Tag Archives: Mobilitätswende

Wer braucht schon Wälder und warum stehen diese Bäume eigentlich den Autos im Weg?

Wie wichtig unsere Wälder im Kampf gegen die Klimakrise sind, ist mittlerweile den meisten Bürger*innen bekannt. Doch an einer Gruppe entscheidender Akteur*innen ist dieses Wissen offensichtlich vorbeigegangen: Den Politiker*innen des Deutschen Bundestages und der Länderregierungen.

Wälder sind für unser Leben auf diesem Planeten unersetzlich, sind es immer gewesen und werden es immer sein. Als Sauerstoffproduzenten schaffen sie eine Grundlage, die für uns Menschen zum Überleben unabdingbar ist. Aber nicht nur das: Wälder sind auch im Hinblick auf die Klimakrise und deren Bekämpfung von enormer Bedeutung. Zum einen speichern sie Kohlenstoff – und das in enormen Mengen: Obwohl sie nur ungefähr 30% der Landoberfläche einnehmen, speichern sie mehr als die Hälfte des Kohlenstoffes, der auf der Erde gebunden ist. Zum anderen herrscht innerhalb der dichten Kronendächer der Wälder eine niedrigere Durchschnittstemperatur, wovon auch umliegende Gebiete profitieren.

Nun klingt es vermutlich logisch, dass der Waldbestand unbedingt erhalten und wenn möglich erweitert werden muss, um so noch effektiver gegen den Klimawandel vorzugehen. Doch diese Logik scheint in bestimmten Menschengruppen nicht verstanden zu werden.

In Deutschland bedecken Wälder rund 32% der Fläche. Im Vergleich mit den anderen europäischen Staaten liegen wir also nur auf Platz 23. Schauen wir uns nun die einzelnen Bundesländer an, liegen Hessen und Rheinland-Pfalz mit jeweils 42,3% Waldfläche an der Spitze. Schleswig-Holstein stellt mit seinen 11% das einsame Schlusslicht unter den Flächenländern dar.

Die einfachste und sinnvollste Konsequenz aus diesen Zahlen wäre nun, den Waldbestand zu schützen und Aufforstung mit Buchenmischwäldern stärker zu fördern. Leider scheint das in Berlin und den Landesregierungen wenig Priorität zu haben. Frei nach dem Motto „Wer braucht schon Wälder, wir können schließlich Straßen bauen“, wurden und werden größere Waldflächen für den Ausbau des Straßennetzes gerodet.

Verkehrsprojekte, die bereits seit über 40 Jahren geplant sind, werden nicht etwa auf ihre aktuelle Notwendigkeit geprüft, sondern ohne jegliche Überlegungen durchgesetzt – zur Not mit Polizeischutz.

Was für einige nach überspitzten Geschichten klingen mag, passiert aktuell im hessischen Dannenröder Forst. Für den Ausbau der A49 soll das aktuell 85 Hektar große Waldstück um 27 Hektar dezimiert werden. Für drei Kilometer Autobahn. Offenbar ganz im Sinne der schwarz-grünen Landesregierung Hessens, die sich in ihrem Koalitionsvertrag für das Projekt ausspricht. Die Regierungsparteien versuchen zwar, der Bundesregierung als Auftraggeberin den schwarzen Peter zuzuschieben, doch auch als Partei auf Landesebene sollte man sich seiner Verantwortung gegenüber den Wähler*innen bewusst sein. Was noch absurder ist als die positive Reaktion der Regierungspartein, ist die Tatsache, dass die Planung des Projektes bereits seit mehreren Jahrzehnten in Gange und schon seit 2012 Teil des Planfeststellungsbescheides ist. Dass sich die Dringlichkeit von Lösungsansätzen in Bezug auf die Klimakrise in diesem Zeitraum deutlich verändert hat, scheint nicht von Interesse zu sein. Was einmal beschlossen wurde, wird auch gebaut, ungeachtet der aktuellen Situation und Entwicklungen.

