganisationen und -vereinen, um eine Teilnahme mit allen Mitteln zu unterbinden.

Für den „Berlin Marsch“ ist nicht bekannt, wie sich die Gruppe des „III. Wegs“ angemeldet hat. Beim „Schlossinsellauf“ am 18. Juni 2023 in Lübben haben sie mit ihrer politischen Haltung allerdings nicht sonderlich hinter dem Berg gehalten. Dort traten die Neonazis Leander Schultze, Christian Schmidt und Oliver Oeltze mit dem Teamnamen „Körper und Geist“ beim Halbmarathon an. Im 10km-Lauf startete außerdem Lilith Evler vom „III. Weg“ unter der gleichen Bezeichnung. Sebastian Glaser nahm hingegen unter einem anderen Namen am Halbmarathon teil. Mit der Bezeichnung „Wardon“ stellte er seine Zugehörigkeit zu der gleichnamigen Neonazi-Kampfsportgruppierung „Wardon 21“ aus. [8] Dementsprechend hätte den Veranstaltenden schon bei der Anmeldung die Teilnahme der Neonazis auffallen können. Hier braucht es mehr Informationen und den Willen der Veranstaltenden, sich mit dem Problem rechter Raumnahme auseinanderzusetzen.

18.06.2023: Philipp Zech (links) und Sebastian Glaser (mittig) begrüßen den Neonazi Oliver Oeltze (rechts) an der Ziellinie des „Schlossinsellaufs“ in Lübben

Altbekannte Trainingsgruppe

Während des Zieleinlaufs von Oliver Oeltze beim „Schlossinsellauf“ taucht jedoch noch ein weiterer bekannter Neonazi auf. Philipp Zech ist einer der ersten, die Oeltze gratulieren, nachdem dieser sich beim Halbmarathon ins Ziel schleppte. Zech selbst nahm am 10km-Lauf teil und verzichtete ganz auf einen Teamnamen. Das ganze ist sicherlich Kalkül. Zech ist Sportwissenschaftler und war bis mindestens 2022 an der Universität Potsdam im Bereich „Sozial- und Präventivmedizin“ angestellt. Zu seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gibt es keine Informationen. Sicher möchte er jedoch nicht, dass seine wissenschaftliche Karriere durch einen allzu offensichtlichen Verhältnis zu Neonazis gefährdet wird. Dennoch war seine Nähe zu der Gruppe vom „III. Weg“ in Lübben unübersehbar – schließlich kennen sich alle Beteiligten schon seit einigen Jahren.

Von 2019 bis 2020 war Philipp Zech im Vorstand der AfD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ab 2021 nahm er nachweislich an klandestinen Neonazi-Kampfsporttrainings in Weißensee teil. Neben weiteren Mitgliedern der AfD, der „Jungen Alternative“ sowie Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (z.B. Mario Müller) waren unter den Trainingspartnern von Zech auch Christian Schmidt (damals noch NPD/JN) und Leander Schultze (im damaligen Artikel „Unbekannt 12“) bei den Trainings in Weißensee anwesend.[9] Vieles spricht dafür, dass die Trainings ein Versuch zum Aufbau einer extrem rechten Kampfsportvernetzung in Berlin waren. So war Zech bis zur Auflösung 2023 im Vorstand vom „Verein für Leibesübungen und Bildung e.V.“. Gegründet wurde dieser 2019 laut Vereinsakten unter anderem von Mario Müller (Identitäre Bewegung, s.o.) und Peter Kurth. Letzterer ist ehemaliger Berliner Finanzsenator der CDU und inzwischen als Finanzier der neofaschistischen Szene bekannt.

2021: Neonazikampfsport-Trainings mit Mitgliedern von NPD (einige damalige NPD-Mitglieder sind mittlerweile zum „III. Weg“ gewechselt), AfD und Identitärer Bewegung im „Sportkomplex Rennbahn“ in Weißensee
2021: Neonazikampfsport-Trainings mit Mitgliedern von NPD (einige damalige NPD-Mitglieder sind mittlerweile zum „III. Weg“ gewechselt), AfD und Identitärer Bewegung im „Sportkomplex Rennbahn“ in Weißensee

Nachdem die geheimen Trainings öffentlich wurden, zog sich die neonazistische Sportgruppe zurück. Die Verbindungen zueinander sind aber noch geblieben. Unter Umständen wurde das gesamte Angebot über die Jahre einfach verlegt. So war der „Schlossinsellauf“ nicht das einzige Event, an dem Teile der Sportgruppe vom damaligen Training in Weißensee erneut zusammentrafen. Am 27. September 2023 fand ein Training vom „III. Weg“ im Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard in Hellersdorf statt. Neben Oliver Oeltze und Leander Schulze nahm auch Philipp Zech daran teil. Es deutet somit vieles auf ein Fortbestehen von einem Kern der alten Neonazi-Trainingsgruppe aus Weißensee unter dem Label vom „III. Weg“ hin. Hier profitiert die Neonazipartei von der Aufbauarbeit der neofaschistischen Bewegung um AfD und Identitäre Bewegung.

27.09.2023: v.l.n.r.: Philipp Zech (ehemalig im Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf), Oliver Oeltze, Andreas Thomä, Leander Schultze, Erik Storch, Sebastian Glaser und Andi Körner (alle „III. Weg“) nach dem gemeinsamen Kampfsporttraining auf dem Hellersdorfer Kastanienboulevard
2020: Philipp Zech (links) bei der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf

Fazit

In Berlin gibt es somit jahrelang gewachsene Strukturen der extremen Rechten, auf die der „III. Weg“ in seiner Parteiarbeit zurückgreifen kann. Auch wenn bestimmte Personen, wie Philipp Zech, aus der Öffentlichkeit verschwinden, bestehen persönliche Netzwerke weiter. Zudem zeigen die beiden Beispiele vom „Berlin Marsch“ und dem „Schlossinsellauf“ in Lübben, dass Neonazis vom „III. Weg“ gezielt öffentliche Sportangebote nutzen, um ihren extrem rechten Körperkult voranzutreiben und Räume zu besetzen. Dieses Phänomen war bisher vor allem aus dem Kampfsportbereich bekannt, betrifft aber auch viele andere Sportfelder, wie eben den Lauf- und Ausdauersport. Hier muss auf Seiten der Veranstaltenden ein Bewusstsein entstehen, dass Neonazis an ihren Events teilnehmen können und sich dort präsentieren. Daran anschließend braucht es eine Haltung, um gegen diese Vereinnahmung Position zu beziehen. Es ist schwer vorauszusagen, wann und wo Neonazis auf Sportveranstaltungen anzutreffen sein werden. Im Jahr 2024 war der „III. Weg“ in Lübben nicht anwesend. Aber sicherlich werden sie sich andere Veranstaltungen suchen. Insgesamt versucht der „III. Weg“ sein Sportangebot breit aufzustellen, verschiedene Bereiche zu besetzen und so über Sport Politik zu machen. Diese Strategie erinnert an das Vorgehen der neonazistischen „Active Clubs“, die sich aus den USA inzwischen auch in Europa ausbreiten.


Weiterführende Informationen


Übersicht der bekannten Trainingsorte vom „III. Weg“ in Berlin

1) Kissingen-Stadion (Pankow)

  • 17.05.2024: gemeinsames Training mit rund 25 zumeist jugendlichen Neonazis
  • 13.10.2023: Training von ungefähr sechs Neonazis
  • 08.09.2023: Kampfsporttraining mit rund 20 Neonazis, darunter Rechte aus Polen und Frankreich

2) Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard (Hellersdorf)

  • 27.09.2023: Kampfsporttraining mit acht Neonazis
  • 10.06.2023: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund neun Neonazis
  • 09.11.2022: Veröffentlichung Videodreh am Calisthenics Park mit rund 14 Neonazis für Musikprojekt „Kombaat“ von Manuel Eder

3) Butzer See (Kaulsdorf)

  • 10.06.2023: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund neun Neonazis
  • 30.07.2022: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund sieben Neonazis

4) Basketballplatz an der Landsberger Allee (gegenüber Hausnummer 214; Lichtenberg)

  • 07.05.2024: (Kampf-)Sporttraining und Graffiti von ca. 16 Neonazis
  • An dem Ort wurde in der Vergangenheit vor allem die öffentliche Graffiti-Hall vom „III. Weg“ genutzt.

