Aus aktuellem Anlass dokumentieren wir die Pressemitteilung des Bundesvorstands der Roten Hilfe, sowie der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD). Erinnert sei zu diesem Anlass auch daran, das in Frankfurt a. M. vor zwei Jahren vermummte und bewaffnete Zivilbeamte als agent provocateur aus den Reihen einer Griechenland Solidemo agierten. Das Video dazu ist weiter hier zu sehen.
Verdeckter Ermittler des LKA forscht über neun Monate hinweg unter
falschem Namen die linke Szene aus.
In Heidelberg ist am gestrigen Sonntag, den 12.12.2010 ein verdeckter
Ermittler des LKA enttarnt worden. Der Mann hatte sich unter falschem
Namen seit Mai 2010 Zugang zu verschiedenen Gruppen und Strukturen der
linken Szene in Heidelberg verschafft.
Der LKA-Mann war unter dem Namen Simon Brenner vor etwa neun Monaten in
Heidelberg aufgetaucht, hatte eine Wohnung in Leimen gemietet, sich an der
Universität Heidelberg in den Fächern Soziologie und Ethnologie
eingeschrieben und zunächst begonnen, sich in verschiedenen linken
StudentInnengruppen zu engagieren. Dabei zeigte er Interesse für nahezu
alle denkbaren Felder linker Politik. So beteiligte er sich an Aktionen
in den Bereichen Antifaschismus und Anti-AKW-Bewegung und nahm an den
Bildungsprotesten ebenso teil wie am No-Border-Camp in Brüssel.
Bei den vergangenen Anti-Castor-Protesten war er beispielsweise aktiv in
die Organisation der Süd-Blockade involviert.
Nachdem ihn AktivistInnen mit seinem Doppelleben konfrontiert hatten, gab
er zu, eine Sonderschulung als verdeckter Ermittler beim LKA
Baden-Württemberg absolviert zu haben und in regelmäßigen
Dienstbesprechungen sowohl mit dem Heidelberger Staatsschutz als auch mit
dem LKA Namen und Informationen zu sämtlichen Personen der linken Szene
weitergegeben zu haben, derer er habhaft werden konnte. Auch die Namen von
MitbewohnerInnen und Freundschaften seien in den Akten der Betreffenden
vermerkt worden. Sein Zielgebiet sei „insbesondere der Bereich Antifa“ und
sein Einsatz „von langer Hand geplant“ gewesen. Ein konkreter
Straftatbestand sei nicht Gegenstand seines Auftrags gewesen.
Das geheimdienstliche Ausspähen oppositioneller Gruppen durch die
politische Polizei spricht jedem Anspruch von Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit Hohn. Es verletzt darüber hinaus eklatant das strikte
Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst, das sich die BRD als
Konsequenz aus der nationalsozialistischen Vergangenheit auferlegt hatte.
Das polizeiliche Vorgehen ist erkennbar und offensichtlich rechtswidrig.
Der Einsatz verdeckter Ermittler erfordert laut Polizeigesetz und
Dienstanweisungen die Benennung eines konkreten Tatverdachts und einer
Zielperson, die namentlich genannt werden muss. Der Polizeispitzel „Simon
Brenner“ hat aber offensichtlich über fast ein Jahr hinweg ein ganzes
politisches Milieu ausgeforscht und sämtliche ihm zugänglichen
Informationen über linke Gruppen und die in ihnen aktiven Personen
gesammelt, ohne dabei einen tatsächlichen oder konstruierten
Straftatbestand im Auge zu haben.
Die Rote Hilfe fordert die Polizeidirektion Heidelberg und das LKA
Baden-Württemberg auf, die Öffentlichkeit sofort und rückhaltlos über den
Einsatz dieses verdeckten Ermittlers zu informieren.
Wir fordern die Heidelberger Polizei auf, unverzüglich Stellung zu nehmen
zu folgenden Punkten: Was wusste die Polizeidirektion Heidelberg über den
rechtswidrigen Einsatz dieses Spitzels? War die Heidelberger Polizei an
Planung und Durchführung des Einsatzes beteiligt?