Das bedrohte Waldstück ist mehr als 250 Jahre alt und trägt somit seit langer Zeit einen wichtigen Teil zur CO2-Kompensation bei. Doch nicht nur diese Funktion ist durch den Autobahnbau gefährdet. Unterhalb des Waldes befindet sich ein Grundwasserkörper, der als Wasserreservoir für das gesamte Rhein-Main-Gebiet gilt. Hier stellt sich nun die Frage, inwiefern es gerechtfertigt ist, über diesen eine Autobahn zu bauen. Laut der EU-Wasserrahmrichtlinie ist es das nicht. Das stellte auch das Bundesverwaltungsgericht fest und kam zu dem Schluss, dass ein solches Vorhaben, würde es heute beantragt werden, so nicht mehr verabschiedet werden würde. Blöd nur, dass der Bauantrag bereits vor einiger Zeit gestellt wurde. Umdenken ist hier natürlich keine Option.

Aufgrund dieser Entwicklungen protestieren seit nun knapp einem Jahr Aktivist*innen gegen die Teilrodung des Dannenröder Forstes. Ungeachtet der Proteste begannen am 01. Oktober diesen Jahres die ersten Fällarbeiten – unter Polizeischutz und Ausschluss von Pressevertreter*innen. Um den Zugang zum Wald zu erschweren, sperrte die Polizei Teile des Umlandes ab. Traurig, dass der Schutz der Fällarbeiten hier offenbar deutlich wichtiger ist und deutlich mehr behördliche Kräfte in Bewegung setzen kann, als der Wald selbst.

Ähnliche Projekte gibt es auch in anderen Teilen Deutschlands, zum Beispiel die geplante Südspange in Schleswig-Holstein. In Kiel soll die B404 zur A21 ausgebaut werden, wobei in Kauf genommen wird, dass der enorm wichtige Grüngürtel im Süden der Stadt massiv eingeschnitten wird. Diese Projekte zeigen deutlich auf, wie absurd die deutschen Politiker*innen auf Forderungen nach einem stärkeren Klimaschutz reagieren. Anstatt die Stimmen von Bürger*innen, die nach den Lockdown-bedingten Onlineprotesten nun auch auf der Straße wieder laut werden, zu beachten, hält die Politik an der Stärkung der Wirtschaft fest – zur Not eben auch auf Kosten des Klimaschutzes. In unserer aktuellen Situation, die deutlich von den wachsenden Bedrohungen durch den Klimawandel geprägt ist, neue Straßen bauen zu wollen ist in etwa so, wie Holz in ein brennendes Haus zu werfen und abzuwarten, ob es sich nicht von allein löscht.

Wenn die Gelder, die momentan für Straßenausbauprojekte eingeplant sind, zum Beispiel in die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs fließen würden, könnte dessen Infrastruktur deutlich schneller ausgebaut werden, sodass der Individualverkehr stärker zurückgehen würde. Auch Transportfahrten könnten auf die Schiene verlegt werden, um den CO2-Ausstoß des Verkehrs zu senken. Auch wenn dieser natürlich nicht allein für die Nichteinhaltung der Klimaziele verantwortlich ist, könnte Deutschland so zumindest ein bisschen näher an die Ziele des Pariser Abkommens heranrücken.

Weiterführende Informationen zu den Protesten gegen die A49 und die A21:

Dannenröder Forst: https://www.stopp-a49-verkehrswende-jetzt.de/
Südspange Kiel: https://www.bielenbergkoppel.de/

Autowahnsinn in Kiel

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3c/A1_-_Kreuz_Bargteheide_%2827%29_%281000m%29_-_geo-en.hlipp.de_-_7368.jpg

Der BUND Garten ist ein malerisches Stück Stadtnatur zwischen Theodor-Heuss-Ring und den Bahnschienen. Einige Mitglieder*innen von BUND und BUNDjugend pflegen und bewirtschaften Teile des Gartens, der Rest wird der Natur überlassen und verwildert langsam. Zwei Bienenvölker, Insektenhotels und ein paar Hühner runden das Naturerlebnis ab. Der Garten liegt in Gaarden-Süd neben der Zugstrecke nach Hamburg und ist von ebenso wertvoller Natur umgeben, wie der Garten selbst.