5) Schlosspark Pankow

  • 07.07.2023: Kampfsporttraining von rund zehn Neonazis darunter Mitglieder der spanischen Neonazipartei „Devenir Europeo“

6) Bolzplatz Erich-Kästner-Straße (Hellersdorf)

  • 11.07.2022: ungefähr 13 Neonazis nehmen an einem „Combativen Training“ von einem französischen Neonazi teil

7) Parkaue (Lichtenberg)

  • 13.07.2024: Kampfsporttraining von ca. 20 Neonazis
  • Mitte Juni 2024: Kampfsporttraining von ca. 14 Neonazis

„III. Weg“ Berlin gründete sich im AfD-Restaurant

Das Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ im brandenburgischen Hönow ist vor allem als regelmäßiger Treffpunkt der AfD bekannt. An zahlreichen AfD-Parteiveranstaltungen nahmen wiederholt bekannte Neonazis teil. Doch eine unmittelbare Unterstützung für Neonazigruppen aus der Region konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Nun zeigen Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“, dass die Gründung des Berliner Ablegers der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ im AfD-Restaurant in Hönow stattfand.

Der „III. Weg“ im „Mittelpunkt der Erde“

Laut eigenen Aussagen gründete sich der Berliner Stützpunkt vom „III. Weg“ am 29.03.2015. Die Bilder der Veranstaltung wirken sehr offensiv. Fahnen und Banner mit dem Parteilogo werden offen zur Schau gestellt. Probleme scheinen die Neonazis nicht zu befürchten. Nach Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“ fand die Gründung in den Räumen vom „Mittelpunkt der Erde“ statt.

Das Hönower Restaurant liegt nur wenige Dutzend Meter hinter der Berliner Stadtgrenze und war im Jahr 2015 noch nicht als Treffpunkt der extremen Rechten bekannt. Ab 2017 wurde es ein wichtiger Ort für die Berliner AfD und dessen völkischen Parteiflügel bundesweit. Anscheinend gibt es im „Mittelpunkt der Erde“ eine lange Tradition der Unterstützung für extrem rechte Organisationen, die auch offen neonazistische Kräfte einschließt.

Der „III. Weg“ in Berlin

Die Gründung des Stützpunkts vom „III. Weg“ in Berlin erfolgte rund zwei Jahre nach der Gründung der Neonazipartei. Die Wahl eines Restaurants in Hönow für diesen Anlass ist wenig verwunderlich. So traten bereits damals einige Neonaziaktivist:innen aus dem nah gelegenen Marzahn-Hellersdorf offen für den „III. Weg“ in Berlin auf. Es kann angenommen werden, dass sie auch bei der Parteigründung den Kern der neuen Struktur bildeten. [1] Neonazis, wie Franziska Grunhold und Kai Schuster, waren Jahre zuvor aktiver Teil der rassistischen Mobilisierungen gegen den Bau von Geflüchteten-Unterkünften im Ostberliner Randbezirk. Sie füllten mit der Gründung des „III. Weg“ in der Region das organisatorische Vakuum, das der Zusammenbruch des NPD-Kreisverbandes Marzahn-Hellersdorf nach der „Porno-Affäre“ [2] und das Verbot der Kameradschaft „Frontbann 24“ [3] hinterlassen hatten. Im Gegensatz zu den zuvor bestehenden informellen Neonazi-Strukturen, wie der „Bürgerbewegung Hellersdorf“, [4] bot der „III. Weg“ als Partei mehr politische Möglichkeiten für eine dauerhafte extrem rechte Mobilisierung im Osten Berlins. In diesem Rahmen entfaltete der „III. Weg“-Stützpunkt in Berlin im Gründungsjahr zahlreiche Aktivitäten. Darunter zählen einige Informationsveranstaltungen, Flyerverteilaktionen, Hilfsaktionen für „deutsche Obdachlose“ und ein eigenes Rechtsrockkonzert (u. a. mit Michael „Lunikoff“ Regener). [5] Allerdings ist nicht bekannt, ob von diesen Aktivitäten noch weitere im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden haben. Zum damaligen Zeitpunkt blieb die Partei in ihrer Strahlkraft auf die Berliner Neonaziszene noch vergleichsweise „bedeutungslos“, [6] was sich erst in den vergangenen dreieinhalb Jahren massiv änderte.

Der „Mittelpunkt der Erde“ als Treffpunkt der extremen Rechten

Während die Gründung vom „III. Weg“ im „Mittelpunkt der Erde“ im März 2015 noch weitestgehend unbeachtet blieb, etablierte sich das Restaurant ab 2017 als dauerhafter Treffpunkt der extremen Rechten. Neben zahlreichen Informationsabenden und Parteiversammlungen der AfD fand am 09.09.2017 ein öffentlicher „Wahlkampftag“ der AfD Marzahn-Hellersdorf mit Björn Höcke in der Lokalität statt. [7] Neben Vertreter:innen des bezirklichen AfD-Parteiverbandes nahmen Akteur:innen unterschiedlicher Strömungen der extremen Rechten aus dem gesamten Bundesgebiet daran teil. Unter den Gästen waren der damalige AfD-Rechtsaußen Andreas Kalbitz, Siegfried Däbritz von PEGIDA, Manfred Rouhs von „Pro Deutschland“ sowie die Neonazis Lars Niendorf und René Uttke aus Marzahn-Hellersdorf und Tilo Paulenz auf Neukölln. Letzterer gilt neben Sebastian Thom als einer der Hauptverantwortlichen für die neonazistischen Anschläge vom „Neukölln Komplex“.

Seitdem haben unzählige weitere rechte Veranstaltungen im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden. Allein Björn Höcke war bisher mindestens zwei weitere Male in Hönow, am 11.09.2020 sowie am 10.10.2022 zur Gründung des „Idearium“-Netzwerks, der Nachfolgestruktur vom aufgelösten völkischen „Flügel“ der AfD. [8] Es gab Veranstaltungen mit Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom neofaschistischen „Institut für Staatspolitik“ [9] und mehrere Abende, die vom rechten COMPACT-Magazin um Jürgen Elsässer ausgerichtet wurden. [10] Auch zwei Rechtsrockkonzerte haben unter dem Deckmantel der AfD bereits im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden. [11] Zuletzt veranstaltete die „Junge Alternative Brandenburg“ am 29.12.2023 zusammen mit dem Neonazi-Label „Sub:version Productions“ aus Südbrandenburg eine Jahresabschlussparty. [12] An dem Rechtsrockkonzert mit „Sacha Korn“, „Andy Habermann“ und „Julia Juls“ nahmen auch mehrere Personen aus dem Umfeld vom „III. Weg“ teil, u.a. Kai Milde, René Uttke und „Unbekannt 12“. [13]

AfD und „III. Weg“ vereint im „Mittelpunkt der Erde“

Laut der offiziellen Verlautbarungen der Parteien distanzieren sich der „III. Weg“ und die AfD voneinander. Doch Orte wie der „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow zeigen, dass es lokal durchaus vielfältige Schnittpunkte der beiden Parteien geben kann. Sie nutzen dieselben Lokalitäten und besuchen sich sogar teilweise bei Veranstaltungen. In Marzahn-Hellersdorf nahmen Vertreter:innen beider Parteien an den gleichen Demonstrationen teil, um für sich zu werben. So besuchten AfD und „III. Weg“ 2022 die verschwörungsideologischen Montagsspaziergänge im Bezirk. Aus diesen punktuellen Überschneidungen kann jedoch keine unmittelbare Zusammenarbeit abgeleitet werden. Vielmehr bespielen beide Parteien teilweise ähnliche Themenfelder, sodass es im engen lokalen Kontext zwangsläufig zu Kontakten kommt. Hier zeigt sich vor allem die fehlende Abgrenzung der Marzahn-Hellersdorfer AfD gegenüber militanten neonazistischen Kräften. So wird sich der AfD-Bezirksverband in Zukunft wohl auch weiter am Gründungsort vom „III. Weg“ in Berlin treffen. Zugleich belegen die Recherchen die lange Kontinuität extrem rechter Veranstaltungen im „Mittelpunkt der Erde“. Das Restaurant hat eben nicht nur rechtsoffene Betreiber:innen, sondern muss im Lichte der neuen Erkenntnisse als astreine Neonazi-Lokalität benannt werden.