Wir verlangen vom LKA Baden-Württemberg eine sofortige und umfassende
Stellungnahme zu folgenden Punkten: Auf welcher Rechtsgrundlage hat das
LKA monatelang politische Aktivitäten und private Verhältnisse linker
AktivistInnen in Heidelberg mit geheimdienstlichen Mitteln ausspähen
lassen? Welchen Umfang hatte der Einsatz des Beamten? Welches Ziel sollte
mit dem Einsatz verfolgt werden? Welche Daten wurden aufgrund dieses
rechtswidrigen Einsatzes erhoben?
Wir fordern den baden-württembergischen Innenminister Heribert Rech auf,
der Öffentlichkeit zu erklären, mit welcher Berechtigung staatliche
Behörden legal arbeitende linke Strukturen durch verdeckte Ermittler der
Polizei überwachen lassen. Gleichgültig, ob sich die Affäre mit Wissen von
Innenminister Rech abgespielt hat oder ob er vollkommen die Kontrolle über
seinen Apparat verloren hat: Die einzige denkbare politische Konsequenz
ist sein sofortiger Rücktritt sowie der Rücktritt aller für den
Spitzeleinsatz Verantwortlichen.
Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.
Für weitere Informationen aus Heidelberg wenden Sie sich bitte mit
Rückrufnummer an [email protected]
Pressemitteilung der AIHD:
Nach neunmonatigem Einsatz ist am 12. Dezember 2010 in Heidelberg ein V-Mann des Landeskriminalamts Baden-Württemberg enttarnt worden. Als er von GenossInnen zur Rede gestellt wurde, gab er zu, sich nach einer Spezialausbildung seit dem Frühjahr Zugang zu verschiedenen offenen linken Gruppen verschafft zu haben und Namen sowie sonstige Informationen zu AktivistInnen und deren Betätigungsfeldern an das LKA und den örtlichen Staatsschutz weitergegeben zu haben. Ziel seines Einsatzes war, ein umfassendes Szeneprofil der Heidelberger Linken zu erstellen und einen Einblick insbesondere in die Arbeit der Antifa-Strukturen zu bekommen.
Seit April 2010 war der Spitzel unter dem Namen „Simon Brenner“ an der Heidelberger Uni immatrikuliert und hatte sich über leicht zugängliche studentische Strukturen innerhalb der linken Szene bewegt.
Laut seinen eigenen Angaben sollte er sich auf die hiesige Antifa-Szene konzentrieren, insbesondere auf die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), sah sich aber vorerst gezwungen, sich auf die Mitarbeit in anderen Bewegungen zu beschränken. So war der Schnüffler unter anderem bei Ökologie- und Anti-Castor-Protesten aktiv und beteiligte sich an antirassistischen Aktionen und antifaschistischen Demonstrationen.
Durch seine Mitarbeit in verschiedenen linken Strukturen bekam der LKAler einen Einblick in die Planung anstehender Aktionen, über die er wiederum den Heidelberger Staatsschutz informierte. So gab er beispielweise an, im Vorfeld der antifaschistischen Proteste gegen das umstrittene städtische „Heldengedenken“ im November 2010 einen verstärkten Polizeieinsatz veranlasst zu haben. Tatsächlich ging an diesem Tag die Heidelberger Polizei massiv mit Hundestaffeln, zivilen BeamtInnen und einem martialischen Aufgebot gegen die DemonstrantInnen vor.
Daneben sorgte der Spitzel für die Hausdurchsuchung bei einem linken Studenten, nachdem er in dessen Zimmer kriminalisierbares Material gesehen zu haben behauptete.
Durch diesen Einsatz wurde nicht nur das verfassungsgemäß vorgeschriebene Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei ausgehebelt, sondern auch ohne jeglichen konkreten Tatvorwurf eine Vielzahl oppositioneller Gruppen und Einzelpersonen ausspioniert und polizeilich erfasst. Damit wird die lange Reihe von massiven und sich jenseits der Legalität bewegenden Repressionsmaßnahmen gegen die Heidelberger Antifa-Szene fortgesetzt, deren Höhepunkte das langjährige Berufsverbotsverfahren gegen ein Mitglied der AIHD und der jetzige V-Mann-Einsatz sind.
Wir fordern die Heidelberger Polizei und das LKA auf, alle Details und Hintergründe dieses offensichtlich rechtswidrigen Spitzeleinsatzes offen zu legen.
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)