Category Archives: Antiziganistische Klischees

Falsche Zahlen: Keine Belege für Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien

Eine Meldung des Deutschen Städtetages sorgt für Wirbel: Die Kommunen seien mit der wachsenden „Armutszuwanderung“ aus Rumänien und Bulgarien allein gelassen. Dabei waren die Zahlen überzogen. Das zeigen Recherchen des Mediendienstes Integration.

„Armutszuwanderung aus Südosteuropa braucht Lösungen“, warnte der Deutsche Städtetag vergangene Woche und forderte Bund, Länder und EU zum Handeln auf. Die Kommunen seien mit der wachsenden „Armutszuwanderung“ aus Rumänien und Bulgarien allein gelassen.

Das Ausmaß des Problems schilderte der Städtetag in einem zehnseitigen Positionspapier mit alarmierenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach seien 2011 aus Rumänien und Bulgarien 147.091 Personen eingewandert, während es 2007 noch 64.158 waren. Schon jetzt stehe fest, dass die Zuwanderung aus diesen Ländern im ersten Halbjahr 2012 um 88.000 und damit um 24 Prozent gestiegen ist.

Härteres Vorgehen
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprang gleich ein und forderte ein „härteres Vorgehen“ gegen Armutszuwanderer aus Osteuropa. Ein Teil dieser Zuwanderer komme nur deshalb nach Deutschland, um Sozialleistungen zu bekommen. Sie täuschten und missbrauchten das deutsche Sozialsystem. Man müsse über eine „gezielte Einreisesperre“ nachdenken, so Friedrich im ZDF-„heute journal“. Zahlreiche Medien gaben die Zahlen des Städtetages und die Worte Friedrichs wieder. Continue reading Falsche Zahlen: Keine Belege für Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien

Roma-und-Sinti-Appell an Gauck

Zentralratsvorsitzender beklagt diskriminierenden Populismus und bittet den Bundespräsidenten, mäßigend auf Parteien einzuwirken

In der Debatte über Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma an Bundespräsident Joachim Gauck gewandt. Die gegen Roma und Sinti gerichteten Diskussionen über Kriminalität und Armutsflüchtlinge würden aggressiv geführt und drohten, zum Wahlkampfthema zu werden, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Schreiben des Zentralratsvorsitzenden Romani Rose. Er bittet den Bundespräsidenten, mäßigend auf die Parteien einzuwirken.

Weiter schreibt Rose, er stelle einen neuen Populismus fest, der von Politikern betrieben werde. Dieser beinhalte Vorwürfe von „Betrug bei Sozialleistungen“ und „Missbrauch der Freizügigkeit“ bis zu „Asylmissbrauch“ und „Kriminalität“. Roma würden als Folge dieser Diskussion bereits in ihren Herkunftsländern von Politikern und Medien zu Sündenböcken dafür gemacht, dass etwa Verhandlungen über die Erweiterung des Schengen-Abkommens stockten. Dadurch verschärfe sich die Lage der Volksgruppe dort weiter. Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die desolate Situation von Roma in den Herkunftsländern wirksam verbessert werde. Für die Menschen, die nach Deutschland zuwanderten, müsse die Regierung Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen mehr Unterstützung gewähren.

Quelle: taz.de
Stand: 06.03.2013

„Wie dreckige Zigeuner“ – Das Elend der Roma

Roma in Bulgarien, das bedeutet Armut, Elend und Rassismus. Deshalb gehen viele nach Westen – auch nach Deutschland. Vor allem die Mädchen, sie prostituieren sich. „Was sollen sie anderes machen?“

Im Sofioter Roma-Viertel Hristo Botev steht frisches Wasser in den Schlaglöchern. Es hat geregnet. Die Lichter der Flugzeuge, die auf dem nahe gelegenen Flughafen starten und landen, leuchten hell am wolkendüsteren Himmel. Kaum jemand ist auf der Straße.

Ivan schiebt seinen Schubkarren zu einem Müllhaufen. Früher, vor der Krise, lebte und arbeitete er acht Jahre lang im Ausland, in Spanien, erst als Schäfer, dann auf dem Bau, sagt er. Er spricht fließend Spanisch und zeigt stolz seine spanische Aufenthaltsgenehmigung. Aber als 2008 die Krise hereinbrach, verlor er sofort seinen Job.

Danach bekam er noch zwei Jahre lang Arbeitslosengeld, 420 Euro im Monat; als das zu Ende war, kam er zurück nach Bulgarien. Seine Frau und zwei Kinder ließ er in Spanien, die Frau arbeitet dort als Dienstmädchen. Vor der Krise, da dachten sie schon, sie hätten es geschafft, hatten eine Wohnung auf Kredit gekauft.