Neonazi-Aktivist bei AfD Marzahn-Hellersdorf

Autor:innen: Kein Raum der AfD

Erstveröffentlichung unter Indymedia

Am 3. Februar 2024 hat die AfD Marzahn-Hellersdorf einen neuen Vorstand gewählt. Insgesamt konnten die extrem rechten Kräfte ihre Vormachtstellung im Bezirksverband weiter ausbauen. Neben den altbekannten Vertreter:innen völkischer Politik, wie Gunnar Lindemann oder Vadim Derksen, fällt jedoch ein neuer Name auf. Allerdings ist der frisch gewählte Beisitzer Otto-Martin Reblé bei Weitem kein politisch Unbekannter. Bis Ende 2005 war der heute 36-Jährige als organisierter Neonazi im Kameradschaftsbund „Märkischer Heimatschutz“ (MHS) aktiv. Zudem engagierte er sich noch vor wenigen Monaten als Organisator rechtsoffener „Montagsdemos“ in der Uckermark.

Martin Reblé und der MHS

Der „Märkische Heimatschutz“ wurde 2001 als Kameradschaftsnetzwerk im Nordosten Brandenburgs gegründet. Er entwickelte sich schnell zur größten und aktivsten Neonazistruktur im Bundesland.[1] Um einem Verbot zuvorzukommen löste sich der MHS im Jahr 2006 selbst auf. Während seines Bestehens unterhielt das Netzwerk angelehnt an den „Thüringer Heimatschutz“ mehrere „Sektionen“ in unterschiedlichen Städten der Region. Neben Schwedt, Prenzlau, Oranienburg oder Strausberg war Angermünde ein wichtiges organisatorisches Zentrum. Die MHS-Sektion in der Heimatstadt von Martin Reblé wurde geleitet vom bekannten Neonazi-Aktivisten Christian Banaskiewicz[2] und war zeitweise die stärkste Gruppierung des gesamten Netzwerks.

Reblé tauchte zum ersten Mal öffentlich am 6. September 2004 auf, als er hinter Gorden Reinholz, dem Chef des MHS,[3] durch Bernau marschierte. Im gleichen Jahr nahm er am 20. November beim Naziprotest gegen die „Silvio-Meier-Demo“ in Berlin-Lichtenberg teil und trug dort eine Brandenburg-Fahne. Am 27. April 2005 fand wiederum in Bernau ein Aufmarsch von 110 Neonazis mit dem Motto „Ausweisung krimineller Ausländer“statt – unter ihnen Martin Reblé.[4] Obwohl sich Reblé später vor allem als Mitläufer und Demogänger inszenieren wollte, war er auch an gewalttätigen Übergriffen beteiligt. So vermerkte der antirassistische Verein „Pfeffer & Salz“ für den 23. Oktober 2004 in seiner Chronik, wie Mitglieder des MHS auf einem Dorffest in Neuhof bei Angermünde massiv auftraten und dort nicht-rechte Jugendliche bedrohten. Unter den Angreifern wurde Otto-Martin Reblé erkannt, der in der Meldung gar als „Nachwuchskader des MHS“ bezeichnet wurde.[5] Die „Antifaschistische Initiative Reinickendorf“ spricht sogar von mehreren Bedrohungen Reblés gegenüber Jugendlichen.[6] Insgesamt war die Anti-Antifa-Arbeit sowie die Bedrohung von Andersdenkenden ein Schwerpunkt des MHS. Ein zentraler Angriffspunkt war dabei immer der Verein „Pfeffer & Salz“ aus Angermünde. Fast alle deren Veranstaltungen, egal ob Konzerte, Ausstellungen oder Infostände, wurden versucht zu stören und es kam auch zu gewaltsamen Übergriffe gegen das Büro und die Mitglieder des Vereins. Die bekannten Aktivitäten von Otto-Martin Reblé reihen sich in diese Politik der neonazistischen Raumnahme als „Kampf um die Straße“ ein.

Vom Stiefel-Nazi zum Anzug-Faschisten

Ab Ende 2005 taucht Reblé nicht mehr im Kontext des MHS auf. Er selbst gibt an, sich in der Zeit von der Neonazikameradschaft entfremdet zu haben. Ihre Politik war ihm nicht nachhaltig genug.[7] Stattdessen trat Reblé 2008 auf der Liste der „Bürger für Gerechtigkeit“ bei der Stadtverordnetenwahl in Angermünde an – ohne Erfolg.[8] Schon zu dieser Zeit versucht er sich als Aussteiger zu inszenieren, der offen mit seiner Vergangenheit umgeht. Allerdings hat nie eine umfassende Aufarbeitung seiner Zeit beim MHS oder eine tiefe Auseinandersetzung mit der neonazistischen Ideologie stattgefunden. Obwohl er mit führenden Köpfen der Brandenburger Neonaziszene bekannt war, hat er nie Informationen über seine Kameraden geteilt und so zur Verhinderung weiterer neonazistischer Gewalt beigetragen. Martin Reblé hat sich einfach irgendwann entschieden, nicht mehr mitspielen zu wollen. Ein glaubhafter Ausstieg ist das nicht. Zudem nahm Reblé noch am 28. Juli 2007 ‑ also zwei Jahre nach seiner vermeintlichen Abkehr von der Szene – an einem NPD-Aufmarsch in Cottbus teil.

So kann es auch nicht verwundern, dass Otto-Martin Reblé einige Jahre später in der AfD auftauchte. 2018 trat er in den Bezirksverband in Marzahn-Hellersdorf ein. Ein Jahr später leistete er mit weiteren AfD-Mitgliedern aus dem Bezirk Wahlkampfhilfe in unterschiedlichen Brandenburger Städten. Ansonsten ist er unregelmäßig bei Veranstaltungen der AfD Marzahn-Hellersdorf anzutreffen. So nahm er im Mai 2023 an einer Infoveranstaltung mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré im Neonazi-Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ teil.

Daneben unterhält Martin Reblé weiterhin Verbindungen zur AfD in Angermünde und dem dortigen Kreisverband Uckermark. So besuchte er am 12. November 2022 eine interne Schulung des Verbands, die von Peter Feist geleitet wurde. Der Berliner COMPACT-Autor sprach für sein Ein-Mann-Projekt „Christian Wolff Bildungswerk“ über die „Konter-Rhetorik – Wie argumentiere ich streitbar für die Positionen der AfD“.

Die Nähe der AfD Uckermark zur extremen Rechten, wie dem COMPACT Magazin, ist nicht verwunderlich, da Hannes Gnauck im Verband eine führende Rolle einnimmt. Gnauck sitzt für die Brandenburger AfD im Bundestag, ist Bundesvorsitzender der Parteijugend „Junge Alternative“ und bekennender Vertreter des völkischen Parteiflügels.[9]

Neben seinem Engagement in der AfD war Reblé seit September 2022 war ein führender Kopf und regelmäßiger Redner der Neuauflage der rechtsoffenen „Montagsdemos“ in Angermünde.

Eingebettet in das Netzwerk „Uckermark steht auf“ drehten sich diese inhaltlich um die bekannten Themen zwischen Corona-Verschwörungserzählungen, einer autoritären Russland-Treue sowie rassistischer Stimmungsmache. Unter den zumeist 25 Demonstrierenden waren auch regelmäßig lokale AfD-Politiker:innen, wie Sigrid Splisteser. Sie engagiert sich in Angermünde maßgeblich beim AfD-Bürgerbegeheren gegen den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete in Prenzlau. Somit haben sich für Reblé vielleicht die politischen Mitstreiter*innen verändert. Die Themen sind aber weitestgehend dieselben geblieben, auch wenn er sich inzwischen aus dem Organisationskreis der „Monatgsdemos“ zurückgezogen hat.

Neue „Heimat“ Marzahn-Hellersdorf

Nun ist Otto-Martin Reblé in den Vorstand der Marzahn-Hellersdorfer AfD gewählt worden. Dort hat er sicherlich ein wohlwollendes Umfeld für seine politische Haltung gefunden. Schließlich war in der Vergangenheit auch schon die inzwischen inhaftierte Neonazi-Terroristin Birgit Malsack-Winckemann im Bezirksverband gern gesehen.[10] Der amtierende Vorsitzende Gunnar Lindemann ist bekennender Unterstützer des völkischen Flügels der Partei sowie Mitinitiator von dessen Nachfolgestruktur „Idearium“. Zudem ist Lindemann Mitglied der russlandtreuen „Ostwind“-Vernetzung um Hans-Thomas Tillschneider und er referierte selber schon im „Castell Aurora“, dem Vorzeigeobjekt der „Identitären Bewegung“ im oberösterrichischen Steyeregg.[11] Einer seiner Stellvertreter ist Vadim Derksen. Der ehemalige Vorsitzende der „Jungen Alternative“ in Berlin ist momentan Leiter der Social-Media-Abteilung der „Jungen Freiheit“. Vor einigen Jahren nahm Derksen auch schon an Aufmärschen der „Identitären Bewegung“ teil.[12] Auch mit seiner Neonazi-Vergangenheit ist Martin Reblé in der AfD Marzahn-Hellersdorf nicht alleine. So bewegte sich das Parteimitglied Daniel Birkefeld Anfang der 1990er Jahre im Umfeld des Neonazi-Mörders Mike Lillge. Er war sogar mutmaßlich mit diesem unterwegs, als Lillge am 24. April 1992 Nguyễn Văn Tú aus rassistischen Motiven erstach.