Doch die Idylle ist bedroht: Der Ausbau von Bundesstraßen und der Neubau einer Autobahn soll über dieses Gebiet erfolgen. Schnell, nachdem die Pläne bekannt wurden, gründete sich ein Bündnis: „Vorfahrt für den Kieler Klimagürtel“. Das Bündnis, bestehend aus Umwelt- und Naturschutzverbänden, wie dem BUND und dem NABU, sowie Aktionsbündnissen, wie „Fridays for Future“ fordert:

  • Vollständiger Erhalt des Grüngürtels!
  • Kein Autobahnbau über Kiel-Wellsee hinaus!
  • Kein Autobahnkreuz am Vieburger Gehölz!
  • Kein Straßenbau auf dem Eidertal-Wanderweg!
  • Keine Südspange!

Doch was macht eine Grünfläche zum Klimagürtel für eine Stadt? Die Positionen und Recherchen des Bündnisses machen das deutlich:

  • „In Zeiten des Klimawandels und steigender Temperaturen ist der Kieler Grüngürtel wichtiger denn je als „Klimagürtel“, der für saubere Luft und im Sommer für erträgliche Temperaturen sorgt.“
  • „Wer Straßen sät, erntet Verkehr: Sowohl die Autobahn, als auch die Südspange sind keine Lösung für Kieler Verkehrsprobleme – Im Gegenteil. Laut Gutachten würde es noch mehr Autoverkehr, dicke Luft und Lärm in Kiel geben“

Mit der Durchsetzung dieses Bauvorhabens würde sich die Stadt Kiel beim Erreichen ihrer Klimaziele zum wiederholten Male ins Abseits stellen. Wieder ein Beispiel der unglaublichen Doppelmoral der Landeshauptstadt. Die Stadt stellt sich als Vorreiterin im Klimaschutz dar und hat im Jahr 2019 sogar den Klimanotstand ausgerufen, dennoch werden Bauvorhaben, wie der Ausbau des Ostseeterminals, geplant und realisiert. Für die Verkehrswende wird im Vergleich dazu wenig Geld ausgegeben. Wir brauchen keine neuen Autobahnen und Bundesstraßen in unmittelbarer Innenstadt-Nähe! Stattdessen muss in den Nah-, Fern- sowie Güterverkehr investiert werden und Autofahren sollte in der Stadt gegenüber dem Fahrrad unattraktiv werden.

Doch nicht nur klima- und umwelttechnisch wäre das Bauvorhaben ein Desaster. Auch die „Alte Meierei“ sieht sich mit den Bauvorhaben in ihrer Existenz bedroht. Die Meierei ist etablierte Kieler Kultur. Ein Ort, an dem Musikveranstaltungen stattfinden und Subkulturen zusammen kommen. Das kommunale Bauvorhaben keine Rücksicht auf solche Hausprojekte nehmen, ist bereits aus anderen Städten bekannt und leider auch, dass Ausgleich und Alternativen zu wünschen übrig lassen.

Das Bündnis, das sich für den Erhalt des Kieler-Klimagürtels einsetzt und in dem auch der BUND organisiert ist, wird auch zukünftig diesem Bauvorhaben entschieden widersprechen sowie die Bürger*innen über die Notwendigkeit des Klimagürtels aufklären. Falls es zu einer Realisierung der Pläne kommen sollte, werden sich Bürger*innen aus Kiel auflehnen und kraftvollen Protest für das Klima und den Stopp der Bauvorhaben des Autobahnkreuzes Karlsburg/Südspange auf die Straße tragen. Jede Kommune trägt Verantwortung bei der Mobilitätswende. Die Stadt Kiel nimmt diese Aufgabe trotzdem nicht ernst genug.

Ein besetzter Acker in Hessen zeigt, dass es möglich ist, effektiv und langfristig gegen sinnlose und klimaschädliche Bauvorhaben zu demonstrieren.
http://greifswa.sabic.uberspace.de/grav-admin/de