Nun muss der abbezahlt werden. Ivan verdient zehn Euro an einem guten Tag, gar nichts an einem schlechten, indem er Plastikflaschen aus dem Müll klaubt für ein paar Cent das Kilo. Mehr als 150 Euro im Monat ist damit nicht zu schaffen. Continue reading „Wie dreckige Zigeuner“ – Das Elend der Roma

Rassismus in Bremen: SPD-Abgeordneter hetzt gegen Roma

Ein SPD-Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft verbreitet auf seiner Homepage Stereotype über Roma. Die Partei sieht Gesprächsbedarf.

Mit Heinrich Himmler will Martin Korol nicht verglichen werden. Konfrontiert mit dem Vorwurf sprachlicher Nähe zum Nazi-Innenminister, bricht er das Gespräch ab und verlangt eine Entschuldigung. Und womöglich ist ein Vergleich auch irreführend. Korol ist kein Minister. Er ist Pensionär. Wenn er dieselben Gemeinplätze wie Himmler über Roma verbreitet, tut er dies bloß in einem Online-Aufsatz.

Ganz anders als jener bleibt Korol auch bezüglich der Folgerungen aus dem, was er als „Problem“ beschreibt, vage: Er gibt bloß unverbindlich der Hoffnung Ausdruck, es möge gelingen, „uns vom ,grässlichen Fatalismus der Geschichte‘ (Georg Büchner) zu befreien“. Der Dichter skizziert auch den Staatsterrorismus als mögliche Ausflucht aus jenem „ehernen Gesetz“ – der allerdings für ihn selbst nicht in Frage komme. „[I]ch“, schreibt er, „bin kein Guillotinemesser“.

Zur öffentlichen Angelegenheit wird Korols Essayistik, seit er am Mittwoch in die Bremische Bürgerschaft nachgerückt ist. Als Mitglied der SPD-Fraktion. Auf seiner Website steht ein Bild, auf dem er das Logo der Landespartei in den Händen hält. Einen dunkelroten, transparenten Würfel, auf dem in weißen Buchstaben „Echt Bremen“ steht, und „SPD“.

Drunter hat er seine Schriften abgelegt. In einer von ihnen insistiert er, ungeachtet der Pogrome in Rumänien, der Morde in der Slowakei und der Gesetzgebung in Ungarn, darauf, dass Roma „nicht aus politischen Gründen nach Bremen“ kämen, sondern weil es für sie „das Land Utopia“ sei. Blöderweise würden sie „ihre Töchter aus der Schule nehmen […] um sie dann zwangszuverheiraten“. Die jungen Roma-Männer unterdessen „schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg“. Folge: „Die Aussicht, dass sie je zum BSP oder auch nur zur Rente beitragen, wo auch immer und also auch meiner“ sei „gleich Null.“ Continue reading Rassismus in Bremen: SPD-Abgeordneter hetzt gegen Roma

»Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen«

Über historische Kontinuitäten im Zusammenhang von Arbeitsethik und Antiziganismus seit dem Frühkapitalismus berichtet Markus End

Die stereotype Wahrnehmung von der Art und Weise wie vermeintliche ›Zigeuner‹ ihre materielle Reproduktion sichern, nimmt im Antiziganismus eine prominente Stellung ein. Keiner der ›Gelehrten‹, die seit dem 15. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum über ›Zigeuner‹ berichteten, vergisst darauf hinzuweisen, dass diese hauptsächlich durch ›Betteln‹, ›Stehlen‹ und ›Wahrsagen‹ ihr Leben bestritten und mit ›ehrlicher Arbeit‹ nichts anfangen könnten. Auch in den gegenwärtigen Diskursen über migrierende Roma spielt die Vorstellung vom ›bettelnden Zigeuner‹ eine große Rolle. Um die Entwicklung dieser antiziganistischen Vorstellung zu veranschaulichen, sollen hier die Ausführungen von Hermann Arnold herangezogen werden. Der Mediziner Arnold steht wie kein anderer für die Kontinuitäten des nationalsozialistischen Antiziganismus in der Bundesrepublik Deutschland. Er publizierte auf der Basis der nationalsozialistischen ›Rassegutachten‹ der Rassenhygienischen Forschungsstelle, suchte und ›fand‹ das ›Zigeunergen‹, war nach 1945 als Berater für Ministerien und Verbände tätig und galt bis Anfang der 1980er Jahre als der kompetenteste ›Zigeunerforscher‹ in der BRD. Continue reading »Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen«

„Kopf für Kopf muss überzeugt werden“

Kaum eine andere Minderheit wird in Europa so stark benachteiligt wie Sinti und Roma. Im Interview mit FAIRPLAY GLOBAL plädiert Marko Knudsen vom Europäischen Zentrum für Antiziganismusforschung (EZAF) für eine stärkere Bildung der Mehrheitsgesellschaft und positive Diskriminierung.

Herr Knudsen, immer wieder wird über die Auflösung von Romalagern in Frankreich und deren Quasi-Abschiebung in Länder wie Rumänien, Serbien und Kosovo berichtet. Ärgert es Sie, dass Roma nur in diesen Zusammenhängen den Weg in die Medien finden?