Insgesamt zeigt die Personalie Otto-Martin Reblé erneut, wie gewalttätige Neonazis nach einigen Jahren Schonzeit eine zweite politische Karriere in der AfD anfangen können. Der Partei ist es einfach egal, was ihre Mitglieder und Funktionäre früher gemacht haben, solange sie heute treu zum extrem rechten Kurs stehen. Neonazi-Kader in Parteifunktionen sind keine Ausrutscher, sondern nur die logische Konsequenz der menschenverachtenden Politik der AfD.


[1] Das „Antifaschistische AutorInnen-Kollektiv Brandenburg“ hat 2005 eine detaillierte Broschüre zum MHS veröffentlicht: https://inforiot.de/wp-content/uploads/sites/30/2019/01/2005_maerkitscher_heimatschutz.pdf

[2] Mehr Infos zu Christian Banaskiewicz : https://antifainfoblatt.de/aib87/brandenburger-mischung

[3] Gordon Reinholz und der MHS: https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/MHS.htm

[4] Zu den bekannten Demonstrationsteilnahmen Reblés: http://www.gegenrede.info/news/2008/lesen.php?datei=080923_01

[5] Übergriff in der Chronik von „Pfeffer & Salz“: https://web.archive.org/web/20050412171642/http://lola.d-a-s-h.org/~ps/tests/inhalt/aktuell/chronik2004.html

[6] Siehe Bildbeschreibung „Foto 10“: https://web.archive.org/web/20080331055614/http://www.rantifa.de/Beitrag_NaziBB.html

[7] Statment von Reblé zu seiner Zeit beim MHS: http://www.gegenrede.info/news/2008/lesen.php?datei=080923_01

[8] Zum Wahlantritt von Reblé in Angermünde (Seite 5): https://www.apabiz.de/wp-content/uploads/Monitor_Nr37.pdf

[9] Zu Hannes Gnauck: https://taz.de/Junge-Alternative-waehlt-Gnauck-zum-Chef/!5885685/

[10] Antifa-Recherchen zum „Fall Birgit Malsack-Winckemann“ https://keinraumderafd.info/2022/12/08/die-afd-marzahn-hellersdorf-und-der-rechtsterrorismus-der-fall-birgit-malsack-winkemann/

[11] Über die Finanzierung des „Castell Autora“ durch den ehemaligen Berliner CDU-Finanzsenator Peter Kurth: https://exif-recherche.org/?p=11991

[12] Vadim Derksen bei einer Demonstration der „Identitären Bewegung“ 2016 in Freilassing: https://www.regensburg-digital.de/afd-regensburg-rechte-aufmaersche-sind-privatangelegenheit/01042016/

Neonazis und Identitäre beim AfD-Rechtsrockkonzert

Autor:innen: anonym

Erstveröffentlichung unter Indymedia

Am 29.12.2023 organisierte die Junge Alternative Brandenburg eine sogenannte „Jahresabschlussparty“. Aufgrund der angekündigten Musik-Acts und Kooperationspartner war allerdings klar, dass es sich hierbei um ein reines Rechtsrockkonzert handelte. Der Ort der Veranstaltung wurde bis zum Schluss geheim gehalten. Die „Party“ stieg letztendlich im AfD-Treffpunkt „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow bei Berlin. Gekommen ist eine bunte Mischung aus Jung-AfD’ler:innen, Neonazis vom III. Weg und der NPD sowie Identitäre und Rechtsrock-Fans. Ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl in Brandenburg präsentiert sich die Jugendorganisation der AfD als Sammelbecken für sämtliche Spektren der extremen Rechten.

Wer steckt hinter der „Jahresabschlussparty“?

Bereits knapp zwei Monate vor dem 29.12.2023 begann die Mobilisierung für die „Jahresabschlussparty“ der Jungen Alternative Brandenburg. Der Ort wurde im Stil von Neonazi-Konzerten geheim gehalten. Zu groß war wohl die Angst vor Gegenprotesten oder staatlichen Interventionen. Als Kooperationspartner trat „Sub:version Production“ auf. Das Label und Musikvertrieb ist tief in die Neonazi-Strukturen um Cottbus und Umgebung verstrickt. [1] Ursprünglich aus dem Umfeld von Nazirapper „Bloody32“ gegründet, bietet „Sub:version“ heutzutage alles an, was das rechte Herz begehrt: vom Hooligan-Rock von „Kategorie C“ bis Rap des „Neuen Deutschen Standard“ um „Chris Ares“. Auch die Acts für den 29.12. sind allesamt aus dem Portfolio des Südbrandenburger Vertriebs.

Die Acts der „Jahresabschlussparty“

Ganz oben auf dem Flyer stand die Neonaziband „Sacha Korn“.[2] Bereits am 6.11.2021 spielten sie für die AfD Brandenburg im „Mittelpunkt der Erde“.[3] Frontmann Sascha Korn aus Teltow ist seit über einem Jahrzehnt in der internationalen Rechtsrock-Szene aktiv und Bassist Jan-Michael Keller war jahrelang Politiker der NPD in Berlin-Lichtenberg. Trotzdem stellt sich die Band gerne als vermeintlich unpolitischer „Deutschrock“ dar. Doch ihre Verbindungen zu unterschiedlichen Szenen der extremen Rechten sind offensichtlich. Kooperationspartner von „Sacha Korn“ ist die völkische Kampagne „1 Prozent“. Das neurechte COMPACT-Magazin filmte eine kurze Dokumentation zum AfD-“Patrioten“-Konzert mit „Sacha Korn“.

Im Jahr 2022 sollten „Sacha Korn“ auf dem internationalen Neonazi-Festival „Frontnacht“ im belgischen Ieper auftreten; zusammen mit einschlägigen Bands wie die „Casa Pound“-Hausband „Bronson“ aus Italien oder dem Liedermacher Philipp „Flak“ Neumann aus Deutschland, der Mitglied der mittlerweile verbotenen Hammerskins war. [4] Das Festival wurde letztendlich verboten, wie auch viele Konzerte von „Sacha Korn“ in Deutschland in den letzten Jahren.

Der zweite Act war Andy Habermann. Der Sänger der Rechtsrock-Band „Wutbürger“ [5] saß für die AfD bis 2020 in der Stadtverordnetenversammlung Werneuchen. Er musste seinen Posten räumen, nachdem die Aktivitäten seiner Band bekannt wurden. Wie „Sacha Korn“ geben sich auch „Wutbürger“ als „Deutschrock“-Projekt, doch sind tief in die extreme Rechte verstrickt. Zu den ehemaligen Mitgliedern zählte unter anderem Nigel Brown. Der Neonazi aus dem „Combat 18“-Umfeld spielte zuvor bei „No Remorse“. [6] Gegenwärtig bedient ein ebenso bekannter Rechtsrocker bei „Wutbürger“ den Bass: Alexander Gast von der Neonazi-Band „Spreegeschwader“. Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass die Band über enge persönliche Kontakte zu Neonazis, wie dem Liedermacher Marcel Martens („F.i.e.L.“), verfügt oder 2022 beispielsweise mit Hannes Ostendorf von „Kategorie C“ kooperierte.

Auch mit Julia Götz alias „Julia Juls“ haben „Wutbürger“ bereits einen gemeinsamen Song aufgenommen. Die Liedermacherin ist bekannte Aktivistin der rassistischen Kampagne „Frauenbündnis Kandel“ aus Rheinland-Pfalz. Zu „Subver:sion“ kam Julia Götz über eine Kollaboration mit „Bloody32“. Letztendlich gehören alle drei Acts vom AfD-Konzert am 29.12. zum gleichen Netzwerk und kennen sich auch persönlich. So stand „Julia Juls“ mit Andy Habermann auf der Bühne und unterstützte auch „Sacha Korn“ am Mikrofon.

Bereits 2019 sollten alle drei Acts zusammen in Zehdenick für die Rocker-Bruderschaften „Sons of Future“ und „Burgunden“ auftreten. Das Konzert wurde damals verboten. Nun erfolgte also mit der Parteijugend der AfD im Rücken ein neuer Anlauf. [7] Die Veranstaltung fungierte damit wohl auch als eine Art „Testballon“, wie weit die AfD gehen kann ohne auf staatlichen Widerstand zu stoßen. Die offene Akzeptanz der Behörden zeigt: ziemlich weit.

Von der AfD…

Insgesamt kamen rund 80 Personen aus unterschiedlichen Teilen Ostdeutschlands zu der Veranstaltung. Aus der AfD waren jedoch fast ausschließlich Mitglieder der „Jungen Alternative“ (JA) aus Brandenburg anwesend. Darunter der gesamte Vorstand [8] mit den Vorsitzenden Anna Leisten und Franz Dusatko (zusammen mit seiner Verlobten Lisa S.), dem stellvertretenden Vorsitzenden Stefan Pfau sowie Lisa Wölfert und Matze Albrecht. Weiterhin waren einige Aktivist:innen der Thüringer JA in Hönow. Andere Parteimitglieder, vor allem aus Berlin und Brandenburg, blieben der Veranstaltung jedoch fern. Obwohl die lokalen Verbände aus Marzahn-Hellersdorf oder Märkisch-Oderland den „Mittelpunkt der Erde“ regelmäßig nutzen und selbst dem völkischen Parteiflügel zuzurechnen sind, war ihnen die Kooperation der „Jahresabschlussparty“ mit klaren Neonazi-Strukturen vielleicht zu offensichtlich.

Sicherlich hatten sich die Veranstaltenden mehr von dem Konzert versprochen, für das es bis zuletzt noch Karten zu kaufen gab. Im Vergleich dazu war die Begleitung der Veranstaltung durch „alternative Medien“ enorm. So war das COMPACT-Magazin offizieller Kooperationspartner der Veranstaltung und hatte dort einen eigenen Informationsstand. Allerdings kam nur die „zweite Garde“ um den Identitären Paul Klemm und Roy Grassmann nach Hönow. Aus dem gleichen Umfeld war auch der ehemalige COMPACT-TV-Verantwortliche Martin Müller-Mertens vor Ort, der momentan für den verschwörungsideologischen Sender „AUF1“ arbeitet. Auch Mario Nieswandt vom AfD-affinen Sender „Seelow TV“ durfte in der Reihe der Medienschaffenden mitmischen. Daneben filmten auch Aktivist:innen vom sogenannten „Filmkunstkollektiv“ um Simon Kaupert aus Dresden auf der Veranstaltung – wahrscheinlich in Vorbereitung für den anstehenden Wahlkampf.

… für Neonazis und rechte Rocker

Der Hauptteil der Besuchenden speiste sich vorwiegend aus den Fanszenen der angekündigten Musik-Acts, sodass Rechtsrockfreund:innen über 50 die Veranstaltung bestimmten. Dazu zählten auch die weiteren Bandmitglieder von „Wutbürger“, wie der Gitarrist Maik Langner und Drummer Andreas Rosenthal, und der Bandfreund Nick Lajow, vom Neonazi-Tattoostudio „Ordo Tatto“ in Teltow [9]. Nur Bassist Alexander Gast blieb zuhause in seinem neuen Wohnort nahe Bayreuth. Dennoch waren unter den Besuchenden auch einige bekannte Neonazi-Aktivist:innen. Vor allem ehemalige Mitglieder der NPD sind aus der politischen Versenkung aufgetaucht, um ihren „alten Kameraden“ Jan-Michael Keller zu sehen. Dazu zählten unter anderem Jan Sturm, Danny Matschke oder Dietmar Hömke. Doch auch vom III. Weg, der im angrenzenden Marzahn-Hellersdorf sehr aktiv ist, waren einige bekannte Gesichter vertreten, in einem Fall sogar in Bekleidung der Partei. Neben Parteiumfeld aus dem Bezirk, unter anderem René Uttke, war u.a. der III.Weg-Aktivist Kai Milde anwesend.

Extrem rechte Mischszenen

Bei der „Jahresabschlussparty“ der „Jungen Alternative Brandenburg“ konnten unter dem Deckmantel der Partei unterschiedliche Szenen der extremen Rechten zusammenkommen. Während privat organisierte Nazi-Konzerte, beispielsweise in Rocker-Clubs, häufiger das Ziel staatlicher Verbote sind, könnte sich hier ein neues Business-Modell entwickeln. Dabei werden die Kontakte der AfD zur militanten Neonazi-Szene offen zur Schau getragen. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit sich dieses Konzept innerhalb der Partei durchsetzen kann.


[1] Informationen und Hintergründe zu „Sub:version“: https://identitaereinbochum.noblogs.org/bloody32/

[2] Informationen zu „Sacha Korn“: https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2019/12/sacha-korn.html

[3] AfD organisiert Rechtsrock-Konzert mit „Sacha Korn“ https://keinraumderafd.info/2021/11/08/brandenburger-afd-organisiert-ext…

[4] „Sacha Korn“ auf der „Frontnacht“: https://www.bellingcat.com/news/2022/07/28/our-songs-are-manifestos-why-…

[5] Mehr Informationen zu „Wutbürger“: https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2020/06/wutburger-die-band.html

[6] Zu Nigel Brown: https://twitter.com/SHornchen/status/1324635949997973504

[7] Verbotenes Konzert von „Sacha Korn“, „Wutbürger“ und „Julia Juls“: https://inforiot.de/zehdenick-rocker-veranstalten-rechtsrock-event/

[8] Hintergründe zum Vorstand der Brandenburger JA: https://pressefuchsbrandenburg.wordpress.com/2023/11/17/rechtsextreme-ei…

[9] Zu Nick Lajow und seinen Kontakten in die Rechtsrockszene: https://inforiot.de/rechtsrock-konzert-in-potsdam-geplant/

Die AfD Marzahn-Hellersdorf und der Rechtsterrorismus – Der „Fall Birgit Malsack-Winkemann“

Autor:innen: KeinRaumderAfD

Erstveröffentlichung unter keinraumderafd

Von „isoliert“ kann keine Rede sein – die am 07.12.2022 vom SEK festgenommene Birgit Malsack-Winkemann genießt in der Berliner AfD breite Unterstützung. Der „Flügel“ buchte sie regelmäßig für Veranstaltungen, ihre Beliebtheit führte sie in den Bundestag. Insbesondere der Marzahn-Hellersdorfer Verband unter Gunnar Lindemann stärkt ihr den Rücken. Eine Untersuchung ihres weitläufigen Netzwerks in der Partei.

Am Morgen des 7. Dezember 2022 ging die Generalbundesanwaltschaft mit der vermeintlich größten Polizeiaktion in der Geschichte der Bundesrepublik gegen eine rechtsterroristische Gruppierung vor. Das bundesweit operierende Netzwerk aus Reichsbürgern und „Querdenkern“ habe geplant, ein „Deutsches Reich“ auszurufen. Neben Ex-Soldaten ist auch eine – inzwischen ehemalige – Berliner Richterin dabei. Dabei handelt es sich um die vormalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Im geplanten „Reich“ sei für sie das Amt der Justizministerin vorgesehen gewesen. Malsack-Winkemann war als Sportschützin zum Besitz von Waffen berechtigt. Als ehemalige Bundestagsabgeordnete verfügte sie über einen Hausausweis für ehemalige Parlamentsmitglieder und entsprechende Ortskenntnisse. Sie könnte bei den verfolgten Umsturzplänen eine zentrale Rolle gespielt haben. Aufgrund ihrer Rolle in den Berliner AfD-Strukturen, insbesondere ihrer engen Verbindungen nach Marzahn-Hellersdorf, ist es kaum möglich, dass diese Entwicklung unbemerkt geblieben ist.