Über Roma wird entweder romantisch berichtet oder im Zusammenhang mit Kriminalität. Es kommt selten vor, dass über uns als Minderheit, als Opfer und Verfolgte berichtet wird. Man zeigt die Armut und das Elend unseres Volks und fragt nicht, wo die Ursachen liegen. Ich würde mir wünschen, dass Vertreter der Roma mehr selbst zu Wort kommen, anstatt dass immer über sie berichtet wird. Continue reading „Kopf für Kopf muss überzeugt werden“

Hate crime investigation launched surrounding Ezra Levant’s Roma broadcast

The Roma Community Centre in Toronto wants police to investigate comments made by Ezra Levant in a recent broadcast on Sun News Network as a hate crime.

The centre says it has “officially reported a hate crime” about Ezra Levant’s broadcast, “The Jew vs. the Gypsies” that aired on his show The Source on September 5. The Toronto Police Service confirmed to J-Source that they are investigating a complaint from the centre.

“The hate crime unit is investigating,” said Toronto Police constable Wendy Drummond. “The complaint is new, and the investigation is ongoing.”

No charges have been laid.

In the broadcast, Levant accused the Roma of cheating the Canadian refugee system, and stereotyped them as criminals. He said:
“These are gypsies, a culture synonymous with swindlers. The phrase gypsy and cheater have been so interchangeable historically that the word has entered the English language as a verb: he gypped me. Well the gypsies have gypped us. Too many have come here as false refugees. And they come here to gyp us again and rob us blind as they have done in Europe for centuries … They’re gypsies. And one of the central characteristics of that culture is that their chief economy is theft and begging.” Continue reading Hate crime investigation launched surrounding Ezra Levant’s Roma broadcast

„Zeugen eines nationalen Erwachens“

Die nationalistisch-orthodoxe „Noua Dreapta“ hat am vergangenen Wochenende in Timişoara eine Protestkundgebung gegen Roma abgehalten.

Mit rassistischen und nationalistischen Sprüchen wie „Zigeuner merke dir, Rumänien gehört nicht dir“, „Blutsauger raus“, „Rumänien den Rumänen“ oder „Nationaler Widerstand“ sind am 20. Oktober etwa 100 Neonazis aus den Reihen der „Noua Dreapta“ (Neue Rechte) in Timişoara (Temeschburg) aufmarschiert. Bogdan Popa, Führer der örtlichen „Noua Dreapta“, hetzte in seiner Rede gegen ansässige Roma und forderte die Behörden auf, sich zu fragen, „woher diese Individuen ihr Vermögen haben“.

In Rumänien leben offiziell um die 600.000 Roma, die tatsächliche Zahl dürfte aber bei zwei Millionen liegen. Etwa jeder zweite Rom ist Analphabet. Ein Drittel der Familien lebt in Ghetto-ähnlichen Zuständen und ist bitterarm.

Die „Noua Dreapta“ fordert eine Lösung des „Zigeunerproblems“. „Wir wollen nichts mehr von einer Romasprache hören“, heißt es in einem programmatischen Text von „Noua Dreapta“. In Punkt fünf der zehn aufgeführten Ziele der „Noua Dreapta“ wird ein „Verbot der Benennung ‚Roma’ für Zigeuner“ gefordert. Weiter ist zu lesen: „Wir sind Zeugen eines nationalen Erwachens. Wir wollen … keine gebogenen Nasen und bläulichen Lippen mehr sehen“. Continue reading „Zeugen eines nationalen Erwachens“

„Wir wollen unsere Geschichte selbst erzählen und gestalten“

Nach 67 Jahren wird endlich das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Rroma Europas in Berlin eingeweiht. Vertreter beider Gruppen begehen diesen besonderen Tag mit einer gemeinsamen Aktion. Unterstützt werden sie dabei von der Amadeu Antonio Stiftung.

Auch über 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ist die Berichterstattung und öffentliche Meinung über Sinti und Roma überwiegend fremdbestimmt. Dabei sind oft Schlagwörter wie „nicht integrierbar“, „bildungsfern“ oder „unprofessionell“ vorherrschend.

Dieser fremdbestimmten Meinungspolitik möchten das 2011 gegründete Rroma Informations Centrum e.V. und die seit 2009 bestehende Initiative Rromnja aktiv mit einer selbstbestimmten Arbeit entgegentreten. Im Verein sind daher alle Schlüsselpositionen mit Rromafachleuten besetzt, welche sich mit rromabezogenen Themen auseinandersetzen. Denn wie der Verein erklärt,: „Wir wollen unsere Geschichte selbst erzählen und gestalten. Das Rroma Informations Centrum e.V. bietet eine Plattform für Rroma Aktivist_innen, um Stimmen hörbar zu machen und die Vielfalt der Rroma- Perspektiven zu Themen wie Bildung, Politik und Kunst aufzuzeigen und zur gesamtgesellschaftlichen Reflexion beizutragen.“ Continue reading „Wir wollen unsere Geschichte selbst erzählen und gestalten“