Gut vernetzt im völkischen „Flügel“ der AfD

Im Jahr 2022 trat Malsack-Winkemann politisch kaum noch in Erscheinung. Davor war sie jedoch in der Berliner AfD überaus aktiv. Noch im Juni 2021 wurde sie auf der Landeswahlversammlung der Partei mit mehr als der Hälfte der Stimmen auf den fünften Platz der Landeswahlliste für den Bundestag gewählt. Bei ihrer Wahlrede sprach sie offen vom Verschwörungsmythos des „Great Reset“ und forderte die Wiederherstellung der deutschen Souveränität. Die Berliner AfD-Mitglieder wussten also, wen sie wählten und taten dies im vollen Bewusstsein der politischen Ansichten von Malsack-Winkemann. Dennoch verlor Birgit Malsack-Winkemann nach der Wahl im September 2021 ihr politisches Mandat. Bei der anstehenden Wiederholung der Bundestagwahl in einigen Berliner Wahlbezirken wird sie jedoch auf dem gleichen Platz antreten.

Ihr Standing im Landesverband ergibt sich auch aus Malsack-Winkemanns Nähe zum völkischen „Flügel“ der Partei, der inzwischen auch in Berlin die Parteipolitik bestimmt. Obwohl Malsack-Winkemann keine direkte Führungsrolle in dem parteiinternen Netzwerk bekleidet, war sie stets eine beliebte Rednerin auf Veranstaltungen, die vom „Flügel“-Spektrum in Berlin um Jeannette Auricht und Thorsten Weiß organisiert wurden. Malsack-Winkemann war von 2015 bis 2017 stellvertretende Vorsitzende des AfD-Bezirksverbandes Steglitz-Zehlendorf, der schon damals vom völkischen Hardliner Andreas Wild dominiert wurde. Sie schwieg dazu und trat noch Ende 2020 als Gast bei der online-Veranstaltung von Wild auf, gegen den weiter ein Parteiausschlussverfahren läuft. Alle anderen Redner standen auf dem Emailverteiler des „Flügels“ in Berlin. Weiterhin organisierte sie als Bundestagsabgeordnete im April 2019 maßgeblich einen Dialog-Veranstaltung der Reinickendorfer AfD mit AfD-Vize-Chefin Alice Weidel. Auf dem Podium saßen u.a. noch Rolf Wiedenhaupt und der damalige Berliner „Flügel“-Obmann Thorsten Weiß. Noch deutlicher wird ihre Verbindung zum offen völkischen Rand der Partei in ihrer tiefen Beziehung zur AfD in Marzahn-Hellersdorf. Im Angesicht der schwerwiegenden Anschuldigungen stellt sich zwangsläufig die Frage, was die Marzahn-Hellersdorfer AfD von den „Umsturzplänen“ ihrer Weggefährtin wusste.

Verbindungen zur AfD Marzahn-Hellersdorf

Trotz ihrer politischen Verbundenheit mit Steglitz-Zehlendorf unterhielt Birgit Malsack-Winkemann seit mindestens 2018 intensiven Kontakt mit dem AfD Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf. Dieser gilt personell und ideologisch als besonders nah am „Flügel“ der AfD. So war Malsack-Winkemann unter anderem im Juni 2018 als Rednerin zu Gast auf einem sogenannten „Bürgerdialog“ des Bezirksverbandes im Neonazi-Lokal „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow. Im März 2020 nahm sie am online-Frühjahrsempfang der AfD-Marzahn-Hellersdorf teil. Dieses Engagement erhöhte sich sich im Wahlkampfjahr 2021. Dort unterstützte Malsack-Winkemann den Bezirksverband bei mindestens elf der ungefähr 39 Wahlkampfstände. Solch eine starke Unterstützung von einer nicht im Bezirk verankerten Politikerin im lokalen Wahlkampf ist einmalig. Das verweist auf die enge Verbindung zwischen Malsack-Winkemann und dem AfD-Bezirksverband. Gleich zwei Mitglieder der AfD Marzahn-Hellersdorf waren als Mitarbeitende von Malsack-Winkemann im Bundestag beschäftigt: Edwin Arnovic Falkenstern, der bei der letzten BVV-Wahl in Marzahn-Hellersdorf auf Listenplatz 25 antrat, und Anneliese Dummer. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin von Malsack-Winkemann und Direktkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl in Marzahn-Mitte. Zudem besuchte Dummer 2019 mit vielen anderen Mitgliedern des Beziksverbandes das letzte bundesweite „Kyffhäuser“-Treffen vom „Flügel“ in Leinefelde.

Die Unterstützung im Wahlkampf diente rückblickend betrachtet auch zur Vorbereitung auf einen möglichen Stadtratsposten für Malsack-Winkemann. Trotz ihres aussichtsreichen Listenplatzes musste sie befürchten, nicht erneut in den Bundestag einzuziehen. Mit der Unterstützung eines „Flügel“-nahen AfD Bezirksverband hätte sie sich so auf lokaler Ebene einen politischen Posten sichern können. Aufgrund der engen Verbindung zur Marzahn-Hellersdorfer AfD wurde Malsack-Winkemann als Stadträtin für das Ordnungsamt im Bezirk vorgeschlagen. Dem voraus ging eine interne Nominierungsrunde der AfD Marzahn-Hellersdorf, in der fünf der neun Fraktionsmitglieder für Malsack-Winkemann stimmten. Das unterstreicht ihre breite Unterstützung im Bezirksverband. Allerdings zog Malsack-Winkemann ihre Kandidatur noch vor dem ersten Wahlgang im November aus „persönlichen Gründen“ zurück.

Die Nominierung für den Stadtratsposten wäre ohne die Netzwerke aus dem ehemaligen „Flügel“ sowie die jahrelange Verbundenheit von Malsack-Winkemann zur AfD in Marzahn-Hellersdorf nicht möglich gewesen. Gunnar Lindemann, seit 2022 Vorsitzender des Verbandes und schon vorher lokal federführend, pflegte nachweislich seit mindestens 2018 enge Kontakte zu Malsack-Winkemann. Neben persönlichen Treffen und Wahlkampfauftritten versuchte Lindemann seine Reichweite zu nutzen, um Malsack-Winkemanns Mitarbeiterin Anneliese Dummer in der Lokalpolitik und für ein Direktmandat zu stärken. Mit Richard Gretzinger, einem weiteren von Malsack-Winkemanns Mitarbeitenden, unternahm Lindemann regelmäßig politisch brisante Reisen in autoritäre Regime oder Krisengebiete. Dazu zählten gemeinsame Aufenthalte in Belarus (2018), in der Ostukraine (2020) oder in Syrien (2021). Zudem nahmen Gretzinger und Lindemann gemeinsam am AfD-„Schweigemarsch“ 2018 in Chemnitz teil, der in rassistischen Ausschreitungen mündete. Aufgrund seiner fast schon freundschaftlich anmutenden Beziehung zu Malsack-Winkemann und ihrem Umfeld dürfte Lindemann auch bei ihrer Einbindung in den Bezirksverband eine wichtige Rolle gespielt haben.

Gunnar Lindemann und Birgit Malsack-Winkemann beim Wahlkampfstand im September 2021 in Marzahn
Gunnar Lindemann und Richard Gretzinger im April 2021 im syrischen Damaskus
Richard Gretzinger und Gunnar Lindemann bei den rassistischen Ausschreitungen am 01.09.2018 in Chemnitz

Letztendlich war es eine win-win-Situation. Durch das Engagement von Malsack-Winkemann im Bezirk zeigte Lindemann seine Fähigkeit, Bundesprominenz der Partei in den Wahlkampf einzubinden. Und Malsack-Winkemann brauchte die Unterstützung der völkischen Kräfte in der Partei für ihre politische Karriere. Lindemann spielt als wichtiger Netzwerker in der Partei und auch über seine „Flügel“-Verbindungen hinaus eine wichtige Rolle. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Bezirksverbands nimmt er regelmäßig an Veranstaltungen rechtsdominierter Bewegungen, wie Querdenken, teil. Verschwörungsideologische und rechte Initiativen bezeichnete Lindemann während eines Landesparteitags in Schönwalde-Glien „im Prinzip als unsere Vorfeldorganisation(en)“. Genau diese Spektren, die Lindemann regelmäßig versucht zu vernetzen, haben jene Organisation hervor gebracht, die vermeintlich einen rechten Staatsstreich durchführen wollte. Selbst wenn er und sein Verband nicht an diesen Plänen beteiligt waren, sind Lindemann und die AfD Marzahn-Hellersdorf wichtige Akteure in der Mischszene aus völkischen Rechten, Querdenkern und Reichsbürgern. Diese schreckt nicht vor rechtsterroristischen Umsturzfantasien zurück.

Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass AfD-Mitglieder aus Marzahn-Hellersdorf Malsack-Winkemann nach ihrer Verhaftung sofort zur Seite sprangen. Während der Bundesvorstand um Alice Weidel und Tino Chrupalla abwartende Worte wählte, versuchte unter anderem Daniel Birkefeld vom AfD-Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf die Vorwürfe rechtsterroristischen Verhaltens gegenüber der Ex-Bundestagsabgeordneten zu verharmlosen. Die Unterstützung ist kaum verwunderlich. So stand der Sympathisant der „Identitären Bewegung“ noch 2021 regelmäßig mit ihr an Wahlständen in Marzahn-Hellersdorf. All dies zeigt, wie tief das persönliche und politische Netzwerk von Malsack-Winkemann immer noch in den AfD Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf hineinreicht.

Die rechte Richterin

Im Angesicht der politischen Karriere von Birgit Malsack-Winkemann sowie ihres persönlichen und professionellen Umfelds können die jetzigen Vorwürfe des Generalbundesanwalts kaum verwundern. Spätestens seit ihres Wahl in den Bundestag 2017 zeigte die ehemalige Richterin für Mietrecht am Berliner Landgericht (1993-2017) regelmäßig ihre Sympathien für den völkischen Teil der AfD. Sie trat vielfach mit Angehörigen der Parteigruppierung in der Öffentlichkeit auf oder unterstützte diese bei Veranstaltungen und im Wahlkampf. Nach dem verpassten Wiedereinzug in den Bundestag wollte Malsack-Winkemann dieses Engagement vergessen machen und wieder in ihr Richteramt zurückkehren. Dagegen legte die Justizverwaltung des Berliner Senats Widerspruch ein. Anders als im Fall von Jens Maier, dem aufgrund seiner völkischen Politik als AfD-Bundestagsabgeordneter die Ausübung des Richteramtes untersagt wurde, entschied das Berliner Dienstgericht, dass Malsack-Winkemann im Amt verbleiben könne. Diese Entscheidung war schon vor dem Hintergrund der damaligen Argumente der Justizverwaltung zu den politischen Ansichten und Netzwerken Malsack-Winkemanns skandalös. Im Angesicht der jetzigen Entwicklungen wirkt es geradezu absurd, wie Warnungen vor den politischen Gefahren, die von Malsack-Winkemann ausgehen, ignoriert wurden. Es zeigt sich wieder einmal, dass rechte Hardliner kaum mit Gegenwind aus Justiz und Verwaltung zu rechnen haben. Aufgrund der Unterstützung von potentiell rechtsoffenen Kolleg*innen können so nachweislich völkische Personen im Staatsdienst verbleiben. Der Fall „Birgit Malsack-Winkemann“ dürfte somit nicht nur für die Marzahn-Hellersdorfer AfD als stiller Unterstützungsstruktur Konsequenzen haben. Auch die Repräsentant*innen der Berliner Justizsystems müssen sich Fragen zu ihren vergangenen Entscheidungen gefallen lassen.

Vereint zuschlagen? Gemeinsames Kampfsporttraining von NPD, IB und AfD in Berlin

Autor:innen: anonym

Erstveröffentlichung unter Indymedia

Im Sportkomplex Rennbahn (Rennbahnstr. 62, 13086 Weißensee) trafen sich 2021 Aktivist_innen von AfD, Identitärer Bewegung und NPD regelmäßig zum gemeinsamen Kampfsporttraining.

Ohne behelligt zu werden dürfen Nazis öffentliche Sportanlagen nutzen und sich dort auch unbeschwert vernetzen.

Es nahmen diverse Nazis von der NPD am Training teil. Fabian Knop, früher Freie Nationalisten Buch, heute NPD und JN Pankow, gilt als politischer „Ziehsohn“ von Christian Paul Schmidt, Vorsitzender der Berliner JN. Schmidt ist eine zentrale Figur der Naziszene in Berlin Buch und tritt vor allem durch seine “Anti-Antifa”-Aktivitäten in Erscheinung. Er trainierte mehrfach offen im T-Shirt des Nazi-Kampfsportturniers “Kampf der Nibelungen”. Es ist damit mehr als ersichtlich gewesen, dass hier Neonazis trainieren, die das offen zur Schau stellen.

Zudem nahmen die NPD-Anhänger aus Marzahn-Hellersdorf Lars Niendorf und Kai Milde an den Trainings teil. Beide wurden am 3.10.2020 auf dem Naziaufmarsch vom 3. Weg in Hohenschönhausen gesehen.

Von der “Identitären Bewegung” nahmen mindestens vier Aktivisten regelmäßig am Kampfsporttraining teil: Mario Alexander Müller gehörte ehemals zur Parteijugend der NPD in Niedersachsen. Danach war er Kopf der Identitären-Gruppe “Kontrakultur” Halle. Nach deren Auflösung zog es ihn nach Berlin, wo er nun für das Compact Magazin arbeitet. Neben ihm nimmt “Linus” (Rufname) am Training teil, der schon 2016 und 2017 die IB-Demos in Berlin mitorganisierte und sich auch jetzt noch an IB-Aktionen beteiligt. Der Dritte ist Roy Grassmann aus Bernau. Früher auf NPD-Veranstaltungen anzutreffen, verteilt er inzwischen das Compact-Magazin auf Querdenken Demos (z.B. in Frankfurt Oder https://inforiot.de/kein-platz-fuer-neonazis/). Unter seinem “Greifvogel-Wear”-Shirt trägt er ein großes Kolovrat-Tattoo auf der Brust, eine Art abgewandeltes Hakenkreuz.

Von der AfD nehmen regelmäßig teil: Jörg Sobolewski, der ebenfalls IB-Aktivist ist und zur Burschenschaft Gothia gehört. Sobolewski ist früherer Leiter der Geschäftsstelle der AfD Berlin, danach war er Mitarbeiter im Bundestag und bei der AfD Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Neben ihm nimmt Philipp Zech am Training teil. Er war 2019 und 2020 Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf, ist Exmitglied der Piratenpartei und Sportwissenschaftler an der Uni Potsdam, der auch Vorträge für die Aidshilfe hält. Beim Training trat auch er mit einem T-Shirt der Neonazimarke “Greifvogel Wear” auf. Ebenfalls dabei ist Alexander Göller von der Jungen Alternative Berlin und AfD Kreisverband Reinickendorf, der auf Facebook mit NS-Sprache auffällt.

An den Trainings nahmen in wechselnder Zusammensetzung regelmäßig zehn bis zwanzig Leute teil, von denen außer den namentlich genannten Nazis, viele auch Shirts von “Greifvogel Wear” oder “Kampf der Nibelungen” trugen.

Solche Trainings zu akzeptieren bedeutet Nazis in ihrem gewaltverherrlichendem Treiben zu unterstützen. Nazis üben mit diesen Trainings die körperliche Auseinandersetzung auf der Straße und machen sich fit für Fascho-Kampfsportveranstaltungen wie den Kampf der Nibelungen.

Wer dabei untätig zuschaut, wie organisierte Neonazis gemeinsam Kampfsport trainieren, nimmt in Kauf, dass sie ihre Kenntnisse auch gegen andere Menschen anwenden.

Zusammentreffen wie dieses Training zeigen auf, dass die Trennung in vermeintlich gemäßigte und extreme Rechte kaum mehr ist als eine Fassade. Trotz der sich wiederholenden Scheindistanzierungen kommen Rechte aller Schattierungen von AfD, über IB bis NPD immer wieder bei Diskussionsrunden, Trainings und Demos zusammen und verstehen sich offensichtlich bestens.

Brandenburger AfD organisiert extrem rechtes Konzert

Landesverband der AfD „feiern“ mit Sacha Korn

Autor:innen: Inforiot

Erstveröffentlichung unter Inforiot

Am 6. November 2021 veranstaltete der AfD-Landesverband Brandenburg eine Abendveranstaltung in Hönow (Gemeinde Hoppegarten). Angekündigt war ein Infoabend mit Beiträgen der beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow. Den Abschluss bildete jedoch ein geheim organisiertes Konzert des extrem rechten Musikprojekts um Sacha Korn. Der offene Schulterschluss zwischen der Brandenburger AfD und einer außerparlamentarischen, subkulturellen Rechten ist neu. Er könnte als Richtungsweiser für den politischen Kurs nach den anstehenden Wahlen zum Landesvorsitz fungieren, bei denen auch Birgit Bessin antritt. Die zahlreich anwesenden Mitglieder des Brandenburger Landtages und einige Bundestagsabgeordnete aus dem Bundesland scheinen diese Entwicklung aktiv zu unterstützen. 

Das „Braune Haus“ in Hönow 

Veranstaltungsort des rechten Konzertabends war wieder einmal das Restaurant „Mittelpunkt der Erde“. Es gilt seit Jahren als etablierter Treffpunkt des völkischen Flügels der AfD. In der Vergangenheit fanden hier bereits Veranstaltungen mit Björn Höcke am 9.September 2017 und am 11.September 2020 statt (Wahlkampftag der AfD Marzahn-Hellersdorf am 9. September 2017 — 1) und Andreas Kalbitz (Treffen der „Adlerschwingen Brandenburg“ ) statt. Auch Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom extrem rechten „Institut für Staatspolitik“ waren im Oktober 2020 für einen Diskussionsabend der Berliner „Jungen Alternative“ in Hönow zu Gast. Aufgrund der akuten Schwierigkeit der Berliner AfD, Veranstaltungsräume zu finden, dient der „Mittelpunkt der Erde“ ebenfalls als Treffpunkt für zahlreiche Bezirksverbände, um dort beispielsweise Parteitage abzuhalten. Doch am Samstagabend gab es auf der „Dankesfeier“ für „unsere Mitglieder“, wie Birgit Bessin wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn auf Facebook schrieb, mehr als nur ein paar diskriminierende Reden.

Sacha Korn – Musik für die extreme Rechte 

Unter den ankommenden Personen des Abends waren auch Mitglieder des extrem rechten Musikprojekts um den Songwriter Sacha Korn. So zeigte sich Drummer Guido Schade direkt im Bandoutfit und der Bassist und ehemalige Kader der Lichtenberger AfD, Jan-Michael Keller, trug sein Instrument in den Veranstaltungsraum. Später veröffentlichte eine Aktivistin der „Jungen Alternative“ aus Brandenburg Fotos, die bestätigten, dass tatsächlich ein Konzert von Sacha Korn im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden hatte. 

Der Sänger und seine Bandkollegen nennen sich selbst „unpolitisch“. Doch sie sind seit vielen Jahren in einer extrem rechten Musikszene aktiv und in Neonazinetzwerke eingebunden. 2011 wurden Songs von Sacha Korn auf der “Schulhof-CD” der NPD in Sachsen-Anhalt veröffentlicht.  Zudem hat die Band Kontakte ins Rockermilieu, wie ein geplantes und dann verbotenes Konzert für die Hells Angels 2012 zeigt. Aus Angst vor weiteren Verboten werden ihre Konzerte in der Regel klandestin organisiert, wie 2015 im Berliner Club „Chesters“ [5]. Wenn sie bekannt werden, sind sie von antifaschistischen Protesten begleitet – so 2017 in Potsdam-Bornstedt. In den letzten Jahren suchen Sacha Korn neben der Neonazi-Szene jedoch verstärkt Kontakte in eine neofaschistische Rechte, vor allem zu Strukturen der “Identitären Bewegung”. Sein aktuelles Album „Heimat“ aus dem Jahr 2020 produzierte er zusammen mit der völkischen Vernetzungsplattform „Ein Prozent“. Sie finanzierte auch das Video zur Auskopplung „Unsere Kraft“ und bewarb Korn mehrfach auf ihrer Homepage als öffentlichkeitswirksamen Posterboy für eine „patriotische Musikszene“. Dadurch erlangte Sacha Korn Zugang zur rechten Medienblase. Er gab unter anderem Interviews in der FPÖ-nahen Zeitung „Wochenblick“ und dem österreichischen Magazin „Freilich“, das ebenfalls der FPÖ und der „Identitären Bewegung“ nahesteht. Zudem war er Ende 2020 Gast im online-Format „laut gedacht“ der beiden Identitären-Aktivisten Alexander Kleine aka Alex Malenki und Phillip Thaler. Die Kontakte zur neonazistischen und neofaschistischen Rechten führten auch zur zwischenzeitlichen Löschung von Korns Musik auf zahlreichen online-Downloadportalen. Der Sänger und seine Band stehen somit für die Bestrebungen  zum Aufbau einer völkischen „Gegenkultur“, die jedoch versucht ihre extrem rechten Inhalte als vermeintlich harmlosen „Patriotismus“ zu tarnen. Das vereint ihn mit der AfD.                                      

AfD im Netzwerk der „Mosaikrechten“

Das Konzert in Hönow zeigt, wie tragfähig die Netzwerke zwischen subkuturellen und parlamentarischen Kreisen der extremen Rechten inzwischen sind. Der Aufbau einer solchen „Mosaikrechten“ wird seit Jahren eingefordert und von Plattformen wie „Ein Prozent“ unter erheblichem finanziellen Aufwand forciert. Dabei geht es nicht nur darum, gegenseitige Unterstützung einzufordern, sondern eine aktive politische Zusammenarbeit unterschiedlicher Spektren, wie der AfD, der “Identitären Bewegung” oder Musik-Acts, zu fördern. Die Ausrichtung des Konzertes durch die AfD zu diesem Zeitpunkt ist taktisch motiviert. In zwei Wochen findet am 20. und 21. November der Landesparteitag statt. Auf ihm geht es darum, die Nachfolge von Andreas Kalbitz zu bestimmen, dem im Frühjahr 2020 die Parteimitgliedschaft entzogen wurde. Grund waren seine über Jahrzehnte bestehenden persönlichen Kontakte in die extreme Rechte. Doch für viele Teile der Brandenburger AfD war das kein Grund, ihm nachhaltig die Unterstützung zu entziehen. Nun machen sich die Kalbitz-Befürworter*innen im völkischen Parteiflügel bereit, um seine politische Arbeit mit neuen Gesichtern fortzuführen. Zu dieser Fraktion gehört auch Birgit Bessin, die für den Landesvorsitz kandidiert.

Breite Unterstützung für völkische Netzwerke

Dementsprechend ist die Konzert-Veranstaltung vom 6. November 2021 neben dem Dank an die Parteimitglieder für die Hilfe im zurückliegenden Bundestagswahlkampf auch eine Möglichkeit, um die Unterstützer*innen einzuschwören und den politischen Weg der Brandenburger AfD unter Bessin aufzuzeigen. Dieser Kurs scheint eine verstärkte Zusammenarbeit mit extrem rechten Strukturen außerhalb der Parlamente zu beinhalten, um in Brandenburg eine starke „Mosaikrechte“ zu etablieren. Eine solche Entwicklung scheint dabei von vielen führenden Politiker*innen der Partei getragen zu werden. 

Neben den stellvertretenden Landesvorsitzenden Bessin und von Lützow waren weitere Landtagsabgeordnete in Hönow; unter anderem Peter Drenske, Lars Günther, Kathi Muxel , Volker Nothing, die Schriftführerein Kerstin Schotte der ehemalige Abgeordnete Roman Kuffert. Zudem besuchten mit Hannes Gnauck, Steffen Kotré und René Springer gleich drei der fünf aktuellen Brandenburger Bundestagsabgeordneten der AfD das Konzert. Auch die generell eher ins völkische tendierende Parteijugend der AfD zeigt sich als Unterstützerin eines weiter nach rechts führenden Parteikurses. Neben der Vorsitzenden der „Jungen Alternative“ in Brandenburg, Anna Leisten, war ebenfalls ihr Stellvertreter Franz-Sebastian Dusatko sowie Manuel Schmidt anwesend. Von der Berliner JA kam Patrick Steven Fritsch vorbei. Die Ausrichtung eines klandestin organisierten Rechtsrockkonzerts stellt eine neue Qualität der politischen Arbeit der AfD in Brandenburg dar. Hier zeigt sich, wie offen völkische Strukturen in der Partei versuchen, ihre Handlungsspielräume gegenüber vermeintlich gemäßigteren Kräften, wie um Jörg Meuthen, zu erweitern. Es wird sich auf dem Landesparteitag zeigen, inwieweit eine solche Ausrichtung der Landes-AfD mehrheitsfähig ist. Leider spricht vieles dafür. Und selbst wenn die Akteur*innen des völkischen Flügels der Partei nicht unmittelbar auf die gewünschten Posten gewählt werden, werden sie ihren politischen Kurs auf lokaler Ebene fortführen.